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Wir bewegen was VERKEHRS REPORT 03 2010 LUFTVERKEHR • SCHIFFFAHRT • SCHIENENVERKEHR • ÖPNV • HÄFEN VER.DI-JUGEND FLASHMOB KÖNNEN WIR AUCH Einer der Organizing-Schwerpunkte ist die Jugend. Gespräch mit Gewerkschaftssekretärin Susanne Senica über die spannende Arbeit und viele neue Chancen. SEITE 2 LÄNDERSCHWERPUNKT VER.DI IN NORDRHEIN- WESTFALEN IM FOKUS Über Erfolgsrezepte, Erfahrungen und künftige Schwerpunktaufgaben sprach die Redaktion mit Christine Behle, der gerade wiedergewählten Landesfachgruppenleiterin Verkehr in Nordrhein-Westfalen. Dabei ging es auch um Beauftragung durch die Mitglieder, „Begrüßungsmappen“ für Senioren, mehr Schulung und die Arbeit an einem neuen Landes- Tariftreuegesetz. SEITE 5 ÖPNV MEHR ALS NEUN STUNDEN DIENST – EINDEUTIG ZU VIEL Der neue Betriebsrat der Rheinbahn AG Düsseldorf hat mit einem Be- schäftigungssicherungsvertrag auch die Fremdvergabequote für Fahr- dienstleistungen begrenzen können. Nun geht es um die Entlastung des Fahrpersonals auf Bussen und Bah- nen: Noch gibt es im Unternehmen monatlich mehr als 1000 Dienste, die neun Stunden überschreiten. Das soll sich ändern. Auch in Werkstätten und Verwaltungen werden Restruk- turierungsmaßnahmen der vergan- genen Jahre kritisch unter die Lupe genommen. SEITE 6 HÄFEN KEIN PORT PACKAGE III DURCH DIE HINTERTÜR! Zwar hat sich die wirtschaftliche Lage der von der Exportwirtschaft abhän- genden deutschen Seehäfen wieder gebessert, auch die Arbeitsplatzsitua- tion entspannt sich. Doch schon gibt es neue Baustellen, wenn es um Kon- kurrenzfähigkeit und Arbeitsplatz- sicherheit in den Häfen geht. Eine neuerliche Gefahr kommt aus Brüs- sel, erläutert Klaus Lindner, ver.di- Bundesfachgruppenleiter Häfen, im Gespräch. SEITE 7 Vollendete Einheit: auf dem Gelände des ehemaligen Flug- hafens der „Hauptstadt der DDR“ in Schönefeld, südöstlich von Berlin, entsteht der inter- nationale Großflughafen Ber- lin-Brandenburg International, BBI. Er soll einen berühmten Namen tragen: Willy Brandt. In den Schlagzeilen befindet sich das Großprojekt wegen der Kostensteigerungen, der Eröffnungsverspätungen und dem Streit um die Anflugrou- ten. Kritiker bescheinigen dem Lieblingsprojekt zweier rot- roter Landesregierungen das Potential, zum märkischen S 21 zu werden. Harte Zeiten für Berlins Regieren- den Baumeister Klaus Wowereit, der in Renate Künast erstmals seit Jahren eine ernstzunehmende Konkurrentin findet. Mag man die Befindlichkeiten der beiden als individuelle Zukunfts- sorgen zweier Politiker abtun, sorgen sich die Gewerkschaftssekretäre des Landesbezirks Berlin, Michael Walter und Holger Rössler, um die Zukunfts- perspektiven jener Kolleginnen und Kollegen, die von den bisherigen Flughäfen TXL und SXF an den Groß- flughafen wechseln. Ernste Zweifel bestehen, ob der „Willy-Brandt- Flughafen“ den Mindestanforde- rungen an unternehmerische und soziale Verantwortung gerecht wer- den kann. „Der BBI wird ein Flughafen der neuen Generation: kostengünstig, funktional, weltoffen und mit moder- ner Architektur”, sagt BBI-Sprecher Ralf Kunkel. Eine interessante Rei- hung – „kostengünstig“ steht an ers- ter Stelle. Nach den Erfahrungen, die die Beschäftigten der bisherigen Ber- liner Flughäfen mit den Bestrebungen der Manager zur Kosteneffizienz ge- macht haben, schwant ihnen nichts Gutes. Sie alle wissen, wie Manager auch an anderen deutschen Flug- häfen agieren. Insbesondere in den hochpreisigen Ballungsräumen Frank- furt und München haben die Liberali- sierungskonzepte vielen Kolleginnen und Kollegen eine anständige Le- bensgrundlage geraubt. Während die Unternehmen das Hohe Lied des „Jobmotors“ singen, vernehmen nicht nur Gewerkschafter allein ein Keuchen. Beispiel Frankfurt: „In den Sonn- tagsreden zum Frankfurter Flughafen wird immer wieder auf die Bedeutung der guten Arbeitsplätze am Flughafen für die gesamte Region hingewiesen. (…) Gerade weil dies so ist, müssen diese Arbeitsplätze auch gut bezahlte und existenzsichernde Arbeitsplätze sein, denn nur wer gut verdient, kann sein Geld auch in der Region ausge- ben und damit die Binnenwirtschaft ankurbeln. Wer aber zu wenig ver- dient, und das ist zunehmend am Flughafen der Fall, muss künftig als so genannter Aufstocker ergänzendes ALG II beantragen. Das sind Auswir- kungen auf die gesamte Region und auf Frankfurt, die wir nun wirklich nicht gebrauchen können.“ So der Stadtverordnete Hans-Joachim Viehl. Die Vision der CDU-Oberbürgemeis- terin von Frankfurt 2030, ätzte er, könne man, was die Sozialstandards vieler Kolleginnen und Kollegen ange- he, in der Stadtchronik des Jahres 1930 nachlesen. So weit ist es nicht gekommen. Gemeinsam in und mit ver.di konnten z. B. die Kolleginnen und Kollegen der Luftsicherheitsfir- men Tarifverträge erreichen, die über dem Branchendurchschnitt liegen. Gemeinsam kann man sie in Schach halten, die unseligen Schwes- tern „Ausgründen“ und „Ausbeu- ten“ des deutschen Neoliberalismus. Auch am Flughafen München wer- den teilweise Vollzeitlöhne gezahlt, die durch Steuergelder aufgestockt werden müssen, damit überhaupt das Monatsticket zur Arbeit bezahlt werden kann. „wehr.di“, das war und ist die Antwort der aktiven Ge- werkschafterinnen und Gewerkschaf- ter am Franz-Josef-Strauss-Flughafen (wir berichteten). Projetsekretär Jür- gen Emmenegger: „Was am Flug- hafen München vorbereitet und von Gesellschaftern offenbar unterstützt, mindestens aber geduldet wird, ist die massenhafte Umwandlung von FOTOS: CVP/TRANSITFOTO.DE FOTOS: CVP/TRANSITFOTO.DE FOTO: HHLA Die Luftverkehrssteuer kommt. Auf Anweisung des Kanzleramtes haben CDU, CSU und FDP die Milliardenab- gabe im Bundestag durchgedrückt. „Die Sorgen der Beschäftigten wur- den brutalstmöglich ignoriert”, so Arne v. Spreckelsen von ver.di. Auf der Internetseite des Bundesfinanz- ministeriums kann man zudem nachlesen, dass sich ein Flug über den Weltflughafen Dubai, Heimat der schärfsten Konkurrenten euro- päischer Qualitätsairlines, durchaus lohnen könnte. „Auch das Merkel- sche Konjunkturprogramm für Wüstenairlines gewinnt an Fahrt und wird sich mit Beginn des Emissi- onshandels zu unserem Nachteil weiter verschärfen”, empört sich der Gewerkschafter. Uneinig zeigen sich die Landesregierungen in der Frage des Umgangs mit dem Standortfaktor Nachtflug. Während der rheinland-pfälzische Verkehrs- minister Hering den Beschäftigten des Flughafens Hahn eine Arbeits- platzgarantie gab und Wachs- tumsmöglichkeiten durch Nachtflug unterstützte, zog sich sein nord- rhein-westfälischer Kollege, Arbeits- minister Schneider, ob seiner zöger- lichen Haltung zu diesem Thema auf einer Betriebsversammlung des Flughafens Köln-Bonn dem gellen- den Unmut der Kolleginnen und Kollegen zu. Arbeitsplatzexportprogramm beschlossen BERLIN-BRANDENBURG INTERNATIONAL SCHÖNE NEUE WELT – AUCH FÜR DIE BESCHÄFTIGTEN? Auf einer Betriebsversammlung: OB Köln Jürgen Roters, MdL Jochen Ott, Guntram Schneider Arbeitsminister NRW, Harry Voigtsberger Verkehrsminister NRW, Hakan Gülcicek BR Vors., Michael Garvens, Geschäftsführer Flughafen Köln/Bonn (v.l.n.r) AirBerlin-Chef Joachim Hunold hält ein Plus von 40.000 Arbeits- plätzen für utopisch. Dass BBI ein Drehkreuz für oneworld, die kleinste der weltweiten Luftfahrt-Allianzen, werden solle, wollte AirBerlin auf Anfrage nicht bestätigen. FOTO: AIRBERLIN WEITERLESEN AUF SEITE 3

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Wir bewegen was

VERKEHRS REPORT

03 2010

L U F T V E R K E H R • S C H I F F FA H RT • S C H I E N E N V E R K E H R • Ö P N V • H Ä F E N

VER.DI-JUGENDFLASHMOB KÖNNEN WIR AUCHEiner der Organizing-Schwerpunkte ist die Jugend. Gespräch mit Gewerkschaftssekretärin Susanne Senica über die spannende Arbeit und viele neue Chancen. SEITE 2

LÄNDERSCHWERPUNKTVER.DI IN NORDRHEIN-WESTFALEN IM FOKUS

Über Erfolgsrezepte, Erfahrungen und künftige Schwerpunktaufgaben sprach die Redaktion mit Christine Behle, der gerade wiedergewählten Landesfachgruppenleiterin Verkehr in Nordrhein-Westfalen. Dabei ging es auch um Beauftragung durch die Mitglieder, „Begrüßungsmappen“ für Senioren, mehr Schulung und die Arbeit an einem neuen Landes-Tariftreue gesetz. SEITE 5

ÖPNVMEHR ALS NEUN STUNDENDIENST – EINDEUTIG ZU VIEL

Der neue Betriebsrat der Rheinbahn AG Düsseldorf hat mit einem Be-schäftigungssicherungsvertrag auch die Fremdvergabequote für Fahr-dienstleistungen begrenzen können. Nun geht es um die Entlastung des Fahrpersonals auf Bussen und Bah-nen: Noch gibt es im Unternehmen monatlich mehr als 1000 Dienste, die neun Stunden überschreiten. Das soll sich ändern. Auch in Werkstätten und Verwaltungen werden Restruk-turierungsmaßnahmen der vergan-genen Jahre kritisch unter die Lupe genommen. SEITE 6

HÄFENKEIN PORT PACKAGE IIIDURCH DIE HINTERTÜR!

Zwar hat sich die wirtschaftliche Lage der von der Exportwirtschaft abhän-genden deutschen Seehäfen wieder gebessert, auch die Arbeitsplatzsitua-tion entspannt sich. Doch schon gibt es neue Baustellen, wenn es um Kon-kurrenzfähigkeit und Arbeitsplatz-sicherheit in den Häfen geht. Eine neuerliche Gefahr kommt aus Brüs-sel, erläutert Klaus Lindner, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Häfen, im Gespräch. SEITE 7

Vollendete Einheit: auf dem Gelände des ehemaligen Flug-hafens der „Hauptstadt der DDR“ in Schönefeld, südöstlich von Berlin, entsteht der inter-nationale Großfl ughafen Ber-lin-Brandenburg International, BBI. Er soll einen berühmten Namen tragen: Willy Brandt. In den Schlagzeilen befi ndet sich das Großprojekt wegen der Kostensteigerungen, der Eröffnungsverspätungen und dem Streit um die Anfl ugrou-ten. Kritiker bescheinigen dem Lieblingsprojekt zweier rot- roter Landesregierungen das Potential, zum märkischen S 21 zu werden.

Harte Zeiten für Berlins Regieren-den Baumeister Klaus Wowereit, der in Renate Künast erstmals seit Jahren eine ernstzunehmende Konkurrentin fi ndet. Mag man die Befi ndlich keiten der beiden als individuelle Zukunfts-sorgen zweier Politiker abtun, sorgen sich die Gewerkschaftssek retäre des Landesbezirks Berlin, Michael Walter und Holger Rössler, um die Zukunfts-perspektiven jener Kolleginnen und Kollegen, die von den bisherigen Flughäfen TXL und SXF an den Groß-fl ughafen wechseln. Ernste Zweifel bestehen, ob der „Willy-Brandt- Flughafen“ den Min dest anforde-rungen an unternehmerische und soziale Verantwortung gerecht wer-den kann.

„Der BBI wird ein Flughafen der neuen Generation: kostengünstig, funktional, weltoffen und mit moder-ner Architektur”, sagt BBI-Sprecher Ralf Kunkel. Eine interessante Rei-hung – „kostengünstig“ steht an ers-ter Stelle. Nach den Erfahrungen, die die Beschäftigten der bisherigen Ber-liner Flughäfen mit den Bestrebungen der Manager zur Kosten effi zienz ge-macht haben, schwant ihnen nichts Gutes. Sie alle wissen, wie Manager auch an anderen deutschen Flug-häfen agieren. Insbesondere in den hochpreisigen Ballungsräumen Frank-furt und München haben die Liberali-sierungskonzepte vielen Kolleginnen und Kollegen eine anständige Le-bensgrundlage geraubt. Während die Unternehmen das Hohe Lied des „Jobmotors“ singen, vernehmen nicht nur Gewerkschafter allein ein Keuchen.

