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TEIL I Das vernetzte Unternehmen 1 Informationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2 Anwendungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3 Strategische Rolle von Informationssystemen. . . . . . . . . . . . 121 4 E-Commerce und E-Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5 Ethische, soziale und politische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

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Page 1: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

TEIL IDas vernetzte Unternehmen

1 Informationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2 Anwendungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

3 Strategische Rolle von Informationssystemen. . . . . . . . . . . . 121

4 E-Commerce und E-Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

5 Ethische, soziale und politische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

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Page 2: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

DAS VERNETZTE UNTERNEHMEN

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Teil I (Kapitel 1 bis 5) bietet einen Überblick über die weitreichenden

Änderungen, die durch E-Business, E-Commerce und durch die IT-be-

dingte Vernetzung von Unternehmen entstanden sind. Insbesondere be-

schäftigt sich der erste Teil mit der zentralen Rolle, die die verschiede-

nen Arten von Informationssystemen in Unternehmen spielen. Die

einzelnen Kapitel enthalten dabei einen einführenden Überblick über

Informationssysteme und zeigen ihren Einfluss auf Organisationen, Ma-

nagement, Geschäftsprozesse und Strategie. Das letzte Kapitel dieses

ersten Teils befasst sich mit ethischen, sozialen und politischen Aspek-

ten des IT-Einsatzes.

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Page 3: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

ÜB

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BL

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1

Informationssysteme

1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen . . . . . . . . . . . . . . 271.1.1 Vernetzte Unternehmen im wettbewerbsorientierten

betrieblichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271.1.2 Anwendungssysteme und Informationssysteme . . . . . . . . . . . . . 311.1.3 Informationssysteme aus der Unternehmenssicht. . . . . . . . . . . . 35

1.2 Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431.2.1 Zugänge zum Verständnis der Wirtschaftsinformatik . . . . . . . . . 431.2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik. . . . 451.2.3 Informationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 501.3.1 Der sich erweiternde Einflussbereich von Informations-

systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501.3.2 Die Netzwerkrevolution und das Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511.3.3 Neue Freiheitsgrade des Organisationsentwurfs:

das vernetzte, kooperierende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 521.3.4 Vernetzte Unternehmen: E-Commerce, E-Business . . . . . . . . . . . 56

1.4 Informationssysteme: neue Herausforderungen und neue Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

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Page 4: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

INFORMATIONSSYSTEME1

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Einführende Fallstudie: J.C. Penneys unsichtbarer Lieferant 25

Blickpunkt Technik: UPS steigert Wettbewerbsfähigkeit durch IT 36

Blickpunkt Organisation: Ein brasilianischer Schnäppchenladen wird zum E-Commerce-Erfolg 57

Übung: Informationen als Entscheidungshilfe für die Geschäftsführung aufbereiten 69

Aufgabe:Dirt Bikes U.S.A. – eine Firmenpräsentation mit den wichtigsten Geschäftsdaten vorbereiten 69

E-Commerce-Projekt: Versandkosten analysieren 70

Gruppenprojekt:Analyse eines Informationssystems 70

Abschließende Fallstudie: Herman Miller – Informationssysteme am Scheideweg 71

Lernziele

Als Geschäftsführer eines Unternehmens müssen Sie wissen, wie Informationssysteme zur Steigerungder Wettbewerbsfähigkeit, der Effizienz und der Rentabilität von Unternehmen beitragen können.Nach der Lektüre dieses Kapitels werden Sie folgende Fragen beantworten können:

1 Welche Rolle spielen Informationssysteme im heutigen, von Wettbewerb geprägten betrieblichenUmfeld?

2 Was versteht man unter einem Informationssystem? Was müssen Führungskräfte über Informa-tionssysteme wissen?

3 Was versteht man unter einem Anwendungssystem? Was ist der Unterschied zu einem Informa-tionssystem?

4 In welcher Weise verändern Informationssysteme Organisation und Management von Unterneh-men?

5 Was versteht man unter Wirtschaftsinformatik? Welche anderen Disziplinen tangieren die Wirt-schaftsinformatik? Womit befasst sich das Gebiet des Informationsmanagement?

6 In welcher Hinsicht haben das Internet und die Informationstechnik (IT) Unternehmen undöffentliche Institutionen verändert?

7 Welche sind die wichtigsten Probleme, die das Management eines Unternehmens beim Aufbauund Einsatz von Informationssystemen bewältigen muss?

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Page 5: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

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Einführende Fallstudie:J.C. Penneys unsichtbarer Lieferant

An einem stürmischen Samstagnachmittag im Ja-nuar sah sich Scott Olson in einem J.C. Penney-Kaufhaus in Roseville, Minnesota, USA, die Her-renhemden an und kaufte ein weißes, bügelfreiesOberhemd der Marke Penney mit der Kragenweite16 und der Ärmellänge 32/33. Der Datensatz zudiesem Verkauf wurde sofort an einen Computerin Hongkong übertragen. Bereits am folgendenMittwochnachmittag hatte eine taiwanesische Fa-brik ein identisches Hemd als Ersatz an dasselbeJ.C. Penney-Kaufhaus in Roseville geliefert.

Seit Einführung dieses optimierten Logistik-und Produktionssystems werden in Penney-Kauf-häusern kaum Warenbestände an Herrenoberhem-den der hauseigenen Marke auf Lager gehalten.Ein Hemdenhersteller aus Hongkong namens TALApparel Ltd. steuert den gesamten Logistik- undProduktionsprozess für Hemden der Marke Pen-ney. Die Firma TAL erfasst die Verkaufsdaten derPenney-Hemden direkt bei den Penney-Kaufhäu-sern in Nordamerika und leitet die Zahlen an einAnwendungssystem weiter, welches die Anzahl

der zu produzierenden Hemden sowie deren Grö-ßen, Schnitte und Farben bestimmt. Auf derGrundlage der bisherigen Verkaufsdaten legt dasVerkaufsprognosesystem von TAL jeweils denidealen Warenbestand für Hemden der verschie-denen Größen, Farben und Schnitte fest und weistseinen taiwanesischen Hemdenproduzenten an,genau die Menge der verschiedenen Artikel zuproduzieren, die von den einzelnen Penney-Kauf-häusern benötigt wird. TALs Hemdenproduzentsendet die Hemden dann direkt an die einzelnenPenney-Kaufhäuser, wobei die Lagerhäuser vonPenney völlig umgangen werden. Der Hemden-produzent weist Artikelnummern und Barcodeszu, damit die Produkte eindeutig und leicht er-fasst sowie schneller verladen werden können.Der Produzent sendet Penney vorab Versandmit-teilungen über Inhalt und Bestimmungsort dereinzelnen Pakete zu. Penney hat elektronischenZugriff auf die Systeme der Firma TAL, um denProduktions- und Versandstatus zu überprüfenund Warenbestandsdaten abzurufen. Die Liefer-genauigkeit konnte hierdurch auf 100 Prozent ge-steigert werden.

• Servicelevel und Kosten überwachen• Produktionsprozess umgestalten

• Software zur Verkaufsprognose

• Barcodes und Barcode-Leser

• Internet-basiertesNetzwerk

• Einzelhandel• Outsourcer• Fabriken• Lagerhäuser• Lieferanten

• Stagnierende Einzelhandelspreise• Steigende Fertigungskosten

• Warenbestand automatisch auffüllen

• Neue Produktversionenentwickeln und produzieren

• Kundenservice verbessern• Zeit sparen• Kosten reduzieren

Management

Technik

Organisation

UnternehmerischeHerausforderungen

Informations-system

Unterneh-merischeLösung

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TAL ist ein hinter den Kulissen der Modebrancheaktiver Riese. Die Firma ist der weltgrößte Herstel-ler von Oberhemden; ein Achtel aller in den USAverkauften Herrenoberhemden werden von TALproduziert. Mit seinen billigen asiatischen Ferti-gungsbetrieben und leistungsfähigen Informations-systemen beliefert die Firma Marken wie CalvinKlein, Ralph Lauren, Tommy Hilfinger, J. Crew,Banana Republic, Liz Claiborne und BrooksBrothers. Die Firma TAL koordiniert ihre Arbeitmit Hilfe eines auf Internettechnik basierendenNetzwerks mit ihren Niederlassungen in Überseeund ihren Fabriken in Taiwan, Hongkong, Thai-land, Malaysia, Indonesien, China und Mexiko.

Renommierte Einzelhändler übergeben die Ver-waltung ihrer zentralen Produktions- und Waren-bestandsdaten an externe Zulieferer wie TAL,weil TAL diese Aufgaben besser und zu niedrige-ren Kosten bewältigen kann. Bevor Penney mitTAL zusammenarbeitete, hielt Penney für bis zusechs Monate ausreichende Warenbestände in sei-nen Lagerhäusern lieferbereit. In seinen Kaufhäu-sern lagerten ausreichende Warenbestände fürdrei Monate. Die Verkaufsprognosen basierten aufeinem veralteten Anwendungssystem, das dieMenge des auf Lager zu haltenden Warenbestandshäufig zu hoch einschätzte. Der Lagerbestand dervon TAL produzierten Hemden der Marke Penneyist heute gleich null. Durch die Reduzierung desLagerbestands können Einzelhändler wie Penneyihre Lagerhaltungskosten reduzieren und dieMenge nicht verkaufter Artikel verringern, dieansonsten zu herabgesetzten Preisen verkauftwerden mussten. Es kostet die Firma J.C. Penney29 Cent pro Hemd, wenn ihre eigenen Lagerarbei-ter in den USA Bestellungen bearbeiten. TALkann dieselbe Aufgabe für 14 Cent pro Hemd erle-digen und zudem den Bestand an Hemden, die be-sonders gefragt sind, sofort wieder auffüllen. Falls

in den regionalen Lagerhäusern von Penney keinevon TAL produzierten Hemden auf Lager sind,etwa weil sie schneller abverkauft wurden alsvom Prognosemodell vorhergesagt, sendet TALden erforderlichen Nachschub per Luftfracht.

Penney hat begonnen, die umfassenden Informa-tionssysteme und die Expertise von TAL für denEntwurf und Markttests neuer Hemdenmodelle zunutzen. Einen Monat, nachdem die Designteamsvon TAL in New York und Dallas einen neuenSchnitt entworfen haben, können die Fabriken vonTAL 100.000 neue Hemden in einer Vielzahl ver-schiedener Farben und Größen für Marketingtestsin 50 J.C. Penney-Kaufhäusern produzieren. TALermittelt anhand der Umsatzdaten für diese Hem-den, ob das neue Hemdenmodell Käufer findetund wie viele Hemden in den einzelnen Größenund Farben für Penney produziert werden müs-sen. TAL koordiniert den gesamten Produktions-prozess, vom Entwurf bis zur Bestellung von Stoffund Faden. Die Firma kann neue Hemdenmodelledaher innerhalb von vier Monaten testen und aufden Markt bringen, also viel schneller, als Penneydies selbst tun könnte. In einem Markt, in dem sta-gnierende Einzelhandelspreise und steigende Fer-tigungskosten die Gewinne schmälern, führten dieSysteme der Firma TAL zu erstaunlichen Rationa-lisierungen und Kosteneinsparungen.

Quellen: Gabriel Kahn, „Invisible Supplier Has Penney’sShirts All Buttoned Up“, The Wall Street Journal, 11. Septem-ber 2003; „IBM Boosts Quality and Productivity at TAL“,www.ibm.com, Stand: 18. September 2003; „Electronic Com-merce in Hong Kong Reference Case: TAL Apparel Ltd.“,Government of Hong Kong, 2002; „TAL Case Study 2003“,www.tradecard.com, Stand 26. September 2003, undwww.tapgroup.com, Stand 18. September 2003.

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Page 7: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

27

Die Änderungen innerhalb der Unternehmen J.C.Penney und TAL Apparel veranschaulichen bei-spielhaft, wie sich Unternehmen in zunehmendvernetzte Firmen verwandeln. Diese vernetzten Un-ternehmen setzen das Internet und Netzwerktech-nik ein, um Daten reibungslos zwischen verschie-denen Teilen des Unternehmens auszutauschen,Geschäftsprozesse zu optimieren und elektronischeKommunikationsverbindungen mit Kunden, Liefe-ranten und anderen Unternehmen einzurichten.Zielsetzung dabei ist, zunehmend mehr Aufgabenund Transaktionen elektronisch abzuwickeln unddadurch höhere Effizienz, Wettbewerbsfähigkeitund Rentabilität zu erreichen.

In diesem Kapitel behandeln wir Informations-systeme im Unternehmenskontext. Wir beschreibenhierzu die Systeme und untersuchen, welche Än-derungen sie für Unternehmen und Managementmit sich bringen.

1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen 1.1Heute ist man weitestgehend davon überzeugt, dassKenntnisse über Informationssysteme für praktischalle Mitarbeiter eines Unternehmens erforderlichsind, um effizient und profitabel arbeiten zu kön-nen. Informationssysteme können Firmen dabei un-terstützen, weit entfernte Standorte zu erreichen,neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten,Tätigkeitsbereiche und Geschäftsprozesse neu zuorganisieren und möglicherweise auch die Art undWeise grundlegend zu ändern, in der sie ihre Ge-schäfte abwickeln.

1.1.1 Vernetzte Unternehmen im wettbewerbsorientierten betrieblichen Umfeld

Vier gravierende weltweite Änderungen haben dasbetriebliche Umfeld gewandelt. Die erste Änderungbesteht im Aufkommen und der Stärkung der globa-len Wirtschaft. Die zweite Änderung ist der Wandelvon Industriegesellschaften zu wissens- und informa-tionsbasierten Dienstleistungsgesellschaften. DerWandel der Unternehmen selbst stellt die dritteÄnderung dar. Die vierte Änderung betrifft die Ent-stehung des vernetzten Unternehmens. Diese Ände-rungen, die in Tabelle 1.1 zusammengefasst sind,bringen für Unternehmen und deren Geschäftsfüh-rung eine Reihe weiterer Herausforderungen mit sich.

Tabelle 1.1

Die sich wandelnden geschäftlichen Rahmenbedingungen

Globalisierung

Management und Kontrolle in einem globalen Markt

Wettbewerb auf Weltmärkten

Globale Arbeitsgruppen

Globale Liefersysteme

Zunehmende Bedeutung der Informations-wirtschaft

Wissens- und informationsbasierte Marktwirtschaften

Wissensintensive Produkte und Dienstleistungen

Wissen wird zur zentralen produktiven und strategischen Ressource

Informationsintensives Variantenmanagement von Produkten

Hoher Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter

Wandel der Organisationsstrukturen

Weniger Hierarchie, flachere Organisationsstrukturen

Dezentralisierung

Größere Flexibilität

Standortunabhängigkeit

Geringe Transaktions- und Koordinationskosten

Übertragung von Verantwortung an Ausführende

Unternehmensübergreifende Kooperation und Teamarbeit

Entstehung des vernetzten Unternehmens

Durch elektronische Kommunikationsmittel gestützte Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern

Abwicklung wichtiger Geschäftsprozesse über elektronische Netzwerke

Elektronische Verwaltung wichtiger Vermögens-gegenstände des Unternehmens

Rasches Erkennen und Reagieren auf Änderungen im betrieblichen Umfeld

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Page 8: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

INFORMATIONSSYSTEME1

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Globalisierung

Ein zunehmender Prozentsatz der Wirtschaft inEuropa, Asien und den USA ist von Importen undExporten abhängig. Mehr als 25 Prozent der in denUSA produzierten Waren und Dienstleistungenhängen vom Außenhandel (sowohl Import als auchExport) ab, in Ländern wie Japan oder Deutschlandist dieser Prozentsatz sogar noch höher. Unterneh-men verlagern zudem wichtige Geschäftsfunktionenaus den Bereichen Produktdesign, Fertigung, Finan-zen und Kundenservice an Standorte in anderenLändern, an denen diese Arbeiten kostengünstigerausgeführt werden können. Die Auslagerung der La-gerbestandsverwaltung von J.C. Penney an TALApparel Ltd. in Hongkong, die in der einführendenFallstudie beschrieben wurde, ist ein Beispiel hier-für. Der heutige und künftige Erfolg von Firmenhängt von deren Fähigkeit ab, global zu agieren.

Heute stellen Informationssysteme die Kommu-nikations- und Analysefunktionen zur Verfügung,die Firmen benötigen, um weltweit Handel zu trei-ben und ein weltweit operierendes Unternehmenzu führen. Die Steuerung eines weit ausgedehnten,globalen Unternehmens, welche die Kommunika-tion mit Distributoren und Lieferanten, den Rund-um-die-Uhr-Betrieb in verschiedenen Ländern, dieKoordination globaler Arbeitsteams und die Erfül-lung von Berichtsfunktionen auf lokaler und natio-naler Ebene umfasst, ist ein bedeutendes unter-

nehmerisches Problem, das leistungsfähige Infor-mationssysteme erfordert.

Globalisierung und IT bringen auch neue Bedro-hungen für heimische Wirtschaftsunternehmen mitsich: Dank der globalen Kommunikations- und Ma-nagementsysteme können die Kunden jetzt in einemweltweiten Markt einkaufen und rund um die UhrInformationen zu Preisen und Qualitäten erhalten.

