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„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS Jahresarbeit von Tabea Weil Freiherr- vom- Stein- Schule Hessisch Lichtenau Fach: Biologie Fachlehrer: Herr Siebert Hessisch Lichtenau/ Fürstenhagen, den 27.04.2011

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ - fvss.de · Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen Ausgeprägte körperliche Unruhe und starker Bewegungsdrang (Hyperaktivität)

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„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“

Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext

der Ursachenanalyse von ADHS

Jahresarbeit von Tabea Weil

Freiherr- vom- Stein- Schule Hessisch Lichtenau

Fach: Biologie

Fachlehrer: Herr Siebert

Hessisch Lichtenau/ Fürstenhagen, den 27.04.2011

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[2]

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis.............................................................................................................. 2

1 Vorwort...................................................................................................................... 3

2 Allgemeines zu ADHS ................................................................................................ 4

2.1 Symptome und Diagnose........................................................................................5

2.2 Begleitstörungen....................................................................................................6

3 Ursachen von ADHS................................................................................................... 9

3.1 Genetische Faktoren ..............................................................................................9

3.2 Prä-, peri- und postnatale Schädigungen ..................................................................9

Auch................................................................................................................................9

3.3 Psychosoziale Faktoren..........................................................................................9

3.4 Neurobiologische Ursachenanalyse – neuronale Erklärungsmodelle........................ 10

3.4.1 Das Nervensystem........................................................................................ 10

3.4.2 Neurotransmitter .......................................................................................... 12

3.4.3 Dopaminmangel-Hypothese.......................................................................... 13

3.4.4 Dopaminüberschuss-Hypothese..................................................................... 14

3.4.5 Zusammenfassung........................................................................................ 14

4 Behandlungsmöglichkeiten von ADHS..................................................................... 15

4.1 Medikamentöse Therapie ..................................................................................... 15

4.2 Andere Therapiemöglichkeiten ............................................................................. 17

5 Nachwort.................................................................................................................. 18

6 Fachwortverzeichnis................................................................................................. 20

7 Quellenangaben........................................................................................................ 22

7.1 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 22

7.2 Abbildungsverzeichnis......................................................................................... 22

7.3 Internetquellen (ausgedruckte Interseiten siehe Anhang) ...................................... 23

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[3]

1 Vorwort

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung- eine Störung, die uns im Alltag

überall begegnet. Besonders in der Schule fallen Kinder mit ADHS immer wieder durch

ihr Verhalten auf. Ist ein Kind unruhig, unkonzentriert, unaufmerksam, impulsiv und

kann sein Verhalten schlecht kontrollieren, wird es schnell in die Schublade „ADHS“

gesteckt.

Doch nicht jedes Kind, das lebhaft und unkonzentriert und auch mal laut und impulsiv

ist, leidet unter ADHS.

Oft werden die Kinder mit ADHS als „anders“ abgestempelt und es stehen nur die

negativen Eigenschaften ihrer Störung im Vordergrund. Viele Eltern und auch Lehrer

wissen oft nicht, wie sie richtig mit den Kindern umgehen sollen und fühlen sich

überfordert oder hilflos.

Mich interessiert die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung daher besonders,

weil viele Menschen zwar etwas mit dem Begriff anfangen können, jedoch oft keine

genaueren Informationen zu der Störung haben.

In meiner Jahresarbeit möchte ich zunächst einen Überblick über die

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung geben und erklären, was ADHS

eigentlich ist. Dabei werde ich kurz auf Symptome und Diagnostik eingehen sowie auf

die Behandlungsmöglichkeiten, wobei ich besonders die medikamentöse Therapie

erläutern möchte.

Der Schwerpunkt meiner Jahresarbeit soll jedoch auf der Ursachenanalyse liegen.

Hierbei werde ich verschiedene Ursachen und Theorien zu der Entstehung von ADHS

darlegen und die neurobiologischen Erklärungsansätze ausführlich erläutern.

Folgende Fragestellungen sollen hierbei im Vordergrund stehen:

„Wieso zappelt der Zappelphilipp eigentlich?“ und „Welche Erklärungen gibt es für

die Entstehung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung?“

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[4]

2 Allgemeines zu ADHS

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gilt als eine der

häufigsten psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters. Schon seit dem Jahr

1932 ist diese Störung unter dem Namen „Hyperkinetische Störung des Kindesalters“

bekannt.1 Heute ist der meist verwendete Begriff jedoch ADHS

(=Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Ohne das Symptom der

Hyperaktivität spricht man von ADS (= Aufmerksamkeitsdefizitstörung). Da sich

ADHS in der Mehrzahl der Betroffenen auch im Erwachsenenalter nicht verliert, wird

sie vermehrt als eine chronische Störung angesehen. 3-6% aller Kinder und

Jugendlichen und 2-4% aller Erwachsenen in Deutschland sind von ADHS betroffen.2

Unter ADHS versteht man allgemein die verminderte Fähigkeit zur Selbststeuerung bei

Kindern und Jugendlichen. Die Störungen treten überwiegend in drei Bereichen auf:

Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen

Ausgeprägte körperliche Unruhe und starker Bewegungsdrang (Hyperaktivität)

Impulsives und unüberlegtes Handeln (Impulsivität) 3

Bei Mädchen tritt häufiger ADS auf, d.h. ohne Hyperaktivität, was dazu führt, dass es in

diesen Fällen oftmals nicht erkannt wird, da das „störende“ Symptom der Hyperaktivität

fehlt.4

In meinen weiteren Ausführungen werde ich mich jedoch auf ADHS beziehen.