Beispiel Frankfurt: „In den Sonn-tagsreden zum Frankfurter Flug hafen wird immer wieder auf die Bedeutung der guten Arbeitsplätze am Flughafen für die gesamte Region hingewiesen. (…) Gerade weil dies so ist, müssen diese Arbeitsplätze auch gut bezahlte und existenz sichernde Arbeitsplätze sein, denn nur wer gut verdient, kann sein Geld auch in der Region ausge-ben und damit die Binnenwirtschaft ankurbeln. Wer aber zu wenig ver-dient, und das ist zunehmend am Flug hafen der Fall, muss künftig als so genannter Aufstocker ergänzendes

ALG II beantragen. Das sind Auswir-kungen auf die gesamte Region und auf Frankfurt, die wir nun wirklich nicht gebrauchen können.“ So der Stadtverordnete Hans-Joachim Viehl. Die Vision der CDU-Oberbürgemeis-terin von Frankfurt 2030, ätzte er, könne man, was die Sozialstandards vieler Kolleginnen und Kollegen ange-he, in der Stadtchronik des Jahres 1930 nachlesen. So weit ist es nicht gekommen. Gemeinsam in und mit ver.di konnten z. B. die Kolleginnen und Kollegen der Luftsicherheitsfi r-men Tarifverträge erreichen, die über dem Branchendurchschnitt liegen.

Gemeinsam kann man sie in Schach halten, die unseligen Schwes-

tern „Ausgründen“ und „Ausbeu-ten“ des deutschen Neoliberalismus.

Auch am Flughafen München wer-den teilweise Vollzeitlöhne gezahlt, die durch Steuergelder aufgestockt werden müssen, damit überhaupt das Monatsticket zur Arbeit bezahlt werden kann. „wehr.di“, das war und ist die Antwort der aktiven Ge-werkschafterinnen und Gewerkschaf-ter am Franz-Josef-Strauss-Flughafen (wir berich teten). Projetsekretär Jür-gen Emmenegger: „Was am Flug-hafen München vorbereitet und von Gesellschaftern offenbar unterstützt, mindestens aber geduldet wird, ist die massenhafte Umwandlung von

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Die Luftverkehrssteuer kommt. Auf Anweisung des Kanzleramtes haben CDU, CSU und FDP die Milliardenab-gabe im Bundestag durchgedrückt. „Die Sorgen der Beschäftigten wur-den brutalstmöglich ignoriert”, so Arne v. Spreckelsen von ver.di. Auf der Internetseite des Bundesfinanz-ministeriums kann man zudem nachlesen, dass sich ein Flug über den Weltflughafen Dubai, Heimat der schärfsten Konkurrenten euro-päischer Qualitätsairlines, durchaus lohnen könnte. „Auch das Merkel-sche Konjunkturprogramm für Wüstenairlines gewinnt an Fahrt und wird sich mit Beginn des Emissi-onshandels zu unserem Nachteil

weiter verschärfen”, empört sich der Gewerkschafter. Uneinig zeigen sich die Landesregierungen in der Frage des Umgangs mit dem Standortfaktor Nachtflug. Während der rheinland-pfälzische Verkehrs-minister Hering den Beschäftigten des Flughafens Hahn eine Arbeits-platzgarantie gab und Wachs-tumsmöglichkeiten durch Nachtflug unterstützte, zog sich sein nord-rhein-westfälischer Kollege, Arbeits-minister Schneider, ob seiner zöger-lichen Haltung zu diesem Thema auf einer Betriebsversammlung des Flughafens Köln-Bonn dem gellen-den Unmut der Kolleginnen und Kollegen zu.

Arbeitsplatzexportprogramm beschlossen

BERLIN-BRANDENBURG INTERNATIONAL

SCHÖNE NEUE WELT – AUCH FÜR DIE BESCHÄFTIGTEN?

Auf einer Betriebsversammlung: OB Köln Jürgen Roters, MdL Jochen Ott, Guntram Schneider Arbeitsminister NRW, Harry Voigtsberger Verkehrsminister NRW, Hakan Gülcicek BR Vors., Michael Garvens, Geschäftsführer Flughafen Köln/Bonn (v.l.n.r)

AirBerlin-Chef Joachim Hunold hält ein Plus von 40.000 Arbeits-plätzen für utopisch. Dass BBI ein Drehkreuz für oneworld, die kleinste der weltweiten Luftfahrt-Allianzen, werden solle, wollte AirBerlin auf Anfrage nicht bestätigen. FOTO: AIRBERLIN

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2 M E I N U N G FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

E D I T O R I A L

können wir auch…Susanne Senica koordiniert die Jugend arbeit im Bundesfachbereich und bereitet die JAV-Konferenz vor

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!das erste schwarz-gelbe Jahr neigt sich dem Ende zu. Regierung und Medien feiern ein „neues deutsches Jobwunder”. Altbundeskanzler Schröder sah sich sogar genötigt, das „Jobwunder” für sich zu rekla-mieren. Die wenig beleuchtete

Die Konferenz der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (ZAV) der Fachbereiche 2 und 11 steht bevor.

Es heißt, die Teilnehmer sollten mit allem rechnen: es wird gefi lmt und Steckbriefe sind auch auszufüllen…Susanne Senica | Schlimmer: Ei-nen Flashmob proben wir auch. Den etwas gesetzteren Lesern sei erklärt, das sind diese übers Internet organi-sierten Blitzaufl äufe, wo Leute an ei-nem Ort zusammentreffen und ganz abrupt eine kurze Aktion starten, etwa in der Bewegung erstarren. Ganz so sinnfrei soll es bei uns aber nicht werden...

Sondern?Susanne Senica | Es wird schon um Themen und Konfliktfelder ge-hen, die die ver.di-Jugend allerorten betreffen und die auch im Ver- und Entsorgungs- und im Verkehrs-bereich bedeutsam sind: Übernahme nach der Ausbildung, intelligente Zukunftslösungen angesichts des demografischen Wandels und des viel beschworenen baldigen Fach-kräftemangels, tarifliche Probleme… Wie wir das konkret umsetzen wol-len, wird aber noch nicht verraten. Das gesamte Konzept und Programm der Konferenz hat sich der Fach-bereichsarbeitskreis Jugend ausge-dacht, es entspricht dem, was die jungen Leute selber wollten und für wichtig halten.

Ganz so vage lassen wir uns aber nicht abspeisen…Susanne Senica | Viel Zeit wird es gleich zu Beginn für die Vorstellung von Best-Practise-Beispielen geben, die junge Leute aus Betrieben und Konzernen, aber auch aus den Lan-desfachbereichen von ver.di vorstel-len. Das dient dem Kennenlernen, vor allem aber auch dem Austausch untereinander, der als großes Ziel über allem steht. Da soll es um gute Projekte vor Ort gehen, wir wollen Ideen und Reglungen vorstellen, wie in Unternehmen Übernahmeregelun-gen und Vergütungssysteme gefun-den und mit den Jugendvertretungen

Kehrseite dieses Aufschwungs ist, dass hier in Deutschland immer mehr Menschen unter dem Damok-les-Schwert der Leiharbeit, das zum Instrument systematischer Lohndrü-ckerei pervertiert worden ist, leben. Lebensplanung? Zukunftsplanung? Auch bei Verträgen auf Zeit unmög-lich. In den Hauptschulen des Lan-

des wird schon jetzt das Ausfüllen eines Hartz-IV-Antrages in der letz-ten Schulstunde vor der Entlassung in das Job-Wunderland gelehrt. Jene, die es „schaffen”, sind oft gefangen in der Generation Prakti-kum, an deren Ende Leiharbeit und oft auch Arbeitslosigkeit steht. Fast 40 Prozent der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind jünger als 30 Jahre. Das ist weder Basis für den Zusammenhalt unserer Gesell-schaft, noch für eine gute Zukunft des „Exportweltmeisters” Deutsch-land.

Doch nicht nur die soziale Sicher-heit der Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer, der Familien, der Rent-nerinnen und Rentner ist gefährdet. Für jeden sichtbar zerfällt auch die Infrastruktur unseres Landes, brö-ckeln die Brücken und Straßen der mobilen Lebensadern Deutschlands. Milliarden Euro werden für an den Menschen vorbei geplante Groß-projekte verjubelt, während der Substanzverlust unaufhaltsam vor-anschreitet. Der Investitionsrück-stau für Sanierungen, also zur Behe-bung des Pflegenotstands unseres Verkehrsnetzes, beläuft sich auf das Vielfache des gesamten Verkehrs-etats. Dennoch wurden u. a. die An-

träge der Grünen zur Umverteilung von Investitionsmitteln vom Stra-ßenneubau zur Straßenerhaltung abgelehnt. So schafft sich Deutsch-land wirklich ab.

Wir dürfen uns nicht einer kapita-listischen Planwirtschaft ergeben. Die Pläne der globalen Konzerne, der Hedgefonds-Manager und Spe-kulanten haben nichts mehr gemein mit der Sozialen Marktwirtschaft, mit der Mitbestimmung und der Verantwortung von Unternehmern für Land und Leute.

Es ist höchste Zeit, uns auf den Wert der Solidarität als kollektive Gegenmacht der Menschen zu den Kon zernen zu besinnen. Wenn wir zusammenhalten, kann viel ge lingen. Unsere Kolleginnen und Kollegen der IG Metall haben im Tarifabschluss Stahl für die Leiharbeitnehmer/- innen gleiches Geld für gleiche Arbeit durch-gesetzt. Dies war möglich durch den hohen Organisationsgrad bei den Leiharbeitnehmer/-innen, die erkannt haben, dass man allein ge-gen die Konzerne nicht bestehen kann. Gehörte es Mitte des letzten Jahrhunderts zum guten Ton, nahe-zu zeitgleich mit der Unterschrift unter den Ausbildungs- oder den

Arbeitsvertrag in die Gewerkschaft einzu treten, wäre dies heute ei-gentlich eine unabdingbare Not-wendigkeit. Die Eintrittsquoten jun-ger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in vielen Berei-chen jedoch erschreckend niedrig. Das müssen wir ändern. Raus aus den Büros, rein in die Betriebe, ran an die Kolleginnen und Kollegen – das ist unser Arbeits- und Zukunfts-auftrag. Ihr seid nicht allein, und gemeinsam können wir mehr errei-chen – das ist unsere Botschaft, das ist unser Anspruch und unsere Selbstverpflichtung, mit denen wir den Rahmen zur Bündelung be-trieblicher und gesellschaftlicher Kräfte für eine gerechte und soziale Zukunft bieten wollen.

Gehen wir also mit Zuversicht und Tatendrang ins Neue Jahr. Mein Team und ich wünschen Euch und Euren Lieben von Herzen ein frohes Weihnachtsfest und für das Neue Jahr Gesundheit, gewerkschaft-lichen und berufl ichen Erfolg, sowie persönliches Glück.

ERHARD OTT

»Wir überlassen unsere Zukunft nicht den anderen«

und den Betriebsräten zusammen vertraglich ausgehandelt worden sind, in einigen großen Energiever-sorgungsunternehmen zum Beispiel gibt es solche Erfahrungen. Betrieb-liche Aktivitäten zur Verbesserung der Ausbildungssituation sollen auch vorgestellt oder berichtet werden, wie es in Mitgliederwerbeaktionen gelingt, alle neuen Azubis eines Jahr-gangs anzusprechen und mit Infor-mationen über ver.di zu versorgen.

Vernetzung ist also ein wichtiges Stichwort?Susanne Senica | Genau. Das soll zunehmend auch auf jugendgemäße Wege geschehen, auch über neue Medien, Facebook und andere sozia-le Netzwerke, die von Jugendlichen

ohnehin genutzt werden. Warum soll man darüber also nicht gewerk-schaftliche Inhalte transportieren und so coole Möglichkeiten bieten, sich zu treffen, Fragen loszuwerden und Informationen „abzugreifen“. Das setzt freilich voraus, dass diese Netze erst einmal geknüpft werden. Das sehen wir als unsere Aufgabe. Dafür gestalten wir auch an zwei von drei Konferenztagen thematische Workshops. Es geht um Themen wie JAV-Arbeit für Neueinsteiger bis hin zu Grundwissen für die Kommunika-tion nach innen und außen.

Und wieso wird gefi lmt?Susanne Senica | Bildsequenzen und Videoclips sind bekanntlich bei der Jugend sehr beliebt, werden auf Handys versendet oder aus dem In-ternet heruntergeladen. Solche Mög-lichkeiten wollen wir zunehmend nutzen, um unsere Arbeit bekannt-zumachen. Eigentlich hatten wir be-reits auf unserer Konferenz vor, einen längeren selbst gedrehten Film vor-zustellen, wir haben da schon eine Menge Ideen und Arbeit investiert.

