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4 7 4 198065 805008 47 18.11.2013 | Deutschland €5,00 Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux €5,30 | Griechenland €6,00 | Großbritannien GBP 5,40 | Italien €6,00 | Polen PLN 27,50 | Portugal €6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien €6,00 | Tschechische Rep. CZK 200,- | Ungarn FT 2000,- Neustart iN der LebeNsmitte: deN traumjob verwirkLicheN baden-württemberg Die 50 Weltmarktführer der Boom-Region banken Die frischen Konkurrenten aus dem Internet Tanz mit dem Bullen Das billige Geld der Notenbanken treibt die Aktienkurse und hilft den Krisenländern. Wie lange geht das noch gut? © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Wirtschafts Woche

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Next Generation FInance Invest, Finance 2.0, Fintech

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18.11.2013| Deutschland€5,00

Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux €5,30 | Griechenland €6,00 | Großbritannien GBP 5,40 | Italien €6,00 | Polen PLN 27,50 | Portugal €6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien €6,00 | Tschechische Rep. CZK 200,- | Ungarn FT 2000,-

Neustart iN der LebeNsmitte: deN traumjobverwirkLicheN

baden-württembergDie 50Weltmarktführer

der Boom-Region

bankenDie frischen Konkurrenten

aus dem Internet

Tanz mitdem Bullen

Das billige Geld der Notenbanken treibt die Aktienkurse undhilft den Krisenländern.Wie lange geht das noch gut?

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Page 2: Wirtschafts Woche

Titel Der Tanz mit dem Bullen

Überblick

Mit Minizinsen versucht die EuropäischeZentralbank angeblich, eine Deflationabzuwenden. Tatsächlich aber will sie dieEuro-Krisenländer mit billigen Kreditenstabilisieren. Das gefährdet den nötigenSchuldenabbau und pumpt neueSpekulationsblasen auf. Seite 24

Menschen der Wirtschaft8 SeitenblickBoeings neuer Superjet

10 Zigaretten: EU-Offensive gegen Schmuggler11 Koalitionsgespräche: Aufstand in der CDU |

Hermes: Klage über rabiate Methoden derDeutschen Post

12 Interview: LeaseTrend-Chef GerhardFischer über die Tücken der Elektroautos

14 Deutschland: Wachsende Freiheitsliebe |Drei Fragen zu Reiseportalen | Dekra-Award: Die Sieger des Wettbewerbs

16 EU: Sozialbericht als Konzernpflicht | BCG:Boom dank Roland Berger | Puma: Kunst-direktor entlassen

18 Chefsessel |Startup Parku20 ChefbüroRoland Boekhout, Vorstands-

vorsitzender der Direktbank ING-DiBa

Politik&Weltwirtschaft24 Geldpolitik Unter dem Vorwand der Defla-

tionsbekämpfung schanzt die EuropäischeZentralbank den Euro-Krisenländern billigeKredite zu | Interview: Der Ökonomie-Nobelpreisträger Thomas Sargent über dieGefahren von zu billigem Geld

30 Energie Was die Reformvorhaben derkünftigen Koalition für Verbraucher undWirtschaft bedeuten

34 BDA So tickt der künftige Arbeitgeber-Verbandschef Ingo Kramer

36 Korruption Bestechung ist in Deutschlandein Massenphänomen

39 Berlin intern40 Spezial Baden-Württemberg Die 50 größ-

ten Weltmarktführer aus dem Südwesten |Wie lockt man Fach- und Führungskräfte? |Die Vorteile aus der Nachbarschaft zuFrankreich und der Schweiz

Der Volkswirt50 Serie Geistesblitze der Ökonomie (XI)

Wie der Ökonom Kenneth Arrow dieDemokratie mathematisch analysiert

52 Kommentar53 Denkfabrik Martin Feldstein über die Kon-

struktionsfehler der US-Gesundheitsreform

Unternehmen&Märkte54 BankenBranchenfremde und Startups sa-

gen klassischen Geldhäusern den Kampf an60 Interview: Tina Müller Die Marketingchefin

von Opel verbündet sich Bryan Adams62 Kaufhof Wie Lovro Mandac seit 20 Jahren

alle Konkurrenten aussticht66 BayernLB Die Landesbank steht vor der

größten Schlammschlacht ihrer Geschichte70 Kunsthandel Die großen Auktionshäuser

könnten bei der Suche nach Eigentümernder Münchner Gemälde helfen

72 Demografischer WandelUnternehmenentdecken die Studienabbrecher

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74 Volkswagen Der Autobauer zahlt einen ho-hen Preis für seine neue Riesenfabrik in China

