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Future Wir nehmen die Zukunft in die Hand! Ausgabe 01, 2013 voestalpine Magazin www.voestalpine.com Stadt der Zukunft Vernetzt, leise und emissionsfrei – Visionen der Metropole von morgen — Seite 28 Fünf Länder, eine Vision? Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – ein Ausblick von Insidern — Seite 48 Energie – immer einen Schritt voraus Clevere Innovationen für kommende Generationen — Seite 33

Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Page 1: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

FutureWir nehmen die Zukunft in die Hand!

Ausgabe 01, 2013

voestalpine Magazin

www.voestalpine.com

Stadt der ZukunftVernetzt, leise und emissionsfrei – Visionen der Metropole von morgen — Seite 28

Fünf Länder, eine Vision?Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – ein Ausblick von Insidern — Seite 48

Energie – immer einen Schritt vorausClevere Innovationen für kommende Generationen — Seite 33

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voestalpine Information

Unter dem Motto „Wir nehmen die Zukunft in die Hand“ verdeutlicht unsere neue Image- und Markenkampagne aus 2012, was uns ausmacht: wir, die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter, mit unseren ganz per-sönlichen Stärken! Unser täglicher Einsatz, unsere Liebe zum Detail und unsere Freude an der Herausforderung, egal ob im berufli-chen oder privaten Umfeld, stehen für unse-re Vielseitigkeit.

Lernen Sie durch die beigefügte DVD mit allen zwölf Filmen in zwölf Sprachen unsere „Hauptdarsteller“ der Kampag-ne besser kennen und werden Sie für einen Moment Teil ihres Lebens. Wir gewähren Ihnen authentische und berührende Einbli-cke in unseren Alltag und bieten Ihnen die Chance überraschende und unerwartete Themen unseres Konzerns zu entdecken.

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Liebe Leserinnen und Leser,

der Schriftsteller William Gibson sagte einmal: „Die Zukunft ist bereits hier – sie ist nur nicht gut verteilt.“ Gibson hatte recht, aber nur zur Hälfte. Die Zukunft ist nicht an einem bestimmten Ort – in Japan oder im Silicon Valley – sondern überall. Und sie ist immer in Bewegung. Von den aufstre-benden Wirtschaftsnationen der Welt wie den BRICS bis hin zu den westlichen Industrieländern: Überall kommt es immer wieder zu neuen Durch-brüchen. Wahre Innovationen entstehen, wenn Menschen und Unternehmen diesen Veränderungen nicht tatenlos zuschauen, sondern aktiv voranschreiten. Durch die Verbindung von über 500 Konzernge-sellschaften und -standorten in über 50 Ländern auf fünf Kontinenten ist voestalpine ein Motor des Fortschritts. Unsere Projekte reichen von schein-bar einfachen Produkten bis hin zu hoch kom-plexen Anlagen, von Hightech-Weichen bis zum Startergehäuse für Raketentriebwerke des Eu-ropäischen Luftfahrtprogramms. Dabei sind ge- rade in den einfachsten Ideen oft bahnbrechende Innovationen verborgen. So sind eher unspekta-kulär wirkende Weichen Grundpfeiler des Ver-kehrswesens. Ohne sie würde die globale Logistik zum Stillstand kommen. Auch wenn es sich um mechanische Teile handelt, war es doch die Kreativität der Menschen, die zu ih-rer Erfindung geführt hat. Diese Kreativität bringt immer neue Ideen hervor. Jede Person – Kon- strukteur, Hersteller und Nutzer – ist entschei-dend für ihren Erfolg. Wir packen Probleme ge-meinsam an den Wurzeln. Dabei ist die Erarbei-tung neuer Standards nur ein kleiner Teil.Welche Rolle die Kraft des Einzelnen dabei spielt, ist überall auf der Welt zu beobachten. Dieses Ma- gazin erzählt Geschichten von wichtigen Verände- rungen. Von dem Studenten in Kasachstan, der online Genetik studiert, bis hin zu der holländi-schen Musiklehrerin, die kosmische Gaswolken entdeckte, bilden immer mehr Menschen Netz-werke, um sich gegenseitig zu unterstützen. Wenn Gruppen auf der ganzen Welt durch die Globa-lisierung aufeinandertreffen, erfahren sie vieles

über ihre Gemeinsamkeiten, aber auch über kul-turelle Unterschiede. Die brasilianische Groß-mutter und das chinesische Kind, mit dem wir gesprochen haben, leben in unterschiedlichen Si-tuationen und haben unterschiedliche Geschich- ten, aber ihre Ziele im Leben sind erstaunlich ähn- lich. Zu unseren Aufgaben gehört es, diese Unter-schiede zu erkennen und darauf zu reagieren. Durch Teamarbeit, Engagement und Offenheit entstehen unsere Lösungen nicht trotz, sondern dank der Vielfalt. Diese Freude an Herausforde-rungen zeichnet uns aus und so nehmen wir die Zukunft in die Hand und gestalten sie aktiv mit. Das ist nicht immer einfach, aber wir glauben, dass nachhaltige Lösungen den großen Einsatz wert sind. Was immer uns die Zukunft bringen mag: wir sind bereit. Es ist die Liebe zum Detail, die uns mit- einander verbindet und uns erlaubt, die Grenzen des Möglichen immer wieder neu zu definieren – so sind wir immer einen Schritt voraus. Wir wün-schen Ihnen viel Freude beim Lesen der Beiträge über spannende Neuheiten auf der ganzen Welt.

Mit herzlichen Grüßen

„Wir nehmen die Zukunft in die Hand.“

Ihr Dr. Wolfgang Eder, CEO voestalpine AG

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Unsere ZukunftWas die Menschen von voestalpine vom Morgen erwarten

Was uns antreibtÜber die Macht des Einzelnen

Wissenschaft für alleWie jeder zum Forscher werden kann

Wer hätte das gedacht?Vier Menschen: was sie werden wollten und was sie wurden

Tai-Chi-Genie Wie Neurowissenschaftler Norman Doidge seinen Geist fit hält

Das Gehirn neu gestaltenEin Interview mit Norman Doidge

Da seinInhalt

Wie werden wir

leben? Visionen

der Metropole von

morgen. (S. 28)

Bedeutet das Internet

das Ende der

Universität, wie wir

sie kennen? (S. 56)

Erfindungen, die

unser Leben leichter

machen. (S. 70)

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Ausgabe 01 / 2013

MitwirkendeDie Autoren und Fotografen, die dieses Magazin gemacht haben

Impressum

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Vorausdenken

Stadt der ZukunftVernetzt, leise und emissionsfrei – Visionen der Metropole von morgen

Energie – immer einen Schritt vorausClevere Innovationen für kommende Generationen

StahlkreislaufMaterial mit nicht nur einem Leben

Auf den Schienen von morgenDie Bahn – ein Relikt der Vergangenheit oder neuester Trend in der Mobilität?

Fünf Länder, eine Vision?Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – ein Ausblick von Insidern

Die BildungsrevolutionWie das Internet Bildung demokratisiert

Neugierig bleiben

Erfolglose Erfindungen... und warum sie scheiterten – der Teufel steckt im Detail

Trends aus Hollywood: visuelle EffekteDark Knight, Avatar und Co.

Kleines Detail, große WirkungErfindungen, die unser Leben leichter machen

Die Humanisierung des AllsÜber einen Raumanzug, der kommerzielle Weltraumflüge möglich macht

Expo 2015Sind Weltausstellungen eher Traum oder realitätsnahe Vorausschau?

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Impressum

AnDrEA FEnnJournalist und Fotograf in Shanghai (China)

Der in Italien geborene Andrea Fenn studiert und arbeitet seit 2005 in China. Er lebt in Shanghai, spricht fließend Mandarin und schreibt gerade sei-nen ersten Roman auf Chinesisch. Gemeinsam mit Richard Macauley wagt er einen Blick in die Zu-

kunft der Mobilität auf Schienen.— SEITE 40 —

JOHAnnA BLOOMFIELDDesign Consultant in New York (USA)

Johanna Bloomfield hat über zehn Jahre Erfahrung im Bereich Performance Wear und technische Ge-webe. Sie arbeitet an innovativen Konzeptprojekten wie der Entwicklung eines Druckanzugs für die pri-vate Raumfahrt, den sie uns im vorliegenden Maga-

zin vorstellt.— SEITE 72 —

Impressum

Die Menschen hinter

„Zukunft“

Die Zukunft sieht für jeden von uns anders aus. In diesem Magazin möchten wir Ihnen deswe-gen nicht nur zeigen, wie wir bei voestalpine die Welt sehen. Wir haben einige der besten Jour-nalisten der Welt gebeten, ihre Geschichten zu erzählen. Kommen Sie mit auf eine Reise von Brasilien nach Indien, von New York nach Jo-hannesburg. Auf diesen beiden Seiten stellen wir Ihnen einige dieser Menschen genauer vor.

Mit „Zukunft“ haben wir eine Plattform für ganz unterschiedliche Stimmen geschaffen. Gemein-sam ergeben sie mehr als die Summe ihrer ein-zelnen Teile. Das Ergebnis ist dieses Magazin.

Mitwirkende:

Eigentümer und Medieninhaber:

voestalpine AGvoestalpine-Straße 1

4020 Linz

Herausgeber:

Gerhard Kürner

Chefredaktion:

Maria ReibenbergerT. +43/50304/15-5432

[email protected]

Konzept, redaktion und Gestaltung:

Commandante Berlin GmbHInhaber: Toni Kappesz

Schröderstraße 1110115 Berlin

Übersetzung:

Audi Akademie GmbH, Ingolstadt

Druck:

Kontext Druckerei GmbH, Linz

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Mitwirkende

PAUL SULLIVAnAutor und Fotograf in Berlin (Deutschland)

Paul Sullivans Hauptthemen sind Musik, Reisen und Kultur. Seine Beiträge und Bilder wurden in The Gu-ardian, National Geographic UK und The Indepen-dent veröffentlicht sowie bei der BBC ausgestrahlt. Für „Zukunft“ berichtet er über die Expo 2015 in

Mailand. — SEITE 74 —

rEMO BITZIAutor und Verleger in Luzern (Schweiz)

Remo Bitzi wurde in der Schweiz geboren und lebt heute in Luzern. Er begann seine Karriere bei einer Bank, veröffentlicht heute aber lieber sein eigenes Magazin für zeitgenössische Themen „zweikomma-sieben“. Uns erklärt er, wie jeder von uns zum Wis-

senschaftler werden kann.— SEITE 15 —

AnA CArOLInA MInOZZOJournalistin in London (UK) und Porto Alegre (Brasilien)

Ana Carolina Minozzo wurde in Porto Alegre gebo-ren. Seit 2007 pendelt sie zwischen ihrem Heimat-land und London. Als Journalistin ist sie auf Kunst und Mode spezialisiert und macht nebenher eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin. Ana erzählt uns

über das Leben im BRICS-Land Brasilien. — SEITE 51 —

JUDITH rEKErAutorin in Johannesburg (Südafrika)

Judith Reker wurde in München geboren und lebt nach Stationen in Kenia und im Kongo seit 2007 in Johannesburg. Sie schreibt über Kultur und Wirt-schaft, unter anderem für den Architectural Digest und für die Financial Times. Für „Zukunft“ untersucht

sie, was der BRICS-Status für Südafrika bedeutet. — SEITE 55 —

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Section

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Unsere ZukunftWas die Menschen von voestalpine

vom Morgen erwarten

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Was uns antreibtÜber die Macht des Einzelnen

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Wissenschaft für alleWie jeder zum Forscher werden kann

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Wer hätte das gedacht?Vier Menschen: was sie werden wollten

und was sie wurden

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Tai-Chi-Genie Wie Neurowissenschaftler Norman Doidge

seinen Geist fit hält

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Das Gehirn neu gestaltenEin Interview mit Norman Doidge

Da seinMenschen Halt und Sicherheit geben

Aufgrund unserer dezentralen Struktur können wir schneller agieren und reagieren, so sind wir für all unsere Anspruchsgruppen greifbar und versuchen,

ihre Bedürfnisse mit einem Höchstmaß an Flexibilität und Dynamik zu erfüllen. Wir packen Probleme an der Wurzel und lassen nicht locker, denn für

die Zukunft lohnt es sich zu kämpfen.

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Da sein

BOO rUnDqVIST (57)

Kommunikationsleiter

Uddeholms AB

Hagfors, Schweden

„Jeden

Moment

leben“

1. Im März Großvater zu werden und mich fit zu halten. 2. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Es ist wichtig, je-den Moment zu leben. 3. Wenn damit morgen oder nächste Woche gemeint ist, dann ja. Das Leben muss immer sorg-fältig geplant werden, aber das reicht. In meiner Freizeit möchte ich einfach nur frei sein. 4. Dinge wie Heiraten und Kinder bekommen natürlich. Ein großer Schritt war auch, den Beruf zu wechseln. Ich war Journalist und wechselte zu Uddeholm. 5. Alles! Wenn man nicht mehr daran glaubt, stirbt ein Teil von einem selbst. 6. Ich bin gerne zum Wan-dern und zum Skilaufen auf dem Land und da ist meine Gesundheit der Schlüssel zu einem reichhaltigen und viel-fältigen Leben. 7. Einen Fotoapparat, um alles zu doku-mentieren!

YI GAO (4)

Kindergartenkind

Wujiang, Suzhou, China

„Ich möchte

wissen, was

passiert“

1. Ärztin werden. 2. Ja, ich möchte wissen, was passiert. 3. Ja, mit Mama und Papa draußen spielen. 4. Mama hat mich in diese glückliche und warmherzige Familie ge-bracht. 5. Ich werde älter und größer werden. 6. Die Liebe meiner Eltern. 7. Einen Schlecker natürlich.

Unsere ZukunftFOTOS Rony Zakaria, Andrea Fenn, Daniel Ha, Claus Sjödin, Rafael Bastos

Was die Menschen von voestalpine

vom Morgen erwarten

1. Worauf freuen Sie sich in der Zukunft?2. Würden Sie gern genauer wissen, was Sie in der Zukunft erwartet?3. Wissen Sie bereits, was Sie morgen tun werden? 4. Blicken Sie zurück: Welche Ereignisse in Ihrem Leben waren maßgeblich für Ihre Zukunft?5. Welcher Aspekt Ihres Lebens wird sich Ihrer Meinung nach in der Zukunft verbessern? 6. Was sollte sich in der Zukunft nicht ändern?7. Wen oder was würden Sie auf eine Reise mit einer Zeitmaschine mitnehmen?

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Da sein

JC ABBOTT (15)

Schüler

Surrey, Kanada

AnGELA DE MArTInO CASAnOVA (77)

Hausfrau

Campinas, Brasilien

„Die Zukunft

ist nie sicher“

„Ich hoffe auf

eine bessere

Welt“

nELLY SIMAMOrA (35)

Angestellte in der

Einkaufsabteilung

Cikarang, Bekasi,

Indonesien

„Ich gestalte

meine Zukunft

selbst“

1. Mehr Erfolg in meinem Privatleben und in meinem Beruf. 2. Ja, und ich glaube, ich weiß es bereits, weil ich meine Zukunft selbst gestalte. Niemand anders bestimmt darüber. 3. Ja, ich weiß es in beruflicher Hinsicht, weil ich jeden Tag arbeite. Alles andere kommt auf die Umstände an. 4. Meine Erfahrung mit meinen beiden letzten Arbeit-gebern hat mir zu einer besseren Arbeitseinstellung, Stim-mung und Mentalität verholfen. 5. Mein persönliches Le-ben: Familie, Finanzen und insbesondere meine Art, über die Zukunft nachzudenken. 6. Ich glaube, alles sollte sich ändern. Wenn etwas gut ist, können wir es noch besser ma-chen. Wenn es besser ist, warum sollten wir nicht das Beste daraus machen? Der Veränderung sind keine Grenzen ge-setzt. 7. Meine Mutter.

1. Auf bessere Zeiten, ohne Gewalt und gute Gesundheit. 2. Nur, wenn sie Gutes bringt. Andernfalls ist es besser, die Dinge einfach geschehen zu lassen. 3. Heute weiß ich, was ich morgen tun werde, aber nicht langfristiger. 4. Ich bin mit meinem Mann nach Brasilien ausgewandert. Er ar-beitete und ich habe den Haushalt geführt. Jetzt bin ich Witwe, meine Kinder sind verheiratet und ich bin weit von meiner Familie in Italien entfernt. 5. Gesundheit für mich, meine Kinder, Enkel und Urenkel. 6. Das einzige, was wir nicht ändern können, ist der Tod. Unser Handeln im Jetzt kann jedoch alle Aspekte der Zukunft ändern. 7. Ich wür-de meine Familie und die Hoffnung auf eine bessere Welt ohne Korruption, Gewalt und mit mehr Höflichkeit und Re-spekt mitnehmen.

1. Ich freue mich darauf, unabhängig zu sein, und in neu-en Städten zu leben. 2. Ich möchte nicht wissen, was mich in der Zukunft erwartet. 3. Ich weiß, was ich morgen tun werde, aber die Zukunft ist nie sicher. 4. Dinge wie die Mit-gliedschaft im Football-Team, ein von der Schule organi-sierter Austausch in Quebec und der Sieg beim Speechfest der Stadt in der 5. Klasse haben mein Leben, meine Per-sönlichkeit und meine Vorlieben stark beeinflusst. 5. Ich glaube, ich werde unabhängiger sein und mich in Situatio-nen mit anderen Menschen besser verhalten. 6. Meine Be-ziehung zu meinen Freunden und mein Mut, wenn ich vor einer großen Menschenmenge stehe. 7. Einen Notizblock und einen Stift, um aufzuschreiben, was ich sehe.

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Was uns antreibtTExT Natalie Holmes FOTOS Christoph Dammast

Über die Macht des Einzelnen

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1955 weigerte sich Rosa Parks in einem Bus in Alabama, ihren Sitzplatz im Bereich für Farbige

für einen weißen Fahrgast zu räumen. Ihre Trotzgeste wurde zum Symbol der amerikanischen Bürgerrechtsbewe-gung und zu einem Schlüsselereignis im Kampf gegen die Rassentrennung in den USA. „Es hieß immer, ich habe meinen Platz nicht aufgegeben, weil ich müde war, aber das stimmt nicht“, erinnert sie sich. „Ich war es nur leid, immer nachzugeben.“Der Wunsch, uns für unsere Überzeu-gungen einzusetzen, macht uns zu Menschen. Viele sind in die Geschich-te eingegangen, weil sie mit einfachen Gesten große Veränderungen bewirkt haben. Neue Medien haben dafür ge-sorgt, dass viele der früheren Grenzen sich auflösen. Heute ist es einfacher denn je, nach den eigenen morali-schen Maßstäben zu leben und ein erfüllteres und zufriedeneres Leben zu führen.Heute Morgen bekam ich eine E-Mail, die mir für den Rest des Tages gute Laune beschert hat. Sie stammte von

einer Organisation namens Change.org. Ich gehöre zu den über 30.000 Per-sonen, die eine Online-Petition gegen

die Privatisierung und Schließung von einem der schönsten Gemeinschafts-gärten meiner Stadt unterzeichnet hat. Es handelte sich um ein drei Jahre andauerndes Projekt, das ein brachlie-gendes Gebiet in der Innenstadt in ein produktives biologisches Anbaugebiet verwandelt hat. Dank der Unterschrif-ten zahlreicher Menschen und meiner eigenen existiert diese grüne Oase mitten in der Stadt auch heute noch.