Aber?Susanne Senica | Ich fürchte, wir werden das in der Kürze der verblei-benden Zeit nicht mehr schaffen. Das Vorhaben bleibt aber auf dem Plan. Wir träumen davon, dass der Film künftig auch für die JAV-Arbeit vor Ort, für Jugendkonferenzen in den Landesbezirken genutzt werden kann und einfach die Arbeit in unseren bei-den kooperierenden Fachbereichen vorstellt. Wir haben schon etliches Filmmaterial vorliegen, von zwei jun-gen Busfahrern in Cottbus beispiels-weise oder einem jungen Kollegen von der Berliner Stadtreinigung. Bei Vattenfall waren wir auch. Das hat alles viel Spaß gemacht, ich möchte unbedingt, dass wir das Projekt irgendwie zum guten Ende bringen.

Noch mal zur eigentlichen Konferenz zurück. Ein paar „Grufties“ kommen schon auch?Susanne Senica | Wir haben sogar einige harte Tarifverhandler von der Arbeitgeberseite eingeladen, auch von Lufthansa Technik und einem kommunalen Nahverkehrsunterneh-men. Die sollen dann von Jugend-lichen ins Kreuzverhör genommen werden – hart, aber fair, sozusagen. Eine Podiumsdebatte wird es auch geben. Unser Bundesfachbereichs-leiter Erhard Ott wird da sein, auf Fragen der Teilnehmer antworten und die Gewerkschaftsarbeit aus seiner Sicht erläutern. Ich denke, das wird alles sehr spannend.

Aber Apropos „Oldies“. Mancher gestandene Gewerkschafter oder Betriebsräte könnten unsere Konfe-

renz auch unterstützen: Von etlichen jungen Leuten haben wir gehört, dass sie gern kommen würden, aber gerade Berufsschule haben. Der einen oder dem anderen könnte man da schon mit einem Antrag auf Freistellung helfen. Die Jugend-vertreter in den Unternehmen sind schließlich die Betriebsräte von mor-gen. Oder?

Willst Du damit andeuten, dass Ju-gendarbeit in den Unternehmen nicht immer ernst genommen wird?Susanne Senica | Jedes zarte Pflänzchen sollte gehegt und ge-pflegt werden. Denn Jugendarbeit in den Betrieben macht nicht immer nur Spaß, sondern fordert auch viel Kraft, und man muss die jungen Kolleginnen und Kollegen dafür fit machen. Vielerorts wird das erkannt. Die Besetzung von ver.di-Gremien mit Jugendmandaten läuft inzwi-schen besser und es wird mehr darauf geachtet, Jugendliche ein zu-beziehen. Wenn die jungen Mandats-träger dann auch noch gut an die Fachbereichs-Jugendfach kreise und den Bundesjugend- Arbeitskreis an-gebunden werden, klappt’s super.

Im Bundesfachbereichs-Arbeitskreis, den Du koordinierst und der den Verkehrsbereich einschließt, hast Du es aber schon mit sehr aktiven und ideenreichen jungen Leuten zu tun?Susanne Senica | Absolut. Ohne sie ginge gar nichts. Wobei man der Ehrlichkeit halber sagen muss, dass wir gerade aus dem Verkehrsbereich noch manchen aktiven Zuwachs ge-brauchen könnten. Nach den Mitglie-derzahlen liegt der Anteil Jugend-licher auch dort sogar über dem

Durchschnitt von ver.di. Wir im Ar-beitskreis können aber nur koordinie-ren. Die eigentliche Jugendarbeit fi ndet vor Ort in den Betrieben und Landesbezirken statt. Unser Arbeits-kreis trifft sich drei- bis viermal jährlich in Berlin und an wechselnden Orten, wir haben immer ein volles Programm. Im kommenden März tagt unser Jugendarbeitskreis sogar in Wien, auf Einladung unserer österreichischen Partnergewerkschaft GPA.

Im Verkehrsbereich haben wir be-kanntlich noch die Besonderheit, dass wir auch in die intensive inter-nationale Jugendarbeit der ITF ein-gebunden sind. Seit dem ITF-Kon-gress im Sommer in Mexiko haben wir mit Marco Steinborn von den Kölner Verkehrsbetrieben auch un-seren jungen Mann im Lenkungsaus-schuss, in dem ich auch beratend tätig bin.

Und sonst, wie sieht es Deiner Mei-nung nach vor Ort mit der Betreu-ungsarbeit von ver.di aus?Susanne Senica | Da gibt es die bekannten Begrüßungsmappen für Neumitglieder, damit ist es natürlich nicht getan. Die jungen Leute wün-schen sich vor allem mehr direkte Ansprechpartner vor Ort, auch in den ver.di-Geschäftsstellen eindeu-tige Zuständigkeiten. Da bleibt noch einiges zu tun, auch mir geht das mit den Strukturen oft zu langsam. Wir brauchen mehr Landes-Jugendfach-kreise, die sich um spezifische Prob-leme etwa im Verkehrsbereich küm-mern. Ich hoffe, wir können auch dafür auf der Konferenz im Januar einiges in Gang bringen.

Wir wünschen viel Erfolg! NEH

Koordiniert: Susanne Senica FOTO: CHRISTIAN V. POLENTZ/TRANSITFOTO.DE

Die bundesweite gemeinsame JAV-Konferenz des verdi-Fach-bereichs Verkehr und Ver- und Entsorgung fi ndet vom 15. bis 17. Januar 2011 im Berliner Estrel Hotel statt.

Neben den Berichten aus den JAVen ist eine der wichtigsten Fragen: „Sind die aktuellen Übernahme modelle an-gesichts des demographischen Wan-dels ausreichend?“

Einladung und Programm können angefordert werden bei [email protected]

Für alle Facebooker: Noch mehr Informationen unter „Bundesweite JAV-Konferenz 2011 FB2 & FB 11“

FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN

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3FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

tarifgebundener, unbefristeter Arbeit in prekäre, schlecht bezahlte Leihar-beitsverhältnisse. (…) Wenn man das konsequent zu Ende denkt, muss über kurz oder lang der Plan einer Geschäftsführung vorhanden sein, den gesamten Bodenverkehrsdienst mit seinen 1.800 Kolleginnen und Kollegen abzuwickeln und sie in die Fänge der Verleiher zu über geben. Dagegen wehren wir uns gemein-sam.“

Die Erzdiözese München und Frei-sing, nicht bekannt für linke Propa-ganda, beschreibt die Wirkung der Liberalisierung auf den Menschen sehr präzise: „Infolge von Deregulie-rung und Flexibilisierung nimmt die Verwundbarkeit und Verunsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer dramatisch zu. Immer mehr Menschen balancieren auf einem schmalen Grat (…) Die wachsende Unsicherheit erschwert es, einen län-gerfristigen, halbwegs realistischen Lebensplan zu entwickeln.“ Der Poli-tik erteilt das Erzbistum eine schallen-de Ohrfeige: „Der fl exibilisierte und deregulierte Kapitalismus untergräbt das Vertrauen in Marktwirtschaft und Demokratie. Aus der sozialen Unsi-cherheit entsteht eine Gemengelage aus politischem Verdruss und diffuser Angst. Es ist weniger die Angst vor den Risiken des Marktes, sondern mehr vor einer richtungslosen kapita-listischen Dynamik, die scheinbar durch nichts mehr, auch nicht durch die Politik gesteuert werden kann.“

Kein Problem für die dynamischen Manager von Airports und Airlines: Das sei der freie Markt. In den Frei-burger Thesen der Vor-Westerwelle-

Beim Acciona Airport Service Berlin deutete sich zu Jahresbeginn tarif-licher Kahlschlag an. Man wollte Änderungen bei den Zuschlägen, bei Anspruch und Höhe der Jahres-Son-derzahlung, bei Urlaubsanspruch, Wochenarbeitszeit, Tariftabellen, vor allem für Neueingestellte. Zugleich sollte es um „Modifi kationen“ bei Flexprämien, Reserve- und Standby-Diensten und um Befristungszeit-räume gehen. „Hier soll die Axt an unsere tarifl ich erkämpften und ab-gesicherten Arbeitsbedingungen an-gelegt werden“, alarmierte die ver.di-Tarifkommission, nachdem die Pläne einigermaßen klar geworden waren. Dass die arbeitgeberseitige Kündigung von Mantel- und Entgelt-tarifvertrag nichts Gutes bedeuten könnte, war längst zu vermuten, nachdem man bereits 2009 einen „Krisentarifvertrag“ verhandeln woll-te. Doch Zahlen, die dessen Notwen-digkeit belegt hätten, hat das zum spanischen Acciona-Konzern gehöri-ge Unternehmen, das Bodendienst-leistungen auf den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld anbietet, nie vorgelegt.

Die Muskeln spielen lassenErst Mitte April 2010, kurz vor Be-ginn von Verhandlungen, wurde das ganze Ausmaß der Forderungen deutlich. „Es war eigentlich so, dass

Streikbereit in Tegel FOTO: CHRISTIAN V. POLENTZ/TRANSITFOTO.DE

Rundumschlag pariertBeim Acciona Airport Service Berlin gelten wieder vernünftige Tarifverträge

jede Regelung, die irgendwie materi-ell ist, massiv verschlechtert werden sollte – und zwar dauerhaft“, erin-nert sich ver.di-Verhandlungsführer Holger Rößler. Da ging es bei den Mantelregelungen um die Streichung des 13. Monatsgehaltes, um die Sen-kung von Mehrarbeits- und Nachtzu-schlägen um jeweils ein Viertel, um niedrigere Entgeltfortzahlungen bei Krankheit, schlechtere Urlaubsrege-lungen und langandauernde Befris-tung von Verträgen. Wenig später kamen noch dauerhaft verschlechter-te Vergütungstabellen auf den Tisch. Und: „Es wurden auch in den Ver-handlungen keinerlei nachvollziehba-ren Wirtschaftszahlen vorgelegt, kein Zukunftskonzept. Verlangt wurde da-gegen, sofort 500 000 Euro bei den Löhnen einzusparen und das Tarif-niveau dauerhaft massiv abzusen-ken“, so der Gewerkschaftssekretär.

Beitrag zur Stabilisierung„Fairer Wettbewerb braucht faire Löhne“, war die Gegenforderung der rund 250 Beschäftigten und der ver.di-Tarifkommission, die die unverzüg-lichen Wiedereinsetzung des MTV einschloss. Auch der Vergütungstarif sollte – mit leichten Modifi kationen und einer verlängerten Laufzeit – fortgelten. „Die Stundung von Ent-geltbestandteilen wollten wir an den Ausschluss betriebsbedingter Kündi-

gungen und die Begrenzung von Leiharbeit binden. Das wäre ein Bei-trag zur Stabilisierung.“ Doch statt einzulenken, legte Acciona Ende Mai noch ein Schippchen nach: die Erhö-hung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden und die Strei-chung eines Urlaubstages kamen zum Forderungskatalog hinzu. Damit war der Bogen überspannt. Am 27. Mai gab es den ersten Warnstreik der Belegschaft, den ver.di sinnvoller-weise mit einem Ausstand bei Globe-Ground, dem anderen großen Bo-dendienstleister, koordinierte. Das saß. Doch auch ein Spitzengespräch Anfang Juni brachte keinen Durch-bruch. Erst nach einem weiteren Warnstreik am 17. Juni kam Bewe-gung in den Tarifstreit. Anfang Juli

legte ver.di einen erweiterten Vor-schlag vor. Darüber wurde drei Wo-chen später eine „grundsätzliche Übereinkunft“ erzielt.

Zwar dauerte es bis zur endgülti-gen Unterschrift noch Wochen, doch das Schlimmste war abgewendet. „Vergleicht man das Tarifergebnis mit den Forderungen, so können wir mit dem Kompromiss sehr zufrieden sein“, meint Rößler heute. „Es ist sogar gelungen den Einsatz von Leih-arbeitern zu senken, die materiellen Zugeständnisse sind sehr begrenzt“, freut sich der ver.di-Verhandlungs-führer: „Das Beispiel Acciona Berlin zeigt, mit gutem Zusammenhalt und Mut der Beschäftigten zu Aktionen lassen sich selbst Rundumschläge parieren.“ NEH

Gemeinsam mehr erreichen: ver.di wird im Sinne der Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Sinne der Verteidigung des politischen Vermächtnisses des Namens-gebers alles dafür tun, dass Zukunft, Sicherheit und Prosperität für alle am „Willy-Brandt-Flughafen“ Beschäftigten geschaffen werden.

Wenn Willy DAS gewusst hätte…

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ERG Gesamtinvestition

2,5 Milliarden Euro Kapazität von

25 Millionen Passagie-ren (in Modulen ausbaufähig

bis zu 45 Millionen) –

bis zu 6500 Passagiere pro Stunde in Peak-Zeiten

Fläche: 1470 Hektar, das entspricht ca.

2000 Fußballfeldern

Zwei parallele Start- und

Landebahnen (4000 und 3600 Meter lang) mit

dem Terminal als Mittelpunkt

Haupt-Pier

(715 Meter lang) mit 16 Fluggastbrücken

Süd-Pier

(350 Meter lang) mit 9 Fluggastbrücken

Nord-Pier

(350 Meter lang) mit Walk-Boarding

85 Flugzeugabstellpositionen

DB-Connection: unter dem

Terminal liegt der 405 Meter lange Bahnhof der

Deutschen Bahn mit zwei Regional- und Fernverkehrs-bahnsteigen sowie einem S-Bahnsteig

FDP hieß es noch: „Wo Ziele liberaler Gesellschaft durch den Selbstlauf der privaten Wirtschaft nicht erreicht werden können, wo somit von einem freien Spiel der Kräfte Ausfalls-erscheinungen oder gar Perversions-tendenzen für die Ziele liberaler Ge-sellschaft drohen, bedarf es gezielter Gegenmaßnahmen des Staates mit den Mitteln des Rechts. (…) Erst eine umfassende Aufhebung der negati-ven Tendenzen und Ausgleichung der Ungleichgewichte privater Wirtschaft in Hinsicht und mit Rücksicht auf die Ziele liberaler Gesellschaft, fügt der unbestrittenen Leistungsfähigkeit dieses privatwirtschaftlichen Systems die noch ausstehende Glaubwürdig-keit und Menschlichkeit hinzu.“ Allein Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger scheint heute letzte liberale Traditionswerte zu bewahren.