Technik&Wissen78 StadtplanungArchitekten entwickeln radikal

neue Konzepte für die Hochhäuser derZukunft | Interview: Der Schweizer ArchitektMatthias Kohler will Städte in die Höhe bauen

87 Valley Talk

Management&Erfolg88 Neustart Wie ein beruflicher Neuanfang

auch noch zwischen Anfang 40 und Mitte 50gelingen kann

Geld&Börse94 Aktien Warum die Rekordjagd an den

Börsen noch nicht zu Ende ist100 Aktienhandel Neue Plattformen der

Banken graben den Börsen das Wasser ab104 Altersvorsorge Können Ruheständler

30 Jahre von ihrem Ersparten leben, wennsie jährlich vier Prozent entnehmen?

106 Steuern und Recht Aktionärsrechte |Schiffsfonds | Einkommensteuer

108 Geldwoche Kommentar: Fondsanbietermit falschen Partnern | Trend der Woche:Radioaktive Belastungen | Dax-Aktien: K+S |Hitliste: Neuemissions-Hype | Aktien:Alstom, Metals X | Börsengang: ConstantiaFlexibles | Anleihe: Lenzing | Investment-fonds: Parvest Equity Japan Small Cap

Perspektiven&Debatte114 Interview: Paul DolanDer Verhaltens-

forscher erklärt, wie man Glück organisiert117 Kost-Bar

Rubriken5 Einblick,118Leserforum,

120 Firmenindex | Impressum,122 Ausblick

Nr. 47, 18.11.2013

6 Nr. 47 18.11.2013 WirtschaftsWoche WirtschaftsWoche 18.11.2013 Nr. 47 7

Sie können allesIn keinem anderen Bundesland gibt es, bezogen auf die Einwohner-zahl, so viele Weltmarktführer wie in Baden-Württemberg.Wie haben es die Unternehmen an die Spitze geschafft? Seite 40

Richtung LifestyleDie neue Opel-Marketingchefin

Tina Müller will die angeschlageneAutomarke aufpolieren. Fußballtrainer

Jürgen Klopp soll für Vertrauen insUnternehmen sorgen, Rockmusiker

Bryan Adams jüngere Kunden anlocken.Seite 60

n Lesen Sie Ihre WirtschaftsWocheweltweit auf iPad oder iPhone:Diese Woche mit einer Bilder-schau von den innovativstenHochhaus-Projektender Welt. Zudem erklärtunser Chefvolkswirt imVideo, warum immeralles teurer wird.

nBetriebliche AltersversorgungWas niedrige Zinsen für die Rentevom Arbeitgeber bedeuten undwie sie bei Jobwechseln funktioniertunterwiwo.de/richtigvorsorgen

facebook.com/wirtschaftswoche

twitter.com/wiwo

plus.google.com/+wirtschaftswoche

wiwo.de/apps

Schwächer wachsende Unternehmensgewinne, zunehmendeEuphorie – die Warnzeichen an den Börsen mehren sich. Trotz-dem ist die Hausse nicht am Ende – der EZB sei Dank. Seite 94

Alles auf neuVom Versicherungsmanager zum Schreiner: Karsten Deege, 43, hatgeschafft, wovon viele träumen: den Neustart in der Lebensmitte.Wie ein Neuanfang zwischen 40 und Mitte 50 gelingt. Seite 88

Digitale WildererInternet-KonzerneundStartup-FinanzierswieMarcBernegger,

RobertLempkaundThomasWinklermachenmit innovativen

FinanzdienstenetabliertenBankenKonkurrenz. Seite 54

Die Ökohäutungder StädteArchitekten entwickeln radikalneue Hochhaus-Konzepte. DieBauten integrieren Ackerflächen,sind ihre eigenen Kraftwerkeund bieten den Bewohnernalles, was sie zum Lebenbrauchen. Seite 78

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Page 3: Wirtschafts Woche

Zwei Banker und ein NerdDer Internetfreak Bernegger

(rechts) investiert mit denEx-Bankern Lempka (links)

und Winkler in innovativeFinanzdienste

Zum AusputzerdegradiertBANKEN | Internet-Riesen undmutige Startups führen denetablierten Instituten vor, wie neue Ideen den Umgangmit Geld revolutionieren und vereinfachen. Die Brancheist alarmiert und fürchtet um künftige Einnahmen.