Uns für unsere

Überzeugungen

einzusetzen, macht

uns zu Menschen

Natürlich ist es etwas ganz Anderes, eine Petition zu unterzeichnen, als die gravierenden Risiken einzugehen, die Menschen wie Rosa Parks auf sich ge-nommen haben, um die Welt zu ver-bessern. Aber wir haben heute neue Möglichkeiten; über Netzwerke im In-

ternet können Menschen durch einen einfachen Mausklick etwas bewirken. Manchmal mag auf den ersten Blick

der Eindruck entstehen, das Internet isoliere uns und jeder beschäftige sich nur mit seinen eigenen Angelegenhei-ten. Doch wahr ist auch, dass wir frü-her viel stärker voneinander getrennt waren, während wir heute auf ein Netzwerk zählen können, dass durch virtuelle Hilfestellung Menschen dazu motivieren kann, gemeinnützige soziale Projekte zu starten. Das ein-zigartige Band, das uns verbindet, schenkt uns Hoffnung, Inspiration und den Wunsch, Gutes zu tun. Neue technische Möglichkeiten bieten die Voraussetzungen, dass wir diesen Wunsch auch umsetzen können. Heutzutage kann sich jeder mit einer gut präsentierten Idee einen Traum erfüllen – sofern er es schafft, andere Menschen für seine Idee zu gewin-nen. Leisten viele einen kleinen Bei-trag, kommt eine große Summe dabei heraus. Die sogenannte Schwarm-finanzierung, bei der die Investition auf viele Schultern verteilt wird, spielt eine immer wichtigere Rolle. Und längst dient sie nicht nur der Finan-zierung von kommerziellen Produk-ten; karitative und soziale Projekte sind mindestens ebenso beliebt. 2008 sammelte die britische Regisseurin

Da sein

Betrag In US-Dollar, Der für DIe entwIcklUng eIner

hanDygeSteUerten glühlaMpe SchwarMfInanzIert wUrDe

1,3 Mio.

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Franny Armstrong knapp £ 700.000 für die Produktion und den Kinostart ihres wegweisenden Films zum The-ma Klimawandel The Age of Stupid. Gegen Ende 2012 schoss ein interdis-ziplinäres Team unter der Leitung von Phil Bosua für die Entwicklung einer WLAN-fähigen und Handy-gesteuer-ten Glühlampe mit atemberaubenden $ 1,3 Millionen weit über die Zielvor-gabe von $ 100.000 hinaus. Doch geht es bei der Schwarmfinan-zierung nicht immer um Geld. Auch wertvolles kulturelles Kapital kann gesammelt und eingesetzt werden, um positive soziale Veränderungen zu bewirken. Dabei kann es sich um ein lokales Projekt wie meinen Ge-meinschaftsgarten handeln; es kann aber auch darum gehen, durch dyna-mische Netzwerkkampagnen Einfluss in der internationalen Szene auszu-üben. Franny Armstrongs Motivation liegt beispielsweise in ihrem Enga-gement für ein stärkeres Bewusstsein in Sachen Klimawandel, ihre Arbeit in diesem Bereich hat jedoch auch ihr Selbstwertgefühl gestärkt. „Ich

gehöre zu der MTV-Generation, der beigebracht wurde, dass es im Leben um Shoppen und Computerspielen

geht“, erklärt sie gegenüber der Ta-geszeitung The Guardian. „Ich war überrascht, dass mein Leben so viel bedeutungsvoller war, als ich eigent-lich gedacht hatte.“Die Menschheit wird ihre unendliche Suche nach dem Sinn des Lebens si-cherlich nie aufgeben, aber viele glau-ben, dass persönliches Engagement und Barmherzigkeit schon mal ein guter Ausgangspunkt sind. Vor etwa einem Jahrhundert stellte Albert Ein-stein mit dem ihm eigenen Scharfsinn fest: „Alles Wertvolle in der menschli-chen Gesellschaft hängt von den Ent-wicklungschancen ab, die jedem Ein-zelnen eingeräumt werden.“ Im Jahr 2013 haben wir mehr Entwicklungs-chancen denn je. Noch nie hatten wir so große Möglichkeiten, als Einzelne Ein-fluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Wir sind auf alle Probleme des 21. Jahrhunderts (die ohne Frage zahl-reich und schwerwiegend sind) besser vorbereitet denn je und können so-wohl als Einzelne als auch als mensch-liche Gesellschaften wirksam auf jede lokale oder globale Herausforderung

reagieren. Neue Technologien, oder besser gesagt, die Art und Weise, wie wir sie einsetzen, erweitern das Spekt-

rum der Möglichkeiten zu lernen, Pro-bleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. In einer Zeit finanzieller und wirtschaftlicher Unsicherheit ist diese neue Art des Lebens und Ver-bundenseins trotz aller Unwägbarkei-ten ein guter Grund für Optimismus. Die Zukunft steht vor uns und schenkt uns neue und spannende Möglichkei-ten, die Welt zu verändern. Die einzi-ge noch offene Frage ist: Was werden Sie tun?

Da sein

voestalpineFakten

So unterschiedlich die welt auch ist, so schnell sie sich auch bewegt und verändert, wir müssen heute entscheiden, wie die zukunft aussehen soll. Deshalb bringen wir von voestalpine uns ein – jeden tag, überall auf der welt – mit unserer erfahrung und mit sicherem gespür für zukünftige entwicklungen, aber vor allem mit unserer faszination für Stahl. wir geben Menschen halt und Sicherheit, versorgen sie mit energie, schaffen Bewegung und lassen ihre Ideen wirklichkeit werden. all das ist teil einer nachhaltigen entwicklung, denn Stahl ist zu 100% recyclebar und bietet noch so viele Möglichkeiten für die zukunft. es ist der Stahl, mit dem wir nachhaltig die welt, in der wir leben, verändern. es ist diese liebe zum Detail, diese freude an der herausforderung, die uns alle ausmacht. wir warten nicht, wir nehmen die zukunft in die hand.

Page 15: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Bis ins 18. Jahrhundert war es noch die Regel: Menschen wie Sie und ich machten bahnbre-

chende Entdeckungen. Bürger ohne spezifische akademische Vorbildung schlüpften in die Rolle von Forschern. Mit der zunehmenden Spezialisierung der Wissenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts rissen Akademiker die Forschungshoheit aber größtenteils an sich.In den letzten Jahren kündigt sich je-doch eine Trendwende zurück zur Wis-senschaft mit der Beteiligung des Ein-zelnen an („citizen science“ bedeutet so viel wie Bürgerwissenschaft) und Wissenschaftlerteams auf der ganzen Welt greifen wieder auf die Hilfe von Laien zurück. Zahlreiche Websites wurden ins Leben gerufen, die dem Nutzer Hilfsmittel und Anleitungen für das heimische Forschen am Bildschirm liefern. Dabei werden ihm kaum Gren-zen gesteckt – weder inhaltlich noch in Sachen Komplexität. Der User entschei-det selbst, ob er sich beispielsweise mit Sternenbildern oder Lärmemissionen auseinandersetzen und ob er Daten sammeln oder auswerten will.

Was steht in den Sternen?

Jeder kann mitmachen. Das beste Beispiel dafür ist „Hannys voorwerp“ (niederländisch für Objekt), eine von einem Quasar zum Leuchten gebrach-

te orbitale Gaswolke. Das Phänomen wurde nicht durch das Teleskop ei-nes Astronomen entdeckt, sondern am Computer der holländischen Mu-siklehrerin Hanny van Arkel. Beim Sortieren von Fotos auf der Plattform Galaxyzoo entdeckte sie im Sternbild Kleiner Löwe ein glühendes blaues Objekt. „Hannys Ding“ wurde von Amateuren wie von erfahrenen Wis-senschaftlern leidenschaftlich disku-tiert. Van Arkel ist nicht die einzige

Nutzerin, die bei der Online-Commu-nity nach ungewöhnlichen Himmels-objekten sucht. Die Website zählte be-

reits in ihrem ersten Jahr (2007) über 150.000 Mitglieder. Seitdem wurde die Plattform mit über 110.000 Visits im Monat zu einer der meistbesuchten ihrer Art.

Mutter Erde

Wer sich lieber mit dem eigenen Pla-neten als mit Meteoritenstaub aus weit entfernten Galaxien befasst, forscht auf der deutschen Plattform Natur-

gucker. Sie lädt Amateure ein, Vögel, Säugetiere, Insekten oder Pflanzen zu beobachten. Die Nutzer teilen

Wissenschaft für alle

TExT Remo Bitzi FOTOS Christoph Dammast, galaxyzoo.org, Image by NASA / ESA

Wie jeder zum Forscher werden kann

Da sein

Page 16: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

16

ihre Beobachtungen auf der Seite mit und werten sie gemeinsam mit anderen aus. Bis heute wurden über 3,2 Millionen Beobachtungen in über 52.000 Gebieten gemeldet und disku-tiert. Ein weiteres Projekt, das sich um Flora und Fauna dreht, ist Snapshot Seren-geti. 45 Jahre lang hat man Studenten zur Beobachtung von Löwen in ihrem

natürlichen Lebensraum in den Ser-engeti-Nationalpark geschickt. Heute machen 225 Kameras vor Ort Bilder, die dann von Laien zu Hause am Rech-ner ausgewertet werden. Chris Lintott von der Universität Oxford, einer der Projektleiter, erklärt: „Wir können die-se 3.000.000 Ferienschnappschüsse al-leine nicht auswerten.“

Wie wird das Wetter?

Lintott baut auch für andere Studien auf Bürgerwissenschaftler, zum Beispiel für das Old-Weather-Projekt. Ama-teurforscher lesen die bis zu 150 Jahre alten Logbücher von amerikanischen Seeleuten. Historiker hoffen, aus ihren Einträgen nicht nur Schlüsse über die Geschichten der Männer an Bord sowie über die Schiffsrouten ziehen zu kön-

nen. Die Logbucheinträge sind auch für Klimaforscher interessant, weil sie die Wetterbedingungen ausführlich doku-mentieren. Je genauer das vergange-ne Wetter nachvollzogen werden kann, desto exakter können zukünftige Prog-nosen für das Weltklima ausfallen.Für das aktuelle Wetter interessieren sich Forscher unterschiedlicher Insti-tutionen in der Gegend von San Fran-

cisco in Kalifornien. Im Projekt Urban Atmospheres fragen sich die Wissen-schaftler, warum man sich mit einer Durchschnittstemperatur für eine gan-ze Stadt zufrieden geben sollte, wenn diese Temperatur doch je nach Standort eines Nutzers – in der stickigen U-Bahn oder unter einem Baum im Park – stark variieren kann. Ein hochleistungsfähiges Messgerät, so die Forscher, ist ja heutzutage sowieso immer dabei: das Smartphone. Die For-schungsteams wollen einen möglichst großen Teil der Bevölkerung mit einer App ausrüsten, welche die Datenauf-nahme und -auswertung ermöglichen soll. Dabei sind nicht nur Temperatu-ren, sondern auch Lärmemissionen und Luftverschmutzung Parameter, die ge-messen werden sollen. So können diese dann standortgenau abgerufen werden.

Ein neues Gemeinschaftsgefühl

Bei Bürgerwissenschaftsprojekten geht es eigentlich immer um die Verbes-serung unseres direkten oder indi-rekten Umfeldes. Das Ziel: eine Win-Win-Situation. Einerseits unterstützen Bürgerwissenschaftler Berufswissen-schaftler bei der Erhebung von Daten, die aufgrund der großen Datenmen-gen anders gar nicht auszuwerten wä-ren, andererseits haben sie dadurch die Möglichkeit, am akademischen Diskurs teilzuhaben und eigene Kenntnisse zu erwerben. Der Abstand zwischen gebildeter Elite und Nicht-Akademikern verringert sich und fachliche Daten stehen auch dem Laienpublikum zur Verfügung. Das führt nicht nur zu einem neuen Ge-fühl von Gemeinschaft, sondern auch zu mehr Wissen. Ob Wissenschaftler mit Doktortitel oder Amateur – jeder Einzelne zählt. Und so nimmt jeder die Zukunft in seine eigenen Hände.

Sternenbeobachtung auf galaxyzoo, © galaxyzoo.org, Bild von naSa / eSa

Da sein

voestalpineFakten

Mit 132 Mio. euro für for-schung & entwicklung und über 500 forschern sind wir ein sehr forschungsintensives Industrieunternehmen. Unsere zahlreichen neuen patente und prämierte high-tech-anwendungen sprechen für sich. wir forschen und entwickeln mit liebe zum Detail und zusammen mit über 100 wissenschaftlichen ein-richtungen weltweit. für uns ist forschung & entwicklung ein Miteinander aller Unterneh-mensbereiche!

Page 17: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Page 18: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Be there

Wer hätte das gedacht?

TExT Remo Bitzi FOTOS Christoph Dammast, Daniel Lucchiesi, Alex James, Caribou

Früher war es so einfach: Der Weg vom Berufsstart

bis zur Pensionierung war klar vorgezeichnet, mehr

als eine Karriere war nicht denkbar. Heute kann

man aus der aktuellen Tätigkeit einer Person kaum

auf ihre Vergangenheit schließen. Die folgenden

Beispiele zeigen, was heute möglich ist.

Page 19: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

19

Da sein

Vom kampfpiloten zum Stunt Driver – Ben collinsAls Kind wollte Ben Collins Kampfpilot werden. „Aber ein Besuch beim Augenarzt setzte diesem Traum ein Ende“, so der Engländer. Auf Anregung seines Vaters begann er, Autorennen zu fahren. Doch dann nahm sein Leben eine neue unerwartete Wendung: Er wurde Stuntfahrer. „Zum Film kam ich eigentlich durch einen eher unglücklichen Zufall. Ich fuhr in Rumänien ein Rennen und hatte einen Zusammenstoß mit einem anderen Auto, bei dem ich mir vier Rippen brach. Als ich aus dem Krankenhaus kam, klingelte das Telefon und mir wurde ein Job in einem Film von Nicholas Cage angeboten. Da ich keine Rennen fahren konnte, sagte ich ja.“ Seitdem hat Ben auf verschiedenen Sets gearbeitet, unter anderem auch für James-Bond- und Batman-Filme.

Page 20: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Da sein

Von der Mode in die küche – rachel khoo Warum verlässt man die Modebranche, um Konditorin zu werden? Rachel Khoo hat genau das getan: „In meinem Beruf als PR- und Marketingverantwortliche für Modelabels fühlte ich mich unterfordert. Ich wollte in einem anderen Land leben, eine neue Sprache und neue Fähigkeiten lernen. Mit der Pâtisserie wollte ich mich nicht nur beruflich, sondern auch persönlich weiter entwickeln.“ Heute bäckt Frau Khoo in Paris nicht nur besonders leckere Croissants und Macarons, sondern schreibt auch Kochbücher und moderiert eine eigene Fernsehsendung. Das Fazit der PR-Beauftragten, die zur Köchin geworden ist:

„Das Leben ist zu kurz, um einen Beruf auszuüben, bei dem man sich langweilt.“

Page 21: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Da sein

Von der Mathematik zur elektronischen Musik – Dan SnaithSchüler mit guten Mathenoten sind in ihrer Jugend meistens nicht die coolsten und beliebtesten Klassenkameraden. Viele Mitschüler erwarten von ihnen nicht unbedingt eine spannende Zukunft: Studium, Promotion, eine Professur an der Uni bis zur Pensionierung. Bei Dan Snaith war alles anders. Trotz seiner Promotion in Mathematik am Imperial College London im Jahr 2005 ist der Kanadier heute unter den Pseudonymen Caribou und Daphni ein begehrter Club-DJ und Produzent elektronischer Musik. Mit sechs offiziellen Alben und Auftritten auf der ganzen Welt hat Snaith sich in der Musikszene genauso viel Respekt

erarbeitet wie in akademischen Kreisen.

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Da sein

Vom herzchirurgen zum fernfahrer – Dr. Markus StuderDr. Markus Studer ist Herzchirurg. Seine Patienten und Kollegen behaupten sogar, er sei einer der besten Herzchirurgen in der Schweiz. Irgendwann schlug sein Herz jedoch nicht mehr so sehr für die Kardiologie als vielmehr für Lastwagen. Also machte Dr. Studer im Jahr 2000 einen Lkw-Führerschein und gab zwei Jahre später seine Stellung als Arzt auf. Heute fährt er mit Speiseöl, Fruchtsaft und Kakaobutter in einem 7,5-Tonner für verschiedene Kunden aus der Lebensmittelindustrie durch

ganz Europa.

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Da sein

Im Jahr 2007 veröffentlichte der ka-nadische Psychoanalytiker und inte-grative Neurowissenschaftler Nor-

man Doidge den Bestseller Neustart im Kopf: Wie sich unser Gehirn selbst repariert, der die Sicht der westlichen Medizin auf das menschliche Gehirn verändert hat.

Tai Chi vergrößert

das Gehirnvolumen

Im Buch sind Fälle von Patienten dokumentiert, die auf scheinbar wun-dersame Weise wieder gesund wurden, nachdem man zunächst glaubte, ihre Ge-hirnleistung sei zum Beispiel durch ein- en Schlaganfall dauerhaft beeinträch-tigt. Können wir unser Gehirn also dazu einsetzen, uns selbst grundlegend zu verändern?Eine der zentralen Aussagen der Neu-roplastizität ist, dass sich „Nervenzellen,

die zusammen agieren, auch gut ver-netzen“ – alle Gedanken, Handlungen und Lebensweisen werden im Gehirn fest verankert. Die Möglichkeit, negati-ven Auswirkungen auf das Gehirn ent-gegenzuwirken, ist ein zentrales The-ma in der Arbeit von Doidge.Der Wissenschaftler teilt seine Zeit zwi-schen seinen Patienten und der Arbeit an seinem nächsten Buch auf, das im Laufe dieses Jahres erscheinen soll. Be-vor wir auf den nächsten Seiten mit ihm über seine Forschungsergebnisse spre-chen, wollen wir ihm die Frage stellen, was er im Alltag tut, um sein Gehirn zu trainieren.