Zunehmende Bedeutung wissens- und informationsbasierter Dienstleistungsgesellschaften

Deutschland, die USA, Japan und andere Industrie-nationen verändern sich von Industriegesellschaftenin wissens- und informationsbasierte Dienstleistungs-gesellschaften, während die Produktion in Billiglohn-länder verlagert wird. In einer wissens- und infor-mationsbasierten Wirtschaft tragen Wissen undInformationen wesentlich zur Wertschöpfung bei.

Die weit über 100 Jahre umfassende Zeitreihe inAbbildung 1.1 zeigt die kontinuierliche Abnahmeder Anzahl der in der Landwirtschaft und im produ-zierenden Gewerbe tätigen Arbeiter. Gleichzeitigstieg die Anzahl der Erwerbstätigen im Dienst-leistungsbereich. Dieser massive Wandel begannAnfang des 20. Jahrhunderts und beschleunigte sichzunehmend. Heute arbeiten die meisten Menschennicht mehr in der Landwirtschaft oder in der Pro-duktion, sondern im tertiären, dem so genannten

Abbildung 1.1: Die Veränderung der Erwerbstätigenstruktur – auf dem Weg hin zu einer wissens- und informationsbasiertenDienstleistungsgesellschaftSeit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Anzahl der in der Landwirtschaft tätigen Arbeiter und seit den 70er Jahren die Anzahl der Fabrikarbeiterstetig gesunken. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Büroangestellten im tertiären Sektor, die mit Hilfe von Wissen und Informationen Wert schöpfen,kontinuierlich an.

1882

1907

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1970

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1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

70,0

60,0

50,0

40,0

30,0

20,0

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% d

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nErwerbstätige nach Wirtschaftssektoren 1882 - 2003

Jahr

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (primärer Sektor) Produzierendes Gewerbe (sekundärer Sektor)Dienstleistungen (tertiärer Sektor)

7158.book Page 28 Friday, January 20, 2006 3:21 PM

Page 9: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

29

Dienstleistungssektor. Dieser umfasst etwaTätigkeiten im Vertrieb, im Bildungsbereich, imGesundheitswesen, in Banken, Versicherungen undin Rechtsanwaltskanzleien. Hinzuzuzählen sinddabei auch Dienstleistungen für Unternehmen, wiez.B. Beratung, Computerprogrammierung oder dasZustellen von Dokumenten oder Waren. DieseTätigkeiten erfordern primär, dass Wissen und Infor-mationen genutzt, verteilt oder geschaffen werden.In der Tat machen geistige Tätigkeiten mittlerweileüber 60 Prozent des US-amerikanischen Bruttosozi-alprodukts aus, und nahezu 55 Prozent der Arbeit-nehmer sind in diesem Bereich beschäftigt.

In wissens- und informationsbasierten Ökonomienbesteht der Marktwert eines Unternehmens zumGroßteil aus immateriellen Vermögenswerten, wieunternehmenseigenem Wissen, Informationen, be-sonderen, unternehmenseigenen Geschäftsmetho-den, Warenzeichen und anderem „intellektuellenKapital“. Physische Vermögenswerte, wie Gebäude,Maschinen, Werkzeuge und Warenbestände, macheninzwischen weniger als 20 Prozent des Marktwertsvieler Aktiengesellschaften in den USA aus (Lev,2001). Wissen und Informationen bilden die Grund-lage für Produkte und Dienstleistungen, wie z.B.Kreditkarten, Expresspaketzustellung oder welt-weite Reservierungssysteme. Die Erstellung vonComputerspielen ist ein Beispiel für ein wissens- unddatenintensives Produkt.

Der Anteil von Wissen an der Wertschöpfungsteigt auch bei der Fertigung traditioneller Produk-te. Beispielsweise stützen sich in der Automo-bilbranche sowohl das Design als auch die Ferti-gung stark auf Wissens- und Informationstechnik.Informationstechnik (IT) ist ein Oberbegriff für die In-

formations- und Datenverarbeitung. IT beschreibtVerfahren zur Verarbeitung von Informationen undDaten und zur Telekommunikation. Während manunter Technologie das Wissen über technische Zu-sammenhänge versteht, ist Technik die Anwen-dung oder Umsetzung einer Technologie.

Die heutige Wirtschaft hängt so sehr von Wissenund Informationen ab, dass IT und Informations-systeme eine enorme Bedeutung gewonnen haben.IT-Investitionen machen jetzt mehr als ein Drittelaller Anlageinvestitionen in den USA und mehr alsdie Hälfte der Anlageinvestitionen in datenintensi-ven Branchen wie Finanzdienstleistungen, Ver-sicherungen und Immobilienfirmen aus. Abbildung1.2 zeigt, dass der Anteil privater Unternehmens-investitionen in IT an der Gesamtsumme privaterUnternehmensinvestitionen in den USA zwischen1980 und 2003 von 19 Prozent auf über 35 Prozentanwuchs. Wenn man Investitionen in die notwen-digen Änderungen von Organisation und Manage-ment, die für den effizienten Einsatz von IT getätigtwerden müssen, Kosten für IT-bezogene Unterneh-mens- und Beratungsdienstleistungen sowie Perso-nalkosten von Firmen, die IT einsetzen, zusätzlichberücksichtigen würde, dann ergäbe sich ein dop-pelt so hoher Investitionsbetrag.

Wissens- und datenintensive Produkte | Produkte, deren Fertigung ein hohes Maß an Wissen und Informa-tionsverarbeitung erfordert.

Informationstechnik (IT) | Oberbegriff für die Informa-tions- und Datenverarbeitung. IT beschreibt Verfahren zur Verarbeitung von Informationen und Daten sowie zur Telekommunikation.

Abbildung 1.2: Anlageinvestitionen in Informationstechnik (IT) 1980 – 2003Zwischen 1980 und 2003 ist der Anteil, den die Gesamtsumme der Anlageinvestitionen in IT, d.h. Hardware, Software und Telekommunikations-geräte, an der Gesamtsumme aller Unternehmensinvestitionen ausmacht, von 19 Prozent auf 35 Prozent gestiegen.

Quelle: Die Daten basieren auf U.S. Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts, Tabellen 5.2und 5.8, 2003.

Mill

iard

en U

SD

Summe aller IT-Investitionen und Summe aller Unternehmensinvestitionen

Jahr

1.400,01.200,01.000,0

Summe aller Unternehmensinvestitionen Summe aller IT-Investitionen

800,0600,0400,0200,0

0,0

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INFORMATIONSSYSTEME1

30

Wandel der Unternehmen

Die Strukturen und die Führung eines Unterneh-mens unterliegen einem steten Wandel. Eine tradi-tionelle Unternehmensform, die man auch heutenoch weit verbreitet vorfindet, lässt sich als einehierarchische, zentralisierte, strukturierte Organisa-tion von Spezialisten beschreiben, die in der Regelunter Verwendung von Handbüchern und Verfah-rensrichtlinien ein in Massenfertigung erzeugtesProdukt (oder eine Dienstleistung) bereitstellen.Moderne Unternehmen haben eine flachere (weni-ger hierarchische), dezentralisierte, flexible Organi-sation von Generalisten, die unter Nutzung sofortverfügbarer Daten in Massenfertigung erzeugteProdukte oder Dienstleistungen bereitstellen, diespeziell auf bestimmte Märkte oder Kundenzugeschnitten sind. Vielerorts werden dabei kun-denindividuelle Anpassungen berücksichtigt, wäh-rend die klassische Massenfertigung auf dem Rück-zug ist.

Die traditionelle Geschäftsführung war (und istnoch immer) auf formale Pläne, eine strikte Arbeits-teilung und formale Regeln angewiesen. ModernesManagement verlässt sich auf informelle Zusagen,um Ziele festzulegen (statt auf eine formale Pla-nung), auf eine flexible Organisation und Vernet-zung von Teams und einzelnen Mitarbeitern, die inProjektgruppen zusammenarbeiten, und nutzt Kun-dennähe zur Koordination der Mitarbeiter. Moder-nes Management appelliert an das Wissen, dieLernfähigkeit und die Entscheidungen einzelnerMitarbeiter, um den ordnungsgemäßen Betrieb derUnternehmung sicherzustellen. Dieser neuereManagementstil wird durch Informationssystemeunterstützt, in Teilen sogar erst ermöglicht.

Entstehung des vernetzten Unternehmens

Der intensive Einsatz der IT in Wirtschaftsunterneh-men seit Mitte der 1990er Jahre sowie die gleichzeitigeUmstrukturierung von Unternehmen haben die Bedin-gungen für ein neues Phänomen der Industriegesell-schaft geschaffen: das vollkommen vernetzte Unter-nehmen. Das (IT-)vernetzte Unternehmen lässt sichunter verschiedenen Aspekten definieren. Im Weite-ren werden wir dazu sprachvereinfachend von„vernetzten Unternehmen“ sprechen und dabei denIT-Aspekt jeweils implizit voraussetzen. Unter demBegriff „vernetztes Unternehmen“ verstehen wir Orga-nisationen, in denen alle wesentlichen Geschäftspro-zesse, alle betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichesowie die Beziehungen zur Unternehmensumwelt,insbesondere Kunden und Lieferanten, durch Infor-mations- und Kommunikationstechnik unterstütztwerden. Mit Unternehmensumwelt ist hier nicht die„natürliche Umwelt“ gemeint, sondern insbesonderedie ökonomische Umgebung des Unternehmens. Dazugehören seine Beziehungen zu Unternehmens-partnern, Kunden und Lieferanten, der Markt, in demein Unternehmen agiert, und im Weiteren auch dieGesellschaft, die Kultur und die politischen Rahmen-bedingungen, denen das Unternehmen ausgesetzt ist.

Ein Geschäftsprozess ist eine Folge von logisch zu-sammenhängenden Aktivitäten, die für das Unter-nehmen einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten,einen definierten Anfang und ein definiertes Endehaben, wiederholt durchgeführt wird und sich inder Regel am Kunden orientiert. Die Entwicklungeines neuen Produkts, die Erledigung eines Auf-trags und die Einstellung eines neuen Mitarbeiterssind Beispiele für Geschäftsprozesse. Dabei kanndie Art und Weise, wie Unternehmen ihre Ge-schäftsprozesse ausführen, einen Wettbewerbsvor-teil bedeuten. (Geschäftsprozesse werden in Kapitel2 eingehend behandelt.)

In einem vernetzten Unternehmen werden wichti-ge Vermögenswerte (geistiges Eigentum, Kernkom-petenzen, finanzielle und personelle Ressourcen)mit elektronischen Mitteln verwaltet. Idealtypischist jede Information, die für wichtige Geschäftsent-scheidungen relevant ist, jederzeit und überall inder Unternehmung verfügbar. Da vernetzte Unter-nehmen Veränderungen in ihrem Umfeld vielschneller wahrnehmen und viel rascher darauf rea-gieren als traditionelle Firmen, sind sie flexiblerund können turbulente Zeiten durch geeignete An-passung eher überleben. Vernetzte Unternehmenbieten außergewöhnliche Möglichkeiten für eineglobalere Organisation und Geschäftsführung. DieUnterstützung und Optimierung der Arbeitsabläufedurch elektronische Mittel verleiht vernetzten Un-

(IT-)Vernetztes Unternehmen | Organisationen, in denen alle wesentlichen Geschäftsprozesse, alle be-triebswirtschaftlichen Funktionsbereiche sowie die Beziehungen zur Unternehmensumwelt, insbesondere Kunden und Lieferanten, durch Informations- und Kommunikationstechnik unterstützt werden.

Geschäftsprozess | Eine Folge von logisch zusammen-hängenden Aktivitäten, die für das Unternehmen einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, einen definierten An-fang und ein definiertes Ende haben, wiederholt durch-geführt werden und sich in der Regel am Kunden orientieren.

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Page 11: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

31

ternehmen das Potenzial, ihre Rentabilität undWettbewerbsfähigkeit in bislang beispiellosem Um-fang zu steigern.

Vernetzte Unternehmen unterscheiden sich vontraditionellen dadurch, dass ihre Organisation undGeschäftsführung nahezu völlig von IT und unter-schiedlichen Informationssystemen abhängt. Fürdie Geschäftsführung eines vernetzten Unterneh-mens ist IT nicht einfach nur ein nützliches Hilfs-mittel, sondern der Kern des Unternehmens undein primäres Managementtool.

Einige Unternehmen, wie z.B. Cisco Systemsoder Dell Computers, sind bereits fast vollkommenvernetzte Unternehmen, die das Internet für alleGeschäftsbelange nutzen. In den meisten anderenUnternehmen ist die vollkommene Vernetzungnoch immer eher Vision als Wirklichkeit, aber dieseVision führt sie zur Digitalisierung und Integrationder Unternehmensbereiche. Unternehmen investie-ren weiterhin in Informationssysteme, die zurIntegration interner Geschäftsprozesse und zumAufbau engerer Beziehungen zu Lieferanten undKunden dienen. Das in der einführenden Fallstudiebeschriebene Unternehmen TAL Apparel Ltd. ent-wickelt sich zu einem vernetzten Unternehmen, dadie Hersteller, Lieferanten und Kunden auf elektro-nischem Weg in alle wichtigen Geschäftsprozesseeingebunden werden.

1.1.2 Anwendungssysteme und Informationssysteme

Im Beispiel von J.C. Penney war von Anwendungs-systemen und Informationssystemen die Rede. Jenach Art und Umfang des eingesetzten Systemsspricht man von Anwendungssystemen oder Infor-mationssystemen.

Ein Anwendungssystem ist ein System, das alle Pro-gramme beinhaltet, die als Anwendungssoftware fürein konkretes betriebliches Anwendungsgebiet ent-wickelt, eingeführt und eingesetzt werden. Hinzukommen die Daten (in Form von Dateien, Daten-banken, verteilten Datenbanken etc.), welche vonder Anwendungssoftware genutzt werden, sowie dieIT-Infrastruktur, auf der die Software läuft.

Anwendungssysteme werden für die Zweckeeines bestimmten Unternehmens oder eines be-stimmten Typs von Unternehmen geschaffen undkommen in einem oder mehreren Unternehmen zumEinsatz. Beispiele für Anwendungssysteme sind:Rechnungswesen (Buchhaltung, Kostenrechnungetc.), Personalwesen, Logistik, Verkauf/Vertrieb/Mar-keting. In einem Unternehmen gibt es nicht ein (ein-ziges), sondern meist eine größere Anzahl von paral-lel eingesetzten Anwendungssystemen.

Ein Anwendungssystem für ein bestimmtes Unter-nehmen ist Teil eines Informationssystems diesesUnternehmens. Ein Anwendungssystem ist dertechnisch realisierte Teil eines Informationssys-tems, entspricht also der funktionsfähigen Hard-ware/Software sowie den Daten zur Bearbeitungvon Anwendungsaufgaben.

Anwendungssysteme, die beispielsweise vonSoftware-Häusern für einen bestimmten Unterneh-menstyp geschaffen worden sind, kann man oft alsstandardisiertes Produkt „von der Stange“ kaufen.Allerdings müssen meist mehr oder weniger um-fangreiche Anpassungsprozesse durchgeführt wer-den, bevor ein Anwendungssystem erfolgreich imUnternehmen wirken kann. OrganisatorischeAspekte, wie beispielsweise die „Einbettung“ desAnwendungssystems in das Unternehmen oder dieAnpassung der Aufbau- und Ablauforganisation imUnternehmen, spielen dabei nur eine geringe oderkeine Rolle.

Ein Informationssystem ist wie ein Anwendungs-system für ein betriebliches Aufgabengebiet ge-schaffen und enthält die dafür notwendige Anwen-dungssoftware und Daten. Im Gegensatz zuAnwendungssystemen werden bei Informationssys-temen auch die Organisationsstrukturen, in die dasSystem eingebettet werden soll, und die Menschen,die mit dem System arbeiten sollen, berücksichtigt(siehe Abbildung 1.3). Ein Informationssystem istdaher immer ein betriebsindividuelles System,d.h., es wird für die in diesem Betrieb gegebenenspezifischen organisatorischen und personellenRahmenbedingungen geschaffen und kann nur indiesem Betrieb seine volle Wirkung entfalten.

Anwendungssystem | Ein System, das alle Programme beinhaltet, die für ein bestimmtes betriebliches Aufga-bengebiet entwickelt wurden und eingesetzt werden, inklusive der Technik (IT-Infrastruktur), auf der das An-wendungssystem läuft, und der Daten, die vom Anwen-dungssystem genutzt werden.

Informationssystem | Ein System, das für die Zwecke eines Teils eines bestimmten Unternehmens geschaffen bzw. in diesem Betrieb eingesetzt wird. Ein Informati-onssystem enthält die dafür notwendige Anwendungs-software und Daten und ist in die Organisations-, Personal- und Technikstrukturen des Unternehmens eingebettet.