In Niedrigzinszeiten wie diesenscheint es absurd, frischesGeld indenangeschlagenen Finanzsektor zu ste-cken. Der Schweizer Internet-Unter-nehmer Marc Bernegger investiert

trotzdem in neue Firmen mit Geldideen –zusammen mit seinen GeschäftspartnernThomasWinkler undRobert Lempka, zweiehemaligenBankern alter Schule.Noch verwegener klingt es, eine Bank zu

gründen. Die Berliner IT-Nerds Jonas Pielaund Oliver Lukesch tun es dennoch – undwollenmit einemneuenGirokonto alltägli-cheGeldgeschäfte revolutionieren.Und geradezu abwegig erscheint es,

wenn ein Versandhaus versucht, Verbrau-chern das Bezahlen im Supermarkt zu er-leichtern. Die Hamburger Otto-Gruppekümmert das nicht, denn sie ermöglichtden Kunden der Ladenkette Rewe, an derKasse per Smartphone zu zahlen.Ungewöhnliche Geschäftsideen wie die-

se stehen für einen Zoo von Innovationen,die den gewohnten Umgangmit Geld undFinanzproduktenumkrempelnund radikalvereinfachen. Ob Bernegger, Piela oder Ot-to, bei aller Exotik undUnterschiedlichkeithaben die Neuerer eines gemeinsam: Siestammen in den seltensten Fällen aus denStrategieabteilungen der klassischen Kre-ditinstitute. Sie kommen von außen undlehren der behäbigen Geldbranche dasAufwachen.Schwergewichtige Internet-Riesen und

Handelskonzerne nutzen ihre MillionenKunden, um eigene Finanzdienste breitaufzuziehen. Kleine Startups ersinnen Na-delstiche, die dem klassischen Bankgewer-be nicht sofort, abermöglicherweise in einpaar Jahren wertvolle Einnahmequellen

abspenstig machen könnten. Sie entwi-ckeln Methoden, um die Plastikkarten derBanken durch Smartphones zu ersetzen,nutzen soziale Netzwerke im Internet an-stelle der Bankberatung oder führen Kre-ditgeber und -nehmer zusammen, ohnedass dieGeldhäuser daran verdienen.„Banken müssten massiv in diese Ent-

wicklung investieren, doch die deutschenKreditinstitute sind viel zu zögerlich“, sagtJürgenMoormann, Professor ander Frank-furt School of Finance &Management undExperte für Informationstechnologie imFi-nanzsektor. Stattdessen seien es Außensei-ter, die etwa auf dem Feld des mobilenZahlens experimentierten und neue Lö-sungen umsetzten. „Das ist gefährlich fürdas Privatkundengeschäft der etabliertenGeldhäuser, denn wer den Zahlungsver-kehr abwickelt, hat auch Zugriff auf denKunden“, sagtMoormann.

ENTFREMDUNG VON DEN BANKEN

Für größere Unruhe bei den Bankern ha-ben bisher das Online-Handelsportal Ebayund der Suchmaschinenriese Google ge-sorgt. Ebay grätscht nach der Übernahmedes Bezahldienstes PayPal im Jahr 2002zwischen Kunden und deren Bank, indemdas Unternehmen Zahlungen abwickelt.Nach eigenen Angaben hat PayPal heutemehr als 230 Millionen Mitglieder in 193Nationen und 25 Währungen. Für seineDienste kassiert PayPal vom Verkäufer ei-nen niedrigen Prozentsatz. Mit der elektro-nischenBrieftascheWallet vonGoogle lässtsichonline einkaufenund indenUSAsogarbei Einzelhändlern zahlen. Eine Entfrem-dung der Käufer und Verkäufer von denBanken ist danur eine Frage der Zeit.