Kindern mit ADHS fällt die Bewältigung alltäglicher Anforderungen, wie z.B. Essen,

Anziehen und besonders Hausaufgaben erledigen und Lernen, schwerer als Kindern

ohne die Störung. Sie lassen sich sehr schnell ablenken und sind oft unkonzentriert.

Hierzu ein Zitat von einem Erwachsenen, der ebenfalls ADHS hat:

„AD(H)S bedeutet für die Betroffenen, dass sie oft nicht das auf die Reihe kriegen, was sie sich

vornehmen oder gerne schaffen würden. Das geht jedem von uns einmal so. Aber wenn das

1 Vgl. Broschüre „ADHS“ von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Stand Juli 2009) (S. 5) (im

Folgenden: Broschüre „ADHS“) 2 Vgl. „Ach du Schreck! ADS- Vom Chaoskind zum Lebenskünstler“ von Arno Backhaus, Visnja Lauer und Dr. Just

Lauer; Brendow Verlag (2. Auflage 2009) (S. 12) (im Folgenden.: „Ach du Schreck! ADS“) 3 Broschüre „ADHS“ (S.5) 4 Vgl. Broschüre „ADHS“ (S. 5)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[5]

Scheitern zum Lebensmotto wird, hat das schwerwiegende Folgen. AD(H)Sler haben meist ein

schlechtes Selbstbewusstsein. Infolge der zahlreichen Fehlschläge in ihrem Leben trauen sie

sich nichts mehr zu.“ 5

2.1 Symptome und Diagnose

Wird die Diagnose ADHS gestellt, erfolgt sie nach festgelegten Kriterien. In der

folgenden Tabelle sind die Symptomkriterien für die Kernsymptome

Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität aufgelistet.

5 Zitat: „Ach du Schreck! ADS“ (S. 20)

A. Unaufmerksamkeit mindestens 6 der folgenden 9 Symptome muss mindestens 6 Monate für eine ADHD Diagnose erfüllt sein Das Kind/der Jugendliche

1. beachtet Aufgabendetails häufig nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Haus- aufgaben, der Arbeit oder anderen Tätigkeiten.

2. ist nicht in der Lage die Aufmerksamkeit beim Spielen oder anderen Aufgaben aufrechtzuerhalten.

3. hört scheinbar häufig nicht, was andere ihm sagen. 4. erfüllt häufig Aufgaben und Pflichten nicht oder bringt diese nicht zu Ende (nicht

aufgrund oppositionellen Verhaltens). 5. hat Schwierigkeiten Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren 6. vermeidet Aufgaben oder Tätigkeiten, die eine länger andauernde Beschäftigung

erfordern (z.B. Mitarbeit bei Hausaufgaben oder im Unterricht). 7. verliert häufig Gegenstände, welche zur Erfüllung von Aufgaben oder Aktivitäten

benötigt werden (z.B. Stifte, Spielsachen, Bücher). 8. lässt sich häufig von äußeren Reizen ablenken. 9. ist bei der Durchführung von Alltagstätigkeiten häufig vergesslich.

B. Hyperaktivität mindestens 3 der folgenden 5 Symptome muss mindestens 6 Monate für eine ADHD Diagnose erfüllt sein Das Kind/der Jugendliche

1. zappelt häufig mit den Händen oder Füßen und rutscht auf dem Stuhl herum. 2. verlässt den Platz im Klassenraum oder anderen Situationen, in denen

Sitzenbleiben erwartet wird. 3. läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen diese

Verhaltensweisen unpassend sind. 4. ist in der Regel unnötig laut bei Freizeitaktivitäten und hat Schwierigkeiten leise

zu spielen. 5. zeigt ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität, die durch den

sozialen Kontakt oder Verbote nicht durchgreifend beeinflussbar sind.

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[6]

Bevor die Diagnose ADHS gestellt werden kann, ist eine umfassende körperliche

Untersuchung wichtig, um andere Erkrankungen als Ursache ausschließen zu können.

Schädel- Hirn- Traumata, epileptische Anfälle oder Seh- und Hörstörungen können

beispielsweise auch ADHS- ähnliche Symptome auslösen.6 Außerdem ist es wichtig,

das Verhalten genau zu beobachten, um es klar von dem altersgemäßen Verhalten

abtrennen zu können. Wenn der Betroffene über den angegeben Zeitraum die

aufgelisteten Symptome, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung in verschiedenen

Lebensbereichen führen, zeigt, erhärtet sich der Verdacht auf ADHS. 7

2.2 Begleitstörungen8

Neben den genannten Kernsymptomen der ADHS kann es auch zu weiteren

Verhaltensauffälligkeiten kommen:

6 Vgl. „ADHS“ von Caterina Gawrilow; UTB Profile; Ernst Reinhardt, GmbH und Co KG, Verlag

München (2009) (S. 15-16) (im Folgenden: „ADHS“ von Caterina Gawrilow) 7 Vgl. „ADHS“ von Caterina Gawrilow (S. 16) 8 Anmerkung: Begleitstörungen Vgl. Broschüre „ADHS“ (S. 16-18)

C. Impulsivität mindestens 1 der folgenden 4 Symptome muss mindestens 6 Monate für eine ADHD Diagnose erfüllt sein Das Kind/der Jugendliche

1. platzt mit der Antwort heraus, bevor die Frage beendet ist. 2. kann häufig nicht warten, bis es/er an der Reihe ist. 3. unterbricht oder stört andere häufig (z.B. mischen sich ins Gespräch oder Spiel

anderer ein). 4. redet häufig exzessiv, ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren.