Fünfmal die Woche trainiert Doidge mor-gens nach dem Aufstehen „auf einem Crosstrainer, mit 15 Minuten Intervall-training und anschließendem ruhigen Tempo“. Er betont: „Das Gehirn ist le-diglich so gut wie das Herz-Kreislauf-System funktioniert.“Da es in Doidges Alltag praktisch stän-dig um geistige Leistungen geht, woll-ten wir natürlich genau wissen, was er tut, um entspannt und gesund zu blei-ben. Seine Antwort hat uns überrascht:

„Tai Chi, das fühlt sich gut an und ver-größert das Gehirnvolumen praktisch durch Meditation.“

Norman Doidge

studierte klassische literatur und philosophie, bevor er an der Univer-sität toronto seinen abschluss als

Mediziner machte. Danach kam eine facharztausbildung in psychiatrie und

ein abschluss in psychoanalyse an der new yorker columbia-Universität.

Doidge lebt in toronto, kanada.

Tai-Chi-Genie TExT Ari Stein FOTO Malcolm Taylor

Wie Neurowissenschaftler Norman Doidge seinen

Geist fit hält

norman Doidge: „Das gehirn ist nur so gut wie das herz-kreislauf-System funktioniert.“

Page 24: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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Da sein

In den Neurowissenschaften erleben wir gerade eine Revolution, die im Prinzip auf der neuen Erkenntnis ba-

siert, dass unser Gehirn neuroplastisch ist. Das bedeutet, dass unser Gehirn in seiner Struktur potentiell formbar oder veränderbar ist. Wir sprachen mit Nor-man Doidge, einer der Schlüsselfiguren in diesem Gebiet, um uns über seine In-spirationen zu unterhalten und darüber, ob die westliche Medizin Neuroplastizi-tät überhaupt anerkennen kann.

Ich bekam 2010 von meinem Vater ein Exemplar Ihres Buches geschenkt. Seit- dem denke ich ganz anders über das, was in meinem Kopf vorgeht.

Nun, die neuroplastische Revolution hat gerade erst begonnen; wir haben jetzt die zweite Generation von Neuroplasti-kern hervorgebracht. Doch ich versuche immer noch, einige Probleme im Be- reich der Neuroplastizität zu lösen. Wäh- rend wir bereits festgestellt haben, dass mentale Erfahrung und mentales Trai-ning die Gehirnstruktur verändern kön-

nen, ist bisher noch nicht bekannt, wie das genau funktioniert.

Wird sich das traditionelle Gesundheits- wesen für die neuen Erkenntnisse der Neuroplastizität öffnen?

Ja und nein. Forschern im Bereich Neuro- plastizität schenkt man immer mehr Auf-merksamkeit. Die Bereiche, die schnell wachsen, drehen sich um Rehabilita- tion. Wir beobachten eine vermehrte Akzeptanz im Bereich Autismus bei Kin-

Das Gehirn neu gestalten

TExT Ari Stein FOTO Vince Talotta / GetStock.com

Ein Interview mit Norman Doidge

norman Doidge: „Die neuroplastische revolution hat gerade erst begonnen.“

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Da sein

dern oder bei Lernstörungen. Eltern neh- men immer mehr neuroplastische Be-handlungen in Anspruch.

Welche Rolle spielen neue Technolo-gien?

Einer der Gründe, weshalb wir bisher nicht in der Lage waren, Neuroplastizi-tät zu verstehen, war, dass dieser Pro-zess mikroskopisch im Gehirn stattfin-det. Um eine Veränderung der Form zu dokumentieren, benötigt man entspre-chende mikroskopische Filmaufnah-men. Inzwischen haben wir ein halbes bis ein Dutzend verschiedene Techno-logien, um solche Filmaufnahmen zu machen. Einige davon wie fMRT und Mikroelektroden werden inzwischen routinemäßig eingesetzt. So war es auch die Entwicklung der Mikroelektroden, die es uns erstmalig ermöglicht hat, solche mikroskopischen Veränderungen mithilfe von extrem leistungsstarken Mikroskopen zu do-kumentieren.

Welche Auswirkungen hat Technik auf unser Gehirn?

Ich denke, Technik verursacht extrem viel Unruhe. Unter natürlicheren Be-dingungen, das heißt vor Erfindung der elektrischen Glühbirne, kam die ganze Welt nachts zur Ruhe und jede Aktivität kam zum Erliegen. Heute sind wir alle durchgehend und global vernetzt.Die Menschen haben rund um die Uhr ihre Smartphones bei sich, man ist stän-dig abruf- und einsatzbereit – gibt es eine Schießerei in den USA, ist jeder gleich informiert. Es gelingt unserem Nervensystem also nicht mehr, in den normalen parasympathischen Entspan-nungszustand zu gelangen. Die Men-schen kommen von der Arbeit nach Hause und recherchieren im Internet – sie sind ständig auf der Jagd, was einer Art ständiger Alarmbereitschaft gleich-kommt.Ich denke, in Bezug auf unser Nerven-system bedeutet die Tatsache, dass wir

rund um die Uhr vernetzt sind, eine ziemlich idioti-sche Wendung in unserem Leben. Das Nervensystem braucht eine Auszeit. Das ist auch ein Grund für das Interesse unserer Generati-on an fernöstlichen Prakti-ken – wir wissen nämlich nicht mehr, wo unser Aus-Schalter ist.

Was war Ihr ganz persönli-ches Schlüsselerlebnis bei Ihrer Arbeit?

Ich hatte mehrere kleine Aha- Erlebnisse, nicht unbedingt ein einziges großes. Ich war lange Zeit unzufrieden mit dem mechanistischen Mo-dell, das das Selbst als kleine Maschine betrachtet. Das er- schien mir einfach immer un- vollständig, doch ich wollte diesen Ansatz nicht verur-teilen, solang ich die Mo-delle, die der modernen Zellbiologie zugrunde lagen, nicht ganz genau kannte. Doch je mehr ich über ein Modell lernte, desto mehr wurde mir klar, dass es da eine Menge gibt, das sich anhand des Modells nicht erklären lässt.Ich erinnere mich, dass ich eine Ab-handlung las, aufgrund der ich mich entschied, wo ich meine Ausbildung in Psychiatrie und Psychoanalyse machen würde. Der Leiter des psychoanalyti-schen Instituts der Columbia-Univer-sität versuchte, mich dorthin zu holen, also schickte er mir eine Abhandlung von Eric Kandel und sagte mir, das seien die Dinge, die sie dort täten. Als ich das las, wusste ich, dass es genau das war, wonach ich gesucht hatte. Alles in allem hatte ich etliche Gedankenblitze und Aha-Erlebnisse, aber wissen Sie, irgend- wie warte ich immer noch auf das ent-scheidende Schlüsselerlebnis.

zwei Beispiele von patienten, die sich selbst neu verdrahtet haben:1. Michelle Mack wurde mit nur einer gehirnhälfte geboren, doch diese vorhandene gehirn-hälfte hat sich neu organisiert und kompensiert die funktionen der fehlenden hälfte. Michelle führt heute ein ganz normales leben.2. Der arzt Michael Bernstein erlitt einen Schlaganfall, der seine linke körperhälfte lähmte. Durch ein Umschulungspro-gramm lernte er, die beschä-digten neuronalen netze seines gehirns wiederzubeleben. nach seiner genesung führt er heute praktisch wieder ein normales leben.

„the Brain that changes Itself“ (James h. Silberman Books), von norman Doidge

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Be there

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VorausdenkenBewegung schaffen und mit Energie versorgen

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Stadt der ZukunftVernetzt, leise und emissionsfrei –

Visionen der Metropole von morgen

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Energie – immer einen Schritt vorausClevere Innovationen

für kommende Generationen

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StahlkreislaufMaterial mit nicht nur einem Leben

40

Auf den Schienen von morgenDie Bahn – ein Relikt der Vergangenheit

oder neuester Trend in der Mobilität?

48

Fünf Länder, eine Vision?Untertitel: Brasilien, Russland, Indien, China

und Südafrika – ein Ausblick von Insidern

56

Die BildungsrevolutionWie das Internet Bildung demokratisiert

Wir treiben Entwicklungen voran – offen gegenüber Neuem und mit der Neugier des Forschenden denken wir visionär und weit über das Bestehende hinaus;

Einfallsreichtum prägt unsere Produkte und Prozesse genauso wie die Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Denn nichts ist so gut, als dass wir

es nicht noch verbessern könnten.

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Stadt der Zukunft

TExT Anne Kammerzelt, André Uhl ILLUSTrATIOnEn Mathis Rekowski

Vernetzt, leise und emissionsfrei – Visionen der

Metropole von morgen

Vorausdenken

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Wolkenkratzer mit Solar-panelen, fliegende Autos, die in der Stadt hin- und

herflitzen, und Roboter, die für ihre Eigentümer Einkäufe und Besorgun-gen erledigen. Sieht so die Stadt der Zukunft aus?

Veränderungen des

Stadtbildes einer

Metropole werden

durch neue Formen

der Fortbewegung

entstehen

Zumindest in Hinblick auf fliegende Autos bleibt der Physiker Dr. Karl-heinz Steinmüller, Science-Fiction-Autor und einer der bekanntesten Zukunftsforscher Deutschlands, zu-nächst auf dem Teppich: „In Bezug auf den Energieverbrauch sind flie-gende Autos technisch denkbar, aber Akzeptanz werden sie erst dann fin-den, wenn die automatischen Steuer-systeme perfekt funktionieren.“ Der kleinste Zusammenstoß in der Luft hätte dramatische Folgen. So banal es klingt: Der private Lufttransport wird vermutlich an versicherungs-technischen Problemen scheitern. Die beeindruckendsten Veränderun-gen des Stadtbildes einer Metropole werden dennoch durch neue Formen der Fortbewegung entstehen. Das

wird selbst ohne fliegende Autos in der Zukunft deutlich sichtbar sein. Sogenannte Mikromobile werden in zehn bis zwanzig Jahren in der Stadt weit verbreitet sein. Zahlreiche, in erster Linie elektrisch angetriebene Fahrzeuge mit gar keinem oder bis zu vier Rädern, die in jede Parklücke passen, werden unsere Straßen be-völkern. „Viele davon können mitei-nander kombiniert und wie ein Zug aneinander gekoppelt werden“, er-läutert Steinmüller. Durch individuelle Personentrans-portsysteme können Städte autofrei und damit in der Zukunft emissions-frei gestaltet werden. Das sogenann-te Personal Rapid Transit System, ein führerloses Passagierbeförderungs-system, das die Fahrgäste einzeln auf Anfrage zu ihrem Bestimmungsort bringt, würde durch ein kompaktes öffentliches Personennahverkehrsnetz ergänzt werden. Auf unserer Reise durch die Stadt könnten wir Gemüse durch Scannen von Strichcodes oder mit dem Smartphone von realisti-schen Supermarkt-Regalfotos in den U-Bahn-Stationen kaufen. Was in Se-oul bereits selbstverständlich ist, wird bald auch in anderen Ländern zum täglichen Leben gehören. Auch eine Studie des Fraunhofer-Instituts prognostiziert, wovon viele Experten für Stadtentwicklung und Globalisierung bereits überzeugt sind: eine grüne, ruhige und ins-

besondere engmaschig vernetzte Stadt – inklusive sogenannter Dust-bots, also Roboter, die selbstständig Müll beseitigen. Die Großstadt der Zukunft wird dank innovativer Technologien und strengem Recycling weitgehend CO2

-neutral und frei von Müll sein. Dazu gehören Meerwasser-Entsal-zungsanlagen mit Solarantrieb und Bodenplatten, welche die kinetische Energie von Fußgängern in Strom umwandeln. Diese Technologie wird bereits in Tokyo und in London im Rahmen von Pilotprojekten getestet. Eine einzelne in den Bürgersteig ein-gelassene Bodenplatte kann bis zu 2,1 Watt pro Stunde erzeugen. Fünf dieser Platten reichen aus, um eine Bushaltestelle zu beleuchten. Nicht ausgeschlossen, dass Städte zu unabhängigen Einheiten werden.

„Wenn wir 20 Jahre in die Zukunft blicken, dann sehen wir vielleicht schon die ersten Modellstädte oder

-stadtviertel, die vollkommen ener-gieautark sind und ihren täglichen Verbrauch selbst erzeugen“, kom-mentiert der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation Dieter Spath. Intelli-gente Membranfassaden könnten Wolkenkratzer energetisch optimie-ren. Sie würden die gespeicherte Energie nach Bedarf abgeben, so-dass der Kaffee frisch aufgebrüht ist und das Wohnzimmer bereits eine

Vorausdenken

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Vorausdenken

angenehme Temperatur hat, wenn die Bewohner nach Hause kommen. Viele Wissenschaftler gehen von der Annahme aus, dass urbane Landwirt-schaft die Städte in den kommenden Jahrzehnten immer stärker charakte-risieren wird. Mehrgeschossige Ge-müsegärten sind dabei ebenso eine Option wie vertikale Weinberge.

Die Angst, dass

Roboter die

Menschen bei der

Arbeit ersetzen

werden, ist

unbegründet

Kluge Innovationen betreffen oft die kleinen Dinge des täglichen Le-bens – vielleicht weil unsere Zeit zu wertvoll ist, um sie mit Waschen und

Putzen zu verbringen. Einige For-scher arbeiten hartnäckig an kleinen Robotern, die unser Zuhause sauber halten können. Karlheinz Steinmül-ler denkt an ein „Staubsauger-Mut-terschiff, das viele kleine Roboter aussendet, die mit Ihren Rüsseln aus-schwärmen und dann zum Hauptro-boter zurückkehren, um den Schmutz abzuliefern und sich aufladen zu las-sen.“Rodney Brooks, der Leiter der Abtei-lung Künstliche Intelligenz am MIT, denkt ebenfalls an Robotergruppen für den Haushalt. „Es wäre sogar noch praktischer, wenn die Fransen eines Teppichs den Schmutz zu ei-ner Sammelhalde bringen würden, von der aus er dann entsorgt werden könnte. Aber hätten die Nanotech-nologen ein Wort mitzureden, dann würden Teppiche so konzipiert wer-den, dass der Schmutz sich dort gar nicht erst ansammeln könnte“, er-klärt Steinmüller. Beim Heizen wurde eine Entwick-lung von Heizvorrichtungen an ein-zelnen Stellen hin zu einer gleichmä-ßigen Verteilung der Wärmequellen im Raum beobachtet. Ähnliches ge-schieht derzeit bei der Raumbeleuch-tung. Früher hatte man Kerosinlampen, Kerzenleuchter und andere Lichtquel-

len, nun geht der Trend zu Leucht-tapeten, die ein gleichmäßiges Licht erzeugen und gleichzeitig als Bild-schirm dienen. Heute haben wir die sogenannten OLEDs, die aus organi-schen LED bestehen. In der Zukunft werden wir uns aussuchen können, worauf wir beim Frühstück blicken möchten. Laut Professor Steinmüller ist die Angst unbegründet, dass Roboter in der Zukunft die Mehrheit der Men-schen bei der Arbeit ersetzen wer-den: „Roboter werden Menschen im-mer besser unterstützen, aber bei den meisten Aufgaben kann ein Mensch nicht komplett durch eine Maschine ersetzt werden.“ Gute Ratschläge eines Kollegen oder ein freundliches Lächeln werden unsere Tage auch in der Zukunft aufhellen. Niemand kann vorhersagen, wie die Stadt der Zukunft genau aussehen wird, aber ihre Konturen werden bereits in der Gegenwart umrissen. Nehmen wir unsere Zukunft in die Hand – jedes Detail und jeder von uns ist maßgeblich, wenn wir die Großstadt von morgen zu einem Ort machen möchten, an dem es sich lohnt zu leben.

voestalpineFakten

Strategie 2020: wir erforschen die zukunft. als treibende kraft und Innovator erkennen wir heute schon, was morgen welt-weit Standard sein wird. „wir werden auch in zukunft immer mehr komponenten, Bauteile und auch fertigteile für höchste ansprüche vor allem in den Bereichen Mobilität und ener-gie, aber auch in anderen Indus-triesegmenten, entwickeln und auf den Markt bringen“, erklärt wolfgang eder, ceo voestalpine ag.

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Vorausdenken

Die Welt wird immer kleiner – auch wenn es darum geht, Lösungen für globale Probleme wie den Klima-wandel zu finden. Die Forschung zum Potenzial erneuerbarer Energien steckt noch in den Kinderschuhen, doch Wissenschaftler, Ingenieure und Technikexperten weltweit haben die-se Herausforderung angenommen und beeindruckende Ergebnisse er-zielt. Der weitgehende Umstieg auf kohlenstofffreie oder -arme Kraft-werkstechnologien scheint nur noch eine Frage der Zeit.Aus der norwegischen Stadt Sun-ndalsøra kommt eine Innovation, welche die Stadt berühmt machen könnte: die Salzgradientenkraft. Im Tingvollfjord wird der erste Prototyp der Welt mit einer Leistung von zwei Megawatt 2015 in Betrieb genom-men. Das klingt zunächst nicht sehr beeindruckend, doch damit werden bald alle 4.000 Einwohner der Stadt und dazu die umliegende Region mit Strom versorgt werden. Der Bürger-meister Ståle Refstie ist sicher: „Wir werden in die Geschichte eingehen!“

Der Prototyp des Meerwasserkraft-werks nutzt das physikalische Prinzip der Osmose. Wenn sich Süßwasser mit

Salzwasser vermischt, entsteht Druck, den die Natur versucht auszugleichen. Wird das Wasser durch eine Membran

und Tausende von Druckröhren ge-leitet, erhöht sich der Druck so stark, dass er ausreicht, um eine Turbine

anzutreiben. Der norwegische Ener-gieversorger Statkraft schätzt das glo-bale Potenzial für Salzgradientenkraft-

Energie – immer einen Schritt voraus

TExT Charlotte Schumann, Anne Kammerzelt FOTOS statkraft, Steve Morgan Photography,

Fraunhofer ISE, Markel Redondo Photography, ANDRITZ HYDRO Hammerfest

Clevere Innovationen für kommende Generationen

Statkraft osmosekraftwerk in tofte, norwegen © statkraft

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Be there

pelamis wellenkraftwerk, © Steve Morgan photography

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Vorausdenken

werke auf rund 1.700 Terawattstunden – das entspricht etwa der Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs in ganz Europa. Ein anderes vielversprechendes Pro-jekt basiert auf Wellenkraft. Vor der Küste der schottischen Orkney-Inseln wurde 2009 ein Pilotkraftwerk na-mens „Oyster“ in Betrieb genommen. Dieses kleine Kraftwerk besteht aus einer Art Tank an der Wasseroberflä-

che, der mit zehn Meter tief reichen-den hydraulischen Kolben verbun-den ist. Mit jeder Wellenbewegung bewegt sich dieser Behälter vor und zurück, die Kolbenpumpen unter der Wasseroberfläche funktionieren dabei wie zwei Blasebälge. Dadurch wird Druck aufgebaut, der dann durch Tur-binen in Strom verwandelt wird. Die Pilotanlage vor den Orkney-Inseln hat eine Nennleistung von

nur 315 Kilowatt und versorgt etwa 450 Haushalte mit Strom, doch sie lie-fert den Beweis, dass die Technologie funktioniert und findet bereits Nach-ahmer: Derzeit sind Wellenkraftwerke mit einer Leistung von 19 Megawatt vor der Südostküste Australiens ge-plant und die britische königliche Lie-genschaftsverwaltung „Crown Estate“ hat den Bau von zehn Anlagen mit einer Leistung von 1.200 Megawatt angekündigt. Die Strömungskraft, die auch als Ge-zeitenkraft bezeichnet wird, scheint vor einem ähnlichen Durchbruch zu stehen. Im südkoreanischen Gezeiten-park „Sea turtle“ erzeugen Unterwas-serturbinen in einer Tiefe von 22 Me-tern Strom mit Hilfe des Tidenhubs. Mit einer Leistung von 254 Megawatt

erzeugt das südwestlich von Seoul ge-legene Kraftwerk genauso viel Ener-gie wie ein kleines Atomkraftwerk. Schätzungen zufolge könnten etwa 15 Prozent des weltweiten Energie-verbrauchs durch Gezeiten-, Wellen- und Strömungskraft erzeugt werden. Neben Wasserkraft, Windkraft, Erd-wärme und Biomasse nimmt die So-larenergie eine besondere Rolle unter den Energiequellen ein. „Unsere Re-gion ist sonnenverwöhnt. Das macht die Sonne zur idealen Quelle für er-neuerbare Energie“, erläutert Tidu Maini, der Leiter des Science and Technology Park in Katar, wo Tem-peraturen von 50 °C nicht selten sind. Allerdings erschweren extreme Hitze und Staub die Nutzung von Sonnen-energie, weshalb Mainis Team die Forschung über wüstentaugliche So-larzellen vorantreibt.