Auch rot-rote Landesregierungen würden der Lage nicht Herr, fürchten viele Berliner. Die Angst geht um bei den Beschäftigten in Tegel und Schönefeld. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einiger Bestands-kunden aus dem Dienstleistungs-bereich, in deren Arbeitsverträgen als Arbeitsort „Berliner Flughäfen, TXL/SXF (BBI)“ ausdrücklich vereinbart ist, wurde bereits mitgeteilt, dass ihr Betrieb aufgrund von Platzmangel (!) keine Mietfl ächen am „Groß“-fl ug-hafen erhält. „Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Arbeits-verhältnis mit Aufnahme des Flugha-fenbetriebs am Standort BBI endet.“ Andere Kolleginnen und Kollegen bangen noch. Werden z. B. die Blau-männer durch Zeitarbeitskräfte mit dem wohlklingenden Titel „Executive

Facility Manager“ zu Niedriglöhnen ersetzt? Die ohnehin schon arg ge-beutelten Bodenverkehrsdienste sol-len nach Ankündigung des Senats weitere Konkurrenz erhalten, die Zahl der Konzessionen erhöht wer-den.

Die Schleusen zu systematischer Lohndrückerei sind geöffnet. Mich-ael Walter, Gewerkschaftssekretär: „Die politischen Rahmenbedingun-gen für befristete Arbeitsverhältnisse sind geschaffen mit der Neuregelung der unbegrenzten Leiharbeit, gesetz-liche Regelung von „Arbeit auf Abruf“, mit der Neuregelung des Arbeits losengeldes II und dem Ar-beitszwang u. a. in 1-Euro-Jobs. Kon-kret passiert Folgendes in vielen Unternehmen auf den Berliner Flug-häfen: Ausweitung der Leiharbeit, Ausweitung der Teilzeit- und befris-teten Arbeitsverträge und Lohndum-ping durch Billig fi rmen.“ Man hat vorgearbeitet. Im Jahr 2008 wurden die Bodenverkehrsdienste verkauft. Die Beschäftigten mussten Einkom-menseinbußen hinnehmen. Der Ge-werkschafter ist enttäuscht und em-pört über die Politik: „Die sich noch im öffentlichen Besitz befi ndende Flughafengesellschaft kann behaup-ten, dass sie mit all diesen Entwick-lungen nichts zu tun hat. Wortwört-lich wurde von Herrn Platzeck und Herrn Wowereit der Verkauf der GGB mit fast 2000 Beschäftigten als eine gute Entscheidung für die Arbeits-platzsicherheit und die Beschäftigten dargestellt. Gerne wird der „Jobmo-tor“ bejubelt, aber kein Wort zu den Arbeits- und Einkommensbedingun-gen, keine politische Forderung nach

L U F T V E R K E H R

guter Arbeit!“ Immer wieder: Orga-nizing!

„Wir überlassen unsere Zukunft nicht den anderen“ – darin sind sich immer mehr Kolleginnen und Kolle-gen einig. Alle ver.di-Ebenen vom Bund bis zur Betriebsgruppe arbeiten Hand in Hand daran, den Beschäftig-ten des Hauptstadtfl ughafens eine starke Basis zu bieten, um die Spirale nach unten zu stoppen. Michael Wal-ter: „Diese Idee der verstärkten Or-ganisierung und Kampagnenfähig-keit von ver.di im Betrieb wurde in den vergangenen 1 ½ Jahren auch mit Unterstützung eines Organizing-projektes bei der GGB in die Praxis umgesetzt. Viele gute Erfahrungen wurden gemacht, zwei Warnstreiks fanden statt, mehr Kolleginnen und Kollegen traten in ver.di ein, um sich zusammen als Betriebsgruppe zu ver-netzen.“ AvS

Schwarz-gelber Aktions-plan für Güterverkehr und LogistikEinen „Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ hat Bundesverkehrs-minister Ramsauer am 22. November 2010 der Öffentlichkeit vorgelegt. Das Papier, das fünf zentrale Ziele enthält und 30 Maßnahmen unter-schiedlicher Priorität aufl istet, gilt aus „Weiterentwicklung“ des unter der Vorgänger regierung 2008 be-schlossenen „Masterplans Güterver-kehr und Logistik“. Ramsauer will mit dem gestrafften Plan zentrale Weichen für den Güterverkehr der Zukunft und die Vermarktung Deutschlands als Logistikweltmeister und Technologievorreiter stellen. Prognosen der Bundesverkehrsminis-teriums gehen bis 2025 von einer Zunahme des Personenverkehrs um 20 Prozent aus, während der Güterverkehr um bis zu 70, der Gü-terfernverkehr sogar um 80 Prozent wachsen werde.

Jeder Verkehrsträger werde künftig „gleichberechtigt“ behandelt und solle seine Stärken in umweltgerech-te Projekte kombinierten Verkehrs einbringen. Kritiker aus Opposition und Umweltverbänden bemängeln jedoch eine vorrangige Ausrichtung des Aktionsplanes auf den Straßen-transport. Indizien dafür seien der vom Bundesverkehrsministerium forcierte Feldversuch mit Lang-LKW, sogenannten Gigalinern, und eine ausschließliche Verwendung von LKW-Mauteinnahmen für den Aus-bau der Straßeninfrastruktur. Der Aktionsplan enthält auch von ver.di geforderte Maßnahmen zur Verbes-serung von Arbeitsbedingungen und Ausbildung im Transportgewerbe. Die Umsetzung des Nationalen Ha-fenkonzeptes für See- und Binnen-häfen sowie des Nationalen Flugha-fenkonzeptes der Bundesregierung von 2009 sind gleichfalls Bestand-teile der neuen Logistikinitia tive. (Aktionsplan siehe: bmvbs.de)

Mainzer Tariftreuegesetz ist „Rote Karte gegen Lohndumping“

Der Mainzer Landtag hat am 18. No-vember 2010 ein Tariftreuegesetz verabschiedet, das in seinen Reglun-gen noch deutlich über die zuletzt b eschlossenen Gesetze im Saarland oder in Berlin hinausreicht. Öffentli-che Aufträge sollen demnach in Rheinland-Pfalz nur noch an Firmen vergeben werden, die sich an einen Tarifvertrag halten. Wo er fehlt, gilt ein vergabespezifi scher Mindestlohn von 8,50 Euro. Im Verkehrsgewerbe ist die Einhaltung des repräsentati-ven Tarifvertrages vorgeschrieben. Uwe Klemens, ver.di-Landeschef von Rheinland-Pfalz, begrüßte das neue Landestariftreuegesetz als „ein wirk-sames Mittel gegen Wettbewerbs-verzerrung und Schmutzkonkur-renz“. Speziell der Mindestlohn von 8,50 Euro sei die „schon lange fällige Rote Karte wegen Lohndumping“. Positiv sei auch, dass die europa-rechtliche Möglichkeit einer umfas-senden Tariftreueregelung für den ÖPNV in das Gesetz aufgenommen wurde. Allein diese Regelung er fasst in Rheinland-Pfalz 8000 Beschäftigte und bringe für etwa 3000 eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebenssituation.

FOTO: ISTOCKPHOTO.COM

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Herzlichen Glückwunsch zur Wieder-bestellung als Landesfachbereichslei-terin, die Abstimmung war einstim-mig, das ist nicht selbstverständlich.Christine Behle | Danke!

Wo liegt das Erfolgsgeheimnis?Christine Behle | Für mich persön-lich und für uns alle hier im Landes-fachbereich gilt, wir müssen bei den Mitgliedern ansetzen und schauen: Was sind deren zentrale Interessen? Daraus leiten sich dann die Schwer-punkte unserer Arbeit ab, nicht um-gekehrt. So hat das schon meine Amtsvorgängerin gehandhabt und so setzen wir das erklärtermaßen fort. Seit 2004 gibt es bei uns einen Qualitätsmanagementprozess. Aus-gangspunkt war damals auch eine landesweite Mitgliederbefragung. Wir wollten wissen, was ihnen in-haltlich das Wichtigste ist, welche Leistungen sie von ver.di erwarten und woran es Kritik gibt, also Verbes-serungsbedarf bei uns. Nachdem wir das gründlich analysiert hatten, be-gann die Phase der Umsetzung. In der sind wir immer noch: Wir ver-wirklichen das, was unsere Mitglie-der uns aufgegeben. Das ist eine ständige Aufgabe.

Kannst Du ein Beispiel nennen?Christine Behle | Unsere Analyse ergab ein Führungsdefi zit sowohl im hauptamtlichen als auch im ehren-amtlichen Bereich. Daraus zogen wir zwei Konsequenzen. Erstens: Wir brauchen mehr Schulungen für unse-re Gewerkschaftssekretäre und -se-kretärinnen. Deshalb wird jetzt be-sonders darauf geachtet, dass sich die Hauptamtlichen im Fachbereich kontinuierlich weiterbilden, fachlich und hinsichtlich der sozialen Kompe-tenzen. Auch für die Ehrenamtlichen haben wir ein spezielles Programm „Praxisbegleitung“ entwickelt. Das läuft über 1,5 Jahre und dient der Stärkung von Führungskompetenzen. Der Zyklus hat im November das zweite Mal begonnen. Wir sprechen dafür gezielt Kolleginnen und Kolle-gen an, die die dort erworbenen Qualifi kationen für ihre ehrenamt-liche oder betriebliche Tätigkeit als Vertrauensleutesprecher, Betriebs-ratsvorsitzende oder -mitglieder nut-zen können. Gestaltet ist das als Sys-tem von sieben Modulen, die individuell auf die jeweiligen Bedürf-nisse zugeschnitten werden. Es kön-nen also ganz praktische Probleme bearbeitet werden: Wie kann ich Arbeit delegieren? Wie löse ich ein bestimmtes, originäres Führungspro-blem? Die Sache läuft ausgesprochen erfolgreich…

Ihr habt den größten Mitgliederanteil im Straßenpersonenverkehr, aber auch alle anderen Fachgruppen sind durchaus vertreten…Christine Behle | Wir haben es so

organisiert, dass wir hauptamtliche Fachgruppenleiter haben, die erfolg-reich arbeiten und eben nahezu ausschließlich für Luftverkehr oder Häfen und Schifffahrt zuständig sind. Diese Kollegen führen dann auch die Tarifverhandlungen. Die Fachgrup-penleitung im Straßenpersonen-verkehr und im Schienenverkehr un-terstütze ich, indem ich hauptsächlich die Tarifverhandlungen übernehme. Wir haben da eine gute Arbeitstei-lung, in die die Kollegen vor Ort na-türlich einbezogen sind. Wir setzen hier nichts um ohne Beteiligung und Beauftragung durch unsere Mitglie-der.

Wo liegen aktuell besondere Schwer-punkte in der Mitgliederarbeit?Christine Behle | Neben den aktu-ellen tagespolitischen Themen, um die wir uns natürlich laufend küm-mern, haben wir zwei Schwerpunkte. Zum einen ist das die „Mitgliederhal-tearbeit“ bei den Senioren. Es ist bis-lang typisch für unsere vielen kom-munalen Betriebe: Wenn Mitglieder in Rente gehen, treten sie aus. Dabei hat ver.di ihnen natürlich auch als Se-nioren eine Menge zu bieten. Wir machen jährlich zwei seniorenpoliti-sche Fach tagungen, zu denen alle „jungen“ Senioren eingeladen wer-den. Ab 2011 soll es sogar Begrü-ßungsmappen für Senioren geben, wo ihnen der Fachbereich nochmals vorgestellt wird, wo Möglichkeiten aufgezeigt und Ansprechpartner be-nannt sind. Außerdem gibt es ein spezielles Seniorenprojekt mit einem Workshop, wo den älteren Mitglie-dern Angebote zur aktiven Mitarbeit unterbreitet werden – von der Lohn-steuerberatung im ehemaligen Betrieb über Beteiligung bei der GUV-Fakulta bis zur eigentlichen Seniorenarbeit.

„Begrüßungsmappen“ kennt man eigentlich eher in der Jugendarbeit?Christine Behle | Richtig. Das ist auch unser zweiter Schwerpunkt. Wir haben in unseren Unternehmen rela-tiv wenig Auszubildende. Erst seit Kurzem gibt es ja überhaupt den Ausbildungsberuf Fachkraft im Fahr-betrieb, ansonsten haben wir nur einige Azubis in Werkstätten oder Verwaltungen. Natürlich möchten wir sie für ver.di werben. Wir haben jetzt einen jungen Sekretär, der sich spezi-ell um die Jugendarbeit kümmert. Da geht es auch um mehr und bessere berufsfachliche Arbeit.