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Deshalb kann ein Informationssystem auch nicht„von der Stange“ gekauft, sondern muss individuellentwickelt und angepasst werden (Seibt, 1991).Häufig enthalten Informationssysteme ein odermehrere Anwendungssysteme als Komponenten.Informationssysteme können nicht nur die Ent-scheidungsfindung, Koordination, Steuerung undKontrolle im Unternehmen erleichtern, sondernFührungskräften und Mitarbeitern auch helfen,Probleme zu analysieren, komplizierte Sachverhaltezu durchblicken und neue Produkte zu entwickeln.

In der Praxis lassen sich Systeme nicht immerklar als Anwendungssystem bzw. als Informations-system charakterisieren. Es existieren Systeme, diekaum losgelöst von Organisations- oder Manage-mentaspekten betrachtet werden können.

Informations- und Anwendungssysteme enthaltenInformationen zu wichtigen Personen, Orten undDingen innerhalb des Unternehmens oder dessenUmfeld. Mit Informationen sind hier Daten gemeint,die in eine für Menschen bedeutungsvolle undnützliche Form gebracht wurden. Unter Daten ver-stehen wir dagegen Fakten, die Ereignisse in Unter-nehmen oder deren physischem Umfeld repräsen-tieren und noch nicht strukturiert oder in eine fürMenschen verständliche und verwendbare Formgebracht wurden.

Ein kurzes Beispiel verdeutlicht die Unterschei-dung zwischen Informationen und Daten: Super-marktkassen erfassen Millionen von Datenelemen-ten, z.B. Artikelnummern oder den Preis dereinzelnen verkauften Artikel. Diese Datenelementekönnen zusammengefasst und analysiert werden,um aussagekräftige Informationen zu erhalten, z.B.wie viele Flaschen Geschirrspülmittel insgesamt ineinem bestimmten Supermarkt verkauft wurden,welche Sorten von Geschirrspülmitteln sich in die-sem Laden oder Vertriebsgebiet am schnellsten ver-kauft haben oder wie hoch die Gesamtkosten wa-ren, die diesem Supermarkt oder Vertriebsgebietdurch die einzelnen Sorten von Geschirrspülmit-teln entstanden sind (siehe Abbildung 1.4).

Informationen | Daten, die in eine Form gebracht wur-den, die für Menschen bedeutungsvoll und nützlich ist.

Daten | Rohdaten, die Ereignisse in Unternehmen oder deren physischem Umfeld repräsentieren und noch nicht strukturiert oder in eine für Menschen verständliche und verwendbare Form gebracht wurden.

Abbildung 1.3: Der Zusammenhang zwischen Informationssystem und AnwendungssystemDas Anwendungssystem besteht aus den betrieblichen Aufgaben und Prozessen, die es unterstützt, der IT-Infrastruktur, der Anwendungssoftwareund den Daten, die es zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Ein Informationssystem beinhaltet darüber hinaus Organisations- und Management-aspekte und ist individuell auf das Unternehmen zugeschnitten, in dem es eingesetzt wird.

Informationssystem

Anwendungssystem

BetrieblicheAufgaben/Prozesse

Anwendungs-Software

IT-Infrastruktur

Organisation Management

Daten

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1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

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Weitere Aspekte im Kontext von Daten, Informatio-nen und Wissen behandeln wir in Kapitel 10.

Die Informationen, die Unternehmen benötigen,um Entscheidungen zu fällen, den Betriebsablauf zusteuern, Probleme zu analysieren und neue Produk-te oder Dienstleistungen zu entwickeln, werdendurch drei Aktivitäten in einem Anwendungssys-tem erzeugt. Bei diesen Aktivitäten handelt es sichum Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe (EVA-Prin-zip, siehe Abbildung 1.5). Mit Eingabe ist hier dasErfassen oder Sammeln von Rohdaten innerhalb desUnternehmens oder in dessen Umfeld gemeint, diein einem Anwendungssystem verarbeitet werdensollen. Durch die Verarbeitung werden diese Roh-daten in eine für Menschen verständlichere Formgebracht. Unter Ausgabe verstehen wir das Verteilender verarbeiteten Informationen an die Personen,die diese Informationen verwenden. Eine Ausgabekann auch an andere Prozesse oder Aktivitäten er-folgen, die diese Informationen einsetzen. Anwen-dungssysteme benötigen auch Rückmeldungen, d.h.Ausgaben, die an die geeigneten Mitglieder desUnternehmens zurückgegeben werden, damit dieseEingaben beurteilen oder korrigieren können.

In dem System der Firma TAL, das für das Auffül-len des Warenbestands an Hemden der Marke Pen-ney zuständig ist, bestehen die Rohdaten aus einerArtikelnummer oder einem Code für ein bestimmtesHemdenmodell, der Größe, der Farbe, einem Codefür das J.C. Penney-Kaufhaus, in dem das Hemd ver-kauft wurde, und der verkauften Stückzahl. Aufeinem Computer der Firma TAL in Hongkong wer-

den diese Daten gespeichert und verarbeitet. Ausder Kombination dieser Daten mit vergangenen Um-satzdaten wird abgeleitet, wie viele dieser Hemdenin den verschiedenen Größen und Farben produ-ziert werden müssen, um den Warenbestand dereinzelnen J.C. Penney-Kaufhäuser in Nordamerikaaufzufüllen. Die Ausgabe besteht in diesem Fall auseinem Auftrag für eine TAL-Fabrik in Taiwan, derangibt, welche Menge, Größe, Farbe und Ausfüh-rung eines bestimmten Hemds hergestellt und anwelches J.C. Penney-Kaufhaus die gefertigten Hem-den geschickt werden sollen. Das System stellt alsobedeutungsvolle Informationen bereit, z.B. welcheHemdenmodelle, Farben und Größen in welchenKaufhäusern am umsatzstärksten sind, welche Mo-delle, Größen und Farben am beliebtesten sind undwelche Kaufhäuser die meisten Hemden verkaufen.

Eingabe | Das Erfassen oder Sammeln von Rohdaten innerhalb des Unternehmens oder in dessen Umfeld, die in einem Anwendungssystem verarbeitet werden sollen.

Verarbeitung | Das Umwandeln, Bearbeiten und Analy-sieren von Rohdaten, um diese in eine für Menschen verständlichere Form zu bringen.

Ausgabe | Das Verteilen der verarbeiteten Informatio-nen an die Personen, die diese Informationen verwen-den, oder an die Prozesse, für die diese Informationen verwendet werden.

Abbildung 1.4: Daten und InformationenDie Rohdaten von einer Supermarktkasse können verarbeitet und strukturiert werden, so dass sie aussagekräftige Informationen bilden, wie dieGesamtsumme der verkauften Stückzahl von Geschirrspülmitteln oder den Gesamtumsatz, der in einem bestimmten Laden oder einer Vertriebs-region durch den Verkauf von Geschirrspülmitteln erzielt wurde.

Daten Informationen

331 Geschirrspülmittel 1,29863 Schonkaffee 4,69173 Katzenfutter 0,79331 Geschirrspülmittel 1,29663 Gekochter Schinken 3,29524 Scharfer Senf 1,49113 Limonade 0,85331 Geschirrspülmittel 1,29 . . .

Vertriebsbereich: NordwestLaden: Supermarkt Nr. 122

ARTIKELNR. BESCHREIBUNG

KUM. JAHRESUMSATZ

331 Geschirrspülmittel

VERKAUFTESTÜCKZAHL

7156

9.231,24€

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In diesem Buch gilt unser Interesse formalen, unter-nehmensbezogenen, computerbasierten Anwen-dungssystemen und Informationssystemen, wiebeispielsweise den von TAL oder J.C. Penney ent-worfenen und verwendeten Informationssystemen.Formale Systeme beruhen auf akzeptierten undfesten Definitionen für Daten und Verfahren zumErfassen, Speichern, Verarbeiten, Verteilen undVerwenden dieser Daten. Die in diesem Text be-schriebenen formalen Systeme sind strukturiert.Sie arbeiten nach vordefinierten Regeln, die sichnur in begrenztem Umfang ohne größeren Aufwandanpassen lassen. Beispielsweise erfordert sowohldas System von J.C. Penney als auch das von TALeindeutige Nummern oder Codes (wie z.B. Primär-schlüssel, siehe Kapitel 7) zur Identifizierung dereinzelnen Hemdenmodelle, Größen, Farben undPreise sowie der einzelnen J.C. Penney-Kaufhäuser.

Ein weiteres Beispiel ist der Paketdienst UPS: UPS-Fahrer erfassen die Unterschrift der Kunden auto-matisch mit Hilfe eines Handheld-Computers, derdiese zusammen mit den Abhol-, Zustell- und Zeit-kartendaten speichert. Die Informationssystemevon UPS verfolgen anhand dieser Daten die Paketewährend ihres Transports.

Formale Informationssysteme können computer-basiert oder manuell sein. Manuelle Systeme arbei-ten mit Papier und Bleistift. Diese manuellen Sys-teme erfüllen wichtige Zwecke, sind aber nichtGegenstand dieses Textes. Wenn in diesem Buchvon Informationssystemen bzw. Anwendungs-systemen die Rede ist, dann sind computerbasierteInformationssysteme bzw. Anwendungssystemegemeint, also formale, organisationsbezogene Sys-teme, die auf Computertechnik beruhen. ImAbschnitt „Blickpunkt Technik“ werden einige dertypischen Techniken beschrieben, die in heutigencomputerbasierten Informations- und Anwen-dungssystemen eingesetzt werden.

Formales System | Ein System, das auf akzeptierten und festen Definitionen für Daten und Verfahren beruht und nach vordefinierten Regeln arbeitet.

Abbildung 1.5: Funktionen eines AnwendungssystemsEin Anwendungssystem enthält Informationen über ein Unternehmen und dessen Umfeld. Die vom Unternehmen benötigten Informationen wer-den durch drei Grundaktivitäten (Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe) erzeugt. Mit Rückmeldung sind Ausgaben gemeint, die an die geeignetenPersonen oder Aktivitäten innerhalb des Unternehmens zurückgegeben werden, um Eingaben zu beurteilen oder zu optimieren. Im Umfeld agierende Personen oder Unternehmen, wie z.B. Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Aktionäre und Regulierungsbehörden, arbeitenmit dem Unternehmen zusammen und nutzen dessen Anwendungssysteme.

UNTERNEHMENS-UMWELT

Rückmeldung

ANWENDUNGSSYSTEM

Lieferanten Kunden

Aktionäre WettbewerberBehörden,Ämter

UNTERNEHMEN.......

.......

.......

.......

.......

Eingabe AusgabeVerarbeitungKlassifizierungStrukturierung

Berechnung

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1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

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Obwohl Anwendungssysteme Computertechnikverwenden, um Rohdaten zu aussagekräftigen In-formationen zu verarbeiten, wird zwischen einemComputer und einem Programm einerseits undeinem Informationssystem andererseits unterschie-den. Computer und die zugehörigen Programmestellen die technische Grundlage, die Werkzeugeund Baumaterialien moderner Anwendungssy-steme dar. Computer stellen die Geräte zum Spei-chern und Verarbeiten der Daten zur Verfügung.Programme bestehen aus Anweisungen, die die Ver-arbeitung der Daten durch den Computer steuern.Software bildet die Voraussetzung für den Betriebeines Computers und bezeichnet in einer Program-miersprache geschriebene Programme. Für den Ent-wurf von Lösungen für unternehmerische Problememuss man wissen, wie Computer und Programmearbeiten. Allerdings ist zu beachten, dass Computerund Programme nur einen Teil von Anwendungs-und Informationssystemen ausmachen.

Ein Haus ist eine dazu passende Analogie. Häu-ser werden mit Kelle, Mörtel und Steinen gebaut,aber diese ergeben für sich noch kein Haus. Die Ar-chitektur, das Design, die Lage, die Gartengestal-tung und sämtliche Entscheidungen, die zur Gestal-tung dieser Elemente führen, sind Bestandteil desHauses und unabdingbare Elemente der Lösung desProblems, ein Dach über den Kopf zu bekommen.Computer und Programme sind Kelle, Steine undMörtel des Anwendungssystems, aber sie alleinkönnen nicht die Informationen erzeugen, die einbestimmtes Unternehmen benötigt. Die Entwick-lung von Informationssystemen setzt voraus, dassman die Probleme versteht, die diese lösen sollen,deren Architektur und Designelemente und die or-ganisatorischen Prozesse, die zu Lösungen führen.Erst wenn man die betrieblichen Aufgaben, dieOrganisationsstrukturen und die beteiligten Men-schen berücksichtigt, kann man von einem Infor-mationssystem sprechen.

Im Bereich der Informatik werden oft, davon ab-weichend, Datenbanksysteme in ihren verschiede-nen Erscheinungsformen als Informationssystemebezeichnet.

1.1.3 Informationssysteme aus der Unternehmenssicht

IT-Investitionen sollten sich in einem erhöhten Un-ternehmenswert ausdrücken. Eine ökonomisch ratio-nale Entscheidung für den Aufbau oder die Pflegeeines Informationssystems setzt voraus, dass die Ren-dite dieser Investition höher ist als bei anderenInvestitionen in Gebäude, Maschinen oder sonstigeVermögenswerte. Diese höheren Renditen resultierenaus Produktivitätszuwächsen, höheren Umsatzerlö-sen (die den Aktienwert des Unternehmens erhöhen)oder möglicherweise aus einer besseren langfristigenstrategischen Positionierung in bestimmten Märkten(die in der Zukunft höhere Umsatzerlöse einbringt).Es gibt auch Situationen, in denen Unternehmen inInformationssysteme investieren, um rechtlichenBestimmungen oder anderen Anforderungen ihresUmfelds besser entsprechen zu können. Beispiels-weise besteht eine der leistungsfähigsten Möglichkei-ten, wie private Krankenversicherungen den gesetz-lich vorgeschriebenen Aufbewahrungspflichten, diefür eingereichte Arztrechnungen usw. gelten, nach-kommen können, in der Einrichtung eines Dokumen-tenmanagementsystems, mit dem sich praktisch alleverwendeten Belege und Dokumente nachverfolgenlassen (siehe Kapitel 10). In einigen Fällen müssenFirmen in Informationssysteme investieren, weildiese Investitionen schlichtweg erforderlich sind,um überleben zu können. Beispielsweise sind einigekleine Banken u.U. gezwungen, in die zur Bereit-stellung von Geldautomaten erforderliche Netzwerk-anbindung zu investieren oder komplexe Bank-dienstleistungen anzubieten, die beträchtlicheTechnikinvestitionen erfordern (z.B. Online-Ban-king), weil sie sonst nicht wettbewerbsfähig wären.

Programm | Eine Verarbeitungsvorschrift, d.h. ein Algo-rithmus aus einer Folge von Befehlen (Instruktionen), die im Maschinencode des jeweiligen Computers formuliert sind.

Software | Bildet die Voraussetzung für den Betrieb ei-nes Computers und bezeichnet in einer Programmier-sprache geschriebene Programme.

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Blickpunkt Technik

UPS steigert Wettbewerbsfähigkeit durch IT

United Parcel Service (UPS), das weltweit größte Paketzu-stellungsunternehmen, wurde 1907 in einem winzigen Kel-lerbüro gegründet. Jom Casey und Claude Ryan, zweiTeenager aus Seattle, versprachen „den besten Service unddie günstigsten Preise“. UPS verwendet diese Formel seitfast 100 Jahren erfolgreich.

Heute stellt UPS täglich über 13,6 Millionen Pakete undDokumente in den USA und in mehr als 200 anderen Län-dern zu. Das Unternehmen konnte seine Führungsrolle imBereich der privaten Paketzustellungsdienste gegenüberstarken Konkurrenten wie FedEx und Airborne Expressbehaupten, weil es beträchtliche Summen in fortschrittlicheIT investiert hat.

Während der letzten zehn Jahre hat UPS über eine Milli-arde US-Dollar jährlich in Technik und Systeme investiert,um einerseits den Kundenservice zu verbessern und ande-rerseits gleichzeitig die Kosten niedrig zu halten sowieseine allgemeinen betrieblichen Abläufe zu optimieren.

UPS-Fahrer erfassen die Unterschrift der Kunden auto-matisch mit Hilfe eines Handheld-Computers, eines sogenannten Delivery Information Acquisition Device (DIAD),der diese zusammen mit den Abhol-, Zustell- und Zeitdatenspeichert. Der Fahrer schließt den DIAD dann an den Fahr-zeugadapter des UPS-Lieferwagens an. Bei diesem Adapterhandelt es sich um ein Datenübertragungsgerät, das miteinem Mobilfunknetz verbunden ist. (Die Fahrer könnenauch über ein in den DIAD integriertes Funkgerät Datenübertragen und empfangen.) Die Paketzustelldaten werdendann an das Computernetzwerk von UPS übertragen, wosie von den Zentralrechnern von UPS in Mahwah, New Jer-sey, und Alpharetta, Georgia, gespeichert und verarbeitetwerden. Auf diese Informationen kann weltweit zugegrif-fen werden, um Kunden einen Liefernachweis zu gebenoder Kundenanfragen zu beantworten.