Abb. 1: Symptomkriterien nach ICD-10 (International Class ification of Diseases)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[7]

50 %9 der ADHS- Betroffen leiden außerdem an einer Störung des

Sozialverhaltens. Diese liegt vor, wenn andauernde, wiederholt aggressive und

aufsässige Verhaltensweisen zum Vorschein kommen. Dabei ist es aber wichtig,

dass geklärt wird, ob diese Verhaltensweisen nicht ein natürliches Verhalten im

Entwicklungsprozess sind (Trotzphase, Pubertät, etc.).

Wird diese Begleitstörung nicht behandelt, kann es zu schweren Folgen in der

Schule, der Persönlichkeit des Kindes oder dem Verhältnis zu anderen

Menschen kommen.

20- 25 %10 der ADHS- Betroffenen haben Angststörungen und 10-40 %11

Depressionen. Diese beiden Begleitstörungen sind oft schwer feststellbar, weil

sie nicht so offensichtlich wie die „störenden“ Auffälligkeiten (Hyperaktivität,

Aggressivität) sind. Häufig werden Angststörungen und Depressionen deshalb

auch nicht mit ADHS in Verbindung gebracht.

Angststörungen und Depressionen können sich jedoch schnell entwickeln, da

viele ADHS-ler ein schwaches Selbstbewusstsein haben, weil sie oft in der

Schule als „Versager“ angesehen werden und meist nur ihre negativen

Eigenschaften im Vordergrund stehen. Wenn sie dann noch aus ihrem Umfeld

permanent negative Rückmeldungen erhalten, kommt es schnell zu einer

depressiven Entwicklung.

Bei 30 %12 der Personen mit ADHS kommt es zu sogenannten Tic- Störungen.

Unter einem „Tic“ versteht man unwillkürliche, wiederholte Zuckungen oder

Bewegungen. Es gibt motorische Tics (z.B. Blinzeltic) oder vokale Tics (z.B.

häufiges Räuspern). Diese Tics verschwinden aber meist wieder. Außerdem tritt

bei der ADHS auch häufig das Tourette- Syndrom auf.

Bei 10- 25 %13 der ADHS- Betroffenen treten Lernstörungen, wie zum

Beispiel eine Lese-Rechtschreib- Schwäche oder Rechenschwäche auf.

9 Prozentabgabe: Broschüre „ADHS“ (S.16) 10 Prozentangabe: Broschüre „ADHS“ (S.16) 11 Prozentangabe: Broschüre „ADHS“ (S.16) 12 Prozentangabe: Broschüre „ADHS“ (S.16) 13 Prozentangabe: Broschüre „ADHS“ (S.16)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[9]

3 Ursachen von ADHS

Welche Ursache wirklich hinter der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

steckt, ist noch umstritten. Mittlerweile stehen aber überwiegend die genetischen und

neurobiologischen Faktoren im Mittelpunkt der Ursachenforschung.

3.1 Genetische Faktoren

Besonders bei Zwillingsforschungen wurde die genetische Veranlagung für ADHS

deutlich. Eineiige Zwillinge mit den gleichen Erbanlagen waren häufiger von ADHS

betroffen als zweieiige Zwillinge mit unterschiedlichen Erbanlagen.14 Aktuell werden

ca. 16 Genveränderungen15 mit ADHS in Verbindung gebracht. Vor allem die Gene, die

sich auf die Verfügbarkeit und Funktion von Neurotransmittern (besonders auf

Dopamin) auswirken, sind von den Veränderungen betroffen. Je mehr Veränderungen

oder Mutationen vorliegen, desto wahrscheinlicher wird die Entwicklung der ADHS.

3.2 Prä-, peri- und postnatale Schädigungen

Auch erworbene Schädigungen des zentralen Nervensystems (ZNS) vor, bei und nach

der Geburt können die ADHS- Symptome auslösen. Die Schädigungen sind meist auf

Nikotin- und Alkoholkonsum der Mutter sowie Hirnblutungen oder Sauerstoffmangel

unter der Geburt zurückzuführen. Diese Faktoren begünstigen aber nur in seltenen

Fällen die Entwicklung einer ADHS.16

3.3 Psychosoziale Faktoren

Bei einer genetischen Veranlagung hängt die Entwicklung einer ADHS von

psychosozialen Faktoren ab. Ungünstige psychosoziale Faktoren z.B.

Vernachlässigung durch die Eltern, Scheidung, schlechte Lebensbedingungen etc.

können die Entwicklung von ADHS begünstigen und den Verlauf verschlimmern.

14 Vgl. Broschüre „ADHS“ (S. 19) 15 Vgl. „Ach du Schreck! ADS“ (S. 17) 16 Vgl. „Ach du Schreck! ADS“ (S. 17)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[10]

Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ADHS bei Kindern mit einer intakten

und unterstützenden Familie ausprägt bzw. verschlimmert, geringer. 17

„Die Umwelterfahrungen beeinflussen die Struktur und die Funktionsweise des Gehirns

und das auch im Hinblick auf ADHS und die Schwere der Symptomatik.“ 18

Es gibt also verschiedene Erklärungsansätze bei der Ursachenforschung der ADHS. Im

folgenden Teil werde ich mich speziell mit den „neuronalen Erklärungsmodellen“ als

neurobiologische Erklärungsansätze für ADHS beschäftigen und diese erläutern.

3.4 Neurobiologische Ursachenanalyse – neuronale

Erklärungsmodelle

Die neuronalen Erklärungsmodelle als mögliche Erklärung für ADHS beziehen sich auf

einen Neurotransmittermangel in den Nervenzellen. Dazu gibt es verschiedene

Hypothesen, die ich im weiteren Verlauf darstelle. Um die Erklärungsmodelle

nachvollziehen zu können, ist es nötig, das Nervensystem zu verstehen und die

Funktionen der Neurotransmitter im Gehirn zu kennen.

