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Tierforschungszentrum Universität Ulm Wie valide ist die Labortierhaltung im Hinblick auf Standardisierung und Tierwohl? Sibylle Ott FTA Versuchstierkunde

Wie valide ist die Labortierhaltung im Hinblick auf ... · durch - definierte, standardisierte Genetik, Mikrobiologie/Hygiene und Haltungsbedingungen ... Journal of the American Associátion

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Page 1: Wie valide ist die Labortierhaltung im Hinblick auf ... · durch - definierte, standardisierte Genetik, Mikrobiologie/Hygiene und Haltungsbedingungen ... Journal of the American Associátion

Tierforschungszentrum Universität Ulm

Wie valide ist die Labortierhaltung im Hinblick auf

Standardisierung und Tierwohl?

Sibylle Ott FTA Versuchstierkunde

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Inhalt

• Fragestellung

• Standard und Tierwohl in Bezug auf: • Raumklima • Beleuchtung • Käfigmaße und Besatzdichte • Haltungssysteme • Einstreu • Käfigeinrichtung (environmental enrichment) • ….

• Stand der Diskussion, Ausblick

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Validität der Tierhaltung - was ist damit gemeint?

Im Hinblick auf die wissenschaftliche tierexperimentelle Arbeit:

- Bereitstellung gesunder, vergleichbarer Tiere (Physiologie, Anatomie, Größe, Alter, Geschlecht, Verhalten)

→ Vergleichbarkeit der Ergebnisse

→ Reproduzierbarkeit der Ergebnisse

→ Translatierbarkeit Versuchstier → Mensch

durch - definierte, standardisierte Genetik, Mikrobiologie/Hygiene und Haltungsbedingungen

„ A mouse´s house may ruin studies: Environmental

factors lie behind many irreproducible rodent

experiments“

(Reardon, Nature 2016 (530): 254

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Im Hinblick auf die Bedürfnisse der Tiere (animal welfare) - physische und psychische Gesundheit - Möglichkeit, arttypische Verhaltensweisen ausleben zu können: Richtlinie 2010/63/EU Anhang III, Teil A 3.3.b):

→ das Tierwohl ist nicht nur ein intrinsisches Recht der Tiere, sondern auch Grundlage für die Qualität der tierexperimentellen Forschung Forschung an kranken, verhaltensgestörten Tieren ist nicht translatierbar

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Originalarbeiten: Hylander 6 Repasky: Thermoneutrality, Mice and cancer, Trends in Cancer 2016 (59) Sorge et al.: Olfactory exposure to males…Nature Methods 2014 (6): 629-632

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Raumklima entsprechend Europäischem Übereinkommen

ETS 123 Anhang A

Temperatur Luftfeuchte Luftwechselrate

Maus, Ratte

20-24oC 45-65% 15-20 x/h

Begründung Standardisierung

„Haltungspraxis“

Tiergesundheit

Abfuhr von NH3,

Pheromonen,…

Thermoneutrale Zone der Maus: 30-31 oC Bevorzugte T einzelner und in Gruppen gehaltener Mäuse: Lichtzeit 29 oC Dunkelzeit 25 oC → 20o C ist zu kalt, genügend Nestmaterial notwendig (und vorgeschrieben)

Bundesgesetzblatt 2007, II, 37; Gordon et al, Phys&Behav 65,2, 255-62, 1998

Ott

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Beleuchtung: Intensität, Licht-Dunkel-Wechsel

• Dunkelaktive Nager sind lichtempfindlich

• Lichtintensität im Bereich der Käfige ≤ 200 lx (Meßwerte TFZ: 6-20 lx im IVC Käfig)

• im Arbeitsbereich ≤ 400 lx (Meßwerte TFZ Ulm: ≤ 400 lx)

• im Käfig muss ein dunkler Rückzugsbereich (Schlafplatz < 25lux) zur Verfügung stehen

• Licht-Dunkel-Rhythmus

•L:D 12:12, Normalzeit, keine Dämmerungsphase bei Nagern → physiologische Rhythmik und Regelkreise standardisiert

•L:D 14:10, Stress bei Umstellung, nicht validiert bei Daueranwendung

Bellhorn , Lab Anim Sci 30:440-450 1980; LaVail , Prog Clin Biol Res 147: 439-54, 1987

→ Bedeutung der Lichtintensität und standardisierter LD-Wechsel gut untersucht Nachholbedarf bei 14:10 im Vergleich zu 12:12