Mit seinem automatisierten Paketverfolgungssystemkann UPS die Pakete während des gesamten Zustellprozes-ses überwachen. An verschiedenen Punkten auf dem Wegvom Absender zum Empfänger werden mit Barcodelesernauf dem Paketaufkleber enthaltene Zustelldaten einge-lesen, und diese Daten werden an die Zentralrechnerweitergeleitet. Die Kundenservicemitarbeiter können vonArbeitsplatzrechnern aus, die mit den Zentralrechnern ver-bunden sind, den Status jedes Pakets überprüfen und Kun-denanfragen sofort beantworten. Auch die UPS-Kundenkönnen mit ihren eigenen PCs oder Mobilfunkgeräten überdie Website von UPS auf diese Daten zugreifen.

Jeder, der ein Paket versenden möchte, kann die UPS-Website besuchen und Pakete nachverfolgen, Zustellroutenüberprüfen, Versandkosten berechnen, die Transportdauerbestimmen und einen Abholtermin vereinbaren.

Unternehmen auf der ganzen Welt können diese Websiteverwenden, um UPS-Lieferungen zusammenzustellen unddiese Lieferungen der UPS-Kontonummer des Unterneh-mens in Rechnung stellen zu lassen oder mit einer Kredit-karte zu bezahlen. Die über die UPS-Website erfasstenDaten werden an den UPS-Zentralrechner und nach der Be-arbeitung zurück an den Kunden übertragen. UPS stelltauch Hilfsmittel zur Verfügung, mit denen Kunden wie Cis-co Systems UPS-Funktionen, wie z.B. das Nachverfolgeneinzelner Pakete oder die Kostenkalkulation, in ihre eige-nen Websites einbetten können, so dass sie Lieferungennachverfolgen können, ohne die UPS-Website zu besuchen.

Das Unternehmen bietet in seinen Einzelhandelsniederlas-sungen, den „UPS Stores“, Verpackungs- und Versanddienst-leistungen sowie an einigen Standorten auch Kopierdiensteund die Vermietung von PCs an. Dort wird gerade die Bereit-stellung drahtloser Internetzugangsmöglichkeiten getestet.

UPS hofft, dass seine Läden durch das Angebot dieservielfältigen Dienstleistungen attraktiver werden.

UPS hat kürzlich eine Abteilung namens UPS SupplyChain Solutions gegründet, die Firmen ein komplettes Paketvon Standarddienstleistungen bietet. Firmen können dieseDienstleistungen zu einem Bruchteil der Kosten abonnie-ren, die mit dem Aufbau eigener Systeme und einer eige-nen Infrastruktur verbunden wären. Diese Dienstleistungenumfassen neben logistischen Dienstleistungen SupplyChain Design, Supply Chain Management, Frachttransport,Zollabwicklung, Postdienste, kombinierten Verkehr durchmultimodale Transportketten und Finanzdienstleistungen.

Diskussionsfragen: Worin bestehen die Eingaben, die Verarbeitung und die Aus-gaben des Paketverfolgungssystems von UPS? Welche Tech-niken werden eingesetzt? Welche Beziehung bestehtzwischen diesen Techniken und der Unternehmensstrategievon UPS? Wie zahlen sie sich für das Unternehmen aus? Wasgeschähe, wenn diese Techniken nicht verfügbar wären?

Quellen: Bob Brewin, „UPS Delivers Public-Access Wi-Fito Its Retail Outlets“, Computerworld, 11. September2003; Todd R. Weiss, „UPS Delivers New Package Check-inSystem for Customers“, Computerworld, 9. April 2003; Lar-ry Greenemeier, „UPS Goes Wire-Free“, Information Week,6. Januar 2003; „Eskew: UPS Targeting Supply Chain“, JoCOnline, 7. Mai 2002; „UPS Logistics Interview with Tim Gei-ken, UPS Vice President of E-Commerce Marketing“, eye-fortransport, 22. März 2002, www.eyefortransport.com,Stand: 30. September 2003; Brent Adams, „UPS LogisticsProvides Variety of Services at Local Center“, BusinessFirst, 19. April 2002.

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1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

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Es wird deutlich, dass Informationssysteme auswirtschaftlicher Sicht ein wichtiges Wertschöp-fungsinstrument für Unternehmen darstellen.Informationssysteme versetzen Unternehmen in dieLage, ihre Umsatzerlöse zu steigern oder ihreKosten zu reduzieren, indem sie Informationen be-reitstellen, die Führungskräfte darin unterstützen,bessere Entscheidungen zu treffen oder die Ausfüh-rung von Geschäftsprozessen zu verbessern. Bei-spielsweise kann das Informationssystem für dieAnalyse der Supermarktkassendaten, das in Abbil-dung 1.4 veranschaulicht wurde, die Rentabilitätsteigern, indem es der Geschäftsführung ermög-licht, fundiertere Entscheidungen darüber zu tref-fen, welche Produkte in den Supermärkten aufLager gehalten und beworben werden sollen, undso den Wert des Unternehmens erhöhen.

Jedes Unternehmen verfügt über eine Informa-tionswertschöpfungskette (siehe Abbildung 1.6), inder Rohdaten systematisch beschafft und inverschiedenen Phasen, die den Wert dieser Datenerhöhen, umgewandelt und verarbeitet werden.Welchen Wert ein Informationssystem für ein Un-ternehmen hat und ebenso die Entscheidung, ob inein neues Informationssystem investiert werdensoll, hängen zum Großteil davon ab, in welchemUmfang das System zu besseren Managementent-scheidungen, effizienten Geschäftsprozessen undeiner höheren Firmenrentabilität führt. Obwohl esandere Gründe für die Entwicklung von Systemengibt, besteht ihr Hauptzweck darin, den Wert desUnternehmens zu erhöhen.

Aus der Unternehmenssicht ist v.a. der organisa-torische Aspekt von Informationssystemen vonInteresse. Informationssysteme repräsentieren aufIT basierende organisatorische und unternehmeri-sche Lösungen. Ein umfassendes Verständnis vonInformationssystemen setzt voraus, dass die weite-ren organisatorischen, managementbezogenen undinformationstechnischen Aspekte des Systems (sie-he Abbildung 1.7) bekannt sind. Dazu gehört auchdie Kenntnis, welche Lösungen für die Herausfor-derungen und Probleme im geschäftlichen Umfeldein Informationssystem bietet.

Betrachten Sie nochmals die Grafik am Anfangdes Kapitels, welche die Definition von Informa-tionssystemen widerspiegelt. Die Grafik zeigt, wiedie Verkaufsprognose- und Fertigungssysteme vonTAL die unternehmerische Herausforderung meis-tern, sich auf den rasch ändernden Kunden-geschmack einzustellen und die hohen Lagerhal-tungskosten zu reduzieren. Diese Systeme tragenzur Wertschöpfung der Unternehmen TAL und J.C.Penney bei, weil durch sie die Fertigung, das Auf-füllen der Lagerbestände und die Produktentwick-

lung effizienter und kostengünstiger werden. DieseGrafik zeigt auch, wie Elemente aus den BereichenManagement, Technik und Organisation bei derSchaffung dieser Systeme zusammenwirken.

Jedes Kapitel dieses Buchs beginnt mit einerGrafik, die der oben beschriebenen ähnelt und dieAnalyse der einführenden Fallstudie erleichternsoll. Sie können diese Grafik als Ausgangspunkt fürdie Analyse jedes beliebigen Informationssystemsoder Informationssystemproblems verwenden.

Organisation

Informationssysteme sind ein integraler Bestandteilvon Unternehmen. Für einige Unternehmen, z.B.die Schufa GmbH, sind Informationssysteme sogarVoraussetzung für ihre Geschäftstätigkeit. DieSchlüsselelemente eines Unternehmens sind des-sen Mitglieder, Organisationsstruktur, Verfahrens-richtlinien, Politik und Kultur. Wir stellen dieseUnternehmenskomponenten hier vor und beschrei-ben sie in Kapitel 2 und 3 genauer. Unternehmensetzen sich aus verschiedenen Ebenen und Spezia-lisierungen zusammen. Ihre Organisationsstrukturspiegelt eine klare Arbeitsteilung wider. Expertenwerden zur Ausführung verschiedener Funktionenbeschäftigt und geschult. Die wichtigsten Geschäfts-funktionen oder Spezialaufgaben, die von einem Un-ternehmen ausgeführt werden, umfassen Beschaf-fung, Vertrieb und Marketing, Fertigung undProduktion, Finanz- und Rechnungswesen sowiedas Personalwesen (siehe Tabelle 1.2).

Ein Unternehmen koordiniert die Arbeit mitHilfe hierarchischer Strukturen und formaler Ver-fahrensrichtlinien, wie in bestimmten Situationenvorzugehen ist. Die Hierarchie ist, idealtypischbetrachtet, eine pyramidenförmige Anordnung vonPersonen, deren Autorität und Verantwortungs-bereich nach oben, zur Spitze der Pyramide hin,zunimmt. Die oberen Hierarchieebenen bestehenaus den Mitarbeitern der Geschäftsführung, Fach-kräften und technischen Mitarbeitern, während aufden unteren Ebenen Mitarbeiter mit operativenAufgaben angesiedelt sind.

Geschäftsfunktionen | In einem Unternehmen auszu-führende Spezialaufgaben, zu denen klassischerweise Beschaffung, Vertrieb und Marketing, Fertigung und Produktion, Finanz- und Rechnungswesen sowie das Personalwesen gehören.

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Verfahrensrichtlinien sind formale Regeln, die füreinen längeren Zeitraum Gültigkeit besitzen und zurErledigung von Aufgaben entwickelt wurden. DieseRegeln schreiben Mitarbeitern vor, wie sie in ver-schiedenen Situationen verfahren sollen; sie rei-chen von der Rechnungsstellung bis zur Bearbei-tung von Kundenreklamationen. Die meistenVerfahrensrichtlinien sind formalisiert und schrift-lich fixiert. Es kann sich aber auch um informelleArbeitspraktiken handeln, die nicht formal doku-mentiert sind, wie z.B. die Anforderung, Anrufe von

Kollegen oder Kunden zu beantworten und ggf. zu-rückzurufen. Die Geschäftsprozesse einer Unterneh-mung, die weiter oben definiert wurden, basierenauf Verfahrensrichtlinien. Viele Geschäftsprozesseund deren zugrunde liegende Verfahrensrichtlinien(inklusive der Organisationsstruktur, die vorgibt,welche Stellen im Unternehmen daran beteiligtsind) werden in Informationssystemen abgebildet,z.B. Richtlinien, wie Lieferanten bezahlt werdenmüssen oder wie eine falsch ausgestellte Rechnungzu korrigieren ist.

Tabelle 1.2

Wichtige Geschäftsfunktionen

Funktion Zweck

Beschaffung Beschaffung der Rohstoffe und Vorprodukte, die zur Produktion benötigt werden

Vertrieb und Marketing Vertrieb der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens

Fertigung und Produktion Erzeugung der Produkte und Dienstleistungen

Finanz- und Rechnungswesen Verwaltung der finanziellen Vermögenswerte des Unternehmens und Pflege und Verwaltung der Finanzberichte und buchhalterischen Belege des Unternehmens

Personalwesen Einstellung, Verwaltung und Fortbildung des Mitarbeiterstabs des Unternehmens; Pflege der Personalakten

Abbildung 1.6: Die Wertschöpfungskette von UnternehmensinformationenAus Unternehmenssicht sind Informationssysteme Teil einer Reihe von wertschöpfenden Aktivitäten zur Beschaffung, Verarbeitung und Verteilungvon Informationen, die Manager nutzen können, um Entscheidungsfindungsprozesse und die Leistungen des Unternehmens zu verbessern und da-mit schließlich die Rentabilität des Unternehmens zu steigern.

Geschäftsprozesse

Aktivitäten im BereichInformationsverarbeitung

Wertschöpfung

Managementaktivitäten

SupplyChainManagement

Unternehmens-führung

Kunden-verwaltung

Wissens- management

Rohdaten-erfassung und -speicherung

Verarbeitung in Anwendungs-systemen

Verbreitung und Verteilung der Daten

Planung Steuerung Kontrolle Modellierung undEntscheidungsfindung

Rentabilitätund strategische

Position des Unternehmens

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1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

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Unternehmen erfordern viele verschiedene Artenvon Fertigkeiten und Persönlichkeiten. Abgesehenvon den Führungskräften gibt es Wissensarbeiter(z.B. Ingenieure, Architekten oder Wissenschaftler),die Produkte oder Dienstleistungen entwerfen undneue Kenntnisse gewinnen, und Datenverarbeiter(z.B. Datentypisten, Buchhalter oder Sachbearbei-ter), die die Arbeitsvorgänge des Unternehmensvollziehen. Mitarbeiter im Produktions-/Dienstleis-tungsbereich (z.B. Maschinenführer, Fließbandarbei-ter oder Packer) sind an der unmittelbaren Erstel-lung der Güter des Unternehmens beteiligt.

Jedes Unternehmen verfügt über eine eigene Kul-tur, d.h. eine Grundmenge an Annahmen, Wertenund Arbeitsweisen, die von den meisten Mitglie-dern des Unternehmens akzeptiert werden. Teile derUnternehmenskultur finden sich im Informations-system wieder. Beispielsweise ist das Bemühen, denKunden bevorzugt zu behandeln, ein Aspekt der Un-ternehmenskultur von UPS, der sich im Paketverfol-gungssystem des Unternehmens widerspiegelt.

Verschiedene Ebenen und Spezialisierungeneines Unternehmens führen zu unterschiedlichenInteressen und Meinungen. Diese Ansichten stehenhäufig miteinander in Konflikt. Informationssyste-me gehen aus diesen unterschiedlichen Perspekti-ven, Konflikten, Kompromissen und Vereinbarun-gen hervor, die ein natürlicher Bestandteil jedesUnternehmens sind. In Kapitel 3 untersuchen wirdiese Merkmale von Unternehmen eingehender.

Management

Aufgabe des Management ist es, Situationen zu in-terpretieren, mit denen das Unternehmen konfron-tiert wird, Entscheidungen zu fällen und Aktions-pläne zur Lösung organisatorischer Probleme zuschaffen. Die Führungskräfte nehmen die unterneh-merischen Herausforderungen wahr, die häufig vonaußen an das Unternehmen herangetragen werden.Sie legen die Unternehmensstrategie zur Reaktionauf diese Herausforderungen fest und sie weisenpersonelle und finanzielle Ressourcen zu, um dieArbeit zu koordinieren und Erfolge zu erzielen.Gleichzeitig müssen sie Unternehmen und Mitarbei-ter verantwortungsbewusst führen. Die in diesemBuch beschriebenen Informationssysteme vonUnternehmen geben die Hoffnungen, Träume undRealitäten von Führungskräften in der Praxis wieder.

Manager sollten aber nicht nur das verwalten,was bereits vorhanden ist.

Wissensarbeiter | Personen, die Produkte oder Dienst-leistungen entwerfen und für das Unternehmen Wissen schaffen.

Datenverarbeiter | Personen, die die operativen Arbeitsvorgänge des Unternehmens vollziehen.

Mitarbeiter im Produktions-/Dienstleistungs-bereich | Personen, die die Produkte oder Dienstleistun-gen des Unternehmens unmittelbar erzeugen.

Abbildung 1.7: Informationssysteme umfassen mehr als nur ComputerDer effiziente Einsatz von Informationssystemen erfordert das Verständnis der Organisation, des Management und der Technik, die das System for-men.

Management

Organisation Technik

Informations-system

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Sie müssen auch neue Produkte und Dienstleistun-gen entwickeln und von Zeit zu Zeit sogar das Un-ternehmen neu erschaffen. Ein substanzieller Teilder Managementverantwortung besteht in kreativerArbeit, die sich an neuen Kenntnissen und Infor-mationen orientiert. IT kann eine wichtige Rolle beider Neuorientierung und beim Neuentwurf des Un-ternehmens spielen. In Kapitel 3 werden die Tätig-keiten des Management und dessen Entscheidungs-findungsprozesse detailliert beschrieben.

Es ist unbedingt zu beachten, dass die Rollen undEntscheidungsbefugnisse der Führungskräfte aufden verschiedenen Organisationsebenen unter-schiedlich sind. Das Top-Management fällt langfristi-ge, strategische Entscheidungen darüber, welcheProdukte und Dienstleistungen produziert bzw. an-geboten werden sollen. Das mittlere Managementsetzt die Pläne und Ziele des oberen Managementsum. Führungskräfte für operative Aufgaben sind fürdie Überwachung des laufenden Betriebs verant-wortlich. Entsprechend hat jede Managementebeneeinen anderen Informationsbedarf und andereAnforderungen an das Informationssystem.

Technik

IT ist eines der vielen Hilfsmittel, mit denen dasManagement Änderungen bewältigt. Mit Hardwaresind die physischen Geräte gemeint, die zur Einga-be, Datenverarbeitung und Ausgabe in Informa-tionssystemen eingesetzt werden. Zur Computer-hardware zählen die Hauptplatine des Computers,verschiedene Eingabe-, Ausgabe- und Speichergerä-te sowie die physischen Mittel zur Verknüpfungdieser Geräte. Software besteht aus den detaillier-ten, vorprogrammierten Anweisungen, die zurSteuerung und Koordination der Computerhard-warekomponenten eines Informationssystems die-nen. Die Bedeutung der Computersoftware eines In-formationssystems wird in Kapitel 6 beschrieben.