54 Nr. 47 18.11.2013 WirtschaftsWoche

Unternehmen&Märkte

Frische Newcomer

Das Investoren-Trio Lempka, Winklerund Bernegger (von links) leitet die Be-teiligungsgesellschaft Next GenerationFinance Invest, die in der Schweiz ander Börse notiert ist. Diese steckt,einzigartig in der Investmentszene, ihrGeld allein in neue digitale Finanz-

dienstleister. Die Unternehmen, in die dasTrio investiert, sollen sich gegenseitig un-terstützen, indem sie ihre Geschäftsmo-delle ergänzen. Über das HandelsportalGekko Global Markets können Kunden un-abhängig von Banken online und mobil mitWertpapieren handeln. Das soziale Netz-

werk Ayondo ermöglicht Hobby-Tradern,die Handelsstrategien von Profihändlernzu kopieren. Und der Datendienst StockPulse prognostiziert die Entwicklung vonAktienkursen, indem er einschlägige Mel-dungen in Nachrichtenportalen oder sozia-len Netzwerken wie Twitter analysiert.

WirtschaftsWoche 18.11.2013 Nr. 47 55

Banken auf dem Rückzug

Zahl der Bankmitarbeiter und Filialen(in Tausend)

04 06 08 10 12 04 06 08 10 12

700 Mitarbeiter Filialen

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45

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35

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Quelle: Arbeitgeberverband, Bankenverband

FOTO:CHRISTOFMATTESFÜRWIRTSCHAFTSWOCHE

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Page 4: Wirtschafts Woche

Einfallstor Internet

Die beliebtesten Zahlungsinstrumente je Situation (in Prozent)*

ImOnline-Shop

BeimTanken

ImSuper-markt

ImRestau-rant

* repräsentative Umfrage 2011; ** wie Geldkarte oder Mobiltelefon; Quelle: Bundesbank

Bargeld

Internet-Zahldienst Kreditkarte

Kreditkarte

Kredit-karte

Bankkarte

Über-weisung

Sonstige**Sonstige** Sonstige** Sonstige**

Bank-karte

Bank-karte

Bankkarte

33,8

10,4

24,6

34,0

15,9

55,1

6,3

22,6

12,5

0,7 1,4 0,2

30,3

15,1

68,368,8

Bargeld Bargeld

Und das ist nach Meinung von Expertennur der Anfang. „PayPal etwa könnte jeder-zeit weitere Finanzdienstleistungen nebendem Bezahlen im Internet anbieten undseinen Kunden Giro- und Einlagenkontenzur Verfügung stellen“, sagt Finanzwissen-schaftler Moormann. Auch Facebook kön-ne ohne Weiteres in die Rolle einer Bankschlüpfen. Die Internet-Riesen könntenauf diesem Weg noch mehr über das Kon-sumverhalten ihrer Nutzer erfahren unddadurch Werbekunden anlocken.

„Wir kommen aus dem Internet, wollenunser Geschäftsmodell aber ausweiten“,kündigt Matthias Setzer an, bei PayPal ver-antwortlich für Firmenkunden in dendeutschsprachigen Ländern. „Mobile first“lautet seine aktuelle Stoßrichtung, auf gutDeutsch: An erster Stelle für das Unterneh-men steht das Bezahlen per Handy.

SHOPPEN NACH LADENSCHLUSS

Wie das künftig aussehen könnte, testetPayPal gerade im niedersächsischen Ol-denburg. In der 160 000-Einwohner-Stadtspicken Ladenbesitzer ihre Waren imSchaufenster neuerdings mit QR-Codes.Wenn Nachtschwärmern oder Frühaufste-hern beim Vorbeilaufen ein Ausstellungs-stück gefällt, der Laden aber gerade ge-schlossen hat, scannen sie die Schwarz-Weiß-Kästchen per Smartphone. Amnächsten Tag geht die Ware an sie heraus.Gezahlt wird über das PayPal-Konto desNutzers, das dieser von seinem Hausbank-konto mit Geld auflädt. PayPal kassiert da-bei Gebühren von den Händlern.

Gegenüber den Geldhäusern, derenBankkarten dadurch zu nutzlosem Ballastim Portemonnaie degradiert werden, gibtsich der Angreifer konziliant. „PayPal istkein Bankenkiller“, sagt Manager Setzer.Vielmehr setze PayPal auf Zusammenar-beit mit den Banken.

Das scheint ziemlich schöngefärbt. Sowickelt die Deutsche Bank zum BeispielBezahlungen für den PayPal-Ableger Bill-safe ab. Dabei übernimmt der Zahldienstfür die Händler das Risiko von Ausfällenund schützt die Kunden vor Fehllieferun-gen. Während PayPal die Gebühren vonden Firmenkunden einsammelt, muss sichDeutschlands größte Bank mit den Krü-meln der Abwicklung zufriedengeben.

