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Physik in unserer Zeit Jorg Friedrich wk sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus? War nicht das Auge sonnenhaft, wie konnten wir das Licht erblicken? Wie sehen die Atomkerne aus? [I] Sehen und damit Erkennen eines Gegenstan- des heidt: die Information auswerten, die im Licht enthalten ist, das mit dem Gegenstand wechselwirkte. Diese etwas gekiinstelt wir- kende Definition beschreibt jedoch in der Tat den vertrauten Vorgang des Sehens: Licht- teilchen (,,Photonen") fallen als eine Art MeBsonde auf einen Gegenstand. Einige der Photonen werden aufgrund der Wechselwir- kung mit dem Gegenstand in die verschiede- nen Raumrichtungen gestreut. Das in unser Auge fallende Licht wird von der Linse auf die Netzhaut abgebildet. Von dort aus lauft die Information, die den Photonen bei der Streuung aufgepragt wurde, iiber die Sehzel- len und die Nervenzellen weiter ans Gehirn. Goethe (Farbenlehre) Bei Betrachtung sehr kleiner Gegenstkde stodt man auch bei Benutzung optischer Hilfsmittel (wie Lupe, Mikroskop) an eine Grenze, wenn nwlich die Objektausdeh- nung von derselben GroBenordnung wie die Wellenlange h des zur Beobachtung benutz- ten Lichts ist, im sichtbaren Bereich also et- wa 1 pm. Damit konnen einzelne Atome (sie haben Radien in der GroBenordnung von 0,1 nm) nicht mehr optisch gesehen werden, und noch vie1 weniger ist dies fur die Atomkerne mit Radien zwischen 1 und 10 fm der Fall (die Einheiten pm, nm und fm bedeuten low6, und m). Zur Beobachtung derartig kleiner Objekte mud ,,Licht" mit entsprechend kurzerer Welledinge benutzt werden, also Rontgen- oder y-Strahlen. An- stelle von elektromagnetischer Strahlung konnen aber auch Teilchenstrahlen benutzt werden: nach de Broglie entspricht ein mas- sebehaftetes Teilchen ja einer Materiewelle, deren Wellenlkge durch den Teilchenimpuls p gegeben ist: h = h/p (h = Plancksches Wir- kungsquantum). Eine entsprechende Mes- sung mutke also so aussehen: Ein Teilchen- strahl mit hinreichend hohem Impuls aus ei- nem Beschleuniger wird auf das zu untersu- chende Objekt gelenkt. Die vom Objekt aus ihrer Bahn abgelenkten (gestreuten) Teilchen werden in geeigneten Detektoren nachgewie- sen. Aus der Zahl der um den Streuwinkel 0 abgelenkten Teilchen lai3t sich dann das ,Bild" des untersuchten Objekts konstru- ieren. Hierzu mud natiirlich die Art und Weise, in der der Teilchenstrahl (die Sonde) mit dem Objekt in Wechselwirkung tritt, bekannt sein, sonst kann die in den gestreuten Teil- chen enthaltene Information nicht interpre- tiert werden. Bislang ist nur die elektroma- gnetische Wechselwirkung voll verstanden. Daher sind Elektronen, die nur auf diese Weise mit dem Kern wechselwirken (den Einflud der schwachen Wechselwirkung konnen wir hier vollig vernachlbsigen), be- sonders giinstige Sonden. Elektronenstrahlen mit ausreicheder Intensitat und geeigneter Energie konnen heute in modernen Teilchen- beschleunigern erzeugt werden. Beim Beschud des Kernes erhalten dann die Elektronen diejenige Information aufge- pragt, die uber die elektromagnetische Wech- selwirkung vermittelt werden kann. Wir wollen hier von magnetischen Eigenschaften absehen (ihr EinfluB l a t sich gegebenenfalls durch geeignete MeBvetfahren abtrennen), also nur die Streuung an Ladungsverteilun- gen betrachten. Wir projizieren aus dem Ge- samtbild des Kernes also nur einen speziellen Aspekt heraus und miissen demnach die ein- gangs gestellte Frage einschriinken auf: Wie sieht die Ladungsvcrteiiung von Atomkernen aus? Die Information uber das streuende Objekt ist in der Zahl der gestreuten Elektronen ent- halten. Diese Zahl, die wir bei fest eingestell- ter Einfdsenergie der Elektronen als Funk- tion des Streuwinkels messen, gibt uns die physikalische Grode ,Wirkungsquerschnitt" (im Informationskasten I ist dieser Begriff definiert und der Zusmmenhang mit den im Pbysik in nnserer Zeit / 13. Jabrg. 1982 / Nr. 6 0 Verlag Cbemie GmbH, 0-6940 Weinbeim, 1982 0031-9252/82/0611-0165 $ 02.JO/O 165

Wie sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

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Page 1: Wie sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

Physik in unserer Zeit

Jorg Friedrich wk sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

War nicht das Auge sonnenhaft, wie konnten wir das Licht erblicken?

Wie sehen die Atomkerne aus? [I]

Sehen und damit Erkennen eines Gegenstan- des heidt: die Information auswerten, die im Licht enthalten ist, das mit dem Gegenstand wechselwirkte. Diese etwas gekiinstelt wir- kende Definition beschreibt jedoch in der Tat den vertrauten Vorgang des Sehens: Licht- teilchen (,,Photonen") fallen als eine Art MeBsonde auf einen Gegenstand. Einige der Photonen werden aufgrund der Wechselwir- kung mit dem Gegenstand in die verschiede- nen Raumrichtungen gestreut. Das in unser Auge fallende Licht wird von der Linse auf die Netzhaut abgebildet. Von dort aus lauft die Information, die den Photonen bei der Streuung aufgepragt wurde, iiber die Sehzel- len und die Nervenzellen weiter ans Gehirn.

Goethe (Farbenlehre)

Bei Betrachtung sehr kleiner Gegenstkde stodt man auch bei Benutzung optischer Hilfsmittel (wie Lupe, Mikroskop) an eine Grenze, wenn nwlich die Objektausdeh- nung von derselben GroBenordnung wie die Wellenlange h des zur Beobachtung benutz- ten Lichts ist, im sichtbaren Bereich also et- wa 1 pm. Damit konnen einzelne Atome (sie haben Radien in der GroBenordnung von 0,1 nm) nicht mehr optisch gesehen werden, und noch vie1 weniger ist dies fur die Atomkerne mit Radien zwischen 1 und 10 fm der Fall (die Einheiten pm, nm und fm bedeuten low6, und m). Zur Beobachtung derartig kleiner Objekte mud ,,Licht" mit entsprechend kurzerer Welledinge benutzt werden, also Rontgen- oder y-Strahlen. An- stelle von elektromagnetischer Strahlung konnen aber auch Teilchenstrahlen benutzt werden: nach de Broglie entspricht ein mas- sebehaftetes Teilchen ja einer Materiewelle, deren Wellenlkge durch den Teilchenimpuls p gegeben ist: h = h/p (h = Plancksches Wir- kungsquantum). Eine entsprechende Mes- sung mutke also so aussehen: Ein Teilchen- strahl mit hinreichend hohem Impuls aus ei- nem Beschleuniger wird auf das zu untersu- chende Objekt gelenkt. Die vom Objekt aus

ihrer Bahn abgelenkten (gestreuten) Teilchen werden in geeigneten Detektoren nachgewie- sen. Aus der Zahl der um den Streuwinkel 0 abgelenkten Teilchen lai3t sich dann das ,Bild" des untersuchten Objekts konstru- ieren.