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Lichtkontamination

• Veränderungen ab 0,2 lx in der Dunkelzeit

• Störung der „inneren Uhr“ (SCN)

• Stoffwechsel und Wachstumsrate von Tumoren in Xenograft (human)-Ratten-Tumormodell erhöht

→ Problematik ist erkannt jedoch nicht überall ausreichend umgesetzt

Dauchy J Am Ass Lab Anim Sci, 50 (3): 326-6; 2011, Bedrosian, Anim Welf 22: 438-7, 2013)

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Dauchy 2011

↑ Anstieg der Plasma-Melatonin - Konzentration nach Reduktion von LAN in 2 Rattenstämmen

↑ Abnahme der Tumorwachstumsrate nach Reduktion von LAN bei 2 Rattenstämmen (rot: nude rat, Brustkrebslinie MCF-7(SR), Schwarz: Buffalo Rat, Hepatomlinie 7288TC)

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Geräusche: Frequenzbereiche, Schallpegel und Lärm

Turner et al, Comp Med 55(1):12-232005

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• Nager bevorzugen Stille

• Hörschäden bei hohen, längerdauernden Lärmpegeln

• Gewöhnung an moderate Lärmbelastung, verliert sich rasch wieder bei Abnahme der Schallpegel

• Erschrecken bei plötzlichen Geräuschen (startle response)

• Stress bei chronischer Belastung (Stresshormone↑)

• Herz-Kreislauf Veränderungen, Blutdruck ↑

• Schlafdeprivation, gestörte Schlaf-/Wachrhythmen

• Psychische, psychosomatische, soziale Veränderungen

• Reproduktion ↓, Infanticid

• Viele Mausstämme haben einen altersabhängigen Hörverlust (BLAB/c, B6, DBA/2, 129; Mutation in Cdh23)

→ Lärm und Ultraschallemissionen sind in den Tierräumen zu vermeiden Höchstgrenzen sind jedoch nicht festgelegt!

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Käfigdimensionen, Bodenfläche/Tier

ETS 123: Tabellen gestaffelt nach Gewicht, kleinster zulässiger Käfig: 330cm2, 12 cm hoch Pro Maus mit 20-25g KG 70 cm2 Bodenfläche → 5 Mäuse in Typ II (360 cm2), 8 in Typ II long (560 cm2) 1:2 Verpaarung auf 330 cm2 zulässig → kaum Platz für Nestbau/ Häuschen, kaum natürliche Bewegung für Jungtiere → erlaubt, aber nicht sinnvoll USA, National Research Council recommendation: 77,4cm2/ 15-25 g KG based on „best professional jugdement“ Üblich, z.B. am TFZ Uni Ulm: 3 bzw. 5 Mäuse/ Käfig in der Haltung, Verpaarung im Typ II long je nach Maus- und Wurfgröße 1:1 oder 1:2 → es gibt keine wissenschaftliche Begründung für exakt festgelegte Flächen

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Gruppenhaltung, Besatzdichte

• Soziale Tierarten sollen in Gruppen gehalten werden, „so lange diese Gruppen stabil und harmonisch sind“ (ETS123)

• Gruppenhaltung führt bei adulten männlichen Mäusen zu Stress (umfangreiche Literatur s. GV-SOLAS Stellungnahme zur Einzelhaltung von Mäusen)

• Mausweibchen teilen sich gerne das Nest, bevorzugt mit Schwester (König 1993) • Junge Ratten benötigen Sozialpartner und Fläche für soziale Spiele für eine

normale Entwicklung (Birke 1983, Wahlstrand 1987; Akbari 2008) • Keine nachteiligen Effekte bei doppelter Besatzdichte gegenüber NRC Empfehlung

(reduzierte Nieren- und NN Gewichte und Herzrate innerhalb physiologischer Werte, keine nachteiligen Klimafaktoren; Paigen 2012, Morgan 2014)

→ Bodenfläche ist bei adulten Tieren kein „Wert an sich“, jedoch Voraussetzung für Gruppenhaltung, Wurfgemeinschaften und Käfigeinrichtung (enviromental enrichment)

www.GV-SOLAS.de Birke Dev Psychobiol 1987, 20(1):85-99; Wahlstrand Aggressive Behav 1987,9:20-40; König Behav Proc 1993,30:61-74; König Behav Proc 1993, 30:61-74; Akbari Dev Psychobiol 2008,50(3):298-306; Paigen J Anim Sci 2012,90(13):5182-5192; Morgan PLOS ONE 2014, 9(3)