Auch der Versandriese Otto könnte denInstituten Kundenkontakte und Einnah-mequellen wegschnappen, wenn er wiegeplant die Bankkarte künftig durch dasSmartphone ersetzt. Der neue Bezahl-dienst namens Yapital soll ausdrücklichauch den Einkauf im stationären Handelerleichtern. Die Finanztochter des Ver-sandriesen kassiert dabei von den teilneh-menden Läden einen Prozentbetrag vonjedem Einkauf, der per Yapital bezahlt wur-de (siehe Interview Seite 58).

Dass die herkömmlichen Geldhäuser beidigitalen Innovationen nicht notgedrun-gen abseits stehen müssen, zeigt die alter-würdige Commonwealth Bank, die ihreDienstleistungen auf dem australischenKontinent anbietet. Das Institut aus Sydneyermöglicht seinen Kunden schon heutemit einer Smartphone-App direkte Über-weisungen an deren Facebook-Freunde,auch wenn die Empfänger ihr Konto beifremden Instituten haben.

Der allergrößte Teil solcher Innovatio-nen im Finanzsektor kommt derzeit jedochvon Nichtbanken. Die Konzepte derNewcomer sind ebenso vielseitig wie über-raschend. Sie finden treffsicher die Lückenim Angebot, die die Banken bisher nichtoder nur in seltenen Fällen füllen.

Zu diesem Zweck haben der SchweizerMarc Bernegger und seine beiden Kompa-gnons 2009 die BeteiligungsgesellschaftNext Generation Finance Invest gegründet.

Mit der investieren sie – als einzige welt-weit – ausschließlich in aufstrebende Un-ternehmen, die den Markt für Finanzdiens-te revolutionieren wollen.

Bernegger kann wunderbar über die gro-ßen Banken schimpfen, was ihn aber nichtdaran hinderte, die beiden Ex-BankerLempka und Winkler, früher bei ABN Amround Goldman Sachs, als Manager zu ho-len. „In der Finanzbranche hat sich seitEinführung von Geldautomaten und On-line-Banking nicht viel getan“, kritisiert der34-jährige Internet-Unternehmer. „Wirwollen Geldgeschäfte einfacher und unbü-rokratischer machen, viele Banken habenkein Interesse an schlanken Prozessen.“

HANDELN WIE DIE PROFIS

Das Investoren-Trio hat ein Portfolio ausFinanzdienstleistern zusammengekauft,deren Geschäftsmodelle sich gegenseitigergänzen. Im Zentrum steht die Handels-plattform Gekko Global Markets, über dieKunden online oder mobil Wertpapierekaufen können. Jede Transaktion kostet nurwenige Basispunkte ihres Volumens, Fixge-bühren, wie bei anderen Brokern oder denvon Banken bereitgestellten Depotdienstenüblich, entfallen. Gekko, dessen Name As-soziationen an den Börsenhai im Kinokult-film „Wall Street“ weckt, soll den anderenFirmen im Portfolio ermöglichen, sichkomplett vom bestehenden Bankensystemabzukoppeln. Die Kunden sparen sich da-durch fixe Transaktionsgebühren an dieBanken, Gekko verlangt nur einen Anteil ander Differenz zwischen Kauf- und Verkaufs-preis des jeweiligen Papiers.

Über Ayondo können Anleger beobach-ten, wie andere Hobby-Trader oder Profi-händler investieren, um erfolgreiche Stra-tegien nachzuahmen. Die Software machtes möglich, das eigene Depot an das einesProfis anzukoppeln. Der Nutzer kauft und

verkauft dann automatisch, wenn der Sig-nalgeber es auch tut. Jeder muss sich anbestimmte Regeln halten. Das soll zu ag-gressive Handelsaktivitäten verhindern.Ayondo verlangt Transaktionsgebühren.

Die Next-Generation-Finance-FirmaStock Pulse schließlich prognostiziertKursentwicklungen. Die Gründer habenwährend ihres Studiums versucht, die Os-car-Verleihung aus Twitter-Meldungenvorherzusagen, und wunderten sich überdie Treffsicherheit der von ihnen program-mierten Software. Geld verdienen konntensie damit allerdings nicht. Einer ihrer Pro-fessoren riet ihnen deshalb, es mit der Vor-hersage von Aktienkursen zu versuchen.Stock Pulse liefert seinen Nutzern nun eineAnalyse der Marktstimmung auf Basis derin sozialen Netzwerken veröffentlichtenNachrichten. Das Unternehmen verdientan den Gebühren, die seine Nutzer für dieDaten zahlen.