Beide Schwerpunkte betreffen ein übergreifendes Thema, an dem kaum noch jemand vorbeikommt: den de-mografi schen Wandel.Christine Behle | Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt, der über-greifend alle Bereiche betrifft. Wir haben vor zwei Jahren unsere Kam-pagne „Wir sind MEHR wert“ auf

den Weg gebracht. Mit Abschluss unseres neuen Tarifvertrages im ÖPNV im Frühjahr war die Kampagne eigentlich beendet. Doch auch von unseren ehrenamtlichen Kollegen gab es großes Interesse daran, die Kampagne weiterzuführen. Denn sie bietet verschiedene Möglichkeiten für Beteiligung und für Aktionen, die auch von unten kommen. Da sind die Vertrauensleute in den Betrieben ganz unmittelbar einzubeziehen. Wir haben die Kampagne thematisch auf gute Arbeitsbedingungen erweitert: Es geht uns darum, Arbeitszeiten gerecht zu gestalten, darum, gesund

deckend. Selbst für die, die aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind, haben wir Anwendungs-tarifverträge abgeschlossen. Wir konnten nach fast anderthalb jährigen Verhandlungen zum 1. April 2010 einen neuen Tarifvertrag unterzeich-nen. Dazu gehört, mit jedem einzel-nen Unternehmen eine Beschäf-t igungss icherungsvere inbarung abzuschließen, die Kündigungsschutz beinhaltet und einen Schutz vor Tarif-fl ucht bis 2019 absichert. Viele solche Vereinbarungen haben wir schon, bis Jahresende sollen noch weitere hin-zukommen.

Vergabegesetz werden, das neben traditionellen Bereichen wie der Bau-wirtschaft alle Dienstleistungsberei-che, auch alle Verkehrsdienstleistun-gen erfasst, sofern ein öffentlicher Auftrag dahintersteht…

Dafür gibt es gute Gründe?Christine Behle | Ja, wir hatten in den letzten Jahren beispielsweise große Probleme im Bereich des Be-hindertentransports. Wir als ver.di haben da regelrechte Skandale auf-gedeckt. Firmen wie „Sonnenschein“ u. a. zahlten teilweise Stundenlöhne von 2,80 bis 3,70 Euro. Solche Auf-

Auf den Punkt gebracht: ver.di NRW ist bekannt für satirische Zuspitzung KARIKATUR: ALFF

Die Mitglieder im Blick: Christine Behle FOTO: CHRISTIAN V. POLENTZ/TRANSITFOTO.DE

in Rente zu gehen. Es geht um Alter-nativen bei Berufsun fähigkeit, um Mischarbeitsplätze und Ähnliches. Wir gestalten das jetzt als „Druck-kampagne“, die sich bis Mitte nächs-ten Jahres steigern soll, dann wollen wir handlungsfähig sein.

Gegen wen? Gegen die Arbeitgeber-seite?Christine Behle | Inhaltlich sind wir gar nicht so weit aus einander. Strittig ist, wer für den demografi schen Wandel bezahlen soll. Die Arbeitge-ber möchten, dass die Kosten dafür letztlich bei den Arbeitnehmern lan-den. Es gibt Betriebe, in denen heute zur Lösung der demografi schen Pro-bleme schon viel getan wird. Die Bogestra, die Bochum-Gelsenkirch-ener Straßenbahn, beispielsweise er-kennt das für sich schon lange als Thema und hat auch eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Die großen Betriebe sind da insgesamt weniger das Problem. Wir wollen aber eine Struktur für alle Unternehmen durch-setzen.

Das gilt auch tarifl ich und mit Blick auf den TV-N?Christine Behle | In NRW sind fast alle kommunalen Verkehrsunterneh-men im TV-N, und zwar fl ächen-

Das Thema TV-N hat auch mit Tarif-treue zu tun…Christine Behle | Als der TV-N bei uns in NRW eingeführt worden ist, war er als Spartentarifvertrag für öffentliche und private Unternehmen gedacht. Er war gebunden daran, dass im Land ein Tariftreuegesetz ver-abschiedet wird. Das ist dann auch geschehen. Die frühere Landesregie-

rung hat dieses Gesetz allerdings bereits 2006 wieder aufgehoben. Begründung war: zu hoher büro-kratischer Aufwand, ungenügende Wirkung als Regulativ. Die jetzige rot-grüne Regierung hat in ihrer Koaliti-onsvereinbarung ein Bekenntnis zu einer neuen Tariftreueregelung abge-geben. Damit sind wir zurzeit prak-tisch befasst. Wir führen Gespräche mit allen Landtagsfraktionen – außer der FDP, die sich verweigert. Es gab Ende Oktober eine Auftaktveranstal-tung im Landtag, wo ein gewerk-schaftliches Eckpunktepapier für ein neues Tariftreuegesetz für Nordrhein-Westfalen vorgelegt wurde. Es soll nach unserer Vorstellung ein echtes

träge sollen unbedingt künftig unter das neue Tariftreugesetz fallen. Natürlich wollen wir auch einen repräsentativen Tarifvertrag ange-wendet wissen, das wäre der TV-N. Der erfasst bei uns gut 80 Prozent al-ler Arbeitnehmer. Außerdem wollen wir dort, wo keine Tarifbindung exis-tiert, einen vergabespezifi schen Min-destlohn von 8,50 Euro gesetzlich festschreiben.

Es wird demnächst auch einen ent-sprechenden Gesetzentwurf geben?Christine Behle | Wir haben unse-re Vorstellungen Anfang November im DGB-Bezirksvorstand beschlossen. Noch in diesem Jahr sollen dazu wei-tere Gespräche mit den Landtags-fraktionen stattfi nden.

Welche Probleme machen Dich momentan besorgt?Christine Behle | Die Situation der Bodenverkehrsdienste auf dem Flug-hafen Düsseldorf gehört unbedingt dazu. Und die Tatsache, dass wir bis zu 1700 Arbeitsplätze auf dem Flug-hafen Köln-Bonn verlieren könnten, wenn das Nachtfl ugverbot tatsäch-lich durchgesetzt wird. Natürlich ist Lärmschutz wichtig. Für mich liegt der Fokus aber eindeutig auf den Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingun-gen unserer dort beschäftigten Kolle-ginnen und Kol legen...

Und was macht Dich zufrieden?Christine Behle | Da kann ich kaum etwas Einzelnes heraus greifen, vieles wirkt zusammen: Anständige Ergebnisse bei Tarif verhandlungen wie zum TV-N, die Hinwendung zum ehrenamtlichen Mitglied, Erfolge in der Bildungs arbeit. Auch die Tat-sache, dass jede Vertrauensleute-gruppe bei uns jährlich Anspruch auf ein Seminar hat, was immer häufi ger nachgefragt wird…

Wir wünschen bei allen Vorhaben und Dir persönlich in der zweiten Amtszeit viel Erfolg! NEH

Beschäftigungssicherung und Tariftreue auf der AgendaGespräch mit Christine Behle über Erfolgsrezepte im Landesfachbereich Verkehr Nordrhein-Westfalen

Ein Besuch in Düsseldorf: Der ver.di-Landesfachbereich Ver-kehr in Nordrhein-Westfalen vereint rund 30.000 Mitglie-der. Sie repräsentieren alle fünf Fachgruppen. 80 Prozent der Kolleginnen und Kollegen kommen aus dem Straßenper-sonenverkehr, etwa 10 Prozent aus dem Luftverkehr, der Rest verteilt sich auf die übrigen Fachgruppen. Obwohl das von der Struktur nicht vorgesehen ist, gibt es „Landesfachgrup-penleiter“, die Ansprechpart-nerinnen und -partner für die Kolleginnen und Kollegen aus ganz Nordrhein-Westfalen sind. Landesfachbereichsleite-rin Christine Behle setzt auf klare Arbeitsteilung, die För-derung von Kompetenzen und transparente Strukturen.

4 FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010L Ä N D E R S C H W E R P U N K T

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Die Beschäftigten der Abfertigungs-gesellschaften am Flughafen Düssel-dorf stehen stark unter Druck. Wäh-rend die Flughafengesellschaft versucht, das Abfertigungsgeschäft zu verkaufen, setzt Avia-Partner auf Leiharbeit und Abfertigung zu Dum-pinglöhnen im großen Stil.

Die Entscheidung der Flughafen-gesellschaft, ihre Anteile an der Flughafen Groundhandling GmbH – bisher eine 100-prozentige Tochter-gesellschaft des Flughafens – euro-paweit auszuschreiben, löst bei den ca. 900 Beschäftigten nicht nur

Ängste, sondern auch Wut und Ver-ärgerung aus. Sie befürchten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbe-dingungen und Einkommen. Dabei haben sie, um im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes zu bleiben, bereits Verzicht geübt. In der Bodenabfertigung gilt ein Notlagen-tarifvertrag, der im Kern weniger Entgelt und längere Arbeitszeit regelt. Dafür werden im Gegenzug betriebs bedingte Kündigungen aus-geschlossen. Dieser Tarifvertrag sichert die Arbeitsplätze noch bis Ende 2013.

Mit Verkaufsentscheidung Grundkonsens aufgekündigt?

Wie es danach weitergeht, ist offen. Selbst wenn betriebliche Verein-barungen und Tarifverträge für die derzeitig Beschäftigten ihre Gültig-keit behalten, werden bei einem Er-werber neue Arbeitsverhältnisse ent-stehen, die sich in der gesamten Negativ-Bandbreite zwischen extrem niedriger (unter Umständen nicht tarifgebundener) Entlohnung und Leiharbeit bewegen. Potentielle Er-werber im Bereich Bodenverkehrs-dienste arbeiten überwiegend nach diesem Schema.

Mit der Entscheidung, die Tochter-gesellschaft samt Bodenabfertigung zu verkaufen, verlässt der Flughafen einen wichtigen bisherigen Grund-konsens: Bodenabfertigung gilt in Düsseldorf nicht mehr als ein strate-gisch notwendiges Standbein von Verkehrsflughäfen. Mit dieser Auf-fassung des drittgrößten deutschen Airports sind natürlich auch bundes-weite Veränderungen in der Flug-

hafenlandschaft zu befürchten. Der Entschluss des Düsseldorfer Ma-nagements stellt die Schutzmecha-nismen der Bodenabfertigungs-dienstverordnung (BADV) für Verkehrsflughäfen deutlich infrage.

Offenbar greifen diese aber: In ei-nem ersten Schritt soll nun nicht mehr die komplette Bodenabferti-gung verkauft werden. 51 Prozent, so der momentane Stand, verbleibt zunächst bei der Flughafen GmbH.

Feldversuch für Billigabfertigung

Einen Eindruck der zukünftigen Be-dingungen erhalten die Ground-handling-Beschäftigen von ihren Kollegen bei Avia-Partner. Die Be-schäftigten hatten sich über den Auftrag, die Lufthansa abzufertigen, deutlich zu früh gefreut. Nicht die erwarteten stabileren Arbeitsver-hältnisse und besseren Einkommen wurden Realität. Die Lufthansa machte sehr schnell klar, dass in Düsseldorf ein Feldversuch zur

FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

Bodenabfertigung Airport Düsseldorf International

Arbeitsplätze unter Druck

Schon länger erprobt: Beschäftigte kämpferisch FOTO: VER.DI

Abfertigung jenseits der klassischen Anbieter (Flughäfen/Drittabfertiger) gestartet wird. So wurde zur Durch-führung des Auftrags die Avia-Part-ner Düsseldorf neu gegründet. Die Gesellschaft hat nur eine Handvoll Beschäftigte und steuert in enger Absprache mit Lufthansa den Ab-fertigungsauftrag. Die Arbeit am Flugzeug erledigen dauerhaft ca. 170 Leiharbeitskräfte als Zeitarbeit-nehmer. Avia und Lufthansa treiben damit die missbräuchliche Auswei-tung von Zeitarbeitsverhältnissen einem neuen Höhepunkt entgegen. Damit noch nicht genug: Avia zwei-felt die Zuständigkeit des Betriebsra-tes für die Avia-Düsseldorf (Luft-hansa Abfertigung) und deren Leiharbeitnehmer an. Das Verfahren läuft vor dem Landesarbeitsgericht. Mit einer Entscheidung wird im Dezember gerechnet. Eine Perspekti-ve für die Düsseldorfer Avia-Beschäf-tigten ist ein Tarifvertrag, der die Arbeits- und Einkommensbedingun-gen regelt. PETER BÜDDICKER

N R W

Die ver.di-Tarifkommissionen bei Air-Berlin stehen vor einer erneuten Her-ausforderung. Vor dem Hintergrund des Sparprogramms „Accelerate 2012“ wurden Tarifkommissionen, Personalvertretung und Betriebsrat über den erneuten Anlauf zur Ver-schlankung der AirBerlin Group un-terrichtet.

Neben der aus ver.di-Sicht drin-gend notwendigen Einkommens-

steigerung geht es damit auch um das künftige Tarifniveau bei AirBerlin.

Die Konfl iktlinie ist schnell be-schrieben. Air Berlin will das niedrige Niveau der CS (AirBerlin Kabine) bzw. der seit 2007 dort Beschäftigten (Boden und LTU) dauerhaft festlegen. ver.di will mit der Integration die Ar-beitsbedingungen aller Beschäftigten verbessern. Die angestrebten Syner-gieeffekte eröffnen den Verteilungs-

spielraum dazu. Am Boden kommt die Problematik hinzu, dass die Tarif-struktur für „nach 2007“ Eingestellte dringend verbessert werden muss. AirBerlin droht ansonsten ein Qualifi -kationsproblem.