Hierzu mud natiirlich die Art und Weise, in der der Teilchenstrahl (die Sonde) mit dem Objekt in Wechselwirkung tritt, bekannt sein, sonst kann die in den gestreuten Teil- chen enthaltene Information nicht interpre- tiert werden. Bislang ist nur die elektroma- gnetische Wechselwirkung voll verstanden. Daher sind Elektronen, die nur auf diese Weise mit dem Kern wechselwirken (den Einflud der schwachen Wechselwirkung konnen wir hier vollig vernachlbsigen), be- sonders giinstige Sonden. Elektronenstrahlen mit ausreicheder Intensitat und geeigneter Energie konnen heute in modernen Teilchen- beschleunigern erzeugt werden.

Beim Beschud des Kernes erhalten dann die Elektronen diejenige Information aufge- pragt, die uber die elektromagnetische Wech- selwirkung vermittelt werden kann. Wir wollen hier von magnetischen Eigenschaften absehen (ihr EinfluB l a t sich gegebenenfalls durch geeignete MeBvetfahren abtrennen), also nur die Streuung an Ladungsverteilun- gen betrachten. Wir projizieren aus dem Ge- samtbild des Kernes also nur einen speziellen Aspekt heraus und miissen demnach die ein- gangs gestellte Frage einschriinken auf:

Wie sieht die Ladungsvcrteiiung von Atomkernen aus?

Die Information uber das streuende Objekt ist in der Zahl der gestreuten Elektronen ent- halten. Diese Zahl, die wir bei fest eingestell- ter Einfdsenergie der Elektronen als Funk- tion des Streuwinkels messen, gibt uns die physikalische Grode ,Wirkungsquerschnitt" (im Informationskasten I ist dieser Begriff definiert und der Zusmmenhang mit den im

Pbysik in nnserer Zeit / 13. Jabrg. 1982 / Nr. 6 0 Verlag Cbemie GmbH, 0-6940 Weinbeim, 1982 0031-9252/82/0611-0165 $ 02.JO/O

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Experiment tatsachlich zu messenden Zahlra- ten angegeben). Den experimentellen Aufbau zur Messung des Wirkungsquerschnitts zeigt schematisch die Abbildung 1 . In Abbildung 2 ist ein Blick auf die Streuapparatur am Main- zer 360-MeV-Linearbeschleuniger wiederge- geben. In Abbildung 3 sind die experimentell bestimmten Wirkungsquerschnitte fur die Streuung von Elektronen an "0 und 'OHPb dargestellt.

Im Informationskasten I I ist erlautert, wie die Information uber die Ladungsverteilung Q(r) in der MeBgrii13e "versteckt" ist. Der Wirkungsquerschnitt ist das Produkt aus dem fur den Punktkern berechneten Mott- schen Wirkungsquerschnitt und einem Fak- tor F, der von dem auf den Kern ubertrage- nen Impuls q abhangt und die Information uber Q(r) enthalt: das Produkt qF(q) ist die (lineare) Fourier-Transformierte von rQ(r). Entsprechend seiner Bedeutung wird der Faktor F(q) ,Formfaktor" genannt. - Ganz ahnlich ist der Zusammenhang zwischen der raumlichen Konfiguration eines Gitters und der Intensitatsverteilung des an ihm gestreu- ten Lichtes; hier wie dort handelt es sich um die Interferenz der von den verschiedenen Stellen des streuenden Objektes ausgehenden Elementarwellen. Wir sprechen daher auch bei der Elektronenstreuung vom Messen der Beugungsfigur des streuenden Objekts.

Ein Blick auf Abbildung 3 zeigt, da13 die Beu-

Informationskasten I: Der Begriff ,Wirkungsquerschnitt"

Der Wirkungsquerschnitt gibt die Fl%he o an, die ein Streuzentrum einem einfallenden Teilchen entgegenstellt dergestalt, daf3 das Teilchen eine bestimmte Reaktion erleidet, wenn es diese fiktive Flache trifft. In unserem Beispiel ist die Reaktion: Streuung des Teil- chens um den Winkel €3 in einen differentiell

1.1

Streuzentrum Elektronen- strahl

AR \ Detektorflache I

kleinen Detektor hinein, der vom Target aus gesehen das Raumwinkelelement dQ uber-

Ahh. 1 . Schema cincr Appnrnttir f u r Mes- \ t i n g v o n 1: Ic k t ro n en s t re uq u c rsch nit t en . 1)cr 1.incarbcschlcuiiigcr 1.1% licfcrt cincn Str.ihl v o n 3 . 10" I<lcktroncn p r o Sckuntlc ( i 53 ! iA ) , dcrcn l.ncrgic uni ct\v.i 3 ' /x

i lc i i I~. lcktroncn\trnl i l tin1 9c" ah. tl.ihci wcr- den die I.'lcktroncii n.ich ihrcr l,,ncrgic gc- t rcnnt , \o tl.ilS der Sp.ilt Sp nur die mono- cncrgcti\chc I i o i i i p o n c n t e init I<: auf tlns 'l'.irgct ' I ' (mit N 1 / 1 ; 1 Atomkernen pro IXi- clicnciiihcit) f.illcri Lib. Vor d c n i Target u irtl dcr S t r o m in cinciii I:crritriionitor I: gciiic\\en. 1)ic tinter dem Winkcl (-) gc- \trcutcn I~:lcktroncn ~rcrdcn in dern Spck- t r o ~ i i c t c r S uni 1x3" ahgclcnkt, dnhei nnch ihrci- 1-ncrgic gctrcnnt tind ilann in dcm I)ctcktorsystciii 1) nnchgcwicsen, (Ins nus cinigen huntlcrt knniilcn hesteht. Hier \\ irtl also inshcsondcrc die %nhl N': derjcni- gcn I,.lcktroncn fcstgcstcllt, die cl.istisch am kern gcctrcut ~ u r d c n , nlso im Strcuvor- gang kcinc I:.iicrgic nii das Streurentruni .i h g cgc hen h .I hen . I ) ie I n for ni a t io n sn u f- n.ih i i ic u nd S pcichcr ti ng tlcr I )a ten crfolg t in cincm l'ro/clSrechiicr I'K. dcr .iuch den ,Ahl.iuf des I~,xpcrimciits stcucrt . I)ic Aus- ~ c r t u n g tlcr Inforiii.ition. n l so die lion- \truktion tlcs I M c s voi i i kern, u ird ii i i t

I Iilfc tlcr I<cchcn.inl.igc I< tlurchgctiihrt.

t1111 I, .: \ t r c ~ t . I ) . i \ M.igl ictsystcl i i M letikt

deckt. Der ,Zielraum' ist damit infinitesimal klein, das gilt dann natiirlich auch fiir den Wirkungsquerschnitt, fur den wir daher da schreiben; er ist proportional zu dQ. Die Proportionalitatskonstante he&

do - = differentieller Wirkungsquerschnitt. dQ

Gemessen wird do/dQ durch mien der Teilchen, die pro einfdendem Teilchen und pro Streuzentrum pro Flacheneinheit in den Detektor gestreut werden:

Hier bedeuten N: die Zahl der in den Detek- tor gestreuten Teilchen, @ die Zahl der auf das Target auffdenden Teilchen, NT/FT die Zahl der Streuzentren pro Flacheneinheit und AQ den Raumwinkel, unter dem der Detektor vom Target aus gesehen wird (siehe Abbildung 1,l).

hhl,. 2. Strcunpparatur .in1 M.iinicr I.inc- .irheschlcunigcr. 1)cr Str.ihl f i i l l t v o n links in1 (V.ikuum-)Kohi-- n u f tlas i n dcr rundcn S t rcti k.1 ni mcr hcfi nd lichc ' 1 ' ~ rgc t . I )er \c n k rcc t i t S 1,c k t r o i i i c t e r ni n- gnct ((;c\vicht: 43 'l'oiincn) knnn i u r l;.in- stcllting dc\ Strcuw inkcls .iuf cincr I.nfcttc tin1 (1.1s 'I..irgct hcrtriiigcf.ihrcii wcrdcn. A u f dcr I'lattform .in1 Ausgang dcc Spck- tr~)i i ictcri i i f igi ictc~i ol,crhnlh tlcr Strcu- k.iiiimcr \tcht tl.is I)etcktor\! \ten1 i n cincr Ahschirmung ;ius lllci (<;cuicht: 23 Ton- n c n ). I )ic clck t ro n i \c h c n % \v isc h e n s pcic h cr dcs I )c t c k t o rs y \ t ciiis w c rtlc n v on ci n e m I'ro/clSrcchncr .iusgelcscn. I)ic\cr ist in ci- ncni .inilcrcn K.i t in i , \on dc i i i .iu\ .iuch d a s I;. \ pcri m e n t tlu rch gelti h r t H i rtl , t i n t crgc- hrnclit.

.I ti fges t el I t c

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Page 3: Wie sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

daher im folgenden diese Komplikation au- Rer acht lassen und uns fragen, wie man e(r) aus der gemessenen GroBe F2(q) = (da/dQ)/ (da/dQ)M,, gewinnt.

Abh. 3. Experimenteller I ixmfaktor I:<,,, fur die Streuung von I:lektronen an "'0 und nn '"Pb ( l:c,l, =: (dtr/d~~),,,/(dtr/dSl),,) ( L U tlen Messungen an diesen Kernen haben allc cntsprechenden Heschleunigerlabors in der Welt bcigetragen, die eingetragenen %IelSpunkte sind nur cine Auswahl). - Ikutlich crkennt man. da13 die Beugungs- r t ruktur des griil3cren Kerns ("Vb) rnschcr .ibfillt. - Hci eincni Kern mit g r i i h r e r Ordnungsznhl ist der Wirkungsquer- schnitt durch die Hornsche Nihcrung nur sehr grob heschreibbar: die Messung zeigt die i h q p n g s s t r u k t u r vcrwnschcn (und die (;riilSc I:<,,, ist nicht n u r cine F'unktion von q allein, sic h i n g t auch noch schwach von der I<nergie ah). I)ie Ikugungsstruktur als colchc ist dcutlich erkennbnr, umso deut- lither, jc kleincr der Kern. Sie hat brim KriilScren Kern cine kleincrc Pcriode und f i l l 1 hier stciler ah. 1)eutlich ist tlic schwi - chew Ausprigung der I~eugungsstruktiir ohcrh.ilb v o n 2,5 f n - ' x u when.

Abb. 4. Aus den gemessencn Wirkungs- querschnitten bestimmte 1,adungsvertei- luag fur die Kerne "Ni. ""Sn, "'Sn und '"Pb. Die Strichbrcitc entspricht in etwa der Unsichcrheit in unserer Kcnntnis von e(r). Die Abnahnie von o(r) im Kerninnern bei zunehniender Kerngriilk ist auf den zunehmenden Neutronenuherschul3 zu- ruckzufuhren. Die 1.adung wird zur Erhal- tung einer gleichmi13igen Vermischung von Protonen und Neutronen und zur Herstellung einer konstanten Massendich- te im Kerninnern nach au1Sen gedriickt. Deutlich crkennhar sind die Osiillationen auf c)(r).

gungsstruktur bei der Streuung an dem Kern 'Y'b, der die Ladung von 82 Protonen ent- hilt, sehr vie1 weniger scharfe Konturen auf- weist als die fur den leichteren Kern I6O mit 8 Protonen. Die Ursache hierfur ist darin zu sehen, da13 die der Darstellung im Informa- tionskasten I1 zugrundeliegende Annahme der Bornschen NZhemng des Einphotonen- austausches bei Kernen rnit gro13er Ladungs- zahl nur sehr schlecht erfullt ist: die Elektro- nenbahnen werden im langreichweitigen Coulombpotential mehr oder weniger konti- nuierlich abgelenkt, so' dai3 der Impuls auf den Kern in Portionen iibertragen wird. Die Messung stellt hier eine Mittelung uber einen gro13eren q-Bereich der Beugungsstruktur dar, dadurch wird diese ,ausgeschmiert". Es konnte aber gezeigt werden [2] durch geeig- nete numerische Behandlung des Streuvor- gangs, dai3 auch bei schweren Kernen die in der Messung enthaltene Information die im Informationskasten I1 angegebene ist: die Fouriertransformierte von e(r). Wir wollen

Mathematisch gesehen handelt es sich um die Umkehroperation zu dem Obergang von e(r) auf F(q). Diese Operation ist aber wieder ei- ne Fouriertransformation (siehe Informa- tionskasten III), woraus folgt, daB F(q) als mathematische Funktion fur alle Impuls- ubertrage OSqSm bekannt sein mu& wenn die Umkehroperation prazis durchgefuhrt werden sol]. Vom Experiment her ist F(q) aber nur bekannt in einem Interval1 qminsqsqmax, wobei sich q,,, und qmax bei etwa 0,3 und 3,5 fm-' realisieren lassen. Dar- uber hinaus sind die MeRwerte mit Fehlern behaftet. Zusammengenommen gestattet die experimentelle Information die Bestimmung der Ladungsverteilung nur mit gewissen Un- sicherheiten, wobei insbesondere die Beruck- sichtigung der fehlenden Information aus den nicht vermessenen q-Bereichen Probleme aufwirft. Die Konversion der experimentell bestimmten GroRe ,Wirkungsquerschnitt" in die gesuchte Information ,Ladungsvertei- lung" war in den vergangenen Jahren Gegen- stand einer Reihe von Arbeiten (siehe [2] und dort angegebene Literatur), bei denen es vor allem darum ging, zu vermeiden, daB eventu- ell durch zu enge Modellannahmen fur e(r) Information,die in den Meadaten selbst nicht enthalten ist, herausgearbeitet wird. Es mu13 nimlich bei der Auswertung so vorgegangen werden, dai3 zunachst ein Ansatz fur e(r) gemacht, also eine Funktion mit freien Para- metern angenommen wird. Dann kann der Streuquerschnitt durch . numerische Losung der Dirac-Gleichung mit dem aus dem An- satz fur e(r) berechneten Coulomb-Porential berechnet und zur Bestimmung der freien Parameter mit den experimentellen Werten verglichen werden. Da sets zuerst eine Form fur e(r) angenornmen werden mu& ist es wichtig, diese genugend flexibel zu whlen . - Die fur eine Reihe von Kernen vorliegenden Met3daten reichen auch fiir die modellunab- hkgigen Auswerteverfahren aus, um die La- dungsverteilung uber gro13e Bereiche dieser Kerne rnit einer Genauigkeit in der Gro- Renordnung von einem Prozent und darunter anzugeben. Beispiele hierzu sind in Abbil- dung 4 gezeigt.