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„offene“ vs. IVC (individually ventilated cages) Haltung

Ott Ott

Ott Ott

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IVC Haltung

Erleichtertes Hygienemanagement, Vermeidung von Kontaminationen, Minderung der Allergenbelastung - wissenschaftlich vielfach validiert ABER → was ändert sich für die Mäuse? • olfaktorische und akustische Abschirmung, z.T. weniger Klettermöglichkeiten, in

manchen Systemen Zugluft • Im Vergleich verschiedener IVC Systeme Unterschiede in der Häufigkeit von

Bißverletzungen und Gewichtsentwicklung (Höglund 2001) • Kein Unterschied im Zuchterfolg in IVC, Tierhaltungsschrank und offenen

Käfigen (DBA/2; Tsai 2002) • Keine negativen Auswirkungen auf HF und BD, kein Meideverhalten bei

Luftwechselraten unter 80/h und Geschwindigkeiten bis 0,5m/s (Ratten; Krohn 2003)

• Im Vergleich zu Filtertop-Käfigen Veränderungen in den Bereichen Sozialverhalten, induzierte lokomotorische Aktivität (Logge 2013)

• Signifikante Effekte in Verhaltenstests, streng stamm- und geschlecht- und testabhängig, lässt keine allgemeine Aussage zum IVC Einfluß zu (Allentown IVC, B6, BALB/c, DBA/2; Mineur 2009)

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• Verminderte Aktivität und erhöhte Ängstlichkeit von einzeln gehaltenen

männlichen B3 und C3H in IVC mit Stahlblechdeckel (BioZone IVC, glatt oder mit zusätzlich angebrachtem kleinen Gitter; Kallnik 2007)

• Ungünstige Luftführung führt zu Meideverhalten und zum Verbauen des Lufteinlasses mit Nistmaterial (Baumans 2002, Burman 2014)

• IVC mit Luftführung auf Tierhöhe führt zu erhöhter Ängstlichkeit im Vergleich zu IVC mit Luftführung über Deckel (junge ff BALB/c und B6; Burman 2014)

• Sauerstoffgehalt (4 B6 mm, 3 Wo alt, 1 Woche) im IVC (476cm2, Allentown, ACH 60) um 0,5 Vol. % geringer (20,5%) als im offen Käfig (21%); RBC, Hämatokrit, Hämoglobin & Plättchen höher, Leukozyten niedriger, Luftfeuchte höher, Wasseraufnahme niedriger, Saccharinpräferenz höher, Futteraufnahme und Verhaltenstests vergleichbar (alle Tests in offener Haltung; York 2012)

• Futteraufnahme, social exploration, novel object recognition, ggression, learning/ memory and anxiety-like behaviour nicht verändert (Mineu 2009, York 2012)

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• Mäuse bevorzugen allgemein offene Käfige gegenüber IVC und niedrige

Luftwechselraten gegenüber hohen, wenn sie kein Nistmaterial haben, Unterschide vzwischen IVC Typen durch unterschiedliche In-Käfig Klimata, in der Laktationsperiode können IVC Käfige zu warm werden (bei NMRI nu, besonders bei Zuchttrios, d.h. 3 Adulte plus 2 Würfe, 23,-7-24.9o C; Unterschiede je nach Typ; Spangenberg 2014)

• Nester sind komplexer im IVC, vermutl. aufgrund der hohen Luftwechselraten (keine Angabe zum IVC Hersteller; Cornelius 2015)

Höglund, Lab Anim 2001, 35, 51-57; Baumans 2002, Am Ass Lab Anim Sci 41, 19; Tsai 2002, Lab Anim 37, 44-53; Krohn, Lab Anim 2003, 37, 85-93; Kallnik 2007, Mam Gen 18, 173-186; Mineu 2009, Physiol Behav 97:5998-6004; York 2012, Brain Behav Immun 26(6):951-958; Logge 2013, Neurosci 237, 285-293; Burman 2014, Pysiol & Behav 124: 92-99; Spangenberg 2014, Lab Anim 48(3): 193-206; Cornelius, Poster, AALAS meeting, Phoenix, 2015

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Diskussion

→ IVC Haltung hat Effekte, die publizierten Ergebnisse sind uneinheitlich, teilweise widersprüchlich oder nicht signifikant Aufgrund der Geschlechts- und Stammabhängigkeit und der unterschiedlichen IVC Systeme lassen sich Einzelergebnisse nicht generalisieren Offene Fragen: •Gibt es einen allgemeinen IVC Einfluß im Vergleich zur offenen Haltung? •Ist der Unterschied zwischen IVC und offener Haltung größer als zwischen verschiedenen Tierhaltungen? •Wie werden Verhaltenstests (Haltung im IVC/ Testvorrichtungen offen) beeinflußt? •Wie lange wirkt sich ein Wechsel des Haltungssystems (offen beim Züchter, IVC in den Einrichtungen) aus?