Handlungsoptionen gibt es genug. Die Mantel- und Vergütungstarif-verträge sowohl am Boden als auch in der Kabine sind gekündigt. Am 31. Dezember läuft die Friedenspfl icht

aus. Aber auch AirBerlin macht Druck. Im Zuge der Integration aller Kabinen-beschäftigten – CS und LTU – in die Airline sollten die CS-Tarifregelungen dort verbindlich festgelegt werden.

Wenn das umgesetzt würde, wäre das Ziel, Verbesserungen für die CS–Beschäftigten zu erreichen, auf Eis gelegt. Das ist für ver.di natürlich nicht akzeptabel. „Integration heißt für uns, die Arbeits- und Einkom-

Torben Seebold (29), seit April 2010 Gewerk schaftssekretär im Fachbereich Verkehr in Köln Gut eingelebt?Torben Seebold | Absolut. Die Kol-leginnen und Kollegen haben mich von Anfang an voll integriert und insbesondere Frauke (Bendokat, Anm. der Red.) hat mich inhaltlich vom ersten Tag an auf die Aufgaben vorbereitet. …die da wären…Torben Seebold | Mein Schwer-punkt ist der Öffentliche Personen-nahverkehr, insbesondere die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), das größte kommunale Verkehrsunternehmen in NRW mit 3.300 Beschäftigten. Aber auch am Flughafen Köln/Bonn bin ich mehrmals die Woche und un-terstütze Frauke in guter Teamarbeit. Egal ob KVB, Lufthansa, oder Flug-hafen – alles spannende Bereiche mit tollen Kolleginnen und Kollegen. Mit Markus Sterzl vom FB 2 arbeitest Du auch eng zusammen…Torben Seebold | Darauf legt auch meine Landesfachbereichsleiterin

mensbedingungen aller Beschäftigten ein Stück nach vorne zu bringen“ sagt Peter Büddicker, bei ver.di zu-ständig für die Konzernbetreuung von AirBerlin. Anfang Dezember bewerten die Kabinen-Tarifkommissi-onen die wichtigsten Punkte der Integration aus ihrer Sicht. Dabei geht also nicht um die Frage ob, sondern wie integriert wird.

PETER BÜDDICKER

Neue Neue Männer Männer braucht braucht

das Land das Land

Christine Behle besonde-ren Wert. Gelebte Koope-

ration der Fachbereiche im Ressort 8, das macht hier wirklich Sinn. Unter-nehmen wie die Kölner Verkehrsbe-triebe und Rhein-Energie, einer der größten kommunalen Energieversor-ger, sind in der Stadtwerke-Köln- Holding zusammengefasst. Dieser Struktur folgen auch wir bei ver.di or-ganisatorisch. Auf politischer Ebene erreichen wir mehr Durchsetzungs-kraft durch unsere gemeinsame Lobbyarbeit im Sinne der Beschäftig-ten. Mit uns sind aber alle Kolleginnen und Kollegen gemeint, wir sind sozu-sagen noch „Frischlinge“. Auf Landesebene koordinierst Du mit der Kollegin Beate Weber vom Fach-bereich 2 die JAV-Vernetzung in NRW.Torben Seebold | Wir planen meh-rere JAV-Konferenzen in 2011 mit dem Ziel, die jungen Aktiven zu ver-netzen und die gemeinsame Hand-lungsfähigkeit z. B. in Tarifrunden zu stärken. Wenn man so will, ein Zukunftsprojekt – wie beim Fußball: wenn Du die Jungs von kleinauf an Vierer-Kette spielen läßt, klappt das auch im WM-Finale. AvS

Jubelstimmung auf der Gala zum 30-jährigen Firmenjubiläum – das war 2009. Ein Jahr später be-schwert das Kostensenkungs programm „Accelerate 2012“ – wie „Climb 2011“, die Arbeits- und Einkommensperspektiven der Beschäftigten am Boden und in der Kabine. FOTO: AIRBERLIN

Mitglieder der Tarifkommission in Düsseldorf: Nicole Maria Dienst, Peter Büddicker, Sven Bund sowie Mareen Miebach, Jürgen Stotzka und Frank Miebach (v.l.n.r.). FOTO: CVP/TRANSITFOTO.DE

Herausforderung Integration

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Rheinbahn

6 FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

Veolia Verkehr ist hierzulande das zweitgrößte Verkehrsunternehmen nach der Deutschen Bahn. Der priva-ten Nahverkehrsanbieter, der an 33 regionalen Verkehrsbetrieben betei-ligt ist, beschäftigt etwa 4.400 Mit-arbeiter und bewältigt fast 35 Mio. Zugkilometer im Jahr, unter anderem durch den InterConnex zwischen Leipzig und Warnemünde. Mit über 900 Bussen betreibt Veolia aber auch straßengebundenen Nahverkehr in beträchtlichem Umfang. Seit drei Jahren gibt es im Unternehmen einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Wegen der angebotenen Schienen-verkehrsleistungen gilt die Besonder-heit, dass es zwei stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende für die Ar-beitnehmerseite gibt, die alternie-rend tätig sind: Jeweils nach Be-schluss des Jahresergebnisses wird zwischen dem ver.di- und dem Trans-net-Vertreter gewechselt. Das funkti-oniert sachbezogen-kooperativ. Mo-mentan amtiert Stefan Heimlich, Bundesfachgruppenleiter Straßen-personenverkehr und Schienenver-kehr in ver.di, als Aufsichtsrats-Vize. Wir sprachen mit ihm.

Anfang November gab es die Herbst-Aufsichtsratssitzung von Veolia, die diesmal in Osnabrück stattgefunden hat…

Stefan Heimlich | Das hing mit dem 10-jährigen Jubiläum der dort ansässigen NordWestBahn zusam-men. Die NordWestBahn ist eine Veolia-Tochter, die zu den größten Privatbahnen hierzulande zählt und sich als lokal verwurzeltes Unterneh-men aus der Region Weser-Ems inzwischen bis an den Niederrhein, ins Ruhrgebiet und nach Ostwest-falen-Lippe ausgebreitet hat.

Dir und Deinen gewerkschaftlichen Mitstreitern geht es natürlich in erster Linie um die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen in der Veolia-Gruppe. Wie hat sich dort die Mitbestimmung entwickelt?Stefan Heimlich | Für ver.di sitzen im Aufsichtsrat auch der Konzern-betriebsratsvorsitzende für den Be-reich Stadtverkehr und dessen Stell-vertreter sowie für Transnet der Teilkonzernbetriebsratsvorsitzende Schienenverkehr, der auch im Euro-päischen Betriebsrat der Veolia mitar-beitet, und Dirk Schlömer von deren Hauptvorstand. Die Situation hat sich dadurch eindeutig verbessert. Seit drei Jahren gibt es auch eine Arbeits-direktorin, die aus dem damaligen Management des Unternehmens kam. Über sie gelang es seither bes-ser, örtliche Konfl ikte wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Gleich-

wohl haben wir teilweise heftige Aus-einandersetzungen, etwa um einen Branchentarifvertrag SPNV oder auch in verschiedenen Busbetrieben.

Allerdings konnten wir durch die Mitbestimmungsstrukturen auch sicht bare Erfolge erzielen. Wir haben sogar den Verkauf eines Unterneh-mens komplett verhindert. Von Veolia war die Wirtschaftlichkeit der Tochter Griensteidl GmbH bezweifelt worden. Der ört liche Betriebsrat des bayrischen Omnibusunternehmens hielt dagegen und hat über ein Sach-verständigen-Gutachten ein zu-kunftsfähiges Betriebskonzept initi-iert. Durch den Aufsichtsrat wurde dessen Umsetzung befördert. Inzwi-schen hat sich die Lage entspannt, Grien steidl schreibt wieder schwarze Zahlen. Arbeitsplätze und Unterneh-mensstruktur wurden erhalten, die Aufsichtsratsarbeit hat sich ganz konkret im Interesse der Beschäftig-ten ausgezahlt.

Das Land Niedersachsen hat das NordWestBahn-Jubiläum und damit Veolia sehr gewürdigt. Immerhin kam der Ministerpäsident als Gast-redner nach Osnabrück.Stefan Heimlich | Richtig. David McAllister hat in seinen Ausführun-gen betont, dass sich die Einführung und Förderung von Wettbewerb im

Für Arbeitsplätze und Zukunftskonzepte bei Veolia Verkehr:

ver.di sichert Interessenvertretung im Aufsichtsrat

Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat: Detlef Gutsmann, stellv. KBR-Vorstitzender; Thomas Leiteritz, KBR-Vorsitzender Stadtver-kehr und Interviewpartner Stefan Heimlich (v.l.n.r) FOTO: U. EHLERT

SPNV für das Land Niedersachsen ausgezahlt hat. Speziell die Schaf-fung des Schienenfahrzeug-Pools habe sich dabei sehr positiv ausge-wirkt. Dahinter steckt die Idee, Wett-bewerb zu befördern, indem kein Fahrzeug-Monopol zementiert, son-dern lediglich die Verkehrsleistungen ausgeschrieben werden. Niedersach-sen hat deshalb von Anfang an einen

landeseigenen Schienenfahrzeug-Pool geschaffen, den die Unterneh-men, die sich bei Ausschreibungen durchsetzen, dann nutzen. Wenn Ministerpräsident McAllister ein-schätzt, dass sich dieses Verfahren bewährt hat, bekennt er sich auch generell sehr klar zum Ausschrei-bungswettbewerb im Schienenper-sonennahverkehr. NEH

Ö P N V

Pausengespräch: Hören, was läuft

An der Basis: Uwe David (rechts) in der Werkstatt

Im Blick: Personal in Bussen und Bahnen FOTOS: CVP/TRANSITFOTO.DE

Uwe David wurde im März als Be-triebsratsvorsitzender bei der Rhein-bahn AG wiedergewählt. Das war für den ver.di-Mann, der auch ehrenamt-licher Landesfachgruppenvorstands-vorsitzender ist, nicht selbstverständ-lich. Schließlich gab es in dem Verkehrsunternehmen – dem mit 2.600 Beschäftigten größten im Ver-kehrsverbund Rhein-Ruhr – mehrere Listen, die zur Wahl kandidierten. Au-ßer von den ver.di- Direktkandidaten wurde David dann auch von Partnern einer Listenkoalition zum Vorsitzen-den gewählt, mit denen man sich auf inhaltliche Schwerpunkte verständigt hatte.

Erfolg: Die Fremdvergabe ist bis 2019 limitiert

Im Frühjahr lief noch die Auseinan-dersetzung um den neuen Tarifab-schluss zum TV-N in Nordrhein-West-falen. Bei der Rheinbahn ging es ganz konkret auch um Beschäftigungs-sicherung und die Begrenzung der Fremdvergabequote. Inzwischen ist da alles in trockenen Tüchern: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fahrdienst gilt der neue TV-N. Zwar mussten die Gewerkschafter die Kröte schlucken, dass im Unterneh-men eine neue Entgeltgruppe 5a vor-geschaltet wurde, die Neueingestell-ten niedrigere Entlohnung und langsameren Aufstieg verordnet. Je-doch sichert diese Einstufung auch, dass Neue nicht beim Tochterunter-nehmen oder Drittfi rmen zu womög-lich noch schlechteren Bedingungen anfangen müssen. Außerdem: Für 123 Kolleginnen und Kollegen, die sich zuvor in der alten Eingruppie-rung 5 befanden, konnte die Entfris-tung ihrer Verträge gesichert werden.

Im Rahmen der Beschäftigungs-sicherungsvereinbarung wurde die Fremdvergabe-Quote bei der Rhein-bahn – bezogen auf die gefahrenen Bus-Kilometer – bis 2019 auf 39,2 Prozent begrenzt. „Das ist ein Erfolg, wenn man weiß, dass die Betriebslei-tung eine Quote von mindestens 50 Prozent durchdrücken wollte“, erläu-tert Uwe David die Vorgeschichte. „Unsere alte Regelung zur Beschäfti-gungssicherung lief zum Jahresende

2009 aus. Sofort ab 1. Januar 2010 wollte man mehr Fremdvergabe. Das haben wir verhindert – unter anderem dadurch, dass wir als Betriebsrat ge-sagt haben, wir genehmigen keine Überstunden im Fahrdienst mehr...“ Ohne die gewerkschaftliche Stärke im Betrieb und ohne die sinnvolle Ver-zahnung von ver.di und Betriebsrats-arbeit, von Interessenvertretung und gewerkschaftlicher Tarifarbeit wäre das nicht durchsetzbar gewesen. Was sonst noch zugunsten der neuen Re-gelung zur Beschäftigungssicherung spricht: Fremdvergabe darf nur an ta-rifgebundene Unternehmen erfolgen.