Systematisches in den Ladung- vedungen [3]

Bei der erreichten experimentellen Genauig-

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Page 4: Wie sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

Informationskasten 11: Wirkungsquerschnitt und Ladungsverteilung

11, I 11.2

\ Ausgatigskanal

Photon

Einqangskanal 1

I I , 1 Klassische Bahn eines Elcktrons im le ld einer punktformigen 1,adung Zc 11.2 Schematische Darstcllung des Streuvorgangs: ,,I%-Photonen- Austausch" 11,3 Auf das Streuzcntrum uhertragener lnipuls

Bei der scheniatischen Bcschreibung wird an- genommen, daR die Elektronen den Kern als cbenc Welle erreichen, hier (Abbildung I I , 1 ) die Streuung um den Winkel 0 in einem Schritt (durch den Austausch cines Feld- quints der elektromagnctischen Wechsclwir- kung, eines Photons - siehc Abbildung II,2) crfahren und in der ncuen Kichtung wieder .11s cbene Welle weitrrlaufen. Diese Nahe- rung wird als Ein-Photonen- Austausch oder .ils Ilornsche Nahcrung bezeichnet.

Der bei der elastischen Streuung (pf = p, = p) auf den Kern ubertragene Impuls q (Abbil- dung I I , 3 ) betragt q = 2 p s in0 /2 , er hat na- tiirlich auch die Dimension eines Impulses. Einem Impuls entspricht eine Wellenlange, deren GriiRe von der de Broglic-Bezichung p = h/h bestimnit wird. Es erweist sich in der Kernphysik (allgenieiner: in der mikroskopi- schen Physik, in deren Gleichungen die Kon- stantc h/2n sehr haufig vorkommt) als prak- tisch, die Einheiten so zu wahlen, daf3 h/ Zn= I (dimensionslos!) ist. I n diesem System der sogenannten ,,naturlichen Einheiten" hat cin Irnpuls die Dimension Lange - I . Einc fur die Kernphysik geeignete Lingcneinheit ist das Fenitometer.

Der Wirkungsquerschnitt fur die Streuung cines relativistischen Elektrons an eineni punktfiirmigen Streuzentrum der Ladung Ze ist gcgeben durch (a == Ikinstrukturkonstan- tc):

Ilieser nach Mott bcnanntc Wirkungsqucr- \chnitt untcrscheidct sich vom Kutherford-

schen (Streuung von tx-Teilchen im Cou- lomb-Potential eines Kernes) durch den h k - tor 4 c0s20/2. Dieser Faktor ruhrt vom Ei- gendrehimpuls ("Spin") der Elektronen her; er nimmt die angegebene einfache Form in dem I d an, daf3 die Gcschwindigkeit der Elektroncn nahe bei der Lichtgeschwindig- keit liegt, ihre Energie also groR ist gegen- uber der Kuheenergie ni,.c'.

Wirkungsquerschnitt f u r den ausgedrbnten Kern:

L)er Strahl SO sei cin belicbigcr Teilstrahl der am Kauniclement bei r = 0 gestreuten Elek- tronenwellc. Dann gibt es den am Raumelc- ment bei beliebigem r unter glcichen Bedin-

gungen gestreuten Teilstrahl S,; dieser hat nach der Streuung gegeniiber dem Strahl Sc die Phasenverschiebung A = qrcosO. Die an allen Raumelementen gestreuten Teilstrahlen iiberlagern sich mit diesen Phasenverschie- bungen und zwar jeweils mit dem Gewicht der im jeweiligen Raumelement enthaltenen Ladung (= Q(r)). Als Ergebnis geht damit je- der Teilstrahl So der Elektronenwelle in die Streuamplitude mit dem Faktor

ein. Die Aufsummation uber alle So entspre- chenden Teilstrahlen ergibt die Streuumplitu- de fur die Streuung am punktfiirniigen Kern.

Der Wirkungsquerschnitt entspricht der Streuintensitut, ergibt sich also durch Qua- drieren der Streuamplitude zu

Den Faktor F, der von q abhangt und der die Information iiber die Kernladungsverteilung enthil t , nennt man den Formfaktor.

Wellenfronten der ein- bzw. auslaufcnden Welle ausgetauschtes Photon

Volumenelemcnt in dcr Kernladungsverteilung

Phasenverschiebung zwischen den Strahlen S,. und S,:

A = h , h - hl / i

= q r cos(-)

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Page 5: Wie sieht die Ladungsverteilung in Atomkernen aus?

keit verwundert es nicht, wenn die Theorie nicht ganz Schritt gehalten hat: aus verschie- denen Grunden ist sie zur Zeit nicht in der I.age, die experimentell bestimmten Vertei- lungen innerhalb der Meafehler zu beschrei- hen. U m so wichtiger ist es, die sehr detail- lierte (und im Detail schon wieder verwirren- de!) Information auf einige wesentliche Grundzuge zu reduzieren, urn damit eventu- ell Aufschlusse zu erhalten, an welchen Stel- len fur eine Verbesserung der Theorie anzu- setzen ist.

Die L.adungsverteilungen selbst stellen sich uns in einer derartigen Vielfalt dar (Abbil- dung 4 zeigt nur einige Beispiele!), da8 es zu- nachst hoffnungslos erscheint, diesen Vertei- lungen mit ihren verschiedenen Ausdehnun- gen und Oszillationen systematische Ge- meinsamkeiten anzusehen. Dies andert sich aber schlagartig, wenn wir anstelle von e(r) den rnit q multiplizierten Formfaktor F(q) betrachten, wie e r fur eine Reihe von Kernen in Abbildung 5 dargestellt ist. Folgende Re- gelmaBigkeiten springen sofort ins Auge:

( 1 ) die Lage der Nullstellen;

(2) der lineare Abfall bei der Auftragung log(qF(q)) iiber q bei Impulsubertragen bis ctwa 2,2 fm I ;

( 3 ) die pliitzliche Anderung in diesem Abfall oberhalb von q = 2,7 f m - ' .

Diese drei Charakteristika lassen sich mit der Ausdehnung der Ladungsverteilung, ihrer ,,Hautdicke" (siehe Informationskasten IV) und den Oszillationen auf g(r) in Zusammen- hang bringen.

Die Ausdehnung und Hautdicke der Kernladungsverteilungen

Zur systematischen Erfassung der Phanome- ne (1) und (2) machen wir die stark vereinfa- chende Annahme, da8 der Kern sich durch einen Ausdehnungsparameter und eine Hautdicke beschreiben IaRt, wie dies im In- formationskasten IV dargestellt ist. Ein Bei- spiel hierfur liefert die Fermi-2-Verteilung init den Parametern c und z. Fine im Zusam- rnenhang mit der Beugungsstruktur beson- ders giinstige Parametrisierung erreicht man durch Aufweichung einer homogen gelade- lien Kugel mit dem Radius R durch die ma- thematische Operation der Faltung mit einer Verteilung geeigneter Form und insbesonde- re mit einer Breite O , von der die GriiQe der

resultierenden Hautdicke abhangt. Der Formfaktor fur die Gesamtverteilung e(r;R,a) = el(r;R)%z(r,a) (,,:)" steht fur die mathematische Operation der Faltung, siehe Informationskasten IV) ergibt sich dann als Produkt der Formfaktoren der bei- den einzelnen Verteilungen: F(q;R,a) =

Fi(q;R)Fz(q PI.