3.4.1 Das Nervensystem

Die Neuronen (Nervenzellen) sind das Grundelement des Nervensystems. Sie bestehen

aus einem Zellkörper, Dendriten, Axonen und Synapsen.19

Ihre Aufgabe ist die Aufnahme, Übertragung und

Weiterleitung von Signalen oder Reizen.

Die Erregungsleitung innerhalb eines Neurons erfolgt

durch elektrische Signale.

Die Kommunikation zwischen zwei Neuronen und

somit die Übertragung von Signalen erfolgt meist an

den chemischen Synapsen.

17 Vgl. „Ach du Schreck! ADS“ (S. 18) 18 Zitat: „Ach du Schreck! ADS“ (S. 18) 19 Vgl. „Abiturwissen Biologie“ Verlag Duden; Herausgeber: Prof. Dr. Wilfried Probst, Petra Schuchardt (Stand 2004) (S. 139) (im Folgenden: „Abiturwissen Biologie“)

Abbil dung 2: Aufbau eines Neurons

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[11]

An diesen Synapsen gibt es drei wichtige

Bereiche: die präsynaptische Endigung, in der

hunderte von Vesikeln, gefüllt mit

Neurotransmittern, vorhanden sind, der synaptische

Spalt zwischen den Neuronen und die

postsynaptische Zelle, also die Zellmembran des

zweiten (nachgeschalteten) Neurons.

Die Synapsen sind also für die

Erregungsübertragung zwischen zwei Neuronen

wichtig. Für die Weiterleitung eines Impulses sind mehrere Schritte an den Synapsen

notwendig.20

Im folgenden Teil erkläre ich den Vorgang an einer Synapse am Beispiel des

Neurotransmitters „Acetylcholin“.

Abbil dung 4: Funktion der Synapsen (Informationsübertragung)

1. Durch ankommende Aktionspozentiale werden Ca2+- Ionen- Kanäle geöffnet.

2. Die Ca2+- Ionen führen zu einer Wanderung der Vesikel und Öffnung der

präsynaptischen Membran zum synaptischen Spalt.

3. Acetylcholin (ACh) verbindet sich mit dem ACh- Rezeptormolekül und der

Na+- Ionen- Kanal öffnet sich.

4. Das Enzym Cholinesterase spaltet Acetylcholin in A= Acetat und Ch= Cholin.

5. Acetat und Cholin wandern in die Zelle zurück und werden zu Acetylcholin

synthetisiert. 21

Die Abfolge bei der Reizübertragung zwischen zwei Neuronen verläuft immer nach

diesem Schema. 20 Vgl. „Biologie Oberstufe“ Gesamtband, Verlag Cornelsen; Herausgeber: Prof. Ulrich Weber, Süßen (2. Auflage, 3.

Druck 2010) (S.414 ) (im Folgenden: „Biologie Oberstufe“ Gesamtband) 21 Vgl. „Abiturwissen Biologie“ (S. 145)

Abbil dung 3: Aufbau einer Synapse

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[12]

3.4.2 Neurotransmitter

Unter dem Begriff „Neurotransmitter“ versteht man die chemischen

Transportsubstanzen, die für die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen

(Neuronen) im Gehirn zuständig sind. Die Neurotransmitter sind in den Vesikeln in den

präsynaptischen Endigungen der Synapse gespeichert und werden durch elektrische

Signale der Nervenzellen freigesetzt. Ihre konkrete Aufgabe ist es, sich nach ihrer

Freisetzung nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an einen Rezeptor auf der

postsynaptischen Membran der nachgeschalteten Nervenzelle zu binden, wodurch die

Membran der Nervenzelle für elektrische Ionen durchlässig wird und das chemische in

ein elektrisches Signal übersetzt werden kann. Neben den anregenden

Neurotransmittern (z.B. Dopamin und Adrenalin) gibt es außerdem noch hemmende

Neurotransmitter (z.B. Noradrenalin), die die Erregbarkeit einer Nervenzelle

herabsetzen.22 Das Zusammenspiel der verschiedenen Neurotransmitter bildet ein

komplexes System im Gehirn. Die unterschiedlichen Neurotransmittersysteme stehen in

einer Wechselbeziehung zueinander, besonders Dopamin und Noradrenalin hängen

voneinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Ein Mangel oder Überschuss eines

Neurotransmitters kann das ganze System durcheinander bringen und schwerwiegende

Folgen haben.23

Der Neurotransmitter Dopamin, der bei ADHS eine entscheidende Rolle spielt, wird

im Gehirn produziert und hat dort viele wichtige Funktionen. Er beeinflusst sowohl das

Verhalten, die Stimmung und die Aufmerksamkeit eines Menschen als auch den

Lernprozess, Schlafstörungen oder motorische Aktivitäten. Dopamin wird außerdem als

„Glückshormon“ bezeichnet, da es bei positiven Erfahrungen ausgeschüttet wird und

beim Menschen das „Glücksgefühl“ hervorruft.24 Außerdem hat Dopamin eine

erregende postsynaptische Wirkung, d.h. es öffnet in dem Prozess der

Signalweiterleitung die Ionenkanäle und bewirkt so, dass ein Reiz zu der

nachgeschalteten Nervenzelle gelangt. 25

22 Vgl. aus dem Internet: Neurotransmitter (http://www.netdoktor.at/health_center/gehirn/neurotransmitter.shtml) (siehe Anhang) 23 Vgl. aus dem Internet: PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit Medikamenten“

