4
Fischer & Mi~ller: Wie lgnge lgsst sieh der behufs Vergiftung etc. 57 KPtCI 3 redUcirt und das KCI des w~sserigen Auszuges direct gewogen wird. 6, Diese genaue Ziffer far KC1 ermSglicht in Yerbindung mit der Chlormethode auch die Ziffer far Chlornatrium mit beglaubigter Genauig- keit zu bestimmen, wenn Spuren yon Verunreinigungen "~orliegen. 7. Sind Magnesiaspuren als Yerunreinigung zu erwarten, so ist das Chloralkaliengemenge vor der Chlorbestimmung dureh eine Stunde und langer bei dunkler Rothgluth zu erhalten, damit der Widerstand, den anwesendes Chlorkalium der Zersetzung des Chlormagnesiums entgegeu- stellt, so gebrochen .werde, dass yore Chlormagnesium kein mit der Wage nachzuweisender Rest yon Chlor zurackbleibe. 8. Chlormagnesium far sich erhitzt ~erwandelt sich in Magnesium- oxyd, das iramer noch eine Chlorreaction, wenn auch keine w~igbare Menge yon {~hlorsilber gibt. Die Chlormagnesiumspur neben Chlornatrium and Chlorkalium wird durch Erhitzen in eine constante Yerbindung iiber- geffihrt, welehe bei der controlirenden Bestimmnng zifferm~ssig und mit grosser Scharfe wieder gefnnden wird. Wie n, chemisches Universitatslaboratorium des He~rn Professor Schneider, im Juli I875. Wie lunge l~sst sich der behufs ¥ergiftung genossene Phos- phor in der Leiche nachweisen ? Yon Professor Dr. Fischer und Apotheker Salias ~iiller. Anknapfend an einen ira E u 1 e n b u r g' schen Journal far forensische l~edicin yon uns ~erSffentlichten angeblichen Yergiftungsfall durch Phos- phor machten wir zur Beantwortung obiger Frage nachstehende in dem- selben Journal gleichzeitig mitgetheilte Yersnche: Den 19. April vergifteten wir ~ier mittelstarke Meerschweinchen mit je gleichen Mengen Phosphor, Es wurden zu dem Zweck Streieh- hSlzchen-Kuppen eingeweicht und die yon den HSlzchen befreite ttassige Masse den Meerschweinchen ~ermittelst einer Schlundsonde eingegossen; genau quantitativ bestimmt erhielt jedes 0,023 Grm. l~hosphor. ~ach wenigen Stunden trat bei allen Thieren tier Tod ein; sie wurden neben- einander 1/2 Meter tier in einen sandig lettigen Boden begraben und naeh je 4 resp. 3 Wochen die Untersuchung anf Phosphor resp. phos:

Wie lange lässt sich der behufs Vergiftung genossene Phosphor in der Leiche nachweisen?

  • Upload
    fischer

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wie lange lässt sich der behufs Vergiftung genossene Phosphor in der Leiche nachweisen?

Fischer & Mi~ller: Wie lgnge lgsst sieh der behufs Vergiftung etc. 57

KPtCI 3 redUcirt und das KCI des w~sserigen Auszuges direct gewogen

wird. 6, Diese genaue Ziffer far KC1 ermSglicht in Yerbindung mit der

Chlormethode auch die Ziffer far Chlornatrium mit beglaubigter Genauig- keit zu bestimmen, wenn Spuren yon Verunreinigungen "~orliegen.

7. Sind Magnesiaspuren als Yerunreinigung zu erwarten, s o ist das Chloralkaliengemenge vor der Chlorbestimmung dureh eine Stunde und langer bei dunkler Rothgluth zu erhalten, damit der Widerstand, den anwesendes Chlorkalium der Zersetzung des Chlormagnesiums entgegeu- stellt, so gebrochen .werde, dass yore Chlormagnesium kein mit der Wage nachzuweisender Rest yon Chlor zurackbleibe.