Der Umstieg auf

kohlenstofffreie

oder -arme

Kraftwerks-

technologien

scheint nur eine

Frage der Zeit

Der potentielle Ertrag der Solarzellen ist im Sonnengürtel der Erde min-destens doppelt so hoch wie in den gemäßigten Klimazonen, die Strom-erzeugungskosten betragen nur die Hälfte. Deshalb hat Katar große Plä-ne. „Bis 2020 wollen wir ein Solarfeld mit einer Leistung von 800 Megawatt bauen“, kündigt der Regierungsspre-cher Fahad Al-Attiya an. Allerdings wird diese Energie in erster Linie zum Kühlen verwendet. 2022 ist Ka-tar Gastgeber der Fußballweltmeis-terschaft. Fahad Al-Attiya versichert:

voestalpineFakten

Mit hochleistungskomponenten wie Schaufelteilen für den turbinenbau treiben wir die energiewende an.

wir sichern den ausbau des weltweiten pipelinenetzes durch leistungsfähiges grobblech, das wir laufend weiterentwi-ckeln. Und arbeiten gemeinsam mit internationalen partnern an lösungen zur optimierungder energiegewinnung.

gezeitenkraftprojekt Islay © anDrItz hyDro hammerfest

Page 36: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

36

Vorausdenken

„Die Stadien werden so klimatisiert sein, dass die Temperatur 27 °C nicht überschreitet.“

Ingenieure in Marokko sind bereits ein ganzes Stück weiter. In Ouarza-zate, 200 Kilometer östlich von Aga-dir, wird derzeit ein Sonnenkraftwerk mit einer Leistung von 500 Megawatt gebaut. Die Technologie ist jedoch eine andere als in Katar: Es handelt es sich um Parabolrinnen, bei denen gebogene Spiegel die Sonnenstrahlen auf Röhren lenken, in denen zirkulie-rendes Öl auf 400 °C erhitzt wird. Der dadurch erzeugte Wasserdampf treibt

Turbinen an, die wiederum Strom er-zeugen. Ein Teil der erzeugten Wär-me wird nachts in großen Behältern

gespeichert. So stehen die Genera-toren nie still und die Parabolrinnen können rund um die Uhr Strom er-zeugen. „Wir wollen zu den führen-den Ländern für diese Technologie gehören“, sagt Said Mouline, der Ge-schäftsführer von Marokkos Renewa-ble Energy Development Center. Der erste Teil der Anlage wird dieses Jahr ans Netz gehen. In Deutschland ist das neueste Kult-objekt laut Andreas Hinsch einen Meter hoch und 60 Zentimeter breit. Hinsch ist Physiker am Fraunhofer-In-stitut für Solare Energiesysteme ISE. Er hat eine neues Farbstoffsolarmodul entwickelt, welches dank einer nano-kristallinen Trägerschicht nach dem Prinzip der Photosynthese Sonnen-licht in Strom verwandelt. Die Nano partikel machen die Solarmodule transparent, wodurch sich vollkom-men neue Einsatzmöglichkeiten eröff-nen. Sie müssen nicht mehr zwangs-läufig auf Dächern installiert werden, sondern können beispielsweise für Lärmschutzbarrieren, bei Bushalte-

stellen oder schlicht als Fenster ein-gesetzt werden. Im Gegensatz zu dem auf Silikon ba-sierenden Schwestermodell, das auf vielen Dächern zu sehen ist, ist das Farbstoffsolarmodul günstiger, um-weltfreundlicher und leichter her-zustellen. Das Material ist so flexi-bel, dass es sogar auf Bodenbeläge aufgedruckt werden kann. Die Idee von Andreas Hinsch ist noch nicht ausgereift und die Prototypen haben bisher einen Effizienzgrad von nur sieben Prozent, im Vergleich zu 15 bis 20 Prozent bei Standardsolarmodulen. Der Physiker ist dennoch überzeugt, dass der Durchbruch der Farbstoffso-larmodule kommen wird. „Durch den einfachen Fertigungsprozess sind sie ungeheuer kostengünstig“, betont er. Auch bei der Windkraft gibt es inte-ressante Innovationen. In den USA wird eine Windturbine entwickelt, die auch bei Windstille Strom erzeugt. Die durch Reibung der Rotorblätter erzeugte Wärme geht nicht verloren, sondern wird in einer Flüssigkeit ge-speichert. Damit werden andere Flüs-sigkeiten wie beispielsweise Wasser erhitzt, durch den erzeugten Dampf werden Turbinen zur Stromproduk-tion angetrieben. Erstaunlicherweise wurde dieses Projekt nicht von ei-nem großen Versorger angestoßen, sondern von Apple, dessen Gründer Steve Jobs für „one more thing“ be-kannt war. Heute wird der Großteil der weltweit erzeugten Energie noch aus fossilen Energieträgern gewonnen, die große Mengen von CO2

freisetzen und die Erderwärmung vorantreiben. Wenn jedoch Wissenschaftler, Ingenieure und Technikexperten der Welt wei-terhin mit ganzer Kraft an solchen In-novationen arbeiten, welche die ver-fügbaren Ressourcen optimal nutzen, dann kann die Vision einer gemeinsa-men Zukunft ohne Kohle, Erdöl oder Atomkraft wahr werden.

anteIl DeS weltweIten energIeBeDarfS, Der alleIn DUrch gezeIten, wellen UnD MeereSStröMUngen geDeckt

werDen könnte

15%

farbstoffsolarmodul (prototyp), © fraunhofer ISe

Page 37: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

Solarturmkraftwerk gemasolar, © Markel redondo photography

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Vorausdenken

voestalpineFakten

Mit circa 300 Millionen euro jährlich setzen wir uns dafür ein, dass auch unsere kinder in einer intakten welt leben können. angefangen beim recycling über die förderung erneuerbarer energien bis hin zur Selbstversorgung unserer Standorte. So sind wir in Sachen Umwelt nicht nur einen Schritt voraus, sondern Branchenführer. Stahl ist unser größtes Umweltargument – von der produktion über den einsatz bis zur wiederverwertung.

StahlkreislaufILLUSTrATIOn Rafael Varona

Stahl ist zu 100 Prozent recycelbar. So hat dieser

Werkstoff nicht nur ein Leben, sondern viele...

7

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Vorausdenken

1 Stahlwerk: Stahl

Zur Produktion von einer Tonne Rohstahl

werden etwa 250 kg Schrott verwendet.

2 Stahlwerk: Edelstahl

Ein Abstich im Stahlwerk enthält 60

Tonnen Werkzeugstahl.

3 Coils/Stahlband

4 Edelstahlblock: Werkzeugstahl

Zur Fertigung eines neuen Automodells

werden 1.500 verschiedene Werkzeuge

eingesetzt.

5 Presswerk

Für eine Heckklappe werden etwa 30 kg

Flachstahl benötigt.

6 Heckklappe

Eine Heckklappe besteht aus zehn

verschiedenen Pressteilen.

7 Ersatzteil: Heckklappe

Wir fertigen Komponenten für die

neuesten Automodelle und Ersatzteile

für die nächsten 10 bis 15 Jahre.

8 recycling/Zerkleinerung:

Werkzeugstahl

Diese Maschinen sind je nach Produkt

mit 50 bis 100 Messern aus Edelstahl

ausgestattet.

9 Schrottwürfel

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Page 40: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

hochgeschwindigkeitszug in peking, china, © Qin zong

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Auf den Schienen von morgen

TExT Andrea Fenn, Richard Macauley FOTOS Qin Zong, iStockphoto.com / pop_jop,

iStockphoto.com / PhotoTalk, Mike Danneman, Bob Snyder, iStockphoto.com / WillSelarep

Die Bahn – ein Relikt der Vergangenheit oder

neuester Trend in der Mobilität?

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Vorausdenken

„Ich habe 2001 angefangen, nach Shanghai zu pendeln, als es noch kei-nen Hochgeschwindigkeitszug gab“, sagt der 34-jährige Unternehmensbe-rater Zhu Geqi. Er lebt in Hangzhou, einer südwestlich von Shanghai ge-legenen Stadt, deren Einwohnerzahl ungefähr der Londons entspricht. „Früher habe ich für die Fahrt mit dem Auto drei Stunden benötigt“, er-läutert er. „Seit 2010 nehme ich meis-tens den Hochgeschwindigkeitszug, das dauert nur 45 Minuten.“Chinas Hochgeschwindigkeitsnetz für Passagierzüge entwickelt sich mit ei-ner atemberaubenden Geschwindig-keit. In acht Jahren hat das Land mehr Strecken gebaut als Europa und Ja-pan in den letzten fünfzig Jahren. Zu Ende dieses Jahrzehnts wird China ein Hochgeschwindigkeitsstrecken-netz von 16.000 km geschaffen haben, das den kalten Norden mit dem sub-tropischen Südosten und den trocke-nen Westen mit den Wirtschaftsmetro-polen an der Ostküste verbindet. Die großen Städte im Osten Chinas sollen Wachstum schaffen, das an die Satellitenstädte und kleineren Städte der Umgebung durchsickert. An der Ostküste Chinas liegen die am stärks-

ten entwickelten Städte des Landes. Es handelt sich um die Metropolen, die im Zuge der vor dreißig Jahren

eingeführten wirtschaftlichen Refor-men als Erste reich geworden waren, die sich jetzt weiter entwickeln und ein immer stärker vernetztes Städte-gewirr bilden, in dem die schnellen Züge eine grundlegende Rolle spie-len.

Entfernung

entscheidet, ob

Bahnstrecken für

Passagierzüge

sinnvoll sind

In der Provinz Guandong, dem wich-tigsten Industriestandort Chinas, gibt es Pläne, neun Städte zu einer Mega-metropole mit über 40 Millionen Ein-wohnern zu verschmelzen. Durch den Bau von 5.000 km Hochgeschwin-digkeitsstrecke innerhalb dieses Ge-biets – ein städtischer Moloch auf ei-ner Fläche, die 26 Mal größer ist als

die von Greater London – wird keine Fahrt zwischen den Stadtzentren län-ger als eine Stunde dauern.

Der Boom der Hochgeschwindigkeits-züge für Passagiere entspringt auch der Notwendigkeit, auf den normalen Bahnstrecken Kapazitäten für Güter-züge zu schaffen, mit denen Waren in-nerhalb Chinas transportiert werden. Laut offiziellen Zahlen können nach der Eröffnung der Hochgeschwindig-keitsstrecken auf normalen Strecken für die gleiche Verbindung mehr Wa-ren transportiert werden. Es geht hier um eine Größenordnung von etwa 20 Millionen Tonnen pro Jahr für je-den Abschnitt, der jeweils zwei Städte verbindet. Der Ausbau des Passagierverkehrs und die Trennung des Schienennet-zes für Güter- und Passagierverkehr sind derzeit die beiden wichtigsten strategischen Ziele der chinesischen Eisenbahn. Sie könnten auch zum Auslöser für weitere Entwicklungen der Bahn in der westlichen Welt wer-den. In Europa werden derzeit 75% weniger Güter auf der Schiene als auf der Straße transportiert. Dieser Anteil ist von 2000 bis 2010 sogar gesun-ken, obwohl der Schienenverkehr als

landkarte von china

voestalpineFakten

Mit unseren Schwerlast- und hochgeschwindigkeitsweichen machen wir hochgeschwin-digkeit auf der ganzen welt möglich. Mit Spezialkomponen-ten für die automobilbranche vereinen wir leichtbau und Sicherheit. Mit der entwicklungneuer werkstoffe treiben wir den flugzeugbau voran, für größere reichweiten und geringeren treibstoffverbrauch.

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Be there

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Be there

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Be there

zug verlässt die Stadt clay in colorado, USa, © Mike Danneman

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Be there

zug in philadelphia, USa, © Bob Snyder

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Vorausdenken

wesentlich umweltfreundlicher gilt als der Straßenverkehr. Die Trennung des Schienennetzes für Güter- und Passagierverkehr könnte die Grund-lage für einen nachhaltigen Güterver-kehr sein. Auch die USA könnten von China lernen. Ein Ausbau der bisher genutzten mageren 2.581 km Hoch-geschwindigkeitsstreckennetz für Passagierzüge würde neue Verbin-dungen zwischen den Städten schaf-fen. Allerdings sind die Entfernungen weiterhin der entscheidende Faktor, von dem abhängt, ob Bahnstrecken für Passagierzüge eine machbare und kosteneffiziente Lösung sind. Prof. Zhao Jian von der Universität Beijing Jiaotong argumentiert, dass Hochge-schwindigkeitszüge nur bis zu einer Entfernung von 500 km eine wettbe-werbsfähige Alternative zum Flugver-kehr darstellen. Für größere Entfer-nungen ist ein Flug sinnvoller. Wie in China sind die Entfernungen zwischen dem Westen und dem Os-ten der USA so groß, dass ein wettbe-werbsfähiges Passagier-Hochgeschwin-digkeitssnetz derzeit nicht in Aussicht steht. Allerdings würden Hochge-schwindigkeitsstrecken als Städtever-bindungen für eine bessere Kommuni-

kation sorgen und das Spektrum der Personen und Ressourcen erweitern, zu dem Unternehmen Zugang haben. Gary Click, der technische Leiter der amerikanischen Tochtergesellschaft von voestalpine Nortrak, erklärt, dass Bahnstrecken für Passagierzüge in den USA zwar allgemein eine Selten-heit seien, fügt aber auch hinzu, dass es durchaus Ausnahmen gebe. Die Strecke Northeast Corridor, die Städte wie Washington DC, Philadelphia und Boston miteinander verbindet, bietet Reisezeiten, die durchaus mit denen der Fluggesellschaften konkurrieren können. Die Flüge zwischen Washing-ton DC und Philadelphia, die lange Zeit die beliebteste Option für Ge-schäftsleute waren, werden aufgrund des Aufbaus eines zuverlässigen Bahnstreckennetzes immer weniger. Auch die Verbindungen zwischen Los

Angeles und San Francisco oder St. Louis und Chicago könnten durch den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstre-cke verbessert werden. Aufgrund der dafür anfallenden hohen Investitio-nen und den weiterhin sehr niedrigen Kraftstoffkosten stehen Bahnstrecken für Passagierzüge nicht sehr weit oben auf der Prioritätenliste US-ame-

rikanischer Politiker. Dennoch zeigt der Fall Chinas auch den USA, wel-che Vorteile durch den Ausbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes entste-hen können. Herr Zhu erklärt, dass er dank des Hochgeschwindigkeitszugs auch mehr Arbeit erledigen kann. „Seit der Fer-tigstellung der Strecke bin ich viel öfter in Shanghai“, präzisiert er. „Ich fahre jetzt zweimal so oft in die Stadt.“Herr Zhu aus Hangzhou stellt Shang-hai sein Wissen und seine Fähigkei-ten zur Verfügung. Aber auch ein Mr. Jones aus St. Louis würde sich freuen, wenn seine Fahrt nach Chicago dank einer Hochgeschwindigkeitsstrecke wesentlich kürzer und seine Produkti-vität wesentlich höher wären. Vor nicht allzu langer Zeit dachten wir, die Zukunft des Verkehrs läge in der Luft, aber China zeigt uns, dass

vermutlich das Gegenteil der Fall ist. Selbst die USA, in denen der Flug-verkehr traditionell eine große Rol-le spielt, springen auf den Hochge-schwindigkeitszug auf. Zwei Länder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, geben uns einen Vorge-schmack darauf, wie die Zukunft der Mobilität aussieht.

voestalpineFakten

Die voestalpine ist mit ihren qualitativ höchstwertigen flachstahlprodukten einer der führenden europäischen partner der automobil-, ener-gie-, hausgeräte- und konsum-güterindustrie. Sie ist darüberhinaus weltmarktführer in der weichentechnologie, bei werkzeugstahl und Spezial-profilen sowie europas nummer 1 bei Spezialschienen.