Dienste wie diese mögen auf den erstenBlick wie Spielereien wirken. Doch bei denBeschäftigten des Bankgewerbes wächstdie Verunsicherung. „Ich beobachte dasmit wachsender Sorge, weil viele Bankvor-stände und Unternehmensberater Digital-

banking und die Beratung in der Filiale füreinen Gegensatz halten“, sagt Mark Roach,bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdifür die Arbeitnehmer im Bankgewerbe zu-ständig. „Ich bin überzeugt, dass der Kun-de beides will, qualifizierte Beratung undmobilen Zugang zu Bankprodukten.“

ANKER ZUM KUNDEN WACKELT

Vor allem die drohende Entfremdung derKunden von den Banken und derenDienstleistungen stimmt die Geldbranchenachdenklich. „Wenn PayPal oder Googleimmer größere Teile des Zahlungsverkehrsabwickeln, kann für Banken ein wichtigerAnknüpfungspunkt an die Kunden wegfal-len“, sagt Berthold Rüsing, Vertriebsvor-stand bei der Targobank in Düsseldorf. DasGirokonto bilde die Basis der Beziehungzum Privatkunden und sei ein wichtigerAnker, um Einlagen einzuwerben. „Bankenmüssen daher die Trennung zwischen Di-gitalbanking und dem traditionellen Filial-geschäft aufheben“, sagt Rüsing.

Für die Targobank bedeutet Modernisie-rung daher nicht die Schließung von Filia-len, wie beim Rest der Branche. Im Gegen-teil, das Institut hat in diesem Jahr acht

neue Standorte eröffnet und will 2014 zwölfweitere Filialen aufmachen. Alle stehenauch Kunden offen, die über das Internetden Kontakt zur Bank geknüpft haben. Weralso ein Online-Depot besitzt, kann sichtrotzdem in der Filiale über Anlagemög-lichkeiten beraten lassen oder am SchalterGeld aufs Online-Konto einzahlen.

Die Herausforderer der herkömmlichenKreditinstitute aus Internet, Handel oderStartup-Szene erfinden das Bankenge-schäft nicht unbedingt neu. Viele knüpfenan die von den Banken bereitgestellte Infra-struktur wie Girokonten und Online-Ban-king an und stempeln die Kreditinstitutedadurch zum ausführenden Organ, das dieVerbindung zum Verbraucher verliert. „DerKonsument nimmt dann die Dienstleistungder Bank nicht mehr bewusst wahr“, sagtGero Freudenstein, Bankenexperte bei derUnternehmensberatung Boston ConsultingGroup in München.

Wie es dazu kommen kann, zeigt derÜberweisungsdienst Sofort AG. Das 2005gegründete Münchner Unternehmen führ-te vor, wie schnell auch im Finanzgewerbeeine Garagenfirma wachsen kann. „2013wird unser Umsatz um rund 35 Prozent

Unternehmen&Märkte

56 Nr. 47 18.11.2013 WirtschaftsWoche WirtschaftsWoche 18.11.2013 Nr. 47 57

Smartphone statt Portemonnaie

Jonas Piela (Mitte) will ein Girokonto

namens Avuba anbieten, das fairer und

komfortabler sein soll als bei der Bank.

Piela ist das Gegenteil eines Bilder-

buchbankers, trägt Jeans statt Nadel-

streifen, fährt U-Bahn statt Limousine

und gründete schon im Studium sein

erstes Unternehmen. Unterstützung beim

Projekt Avuba bekommt er von seinen

Mitstreitern Oliver Lukesch (links) und

Wilken Bruns, die sich um Software und

Finanzierung kümmern.

FOTO:A

NDREASCHUDOWSKIFÜRWIRTSCHAFTSWOCHE

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Page 5: Wirtschafts Woche

auf knapp 20 Millionen Euro steigen“,sagt Vorstandschef Gerrit Seidel. Die SofortAG erleichtert Einkäufe im Internet, indemsie Kunden von den virtuellen Ladenkassender Web-Shops aus direkt zu deren priva-tem Online-Banking durchschleust. Da-durch entfallen lästige Eingaben von Bank-verbindung, Zahlbetrag und Kundennum-mern, was sich bei der Einführung der län-geren IBAN-Kontodaten im Februar 2014als besonders komfortabel erweisen dürfte.