Speichertechnik umfasst sowohl physische Daten-träger zum Speichern der Daten, z.B. magnetischeoder optische Datenträger, als auch die Software,welche die Organisation der auf diesen physischenDatenträgern enthaltenen Daten bestimmt. Die Da-tenorganisation und Zugriffsmethoden werden inKapitel 7 behandelt.

Mit Hilfe der Kommunikationstechnik, die physi-sche Geräte und Software umfasst, werden dieverschiedenen Computerhardware-Komponentenmiteinander verbunden und Daten von einer physi-schen Position an eine andere übertragen. Compu-ter und Kommunikationsgeräte können in Netzwer-ke eingebunden werden, damit Sprachmeldungen,Daten, Bilder, Audio- und Videodaten von allen Be-nutzern gemeinsam genutzt werden können. EinNetzwerk dient zur Verbindung von zwei oder mehrComputern oder Netzwerksteuerungsgeräten, umdie gemeinsame Nutzung von Daten oder Ressour-cen (z.B. Drucker) zu ermöglichen. Einzelheiten zurKommunikations- und Netzwerktechnik sowiedamit verbundene Probleme werden in den Kapi-teln 6 und 8 behandelt.

Alle diese Techniken repräsentieren Ressourcen,die von allen Mitgliedern des Unternehmens ge-meinsam genutzt werden können und die IT-Infra-struktur des Unternehmens bilden. Die IT-Infra-struktur stellt die Grundlage oder Plattform dar, aufder das Unternehmen seine speziellen Informa-tionssysteme aufbauen kann. Jedes Unternehmenmuss seine IT-Infrastruktur sorgfältig und umsich-tig entwerfen und verwalten, damit ihm die techni-schen Ressourcen zur Verfügung stehen, die es fürdie Aufgaben benötigt, die mit Hilfe von Informa-tionssystemen bewältigt werden sollen. Dies wirdals eine der zentralen Aufgaben des Informations-management gesehen (siehe Kapitel 1.2.3).

Top-Management | Personen, die sich in der obersten Hierarchieebene des Unternehmens befinden und für langfristige Entscheidungen zuständig sind.

Mittleres Management | Personen in den mittleren Ebenen der Organisationshierarchie, die für die Umset-zung der Pläne und die Erreichung der Ziele, die vom obe-ren Management festgelegt wurden, verantwortlich sind.

Führungskräfte für operative Aufgaben | Personen, die den laufenden Betrieb des Unternehmens im Detail planen, steuern und überwachen.

Hardware | Physische Geräte, die zur Eingabe, Verarbei-tung und Ausgabe in Informationssystemen eingesetzt werden.

Speichertechnik | Physische Datenträger und Software, die zur Speicherung und Organisation der in einem In-formationssystem zu verwendenden Daten dienen.

Kommunikationstechnik | Physische Geräte und Soft-ware, die verschiedene Computerhardware-Komponen-ten (über Netzwerke) miteinander verbinden und Daten von einer physischen Position an eine andere übertragen.

Netzwerk | Die Verbindung von zwei oder mehreren Computern bzw. Netzwerksteuerungsgeräten zum Zweck der gemeinsamen Nutzung von Daten oder Ressourcen, wie z.B. Druckern.

IT-Infrastruktur | Computerhardware, Software, Daten, Speichertechnik, Kommunikationseinrichtungen ein-schließlich Netzwerke bilden die für das Unternehmen gemeinsam zu nutzenden IT-Ressourcen.

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1.1 Sinn und Zweck von Informationssystemen

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In den Kapiteln 6 bis 8 werden die Hauptkompo-nenten der IT-Infrastruktur erörtert, und es wird ge-zeigt, wie diese bei der Schaffung der technischenPlattform des Unternehmens zusammenwirken.

Lassen Sie uns zum Informationssystem „Paket-verfolgung“ der Firma UPS aus dem Abschnitt„Blickpunkt Technik“ zurückkehren und die orga-nisatorischen, managementbezogenen und techni-schen Elemente identifizieren.

Das organisatorische Element verankert das Pa-ketverfolgungssystem in den Vertriebs- und Produk-tionsfunktionen von UPS (das Hauptprodukt vonUPS ist eine Dienstleistung: die Paketzustellung). Eslegt die erforderlichen Verfahren zur Kennzeich-nung der Pakete mit Absender und Empfänger, zurBestandserfassung, zur Verfolgung der Pakete wäh-rend des Transports und zur Bereitstellung vonPaketstatusberichten für UPS-Kunden und Kunden-servicemitarbeiter fest. Das System muss auch Infor-mationen liefern, um den Informationsbedarf derFührungskräfte und Arbeitnehmer zu erfüllen. DieUPS-Fahrer müssen sowohl in den Verfahren fürdas Abholen und Zustellen der Pakete als auch inder Bedienung des Paketverfolgungssystems ge-schult werden, damit sie effizient und effektiv arbei-ten können. Die UPS-Kunden benötigen u.U. Anlei-tung, um die interne UPS-Paketverfolgungssoftwareoder die UPS-Website verwenden zu können.

Das UPS-Management ist dafür verantwortlich,die Servicequalität und die Kosten zu überwachenund gemäß der Unternehmensstrategie kostengüns-tig hervorragende Dienstleistungen zu bieten, diesich am Markt durchsetzen. Das Management ent-schied sich dafür, das Versenden von Paketen mitUPS und das Überprüfen des Zustellstatus durch

Automatisierung zu erleichtern und so die Zustell-kosten zu reduzieren und die Umsatzerlöse zu erhö-hen.

Die Technik zur Unterstützung dieses Systemsumfasst Handheld-Computer, Barcodeleser, kabel-gestützte und drahtlose Kommunikationsnetzwerke,Arbeitsplatzrechner, die Zentralrechner von UPS,Speichertechnik für die Paketzustellungsdaten,UPS-interne Paketverfolgungssoftware und Soft-ware für den Zugriff auf das Internet. Ergebnis istein Informationssystem, welches es dem Unterneh-men ermöglicht, trotz wachsender Konkurrenz zugünstigen Preisen erstklassigen Service zu bieten.

Ergänzende Vermögenswerte sowie organisations- und managementbezogenes Kapital

Kenntnisse der organisatorischen und management-bezogenen Dimensionen von Informationssystemenkönnen uns helfen zu verstehen, warum sich Infor-mationssysteme für einige Unternehmen besser aus-zahlen als für andere. Untersuchungen der Renditevon IT-Investitionen zeigen, dass die von den Fir-men erzielten Renditen stark voneinander abwei-chen (siehe Abbildung 1.8). Einige Firmen investie-ren viel und erzielen eine hohe Rendite (Quadrant2); andere Firmen investieren ebenso viel und erzie-len nur eine geringe Rendite (Quadrant 4). Wieder-um andere Firmen investieren wenig und erzieleneine hohe Rendite (Quadrant 1), während anderewenig investieren und auch nur eine geringe Renditeerzielen (Quadrant 3). Diese Ergebnisse legen nahe,dass die Investition in IT per se noch keine hoheRendite garantiert. Worauf lassen sich diese Abwei-chungen zwischen Unternehmen zurückführen?

1,0

Investitionen in IT (bezogen auf den Branchendurchschnitt)

4,0 8,00,250,12

1,0

0,5

0,25

Produktivität(bezogen aufden Branchen-durchschnitt) 2,0

4,01 2

3 4

Abbildung 1.8: Abweichung der Renditen aus IT-InvestitionenObwohl IT-Investitionen im Durchschnitt weit höhere Rendi-ten bringen als andere Investitionen, gibt es beträchtlicheAbweichungen zwischen verschiedenen Unternehmen.

Quelle: Erik Brynjolfsson und Lorin M. Hitt, „Beyond Compu-tation: Information Technology, Organizational Transforma-tion and Business Performance“, Journal of EconomicPerspectives 14, Nr. 4 (Herbst 2000).

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INFORMATIONSSYSTEME1

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Tabelle 1.3

Die Antwort liegt im Konzept der ergänzenden Ver-mögenswerte. IT-Investitionen können nur danndie Effizienz von Organisation und Managementsteigern, wenn sie im Unternehmen durch unter-stützende Werte, Strukturen und Verhaltensmusterergänzt werden. Mit ergänzenden Vermögenswertensind Vermögenswerte gemeint, die notwendig sind,damit sich eine primäre Investition auszahlt (Teece,1988). Für den nutzbringenden Einsatz von Autossind beispielsweise beträchtliche Zusatzinvestitio-nen in Straßen, Autobahnen, Tankstellen, Repara-turwerkstätten und rechtliche Bestimmungen erfor-derlich, um Standards festzulegen und die Fahrerzu reglementieren und zu kontrollieren.

Neuere Untersuchungen zu IT-Investitionen inWirtschaftsunternehmen legen nahe, dass Unter-nehmen, die ihre Technikinvestitionen durchInvestitionen in ergänzende Vermögenswerte (z.B.Geschäftsprozesse, Managementverhalten, Unter-nehmenskultur oder Schulungen) unterstützen, hö-here Renditen erzielen als Unternehmen, die dieseZusatzinvestitionen nicht tätigen und mit ihren IT-Investitionen weniger oder keine Rendite erzielen(Brynjolfsson, 2003; Brynjolfsson und Hitt, 2000;Davern und Kauffman, 2000; Laudon, 1974). DieseInvestitionen in Organisation und Managementwerden auch als organisations- und managementbezo-genes Kapital bezeichnet.

In Tabelle 1.3 sind die wichtigsten Zusatzinvesti-tionen aufgeführt, die Unternehmen tätigen müs-sen, damit sich ihre IT-Investitionen auszahlen. Ei-nige dieser Investitionen umfassen Sachanlagenwie Gebäude, Maschinen und Werkzeuge. Der Wertvon IT-Investitionen hängt jedoch weitgehend vonZusatzinvestitionen in Management und Organisa-tion ab. Wichtige organisatorische Zusatzinvestitio-nen sind eine unterstützende Unternehmenskultur,in der Effizienz und Effektivität geschätzt werden,effiziente Geschäftsprozesse, Dezentralisierung vonWeisungsbefugnissen, verteilte Entscheidungs-befugnisse und ein starkes IT-Entwicklungsteam.Zu den wichtigsten ergänzenden Vermögenswerten

Ergänzende organisatorische, managementbezogene und soziale Vermögenswerte, die zur Optimierung der Rendite von IT-Investitionen erforderlich sind

Organisatorische Vermögenswerte

– Unternehmenskultur, in der Effizienz und Effektivität geschätzt werden– Effiziente Geschäftsprozesse– Dezentrale Weisungsbefugnisse– Verteilte Entscheidungsbefugnisse– Starkes IT-Entwicklungsteam

Managementbezogene Vermögenswerte

– Starke Unterstützung des Top-Managements für IT-Investitionen und damit einhergehende Veränderungen

– Anreize für Innovationen im Managementbereich– Teamarbeit und kooperative Arbeitsumfelder– Schulungsprogramme, um die Entscheidungsfähigkeiten des Management zu verbessern– Managementkultur, die Flexibilität und wissensbasierte Entscheidungsfindungs-

prozesse schätzt

Soziale Vermögenswerte

– Die allgemein verfügbare Internet- und Telekommunikationsinfrastruktur– Schulungsprogramme zur Erweiterung der IT-Kenntnisse der Mitarbeiter– Standards (sowohl öffentliche als auch unternehmensinterne)– Gesetze und Bestimmungen, die faire und stabile Geschäftsumgebungen schaffen– Technologie- und Dienstleistungsunternehmen zur Unterstützung der Entwicklung

und Inbetriebnahme von Informationssystemen

Ergänzende Vermögenswerte | Zusätzliche Vermö-genswerte, die notwendig sind, damit sich eine Investi-tion auszahlt.

Organisations- und managementbezogenes Kapi-tal | Investitionen in Organisation und Management, z.B. neue Geschäftsprozesse, Managementverhalten, Unternehmenskultur oder Schulungen.

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1.2 Wirtschaftsinformatik

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im Managementbereich gehören, dass das Top-Ma-nagement die Änderungen tatkräftig unterstützt,sowie Anreize für individuelle Innovation, Förde-rung von kooperativer Zusammenarbeit, Schu-lungsprogramme und eine Managementkultur, dieFlexibilität und Wissen fördert.

Wichtige soziale Investitionen (die nicht von demUnternehmen, sondern von der Gesellschaft im All-gemeinen, anderen Unternehmen, der öffentlichenHand oder anderen wichtigen Marktfaktoren getä-tigt werden) umfassen das Internet und die unter-stützende Internetkultur, das Schulsystem, Netz-werk- und IT-Standards, Bestimmungen undGesetze sowie die Existenz von Technologie- undDienstleistungsunternehmen.

Im gesamten Buch werden Ressourcen aus denBereichen Technik, Management und Organisationund deren Zusammenwirken berücksichtigt. Dievielleicht wichtigste Aussage dieses Buchs, die sichin Fallstudien, Abbildungen und Übungen wider-spiegelt, ist jedoch, dass Führungskräfte die überdie Technik hinausgehenden Organisations- undManagementaspekte von Informationssystemenberücksichtigen müssen, um vorliegende Problemeverstehen und mit ihren IT-Investitionen über-durchschnittliche Renditen erzielen zu können. WieSie im gesamten Buch sehen werden, werden Unter-nehmen, die auf diese Dimensionen einer IT-Investi-tion eingehen, in der Regel überdurchschnittlich be-lohnt.

1.2 Wirtschaftsinformatik 1.21.2.1 Zugänge zum Verständnis der

Wirtschaftsinformatik

Informationssysteme umfassen menschliche undmaschinelle Komponenten, die als Aufgabenträgerfungieren, voneinander abhängig sind und zusam-menwirken. Entsprechend werden Informations-systeme als soziotechnische Systeme aufgefasst. Siefußen auf informationstechnischen Grundlagen. Al-lerdings erfordert ihr korrektes Funktionieren be-trächtliche soziale, organisatorische, personelleund intellektuelle Investitionen. Beispielsweiseschlägt sich die Tatsache, dass Technik zunehmendkostengünstiger und zugleich leistungsfähigerwird, nicht automatisch in einer gesteigerten Pro-duktivität oder höheren Gewinnen nieder. Da sich

Fragen wie beispielsweise die strategische Einbin-dung von Informationssystemen in das Unterneh-men, der Entwurf, die Umsetzung, die Nutzung unddie Verwaltung von Informationssystemen sowieihre Auswirkungen auf Individuen, Gruppen, Un-ternehmen, Branchen oder Wirtschaftsräume nichtallein mit technisch geprägten Wissenschaftszugän-gen geeignet untersuchen lassen, beschäftigt sichdie Wirtschaftsinformatik auch mit verhaltenstheo-retischen Fragen. Beim verhaltenstheoretischenAnsatz werden technische Aspekte nicht völligausgeblendet. Stattdessen konzentriert er sich aufÄnderungen in Einstellungen, Management- undUnternehmensrichtlinien sowie im Verhalten(Kling und Dutton, 1982).

Die Wirtschaftsinformatik ist demzufolge ein in-terdisziplinäres Feld, das nicht von einer einzelnenTheorie, Methode oder Perspektive dominiert wird.Vielmehr tragen so unterschiedliche Disziplinenwie die Informatik, die Betriebswirtschaftslehre, dasOperations Research, die Soziologie, die Volkswirt-schaftslehre und die Psychologie mit ihren spezifi-schen Werkzeugen, Theorien und Methoden zumErkenntnisprozess der Wirtschaftsinformatik bei.

Einige Beispiele: Im Mittelpunkt einer wirtschafts-wissenschaftlich geprägten Sichtweise der Wirt-schaftsinformatik stehen die Erkenntnisobjekte In-formation und Kommunikation als wirtschaftlichesGut. Dabei werden z.B. Fragen der Wirtschaftlich-keit des Informationssystemeinsatzes diskutiert undAuswirkungen von Informationssystemen auf dieSteuerungs-, Kosten- und Wertschöpfungsstrukturendes Unternehmens und ganzer Branchen untersucht.Mittels soziologischer Erkenntnisse untersucht dieWirtschaftsinformatik Informationssysteme im Hin-blick darauf, wie Abteilungen und Unternehmen dieSystementwicklung beeinflussen und wie sie sichauf den Einzelnen oder auf (Nutzer-)Gruppen aus-wirken. Mittels Beiträgen aus der Psychologieergründet die Wirtschaftsinformatik beispielsweise,wie Entscheidungsträger formale Daten wahrneh-men und verwenden.

Wirtschaftsinformatik vereint die theoretischeArbeit vieler Disziplinen und ihrer unterschied-lichen Zugänge mit der praktischen Ausrichtungauf Systemlösungen für betriebliche Probleme. ImWechselspiel mit diesen Disziplinen beginnt dieWirtschaftsinformatik – etwa durch Konzepte wiedie Datenverarbeitungssicht von Firmen – andereDisziplinen zu beeinflussen (Baskerville undMyers, 2002).

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Selbstverständnis der Wirtschaftsinformatik

Die Wirtschaftsinformatik lässt sich als Realwissen-schaft klassifizieren, da Phänomene der Wirklich-keit untersucht werden. Speziell befasst sie sichmit der Beschreibung, Erklärung, Gestaltung undVorhersage rechnergestützter Informationssystemeund deren Einsatz in Wirtschaft und Verwaltung.