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küste in kapstadt, Südafrika

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Vorausdenken

Die BRICS-Staaten – ein Begriff, der seit einigen Jahren wie kaum ein anderer den Wandel

im globalen Gefüge der Wirtschafts-mächte symbolisiert. BRICS steht als Abkürzung für die Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafri-ka. Wer sie gebraucht, geht ebenso wie zahlreiche Wirtschaftsexperten davon aus, dass diese fünf Nationen aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur, ihrer Roh-stoffvorkommen und der strategischen Ausrichtung das 21. Jahrhundert ent-scheidend prägen werden. Während in Fachkreisen bereits von den sogenannten „Next Eleven“ die Rede ist, elf Länder, die auf absehbare Zeit einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung erwarten lassen, sind die BRICS längst in den Top Ten globaler

Wirtschaftsmächte angekommen. Doch was bedeutet dies für das Leben der Menschen in diesen Ländern? Und wo-rauf kommt es an, um eine gemeinsame Zukunft weiter voranzutreiben?Für voestalpine berichten fünf Journa-listen, die jeweils in diesen fünf Län-dern leben, aus ihrer ganz persönlichen Sicht von den besonderen Herausfor-derungen und Chancen der Menschen vor Ort. Sie sprachen mit Sewela, einer Jurastudentin aus Johannisburg, trafen europäische Einwanderer in Sao Paolo, schildern den Alltag von Sameer, einem Angestellten in einem Einkaufszentrum in Mumbai, erfahren von der Logistik-managerin Maria etwas über das aktu-elle Leben in Moskau und erklären den Wandel chinesischer Wirtschaftsmetro-polen am Beispiel von Peking.

anteIl Der welt-BeVölkerUng, Der In Den

BrIcS-länDern leBt

40%

Fünf Länder, eine Vision?

TExTE Ana Carolina Minozzo, Judith Reker, Dr. Niklas Schaffmeister, Ksenia Stroganova, Ronita Torcato,

André Uhl, Zhe Wang FOTOS Christoph Dammast, Michael Jung, Maureen Barlin, Nickolay Vinokurov,

iStockphoto.com / Izabela Habur

Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika –

ein Ausblick von Insidern

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Am Rande einer viel befahrenen, von Slums gesäumten Haupt-

straße in Mumbai baut eine kleine Gruppe von Männern in Unterhem-den vor einem Gebäude mit Luxus-autos Handwagen. Weder die Slum-bewohner noch die Handkarrenbauer haben schon einmal von BRICS ge-hört, dem Kürzel für die Gruppe der großen Schwellenländer – obwohl sich ihr Land in einem drastischen Wandel befindet. Samir arbeitet im Food-Court eines exklusiven Ein-kaufszentrums, einem der Tempel des modernen und wohlhabenden Indiens. Das Essen ist „teuer, viel zu teuer“, für Samir, der sich von selbst gekochtem Daal chawal (Curry aus Reis mit Kichererbsen) oder Subzi roti (Gemüse mit indischem Fladen-brot) ernährt. Vor den neu eröffne-ten Luxuslokalen wie dem American Coffee Shop stehen lange Menschen-

schlangen. Eine Tasse Kaffee kostet mindestens 100 Rupien, aber das ist für die aufstrebende indische Mit-telklasse kein nennenswerter Be-trag. Viele Inder wie Shankar und Sa- mir verdienen nur einen Bruchteil der schwindelerregenden Summen, mit de- nen Beschäftigte in florierenden Bran-chen wie Unterhaltung, IT und Immobi-lien und in der Politik entlohnt werden. Mit anderen Worten: Einkommen und Wohlstand sind in Indien extrem un-gleich verteilt. Indien ist sicherlich ein Mitglied der BRICS auf dem Weg nach oben, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Zu-letzt hat sich das Wachstum in Indien stark verlangsamt. Zur Schaffung neuer Arbeitsplätze muss die Wachstumsrate mindestens 7 Prozent betragen, 2012 fiel das reale BIP-Wachstum jedoch auf nur 4,9 Prozent (2011: 6,8 Prozent); in der gleichen Zeit betrug die Inflati-onsrate durchschnittlich 8 Prozent, was zu höheren Preisen für Treibstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin sowie zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise für arme Menschen führte. Die Asiati-sche Entwicklungsbank (ADB) hat Indi- ens Wachstumsprognose für das Steu-erjahr 2012 bis 2013 auf 5,4 Prozent ge-

senkt, nachdem sie kurz zuvor noch eine Wachstumsrate von 5,6 Prozent für Asiens drittgrößte Volkswirtschaft vor-hergesehen hatte. Obwohl der Ausblick für Indien von stabil auf negativ gesenkt wurde und der Internationale Währungsfonds die Wachstumsraten nach unten angepasst hat, entwickelte sich die indische Wirt-schaft besser als erwartet. Einige sehen dies jedoch angesichts des Fehlens wahrer Reformen, dem mangelnden Ausbau der Infrastruktur, der ausge-prägten Korruption und der schlech-ten Regierungsführung als schwachen Trost an. Die in Bangalore angesiedelte IT-Industrie macht Indien zu einem kla-ren Branchenführer in diesem Bereich, aber in allen anderen Industriezweigen ist China die unangefochtene Wachs-tumslokomotive.Im Dezember 2012, als der Wirtschafts-rat des indischen Premierministers die Wachstumsrate auf 6,5 bis 7 Prozent senkte, prognostizierte Morgan Stanley Indien eine rosigere Zukunft. Darüber

Vorausdenken

Indien— Land voller

Kontraste

taj Mahal, Indien, © Maureen Barlin

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Vorausdenken

hinaus erwartet Goldman Sachs, dass das gemeinsame BIP der G4-Länder (Indien, Brasilien, Japan und Deutsch-land) 2035 höher sein wird als das aktu-elle BIP der G7-Länder und dass China im Jahr 2040 alle anderen Länder über-holen wird. Werden Indien und die anderen Schwellenländer Brasilien, Russland, China und Südafrika die G7-Länder wirklich ausstechen? Ist das ein realis-tisches Szenario in einem Land der Kon- traste und der Widersprüche wie Indien, in dem Luxusautomobile noch Seite an Seite mit Handkarren stehen? Eines ist sicher: Samir und Millionen seiner Mit-bürger arbeiten daran.

Ronita Torcato ist freie Journalistin und schreibt für Medien wie The Free Press Journal und The Hindu. Sie stammt aus Goa und lebt und arbeitet in Mumbai.

„Brasilien ist die Zukunft“, erklärt mir ein vor Kurzem nach Brasi-

lien übersiedelter Franzose, während wir in dem reichen Stadtviertel Jar- dins an den zahlreichen Luxusboutiquen vorbei flanieren. Luxus hat es in Bra-silien immer schon gegeben, selbst be- vor der Name des Landes zu einem Sy-nonym für Chancen wurde. Doch als ich das Land vor sechs Jahren verließ, woll-te jeder mit ein wenig Ehrgeiz nach Eu-ropa oder in die USA auswandern. Das hat sich geändert: Neben Strand und Bossa – der berühmten brasilianischen Entspanntheit – bietet das Land auch große Möglichkeiten. Ist das der Grund, warum Brasilien in aller Munde ist? Ich kehrte zurück, um eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Immer mehr Milliardäre machen gute Geschäfte, aber die eigentlichen Akteu-re des heutigen Brasiliens sind die so- genannten C- und D-Klassen, also Men-schen, die etwa das Doppelte des Min-destlohns verdienen. Sie machen heu- te 54 Prozent der brasilianischen Bevöl-kerung aus. In den letzten zehn Jahren haben sie drastische Veränderungen er-lebt. Sie sind der Armut entronnen, in die Mittelklasse aufgestiegen und kur-beln den Binnenmarkt mit ihrer Kauf-kraft an. Der nationale Mindestlohn hat sich im letzten Jahrzehnt um 70 Pro-zent erhöht und beläuft sich derzeit auf 675 R$ pro Monat, das sind umgerech-net rund 330 US$. Die Arbeitslosenrate ist in der gleichen Zeit auf 5,3 Prozent gesunken.

„Hier hat sich das Leben für die Men-schen der Arbeiter- und Mittelklasse wirklich geändert“, bestätigt der Analyst für Industriepolitik Cristieni Castilhos.

„Viele Menschen müssen nicht mehr je-de Arbeit annehmen und setzen nun auf Berufswege, die mehr Fachwissen erfor- dern.“ Die zweiunddreißigjährige Haus- hälterin Janete Souza aus Porto Alegre im Süden Brasiliens ist ein Inbegriff die- ser Veränderungen. „Mein Mann hat ein kleines Haus an der Küste gekauft, ich fahre an den Strand“, erzählt sie aufge-regt und freut sich auf den Urlaub. Ihr Mann Wellington repariert Waschma-schinen. Er hat dieses Handwerk gelernt und sich zusammen mit seinem Bruder selbstständig gemacht. Das gemeinsame Einkommen des Paares hat sich im letz-ten Jahrzehnt fast verdreifacht. Optimismus liegt in der Luft, wenn-gleich manche Zahlen weniger ermuti-gend sind. Brasilien ist jetzt die sechst-größte Volkswirtschaft der Welt, aber die für 2012 vorhergesehene Wachs-tumsrate wurde nicht erreicht. Das Land musste sich mit mageren 1,75 Pro-zent zufriedengeben, wesentlich weni-ger als in allen anderen BRICS-Staaten. Andererseits hat Brasilien unter den BRICS-Ländern die besten Ergebnisse bei der Reduzierung der sozialen Un-gleichheit erzielt. Die Verringerung der

Brasilien— Die Bossa-Jahre

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Vorausdenken

Einkommensunterschiede war entschei- dend für einen stärkeren Binnenmarkt, die Erhöhung des Bildungsniveaus und das Eindämmen der Kriminalität. Sicherlich müssen in Brasilien noch ei-nige Hürden bewältigt werden. Mein französischer Freund gibt zu, dass die Bürokratie noch sehr mühsam ist.

„Aber zumindest sind wir in Brasili-en“, meint er, „und wenn man in der Schlange steht, unterhält man sich mit seinen Leidensgenossen, als ob man sich schon ewig kennen würde“. Das ist Bossa, die Fähigkeit, Lösungen zu finden und überall Schönheit zu sehen.

Ana Carolina Minozzo wurde in Por-to Alegre geboren. Sie ist Journalistin und lebt in Brasilien und in London. Sie schreibt in erster Linie über Kunst und Mode.

Im kalten Frühjahr 1998 ging ich zum ersten Mal als Korrespondent

für das Handelsblatt nach Peking. Meine Frau Zhe stammt aus Peking und hatte ihre Kindheit in dieser Me-tropole mit 13 Millionen Einwohnern verbracht. Ich lebte in einem kleinen Hotel im Stadtzentrum, nur einen Steinwurf vom Graben des Kaiserpa-lastes entfernt. Der Rauch von Koh-leöfen, mit denen die Menschen in den Hutong genannten traditionellen Wohnvierteln ihre Häuser heizten, lag in der Luft.Heute sind die Stadt und das Leben dort kaum noch wiederzuerkennen. Nur der Kaiserpalast und die traditi-onellen Viertel in seiner Umgebung haben den Wandel überdauert. Durch das Wachstum und die Entwicklung, die wir in China in den letzten 15 Jah-

ren hautnah erfahren haben, wurde das Land neu erfunden. China befreit sich immer mehr aus dem engen Kor-sett der Planwirtschaft und die Men-schen strotzen vor Energie und Kre-ativität. Heute sagen 86 Prozent der Chinesen, dass es ihnen dieses Jahr besser geht als im letzten. China hat in den letzten Jahren einen Rekord nach dem anderen gebrochen: Erst löste es Deutschland als Export-weltmeister ab, dann wurde es 2011 zum größten Markt für Automobile. In China werden jetzt mehr Fahrzeu-ge produziert als in Europa. Darüber hinaus exportiert China heute mehr Leistungen im Bereich Forschung und Entwicklung nach Europa als umge-kehrt, die Anzahl von qualifizierten Fachkräften soll bis 2020 um 58 Pro-zent auf 180 Millionen steigen. Dieser schnelle Wandel hat jedoch Konse-quenzen. Die Umwelt wird schwer in Mitleidenschaft gezogen, und ange-sichts der gravierenden Umwälzun-gen in den Städten und den ländli-chen Gebieten steht die Gesellschaft unter enormem Druck.

Der plötzliche Kampf um den gesell-schaftlichen Aufstieg hat die alten Werte auf eine harte Probe gestellt. Viele junge und gut ausgebildete

Menschen verdienen gutes Geld, an-dere leben weiterhin in sehr einfachen Verhältnissen. Die Scheidungsrate ist in die Höhe geschnellt und viele Kin-der haben heute andere Ziele, als die Traditionen ihrer Vorfahren fortzufüh-ren. Es ist daher keine Überraschung,

dass 77 Prozent der städtischen Bevöl-kerung der Meinung sind, die Moder-nisierung stehe oft im Kontrast zu den traditionellen Werten.

China— Konfuzius trifft

Kaufkraft

voestalpineFakten

„wir werden vor allem in Südost-asien, einschließlich china, in Südamerika und – in nischen-bereichen – auch in den USa und kanada zügig wachsen. In europa geht es um die dauerhaf-te absicherung unserer heutigen position. aber schon über die nächsten fünf, sechs Jahre wer-den wir den außer-europäischen Umsatzanteil auf etwa 40 % er-höhen“, so wolfgang eder, ceo voestalpine ag.

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Be there

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Vorausdenken

Seit Beginn des Reformkurses war-ten westliche Beobachter auf ein Ab-ebben des Wachstums oder auf eine Finanzkrise, die das Land ins Schleu-dern bringt. China stört sich jedoch gar nicht an der einhelligen Meinung, dass sein Wachstum nicht ununterbro-chen andauern könne. Die politische Führung machte kluge wirtschaftspo-litische Vorgaben, sorgte für Stabilität und verschaffte dem Land Zugang zur obersten Liga. Es gibt viele Hinweise darauf, dass aus China auch in der Zukunft neue Entwicklungen, Inno-vationen, Trends und Moden kommen werden. Die Ära Chinas hat gerade erst begonnen.

Dr. Niklas Schaffmeister lebte von 1998 bis 2009 als Journalist und Berater in Shanghai, Peking und Hongkong, be-vor er seine eigene Unternehmensbe-ratung Globeone gründete. Heute lebt er mit seiner Frau Zhe Wang in Köln.

Maria ist 28 Jahre alt, besitzt ei-nen Hochschulabschluss und

lebt in Moskau. Wie viele Andere zog sie auf der Suche nach einem besse-ren Arbeitsplatz in die Hauptstadt. Als Logistikmanagerin eines multinatio-nalen Unternehmens verdient sie jetzt das Dreifache von dem, was sie vor vier Jahren bekam, und kommt auf 72.000 Rubel netto pro Monat. Das wäre in ihrem Heimatort Twer ein gu-tes Gehalt, wo sie vermutlich Schwie-rigkeiten hätte, überhaupt Arbeit zu finden. In Moskau aber lassen sich damit keine großen Sprünge machen. Sie zahlt lang- sam den Kredit für ihre kleine Wohnung ab und macht mehrmals im Jahr Kurz-

urlaube. Maria ist gut über die BRICS-Staaten informiert. Ihr erster Gedanke zum Thema Wirtschaftswachstum ist die „allgegenwärtige Wirtschaftskrise“. Sie denkt einen Augenblick darüber nach: „Andererseits wären die Dinge, die wir uns heute leisten können, vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen.“Damit hat sie Recht. Seit der Jahrtau-sendwende gehört die russische Wirt-schaft zu den am schnellsten wachsen- den Volkswirtschaften. Dank der star-ken Zuwächse bei den Exporteinnah-men in der Energiebranche liegt die jährliche Wachstumsrate bei beeindruk- kenden sieben Prozent. Es ist kein Zufall, dass Jim O’Neill, Chairman von Gold- man Sachs Asset Management, Russ-land einst für das vielversprechendste BRICS-Land hielt. Das war jedoch, bevor die Wirtschafts-krise die ganze Welt erschütterte. Russ-land war davon aufgrund der übermäs-sigen Abhängigkeit von ausländischen Finanzmärkten besonders stark betrof-fen. Die Auswirkungen trafen in erster Linie kleine und mittelständische Unter-nehmen, viele mussten Konkurs anmel-den. Nach Jahren stetigen Wachstums ging das Bruttoinlandsprodukt 2009 um 7,9 Prozent zurück. Dieser Einbruch offenbarte die großen Schwächen der russischen Wirtschaft:

strukturelle Mängel des Wirtschafts- und Finanzsystems und ein unverhält-nismäßig starker Fokus auf dem Export natürlicher Ressourcen.Die Regierung ist sich dieses Problems bewusst. Das ökonomische Denken Russlands entfernt sich langsam von der reinen Profitlogik und konzentriert sich stärker auf langfristige strategische Ziele und eine ausgewogenen Haus-haltspolitik. Trotz dieser Anstrengungen ist der Westen bei Investitionen in Russland noch sehr zögerlich. Die Regierung muss dringend Maßnahmen ergreifen, um die politische und wirtschaftliche Isolation des Landes zu beenden, da-mit ein konstruktiver Dialog entstehen kann. Die lang ersehnte Mitgliedschaft in der WTO war ein Schritt in die rich-tige Richtung. Um auf Kurs zu bleiben, muss Russland sich weiterentwickeln und sein enormes Potenzial ausschöp-fen.

„Oh, Moskau“, seufzt Maria gedan-kenversunken. Dort gibt es alles. Aber das Leben ist viel teurer und hektischer als anderswo. Dafür haben wir den niedrigsten Einkommensteu-ersatz der Welt: 13 Prozent für jeden! Selbst der französische Schauspieler Gerard Depardieu hat von Putin per-sönlich einen russischen Pass erhal-

wolkenkratzer in Moskau, © nickolay Vinokurov

Russland— Strategie statt

Profit

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Vorausdenken

ten. Ihm waren die Steuern in Frank-reich zu hoch.

Ksenia Stroganova wurde in Moskau geboren. Sie ist Dolmetscherin und pendelt zwischen ihrer Heimatstadt und Bonn.