Die 25 000 angeschlossenen Internet-händler, zu denen auch Online-Shops derDeutschen Post, Deutschen Bahn, Luft-hansa oder des Elektronikhändlers Conradgehören, können sofort erkennen, ob derKunde die Überweisung tatsächlich beauf-tragt hat. Sodann können sie die bestellteWare ruhigen Gewissens versenden. DieSofort AG verdient an den Gebühren, dieOnline-Händler pro Internet-Einkauf zah-len: unter einem Prozent vom Umsatz.

Einige Banken haben zunächst die Zu-sammenarbeit mit der Sofort AG verwei-gert und ihr Online-Banking für den Über-weisungsdienst gesperrt. Mit einer Be-schwerde beim Bundeskartellamt habendie Münchner sich dagegen jedoch erfolg-reich zur Wehr gesetzt. Ende 2013 wird dieSofort AG europaweit 26 Millionen Trans-aktionen mit einem Bezahlvolumen von2,4 Milliarden Euro abgewickelt haben.

Unternehmen&Märkte

58 Nr. 47 18.11.2013 WirtschaftsWoche WirtschaftsWoche 18.11.2013 Nr. 47 59

Direkte Überweisungen

Gerrit Seidel (rechts) leitet die SofortAG in München, die Online-Shopperndas Überweisen erleichtert. Quer-einsteiger Jens Lütcke, Ex-Anwalt, istfür Finanzen und IT verantwortlich.Eigentümer ist die süddeutscheUnternehmerfamilie Reimann.

FOTO:W

OLF

HEIDER-SAWALL

FÜRWIRTSCHAFTSWOCHE;O

TTO-PRESSEBILD

konto für knapp sieben Euro monatlich an,das darüber hinaus nichts kosten soll. „Beieiner alltäglichen Dienstleistung wie demKonto wollen sich die Nutzer nicht denKopf über das Kleingedruckte zerbrechen“,sagt Piela.

HILFE VON DER INTERNET-BANKDie Berliner Gründer reagieren damit aufdie versteckten Gebühren vieler Anbietervermeintlich kostenloser Girokonten, et-wa wenn die Kunden monatliche Mindest-eingänge unterschreiten und mit ihrerBankkarte bei fremden Geldautomatenoder im Ausland abheben. Das alles soll esbei Avuba ohne zusätzliche Gebühren ge-ben. Bis dahin wird es vermutlich noch et-wa ein Jahr dauern. Noch testen Piela undsein Team das Angebot an 30 Testkunden,wobei allerdings schon einige Tausend In-teressenten auf der Online-Wartelistestünden.

Ohne Bankexpertise geht es aber auchbei Avuba nicht. Das Unternehmen lässtseine Zahlungen über die net-m Privat-bank 1891 in Düsseldorf abwickeln. Die al-lerdings hat außer der Banklizenz nichtmehr viel mit einem klassischen Kreditin-stitut gemein, sondern konzentriert sichganz auf Dienstleistungen für innovativeFinanzdienste wie Avuba, Onlinehändleroder Mobilfunkfirmen.

Die net-m Privatbank gehört dem japa-nischen Mobilfunkriesen NTT Docomound zählt zu ihren Kunden auch das Unter-nehmen Sumup. Die von London aus ope-rierende Firma erleichtert deutschen Gast-wirten, Friseuren oder Fahrradkurierenden Zahlungsverkehr. Dazu stellt Sumupihnen ein streichholzschachtelgroßes Ge-rät zur Verfügung, welches sie in den Laut-sprechereingang ihres Smartphones oderTablet-Computers stecken. Die Kundenunterschreiben die Rechnung dann ein-fach auf dem Display, das der Verkäufer ih-nen entgegenhält.

Sumup macht die teuren Kartentermi-nals überflüssig, die Banken ihren Ge-schäftskunden in die Läden stellen. Klein-unternehmer können sich diese wegen derlangen Vertragslaufzeiten und hohenGrundgebühren nicht leisten, bei Sumupzahlen sie nur für die tatsächlich ausge-führten Transaktionen.