Zusammenfassung der Referate bei der „Fortbildung in Maulbronn“ am 03. März 2002 über: „Neurobiologische

Grundlagen und Therapie bei ADHS“ (http://kize.de/index-35.htm); entnommen am 12.02.2011 (S. 3-4) (im

Folgenden: PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlungen mit Medikamenten“) 24 Vgl. aus dem Internet: „Hirnforschung& Medikamente“ (http://adsinfos.wordpress.com/hirnforschung-

medikamente/); entnommen am 09.04.2011 (S. 3) (im Folgenden: Internetseite: „Hirnforschung& Medikamente“) 25 Vgl. „Biologie Oberstufe“ Gesamtband (S. 415)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[13]

3.4.3 Dopaminmangel-Hypothese

Laut der Dopaminmangel- Hypothese ist zu wenig des Neurotransmitters Dopamin im

Gehirn vorhanden. Aufgrund einer zu hohen Transporterdichte an den Synapsen, die das

ausgeschüttete Dopamin zu schnell wieder

zurück in die Vesikel transportieren, kommt

es zu einem Mangel an Dopamin im

synaptischen Spalt. Da Dopamin eine

erregende Wirkung hat, ist die Erregung der

nachgeschalteten Nervenzelle bei einem

Dopaminmangel geringer als bei einem

ausgeglichenen Dopaminhaushalt.

Die zu hohe Transporterdichte führt also

dazu, dass die Dopaminkonzentration im

synaptischen Spalt unter dem normalen Pegel

liegt und das wiederum führt zu einer verminderten Reizübertragung zu der

nachgeschalteten Nervenzelle. Das hat zur Folge, dass ganze Hirnareale unteraktiviert

sind. Diese unteraktivierten Hirnareale sind zuständig für die exekutiven Funktionen,

die bei ADHS- Betroffenen eingeschränkt sind.

Unter exekutiven Funktionen versteht man die Funktionen, die den Antrieb und die

Hemmung von Verhalten steuern. „Sie bestehen aus einer Vielzahl von

zusammenhängenden Prozessen, die in einer gegenseitigen Abhängigkeit stehen und

entscheidend für ein zweckmäßiges, zielgerichtetes und selbstregulierendes Verhalten

sind.“ 26 Konkret gehört zu diesen Funktionen zum Beispiel die Fähigkeit, Ziele zu

setzen, sein Handeln zu planen, Impulse zu kontrollieren, die Aufmerksamkeit zu

steuern, etc.

Der Dopaminmangel aufgrund einer zu hohen Transporterdichte führt also zu einer

verminderten Reizübertragung und dies hat die Unteraktivität bestimmter Hirnregionen

und somit eine Störung der exekutiven Funktionen zur Folge. Es entsteht eine

Reizoffenheit, da die ankommenden Reize aufgrund des Dopaminmangels nicht richtig

verarbeitet werden können. Dies führt zu den Symptomen von ADHS.

26„Ach du Schreck! ADS“ (S. 154)

Abbil dung 5: Schematische Darstellung einer Synapse mit Dopamin

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

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3.4.4 Dopaminüberschuss-Hypothese

Neben der Dopaminmangel- Hypothese gibt es die Dopaminüberschuss- Hypothese, die

die Ursache von ADHS mit einem anderen Ansatz erklärt. Diese Hypothese geht davon

aus, dass vorübergehend ein Überschuss von Dopamin an den Synapsen herrscht. Das

führt dazu, dass sich die Transporterdichte ebenfalls erhöht, um den Überschuss an

Dopamin zu regulieren. Die erhöhte Transporterdichte führt jedoch dazu, dass zu viel

Dopamin zurück transportiert wird und das wiederum hat einen Dopaminmangel im

synaptischen Spalt zur Folge. Der Mangel an Dopamin führt dann wie bei der

Dopaminmangel- Hypothese zu einer Unteraktivität jener Hirnbereiche, die für die

exekutiven Funktionen zuständig sind und die Symptome von ADHS entstehen. Diese

Hypothese wird unter anderem von Professor Gerald Hüther von der Universität

Göttingen vertreten. 27

3.4.5 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also sagen: Während bei der Dopaminmangel- Hypothese

von einer zu hohen Transporterdichte ausgegangen wird, die einen Dopaminmangel zur

Folge hat, geht man bei der Dopaminüberschuss- Hypothese von einem generellen

Überschuss an Dopamin aus. Als Regulationsversuch erhöht sich dann auch die

Transporterdichte und dies führt wieder zu einem Dopaminmangel. Beiden Hypothesen

liegt also letztendlich ein Mangel an Dopamin zu Grunde, jedoch mit unterschiedlichen

Ansätzen, wie es zu diesem Mangel kommt.

Wichtig ist noch einmal der Hinweis, dass diese beiden Erklärungsmodelle lediglich

Hypothesen sind und noch nicht zu hundert Prozent erforscht sind.

Außerdem ist es von Bedeutung klarzustellen, dass es nicht die eine Ursache für die

Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung gibt. Die Auslöser, die ADHS

hervorrufen, sind laut den meisten Hypothesen von genetischer und neurobiologischer

Natur, die Ausprägung und Entwicklung von ADHS ist aber sehr an die

Umwelteinflüsse eines Kindes gebunden.

27 Internetseite „Hirnforschung und Medikamente“ (S.4)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[15]

Die Entstehung und der Verlauf der Störung sind also von dem Zusammenwirken vieler

Faktoren, wie z.B. neurobiologischen Ursachen, Umwelteinflüssen etc. abhängig. 28

4 Behandlungsmöglichkeiten von ADHS

ADHS gilt als die am besten behandelbare psychische Störung.29 Die Entscheidung über

eine medikamentöse Therapie, eine Psychotherapie oder verschiedene

Trainingsprogramme liegt bei dem behandelnden Facharzt. Es gibt verschiedene

Ansätze zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die ich

im Folgenden darstelle.