Dieses nach R. Helm [4] benannte ,,Helm- Modell" gibt uns die Miiglichkeit, einen in einfacher Weise aus dem Experiment zu ex- trahierenden Kernradius zu definieren. Die Nullstellen in F(q) sind bestimmt allein durch Fl(q), genauer: durch den Radius der homogen geladenen Kugel el(r;R). Wir defi- nieren als Kernradius den Radius derjenigen

Informationskasten IV:

Schematische Beschreibung der Kernladungsverteilung

Abb. IV,l. Parameter zur Beschreibung der Ladungsverteilung des Kerns; R1/2 = Halbwertsradius, t = Hautdicke

Die in Abbildung IV, 1 gezeigte Ladungsver- teilung la8t sich auf zwei Weisen beschrei- ben:

Fermi-Verteilung

PO (1 +w(r/c)'*). r -c e(r) =

1 +exp( -) L

In der Fermi-2-Verteilung (w = 0) gilt t = 4,4 z und R1/2 = c. Der Parameter w in der f-'ermi-3-Verteilung gibt der Ladungsvertei- lung die Miiglichkeit, bei r = 0 mit positivcr oder negativer Kriimmung zu starten. - Die Konstante QO ist eingefuhrt zur Norinierung der Gesamtladung im Kern auf Z.

Informationskasten 111: Vom Formfaktor zur Ladungsverteilung

In dieser Arbeit beschfftigen wir uns nur mit Kernen mit kugclsyinnictrischer Ladungs- verteilung, d .h . mit Kernen, deren Eigen- drehimpuls oder Spin Null ist. In diesem Fall vereinfacht sich der Fornifaktor 7.u

qI:(q) = 4n Jrg(r)sin(qr)dr,

d . h . die GriiCe qI:(q) ist die Fourier-Trans- formierte von rP(r). Diese Operation ist eine symmetrische Operation, d . h. es gilt dann auch

I

0

Helm-Modell

IV,2

h K

f

Abb. IV,2. el(r) homogen geladene Kugel, q2(r) Gauflverteilung

Die Ladungsverteilung wird beschrieben durch q(r) = ql(r)".q2(r) (siche Abbildung 1V.I). Es gilt nahcrungsweise t = 2,540 und K , > = K. Das Symbol ,,I:.- bedeutet die ma- thernatische Operation der Faltung, von der wir hier nur wissen mussen, daR sie zu einer ,,Ausschmierung" der scharfen Kante in Ql ( r ) fuhrt (Abbildung IV,l) , und da8 die Fourier- Transforniierte der Faltung zweier Vertei- lungen glcich dem Produkt der Fourier- Transforniicrten der Einzelverteilungen ist :

= 3 (qK) ' [sin(qK) - qKcos(qK)] exp(-a?q2/2).

I:l(q;K) ist bis auf einen 1:aktor 3/qK d' ie erste sphfrische Besselfunktion j l(qR). - Das Helm-Modell enthalt kcinen Freiheitsgrad, rnit dem ein Anstieg in q(r) zum Kernrand hin beschrieben werden kann.

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Ahh. 5. Die Griil3e qF(q) in Abhingigkeit voni Impulsubertrag q in halblogarithmi- scher Darstellung. Hier bedeutet F(q) (an- tlers als in Abhildung 3 die Gro13e FcXp!) die f~'ourier-Transformierte derjenigen 1.3- dungsverteilung, die bei exakter Kechnung die Wirkungsquerschnittc richtig be- schrcibt. Mit den eingezeichneten Geraden wird dreierlei demonstriert: (1) der lineare Abfall der Einhullenden, deren Steigung mit der Hautdicke zusammenhingt ; (2) dcr parallele Abfall fur beide Kerne, d.h. sie haben im wesentlichen gleiche Hautdicke; (3) tlcr Einbruch in qF(q) bei hohen Im- pulsubertrigen. - Deutlich erkennbar ist bci ""Pb dcr nahezu konstante Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Minima (jcdenfalls his 2 , s fm-I). - Die Kurven sind his 1u dem Impulsubertrag gezeichnet. his zu tlcm die Mcssungen durchgefuhrt wur- den.

Abh. 6. Diffraktionsradius der Kerne divi- diert durch die dritte Wurzel aus der Ord- nungszahl. L)ic waagrcchte Gerade cnt- spricht als Konstante Clem nltcn Tropfchen- niodcll rnit K,I 7 rcA' ', die farbige Kurve sei ii c r iiiodcr n cren W ei t ere n t w ic kl u ng , die dcr cndlichcn Koniprimierbnrkcit der Kern- m.itcric Kechnung t r ig t .

Ahh. 7. Hautdicke der Kernladungsvertei- lungen, aufgetragen uber der Neutronen- /.ihl. Die I'feile markieren die niagischen Ncutroneniahlen (ah 28): Im Bereich die- w r Werte ninimt ( r - wenn wir von den Icichtcn Kernen ahsehen - den minimalen Wcrt von 0,Y fm an , der unabhingig ist von der GriilSe der Kcrne.

Ahh. 8. Dcr 1,influlS der <:oulomh-Wech- selwirkung V( auf c)(r) am Heispiel von ""l'h. Aufgetragen ist <),,(r) fur den inne- rcn Kernbercich (e,,(r) ist die Fermi-Vertei- lung mit w # 0). die freien I'aranieter wur- den s o gewihlt, da13 <),,(r) die Irourier- Transformierte der ,richtigen" Ladungs- vcrteilung his zu q = 2,2 fni- I wiedergibt. "Kichtige" 1,adungsverteilung hei13t hier: die .ius dcm Experiment bzw. mit einer Thcorie bestimmte Verteilung, wobei in letztcrem 1:all einmal die <:oulomb-Wech- selwirkung korrckt berucksichtigt, zum anderen aber weggelassen wurde.

homogen geladenen Kugel, deren Beugungs- minima bei denselben Impulsubertragen lie- gen wie sie fur den untersuchten Kern gemes- sen werden (da das Modell nur eine Nahe- rung ist, kiinnen wir nicht erwarten, daR die Lage aller gemessenen Minima exakt durch dieses Modell wiedergegeben werden, die be- obachtete Ubereinstimmung innerhalb eini- ger Prozent muB schon als uberraschend gut angesehen werden; bei der weiteren Diskus- sion wollen wir uns nur auf das erste Mini- mum 401 beziehen). Den so aus dem ersten Minimum bestimmten Radius nennen wir ,,Diffraktionsradius" und bezeichnen ihn mit RJ. Die erste Nullstelk von j l (x=qR) liegt bei xoI = 4,493, RJ ist daher gegeben durch RJ = 4,493/qol.

Die Beugungsradien derjenigen Kerne, fur die die entsprechenden Messungen durchge- fuhrt worden sind, zeigen eine einfache GesetzmaRigkeit: im wesentlichen sind sie proportional zu A"', wie man aus der Auf- tragung von R/Ali' uber A in Abbildung 6 erkennt. Dies entspricht dem alten Triipf- chenmodell, bei dem jedes der A Teilchen wie im Wassertropfen ein gleich groBes Vo- lumen ausfullt. Man erkennt in der Figur aber auch eine, wenn auch geringe, so doch systematische Abweichung von diesem Mo- dell: die Radien werden mit wachsendem A griiRer als es dem Triipfchenmodell ent- spricht (oder kleiner zu kleinerem A hin!).