8. Chlormagnesium far sich erhitzt ~erwandelt sich in Magnesium- oxyd, das iramer noch eine Chlorreaction, wenn auch keine w~igbare Menge yon {~hlorsilber gibt. Die Chlormagnesiumspur neben Chlornatrium and Chlorkalium wird durch Erhitzen in eine constante Yerbindung iiber- geffihrt, welehe bei der controlirenden Bestimmnng zifferm~ssig und mit grosser Scharfe wieder gefnnden wird.

W i e n, chemisches Universitatslaboratorium des He~rn Professor S c h n e i d e r , im Juli I875.

Wie lunge l~sst sich der behufs ¥ergiftung genossene Phos- phor in der Leiche nachweisen ?

Yon

Professor Dr. Fischer und Apotheker Salias ~iiller.

Anknapfend an einen ira E u 1 e n b u r g ' schen Journal far forensische l~edicin yon uns ~erSffentlichten angeblichen Yergiftungsfall durch Phos- phor machten wir zur Beantwortung obiger Frage nachstehende in dem- selben Journal gleichzeitig mitgetheilte Yersnche:

Den 19. April vergifteten wir ~ier mittelstarke Meerschweinchen mit je gleichen Mengen Phosphor, Es wurden zu dem Zweck Streieh- hSlzchen-Kuppen eingeweicht und die yon den HSlzchen befreite ttassige Masse den Meerschweinchen ~ermittelst einer Schlundsonde eingegossen; genau quantitativ bestimmt erhielt jedes 0,023 Grm. l~hosphor. ~ach wenigen Stunden trat bei allen Thieren tier Tod ein; sie wurden neben- einander 1/2 Meter tier in einen sandig lettigen Boden begraben und naeh je 4 resp. 3 Wochen die Untersuchung anf Phosphor resp. phos:

Page 2: Wie lange lässt sich der behufs Vergiftung genossene Phosphor in der Leiche nachweisen?

58 Fischer & l~[iiller: Wie lange I£sst sich der behnfs Vergiftung

phorige Saure vorgenommen. Hierbei ergab sich Folgendes: Den 19. Mai wurde das erste Meerschweinchen, naehdem es also ~t Wochen in der Erde gelegen, ausgegraben; es roch unangenehm faulig, die eil)zelnen Organe aber konnten noeh vollstitndig untersehieden werden. Herz, Leber, hlilz, Magen and Siimmtliche Ged~trme herausgenommen warden zuerst nach der S c h e r e r ' schen Methode auf Phosphor gepr~ift: es zeigte sich bald eine intensive Braunfiirhung des Silberpapieres, wohingegen alas Blei: papier vSllig weiss blieb. Wie schSn auch diese Reaction, so ist sie doeh, ohne das geschwi~rzte Papier weiter zu untersuehen, bei stark in Fiiulniss tibergegangenen Substanzen nicht beweisend. "Wir haben diese Reaction, wie sich weiter ergeben wird, beim vierten Meerschweinchen, in dem weder Phosphor noeh phosphorige Siiure vorhanden, ebenso sch(ln erhalten; die bier eingetretene Br~tunuag war nut den gasfiirmigen Faul- niss-Produeten zuzuschreiben.

Naeh der S s h e r e r ' schen Vorun~ersuchung wurde die ganze Masse nach der M i t s C h e r 1 i c h ' schen Methode der Destillation unterworfen.