4.1 Medikamentöse Therapie

Bei der medikamentösen Behandlung von ADHS wird in den meisten Fällen mit Ritalin

oder Medikinet gearbeitet, die beide den Wirkstoff Methylphenidat enthalten.

Methylphenidat ist ein Amphetaminderivat und chemisch ähnlich wie die

Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin bzw. Adrenalin aufgebaut.30

Ritalin wird als Tablette ca. 2-3-mal täglich eingenommen und die Wirkung hält ca. 3-4

Stunden an.31 Der Wirkstoff Methylphenidat wirkt

jedoch erst langsam nach Einnahmebeginn, daher

ist auch eine mögliche Suchtgefahr auszuschließen.

Eine Suchtgefahr würde nur bestehen, wenn ein

Hochgefühl empfunden werden würde, was durch

die Überschwemmung der Rezeptoren mit

Neurotransmittern entsteht.32 Da Methylphenidat aber nur langsam wirkt, entsteht eine

solche Überschwemmung nicht.

Der Wirkstoff Methylphenidat unterstützt die Wirkung von Nordadrenalin und vor

allem von Dopamin. Er fördert die Ausschüttung der Neurotransmitter aus den

präsynaptischen Vesikeln und hemmt außerdem die Transportmoleküle, die für den

28 Anmerkung: Die beiden vorgestellten Hypothesen sind aus den Internetseiten „Hirnforschung und Medikamente“ und der PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit M edikamenten“ herausgearbeitet. (Internetseiten: siehe Anhang) 29 Vgl. „Ach du Schreck! ADS“ (S. 23) 30 Vgl. PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit Medikamenten“ (S. 2) 31 Vgl. Broschüre „ADHS“ (S.28) 32 Vgl. PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit Medikamenten“ (S. 2)

Abbil dung 6: Medikament Ritalin zur ADHS - Behandlung

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

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Rücktransport der ausgeschütteten Neurotransmitter in die Zelle zuständig sind.

Dadurch ist mehr Dopamin im synaptischen Spalt vorhanden und die Reizübertragung

zu dem nachgeschalteten Neuron wird optimiert. Es kommt zu einer besseren

Reizübertragung, die sich in einer erhöhten motorischen Aktivität und Wachheit

widerspiegelt, sowie zu einer Verbesserung der motorischen Steuerungsfähigkeit und

Abschwächung impulsiver Reaktionen führt. Es kommt also zu einer Verbesserung der

Symptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.

In Bezug auf die vorgestellten Hypothesen zur Ursachenanalyse von ADHS würde das

Methylphenidat bei der Dopaminmangel- Hypothese die Wiederaufnahme der

Transporter von Dopamin im synaptischen Spalt hemmen. Bei der Dopaminüberschuss-

Hypothese würde Methylphenidat die übersteigerte Ausschüttung von Dopamin

hemmen.

Bei der Einnahme von Ritalin und Medikinet können auch Nebenwirkungen auftreten,

wie zum Beispiel Appetitminderung, Schlafstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen oder

Missstimmungen. 33

Bei 20- 30 %34 der ADHS- Betroffenen erzielt Methylphenidat nicht die gewünschte

Wirkung. In diesem Fall spricht man von Non- Respondern. Wenn Methylphenidat

nicht ausreichend oder gar nicht wirkt, gibt es noch andere Möglichkeiten einer

medikamentösen Behandlung. Seit 2005 wird auch der Wirkstoff Atomoxetin eingesetzt

(zum Beispiel in dem Medikament Strattera).35 Dieser dem Methylphenidat ähnliche

Wirkstoff hat eine 24- Stunden- Wirkung, die aber erst ein paar Wochen nach

Einnahmebeginn erzielt wird. Auch hier können Nebenwirkungen wie zum Beispiel

erhöhte Leberwerte auftreten. Außerdem gibt es noch weitere Amphetaminderivate, die

ebenfalls eine ähnliche Wirkung wie Methylphenidat haben. Es gibt unter anderem L-

Amphetamin, D- Amphetamin und ein D-L- Amphetamingemisch.36

Des Weiteren ist in Einzelfällen auch eine Behandlung mit speziellen Antidepressiva

oder Adrenergika, sowie mit homöopathischen Medikamenten möglich.

Zusammenfassend ist es wichtig zu betonen, dass bei der medikamentösen Therapie die

Langzeitfolgen noch nicht hundertprozentig erforscht sind. Besonders der am häufigsten

eingesetzte Wirkstoff Methylphenidat ist in seiner langfristigen Wirkung noch nicht

33 Vgl. „Ach du Schreck! ADS“ (S. 24) 34 Vgl. PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit Medikamenten“ (S. 4) 35 Vgl. Broschüre „ADHS“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (S. 28) 36 Vgl. „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit Medikamenten“ (S. 5)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[17]

erforscht und deshalb auch umstritten. Auch Professor Gerald Hüther von der Göttinger

Universität sprach Bedenken bezüglich der Langzeitfolgen von Methylphenidat aus.