Dieses Verhalten findet seine Erklarung in ei-

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ner Erweiterung des alten Triipfchenmodells, die in jiingerer Zeit von Myers und Swiatecki [ 51 durchgefuhrt wurde: gegenuber der fru- hcren Vorstellung wird berucksichtigt, daR die Kernmaterie nicht viillig inkompressibel ist. I)er Kern versucht daher, unter den aus- einandertreibenden Kraften der Coulomb- AbstoBung und der Asymmetrieenergie des Neutronenuberschusses eincn energetisch gunstigeren Zustand zu finden. Dies ge- schieht durch eine VergrGRerung des Kadius, dern allerdings die Oberflachenspannung entgegenwirkt. Die Abweichung der GriiRe K/A"' von einer Konstanten gestattet es, im Kahmen dieser Modellvorstellung auf die Kompressibilitat der Kernmaterie zu schlie- Ren (die Kompressibilitat gibt an, welche Fhergie zurn Komprimieren eines Kernes aufgebracht werden mug). Der resultierende Wert fur zoxPb beispielsweise liegt bei 210 ? 15 MeV und stimmt darnit recht gut mit dem aus Kompressionsschwingungen ermittelten Wert iiberein. Es muR allerdings betont wer- den, daR diese Interpretation sehr starke Mo- dcllannahrnen enthalt. Hier muR das theore- tische Umfeld noch wciter abgeklart werden.

I)ie Nullstellen im gemessenen Formfaktor lassen sich durch das Modell der homogen geladenen Kugel recht gut beschreiben, je- denfalls im q-Bereich bis etwa 2,2 fm I. Fur den Abfall in F(q) trifft dies allerdings nicht zu. Der scharfe Kand der Kugel bewirkt, da13 der zugehiirige Ikmnfaktor FI(q,K) zu lang- sam abfallt, der raschere Abfall in der Mes- sung verlangt cine weichere I:orm der La- dungsverteilung. Die Abweichung zwischen dem Abfall im gernessenen I k m f a k t o r von dem der homogen geladenen Kugel erlaubt daher gerade die Bestimmung der Hautdicke, also des Parameters n: wir bcstimnien den Wert von o so , daR 1 : ~ l ~ ~ den gemessenen Ab- fdll in1 Iiormfaktor richtig wiedergibt. Auch hier ist dies nur mit einer gewissen Genauig- keit miiglich (siehe insbesondere weiter un- ten den EinfluR der Coulomb-Wechselwir- kung), und wir mussen wic ini Falle der Be- stimmung von K pragmatisch verfahren: wir wahlcn a so, daR die Amplitude im crsten Nebenmaximum richtig beschricben wird.

In Abbildung 7 ist das Ergebnis dieser Aus- wertung dargestellt. Im Gegensatz. 2.u K hingt (I im wesentlichen nicht von der Mas- senzahl A ab sondern hat in etwa den kon- stanten Wert von 0,9 fm. Allerdings erkennt man, daB o fur Kerne rnit einer Protonen- und/oder Neutronenzahl zwischen den soge- nanntcn magischen Zahlen, bei denen Kerne

entsprechend den Edelgasen in der Atom- physik mit ihren abgeschlossenen Elektro- nenschalen als besonders fest b re f.'b u ' t anzuse- hen sind, deutlich griiRere Werte annimmt (den Trend bei kleineren Kernen wollen wir hier nicht diskutieren). Effekte, die so deut- lich mit den Schalenabschliissen korreliert sind, werden gern als Schaleneffekte bezeich- net. - Die VergrKRerung von o ruhrt her von einer relativen Aufweichung der Oberflachc oder einer Deformation des Kerns als gan- zern:' abseits der magischen Zahlen. Es sei angesichts der vielleicht etwas willkurlich wirkenden Bestimmung der Hautdicke ange- merkt, daR auch bei anderen Definitionen die experimentellen Befunde praktisch dieselben sind.

Zu den Befunden uber die Beugungsradien und die Hautdicke wollen wir noch zweierlei anrnerken: ( 1 ) In Experimenten, bei denen die Kiintgenlinien muonischer Atome sehr genau vermessen werden, kann der soge- nannte ,,mittlere quadratische Kadius" K,,,,, mit aufierordentlich kleinen Unsicherheiten bestimmt werden. Diese GriiRe, die (wenn auch weniger genau) auch aus Elektronen- streudaten bei kleinen Impulsubertragen be- stimmt werden kann, enthalt den Beugungs- radius K und die Breite a in der verkoppelten Form Kf,,,, = (3/5)Kz (1+5(o/K)'). Damit zeigt auch diese GriiRe Schaleneffekte, wenn auch deutlich schwacher [6]. (2) Die be- schricbene Analyse der Elektronenstreudaten erlaubt es , die Kernstruktureffekte der Aus- dehnung und der Hautdicke getrennt mit theoretischen Kernrnodellen zu vergleichen. Ilerartige Vergleiche werden zur Zeit durch- gefuhrt. Als Zwischenergebnis sei hier mitge- teilt, dafl die Kechnungen weder K noch 0

richtig wicdergebcn: Die Kadien kommen bei den Kechnungen im Mittel um 2,5'% 7.u grof3 heraus (hier scheinen die Sattigungseigen- schaften der Kernkrafte nicht richtig erfaRt zu sein), die berechneten Hautdicken streuen

sehr stark von Kern zu Kern und sind irn Mittel zu klein (hier scheint die Inelastizitat der Kerne, die sich in Nullpunktsschwingun- gen bemerkbar macht, nicht angemessen be- rucksichtigt zu sein).

Das beschriebene einfache Helm-Modell be- schreibt den Formfaktor im unteren q-Be- reich (q 4 2,2 fm-I) uberraschend gut, wenn auch nicht ganz innerhalb der MeRfehler. Ei- ne vollstandige Ubereinstimmung erreicht man, wenn man der Ladungsverteilung noch einen weiteren Freiheitsgrad gibt, mit dern man es ermiiglicht, daf3 e(r) im inneren Teil eine Krummung aufweist. Dies geschieht durch den.im Informationskasten IV in der I.'crmi-3-Vertcilung eingefuhrten Parameter w. In der Tat sind alle gemessenen Formfak- toren bis zu einem Impulsubertrag von etwa 2,2 fm I durch einc Ladungsverteilung dieser Art beschreibbar, wenn auch der Parameter (I geeignet gewahlt wird. Dcr Parameter w wird stets als positiv bestimmt, die Ladungs- verteilung steigt also zunachst nach auRen. Dieser Anstieg findet seine einfache Erkla- rung darin, daR die Protonen sich gegenseitig abstoflen, also nach aul3en drangen. DieSatti- gungseigenschaften der Kernkrafte wirken dcm entgegen, so da13 cs insgesamt zu Uber- hiihungen in e(r) am Kernrand von nur weni- gen Prozenten kommt. In Abbildung 8 ist dieser Effekt am Beispicl von 'OxPb darge- stellt zusammen mit einer theoretischen Be- schreibung: bei dieser wurde einmal die Cou- lomb-Wechselwirkung zwischcn den Proto- nen richtig berucksichtigt, zum anderen aber in der Kcchnung fortgelassen. Wenn die Ge- sarntrechnung auch 7.11 einer zu geringen Dichte im lnnern (und darnit in Ubcrcinstim- inung mit dem oben Gesagten zu cinem zu grogen Kadius) fuhrt, so ist doch das Hin- ausschieben von Ladung aufgrund der Cou- lomb- Wechselwirkung niindestens in quali- tativer Ubereinstimmung mit dem Experi- ment.