t~eim Beginn des Koehens trat sofort das eharaeteristisehe Leuehten ein and w~hrte dasselbe nahe eine Stunde. Zur anniihernd quantitativen Feststellung des nicht oxydirten Phosphors wurde, nachdem noeh eine Stunde weiter destillirt, ira Destillat der Phosphor nach der gewShnlichen Methode als pyrophosphorsaure Magnesia bestimmt; wit erhielten 0,018 Grin. ; dies entspricht fast genau 0~005 Grm. Phosphor. Nach den Yon O. S c h i f f e r d e e k e r in dieser Zeitschrift 1872 Bd. 11 S. 279 mitge= theilt~n Versuchen ~th'den diese 0,005 Grin. destillirter Phosphor auf noch in der "ganzen Masse vorhanden gewesene 0,0075 - - 0,010 G r m . Phosphor schliessen lassen; es hiitten sich demnach yon den genossenen 0~028 Grin. PhosPhor innerhalb vier Wochen 0,013 - - 0,0155 Grm. hSher oxydirt. Den 14. Juni wurde das zweite Meerschweinchen, das nan 8 Wochen begraben, vorgenommen; die Fiiulniss war jetzt schon so welt vorgeschritten, dass die einzelnen Organe sich nicht m e h r unter- scheiden liessen, die ganze innere Masse war eine schmierige geworden. Dieselbe wurde so vollst~indig wie mSglich yon den Rippen abgekra~zt and ebenfalls erst der S c he r er 'sehen Methode unterworfen: Das Siiber -~ papier wurde schnell braunschwarz, das Bleipapier blieb unvertindert. Der Destillation unterwor.fen zeigte sich gleidh beim Beginn des Kochens ebenfalls wieder das characteristisehe Leuchten, welch schSne Erscheinung diesmal aber nur 35 Minuten wlihrte. Nachdem auch hier wieder die Destillation eine Stunde fortgesetzt~: wurde im Destiliat der, vorhandene

Page 3: Wie lange lässt sich der behufs Vergiftung genossene Phosphor in der Leiche nachweisen?

genossene Phosphor in der Leiche nachweisen ? 59

Phosphor als pyrophosphorsaure Magnesia bestimmt; wir erhielten 0,011

Grin. ; diese Menge entspricht fast genau 0,003 Grin. Phosphor. hTach S c h i f f e r d e e k e r mfissen wir also annehmen, dass in der ganzen unter- suchten Masse noch 0~0045 - - 0,006 Grin. unoxydirter Phosphor vor= handen gewesen wiren, eine Thatsaehe, die wir bei so vol[st/~ndig einge- tretener F/iulniss nicht erwartet hatted.

Sehr gespannt zogen wir nun den 10. Jnli dus dritte Meerschweinchen, das dun 12 Wochen in der Erde gelegen, in die Yersuchsreihe. Das Thier war vollstindig in Fiulniss iibergegangen, so dass yon einer Trennung der inneren Masse Abstand genommen werden mnsste; wit zerriihrten in Folge dessen das ganze Thier mOglichst gut and nahmen .wieder zuerst die Untersuchung mit den Papieren vor: Das Silberpapier wurde bald braunschwarz, das Bleipapier blieb unverindert. Hierauf wurde wie frl~her die mit Sehwefelsiure angesiuerte Masse der Destil- lation unterworfen; diesmal liess sieh keine Spur eines Leuchtens be- merken; im Destillat war weder Phosphor noeh phosphorige Slure nach- zuweisen; nach 12 Woehen also war unoxydirter Phosphor nieht mehr vorhanden. Da abet die M6glichkeit vorlag, dass ein Theil des genossenen Phosphors sich nur bis zur phosphorigen S/iure oxydir~ babe, wurde dun nacb der D u s a r t - B l o n d l o t ' s c h e n Methode verfahren d. h. die in dem Kolben nach der Destillation zurtickgebliebene Masse in einen ge- riiumigeren Kolben gebracht, ehemiseh reines Zink und Schwefelsiure zugeffigt, der Kolben in ein Wasserbad gestellt and das sich entwickelnde Wasserstoffgas in Silberl6sung geleitet; es trat bald eine Sehw~rzung lind hierauf die Bildung eines nicht unbedeutenden sehwarzen Nieder- schlages ein. Dieser Niederschlag gesammelt und sorgfiltig abgewasehen wurde nun nach dem yon N e u b a u e r and F r e s e ni u s verinderten Verfahren abermals in den Wasserstoffentwickelungs-Apparat gebracht; beim Anziinden des Wasserstoffgases war die prachtvolle Grtinfi~rbnng der FIamme zu beobachten und die im Vorstoss condensirten und mit Wasser nachgespalten Verbrennnngsproducte enthielten dureh molybdin- saures Ammoniak ~owie durch ammoniakalische BittersalzlSsung leicht naehweisbare Phospbors~,ture. Es ergibt sioh hierans also, dass in dem 12 Woehen vergrabenen Meerschweinehen, wenn auch nieht mehr un- oxydirter Phosphor, so doeh noeh vorhandene phosphorige Siure, also eine Yergiftnng dnreh Phosphor, evident naehgewiesen werden konnte.