Sommer in der Stadt, es sind 30 Grad. Mittags öffnen die Men-

schen farbenfrohe Schirme, um sich vor der Sonne am wolkenlosen Himmel zu schützen. Im Stadtviertel Braamfon-tein in Johannesburg herrscht geschäf-tiges Treiben in den neu eröffneten Cafés und den frisch gestrichenen klei-nen Läden. Sewela Moshoma steht mit einer Gruppe junger Frauen vor dem Studentenwohnheim. Die 21-jährige Jurastudentin aus der weit entfernten Provinz Limpopo ist nach Johannes-burg gekommen, weil es der wichtigste Wirtschaftsstandort des Landes ist. Und Studierende wie sie treibt es von über-all her in die Metropole. Als das Apartheidregime 1994 den Weg für eine Demokratie freimachte, gab es

in dem Land nur 74.000 Universitäts-absolventen. 2009 hatte sich ihre Zahl verdoppelt. Die Eltern von Sewela Mos-homa sind Lehrer und können ihre Stu-diengebühren finanzieren, aber Südaf-rika unternimmt große Anstrengungen, um auch armen jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen. Im Winterse-mester 2011/2012 erhielten fast 150.000 junge Menschen Regierungskredite und Stipendien. Der Fachkräftemangel und eine offi-zielle Arbeitslosenrate von 25 Prozent bleiben zwei der großen Herausforde-rungen, die Südafrika meistern muss. Das Land mit knapp über 50 Millionen Einwohnern ist die größte Volkswirt-schaft Afrikas. Mit den umfassenden Gold-, Platin-, Kohle- und Diamanten-vorkommen sowie Wachstumsbran-chen wie Tourismus, Handel und Ban-kenwesen ist das große Land zwischen Atlantik und Indischem Ozean für Han-delspartner hoch attraktiv. Gleiches gilt für Brasilien, Russland, Indien und China, die Südafrika Ende 2010 einluden, fünftes Mitglied der BRICS-Staaten zu werden. Der Handel zwischen Südafrika und diesen Län-dern stieg 2011 um 29 Prozent. „Das ging jedoch stärker auf die Weltwirt-schaft insgesamt als auf die BRICS-Mitgliedschaft zurück“, erklärt Dr. Lyal White, Direktor des Zentrums für Dy-

namische Märkte an der Universität Pretoria. Seit dem Beitritt Südafrikas zu den BRICS sei noch nicht genug Zeit vergangen, um konkrete Zahlen nennen zu können. BRICS sei dennoch wichtig: „Die kulturelle, wirtschaftliche und politische Beziehung zu diesen Ländern ist grundlegend für die Rolle, die Südafrika in Zukunft spielen wird.“Nicht nur große Unternehmen ziehen Vorteile aus Infrastrukturprojekten wie Häfen und Eisenbahnnetzwerke, in die das Land Milliarden investiert. Auch Bürger wie Andy Nkosi, der täglich mit dem neuen Expressbus Rea Vaya von der Township Soweto nach Braamfon-tein fährt, wo er in einem Hotel arbeitet.

„Es kostet nur noch die Hälfte und ich bin doppelt so schnell an meinem Ar-beitsplatz“, erläutert der Dreißigjährige. Die Studentin Sewela Moshoma blickt mit gemischten Gefühlen in die Zu-kunft. „Ich bin nervös“, sagt sie. „Es wird schwierig werden, einen guten Arbeitsplatz zu finden.“ Dann lächelt sie verschmitzt: „Aber ich werde es schaffen.“

Judith Reker lebt seit 2007 in Johan-nesburg, Südafrika, und berichtet über Themen aus ganz Afrika. Südafrika ist nach Kenia und der Demokratischen Republik Kongo ihre dritte Station in Afrika.

Die vorangegangenen Beispiele zei-gen, dass Wandel von unterschied-lichsten Faktoren bestimmt wird. Eine Nominierung als BRICS-Staat ist für die Menschen in diesen Ländern nicht entscheidend. Wichtiger ist, wie sich der Fortschritt auf ihr Leben auswirkt. Und so sehr sich das Leben der Menschen und ihre Herausforde-rungen auch unterscheiden mögen: diese Menschen sind es, welche die Zukunft der globalen Gesellschaft ge-stalten werden.

Südafrika— Der neue Star

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Vorausdenken

Vor zwei Jahren saß ich auf dem Rücksitz eines Toyota Prius auf dem Dach eines Parkhauses in

Kalifornien und klammerte mich an den Türgriff, als das Auto vom Bord-stein losschoss, gerade auf den Rand des Daches zusteuerte und erst im letz-ten Moment mit unveränderter Ge-schwindigkeit um die Ecke bog. Der Fahrersitz war leer. Es war ein Prototyp von Googles fahrer-losem „Self-driving car“ und ich fühlte mich wie Buck Rogers, der in ein ande- res Jahrhundert katapultiert wird. Später erklärte Sebastian Thrun, ein deutscher Professor für Künstliche In-telligenz an der Universität Stanford, wie er das Fahrzeug gebaut hatte. Er unterstrich, dass es bereits mehr als 320.000 Kilometer in Kalifornien zu-rückgelegt hatte. Thrun war überzeugt, dass es in der Zukunft keine Verkehrs-unfälle mehr geben würde.

Wenige Monate später verkündete die New York Times, Thrun sei der Lei-ter von Googles hoch geheimem For-schungslabor Google X und entwickle unter anderem die Google Glasses, eine Brille für „Augmented Reality“. Einige Monate danach traf ich Thrun erneut. Das Robober-Auto, die Brille, Google X und seine hoch angesehene Position an der Universität waren Vergangenheit. Er hatte seine Professur in Stanford niedergelegt und arbeitete nur einen Tag die Woche bei Google. Jetzt wid-mete er sich einem neuen Projekt, das er nicht als Projekt bezeichnete. „Es ist jetzt meine Aufgabe“, betonte er. „Es ist die Zukunft und ich bin absolut über- zeugt davon.“ Die Zukunft, an die Thrun glaubt, und für die er sich mehr begeistert als für Roboter-Autos oder technische Vorrich-tungen, die aus einem Science-Fiction-

Film zu kommen scheinen, heißt Bil-dung. Genauer gesagt, kostenfreie On- line-Bildung für alle. Die Musikindustrie, das Verlagswesen, das Verkehrswesen und der Einzelhandel haben diese gro- ßen technologischen Umwälzungen be- reits am eigenen Leibe gespürt. Jetzt ist laut Thrun die Bildung an der Reihe.

Das System wird

sich ändern.

Daran besteht kein

Zweifel.

„Das System wird sich ändern. Daran besteht kein Zweifel.“ Thrun ist insbe- sondere überzeugt, dass die Hoch-schulbildung vor einem großen Um-bruch steht. Er hat die Online-Univer-

Die Bildungs-revolution

TExT Carole Cadwalladr FOTOS Christoph Dammast, Luciano De Polo / 123rf.com, MelindaChan / getty-

images, iStockphoto.com / AndrewRich

Wie das Internet Bildung demokratisiert

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Vorausdenken

sität Udacity ins Leben gerufen, um Studierenden aus der Dritten Welt, die keinen anderen Zugang zu Bildung ha- ben, und Studierenden in der Ersten Welt, die andere Entscheidungen ge-troffen haben, ein qualitativ hochwerti-ges Bildungsangebot zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist: Zahlt man Tau-sende von Dollar pro Jahr für Bildung oder bekommt man die gleiche Bil-dung kostenfrei im Netz? Natürlich geht es bei einem Studium nicht nur um das, was man dort lernt. Man trifft Freunde fürs Leben oder den späteren Ehemann, man lernt Wasser zu erhitzen und seine Wäsche selbst zu waschen. Aber so sind Umbrüche. Erst kommt der Umbruch, wie man damit umgeht, das findet man dann schon ir-gendwie heraus. Thruns Offenbarung kam ein Jahr spä-ter auf der gleichen TED-Konferenz, auf der er auch das „Self-driving car“ vorgestellt hatte.

Alle, die die

Prüfung mit

der höchsten

Note bestanden,

waren online

eingeschrieben

„Ich hörte Salman Khan über die Khan Academy sprechen und war ungeheu-er beeindruckt“, erklärte er. „Und das bin ich auch heute noch.“ Salman Khan, der 36-jährige frühere Analyst ei- nes Hedge Funds, ist ein Mann der lei-sen Töne. Und er ist der Urheber der sogenannten Bildungsrevolution. Von Bill Gates (der ihn als „den besten Leh-rer der Welt“ bezeichnete) abwärts ge-nießt er Ruhm in breiten Kreisen. Die Khan Academy, die er fast zufällig gründete, als er seiner Nichte und seinem Neffen Nachhilfe gab, umfasst

3.400 Kurzvideos oder Tutorials. Die meisten davon wurden von Khan selbst erstellt. An der Khan Academy lernen 10 Millionen Schüler. „Ich war vollkom- men überwältigt“, sagte Thrun. „Und auch peinlich berührt, denn ich unter-richtete 200 Studenten und er Millio-nen.“ Thrun beschloss, seinen Kurs für Künstliche Intelligenz, CS221, an der Stanford-Universität für die ganze Welt zu öffnen. Er kündigte an, dass jeder diesen Kurs belegen könne. Online-Studenten mussten die gleichen Stu-dieninhalte wie Stanford-Studenten bewältigen und die Prüfung zu Kurs-ende machen. CS221 ist ein anspruchsvolles und schwieriges Thema. Auf dem Campus schrieben sich 200 Studenten ein und

Thrun dachte, dass einige Tausend den Kurs online belegen würden. Als der Kurs begann, hatten sich 160.000 Perso-nen dazu angemeldet. Vertreten waren Studenten aus jedem Land der Welt mit Ausnahme von Nordkorea. 23.000 Studenten bestanden die Ab-schlussprüfung. Alle 400 Studenten, die die Prüfung mit der höchsten Note bewältigten, waren in dem Online-Kurs eingeschrieben.

Das war, sagt Thrun, sein „Wun-derland-Moment“. Nachdem er 160.000 Studenten unterrichtet hatte, konnte er sich nicht mehr mit einer Grö-ßenordnung von 200 zufriedengeben.

„Ich hatte das Gefühl, es gäbe eine rote und eine blaue Pille“, erklärte Thrun einige Monate später in einer Rede.

„Ich hatte die rote Pille genommen und das Wunderland gesehen. Wir können die Welt wirklich durch Bildung än-dern.“ Als ich mich als Anfänger für den Informatikkurs von Udacity anmel- dete, in dem man lernt, eine Such- maschine zu bauen, hatten bereits 200.000 Studenten diesen Kurs abge-schlossen. Damit meine ich, dass Ihnen per E-Mail eine Bescheinigung zuge-stellt worden war. Arbeitgeber schei-

nen diese Bescheinigungen ernst zu nehmen. Zahlreiche Unternehmen, da- runter auch Google, finanzieren Uda-city-Kurse und bieten den Studenten mit den besten Abschlüssen regelmä-ßig Arbeitsplätze an. In Amerika ist Thrun nicht der Einzige, der Wunderland-Pillen genommen hat. Zwei von Thruns Kollegen aus dem Be-reich Informatik in Stanford, Andrew Ng und Daphne Koller, starteten eine

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Vorausdenken

ähnliche Initiative mit ähnlich beein-druckenden Ergebnissen. Sie haben ei- ne Website namens Coursera einge-richtet. Während Udacity eigene Kur-se entwickelt, baut Coursera Partner-schaften mit Universitäten auf, um die bereits existierenden Kurse anzubieten. So sind 33 Angebote entstanden, die von 1,8 Millionen Studenten belegt wur- den. Trotz kleiner Unterschiede zwi-schen den beiden Ansätzen be-sitzen doch beide die dynamische unternehmerische Kraft, mit der die Welt verändert werden kann. Genau diese Kraft ist charakteristisch für die größten und erfolgreichsten Startup- Unternehmen des Silicon Valley.

„Wir hatten schneller als Facebook und als Instagram eine Million Nutzer“, sagt Koller. „Es handelt sich um eine enorme Veränderung der Bildungslandschaft.“ Am Massachusetts Institute of Techno-logy hat Anant Argarwal, der ebenfalls Informatikprofessor ist, EdX gestartet. Diese Plattform enthält Inhalte von MIT, Harvard, Berkeley und University of Texas System.

Die größte

Bildungsinnovation

der letzten 200

Jahre

Argarwal ist kein Mann des Under-statements: „Durch diese Plattform wird das Bildungssystem neu erfunden werden. Sie wird Universitäten verän-dern. Sie wird die Bildung im großen Stil demokratisieren. Es handelt sich um die größte Bildungsinnovation der letzten 200 Jahre.“ Die letzte war ver-mutlich „die Erfindung des Bleistifts“. Argarwal hofft, dass er in einem Jahr-zehnt eine Milliarde Studenten auf der ganzen Welt erreichen wird. „In vier Monaten ohne Marketing sind wir auf 400.000 gekommen, daher halte ich das nicht für unrealistisch.“

Den ersten von ihm unterrichteten Kurs haben 155.000 Studenten absol-viert, darunter eine ganze Schulklas-

se aus der Mongolei. In diesem Jahr, sagt Argarwal, hat sich alles geändert. Es führt kein Weg zurück. „Es ist das Jahr der großen Umbrüche.“ Udacity, Coursera und EdX sind die drei großen Player. Alle drei sitzen in den USA und werden von großen, prestigereichen und wohlhabenden Institutionen und Unternehmen unterstützt. Anderswo gibt es dafür von der Basis ausgehende Bewegungen, die zeigen, wie durch-schlagend die Kombination aus Tech-nologie und Bildung sein kann. Vor einem Monat habe ich mich bei ei-nem Cousera-Kurs angemeldet. Es han- delt sich um eine Einführung in Gene-tik und Evolution von Mohamed Noor, der Professor an der Duke University ist. Im Gegensatz zu Udacity haben die Kurse von Coursera ein Anfangsdatum und einen Stundenplan. Wir sind alle da: Noor, ich und 36.000 Kommilitonen. Wir kommen von überall her, aus Kasachstan, Mani-la, Donezk und dem Irak, sogar aus Mi- ddlesbrough. Als ich die ersten Videos ansehe und mich an Noors mit viel Lä-cheln übertragenem Enthusiasmus er-

freue, bin ich nicht überwältigt. Ist das wirklich die Zukunft der Bildung? Es sind nur Videos von Vorlesungen. Es

müssen auch Hausarbeiten geschrie-ben werden, aber ich bin Journalistin. Abgabetermine beeindrucken mich erst, wenn die Katastrophe bevorsteht. Ich ignoriere sie. Ungefähr eine Woche später logge ich mich wieder ein und schaue mir das Kursforum an. In dem Moment bin ich tatsächlich über- wältigt. Die Besucherzahlen sind atem-beraubend. Tausende stellen und be- antworten Fragen über dominante Mutationen und Rekombination. Es sind spontane Studierendengruppen entstanden: eine in Kolumbien, eine in

anzahl Der StUDenten, DIe an Der khan acaDeMy

StUDIeren

10 Mio.

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60

Vorausdenken

Brasilien, eine in Russland. Es gibt eine auf Skype und mehrere im realen Le-ben. Und sie sind so fleißig! Wenn Sie ein leicht desillusionierter Lehrer sind oder einen davon kennen, dann schi- cken Sie ihn zu Coursera. Dort sind Men- schen, die lernen wollen.

Unis könnten eine

Mischung aus

echten Vorlesungen

und Online-

Unterricht anbieten

Viele Fragen zur Online-Bildung sind noch offen. Dazu gehört die Tatsache, dass man online noch keinen Abschluss erwerben kann, auch wenn eine US-amerikanische Universität bereits an-gekündigt hat, dass sie die Leistungen ihrer Online-Studenten offiziell zerti-fizieren wird. Im Moment belegen die meisten Menschen Online-Kurse aus reiner Freude am Lernen. „Und sie bekommen eine Bescheinigung, eine PDF-Datei, in der steht, dass diese Per-son vielleicht diejenige ist, die sie vor-gibt zu sein“, ergänzt Noor. Computer können zwar Matheaufga-ben sehr gut bewerten, aber sie sind nicht das Instrument der Wahl, wenn es gilt, Aufsätze über englische Literatur zu benoten. Noch überwiegen wissen-schaftliche und technische Themen, aber die Anzahl von geisteswissen-schaftlichen Kursen nimmt zu. Sie set-zen, laut Koller „mit wachsendem Er-folg“, Peer-Assessment-Techniken ein. Darüber hinaus ist es von großer Bedeu-tung, dass die Kurse von Udacity, EdX und Coursera derzeit unentgeltlich sind. Auf die Frage, warum Bildung zum neu- en Wunderbaby der technologischen Entwicklung geworden ist, antwortet Koller: „Sie ist wie der perfekte Sturm. Wie der Wirbelsturm Sandy sind all die-se Dinge gleichzeitig gekommen. Es

gibt einen enormen Bedarf für hochwer-tige Bildung. Gleichzeitig wird Bildung immer teurer. Und es wurden technolo-gische Durchbrüche erzielt, durch die Bildung mit sehr geringen Grenzkosten bereitgestellt werden kann. Der Besuch einer realen Universität bietet zahlreiche immaterielle Vorteile. Aber es gibt Din-ge – Freunde fürs Leben finden, einer Verbindung beitreten oder eine Wasch-maschine bedienen lernen – die um-sonst sind. Was kostet, ist die Bildung im engeren Sinne. Udacity und die an-deren zeigen uns, dass dies nicht nötig ist. Eine der letzten Universitäten, die sich mutig auf das Thema gestürzt hat, ist die Universität Edinburgh in Schottland. Sie hat eine Vereinbarung mit Course-ra abgeschlossen und wird ab Januar sechs Kurse anbieten, für die sich be-reits 100.000 Studenten angemeldet ha- ben. Das sind vier Mal so viele wie die derzeit eingeschriebenen Bachelor-Stu-denten der Universität. Heute gehe ich jedoch in eine echte Vor- lesung anstatt ein Online-Video anzu-schauen. Sie findet im alten Anatomie-Hörsaal der Universität Edingburgh statt, einem stark ansteigenden Vorle-sungssaal, der seit dem 19. Jahrhundert genutzt wird, als auf dem Podium noch ein Seziertisch stand. Heute spricht dort der Professor für integrative Neurowis-senschaften Mayank Dutia über das in-nere Ohr. Er ist einer der ersten Dozenten, die sich dafür entschieden haben, einen Bei- trag zu den im Januar beginnenden Coursera-Kursen zu leisten. Gleichzeitig verteidigt er auch die reale Variante des Studiums. „Universitäten sind besonde-re Orte, ein Online-Studium ist nicht das Gleiche. Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man bei einer weltweiten Kory-phäe lernen darf. Oder wenn man ein Gespräch mit einem Menschen führt, der sich sein ganzes Leben mit einem bestimmten Thema auseinandergesetzt hat. Dafür gibt es keinen Ersatz.“ Das ist natürlich richtig. Aber die neu-en Webangebote werfen die Frage auf,

was eine Universität eigentlich ist und worin ihre Zielsetzung liegt. Sie stellen auch die Frage, wer dafür bezahlen soll- te. Argarwal sieht eine Zukunft, in der Universitäten gemischte Modelle anbie- ten können, eine Mischung aus echten Vorlesungen und Online-Unterricht. Die Webangebote sind erst wenige Monate alt. Sie arbeiten noch an den Grundlagen. Im Moment zeichnen sich in den Universitäten noch keine großen Veränderungen ab. Aber wer weiß, wie sie in zehn Jahren aussehen werden? Vor einem Jahrzehnt dachte ich, dass Zeitungen bis in alle Ewigkeiten existie-ren würden und das nichts ein Buch er- setzen könne. Ich dachte auch, das K.I.T.T., David Hasselhoffs Wunderau-to in Knight Rider nur ein Gebilde der Fantasie wäre …

voestalpineFakten

Mit fast 1.300 Jugendlichen,davon etwa 800 an österrei-chischen Standorten, ist die voestalpine der größte industrielle lehrlingsausbildnerösterreichs. auch an inter-nationalen Standorten, wie zum Beispiel england, wurdenbereits eigene ausbildungs-stätten von uns errichtet.

wir investieren konsequent in weiterbildung und nutzendafür auch aktiv verschiedeneonlinemedien, um unsere 45.000 Mitarbeiter weltweit zuvernetzen. zusätzlich be-treiben wir human-resources-programme für talentförderung, Unterstützung von familien, individuelle work-life-Balanceund viele weitere programme.