Die Wirtschaftsinformatik ist ebenso eine Formal-wissenschaft, da die Beschreibung, Erklärung, Prog-nose und Gestaltung von Informationssystemen derEntwicklung und Anwendung formaler Beschrei-bungsverfahren und Theorien bedürfen.

Darüber hinaus ist die Wirtschaftsinformatik eineIngenieurwissenschaft, da insbesondere die Gestal-tung von Informationssystemen eine Konstruk-tionssystematik verlangt.

Die Wirtschaftsinformatik strebt damit nach der (Wei-ter-)Entwicklung von Theorien zur Gewinnungintersubjektiv nachprüfbarer Erkenntnisse über In-formationssysteme und der Ergänzung des „Metho-den- und Werkzeugkastens“ der Wissenschaften, dieden soziotechnischen Erkenntnis- und Gestaltungs-gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchungzugänglich machen (WKWI, 1994).

Der Studienführer Wirtschaftsinformatik positio-niert die Wirtschaftsinformatik als interdisziplinä-res Fach im Wesentlichen zwischen Betriebswirt-schaftslehre und Informatik (Mertens, 2002).

Bereiche der Wirtschaftsinformatik in Theorie und (Ausbildungs-)Praxis

Abbildung 1.9 stellt überblicksartig typische Berei-che der Wirtschaftsinformatik dar, die sich im Kernmit den Prozessen und Daten in einem Unterneh-men beschäftigen. Diese Prozesse und Daten inter-agieren mit Anwendungen, die informationstech-nologische Erkenntnisse nutzen.

Bereiche, mit denen sich die Wirtschaftsinfor-matik in Theorie und (Ausbildungs-)Praxis beschäf-tigt, umfassen (u.a. WKWI 1994):

betriebliche Anwendungs- und Informationssys-teme in verschiedenen Branchen (z.B. Industrie,Handel, Dienstleistung) mit innerbetrieblichem

Wirtschaftsinformatik | Wissenschaft, die sich mit der Beschreibung, Erklärung, Gestaltung und Vorhersage rechnergestützter Informationssysteme und deren Einsatz in Wirtschaft und Verwaltung befasst. Sie versteht sich als eigenständiges interdisziplinäres Fach im Wesentlichen zwischen Betriebswirtschaftslehre und Informatik.

Abbildung 1.9: Typische Bereiche der Wirtschaftsinformatik mit Beispielen

Quelle: in Anlehnung an Hars, 2002.

BranchenIndustrie, Handel, Dienstleistungen

FunktionenEntscheidungsunterstützung,Customer Relationship Management, Produktions-planung, integrierte Systeme

ModellierungGeschäftsprozess-modellierung,Datenmodellierung,Wissensrepräsen-tation, Wissen, Information, Schnittstellen, Architekturen, Objektorientierung

AutomationComputer IntegratedManufacturing (CIM),Roboter

SpeicherungDatenbanken,Data Mining, XML

KommunikationNetzwerke, Internet

TransformationProzedurale Sprachen, Expertensysteme, Neuronale Netze, Künstliche Intelligenz

Informations-technik

Anwendungen

Electronic CommerceElektronische Marktplätze, Supply Chain Management, Outsourcing

Prozess-unterstützung

Projektmanagement,Anforderungsanalyse,Systementwurf,Implementierung,Systembetrieb,Informations-

Integrationmanagement,

Prozesse DatenWirtschafts-informatik

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1.2 Wirtschaftsinformatik

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(z.B. Enterprise Ressource Planning-Systeme)und überbetrieblichem Fokus (z.B. elektronischeMarktplätze), funktionsorientiert (z.B. Finanz-und Rechnungswesen) oder prozessorientiert(z.B. Auftragsabwicklung), auf allen hierarchi-schen Ebenen eines Unternehmens (z.B. Füh-rungsinformationssysteme für das Top-Manage-ment) einschließlich neuerer Formen (z.B.Mobile Commerce sowie Konvergenz von TV,Medien, Computer-, und Kommunikationstech-nik). Von besonderer Bedeutung dabei ist diezunehmende Funktions- und Prozessintegration,wie sie beispielsweise in den Konzepten Custo-mer Relationship Management, Supply ChainManagement, Life Cycle Management, ComputerIntegrated Manufacturing, Electronic Commerceund Electronic Business zum Ausdruck kommen.

die Entwicklung (Konzeption, Planung, Imple-mentierung, Einführung) sowie die Wartung undden Betrieb vorbenannter Informationssystemeunter Nutzung der Prinzipien Methoden, Verfah-ren und Werkzeuge des Software Engineeringund Projektmanagement unter Berücksichtigungökonomischer Randbedingungen

die Modellierung, Automatisierung und Rationa-lisierung der Verarbeitung von Daten, Informa-tion und Wissen sowie deren Transformation

die z.T. grundsätzlichen Fragen der Planung,Steuerung und Kontrolle der Selbst- oder Fremd-erstellung von IT-Dienstleistungen sowie ver-bundener Fragen der Auswahl, Anpassung undEinführung von Hardware, Software und IT-Ser-vices

die Konzeption und Einführung von Kommuni-kationssystemen vor dem Hintergrund inner-wie überbetrieblich vernetzter Arbeitsplätze undUnternehmen

Verfahren zur Analyse des Nutzens und derWirtschaftlichkeit des IT-Einsatzes

theoretische und technische Grundlagen vonAnwendungssystemen/Informationssystemen

Aufgaben des Informationsmanagement als Füh-rungsaufgabe für die Informationsverarbeitungs-funktion des Unternehmens als Ganzes, ein-schließlich der Auseinandersetzung mit Aspektender Strategie, der Aufbau- und Ablauforganisa-tion, der Sicherstellung des Funktionierens derSysteme sowie des Controlling der Informations-verarbeitung(sabteilungen)

die zunehmende informationstechnische Vernet-zung der Dinge und der damit entstehendenDaten-, Kommunikations- und Anwendungs-infrastruktur eigener Qualität (aufgegriffen etwaunter den Begriffen Ubiquitous Computing undAmbient Intelligence) einschließlich der Ausein-andersetzung mit Phänomenen der informa-tionstechnischen Vernetzung des privatenLebensraumes (z.B. „das intelligente Haus“,soziale Software, Peer-to-Peer-Communities)

1.2.2 Wissenschaftliche Erkenntnis in der Wirtschaftsinformatik

Ein einführendes Buch zur Wirtschaftsinformatikwäre unvollständig, wenn es nicht Auskunft überdie wesentlichen Aspekte wissenschaftlicher Er-kenntnis in der Wirtschaftsinformatik gäbe. Nebendem schon dargelegten Selbstverständnis der Wirt-schaftsinformatik soll darüber hinaus ein Einblickin die Forschungsziele und Forschungsmethodengegeben werden (siehe insbesondere Braun, Hafnerund Wortmann, 2004).

Viele der hier anzusprechenden Punkte werdenSie sich vermutlich erst in einer späteren Studien-phase in Erinnerung rufen oder wenn Sie die eineoder andere zitierte Originalquelle zur Vertiefung zuRate ziehen. Dennoch ist es den Verfassern ein Anlie-gen, trotz oder wegen des einführenden Charaktersdes vorliegenden Buchs zur Wirtschaftsinformatikdiese Inhalte bereits sehr früh zu vermitteln.

Tabelle 1.4

Ziele der Wirtschaftsinformatik Quelle: Becker et al. 2001, S. 11

Erkenntnisziel Gestaltungsziel

Methodischer Auftrag Verständnis von Methoden und Techni-ken der Informationssystemgestaltung

Entwicklung von Methoden und Techni-ken der Informationssystemgestaltung

Inhaltlich-funktionaler Auftrag Verständnis von Informationssystemen und ihren Anwendungsbereichen

Bereitstellung von Informationssystem-Referenzmodellen für einzelne Betriebe und Branchen

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Forschungsziele in der Wirtschaftsinformatik

Aus dem dargestellten Selbstverständnis der Wirt-schaftsinformatik lassen sich in Bezug auf die Ob-jekte der Wirtschaftsinformatik (Informationssyste-me und deren Umfeld) vier Forschungszieleableiten (Becker et al., 2001, 2003, S. 11):

Erkenntnisziel: das Verstehen gegebener Sach-verhalte

Gestaltungsziel: Gestaltung bzw. Veränderungbestehender Sachverhalte

Methodischer Auftrag: Der methodische Auf-trag umfasst das Verstehen und Entwickeln vonMethoden und Techniken zur Beschreibung,Entwicklung, Einführung und Nutzung vonInformationssystemen

Inhaltlich-funktionaler Auftrag: Der inhaltlich-funktionale Auftrag beschäftigt sich mit demVerständnis und der Gestaltung von Informa-tionssystemen

Im Rahmen einer Delphi-Studie aus dem Jahr 1999wurden die zentralen Forschungsgegenstände derWirtschaftsinformatik der nächsten drei bzw. zehnJahre ermittelt, um im Wettbewerb mit den Nach-bardisziplinen Betriebswirtschaftslehre und Infor-matik bestehen zu können (Heinzl et al., 2003). InBezug auf die darauf folgenden zehn Jahre (1999–2009) wurden folgende fünf Forschungsziele derWirtschaftsinformatik priorisiert (Heinzl et al.,2003, S. 230):

1 Schaffung verbesserten Wissens über die Be-herrschung von Komplexität in Informations-und Kommunikationssystemen

2 über Netzmärkte und virtuelle Märkte

3 über Anwender-/Mensch-Maschine-Schnitt-stellen

4 über Informations- und Wissensmanagement

5 über die Architektur von Informations-systemen

Forschungsmethoden der Wirtschaftsinformatik

Wirtschaftsinformatiker verwenden, wie oben aus-geführt, Methoden und Werkzeuge aus den Real-,Formal- und Ingenieurwissenschaften und entwi-ckeln diese weiter. Bei der Auswahl und der Kom-bination der Methoden/Werkzeuge stehen nicht nurFragen der technischen Wirksamkeit, sondern ins-besondere auch ökonomische und soziale Aspekteim Vordergrund.

Tabelle 1.5 vermittelt einen Eindruck von derBreite der eingesetzten Forschungsmethoden in derWirtschaftsinformatik (vgl. ausführlicher die aktu-ellen Überblickdarstellungen auf ISWOLRD zuquantitativen (Straub, Gefen und Boudreau, 2004)und qualitativen (Myers, 1997) Forschungsmetho-den).

Die Wirtschaftsinformatik hat im internationalenwissenschaftlichen Umfeld in der nordamerikani-schen Disziplin Information Systems (IS) ihrGegenstück. Gemeinsam ist beiden Disziplinen derzentrale Untersuchungsgegenstand, nämlich dieBetrachtung von Informationssystemen im betrieb-lichen oder organisationalen Kontext (WKWI, 1994;King und Lyytinen, 2004). Beide Disziplinen unter-scheiden sich in den akzeptierten und angewende-ten Forschungsmethoden. So lässt sich eine Präfe-renz empirischer, behavioristischer Forschung inder nordamerikanischen IS konstatieren. Dortherrscht ein quantitativer empirischer Forschungs-ansatz vor. In der Wirtschaftsinformatik imdeutschsprachigen Bereich findet sich eine deutli-chere Betonung der konstruktiven Forschung.

1.2.3 Informationsmanagement

Informationssysteme (IS) sind der zentrale Gestal-tungsgegenstand des Informationsmanagement (IM).Neben einer technischen Effizienz sollen eine öko-nomische Wirksamkeit und eine soziale Akzeptanzaller Benutzer des technischen Systems angestrebtwerden (Gabriel und Beier 2002). Daher wird IM alsFührungsaufgabe mit anwender- und unternehmens-orientierter Koordinations- und Gestaltungsfunk-tion verstanden (Krcmar 2005).Informationsmanagement (IM) | Informations-

management (IM), wichtiges Teilgebiet der Wirtschafts-informatik und sowohl Management- als auch Technikdisziplin, hat das Ziel, im Hinblick auf die Unter-nehmensziele den bestmöglichen Einsatz der Ressource Information zu gewährleisten. Es umfasst das Manage-ment der Informationswirtschaft, der Informationssys-teme, der Informations- und Kommunikationstechniken sowie der übergreifenden Führungsaufgaben.

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1.2 Wirtschaftsinformatik

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Tabelle 1.5

Gegenstandsbereich und Ziel des IM

IM ist ein wichtiger Teilbereich der Wirtschafts-informatik, aber auch andere Disziplinen befassensich mit IM, so z.B. die Informationswissenschaft.Gegenstand des IM (Planen, Steuern, Überwachender Informationsinfrastruktur) ist das Managementder Informationswirtschaft, der Informationssys-teme und der Informations- und Kommunika-tionstechniken (Krcmar, 2005; Heinrich, 2002). IMumfasst dabei die Gesamtheit aller Führungsaufga-ben in einer Organisation bzw. einer Wirtschafts-einheit, bezogen auf deren computergestütztes bzw.computerunterstützbares Informations- und Kom-munikationssystem.

Ziel des IM ist es, im Hinblick auf die Unterneh-mensziele den bestmöglichen Einsatz der Ressour-ce Information zu gewährleisten (Krcmar, 2005).Mit anderen Worten: Ziele des IM lassen sich ausden Gesamtzielen der Unternehmung ableiten, diedas computergestützte IT-System der Unterneh-mung betreffen, wobei Sach-, Formal- und sonstigeZiele unterschieden und jeweils auf strategischerund operativer Ebene betrachtet werden können(Gabriel und Beier, 2002). Beispielsweise gilt alsoberstes Sachziel des IM, „das Leistungspotenzialder betrieblichen Informationsverarbeitung undKommunikation für die Erreichung der strategi-schen Unternehmensziele durch die Schaffung undAufrechterhaltung eines geeigneten computerge-

Ausgewählte Methoden der IS-Forschung Quelle: Hars 2003, S. 42, mit Ergänzungen

Forschungsmethode Beschreibung

Entwicklung und Test von Prototypen

Erstellung von Artefakten, um etwa Funktions- und Machbarkeitsnachweise zu liefern sowie Grad und Qualität von Benutzeranforderungen zu prüfen

Modellierung Überführung tatsächlicher oder gedachter Prozesse und Strukturen in eine formalisierte Form etwa als Grundlage für Dokumentation, Neuentwurf und Optimierung

Induktion Ableitung von allgemeinen Gesetzen und Theorien aus der Beobachtung empirischer Phänomene

Deduktion Ableitung von spezifischen Aussagen aus allgemeinen Gesetzen oder Theorien

Referenzmodelle Liefern Ausgangslösungen für eine Klasse zu modellierender Sachverhalte, z.B. projektspezifische Realisierungen

Laborexperiment Identifikation konkreter Beziehungen zwischen ausgewählten Variablen, durch eine konstruierte Laborsituation und mittels quantitativer, analytischer Techniken

Feldexperiment Übertragung von Laborexperimenten in Organisationen und/oder Gesellschaft

Umfragen, Interviews Aufnahme von Praktiken, Situationen oder Ansichten, um hieraus Erkenntnisse abzuleiten.

Fallstudien Beschreibung von Beziehungen, die in der Realität, üblicherweise in einer einzelnen Organisation oder in einer Organisationsgruppierung, existieren

Vorhersagen, Zukunftsforschung Anwendung von Techniken wie Regressionsanalyse, Zeitreihenanalyse oder Delphi-methode, um zukünftige Ereignisse zu extrapolieren

Simulation Abbildung von realen oder gedachten Systemen zur weiteren dynamischen Analyse seines Verhaltens unter alternativen Parametrisierungen

Action Research Angewandte Forschung mit dem Bestreben sowohl theoretisches Wissen als auch praxisrelevante Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit der Praxis herzuleiten.

Dokumentenanalyse Analyse und Aufbereitung von Texten

Grounded Theory Aufstellung einer Theorie basierend auf einem Kreislauf aus Beobachtungen, Reflexionen, Überprüfungen und Verfeinerungen

Ethnographie Langfristige Untersuchung einer Gruppe mittels Immersion

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stützten IuK-Systems in Unternehmenserfolg umzu-setzen“ (Heinrich, 1999). Indem die Informations-und Kommunikationsprozesse wirksam gestaltetwerden, insbesondere Entscheidungsträgern rele-vantes Wissen für Entscheidungen bereitgestelltwird, ohne sie mit Daten zu überfluten, soll dieWettbewerbsfähigkeit der Unternehmung verbes-sert werden (Gabriel und Beier, 2002).

Entsprechend umfasst IM Maßnahmen zur kon-textgerechten Bereitstellung von Informationen (imTeilgebiet Wissensmanagement auch von Wissen),vorwiegend in Unternehmen (zu einem Abgren-zungsversuch zwischen Informations- vs. Wissens-management vgl. Stelzer (2003)). Die jeweils benö-tigten Informationen und das benötigte Wissen zumrichtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, bei der richti-gen Person, in geeigneter Form aufbereitet bereit-zustellen ist Gegenstand der Informations- undWissenslogistik im IM.