Bei vielen amerikanischen Konsumen-ten hat sich das Smartphone dank PayPalschon fest als Zahlungsmittel etabliert.Teuerster Mobilkauf war ein James-Bond-Sportwagen Marke Aston Martin für300000 Dollar, gehandelt über den Online-Marktplatz der Mutter Ebay. Diese presti-geträchtige Transaktion hätte sicher auchjede Bank gern abgewickelt. n

[email protected] | Frankfurt

Noch längst nicht so weit sind die Berli-ner Alternativbanker Jonas Piela und seinePartner Oliver Lukesch und Wilken Brunsmit ihrer Geschäftsidee. Der 27-JährigePiela hat sich nichts Geringeres vorgenom-men, als die alltäglichen bargeldlosenTransaktionen extrem zu vereinfachen.Dazu bietet das Startup Avuba ein Giro-

INTERVIEW Jürgen Schulte-Laggenbeck

»Schweizer Taschenmesser«Der Otto-Finanzvorstand glaubt, dass sich das Bezahlen viaHandy durchsetzt, die Tochter Yapital soll davon profitieren.

Herr Schulte-Laggenbeck, wann habenSie zuletzt mit Ihrem Handy bezahlt?Am Wochenende – beim Einkauf imSupermarkt. Es gibt mittlerweile mehre-re Rewe-Testmärkte, in denen ich mit Ya-pital bezahlen kann. An der Kasse wirdein sogenannter QR-Code angezeigt,den ich mit dem Smartphone einscanne.Anschließend bestätige ich die Zahlung.Fertig. Es ist eine Freude, das zu erleben.Das sagen Sie. Ich kann bar, mit EC-oder Kreditkarte zahlen oder auf Rech-nung ordern. Warum soll ich noch mehrTechnik-Schnickschnack einsetzen?Vor ein paar Jahren konnte sich auchniemand vorstellen, dass er einen Tab-let-Computer nutzen würde. Heute sind

damit über Ihr Handy sowohl bei statio-nären Händlern bezahlen als auch beiOnline-Versendern. Nutzer können un-tereinander Geld transferieren. UndYapital wird zu einem Tool ausgebaut,mit dem aus jeder Werbe- auch gleicheine Vertriebsplattform wird.Was muss man sich darunter vorstellen?Sie sehen zum Beispiel eine Werbung füreinen Kaminofen. Den QR-Code nebender Anzeige können Sie mit Ihrem Handyeinscannen, den Kaminofen mit weni-gen Klicks bestellen und bezahlen.Es geht also um viel mehr als um den rei-nen Bezahlvorgang.Das klingt so, als wollen Sie Banken undKreditkartenunternehmen das Geschäftstreitig machen.Nicht unbedingt. Yapital bietet vor allemDienstleistungen an, die die klassischenFinanzinstitute so gar nicht abdecken.Aber langfristig wird sich das Bankge-schäft durch solche neuen Angebotesicherlich verändern.

[email protected]

solche Geräte nicht mehr wegzudenken.Das Gleiche steht uns beim Bezahlen mitdem Smartphone bevor. Ich bin mir sicher,dass das Mobile Payment kommen wird.Der Einsatz ist extrem bequem, das wirdsich durchsetzen.

Dazu müssen aber die Händler mit-spielen. Gibt es da überhaupt Interesse?Das geht jetzt richtig los. Der SchuhhändlerGörtz, das Modeunternehmen H.I.S., dieNovum Hotels und Sportscheck, ein Unter-nehmen der Otto Group, akzeptieren Yapi-tal bereits. Beim Online-Marktplatz Rakutenist die Integration geplant, und bei Rewewerden Sie Anfang kommenden Jahres inallen Filialen mit dem Handy bezahlen kön-nen. Selbstverständlich werden auch alledeutschen Handelsunternehmen der OttoGroup sukzessive angedockt. Mit weiterenexternen Partnern verhandelt Yapital.Kommen Sie nicht zu spät mit demAngebot? Die Ebay-Tochter PayPal bietetseit Jahren Bezahllösungen im Netz an.Keine Frage, PayPal ist im Online-Handelsicherlich gut aufgestellt. Aber ich binüberzeugt, dass unser Ansatz auf Dauerdeutlich attraktiver ist – sowohl für dieKunden als auch für die Partner.Yapital ist aus unserer Sicht eine ArtSchweizer Taschenmesser unter den Be-zahldienstleistern. Sie können als Kunde

DER KASSENWART

Schulte-Laggenbeck,48, ist seit 2005Finanzvorstand desOtto-Konzerns in Ham-burg. Zuvor arbeiteteer beim Baumarkt-betreiber Obi und beider Unternehmens-beratung McKinsey.

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