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Bewertung von Publikationen zur Versuchstierhaltung Vorsicht: Generalisierungen sind selten möglich

Beispiel: David JM et al: Individually Ventilated Cages Impose Cold Stress on Laboratory Mice: A Source of Systemic Experimental Variability Journal of the American Associátion for laboratory Science, 2013, 52(6): 738-744 Results: IVC Haltung führt zu chronischem Kältestress, Kälte induzierter Thermogenese, Vergrößerten Nebennieren und vermindertem Tumorwachstum → massiver Einfluß auf experimentellen Daten, systematischer Fehler in den Ergebnissen, mangelnde Vergleichbarkeit mit Ergebnissen aus offener Haltung → sollte man da in der Forschung nicht besser auf IVC Haltung verzichten?!

Fig. 1(A): Aktiviertes Braunes Fettgewebe in der Thermographie

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Material und Methoden: Mäuse: männliche CB17/lcr-Prdcscid und Crl:Nu-Foxn1Nu

Einzelhaltung Raumtemperatur: 20-21oC 3 Versuchsgruppen: 1. IVC mit rotem Mausiglu, kein Nistmaterial 2. IVC ohne Häuschen o. Nistmaterial 3. Statisch/ offen ohne Häuschen o. Nistmaterial Käfige: Inno Vive

Abbildungen: Homepage Fa. Inno vive, San Diego, CA

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Einstreu

Literatur: Promotionsarbeit J. Kirchner, Institut für Tierschutz und Verhalten, Tierärztliche Hochschule Hannover, Vortrag DVG FG Tierschutz, Nürtingen, 24.-27.2.10

Umstellung von Holzfaser auf Holzgranulat aus technischen Gründen (Schimmelbefall, Staub), ohne wissenschaftliche Bewertung von möglichen Einflüssen auf Tierwohles und Experiment

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Einstreu

Literatur: Promotionsarbeit J. Kirchner, Institut für Tierschutz und Verhalten, Tierärztliche Hochschule Hannover, Vortrag DVG FG Tierschutz, Nürtingen, 24.-27.2.10

Umstellung von Holzfaser auf Holzgranulat aus technischen Gründen (Schimmelbefall, Staub), ohne wissenschaftliche Bewertung von möglichen Einflüssen auf Tierwohles und Experiment

Blum, Uni. Ulm

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ETS123, Anhang A: Nestkästen sollten bereitgestellt werden, wenn den Tieren

nicht genügend Material zur Verfügung steht, um ein vollständiges,

abgedecktes Nest zu bauen

Nistmaterial: •Beschäftigung •Verstecken, Ausweichen •fördert Kontaktliegen •Temperaturgradient (Wahlmöglichkeit) •Mikroklima (≥ 34oC) ≠ Raumklima •manipulierbar •variabel

Ott Ott Ott

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Käfigeinrichtung: „environmental enrichment (EE)“

Bekannt ist: • Ratten und Mäuse schätzen und brauchen die Gelegenheit sich zu

verstecken, Nester zu bauen, Sozialkontakte, Bewegung und ein gewisses Maß an Kontrolle über ihr soziales Milieu, sonst erleiden sie psychische und physische Schäden, die Gehirnentwicklung bleibt zurück und Verhaltensanomalien (z.B. Stereotypien) treten auf (Balcombe 2006)

• Mäuse arbeiten für Nistmaterial, Verstecke, Sozialpartner, erhöhte Flächen, Laufrad und strukturierte größere Käfige (Balcombe 2006)

• Ratten arbeiten für Sozialpartner, komplexe Käfige, Laufrad, Nestboxen (bevorzugt dunkel, nicht transparent) (Hutchinson 2005)

• Ratten sind neugierig und interessieren sich für jedes neue Objekt

Balcombe, Lab Anim 2006 (40): 217-235, review articel;

Hutchinson , ILAR Journal Special issue EE 2005, http://ilarjournal.oxfordjournals.org/, review articel

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Ott

Wie können wir die Forderungen der 2010/63/EU erfüllen? Komplexe Räume, große Palette arttypischen verhaltens, kontrollieren und auswählen,

manipulieren, kognitives Verhalten erweitern….