Ausgewählte Wurzeln und Herausforderungen des IM

Als Motivation für IM können technische undbetriebswirtschaftliche Probleme gesehen werden.Zu den häufig zu beobachtenden problematischenEntwicklungen des Technikeinsatzes zählen: über-proportionale Steigerung der Kosten computerge-stützter Informationsverarbeitung und Kommunika-tion, mangelnder Überblick über das gesamteinformations- und kommunikationstechnische Un-terstützungspotenzial in der Unternehmung, hoheRessourcenbindung, Datensicherheits- und Daten-schutzprobleme, Heterogenität der bisherigen infor-mations- und kommunikationstechnischen Unter-stützung, organisatorische Auswirkungen durch diefortschreitende Prozessorientierung und Integrationsowie mangelhafte Qualifizierung des Personals. Alsinformationswirtschaftliche Probleme mit überwie-gend betriebswirtschaftlichem Charakter werdengenannt: Verständigungsschwierigkeiten, Kompe-tenzüberschneidungen, mangelndes Verständnis derUnternehmensleitung, veränderte Qualifikationsan-forderungen, Akzeptanzprobleme und Informations-überflutung (Streubel, 1996; weitere Faktoren beiHerget, 2004).

Zentrale Herausforderung an das IM ist dasManagement des Spannungsfelds der Gestaltungs-möglichkeiten zwischen technologisch Mach-barem, arbeitsorganisatorischen Anforderungen derMitarbeiter an Informationssysteme, der organisato-rischen Konfiguration selbst (Krcmar, 2005) sowieökonomischen Rahmenbedingungen.

Als Wurzeln des IM gelten (Herget, 2004):

1 der zunehmende Einsatz und die Verbreitungvon IT in Organisationen

2 das informationswissenschaftliche Verständ-nis des Management von Information

3 Information Resources Management (IRM) alsdie administrative Orientierung

4 Persönliches Informationsmanagement (PIM)(Nastansky, 1989) als Reaktion auf die zuneh-mende Digitalisierung der Arbeitsumgebung

Weil IRM für IM eine so wichtige Wurzel ist, seiIRM näher erläutert: Die aus dem Paperwork Redu-cation Act von 1980 resultierende Maßnahmenlistewurde zur Arbeitsdefinition eines IRM. Erstmalskam mit dem IRM auf, Information als eine betriebs-wirtschaftliche Ressource anzusehen (im IM sindweitere Ressourcen, z.B. Personal, Technologien,Anwendungen oder Daten), die durch planmäßigeBewirtschaftung entsprechend der gängigenManagementdefinition zur optimalen Ressourcen-allokation ausgeschöpft werden soll.

Ausgewählte Modelle und Konzeptionen

Es gibt vielfältige, sich ergänzende IM-Ansätze, diesich vorwiegend in ihrem Problemfokus unterschei-den. Beispielsweise versteht Heinrich (2002) alsVertreter eines leitungszentrierten Ansatzes IM alsLeitungshandeln (Management) in einem Unterneh-men in Bezug auf Information und Kommunikation.Ein Informationsmanager gestaltet also Führungs-aufgaben bezüglich der betrieblichen Informations-funktion. Jede Führungskraft sollte prüfen, ob Un-ternehmensziele durch Einsatz von IT bessererreicht werden können. Dabei geht es auf der stra-tegischen Ebene um die Informationsinfrastrukturals Ganzes, auf der administrativen Ebene um dieKomponenten der Informationsinfrastruktur undauf der operativen Ebene um die Bereitstellung undden Betrieb der Informationsinfrastruktur zur lau-fenden Informationsversorgung.

Wollnik (1988) hat ein Drei-Ebenen-Modell derInformationsinfrastruktur aufgestellt, das als Mini-malkonsens gilt und von etlichen Autoren aufge-griffen und erweitert wurde. Aus den Ebenen erge-ben sich von oben nach unten drei Teilbereiche desIM, nämlich Management des Informationseinsat-zes (IRM), Management der Informationssysteme(ISM) sowie Management der IK-technischen Infra-strukturen (ITM), aus denen sich wiederum siebenHandlungsbereiche ableiten.

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1.2 Wirtschaftsinformatik

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Teubner (Teubner, 2002; Teubner und Klein, 2002)hat dieses Modell zu einem Sichten- und Ebenen-modell erweitert, indem er die drei Ebenen vonWollnik vertikal anordnet, horizontal administrati-ve, operative, taktische, strategische und politischeBereiche unterscheidet und im politischen Bereichnormatives IM hinzufügt, das alle drei Ebenen vonWollnik umfasst.

Ebenfalls auf dem Wollnik-Modell beruht das Re-ferenzmodell von Krcmar (2005), welches horizontalvon oben nach unten Management der Informations-wirtschaft, Management der Informationssystemeund Management der IT unterscheidet und vertikalFührungsaufgaben des IM hinzufügt. Handlungs-objekt der Ebene Informationswirtschaft ist die Res-source Information. Gegenstand ist der Informa-tionseinsatz, wobei es um Entscheidungen überInformationsbedarf und dessen Deckung durch dasInformationsangebot geht und die Informationsver-wendung zu managen ist. Obwohl Krcmar Informa-tionssysteme als Elemente aufeinander abgestimm-ter Elemente personeller, organisatorischer undtechnischer Natur kennzeichnet, die der Deckungdes Informationsbedarfs dienen, sieht er als Hand-lungsobjekt der IS-Ebene die Anwendungen, wo-durch Kernaufgaben des IM auf der IS-Ebene dasManagement der Daten, der Prozesse und des An-wendungslebenszyklus sind. Die IS-Ebene stellt An-forderungen an die IT-Ebene, deren Gegenstand dieSpeicherung, Verarbeitung, Kommunikation sowieTechnikbündel sind. Zu den Führungsaufgaben zäh-len die Gestaltung der IT-Governance, die Bestim-mung der Strategie, das Management der IT-Prozes-se, des IT-Personals und das IT-Controlling imweiteren Sinn als Steuerung des IM.

Das Modell eines integrierten IM von Herget (2004)erweitert ebenfalls das Wollnik-Modell. Es bestehtaus sechs Elementen, davon horizontal Informations-infrastruktur, Informationssysteme und -dienste,Informationspotenziale, Ziele und Strategien derOrganisation und vertikal Informationscontrollingund Informationsverhalten.

Das Vier-Säulen-Modell von Seibt (1993, 2003) be-inhaltet das Management der Netze und Rechnerres-sourcen, das Management der System-Lebens-zyklen, das Management der Informations- undWissensversorgung sowie das Management der Er-folgssteigerung und Potenzialvergrößerung durch IT.

Informationsorientierung als Schlüssel zum Ge-schäftserfolg (Marchand, Kettinger und Rollins,2001) ist kompatibel mit einer eher informationswirt-schaftlichen Sichtweise. Erfolgreiches IM bedeuteteinen hohen Reifegrad eines Unternehmens bezüg-lich des strategischen Abgleichs zwischen IT- und

Geschäftsstrategie (Strategic Alignment Maturity,Luftman 2004).Während z.B. Teubner und Klein (2002), die auchdie Konzeptionen von Krcmar und Heinrich ver-gleichen, zu einer eher kritischen Bewertung desStands gelangen, schließt Seibt (2003) aus seinemVergleich von sechs IM-Konzeptionen, dass es zwi-schen diesen Konzeptionen keine Widersprüchegibt, sondern nur unterschiedliche Schwerpunkte,da unterschiedliche Ziele erreicht werden sollen(Seibt, 2003). Seibt verglich dabei den Ansatz vonLundeberg, Heinrich, Wollnik, sein eigenes Vier-Säulen-Konzept des IM, den Ansatz von Krcmarund den integrierten Ansatz von Laudon und Lau-don (2005) zur Beschreibung und Analyse von In-formationssystemen. Ein Beispiel für einen weite-ren Blickwinkel ist geschäftsprozessorientiertes IM.

Im Sinn strategischer Informationssysteme (z.B.Galliers und Leidner, 2003) ist wesentlich, was dieIM-Ansätze zusammen dazu beitragen können, Un-ternehmen dabei zu helfen, durch den strategi-schen Einsatz von Information und Informations-systemen (die oberen beiden Ebenen im Modell vonWollnik) nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaf-fen. Im IM dominierte längere Zeit eine technikzen-trierte Sicht (also die unterste Ebene nach Wollnik);diese tritt in neueren Arbeiten eher zugunsten deroberen Ebenen zurück. Im Lauf der Entwicklungdes IM hat sich in der wissenschaftlichen Diskussi-on die Perspektive hin zu einem breiten Spektrumtechnischer Medien verändert, zu Information alsRessource, zu unternehmensweiter Informations-verarbeitung mit allen Interdependenzen, zur Sys-tematisierung und stärkeren Methodenorientie-rung und hin zu strategischen Aufgaben.

Beispiele für IM-Aspekte in diesem Buch

In diesem Buch werden ausgewählte Aspekte desInformationsmanagements behandelt. Dazu zählengemäß der Rahmenempfehlung für die Universitäts-ausbildung in Wirtschaftsinformatik (WKWI, 2003,374) u.a.:

unternehmensinterne und -übergreifende Inte-gration (Kapitel 2 und 9)

strategischer Nutzen von Information (Kapitel 3)

Datenschutz (Kapitel 5)

Aspekte der IT-Infrastruktur (Kapitel 6)

Wissensmanagement (Kapitel 10)

Modelle, Methoden und Werkzeuge zur Gestal-tung von IS-Architekturen (Kapitel 12)

Kosten-Nutzen-Betrachtung von IS (Kapitel 13)

Sicherheit in der Informationsverarbeitung(Kapitel 14)

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1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme 1.3Manager sind gefordert, sich mit Informationssyste-men auseinander zu setzen, weil diese in gegenwär-tigen Unternehmen eine bedeutende Rolle spielen.Die heutigen Systeme wirken sich unmittelbar dar-auf aus, wie Manager entscheiden, planen und ihreMitarbeiter führen. Sie nehmen zunehmenden Ein-fluss darauf, welche Produkte wo wann und wieerzeugt werden. Die Verantwortung für Systemesollte daher nicht ausschließlich an technisch ori-entierte Entscheidungsträger delegiert werden.

1.3.1 Der sich erweiternde Einflussbereich von Informationssystemen

Abbildung 1.10 veranschaulicht die neue Bezie-hung zwischen Unternehmen und Anwendungssys-temen. Es besteht eine wachsende wechselseitigeAbhängigkeit zwischen der Unternehmensstrategie,der Organisationsstruktur und den Geschäftsprozes-sen einerseits und der Software, Hardware, den Da-tenbanken und Telekommunikationseinrichtungender Informationssysteme andererseits. Eine Ände-rung einer dieser Komponenten erfordert häufigÄnderungen an anderen Komponenten. Diese Be-ziehung beeinflusst die langfristige Planung maß-geblich. Was ein Unternehmen in fünf Jahren tunmöchte, hängt häufig davon ab, was seine Informa-tionssysteme dann leisten können. Die Erhöhungdes Marktanteils, die Entwicklung zum Qualitäts-oder zum Billigproduzenten, die Entwicklung neuerProdukte und die Steigerung der Mitarbeiterproduk-tivität hängt zunehmend von der Art und der Quali-tät der Informationssysteme des Unternehmens ab.

Unternehmensstrategie | Eine Vision, in welche Rich-tung sich das Unternehmen bewegt und wie es dort hin-kommen kann.

Abbildung 1.10: Die wechselseitige Abhängigkeit von Unternehmen und AnwendungssystemenIn gegenwärtigen Informationssystemen ist eine wachsende Verflechtung zwischen Unternehmensstrategie, Organisationsstruktur und Geschäfts-prozessen des Unternehmens und den Anwendungssystemen des Unternehmens feststellbar. Änderungen der Strategie, Organisation undGeschäftsprozesse erfordern immer häufiger Änderungen an Anwendungssystemen (d.h. Hardware, Software, Datenbanken und Tele-kommunikationseinrichtungen). Vorhandene Systeme können Unternehmen einschränken. Häufig hängt das, was das Unternehmen gern tun würde,von dem ab, was seine Informationssysteme zulassen.

Unternehmen Anwendungssysteme

WechselseitigeAbhängigkeit

Software Datenbank

Hardware

Tele-kommuni-

kation

Unternehmens-strategie

Organisations-struktur

Geschäfts-prozesse

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1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme

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Eine zweite Änderung in der Beziehung zwischenInformationssystemen und Unternehmen resultiertaus dem wachsenden Einfluss und der Komplexitätvon Software-Entwicklungsprojekten und Anwen-dungssystemen. Heute ist ein viel größerer Teil desUnternehmens an Aufbau, Verwaltung und Verän-derung der Systeme beteiligt, als dies in der Vergan-genheit der Fall war. Da sich Unternehmen immermehr zu „vernetzten Unternehmen“ entwickeln,werden Kunden, Lieferanten und sogar Konkurren-ten in das System mit einbezogen (siehe Abbildung1.11). Bei früheren Systemen waren bei techni-schen Änderungen meist nur einige wenige davonim Unternehmen betroffen. Änderungen an heuti-gen Systemen verändern dagegen, wer über wen,wann und wie oft welche Informationen erhält undwelche Produkte und Dienstleistungen unter wel-chen Bedingungen von wem produziert werden.Durch die Entwicklung von Unternehmen hin zurOrganisationsform eines vernetzten Unternehmenswerden fast alle Führungskräfte und Mitarbeiterder Firma (sowie die Kunden und Lieferanten) inverschiedene Unternehmenssysteme eingebunden,die durch ein elektronisches Informationsnetz mit-einander kommunizieren. Beispielsweise kann dieEingabe eines Kunden auf der Website eines Unter-nehmens einen Mitarbeiter dazu veranlassen, soforteinen Preis festzulegen oder die Lieferanten aufpotenzielle Fehlbestände hinzuweisen.

1.3.2 Die Netzwerkrevolution und das Internet

Ein Grund dafür, warum Informationssysteme in Un-ternehmen eine so große Rolle spielen und so vieleMenschen betreffen, besteht in der rasend schnell

wachsenden Leistungsstärke und den schnell sin-kenden Kosten der Computertechnik. Durch die hö-here Rechenleistung, die sich etwa alle anderthalbJahre verdoppelt, hat sich die Leistungsfähigkeit vonMikroprozessoren seit ihrer Erfindung vor über30 Jahren um mehr als das 25.000fache verbessert.

Die bemerkenswert schnell wachsende Leis-tungsstärke der Computertechnik hat zur Entwick-lung und Verbreitung von Kommunikationsnetzengeführt, die Unternehmen verwenden können, umweltweit auf riesige Informationsspeicher zuzugrei-fen und Aktivitäten räumlich und zeitlich zu koor-dinieren.

Das Internet ist das größte und meistverwendeteNetzwerk der Welt. Es gibt kaum noch Menschen,die in der Wissenschaft, im Bildungssektor, im öf-fentlichen Dienst und in der Wirtschaft tätig sind,ohne das Internet zum weltweiten Informationsaus-tausch oder zur Abwicklung von Geschäftstransak-tionen mit anderen Unternehmen zu nutzen. Durchdie dezentrale Struktur des Internet bleibt es auchdann in Betrieb, wenn Teilnetzwerke (Subnetze)hinzugefügt oder entfernt werden oder wenn Teiledes Netzes ausfallen.

Das Internet schafft eine neue „universelle“ Kom-munikationsplattform, die zum Aufbau aller mögli-chen Arten von neuen Produkten, Dienstleistun-gen, Strategien und Unternehmen beitragen kann.

Internet | Internationales Netz von Netzwerken, das aus Millionen von privaten und öffentlichen Netzwerken besteht. Elektronische Informationen können nahezu kostenlos weltweit verteilt werden.

Abbildung 1.11: Der sich erweiternde Einflussbereich von InformationssystemenIm Laufe der Zeit haben Informationssysteme in Unternehmen immer stärker an Bedeutung gewonnen. Frühe Systeme verursachten v.a. technischeÄnderungen, die relativ einfach durchzuführen waren. Später beeinflussten Systeme die Steuerungsmöglichkeiten und das Verhalten der Führungs-kräfte und dann die Kernaktivitäten der Unternehmen. Bei den heutigen vernetzten Unternehmen reicht der Einflussbereich von Informationssyste-men weit über die Unternehmensgrenzen hinaus und umfasst Lieferanten, Kunden und sogar Wettbewerber.

TechnischeÄnderungen

Informations-system

Steuerungs-möglichkeiten

von Führungskräften

Informations-system

Kernaktivitätendes Unternehmens

Informations-system

Lieferanten, Kunden außerhalb desUnternehmens

Zeit 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2005

Infor- mations-system

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Es verändert die Art und Weise, in der Informa-tionssysteme in der Wirtschaft und im täglichenLeben verwendet werden. Da es viele technische,geografische und finanzielle Grenzen überwindet,die den globalen Informationsaustausch behindern,bietet das Internet das Potenzial, neue Anwendun-gen für Informationssysteme und neue Geschäfts-modelle zu entwickeln.