"Man stelle sich ein Ei mit einer bis zum Kande hin gleichmaRigen Dichte vor; wenn sich seine Orientierung sehr schnell andert und wir cine Aufnahrne mit groRer Belich- tungszeit machen, dann messen wir als Mit- telwert uber die verschiedenen raumlichen Einstellungen zwar im Zentrum die konstan- te, zum Kande hin aber eine abfallende Dich- te. I*'iele die Dichte bereits von vornherein zum Kande hin ab, dann wird der Bereich, uber den dieser Abfall erfolgt, durch die ei- fiirmige Deformation noch vergriiflert.

Die Oszil lationen auf den Ladungs- verteilungen

Die auf den Ladungsverteilungcn beobachte- ten Oszillationen, die die einzelnen Kerne je- weils so verschieden aussehen lassen, sind uberraschenderweise auf eine einfache Weise quantitativ erklarbar. Sic hangen zusammen mit dem beobachteten pliitzlichen Abfall im 1:ormfaktor bei q 4 2 , 2 fm I .

Wir demonstrieren diescn Zusaninienhang dadurch, daf3 wir den Formfaktor, den wir

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Abb. 9. Modell-Ladungsverteilungen fur die Kerne ’“Ni, “‘Sn, ”‘Sn und ‘“nl’b. Das Modell besteht in der Hcschreibung der l.’ourier-Transformicrten bis zu eincm Im- pulsubertrag q: = 2.7 fm-’ durch das Hclm-Modell (mit K = r:A”’, (1 = (1:) und durch F(q) = 0 fur q > qo. I s enthiilt fur al- le Kerne gemeinsam nur die drei Parameter r: = 1.13 fm, (TC = 0.98 fm und q c = 2.7 fm I und beschreibt damit insbesondere die Form der Oszillationen auf c)(r) richtig, wie ein Vergleich mit Abbildung 4 zeigt (im Detail genugt diese vereinfachte Form na- turlich nicht, zum Beispiel hat sic vom An- sntz her nicht die Moglichkeit, die Oberho- hung zum Kernrand hin zu beschreiben).

fur eine Ladungsverteilung nach dem Helm- Modell berechnen, bei q = 2,7 fm-’ ab- schneiden, d. h. auf Null setzen. Die Ruck- transformation dieses abgehackten Formfak- tors zeigt dann in der Tat Oszillationen von der beobachteten Art. Fur einige Kerne ist dies in Abbildung 9 dargestellt. Insbesondere beobachtet man den folgenden Effekt: die Phase und die Amplitude, mit der die Oszil- lation am Kernmittelpunkt beginnt, hangt in einfacher Weise mit der Kernausdehnung zu- sammen. Kerne von einer GrijRe wie Nickel zeigen eine positive Phase, Zinn eine negative und Blei wieder eine positive, die Amplitude nimmt mit wachsender Kerngrijfie ab. Dieses schematische Verhalten steht in voller Ober- einstimmung mit der Beobachtung. Die Ur- sache hierfur liegt darin, da8 je nach der KerngriiCe die Beugungsstruktur, also der Formfaktor, bei einem bestimmten q-Wert (hier: bei 2,7 fm-’) positive oder negative Phase hat, und daR die Amplitude mit wach- sender KerngroRe R rascher abfallt. Damit wird in dem die Ladungsverteilung bestim- menden Integral (siehe Informationskasten 111) der Integrand nach einem positiven oder negativen Beitrag und rnit einer Amplitude, die von R abhangt, abgeschnitten.

Naturlich stellt sich hier die Frage nach dem physikalischen Grund dafur, dafl der Form- faktor plijtzlich steiler abfallt, und daR dies gerade bei 2,7 fm-’ geschieht (fur ein Errei- chen quantitativer Obereinstimmung zwi- schen gemessenen und mit dem im Formfak- tor abgehackten Helm-Modell berechneten Oszillationen ist es erforderlich, F(q) ziem- lich genau bei diesem Wert abzuschneiden). Wir mussen dazu nochmal auf den Zusam- menhang zwischen F(q) und g(r) zuruck- kommen.

Der Formfaktor, der die Ladungsverteilung des Kerns enthalt, ist eine Funktion des Im- pulsubenrags q; das konnen wir auch so aus- drucken: der Formfaktor beschreibt die Fa- higkeit des Kerns, den auf ihn im Streupro- zeR ubertragenen Impuls aufzunehmen. Das Elektron gibt dabei keine Anregungsenergie an den Kern ab, dieser bleibt also im Grund- zustand zuriick, er nimmt den Impuls als ganzes, als RuckstoR, auf. Andererseits ist die elektromagnetische Wechselwirkung von der Art, daR sie nur zwischen jeweils zwei Teilchen wirkt, und das bedeutet: sie wirkt zunachst zwischen dem Elektron und einem der Protonen im Kern; von diesem Proton muR dann der Impuls auf den ganzen Kern ubertragen werden. Die Fahigkeit der einzel-

nen Protonen, Impuls auf die ubrigen Teil- chen im Kern als ganzes (koharent) zu uber- tragen, ist gegeben durch die Wahrschein- lichkeit, daR diese anderen Teilchen dem ins Auge gefaflten Proton den entsprechenden Impuls bei seiner Bewegung im Ensemble der A Teilchen vermitteln; sie hangt also ab von der Impulsverteilung, die das einzelne Teil- chen im Kern hat.

Die wesentlichen Zuge dieser Impulsvertei- lung liegen aufgrund einiger allgemeiner Ge- setzmafligkeiten fest. Die Unscharferelation verlangt, daR die im Kernvolumen V, lokali- sierten Teilchen eine Impulsverteilung rnit ei- ner gewissen Mindestbreite und damit auch Mindestwerten haben. Andererseits miichten alle Teilchen einen moglichst niedrigen Ener- giezustand einnehmen, dem dann allerdings das Pauli-Prinzip, nach dem jeder Zustand nur von einem (gleichen) Teilchen eingenom- men werden darf, entgegenwirkt. Als Ergeb- nis fullen die A im Kernvolumen lokalisier- ten Teilchen im Impulsraum ein Volumen V, aus, dessen Produkt mit V,, das sogenannte Phasenraumvolumen, proportional zur Teil- chenzahl A ist: V,V, = vrpA (die Konstante v,, gibt das Volumen an, das im Phasenraum von einem Teilchen besetzt wird). Die kineti- sche Energie des Systems ist minimal, wenn das im Impulsraum eingenommene Volumen V, die Form einer Kugel hat. Der Radius ist der maximal vorkommende Impuls p ~ , der sogenannte Fermi-Impuls. Nach obiger Be- ziehung hangt V, und damit auch p~ nur von AN, , also von der raumlichen Dichte der Teilchen im Kern, ab. Da die Dichte fur alle Kerne im wesentlichen gleich ist, ist auch der Fermi-Impuls eine Konstante; sie hat den Wert p~ = 1,35 fm-I.