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Be there

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Be there

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63

Neugierig bleibenIdeen Wirklichkeit werden lassen

Als weltweiter Verbund unabhängiger Spezialisten bringen wir für jedes Projekt die richtigen Köpfe und Kompetenzen an einen Tisch und bieten

ein Maximum an Erfahrung und Know-how. So ermöglichen wir auf vielfältige Weise Vorsprung und Fortschritt und sichern damit auch den Erfolg unseres

Unternehmens.

64

Erfolglose Erfindungen... und warum sie scheiterten –

der Teufel steckt im Detail

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Trends aus Hollywood: visuelle EffekteDark Knight, Avatar und Co.

70

Kleines Detail, große WirkungErfindungen, die unser Leben leichter machen

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Die Humanisierung des AllsÜber einen Raumanzug, der kommerzielle

Weltraumflüge möglich macht

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Expo 2015Sind Weltausstellungen eher Traum

oder realitätsnahe Vorausschau?

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neugierig bleiben

Zu gefährlich – der Raketenrucksack

In den 1960ern hatten Ingenieure eine ganz be-sondere Vorstellung vom Individualverkehr der Zukunft. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, dann würden wir heute alle mit Raketenrucksä-cken durch die Gegend fliegen. Das ist aber nie eingetreten. Stellen Sie sich die Rush Hour über Ihrer Stadt vor, wenn jeder mit einem „Jet Pack“ zur Arbeit fliegen würde. Beunruhigende Vor-stellung, oder? Es überrascht daher nicht, dass keine Versicherungsgesellschaft der Welt bereit war, den fliegenden Rucksack zu versichern.

Zu schwer – das Amphibienfahrrad

Bleiben wir beim Thema individuelle Beförde-rung: Wie wäre es mit einem Fahrrad, dass im Wasser und an Land fahren kann? Schon in den 1930er Jahren war ein Prototyp eines Amphi-bienfahrrads erfunden worden. Bis heute ist es Ingenieuren jedoch nicht gelungen, ein solches Vehikel mit akzeptablem Gewicht zu konstruie-ren. Auch die Designstudie von zwei ehrgeizigen chinesischen Studenten ging nie in Serie. Die Bau-teile, mit denen das Fahrrad schwimmt, machen es zu schwer, um es an Land bewegen zu kön-nen und umgekehrt.

Erfolglose Erfindungen

TExT Remo Bitzi ILLUSTrATIOnEn Benedikt Rugar

Wie erfinderisch wir Menschen doch sind. Allein in

den USA werden jeden Tag über 1.000 Patente

angemeldet, in China drei Mal so viele. Aber nicht

jede kluge Idee wird zu einem Verkaufsschlager und

manchmal liegt das nur an einem kleinen Detail.

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neugierig bleiben

Zu ungesund – das Pedoskop

Stellen Sie sich vor, Sie fänden diese schönen Schuhe: Der Preis ist okay, sie scheinen zu passen, aber Sie können sich trotzdem nicht entschei-den? Mit dem Pedoskop, einem Röntgengerät, das in den 1920ern zur Überprüfung der Passform von Schuhen entwickelt wurde, wären Sie leicht zu überzeugen. Eine geniale Vorrichtung! Lei-der nicht ganz. In den 1940er Jahren entdeckten Wissenschaftler die schädlichen Auswirkungen von Röntgenstrahlen auf den menschlichen Kör-per. Deshalb müssen Schuhfans diese schwieri-ge Entscheidung wieder allein treffen.

Zu teuer – eckige Wassermelonen

Was nicht ins Regal passt, lässt sich in Super-märkten schlecht präsentieren und was nicht gestapelt werden kann, kostet Raum und damit Geld. Japanische Lebensmitteltechniker wollten nicht darauf warten, dass dieses Problem von der Evolution gelöst wird, und entwickelten in den frühen 1980er Jahren würfelförmige Was-sermelonen, die effizient in Kunststoffboxen ge-züchtet wurden. Sie waren zwar auch leichter zu schälen, aber nun waren die eckigen Melonen zu teuer und verkauften sich – trotz Stapelbarkeit – nicht gut.

Zu lästig – das Perpetuum Mobile

Im 8. Jahrhundert sinnierte ein indischer Astro-nom über eine Maschine, die ganz ohne exter-ne Energiezufuhr unendlich lange funktionieren sollte, das sogenannte Perpetuum Mobile. Viele andere Erfinder versuchten sich nach ihm daran. Obwohl ein Perpetuum Mobile schon alleine we-gen der Reibungsverluste unmöglich ist, wurden Universitäten mit Arbeiten zu diesem Thema im-mer wieder überflutet. Die französische Akade-mie der Wissenschaften zum Beispiel ignoriert Arbeiten zu diesem Thema offiziell seit 1775.

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Szenenbild „Batman Begins“, © David James/warner Bros/David James /Bureau l.a. collection/corbis

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neugierig bleiben

Wer einen Traum nicht vergessen will, der sollte ihn nach dem Aufwachen am besten gleich aufschreiben. Träu-me sind nur kurze Momente, aber tun oft neue, spektakuläre Welten auf. Es gibt Menschen, die solche Momente nicht nur träumen, sondern Realität werden lassen, wenn auch nur auf der Leinwand: Spezialisten für Visu-al Effects – VFX. Avatar, Dark Knight und Prometheus sind Beispiele epi-scher Filmschöpfungen, in denen die moderne Technik für visuelle Effekte eine große Rolle spielt. Aber bis hier hin war es ein weiter Weg.Der Film Die Reise zum Mond von George Méliès aus dem Jahre 1902 ist der erste Kinofilm, in dem Miniatur-modelle verwendet wurden und gilt so als erster mit Special Effects. Der französische Regisseur setzte damit

neue Standards für die folgenden Ge-nerationen von Filmemachern. Als ein weiterer Meilenstein gilt Die zehn Gebote aus dem Jahr 1956, in dem Charlton Heston das Meer teil-te. Der Regisseur Cecile B. Demille drehte diese Szene, indem er über eine Million Liter Wasser in einen Tank einlaufen ließ und die Aufnah-me dann einfach rückwärts abspielte. 1970 erfanden VFX-Pionier John Dykstra und sein Team für Star Wars die Motion-Control-Fotografie, die es ermöglicht, dieselben Kamera- oder Objektbewegungen durch compu-tergestützte Automatisierung in ver-schiedenen Aufnahmen genau zu wiederholen. In der Nachbearbeitung können die Aufnahmen dann zusam-mengeführt werden. So wird es zum Beispiel möglich, dass derselbe Dar-

anzahl Der lIter, DIe für DaS teIlen

DeS MeerS geBraUcht wUrDen

1,4 Mio.

Trends aus Hollywood: visuelle Effekte

TExT Ari Stein FOTOS David James / Warner Bros / David James / Bureau L.A. Collection / Corbis,

ScanlineVFX

Dark Knight, Avatar und Co.

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neugierig bleiben

steller in einem Bild mehrfach auftritt.Ohne die passionierten Menschen in der Branche, die immer wieder die Grenzen des Machbaren aufbrechen, wären die meisten Filme heute gar nicht mehr denkbar. „Man muss au-ßergewöhnlich kreativ und so einzig-artig wie möglich sein, um zu über-leben“, betont Paul Butterworth, der die VFX-Teams für Filme wie Prome-theus und Thor geleitet hat. Er zog vor 20 Jahren aus dem Vereinigten Kö-nigreich nach Australien. Als er dort begann, gab es nur eine Handvoll von Menschen, die sich mit visuellen Ef-fekten befassten. Heute hat sich eine ganze Industrie dort angesiedelt.

Wir fragen Butterworth, was denn das das heutige Äquivalent zur Meeres-teilung in Die zehn Gebote sei. „Man braucht hoch qualifizierte Spezialis-ten, um High-Tech-Instrumente für unsere Branche zu entwickeln. Un-ter besonderen Umständen muss der Ozean sich auf eine bestimmte Art und Weise teilen. Bei dem Film Pro-metheus – Dunkle Zeichen haben wir beispielsweise ein Universum mit ei-ner riesigen Flüssigkeitssimulation gebaut.“

Die Flüssigkeitssimulation ist einer der spektakulärsten Effekte auf der Leinwand. Durch ihn werden das Aus-sehen und die Wirkung von Flüssig-keiten, Gasen und Feuer nachgestellt. Hinter diesen atemberaubenden Sze-nen steckt vor allem komplizierte Ma-thematik. Flüssigkeiten haben einzig-artige physikalische Eigenschaften, die vor der Existenz von Computern nur durch jahrzehntelange mathema-tische Modellierungen nachgeahmt werden konnten. Die ersten Versuche der Computersimulation hatten kaum Ähnlichkeit mit der realen optischen Wirkung. Erst mit dem enormen An-stieg der Verarbeitungskapazität von

Rechnern in den 1990er Jahren ent-standen annähernd der Realität ent-sprechende Simulationen. Butterworth schwärmt: „Der Augen-blick, in dem David (gespielt von Michael Fassbender, Anm. d. Red.) den Knopf drückt und durch das Uni-versum fliegt, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Man sieht die Sterne, Gase und Nebel kommen. Es war das erste Mal, das wir sahen, wie sich der Mond Zeta II in die richtige Position drehte.“Was nun wird die Zukunft bringen? Das deutsche Unternehmen Scan-

Zeitstrahl

1982

1990

1995

2009

erste aufnahme in einem kinofilm, die komplett am computer generiert wurde (Star trek II genesis effect)

erster Versuch, die Motion-capture-technik in einem film einzu-setzen, wurde dannaber wieder durch rotoscoping (zeichnen der Bilderfolgen) ersetzt (total recall)

erster voll computer-animierter film (toy Story)

full performance capture: mehr als 95 prozent desSchauspiels wurden auf die digitalen figuren übertragen (avatar)

Szene aus cloud atlas, © ScanlineVfX

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neugierig bleiben

line hat einige der beeindruckendsten visuellen Effekte dieses Jahrhunderts geschaffen. Dazu zählen 300, 2012 von Roland Emmerich und Marvel’s The Avengers. Hier weiß man, dass visuelle Effekte heute für jeden Film ein Muss sind. Die Geschäftsführerin Ismat Zaidi erklärt: „Es gibt keine Fil-me mehr, die diese Effekte nicht nut-zen. Einige haben sehr wenige davon, andere sehr viele, wie zum Beispiel Cloud Atlas, an dem wir ebenfalls gearbeitet haben. Einen solchen Film hätte man vor 15 oder 20 Jahren nicht drehen können.“

Wie realitätsnah

können Filme noch

werden?

Die Technik hat der Branche große Fortschritte ermöglicht, aber genau das wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Wie realitätsnah kann ein Film noch werden? Wo führt die radikale VFX-Technik hin? Wenn ganze Sets und selbst Menschen realitätsnah von Rechnern simuliert werden können, wird für echte Schauspieler bald kein Platz mehr sein? Das wurde in den Filmen Der seltsame Fall des Benjamin Button und Polar Express schon bis zu einem gewissen Punkt durchexerziert. Die Geschichte des Benjamin Button galt wegen des rückwärts gerichteten Alterungspro-zesses des Protagonisten lange als unverfilmbar. Die Kombination von Masken und digitaler Technik er-möglichte nun die Umsetzung, und zwar so realitätsnah, dass der digitale Ursprung der Bilder dem Zuschau-er meist verborgen bleibt. Bei Polar Express kam eine Technik, das soge-nannte Motion Capture, zum Einsatz, welche bereits bei den Dreharbeiten zur Trilogie Der Herr der Ringe für die Rolle des Wesens Gollum verwendet wurde. Die Schauspieler werden zu-

nächst real gefilmt, ihre Darstellung, Mimik und Gestik dann auf die digi-talen Figuren übertragen.Den Schöpfern dieser Fantasiewelten geht es aber nicht nur um die neueste Software oder um Render-Geschwin-digkeiten. Es geht ihnen vielmehr um echte Menschen und Gefühle. Zaidi erinnert uns in diesem Zusammen-hang an die Momente, die nicht vom Computer generiert sind: „Es war schön, Johnny Depp wochenlang auf unseren Bildschirmen zu haben, als wir an Piraten in der Karibik arbeite-

ten.“ Es sind die Menschen, die am Ende den Applaus bekommen. Dan Glass, der unter anderem für die be-rühmte Szene mit dem in Zeitlupe fliegenden Projektil in Matrix verant-wortlich ist, erinnert sich an seinen Moment im Rampenlicht: „Einer der tollsten Momente war die Premie-re von Cloud Atlas in Toronto, als wir eine 37 Minuten lange stehende Ovation bekamen.“ Wenn das nicht traumhaft ist.

cloud altlas vorher: Dreharbeiten vor der grünen leinwand, © ScanlineVfX

cloud atlas nachher: animierter hintergrund anstelle der grünen leinwand

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neugierig bleiben

Fussballschuhe

Von ihren Ursprüngen im England der Tudors bis zu ihrem heutigen windschnittigen Design – Fußball-schuhe sind eine Kombination aus zahlreichen klei-nen Innovationen. So wurde in den 1950er Jahren schweres Rindsleder durch leichteres Känguruleder ersetzt, dann führte die Suche nach Leichtigkeit zu Kunststoff- oder Kohlefasersohlen. Besondere Gummirippen am Innenrist erhöhen heute die Rei-bung und die Drehung des Balls und verbessern so die Schussgenauigkeit. Zukünftige Entwicklungen werden Schuhe vermutlich leichter, individuell an-passbarer und sicherer machen, wie etwa Nocken, die sich von selbst lösen können.

Fahrradräder

Fahrräder mögen banal erscheinen, doch jede Kontur, jede Schraube und jede Speiche hat eine ganz bestimmte Funktion. Heutige Räder se-hen ähnlich aus wie altmodische Holzräder mit Druckspeichen, aber moderne Aufhängungsrä-der stellen dieses System auf den Kopf, da alle Speichen konstant unter Spannung stehen und dadurch wesentlich leichter sind. Entgegen der herkömmlichen Logik ist die Radnabe am obe-ren Rand der Felge aufgehängt und das Rad be-hält seine Form, weil die Speichen die Felge zur Radnabe hinziehen. Nur durch die Veränderung eines kleinen Details wurde das Rad buchstäb-lich neu erfunden.

adidas fussballschuh-Model

„Uwe Seeler“, erstes paar

fußballschuhe von

M. rummenigge, 1970,

© M.rummenigge/fussball-

raritaeten.de

nike Mercurial Vapor IX,

christiano ronaldo, © nikeinc.com

tretkurbelrad, frankreich, um 1870,

© plotnikov/Dreamstime.com

fahrrad von SteVenS, offizieller Sponsor von

Stefan nimke, weltmeister teamsprint 2011 und

weltmeister zeitfahren 2012, © SteVenS Bikes

Kleines Detail, große Wirkung

TExT Lucas Frost FOTOS M. Rummenigge / fussball-raritaeten.de, nikeinc.com, Plotnikov / Dreamstime.

com, STEVENS Bikes, Stöckli, iStockphoto.com / David Morgan, www.guitarvillage.co.uk, www.guitarbitz.com,

Washington State Archives, Puget Sound Branch, Port of Seattle Photograph Collection

Manchmal haben die kleinsten Dinge die größte

Wirkung. Und obwohl sie eigentlich nicht so

wichtig erscheinen, haben sie enormen Einfluss auf

unser tägliches Leben. Wir werfen einen Blick

auf fünf geniale Erfindungen, die wir alle für selbst-

verständlich halten.

Page 71: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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neugierig bleiben

Elektrische Gitarre

In den 1920er Jahren hatten Jazzgitarristen ein Problem. Sie wurden von den damals in Bands beliebten Blasinstrumenten, die immer lauter wurden, und vom Schlagzeug übertönt. Her-kömmliche Mikrofone waren jedoch nicht in der Lage, das volle Frequenzspektrum von Gitarren wiederzugeben. Die Lösung lag im elektromag-netischen Tonabnehmer. Um die Magneten werden dünne Kupferkabel gewickelt, wodurch elektrischer Strom erzeugt wird, wenn eine Stahl-seite darüber vibriert. Das elektrische Signal wird dann an einen Verstärker geleitet, sodass ein reichhaltigerer und stärkerer Klang sowie ver-schiedene Effekte entstehen – ein kleines Stück Metall und die Elektromusik war geboren.

Containertransport

Für den rasanten Anstieg des Handels im 20. Jahrhundert war eine komplette Umstrukturie-rung der Transportlogistik erforderlich. Der in-termodale Container kann auf dem Wasser, auf der Schiene und auf der Straße eingesetzt wer-den. Möglich wird das durch ein kleines Teil: das Twistlock sorgt für eine sichere Verbindung zwi-schen Container und Transportmittel oder zwi-schen Containern, sodass sie auch übereinander gestapelt werden können. Die Funktionsweise ist simpel: In jeder der vier Ecken des Containers wird eine Stahlverriegelung in ein Loch einge-führt, die eine feste Verbindung schafft, wenn sie um 90 Grad gedreht wird.

alte Ski aus holz und Metall aus den 1930er

Jahren, © iStockphoto.com/David Morgan

Ski von Stöckli, offizieller Sponsor von Mike Schmid,

Skicross-olympiasieger 2010 in Vancouver, © Stöckli

fender kurt cobain Jaguar: gestaltet nach der 1965

Jaguar, die cobain in den frühen 1990er Jahren

spielte, © guitarbitz.com

gibson zum 70. geburtstag von

John lennon J160e Museum,

© guitarvillage.co.uk

Ski

Ski werden seit Jahrhunderten als Transport-mittel und zum Sport genutzt. Dabei haben sie immer die gleiche lange und schmale Form beibehalten. Die Bindung, mit welcher der Ski am Schuh befestigt ist, hat sich jedoch radikal verändert. Moderne Bindungen können Skiun-fälle verhindern, denn sie lösen sich bei einem Sturz. Auch das Design des Skis hat sich gewan-delt. Der parabolische Ski mit starkem Sidecut, schmaler Mitte und breiten Endstücken bietet bessere Drehmöglichkeiten. Das verbessert die Kontrolle und beim Slalom sind höhere Ge-schwindigkeiten möglich.