Niemand könne sagen, welche Folgen die Einnahme von Methylphenidat langfristig

haben würde.37

4.2 Andere Therapiemöglichkeiten

Zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie ist in den meisten Fällen eine begleitende

Psychotherapie sinnvoll. Die Kombination der medikamentösen Behandlung mit

beratenden Gesprächen oder verhaltenstherapeutischen Maßnahmen wird multimodale

Therapie genannt. „Ein solches Konzept soll alle beeinträchtigenden Verhaltensweisen

und Problembereiche des Patienten berücksichtigen und die zu deren Therapie

erforderlichen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten kombinieren.“ 38

Auch wurden Trainingsprogramme entwickelt, die besonders den Eltern von Kindern

mit ADHS einen Leitfaden bieten. Die Bedeutung klarer Regeln und Grenzen spielt

hierbei eine wichtige Rolle. „Verlässliche und berechenbare Abläufe helfen Kindern mit

ADHS, mit ihrer Reizoffenheit besser zurechtzukommen.“ 39

Auch gibt es speziell für die Kinder mit ADHS Trainingsprogramme, zum Beispiel

Aufmerksamkeits- und Konzentrationstrainings, bei denen die Kinder lernen, ihr

Verhalten besser zu steuern und ihre Aufmerksamkeit zu erhöhen. Außerdem gibt es

Selbstmanagement- Programme, bei denen gelernt wird, ein angemessenes Verhalten im

Umgang mit anderen zu entwickeln.40

An dieser Stelle ist es wichtig hervorzuheben, dass nicht jedes Kind mit ADHS eine

medikamentöse Behandlung braucht. In Einzelfällen reicht auch eine

verhaltenstherapeutische Therapie aus. Umgekehrt brauchen auch manche Kinder, die

Ritalin oder andere Medikamente einnehmen, keine Psychotherapie. In den meisten

Fällen ist jedoch eine Kombination von einer medikamentösen Therapie und einer

Psychotherapie angebracht.

Wichtig ist, dass sich das Kind und seine Familie mit der ADHS auseinandersetzen und

versuchen, die Hintergründe zu verstehen und gemeinsam daran zu arbeiten.

37 Vgl. Internetseite: „Hirnforschung und Medikamente“ (S. 6) 38 Zitat: „Ach du Schreck! ADS“ (S.27) 39 Zitat: Broschüre „ADHS“ (S. 24) 40 Vgl. Broschüre „ADHS“ (S. 25/26)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[18]

„Tabletten lösen nicht alle Probleme, mit denen Kinder, Jugendliche und deren

Bezugspersonen bei ADHS konfrontiert sind. Sie können aber Bedingungen schaffen,

unter denen bestehende Schwierigkeiten besser und erfolgreicher angegangen werden

können.“ 41

5 Nachwort

Zu Beginn meiner Jahresarbeit wusste ich nicht sehr viel über die Aufmerksamkeits-

defizit-/ Hyperaktivitätsstörung. Ich kannte zwar den Begriff und wusste in etwa, was

dahinter steckt, aber mein Wissen war nur oberflächlich. Nachdem ich jetzt mit dem

Schreiben meiner Jahresarbeit fertig bin, weiß ich sehr viel mehr über die Hintergründe

und Ursachen von ADHS.

Im Vorwort meiner Jahresarbeit habe ich die Leitfragen gestellt: „Wieso zappelt der

Zappelphilipp eigentlich?“ und „Welche Erklärungen gibt es für die Entstehung der

Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung?“. Nun kann ich zu diesen Fragen

sagen, dass das Zusammenwirken vieler Ursachen ADHS hervorruft. Besonders die

genetischen und neurobiologischen Ursachen sind hier von Bedeutung. Entscheidend

für die Entwicklung und Ausprägung der ADHS sind jedoch die Umwelteinflüsse, zum

Beispiel die Familie oder auch das soziale Umfeld.

Es war sehr interessant, sich mit den Ursachen der ADHS auseinanderzusetzen und die

Funktionsweise von Neurotransmittern im menschlichen Gehirn zu verstehen. Doch

muss ich auch sagen, dass das Erarbeiten der verschiedenen Erklärungsansätze eine

Herausforderung war. Ich persönlich wusste zu Beginn nicht, dass die Ursache, die

hinter der ADHS steckt, noch nicht zu hundert Prozent erforscht ist und dass es zum

Teil gegensätzliche Meinungen und Theorien zu der Entstehung von ADHS gibt. Daher

war es auch nicht einfach, verständliches Material im medizinisch- neurobiologischen

Bereich zu finden.

Auch die Auseinandersetzung mit der medikamentösen Behandlung war sehr

interessant.

41 Zitat: Broschüre „ADHS“ (S. 29)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[19]

Grundsätzlich ist es meiner Meinung nach wichtig, die Diagnostik und Therapie von

ADHS in die Hände von Fachleuten zu legen, weil nur diese die betroffene Familie

kompetent begleiten können.

Da der oft verwendete Wirkstoff Methylphenidat noch nicht auf die Langzeitfolgen hin

erforscht ist, sehe ich die Verwendung eher kritisch. Wichtig ist es, die Therapie für

jedes Kind individuell abzustimmen, was auch für die Medikamentenverordnung gilt.

Bei der Behandlung sollte nicht die medikamentöse Therapie im Vordergrund stehen,

sondern die Psychotherapie mit verschiedenen Trainingsprogrammen. Die

medikamentöse Behandlung sollte als unterstützende Hilfe für das gemeinsame

Arbeiten an der Störung betrachtet werden.

Letztendlich kann ich sagen, dass es sehr interessant war, sich so genau mit dem Thema

ADHS zu beschäftigen und das oberflächliche in fundiertes Wissen umzuwandeln.

Ich bin gespannt, welche neuen Entwicklungen es in der Ursachenforschung und

Therapie von ADHS geben wird und werde diese auch in Zukunft verfolgen.

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

[20]

6 Fachwortverzeichnis

Anmerkung: Alle Begriffe, die so markiert sind, werden im Folgenden erklärt.