Kommen wir auf die Interpretation des Formfaktors zuruck: Ein Proton kann kleine Impulse, die es vom gestreuten Elektron ubernommen hat, mit hoher Wahrscheinlich- keit auf den Gesamtkern ubertragen, der Formfaktor geht gegen 1 fur q + 0. Beim zweifachen Fermi-Impuls ist in unserem ver- einfachten Bild diese Wahrscheinlichkeit Null: selbst wenn das gestoflene Proton vor dem StoR dem Elektron rnit dem maximalen Impuls pF entgegenlief, also den Impuls -pi: hatte, hat es nach der Ubernahme von 2 PF im StoR einen hoheren Impuls als p ~ , den es dann nicht mehr auf den Kern ubertragen kann. Man mufl also ganz allgemein fur jedes System, das aus einzelnen Teilchen aufgebaut ist, erwarten, daR seine Fahigkeit, Impulse koharent zu ubernehmen, beim zweifachen

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Fermi-Impuls wenn nicht verschwindet, so doch drastisch abnimmt. Die Beobachtung des Formfaktoreinbruchs bei 2,7 fm- ' und die damit zusamrnenhangenden Oszillatio- nen drucken also nicht mehr und nicht weni- ger aus, als daR die Streuung an einem Objekt erfolgt, das aus einzelnen Teilchen aufgebaut ist.

Nun ist die beschriebene Modellvorstellung ganz offensichtlich allzu vereinfachend: der Formfaktor zeigt zwar bei 2 PI: einen deutli- chen Einbruch, aber er wird doch nicht Null! Das Modell gibt aber sofort Hinweise, wo- rauf die Messung in diesem Bereich des Im- pulsubertrags empfindlich sein sollte, nam- lich auf Abweichungen vom extremen Ein- teilchenmodell, also auf Effekte, die daher ruhren, daC die Teilchen im Kern nicht viillig unabhangig voneinander sind sondern sich gegenseitig ,sehen", aneinander gestreut werden und dabei Impulse oberhalb von pi. erreichen. Die deutliche Anderung auch in der Lage der Nullstellen bei den hiiheren Im- pulsiibertragen legt zudem die Frage nahe, o b das gestreute Elektron den hohen Impuls- ubertrag nicht von vorneherein auf Nukleo- nenpaare ubertragen hat, eine Frage also nach dem der Streuung zugrunde liegenden Reak- tionsmechanismus. Die Impulsubernahme durch Nukleonenpaare kann man auch an- ders ausdrucken, namlich als Streuung an ei- nem Meson in dem Augenblick, in dern es zur Vermittlung der Wechselwirkung zwi- schen zwei Nukleonen zwischen diesen aus- getauscht wird. Zur Klarung dieser Fragen tragen ganz wesentlich komplementare Streuexperimente bei, bei denen der Kern nicht im Grundzustand bleibt, bei dem zum Beispiel ein Teilchen den Kern verlaRt. Hier sind wesentliche Aufschlusse vor allem von solchen Experimenten zu erwarten, bei de- nen das gestreute Elektron gleichzeitig mit dern herauslaufenden Teilchen (Proton, Neutron, a-Teilchen, Proton und Neutron gleichzeitig, Pion, . . .) nachgewiesen wird. Zur Durchfuhrung derartiger Koinzidenzex- perimente bedarf es einer neuen Art von Be- schleunigern (,Dauerstrichbeschleuniger"), wie sie zur Zeit z. B. in Mainz und Darmstadt au fgebau t werden.

Haufig wird argumentiert, daR man mit der Elektronenstreuung die Ladungsverteilung in Kernen deshalb unverfalscht untersuchen kann, weil die elektromagnetische Wechsel- wirkung, mit der dabei die Kerne abgetastet werden, schwach ist gegenuber der die Nu- kleonenanordnung bestirnmenden starken

Wechselwirkung. Wir sehen hier, da8 dies Argument die Umstande nicht erschiipfend beleuchtet: trotz der Schwache der Wechsel- wirkung konnen Impulse ubertragen wer- den, die auch von dem uber die starke Wech- selwirkung gebildeten Objekt ,Atomkern" nicht aufgenommen werden kiinnen. Es stellt sich damit die Frage nach der Gultigkeit un- serer Interpretation des Wirkungsquer- schnitts als Beugungsstruktur einer fest vor- gegebenen Ladungsverteilung. Hier wird man noch weitere Untersuchungen anstellen mussen, urn zu einer sicheren Antwort zu ge- langen.

Man stellt sich hier weiterhin gern die Frage, o b die beobachteten Oszillationen ,echt" sind oder ob sie nur durch das MeRverfahren vorgetauscht werden. Was wir messen, das ist die Fahigkeit des Kerns, den ubertragenen Impuls koharent zu absorbieren (dies ist ub- rigens eine Kerneigenschaft, die in jeder Mes- sung an Kernen mit eine Rolle spielt, unab- hangig davon, welche Dhanomene sonst noch studiert werden und mit welcher Art von Teilchen der Kern angestolen wird). Wir beouchten, daR diese Fahigkeit bei q > 2,7 fm-' stark nachlaRt; in unserer Interpretation im Bilde der Ladungsverteilung wirkt sich das so aus, daR diese Oszillationen aufweist.

Werfen wir nochmal einen Blick auf den In- formationskasten 11, dann mussen wir es im Prinzip fur denkbar halten, daR es Ladungs- verteilungen ohne Oszillationen gibt. Aber wir haben dort so getan, als o b der Kern eine kontinuierliche Ladungsverteilung darstellte, bei der ein Raumelement mit dem anderen starr verbunden ist, so daR Impulse, die auf ein Raumelement ubertragen werden, von den anderen Raumelementen mit der Wahr- scheinlichkeit 1 mit iibernommen werden. Wir haben dort den Schritt, daR der Impuls auf dem Wege uber einen der Konstituenten ins Gesamtsystem eingebracht werden muQ, vom Ansatz her garnicht berucksichtigt.

Um die Ladungsverteilung genau zu ermit- teln, muR der Formfaktor fur ufle Werte von q gemessen werden. Ein Objekt, das aus Teilchen aufgebaut ist, kann die ganz hohen Impulse aber nicht ubernehmen. Die Frage, o b das Objekt glatt ist, die Messung bei ho- hen Impulsubertragen aber nicht zulaRt, oder o b das aus Teilchen aufgebaute Objekt ,wirklich" Oszillationen aufweist, kiinnen wir nicht beantworten. Wir erhalten von dem beobachteten Objekt nur die Antwort auf die ihm mit der benutzten Sonde gestellte Frage.

Literatur

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J6rg Friedrich, geb. am 30. I . 1940 in Kiel; Studium der Physik in Munchen, Kiel und Mainz; dort Promotion 1969; arbeitet am Elektronenlinearbeschleuniger des Instituts fur Kernphysik der Universitat Mainz; 19741 75 Forschungsaufenthalt am Laboratory for Nuclear Science in Sendai, Japan; seit 1978 Professor an der Universitat Mainz.

Anschrift:

Prof. Dr. J . Friedrich, Institut fur Kern- physik, Johannes-Gutenberg-Universitat, D-6500 Mainz

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