Das sind Ergebnisse, die sich durch-aus sehen lassen können und die Bilanz für 2010 bestimmen. Doch die „Koalitionsvereinbarung“, die die ver.di-Liste um Uwe David mit den Partnern im Betriebsrat aufgestellt hat, umfasst noch mehr: „Es geht akut darum, unsere Kolleginnen und Kollegen im Fahrdienst zu entlasten, Fahrzeiten und Pausenregelungen günstiger zu gestalten.“ Seit Mitte der 1990er-Jahre, so weiß der erfah-rene Interessenvertreter, sind die Dienste zunehmend effektiver ge-worden. Wegen ungünstiger Tarifbe-dingungen und der verschärften Wettbewerbssituation billigten selbst Betriebsräte solche Entwicklungen zum Teil über längere Zeiträume. Viel-fach hatten Beraterfi rmen analysiert und Abläufe optimiert. Um für jede Fahrerin oder jeden Fahrer möglichst viel „produktive Zeit“ zu erreichen, wurden Pausenzeiten verkürzt und zogen sich Dienste in die Länge. „Maximale Dienstzeiten von 9:30 Stunden inklusive Pause sind nun keine Seltenheit, aber eindeutig zu viel“, meint Uwe David. Die Demografi e ist nicht zu überlisten

Mittlerweile bekommt das Unterneh-men die Quittung zu spüren: mit einem ansteigenden Krankenstand. „Unsere Kolleginnen und Kollegen im Schichtdienst sind im Durchschnitt fast 50 Jahre alt, viele gehen mittler-weile auf dem Zahnfl eisch. Eine ein-deutige Folge der Unternehmenspo-litik.“ Deshalb müsse nun unbedingt

gegengesteuert werden. Momentan käme man im Unternehmen monat-lich noch auf über 1000 Dienste mit mehr als neun Stunden Dauer. Diese Zahl soll deutlich gesenkt werden. „Unser Ziel sind Dienstzeiten von maximal neun Stunden“, erläutert der Betriebsratschef. Dabei gelte es, die Dienstpläne besser „den Realitä-ten anzupassen“. Oft sind Fahrzeiten momentan so eng bemessen, dass geringfügige Verspätungen bereits den vollständigen Wegfall von Pau-sen für die Fahrerinnen und Fahrer bedeuten. „Das kann nicht so blei-ben. Es müssen einfach mehr Dienste eingeplant und etwas mehr unpro-duktive Zeit in Kauf genommen wer-den.“ Auch in der Betriebsleitung wachse mit Blick auf die Altersstruk-tur die Einsicht, dass ein Umdenken nötig sei. Noch hapere es aber am Willen, das auch „wirtschaftlich ein-zuordnen“. Dafür wollen die ver.dia-ner bei der Rheinbahn jetzt Druck machen – für das gesamte Personal in Straßenbahnen und Bussen.

Im Blick auch Werkstätten und Verwaltung

Auch wenn der aktuelle Schwerpunkt derzeit im Bereich Fahrdienst liegt, dürfe man die Entwicklungen in den Werkstätten und der Verwaltung nicht aus dem Auge verlieren. Auch hier seien die Restrukturierungsmaß-nahmen kritisch zu prüfen: „Der mas-sive Stellenabbau der letzten Jahre hat sein Ende erreicht und teilweise überschritten. Es ist wichtig, dass wir unsere derzeit 118 Auszubildenden übernehmen, um ihnen eine Perspek-tive zu geben und einen Know-how-Transfer zwischen den Generationen im Unternehmen sicherzustellen“, meint Uwe David. Auch im Werk-stattbereich beschäftigt sich die Inte-ressenvertretung mit besonderen Belastungssituationen, zum Beispiel dem Thema Rufbereitschaft. „Hier führen wir zurzeit eine Untersuchung mit der Universität Hamburg durch, um die Auswirkung von Rufbereit-schaft für die Kolleginnen und Kolle-gen sowie ihre Familien zu unter-suchen. Im Frühjahr erwarten wir erste Ergebnisse.“ NEH

Der neu gewählte Betriebsrat der Rheinbahn AG will das Fahrpersonal entlasten

9 ½ Stunden sind eindeutig zu viel

Rheinbahn

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Klaus Lindner

7FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

Wir befragten ver.di-Bun-desfachgruppenleiter Klaus Lindner zur Nach-Krisen- Situation in den Seehäfen:

Im Krisenjahr 2009 stellte sich die Situation in den Seehäfen dramatisch dar: hochgeklappte Containerbrü-cken, kolossale Auftragsrückgänge und damit verbunden Kurzarbeit, Ein-kommenseinbußen für die Beschäf-tigten, Auslaufen von Zeitverträgen und sogar Entlassungen. Wie hat sich die Lage inzwischen entwickelt? Ein Gespräch mit Klaus Lindner, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Häfen.

Ist die Krise überwunden? Könnt Ihr aufatmen?Klaus Lindner | Die Lage hat sich erheblich gebessert. Allerdings ha-ben wir, was die Beschäftigung be-trifft, das Niveau von 2008 noch nicht wieder erreicht. Die Hafen-betriebe gehen davon aus, dass die Konsolidierung des Umschlagsvolu-mens noch bis 2012 oder 2013 dau-ern dürfte. Optimisten sehen dieses Ziel schon für 2011 als erreichbar an. 90 Prozent des deutschen Im- und Exportes werden über die Seehäfen abgewickelt. Es gab 2009 gewaltige Einbrüche z. B. beim Containerum-schlag bei Eurogate in Bremerhaven bis zu 50 Prozent, in den Hamburger Umschlagbetrieben bis zu 30 Pro-zent. Die Beschäftigung sank insge-samt um drei Prozent. Die wirtschaft-liche Situation entspannt sich jetzt wieder, die Zuwächse werden im Vorjahresvergleich knapp im zwei-stelligen Bereich liegen. Die Beschäf-tigung zieht naturgemäß etwas lang-samer nach.

Der ITF-Kongress ist vorbei. Schwer-punkt war die ökologische Verant-wortung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Gewerkschaf-ten im Verkehrsbereich. Was haben die Kolleginnen und Kollegen zu er-warten bzw. was habt ihr als Aktive vom Kongress in Mexico in die euro-päische und internationale Arbeit mitgenommen? Manfred Calsow | Also, auf dem Kongress in Mexico haben wir uns in der Sektionskonferenz Luftverkehr da-mit beschäftigt, in welcher Art und Weise die Gremien der ITF sich in Zu-kunft pro-aktiv an den Themen betei-ligen, die auf der globalen Tagesord-nung stehen. Eines der Hauptthemen ist für uns der Klimawandel – mit all seinen Facetten und unterschiedlichen Erscheinungsformen in Europa, in der Dritten Welt, in Nordamerika und Süd-ostasien. Wir beschäftigen uns zudem mit den Auswirkungen der Marktent-wicklung, sowohl bei uns als auch in den Schwellenländern und der Dritten Welt. Das Thema Arbeitsbelastung unserer Kolleginnen und Kollegen so-wohl an Bord als auch beim Boden-personal bildet den dritten Schwer-punktbereich.

Klimaschutz und Luftverkehr ist ein Reizthema. Zu Recht? Manfred Calsow | Wir erleben hier im globalisierten Luftverkehr geteilte

S C H I F F F A H R T / I N T E R N A T I O N A L E SVöllig klar, ver.di kämpft für den Er-halt von Arbeitsplätzen, auch und gerade in der Krise. Sind die Unter-nehmen mitgegangen?Klaus Lindner | Weitgehend ja. Auch bei den Arbeitsgebern war klar, dass bei neuerlichem Anzug des Ex-ports das gut ausgebildete Personal wieder gebraucht wird. So wurde durch Kurz arbeit versucht, Beschäfti-gung im Hafen zu halten. Es sind Lö-sungen gefunden worden, Mitarbei-ter, deren Zeitverträge ausgelaufen waren, wenigstens in Teilzeit weiter zu beschäftigen. Die HHLA hat 375 Be-schäftigte während der Krise in Kurz-arbeit weiterqualifi ziert. Die Hafenbe-triebe haben sich an das gehalten, was sie immer erklärt hatten, nämlich dass sie qualifi ziertes Personal brau-chen. Qualifi zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nun mal das wichtigste Kapital eines Unterneh-mens.

Entlassungen in Größenordnungen gab es nicht? Klaus Lindner | Lediglich im Gesamthafenbetrieb in Bremerhaven – in der Spitze hatten wir da 2.700 Beschäftigte – musste wegen Auf-tragsmangel etwa 280 Hafenarbei-tern der Stammbelegschaft betriebs-bedingt gekündigt werden. Mittlerweile geht es darum, die Ge-

kündigten schrittweise zurückzuho-len, der beschlossene Sozialplan wird quasi „rückabgewickelt“. Auch Teil-zeitbeschäftigung wird langsam wie-der zu Vollzeit aufgestockt.

ver.di, die betrieblichen Interessen-vertretungen und die Tarifkommissi-on haben ihren Teil zur Konsolidie-rung beigetragen?Klaus Lindner | Das auf jeden Fall. Wir sind an die Tarifrunden moderat herangegangen, haben uns aber auch nicht das Fell über die Ohren ziehen lassen. So war unsere eindeutige Posi-tion, dass es keine Nullrunden, son-

dern wenigstens Infl ationsausgleich geben sollte. Die Tariferhöhungen – es ging 2009 und 2010 jeweils um ein Prozent – wurden eher ans Ende der

Laufzeiten gelegt, was den Unterneh-men zusätzlich entgegenkam. Verein-barte Einmalzahlungen konnten in den Betrieben auch für beschäfti-gungssichernde Maßnahmen genutzt werden.

Wo erwartest Du künftig die Bau-stellen, wenn es darum geht, Kon-kurrenzfähigkeit und Arbeitsplätze in den deutschen Seehäfen zu erhal-ten?Klaus Lindner | National wird es da um Themen wie die bessere Anbindung der Seehäfen, etwa die Elb- und Weservertiefung gehen. Da

Kein Port Package III durch die Hintertür!FO

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ist unsere ver.di-Position eindeutig: Solche Maßnahmen sind sinnvoll, müssen aber konsequent mit ökolo-gischem Ausgleich verbunden wer-den. Das ist auch eine Frage gesell-schaftlicher Akzeptanz. Man kann heute Ökonomie nur machen, wenn man auch Ökologie macht.

Und die EU-Drohung mit den Kon-zessionen?Klaus Lindner | Was mit Port Pa-ckage II schon erledigt schien, kommt aus Brüssel jetzt erneut auf die Ta-gesordnung: Die Initiative, die Kai-Anlagen statt durch Verpachtung künftig mit Konzessionen zu verge-ben. Das soll an europaweite Aus-schreibungen gebunden werden und hätte aus unserer Sicht verheerende Auswirkungen.

Inwiefern?Klaus Lindner | Zum einen könn-ten die Beschäftigten nicht sicher sein, dass sie bei Konzessionswechsel ihren Arbeitsplatz behalten und vom neuen Unternehmen übernommen würden. Außerdem befürchten wir, dass durch solche Neuvergaben die Investitionsbereitschaft in die Hafen-anlagen sinkt. Wenn ein Investor da-

mit rechnen muss, dass sich seine Aktivitäten nicht refi nanzieren, son-dern womöglich nur seinen Nachfol-ger subventionieren, hält sich die Modernisierungsbereitschaft sicher in Grenzen. Das könnte letztlich sogar volkswirtschaftlich gesehen exporthemmend wirken. Wir mei-nen, dass es für die Häfen genügend nationalen und internationalen Wettbewerb gibt. Zusätzliche kon-kurrenzbelebende Maßnahmen wie die Konzessionsvergabe wären kont-raproduktiv. Da sind wir uns inner-halb der Gewerkschaften in der ETF einig, aber auch mit der Arbeitgeber-seite. Schließlich wird das auch in den fünf Küstenländern Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Mecklen-burg-Vorpommern und Schleswig-Holstein so gesehen.

Und wenn mit Appellen nichts aus-zurichten ist?Klaus Lindner | Wir sind am Ball, es gibt Gespräche mit der Politik auf nationaler und EU-Ebene, Gespräche mit der Hafenwirtschaft. Falls das nicht reichen sollte, haben die Hafen-arbeiter bei früheren Port-Package-Protesten ihre Stärke ja bereits unter Beweis gestellt. (Gespräch: NEH)

„Und mit gutem Grund hat der europäische Gesetzgeber die Vorlage der bisher zwei Hafenpakete der EU-Kommission abge-lehnt. Jeder Versuch der Vorlage eines quasi dritten Hafenpa-kets durch die Hintertür… wird auf Unverständnis und auf deut-lichen Widerstand unserer Kolleginnen und Kollegen stoßen.“(ver.di-Chef Frank Bsirske in einem Brief an EU-Kommissar Barnier)

„Uns erinnert dieser neue Ansatz an die damaligen Versuche, Regelungen auf europäischer Ebene gegen die Interessen der Beschäftigten in den Häfen durchsetzen zu wollen.“(ver.di-Fachgruppe Häfen in ihrer Stellungnahme zur Konzessionsinitiative der EU)

Nationales Know-How auf internationaler Ebene

Welten. Es gibt also die Fore-Runner und es gibt Entwicklungs länder. Das Flottenalter z. B. der deutschen Quali-täts-Airlines ist deutlich jünger als in den Schwellen ländern. Beim CO2-Ausstoß – dem Treibstoff-Verbrauch pro 100-Passagier-Kilomenter – da gibt es selbst schon erhebliche Diffe-renzen zwischen der alten US-Flotte und den modernen europäischen Flotten.