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Various animals use the running wheels, though mice are by far the most common.

Johanna H. Meijer, and Yuri Robbers Proc. R. Soc. B

2014;281:20140210

Arttypische Bewegungen: Laufen, Klettern, Aufrichten, Nagen, Graben

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Laufrad • wird sehr gut angenommen • kann zu „Sucht“ führen • erhöht Varianz in der Gruppe → scheidet für experimentelle Haltungen weitgehend aus

Klettermöglichkeit • wird sehr gut angenommen • Untersucht an B6: bewegen sich

nachts mehr am Käfigdeckel als auf dem Boden

• Negative Einflüße nicht bekannt • Durch neue Haltungssysteme stark

reduziert → sollte verpflichtend in die ETS123 aufgenommen werden

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• Aufrichten ist rattentypisch • Wird besonders ausgiebig gezeigt nach

fehlender Gelegenheit • Wertigkeit? Notwendigkeit?

→ ETS123 schreibt eine Käfighöhe von mind. 18 cm vor

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Nagehölzer

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Vortrag Philip Dammann, Universitätsklinikum Essen, GV-SOLAS Tagung Hannover 2015: Sinn und Unsinn von Environmental enrichment – ein systematischer Review Wissenstand 2005: positive Wirkung von Nestmaterial und sozialer Haltung in Bezug auf Wohlbefinden und Standard (keine Varianzerhöhung)

Metanalyse über die letzten 10 Jahre: 855 Veröffentlichungen zum Thema EE Maus 659 in den Jahren 2005-2015 161 relevant 40 für die Auswertung geeignet

environmental enrichment: Stand der Forschung

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Ergebnisse: • Versteck/ Häuschen: 3x positiv, 1x ohneEinfluß auf Untersuchung • Laufrad: 2x erhöhte Aggression • Mehr Einstreu: 1x positiv, 1x neutral • Natürliche Materialien: 2x bevorzugt → Datenlage immer noch unbefriedigend → systematische Testung definierter EE-Maßnahmen notwendig → quantitative Meta-Auswertung ggf. möglich für Evaluation der intra-experimentellen Varianz

Ergebnisse

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Unberücksichtigt bleiben hier:

• Futter: Futter aus Naturstoffen ist nicht völlig standardisierbar, unterschiedeliche Aufbereitung (erhitzen, autoklavieren, begasen,…)

• Mikrobiom/ Darmflora: i.d.R. unbekannt

• Gerüche: Putz- und Desinfektionsmittel

• Faktor Mensch

• Wasser, Wasseraufbereitung (ansäuern, autoklavieren, …)

• Einfluß der frühen Umgebung (kommerzieller Züchter, universtäres Institut, ...)

• …

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Wo stehen wir heute? Wie wissenschaftlich fundiert ist die Versuchstierhaltung?

Testung eines Sets von Enrichment Maßnahmen in verschiedenen Laboren Ergebnis: Einfluß des Labores ist größer als der Einfluß des Enrichments

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Wie wissenschaftlich ist die Versuchstierhaltung fundiert? Besteht Handlungsbedarf?

Versuchstierhaltungen sind weit weniger standardisiert, als postuliert, sie unterscheiden sich elementar in der Art der Käfige, Fütterung, Licht-Dunkel Regime, Besatzdichte, Mikrobiom, Faktor Mensch, Qualität der genetischen Hintergründe, Licht- und Lärmpegel, ….. Experimente zur Versuchstierhaltung sind oft schlecht vergleichbar, sehr spezifisch und - zu wenig! → Es gibt Forderungen nach definierter höherer Heterogenität der Versuchsanordnungen, um Experimente gegenüber lokalen Einflüssen robuster zu machen (Helene Richter, div. Publ. und Vorträge) Ergebnisse zur Wertigkeit von Enrichment für das Tierwohl sind sehr spezifsch, kaum generalisierbar, begrenzt (Wahlversuche) und - zu wenig Es fehlt an Wissenschaftlerstellen im Fachgebiert Versuchstierkunde!!! Es fehlt an Forschungsförderung zum Thema Versuchstierhaltung!!!

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Vielen Dank für die Unterstützung an Philipp Dammann , Univ.klinikum Essen und Paulin Jirkof, Univ. Zürich Ausschuss für Tiergerechte Labortierhaltung der GV-SOLAS