Adrenalin = Neurotransmitter, der für die Aktivierung von einer Vielzahl von

physiologischer Funktionen (z.B. Herz- Kreislauf- System, Immunsystem) zuständig ist

(http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/232)

Adrenergika = Stoffe, die eine ähnliche Wirkung wie Adrenalin haben

(http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/232)

Aktionspotenzial = (Impulse) kurze Spannungsänderung einer erregbaren Zelle,

ausgelöst durch das Öffnen und Schließen spannungsabhängiger Natrium- und

Kaliumkanäle in der Zellmembran (Biologie Oberstufe, Gesamtband S. 508)

Amphetamine = chemisch mit Adrenalin und Ephedrin verwandte Psychopharmaka,

die die Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin stimulieren und deren

Wiederaufnahme hemmen (http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/biok/552)

Axon = Fortsatz eines Neurons, der Erregung in Form von Impulsen

(Aktionspotenzialen) weiterleitet (Biologie Oberstufe, Gesamtband S. 508)

Dendrit = kurze, verzweigte Fortsätze am informationsaufnehmenden Abschnitt einer

Nervenzelle; empfangen über Synapsen die chemischen Signale anderer Nervenzellen

(http://www.biologie-lexikon.de/)

Neurobiologie = Wissenschaft, die die Frage nach den biologischen Grundlagen

menschlichen Verhaltens stellt; Fragestellungen sind z.B.: „Beeinflussen Gene die

Anfälligkeit für altersbedingte Krankheiten?“

(http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/10488)

Neuronal = von Neuron (Nervenzelle)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

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Non- Responder = Organismus, der nicht auf ein Medikament reagiert

Noradrenalin = Neurotransmitter, der an der Aktivierung einer Vielzahl

physiologischer Funktionen beteiligt ist (z.B. Herz-Kreislauf-System, Immunsystem)

(http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/10642)

Rezeptor = reizaufnehmende Struktur (z. B. eine Sinneszelle), die Reize aus der Umwelt in ein

Nervensignal (Erregung) umwandelt (http://www.biologie-lexikon.de/)

Tourette- Syndrom = Auftreten von vokalen Tics (Ausstoßung von bedeutungslosen

Lauten, Wörtern oder Sätzen, ohne dass der Betroffene dies unterdrücken oder

beeinflussen kann) und motorischen Tics (plötzliche, rasche Bewegungen, die

unwillentlich und immer wieder erfolgen) (http://www.sprechzimmer.ch/sprechzimmer/

Krankheitsbilder/Tourette_Syndrom_ Ticstoerung.php)

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

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7 Quellenangaben

7.1 Literaturverzeichnis

„Abiturwissen Biologie“; Herausgeber: Prof. Dr. Wilfried Probst, Petra

Schuchardt; Verlag Duden (Stand 2004)

„Ach du Schreck! ADS- Vom Chaoskind zum Lebenskünstler“ von Arno

Backhaus, Visnja Lauer und Dr. Just Lauer; Verlag Brendow (2. Auflage 2009)

„ADHS“ von Caterina Gawrilow; UTB Profile; Ernst Reinhardt, GmbH und Co

KG, Verlag München (2009)

Broschüre „ADHS“ von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

(Stand Juli 2009)

„Biologie Oberstufe“ Gesamtband; Herausgeber: Prof. Ulrich Weber, Süßen;

Verlag Cornelsen (2. Auflage, 3. Druck 2010)

7.2 Abbildungsverzeichnis

Abbildung Deckblatt; entnommen am 17.04.2011

http://www.feelgood.de/gesundheit3/images/zappelphilipp1_770.jpg

Abbildung 1: Symptomkriterien nach ICD-10; entnommen am 12.02.2011

http://www.unimedizin-mainz.de/kinderpsychiatrie/patienten/adhs/ symptomkriterien-

adhs.html

Abbildung 2: Aufbau eines Neurons; entnommen am 26.04.2011

http://mcwagner.de/Image10.gif

Abbildung 3: Aufbau einer Synapse; entnommen am 26.04.2011

http://www.eumanagement.eu/Sehsystem/Sehen1/0119g%20Synapse2.GIF

Abbildung 4: Funktion der Synapsen (Informationsübertragung)

„Abiturwissen Biologie“ Verlag Duden (2004) S. 145

„Wieso zappelt der Zappelphilipp?“ Neuronale Erklärungsmodelle im Kontext der Ursachenanalyse von ADHS

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Abbildung 5: Schematische Darstellung einer Synapse mit Dopamin;

entnommen am 17.04.2011

http://adsinfos.f iles.wordpress.com/2010/01/adhs_synapse.jpg

Abbildung 6: Medikament Ritalin zur ADHS- Behandlung; entnommen

am 17.04.2011

http://www.lehrerfreund.de/medien/stuff/ads-ritalin/ritalin-verpackung.jpg

7.3 Internetquellen (ausgedruckte Interseiten siehe Anhang)

PDF- Datei: „ADHS: Neurobiologische Grundlagen und Behandlung mit

Medikamenten“ Zusammenfassung der Referate bei der „Fortbildung in

Maulbronn“ am 03. März 2002 über: „Neurobiologische Grundlagen und

Therapie bei ADHS“ entnommen am 12.02.2011

Internetseite: http://kize.de/index-35.htm

Hirnforschung & Medikamente; entnommen am 09.04.2011

Internetseite: http://adsinfos.wordpress.com/hirnforschung-medikamente/

Neurotransmitter; entnommen am 12.02.2011

Internetseite: http://www.netdoktor.at/health_center/gehirn/neurotransmitter.shtml