Den 30. Juli endlieh wurde das vierte, jetzt 15 Woehen vergrabene Meerschweinchen untersucht. Der Geruch dieses Cadavers war nicht so

Page 4: Wie lange lässt sich der behufs Vergiftung genossene Phosphor in der Leiche nachweisen?

60 Fischer & Miiller: Wie lunge liiss~ sich tier behufs Vergif~ung etc.

fauliger Natur als der der frtiheren; die gauze Masse mehr trocken. Das gauze Thier wurde nun wie das vorige zuerst nach tier S c h e r e r'schen Methode untersuch~; es ffirbte sich, wie schon erwahnt, das Silberpapier auch bier bald braunschwarz, das Bleipapier blieb unveriindert; in allen vier Thierchen war also trotz vorgeschrittener Fi~ulniss-Schwefelwasser- stoff nie gebildet worden. Nach der M i t s c h e r l i c h ' s c h e n hlethode war bier: wie zu erwarten, keine Spur yon unoxydirtem Phosphor nach- zuweisen. Es wurde nun der im Kolben gebliebene Riickstand ebenfalls naeh dem D u s a r t - B 1 o n fi 1 o t ' schen Yerfahren untersucht :w i r erhielten ebenfalls eine Schwi~rzung der SilberlSsung, je nach einsttindigem Ein- leiten des Wasserstoffgases setzte sich ein, wenu auch geringer, schwarzer Niederschlag zu Boden. Derselbe gesammelt, gut ausgewaschen und ahermals in den Wasserstoffentwickelungs-Apparat gebracht ertheilte abet beim Anztinden des Wasserstoffs der Flamme keine grtine Farbung, die ausgcsptilten Yerbrennungsproducte enthielten keine Spur yon Phosphor- s~ure; nach 15 Wochen also war beim Genuss yon 0,023 Grin. Phosphor derselbe in der Leiehe nicht mehr nachzuweisen, war vollst~ndig zu Phos- phors~ure oxydirt,

Wir erkennen an, dass diese Yersuche, bei denen sieh herausgestellt, dass behufs %ergiftung genossener Phosphor noch nach 12 Wochen in der Leiche mit positiver Gewissheit nachzuweisen, nicht :vSllig in Ein- klang zu stellen sind mit den bei Menschen mittelst Phosphors vor- kommenden Vergiftungsf~ilen: einmal war die Menge des genossenen Phosphors ftir die kleinen Thierchen eine ziemlich bedeu~ende; dann trat der Ted ohne jedes Erb'rechen, durch welches Symptom beim Menschen gewShnlich eine mehr oder minder grosse Menge genosseneu Phosphors entfernt wird, ein - - der gauze gegebene Phosphor also blieb im 0rganis- mus; endiich bietet das dicht hehaarte Fell des Meerschweinchens der Luft gewiss einen gr6sser'en Widerstand als die Haut; immerhin aber beweisen die Yersuche, dass der Phosphor l~ngere Zeit unoxydirt in der Leiche sich erhiilt, a l s man bei der grossen Oxydationsfiihigkeit des Phosphors zu erwarten berechtigt war.

B r e s l a u , den 2. September 1875'