Wie kann man da überhaupt für mehr Klimaschutz sorgen, ohne dass der Wettbewerb ungerecht verzerrt wird?Manfred Calsow | Sowohl auf un-serer Klimakonferenz 2009 in London als auch auf der Klimakonferenz in Mexico haben wir einen sehr deut-lichen Akzent im Luftverkehr darauf gesetzt, dass wir es mit unterschied-lichen Themenstellungen zu tun ha-ben. Zum Beispiel Europa: Da gibt es eine sehr erhebliche Diskussion um die Frage Emissionshandel…

…der wohl bestenfalls ein kleiner Teil der Lösung ist.Manfred Calsow | Die Frage ist nach allgemeiner Auffassung nicht europazentriert zu lösen, sondern das ist ein Thema, welches global gelöst werden muss. Und wir stehen vor dem Problem, dass durch die neuen politischen Umstände in den USA

nach den Wahlen zum Kongress und zum Repräsentantenhaus offensicht-lich damit zu rechnen ist, dass die USA offenbar sogar einen Rückschritt vornehmen, was den Emissions-handel angeht. Dann würde Europa

mehr oder weniger günstigen Preisen an die Dritte Welt abstoßen und in Kauf nehmen, dass diese zwar nach wie vor technisch sicheren, aber um-welttechnisch desolaten Flugzeuge noch Jahrzehnte in der Welt herum-fl iegen, solange müssen wir uns nicht wundern, dass in der Dritten Welt Umweltzustände herrschen, die wir für nicht akzeptabel halten, die wir aber mit initiiert haben. Das führt dazu, dass man Lösungen anstreben

Wie wird sich die ITF mit dieser Prob-lematik weiter auseinandersetzen?Manfred Calsow | Die ITF, Sektion Luftverkehr, wird im März nächsten Jahres eine große Klimakonferenz ab-halten, in der wir dieses Thema wei-ter problematisieren, gleichwohl in unserem Anspruch von pro-aktivem Handeln die Öffentlichkeit und die Politik suchen werden, um unsere Ziele deutlich zu defi nieren und For-derungen zu formulieren.

Wie agiert die ITF denn konkret?Manfred Calsow | Die ITF ist natürlich in ihren Handlungsmöglich-keiten selbst beschränkt. Es wird ganz wesentlich davon abhängen, in wieweit die angeschlossenen Ge-werkschaften im Rahmen ihrer Mög lichkeiten in der Lage sind, Handlungsspielräume zu eröffnen. Das kann von einer starken politi-schen Einfl ussnahme ausgehen, wie es in Mitteleuropa über die Struktu-ren in den einzelnen Ländern und den europäischen Gremien möglich ist, das kann auch zu massiven Akti-onen von Gewerkschaften an ande-rer Stelle in der Welt führen, wo man halt auch über traditionelle gewerk-schaftliche Handlungsformen er-zwingen muss, dass nicht mehr trag-bare Umweltverschmutzungen durch einen veralteten Luftverkehr, durch veraltete Altersstrukturen in Frage gestellt werden müssen. Dies muss immer ein Zusammenspiel sein zwi-schen lokalen Gewerkschaften oder bilateralen Gewerkschaftsverbänden und der ITF. ver.di ist dabei ein ver-läßlicher und starker Partner. AvS

Manfred Calsow FOTO: PRIVAT

isoliert dastehen und dann ist damit zu rechnen, dass das ganze Thema Emissionshandel auf die lange Bank geschoben wird und nicht zur Lösung kommt. Die hat Folgen für die CO2-Problematik.

Der zweite Punkt sind die Dritte-Welt-Länder. Solange die hochmo-dernen Länder in Europa und Nord-amerika ihre Gebraucht-Flotten zu

muss, die Druck ausüben auf die han-delnden Personen, auf die Politik in den hochentwickelten Ländern, dass man aber gleichviel Programme auf-legen muss, welche helfen zu verhin-dern, dass die Alt-Flugzeuge in der Dritten Welt abgefl ogen werden. Das wird aber auch mit ganz erheblichen fi nanziellen Aufwendungen zu tun haben.

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8 Ö P N V8 FACHBEREICH VERKEHR 03 | 2010

Brücken im Pflegenotstand: „Von den 37.000 Brücken in Deutsch-land sind 45 Prozent in einem derart maroden Zustand, dass sie kurzfristig saniert werden müssen”, so Dietmar Oeliger, Ver-kehrsexperte des NABU. Den allein bei kommunalen Straßen ent-standenen Investitionsrückstau für Sanierungen schätzt er auf über 150 Milliarden Euro. FOTO: DIGITALSTOCK.DE

Die Ortsumfahrung Kleinkleckersdorf*), finanziert in Höhe von 9,9 Millionen Euro, ist bereits im Bau. Der Abgeordnete*): „Mein Baby wird nächstes Jahr fertig!” (Namen anonymisiert) FOTO: DIGITALSTOCK.DE

Von Volker Lempp, Leiter Verkehrs-recht beim ACE Auto Club Europa Auf unseren Autobahnen gibt es zwar kein generelles Tempolimit, da-für aber eine Richtgeschwindigkeit von maximal 130 Kilometer pro Stunde. Und es gibt gute Gründe, sich strikt an diese weiß auf blau ge-schriebene Aufforderung zu halten. Die wenigsten Verkehrsteilnehmer wissen, dass die vor mehr als 30 Jah-ren, am 21. November 1978, einge-führte Richtgeschwindigkeit mehr bedeutet, als eine bloße Empfeh-lung. Diese besagt, „auch bei günsti-gen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen… nicht schnel-ler als 130 km/h zu fahren”.

Zwischen Ideal und Wirklichkeit

Isoliert betrachtet, handelt es sich hierbei um einen sogenannten „Ver-

nunftaufruf”. Er strebt nach dem Willen des Gesetzgebers

neben der Unfallverhütung auch die Bildung eines allgemeinen Verkehrs-bewusstseins an, dem der Kraftfahrer auch ohne bindende Höchst-geschwindigkeitsregelung Rechnung tragen soll. Der Richt ge schwindig-keit fehlt hierzulande somit zwar die Verpfl ichtungswirkung, dennoch hat die Missachtung dieser Empfeh-lung nicht nur juristische und versicherungsrechtliche Folgen. Die gängige Auslegung der Richtge-schwindigkeitsverordnung defi niert nämlich auch den ideale Autofahrer: Wer schneller fährt als 130 km/h genügt nach herrschendem Verkehrs-recht grundsätzlich nicht mehr den Anforderungen an einen „Idealfah-rer”. Nur wer die Richtgeschwindig-keit einhält, verhält sich als Idealfahrer im Sinne des Straßen verkehrsgesetzes, festgeschrieben in §7 Abs. 2. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil bereits 1992 ent-schieden (Urteil v. 17. März 1992 – VI ZR 62/ 91).

Idealfahrer befolgen Richtgeschwindigkeit Der Mensch selbst setzt die Grenzen

Den Richterspruch in die reale Verkehrswelt übertragen, bedeutet: Wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößert per se das Unfallrisiko und kann bei einem Unfall entspre-chend in Mithaftung genommen werden. Bis auf den Beweis des Gegenteils kann sich kein Autofahrer darauf berufen, dass der Unfall un-abwendbar war, wenn er selbst schneller als 130 km/h gefahren ist. Es kommt dabei auch nicht auf den modernen technischen Entwick-lungsstand von Autos an, die selbst bei Geschwindigkeiten von mehr als 130 km/h gefahrlos betrieben wer-den können; auch kommt es nicht darauf an, dass der Ausbauzustand vieler Autobahnenstrecken eine Ge-schwindigkeit von mehr als 130 km/h zulässt. Entscheidend ist vielmehr, dass die technischen Möglichkei-

ten von Autos

Süßes verteilt der Betriebs-rat der Rheinbahn AG an die Fahrerinnen und Fahrer, die an Adventswochenenden Dienst tun. Weihnachten gibts dann Stollen… FOTO: CVP/TRANSITFOTO.DE

In einer Titelstory hat der Ver-kehrsreport bereits über das „Kaputtsparen” der deutschen Verkehrsinfrastruktur berichtet. Milliarden werden in Neubau-projekte, die sich als Fässer ohne Boden erweisen, gelenkt, wäh-rend der Substanzverlust unauf-haltsam fortschreitet.

Der Ruf nach einer grundlegenden Wende in der Verkehrswegeplanung wird lauter…Arne von Spreckelsen | …weil es höchste Zeit wird, den anachronisti-schen Unsinn eines Bundesverkehrs-wegeplans zu beenden.

Unsinn?Arne von Spreckelsen | Ja. Diebisherigen Bundesverkehrswegeplä-ne haben viel mit der Romanreihe Harry Potter gemein. Der Bundes-verkehrsminister sollte sich ein Bei-spiel an J. K. Rowling nehmen, und sich von dieser Fantasiewelt verab-schieden.

Die Vorhaben im Bundesverkehrs-wegeplan sind doch aber sehr real.

Arne von Spreckelsen | Ja, aber es fehlt das schlüssige Gesamtkon-zept. Föderaler Proporz verhindert zudem die Konzentration auf natio-nale und damit verbundene europäi-sche Schwerpunktsetzungen. Chro-nisch unterfi nanziert ist das alles sowieso, auf Treibsand gebaut.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat fest-gestellt: Schon heute hinken wir bei der Realisierung der bis 2015/2020 geplanten Ziele zehn Jahre hinterher. Zudem wurden die erforderlichen Finanzmittel haushälterisch mit hei-ßer Nadel zusammengestrickt. Bei vielen Projekten schossen die realen Kosten seit der Aufl egung 2003 in die Höhe. Kein Wunder: Man hatte bei der Finanzplanung die Preise von 2001 zugrunde gelegt! Allein in Ba-den-Württemberg sind die Kosten für Fernstraßenprojekte des vordring-lichen Bedarfs von 6 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden Euro gestiegen.

ver.di kritisiert zudem das „Kaputt-sparen” der Infrastruktur.Arne von Spreckelsen | Viele Politiker rennen von Straßenein-weihung zur Umgehungsstraßenein-weihung, zur Brückeneinweihung und zurück. Da hat man was für den Wahlkreis getan, super! Da könnten sie auch gleich Handys und Kredit-karten verschenken – wer zahlt dann bitte am Ende die Rechnung? Schon heute reicht das Geld nicht aus, um wenigstens das Bestandsnetz in

Arne von Spreckelsen FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN

Planloses Gutdünken?Warum der Bundesverkehrs wegeplan

radikal umgebaut werden muss

Schuss zu halten. Schlaglöcher und marode Brücken sind in Deutschland keine Ausnahme, sondern werden immer mehr zur Regel. Kein Wunder. Bleiben wir beim Beispiel Baden-Württemberg: Jährlich fehlen hier 100 Millionen Euro für den Unterhalt der Fahrbahnen und Brücken. Wenn dann noch zugunsten von Aus- und Neubau umgeschichtet wird – gute Nacht, Marie.

Ein christdemokratisches Problem?Arne von Spreckelsen | Ein Prob-lem aller direkt gewählten Abgeord-neten. Nur ein Besipiel von vielen, gefunden im Internet auf einer Ab-geordneten-Homepage: „Für den Wahlkreis stand und steht – wie im-mer – die Verkehrspolitik im Mittel-punkt. Dass ich hier so erfolgreich war und bin wie noch kein Abgeord-neter zuvor, darauf bin ich schon ein bisschen stolz.” Woran dieser Abge-ordnete seinen Stolz festmacht? 250 Millionen Euro hatte er „beim Chef” lockermachen können, damit u. a. Ortsumgehungen gebaut werden um Orte, die schon in der nächstgelege-nen Kreisstadt keiner mehr kennt…

Die FES kritisiert auch, dass die Mit-telvergabe zum Bundesverkehrswege-plan zu großen Teilen dem Gutdün-ken des Ministers unterliegt.Arne von Spreckelsen | Das Aus-maß der Möglichkeiten von Vergabe-entscheidungen nach Gutdünken und Wahlkreisfarbe bestätigt doch

nur den Ruf nach eine grundsätz-lichen Wende hin zu einer am Gemeinwohl orientierten Bundesver-kehrsnetzplanung, wie ihn der Ar-beitskreis Innovative Verkehrspo litik der FES, bei dem u.a. unser Partner ACE, aber auch BUND, VCD und an-dere mitarbeiten, fordert.

Welche Weichenstellungen müssen getroffen werden?Arne von Spreckelsen | Schnellst-möglich muss der Substanzverlust gestoppt werden. Das heißt: Erhalt und Optimierung vor Neubau, und das alles auf Basis eines bundeswei-ten Zustandsbefundes sowie eines daraus auch haushalterisch realis-tisch zu berechnenden Substanzer-haltungs-Masterplanes.

Die im Koalitionsvertrag verabre-dete neue Grundkonzeption muss das Update des BVWP zu einer Bun-desverkehrsnetzplanung, also der Defi nition eines verkehrsträgerüber-greifenden nationalen Zielnetzes im europäischen Kontext, beinhalten. Auf die großen Korridore und Ach-sen muss sich der Bund im Sinne des Gemeinwohls konzentrieren. Eine solche Planung wird durch die Aus-wirkungen des demografi schen Wandels erschwert, da sie in der Um-setzung bis in die 2030er und 40er-Jahre führen wird. Ein Kraftakt, für mich alternativlos. Wir sind das den dann handelnden Generationen schuldig. Die können ein verrottetes Verkehrs-Erbe ja nicht ausschlagen.

durch menschliche Eigenschaften be-grenzt sind. Das gilt etwa für das Maß an Voraussicht und das Reakti-onsvermögen. Dem muss der „Ideal-fahrer” in seiner Fahrgeschwindig-keit auch dann Rechnung tragen, wenn er meint, er könne sein eige-nes Fahrzeug bei der von ihm gefahrenen hohen Geschwindigkeit voll beherrschen.

Dass die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit auch im kommenden Jahr Unfälle ver-hüten und die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen hilft, hofft nicht nur die Redaktion. Wir wünschen allen Mitglie-dern und Verkehrsteilnehmern auch 2011, dass sie pünktlich und sicher ans Ziel kommen!

I M F O K U S