Smiths cove terminals, port Seattle, um 1919,

© washington State archives, puget Sound

Branch, port of Seattle photograph collection

containerschiff, niederlande, 2012,

© christoph Dammast

Page 72: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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neugierig bleiben

Die Humanisierung des Alls

TExT Johanna Bloomfield ILLUSTrATIOn Benedikt Rugar

Über einen Raumanzug, der kommerzielle

Weltraumflüge möglich macht

1 Flammen- und windbeständige

Außenschicht

Der Anzug besteht aus nur einer Schicht

flammen- und windbeständigem, heiß-

siegelfähigem Nylon.

2 Interne Blase

Die interne Blase füllt sich bei der Rück-

kehr oder bei niedrigem Kabinendruck mit

Sauerstoff, um Druck auf den Unterleib

auszuüben und den Kreislauf aufrechtzu-

erhalten.

3 regulierungsriemen

Die Regulierungsriemen reduzieren die

Volumenveränderung und die Ausweitung

des Anzugs bei maximalem Druck und

sorgen so für erhöhte Beweglichkeit.

4 Tragbares Sauerstoffgerät

Das ist der Sauerstoffanschluss. Das

tragbare Sauerstoffgerät (ohne Abbildung)

ist eine Vorrichtung, die den Anzug mit

Sauerstoff versorgt, Sauerstoff austauscht

und kühlt.

1

2

3

4

Page 73: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

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neugierig bleiben

Der Traum vom Fliegen er-reicht neue Sphären. Immer mehr private Unternehmen

der sogenannten „New Space“-Bran-che strecken ihre Fühler Richtung Un-endlichkeit aus und beabsichtigen die kommerzielle Erschließung des Welt-raums. Gemeint sind nicht nur schwe-relose Spielplätze für Möchtegern-Astronauten, sondern auch innovative wie kosteneffiziente Raumfahrttech-nologien. Da die Mittel staatlicher Institutionen wie der NASA immer knapper werden, gewinnen alterna-tive Finanzierungsquellen an Bedeu-tung. Entstanden ist eine kleine wie leistungsstarke Gemeinschaft von Unternehmen, die entschlossen ist, Menschen ins All zu befördern.Von einem Massenexodus in Mondko-lonien sind wir jedoch noch Lichtjahre entfernt. Denn was gegenwärtig als Weltraum bezeichnet wird, beginnt tatsächlich 100 Kilometer über der Erdoberfläche. Damit ein Raumschiff in die Erdumlaufbahn eintreten kann, muss es Höhen von 160 bis 320 Kilo-meter und eine Mindestgeschwindig-keit von ca. 28.000 km/h oder Mach 23 (23-fache Schallgeschwindigkeit) erreichen. Eine Alternative dazu ist der suborbitale Flug an den „Rand des Weltraums“, der die Erfahrung der Schwerelosigkeit, eindrucksvolle Ansichten der Erdkrümmung und die endlose Schwärze des Weltraums bie-tet. Die Frage lautet also: Wie weit ist man bereit zu gehen?Die Firma Space Adventure bietet zum Beispiel einen „Zero-G“-Flug an, bei dem man Schwerelosigkeit inner-halb der Erdatmosphäre erleben kann. Mutigere Hobby-Astronauten wer-den sich für das Angebot von Virgin Galactic entscheiden: Dabei wird ein Raumflugzeug mit sechs Passagie-ren und zwei Piloten an Bord mittels eines Trägerflugzeugs an den Rand des Weltraums gebracht, wo es dann für einen fünfminütigen suborbitalen Flug ausgeklinkt wird. Da der Steig-flug viel steiler ist als bei herkömmli-

chen Flugzeugen, wird die Beschleu-nigung den Passagieren „das Wasser in die Augen treiben“. Belohnt wer-den sie durch eine kurze Phase der Schwerelosigkeit. Neben Kosten in Höhe von 200.000 US$ erfordern die-se ambitionierten Ausflüge jedoch Vorbereitungen in medizinischer wie psychologischer Hinsicht. Eine Vor-bereitungszeit von drei Tagen soll eventuell auftretenden Reisekrank-heiten und psychologischen Proble-men vorbeugen. Ob das ausreicht, ist allerdings fraglich. Profi-Astronauten trainieren viele tausend Stunden, be-vor sie ins All aufbrechen.

Wie weit ist

man bereit zu

gehen?

Besonders wichtig für Passagiere, die der Erdatmosphäre entfliehen wollen, ist ein Druckanzug für Intra Vehicular Activity (IVA), der zwar nicht für Aus-flüge ins All geeignet ist, bei Abfall des Kabinendrucks aber das Überle-ben des Raumfahrers sichert. Er be-steht aus einer schwer entflammbaren und windhemmenden Außenschicht, einer Innenhülle, Haltegurten und einem mobilen Belüftungsgerät. Die Gurte, die den Anzug zusammenhal-ten, wirken den Belastungen entge-gen, die aufgrund starker Änderung von Größe und/oder Richtung von Geschwindigkeit auf den menschli-chen Körper einwirken (g-Kraft) und können durch außen angebrachte Regler verstellt werden. Handschuhe und Helm sind durch Metallflansche mit dem Anzug verbunden.Moderne IVA-Anzüge werden von den Firmen Final Frontier Design und Orbital Outfitters entwickelt. FFD wurde 2010 von Ted Southern, einem Experten für Spezialeffekte und Kos-tüme, und Nikolay Moiseev, einem russischen Raumanzugentwickler, ge-

gründet. Beim 3G-Anzug der nächs-ten Generation sind Innenhülle und Haltegurte aus einem Guss. Erhältlich ist der Druckanzug für 50.000 US$. Erster Käufer des Anzugs ist das Un-ternehmen Zero2Infinity, deren He-liumballon vier Passagiere in Höhen von bis zu 36 Kilometern bringen soll. Auch Chris Gilman kommt aus der Spezialeffektbranche und entwarf in Hollywood Kostüme für Film und Fernsehen, bevor er 2006 Orbital Out-fitters gründete. Der Industrial Subor-bital Space Suit (IS3) soll laut Gilman „im Notfall nicht nur Leben retten, sondern bequem sein und gut ausse-hen“.Was bedeutet das für die unmittelbare Zukunft der „New Space“-Branche? Während SpaceX-Chef Elon Musk davon spricht, autonome menschliche Zivilisationen auf dem Mars anzu-siedeln, war die Ankunft des ersten unbemannten kommerziellen Raum-schiffs an der internationalen Raum-station ISS im Mai 2012 schon mal ein Anfang. Solange Hotels in der Erdumlaufbahn und Weltraumaufzü-ge im Gespräch sind, hat die privat finanzierte Raumfahrt mit Sicherheit Zukunft. Und solange Persönlichkei-ten wie Milliardär Richard Branson und ehemalige Apollo-Flugdirektoren sich für den New Space engagieren, dürfen wir auf unkonventionelle Al-ternativen hoffen, die unsere Science-Fiction-Träume wahr werden lassen und uns helfen, Energiequellen zu entdecken, die die Ressourcen unse-rer endlichen Erde ersetzen könnten.

MInDeStgeSchwInDIgkeIt In kM/h, DaMIt eIn raUMSchIff In DIe erDUMlaUfBahn eIntreten

kann

28.000

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Page 75: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

75

Expo 2015TExT Paul Sullivan FOTOS Paul Furst, Victoria and Albert Museum / London,

Cheng Min / Xinhua Press / Corbis, Wojtek Gurak, Expo Milan

Die Pläne für die Weltausstellung 2015 in Mailand

schreiten voran – Paul Sullivan wirft einen Blick auf

die Geschichte einer der größten Plattformen für

Dialog und Innovation weltweit.

Page 76: Wir nehmen die Zukunft in die Hand! - voestalpine

76

neugierig bleiben

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Sie neueste technische Entwicklungen nicht per Lap-

top, Smartphone oder sonstige Gerä-te erreichen, sondern Sie sich selbst auf den Weg machen müssen, um diese anzuschauen. Früher war das normal und so lange ist es noch gar nicht her. Ab der ersten Weltausstel-lung im Jahr 1851 begaben sich die Bürger der Welt mit der Eisenbahn, dem Boot oder sogar zu Fuß auf die Reise, um zum ersten Mal revolutio-näre Neuheiten wie belgische Waf-feln, elektrische Zahnbürsten oder Computer zu bestaunen. „Auf den ersten Blick ein Vergleich von Produkten, aber in Wahrheit ein Vergleich von Utopien“, schwärm-te Victor Hugo in der Einführung zu dem Katalog für die Pariser Exposi-tion Universelle. Diese Aussage hat sich seit der Eröffnung des Crystal Palace im Londoner Hyde Park, 1851 immer wieder bewahrheitet.Die Londoner Expo orientierte sich an der französischen Tradition nati-onaler Ausstellungen (insbesondere

an der ersten französischen Indus-trieausstellung im Jahre 1844), setzte jedoch im Hinblick auf Ambitionen

und globalen Charakter ganz neue Maßstäbe. Die von Prinz Albert (dem Gatten der Königin Viktoria) organi-sierte Expo mit dem eindrucksvollen Titel „Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations“ zog sechs Millionen Besucher aus 25 Ländern an. Die Expo war im wörtlichen wie im übertragenen Sinne ein „könig-licher Erfolg“ und die erste einer langen Serie (Philadelphia, Sydney, Barcelona, Paris), die bis heute reicht. Seitdem wurden Weltausstellungen in so unterschiedlichen Ländern wie Australien, Brasilien, Kanada, Japan, Südkorea und China veranstaltet.

Auf den ersten

Blick ein Vergleich

von Produkten,

in Wahrheit von

Utopien

Nach der Einrichtung des Bureau In-ternational des Expositions (BIE) 1931 zur Leitung und Gestaltung der Aus-

stellungen fanden die Expos in einem regelmäßigen Fünf-Jahres-Turnus statt und dauerten jeweils sechs Mo-nate. Das BIE unterstützt auch die In-ternationalen Expos, „kleinere“ Aus-stellungen mit einer Dauer von drei Monaten, die zwischen den Weltaus-stellungen organisiert werden. Das jüngste Beispiel war die Expo 2012 in Yeous (Südkorea). Die letzte Weltausstellung im Jahr 2010 in Shanghai wurde von 73 Mil-lionen Menschen aus 200 Ländern besucht; 98 Prozent der Besucher ka-men aus China. 2008 trafen sich die BIE-Mitglieder in Paris und entschie-den über den Ort, an dem die Expo 2015 stattfinden wird. Als Sieger ging mit 86 Stimmen (im Vergleich zu 65 für den Hauptrivalen Smirne in der Türkei) die norditalienische Metropo-le Mailand hervor.

Ein Konzept im Wandel

Während ihrer Geschichte waren die Weltausstellungen jedoch auch vor kleinen Rückschlägen nicht gefeit. Die Expo 1984 in New Orleans, die im Schatten der Olympischen Som-merspiele in Los Angeles stand und nicht mit hochgradig attraktiven Ex-ponaten aufwarten konnte, wurde zahlungsunfähig und die Verbind-lichkeiten mussten durch die US-amerikanische Regierung gedeckt werden, die sich seitdem in Sachen Weltausstellungen sehr zurückhält.

anzahl Der BeSUcher Der eXpo 2010 In ShanghaI

73 Mio.

crystal palace, weltausstellung 1851, © paul furst

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Insgesamt überstieg der Erfolg die ne-gativen Aspekte jedoch bei weitem. In Europa und in den USA wurden dank der Expos in der Nachkriegs-zeit Tausende von Arbeitsplätzen ge-schaffen. Die Stadt Seattle hat sich mit der Weltausstellung 1962 einen Na-men gemacht, als der heute berühmte Aussichts- und Restaurantturm Space Needle für die damalige Expo gebaut wurde. Insgesamt hat die Bedeutung der Expo für die urbane Architektur eine lange Tradition. So entstand be-reits der Eiffelturm 1889 für die Pari-ser Weltausstellung.

Jeder Mensch

sollte Zugang zu

gesunder, sicherer

und ausreichender

Nahrung und

Wasser haben

Im Laufe der Zeit haben sich Pers-pektive und aktuelle Fragestellungen der Weltausstellung geändert. Die koloniale Mentalität wurde abgelegt und heute stehen Kultur, das Image der Nation und der Dialog zwischen den Ländern über die globalen Her-ausforderungen unserer Zeit im Mit-telpunkt. Seit 1994 lautet der offizielle Schwerpunkt Umwelt und nachhal-tige Entwicklung: die Expo 2010 in Shanghai stand unter dem Motto „Better City, Better Life“ und befasste sich mit unterschiedlichen Aspekten städtischer Entwicklung; das Thema von Yeosu 2012 war „Ozeane und Küsten“.Passend zu dieser Entwicklung wird sich die Expo 2015 in Mailand mit der globalen Fragestellung „Feeding the Planet, Energy for Life“ auseinander-setzen. Etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern und genau so

viele leiden unter Fettleibigkeit oder Übergewicht. Die Expo 2015 möchte ein Bewusstsein für dieses Problem schaffen und unterschiedliche For-men von Engagement zu seiner Lö-sung fördern. Über allem steht die Vision, dass jeder Mensch Zugang zu gesunder, sicherer und ausreichender Nahrung und zu Wasser haben sollte. Italien ist der ideale Standort für eine solche Debatte. Die italienische Le-bensmittelindustrie (die zweitgrößte

Branche des Landes) umfasst 36.000 Familienbetriebe und mittelständi-sche Unternehmen, beschäftigt eine halbe Million Arbeitnehmer und er-wirtschaftet einen jährlichen Umsatz von über 100 Milliarden Euro. In Itali-en haben drei Agenturen der Verein-ten Nationen ihren Sitz, die sich mit Nahrung, Landwirtschaft und Hun-ger befassen: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, das Welternährungsprogramm WFP

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Dänischer pavillon, expo 2010 in Shanghai, © wojtek gurak

eröffnungszeremonie der expo 2010 in Shanghai, © cheng Min / Xinhua press /corbis

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und der Internationale Fonds für land-wirtschaftliche Entwicklung (IFAD). Die Expo 2015 verkörpert demnach Italiens Investition in die Zukunft. Es handelt sich um die erste so groß angelegte Veranstaltung des Landes nach der langen globalen Wirtschafts-krise und um eine einzigartige Gele-genheit, das Finanzsystem zu stärken und die Wirtschaft in die Zukunft zu führen. Die italienische Regierung hat ihre Unterstützung für die Expo 2015 wiederholt zum Ausdruck gebracht und sie ist davon überzeugt, dass die-ses Ereignis zur Modernisierung der Region beitragen wird. „Die Regierung, die lokalen Gebiets-körperschaften, die Menschen und die Unternehmen Italiens unterstützen die 2015 in Mailand stattfindende Welt-ausstellung mit ihrem Organisations-talent und ihrer Kreativität“, betonte der Premierminister Mario Monti auf dem internationalen Teilnehmertref-fen im Oktober 2012. „Wir fördern den Erfolg der Veranstaltung und betonen die Bedeutung des Themas der Expo, das im wesentlichen mit den Worten „Verschwende nichts!“ zusammenge-fasst werden kann.“

Ein Meilenstein der Geschichte

Bisher haben rekordverdächtige 113 Länder erklärt, dass sie an der Expo 2015 teilnehmen werden, 18 Länder haben bereits einen Teil-nahmevertrag unterzeichnet. Da-runter China, Russland, die Türkei, Deutschland, die Schweiz, die Verei-nigten Arabischen Emirate und Thai-land. Deutschland hat erklärt, dass es 45 Millionen Euro investieren wird. China hat nach dem Erfolg der Aus-stellung in Shanghai angekündigt, dass über eine Million Chinesen die Expo 2015 besuchen werden. Die Schweiz, die ihren Pavillon bereits vorgestellt hat, und die Vereinten Ara-bischen Emirate werden jeweils ca. 100 Millionen US-Dollar investieren.

Erwartet werden rund 20 Millionen Besucher, vorwiegend aus Europa. Das Ausstellungsgelände im Nord-westen der Stadt wird gemeinsam mit renommierten Architekten wie Stefa-no Boeri, Ricky Burdett und Jacques Herzog gestaltet und soll zu einem Meilenstein der Umweltverträglich-keit werden. 80 Prozent der zum Bau der Pavillons eingesetzten Werk-stoffe werden wieder verwertet und es sollen über 10.000 Pflanzenarten und Sträucher gepflanzt werden. Der Standort wird über einen Eisenbahn- und einen U-Bahnanschluss verfügen und Besucher werden aus einem An-gebot von Elektroautos sowie Car- und Bike-Sharing wählen können. Aber die Expo dient nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Bil-dung. Dafür werden ein Biodiversi-tätspark mit einer Fläche von 14.000 m2, ein Open-Air-Theater für 11.000 Zuschauer, eine Arena am See mit zusätzlichen Kapazitäten für 20.000 Besucher für Wassershows, Konzerte

und Aufführungen und ein Kinder-park sorgen. Darüber hinaus wird ein Dialog in Form von Workshops, Prä-sentationen und Debatten die Expo mit Leben füllen. Am Ende bleibt die Frage: Reflek-tieren Weltausstellungen nur unsere

Vorstellungen von der Zukunft oder setzen sie selbst wegweisende Zei-chen? Vermutlich trifft beides zu. Der Pavillon der Zukunft in Shanghai zeigte 2010 Bilder der Zukunft aus unterschiedlichen früheren Visionen, von Blade Runner bis hin zu Metro-polis. Diese Visionen haben sich nicht bewahrheitet, aber viele andere wur-den tatsächlich Realität – vom Telefon über hochleistungsfähige Dampfma-schinen und Glühlampen bis hin zu Nylon oder Kino. Neue Erfindungen stehen heute genauso im Mittelpunkt wie damals. So konnten die Besucher 2010 beispielsweise im japanischen Pavillon geigespielende Roboter be-wundern. Besucherstatistiken und der allge-meine Enthusiasmus für die heutigen Weltausstellungen zeigen deutlich, dass die Expos auch im 21. Jahrhun-dert noch bedeutend sind. Nicht im-mer liefern sie Antworten auf die gestellten Fragen – sie bilden aber die Kulisse für einen internationalen

Dialog, an dem ein Großteil der Welt physisch teilhaben kann. Das ist eine erfrischende und vielleicht unver-zichtbare Tatsache im Zeitalter der Online-Kommunikation.

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Herausforderung, die uns alle ausmacht. Wir nehmen die Zukunft in die Hand.

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