Weil das Word Wide Web so viele Geschäftsmög-lichkeiten bietet, ist es für Unternehmen und Mana-ger von besonderem Interesse. Das World Wide Web(WWW oder kurz Web) ist ein System auf derGrundlage weltweit akzeptierter Standards für dasKommunizieren, Speichern, Abrufen, Formatierenund Anzeigen von Daten in einer vernetzten Umge-bung. Informationen werden in Form von „Seiten“gespeichert und können, unabhängig von ihrerSpeicherposition, mit jeder Art von Computer an-gezeigt werden.

In den Kapiteln 4 und 8 beschreiben wir dasWorld Wide Web und andere Internetfunktioneneingehender. Wir erörtern auch die relevantenFunktionen der Internettechnik in diesem Buch,weil diese viele Aspekte von Informationssystemenin Unternehmen beeinflussen.

1.3.3 Neue Freiheitsgrade des Organisationsentwurfs: das vernetzte, kooperierende Unternehmen

Der exponentielle Zuwachs in den letzten Dekadenan Rechenleistung und Netzwerkknoten, und insbe-sondere die Größe des Internet, verwandelt Firmenin vernetzte Unternehmen und ermöglicht es ihnen,Informationen sofort innerhalb und über die Unter-nehmensgrenzen hinaus zu verteilen. Unternehmenkönnen diese Informationen nutzen, um ihre inter-nen Geschäftsprozesse zu optimieren und diese Ge-schäftsprozesse mit denen anderer Unternehmen zukoordinieren. Durch die neue Technik, die die Kom-munikation und Zusammenarbeit fördert, lassensich Unternehmen neu gestalten. Dabei werden ihreStruktur, Tätigkeitsbereiche, Berichts- und Steue-rungsmechanismen, Geschäftsprozesse, Arbeits-abläufe, Produkte und Dienstleistungen verändert.

Wir bezeichnen Unternehmen, die diese Wandlungmittels Investition in IT und ihrer ergänzenden Ver-mögenswerte (siehe oben) vollziehen oder schonerreicht haben, als vernetzte Unternehmen.

Flachere Organisationshierarchien und veränderte Managementaktivitäten

Große, bürokratische Unternehmen, die sich primärvor dem Computerzeitalter entwickelten, sind häu-fig ineffizient, schwer zu verändern und wenigerwettbewerbsfähig als neu gegründete und strukturellanders ausgelegte Unternehmen. Einige dieser gro-ßen Unternehmen haben sich verkleinert und hierzudie Mitarbeiterzahl und die Anzahl der Ebenen ihrerOrganisationshierarchie verringert. Als beispiels-weise die Firma Eastman Chemical Co. 1994 vonKodak abgespaltet wurde, hatte sie 24.000 Vollzeit-mitarbeiter und erzielte einen Ertrag von 3,3 Milliar-den USD. 2002 erreichte sie mit nur 15.800 Mitar-beitern einen Ertrag von 5,3 Milliarden USD.

Hierarchie- und Organisationsebenen sind auchin vernetzten Unternehmen vorhanden. Allerdingsentwickeln vernetzte Unternehmen „optimale Hier-archien“, in denen die Entscheidungsbefugnisse in-nerhalb des Unternehmens ausgewogen verteiltsind und dadurch flachere Organisationsstrukturenergeben. Flachere Organisationsstrukturen besit-zen weniger Managementebenen, wobei Mitarbeiterauf unteren Hierarchieebenen umfassendere Ent-scheidungsbefugnisse erhalten (siehe Abbildung1.12). Diese Mitarbeiter können mehr Entscheidun-gen als in der Vergangenheit treffen, ihre Arbeits-zeit ist flexibel und sie müssen nicht unbedingt imBüro arbeiten. Zudem können die Mitarbeiter geo-grafisch verstreut sein und u.U. räumlich sehr weitvon ihrem Vorgesetzten entfernt arbeiten.

Diese Änderungen bedeuten, dass sich auch dieReichweite der Managementkontrolle vergrößerthat. Manager der oberen Ebenen führen nun mehrMitarbeiter, die über weitere Entfernungen verteiltsind. Viele Unternehmen haben infolge dieserÄnderungen Tausende von mittleren Management-positionen eliminiert (z.B. AT&T, IBM und GM).

Der Einsatz moderner IT führt auch zur Neudefi-nition von Managementaktivitäten, da er funktionalmächtige Werkzeuge zur Planung, Vorhersage undÜberwachung bereitstellt. Beispielsweise ist es jetztmöglich, dass Manager jederzeit und von nahezujedem Standort innerhalb des Unternehmens ausInformationen zur Unternehmensleistung erhalten,die bis zur Ebene einzelner Transaktionen aufge-schlüsselt werden können. Produktmanager bei-

World Wide Web | Ein System mit weltweit akzeptier-ten Standards für das Kommunizieren, Speichern, Abru-fen, Formatieren und Anzeigen von Daten (Webseiten) in einer vernetzten Umgebung.

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1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme

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spielsweise bei der Frito-Lay Corporation, demweltweit größten Hersteller von salzigem Knabber-gebäck, können innerhalb von Stunden präzise er-mitteln, wie viele Packungen Fritos in einer beliebi-gen Straße in den USA in den Läden seiner Kundenverkauft wurden. Ebenso können der erzielte Um-satz, das Umsatzvolumen und die Preise der Wett-bewerber ermittelt werden.

Trennung von Arbeit und Standort

Dank der Kommunikationstechnik spielt bei vielenTätigkeiten die Entfernung keine Rolle mehr. Ver-triebsmitarbeiter können mehr Zeit im Außendienstmit Kunden verbringen und verfügen über aktuelleInformationen, während sie gleichzeitig weniger Pa-pierunterlagen mitnehmen müssen. Viele Mitarbei-ter können von zu Hause oder ihrem Fahrzeug ausarbeiten. Unternehmen benötigen für Treffen mitKunden oder anderen Mitarbeitern lediglich ver-gleichsweise kleine Räume in ihren Niederlassun-gen. Teamarbeit über Tausende von Kilometern hin-weg ist üblich. Designer können an der Entwicklungeines neuen Produkts auch dann zusammenarbei-ten, wenn sie sich auf verschiedenen Kontinentenbefinden. Lockheed Martin Aeronautics hat ein aufInternettechnik basierendes Echtzeitsystem für kol-laborative Produktentwicklung und -design entwi-ckelt, mit dem die Aufgabenverteilung mit Partner-

firmen (wie BAE und Northrup Grumman)abgestimmt wird. Ingenieure aller drei Firmen bear-beiten über das Internet gemeinsam Entwürfe. Frü-her arbeiteten das Unternehmen und seine Partneran den Entwürfen getrennt und mussten in langwie-rigen persönlichen Sitzungen Unterschiede ausar-beiten. Eine Zeichnung, für deren Erstellung früher400 Stunden benötigt wurden, kann jetzt in 125Stunden angefertigt werden, und die Entwurfsphasevon Projekten wurde um die Hälfte verkürzt (Koni-cki, 2001; Lockheed Martin, 2003).

Umstrukturierung von Arbeitsabläufen

Informationssysteme ersetzen zunehmend manuel-le Arbeitsverfahren durch automatisierte Arbeits-verfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsprozesse.Durch elektronische Arbeitsabläufe, die Papier unddie zugehörigen manuellen Tätigkeiten überflüssigmachen, wurden die Betriebskosten in vielen Fir-men gesenkt. Durch eine verbesserte Verwaltungder Arbeitsabläufe konnten viele Unternehmennicht nur die Kosten beträchtlich reduzieren, son-dern gleichzeitig auch den Kundenservice verbes-sern. Versicherungsunternehmen können beispiels-weise die Bearbeitungszeit von Anträgen für neueVersicherungsverträge von Wochen auf Tage verrin-gern (siehe Abbildung 1.13).

Abbildung 1.12: Verflachung von OrganisationsstrukturenInformationssysteme können zu einer Reduzierung der Anzahl von Hierarchieebenen in einer Organisation beitragen, indem sie Managern Infor-mationen zur Führung einer größeren Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung stellen und Mitarbeiter unterer Ebenen mit umfangreicheren Ent-scheidungsbefugnissen ausstatten.

Eine traditionelle hierarchische Organisation mit vielen Managementebenen

Eine verflachte Organisation, aus der Managementebenen entfernt wurden

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Die Umstrukturierung von Arbeitsabläufen kann sichin erheblichem Maß auf die Effizienz des Unterneh-mens auswirken und sogar zu neuen Organisations-strukturen, Produkten und Dienstleistungen führen.Wir besprechen die Auswirkungen der Umstruktu-rierung von Arbeitsabläufen in den Kapiteln 3 und12 eingehender.

Zunehmende Flexibilität der Unternehmen

Unternehmen können ihre Organisation mit Hilfevon Kommunikationstechnik flexibler gestalten undsind dadurch besser in der Lage, Änderungen imMarkt wahrzunehmen, darauf zu reagieren undneue Chancen zu nutzen. Informationssysteme kön-nen auch sehr kleinen oder sehr großen Unterneh-

men mehr Flexibilität bieten, da sie mit Hilfe dieserSysteme durch ihre Größe bedingte Einschränkun-gen überwinden können. Tabelle 1.6 beschreibt ei-nige Ansatzpunkte, wie IT kleinen Unternehmenhelfen kann, Vorteile zu nutzen, die sonst großenUnternehmen vorbehalten sind. Andererseits kön-nen sich große Unternehmen die Vorteile kleinererUnternehmen zu Eigen machen. Mit Hilfe von Infor-mationssystemen können kleine Unternehmen Auf-gaben mit hohem Koordinationsaufwand und vielenBeteiligten wie z.B. die Bearbeitung von Kosten-voranschlägen, die Lagerbestandsverwaltung oderFertigungsaufgaben, mit nur wenigen Führungs-kräften, Sachbearbeitern oder Mitarbeitern im Pro-duktionsbereich erledigen.

Tabelle 1.6

Wie Informationssysteme die Flexibilität von Unternehmen steigern können

Kleine Unternehmen

Mit Arbeitsplatzrechnern, kostengünstiger CAD-Software (CAD = Computer-Aided Design) und computergesteuerten Maschinen kann die Genauigkeit, Geschwindigkeit und Qualität großer Hersteller erreicht werden.

Durch den sofortigen Informationszugriff über Telefon und Netzwerke werden Mitarbeiter zur Informationsbeschaffung bzw. unternehmenseigene Bibliotheken überflüssig.

Führungskräfte können sich mühelos die Informationen beschaffen, die sie benötigen, um eine große Anzahl von Mitarbeitern, die an weit verstreuten Standorten tätig sind, führen zu können.

Große Unternehmen

Durch individuelle Fertigungssysteme können große Fabriken maßgeschneiderte Produkte in kleinen Stückzahlen anbieten.

Umfangreiche Datenbanken mit Kundenbestelldaten können analysiert werden, so dass große Unternehmen die Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Kunden so einfach wie der Händler vor Ort in Erfahrung bringen können.

Informationen können innerhalb des Unternehmens einfach verteilt werden, um Mitarbeiter und Arbeitsgruppen unterer Ebenen in die Lage zu versetzen, Probleme zu lösen.

Abbildung 1.13: Beispiel eines umstrukturierten Arbeitsablaufs für den Abschluss von VersicherungsverträgenEin Antrag, dessen Bearbeitung mit „Papier und Bleistift“ 33 Tage dauerte, kann mit Hilfe von Informationssystemen und einem optimiertenArbeitsablauf in fünf Tagen bearbeitet werden.

Bearbeitung eines Versicherungsantrags auf Papier

11 Bearbeitungsschritte für Sachbearbeiter 6 Bearbeitungsschritte für Spezialisten

3 Bearbeitungsschrittefür Sachbearbeiter

4 Bearbeitungsschrittefür Spezialisten

+ = 33 Tage

= 5 Tage+

Elektronische Bearbeitung eines Versicherungsantrags: Neuer optimierter Arbeitsablauf

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1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme

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Große Unternehmen können mit Hilfe von IT genau-so flexibel und schnell reagieren wie kleine Unter-nehmen. Ein Beispiel ist die Massenfertigung kunden-individueller Produkte (mass customization), also dieFähigkeit, individuell zugeschnittene Produkte oderDienstleistungen mit Hilfe derselben Ressourcen,die zur Massenfertigung eingesetzt werden, anzubie-ten. Informationssysteme können den Produk-tionsprozess flexibler gestalten, so dass Produkte aufdie speziellen Anforderungen einzelner Kunden zu-geschnitten werden können. Mit Hilfe von Softwareund Computernetzwerken wird die Fertigungsabtei-lung eng mit Bestellannahme, Entwurfsabteilungund Einkauf verknüpft und die Produktionsmaschi-nen werden präzise gesteuert. Dadurch können Pro-dukte in vielfältigeren Ausführungen gefertigt undmühelos angepasst werden, ohne dass die Fertigunggeringer Stückzahlen zusätzliche Kosten verur-sacht. Beispielsweise können die Kunden auf derWebsite von Lands’ End nach ihren eigenen Anga-ben maßgeschneiderte Jeans, Stoffhosen und Hem-den bestellen (siehe Abbildung 1.14). Der Kundeträgt seine Maße in ein Formular auf der Websiteein, von wo die Kundenspezifikation über ein Netz-werk an einen Computer übertragen wird, der einelektronisches Schnittmuster für diesen Kunden an-fertigt. Die einzelnen Schnittmuster werden dannelektronisch an eine Produktionsstätte übertragen,wo sie zur Steuerung von Stoffschneidegeräteneingesetzt werden (Ives und Piccoli, 2003). Dieser

Prozess ist kaum mit zusätzlichen Kosten verbun-den, weil er keine zusätzliche Lagerhaltung, keineProduktionsüberhänge oder Lagerbestände erfordert.Für den Kunden sind die Kosten nur geringfügighöher als für ein in Massenproduktion gefertigtesKleidungsstück.

Ein verwandter Trend der zunehmend individu-ell auflösenden Leistungserstellung findet sich imBereich kommunikationspolitischer Maßnahmen.Mit Begriffen wie „Mikromarketing“ oder „One-to-one-Marketing“ werden Konzepte beschrieben, beiwelchen Informationssysteme Unternehmen dabeiunterstützen können, winzige Zielmärkte (imGrenzfall entspricht ein Marktsegment genau einerindividuellen Person) für diese maßgeschneidertenProdukte und Dienstleistungen ausfindig zu ma-chen, respektive mit ihnen kundenindividuell zukommunizieren. Wir gehen in den Kapiteln 2, 3und 11 detaillierter auf das Mikromarketing ein.

Massenfertigung kundenindividueller Produkte (mass customization) | Die Fähigkeit, individuell zuge-schnittene Produkte oder Dienstleistungen mit Hilfe von Mitteln der Massenfertigung anzubieten.

Abbildung 1.14: Bestellung von kundenindividuellen Produkten mit Hilfe der Website von Lands’ EndBesucher der Website von Lands’ End können ihre Maße eingeben und Hosen, Jeans und Hemden einzeln nach Maß anfertigen und sich liefern las-sen, wobei sie nur wenig mehr zahlen als für Konfektionsware. Informationssysteme ermöglichen die Massenfertigung kundenindividueller Produk-te, indem individuelle Bestelldaten (inkl. Größe und Maße) zur Steuerung der Produktionsmaschinen verwendet werden.

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Neudefinition der Unternehmensgrenzen: neue Formen der Zusammenarbeit

Ein wichtiges Merkmal der vernetzten Unternehmenbesteht in der Fähigkeit, Geschäfte über Unterneh-mensgrenzen hinweg ebenso effizient und effektivabzuwickeln wie innerhalb des Unternehmens. Ver-netzte Informationssysteme helfen Unternehmen,sich über große Entfernungen hinweg mit anderenUnternehmen zu koordinieren. Transaktionen, wiez.B. Zahlungen und Einkaufsanmeldungen, könnenauf elektronischem Weg zwischen verschiedenenUnternehmen ausgetauscht werden. Dadurch wer-den die Kosten für externe Produkte und Dienst-leistungen geringer. Unternehmen können überNetzwerke auch Geschäftsdaten, Kataloge und elek-tronische Post (E-Mail) gemeinsam nutzen. Diesevernetzten Informationssysteme können die Wirt-schaftlichkeit beeinflussen, die Beziehungen zwi-schen Unternehmen und Kunden bzw. Lieferantengrundlegend verändern und dadurch zur Neudefini-tion der Unternehmensgrenzen beitragen.

In der einführenden Fallstudie wurde beschrie-ben, wie die Einzelhandelskette J.C. Penney mitihrem Lieferanten für Hemden der Marke Penney,der Firma TAL Apparel Ltd. in Hongkong, vernetztist. Über diese elektronische Verbindung überwachtTAL den Lagerbestand von J.C Penney und liefertHemden genau dann, wenn sie gebraucht werden.Penney und TAL sind folglich zu verbundenen Ge-schäftspartnern mit gemeinsamen Verantwortlich-keiten geworden.

Das Informationssystem, das J.C. Penney mit TALApparel Ltd. vernetzt, wird als unternehmensüber-greifendes Informationssystem bezeichnet. Syste-me, die ein Unternehmen mit seinen Kunden, Dis-tributoren oder Lieferanten verbinden, werdenunternehmensübergreifende Informationssysteme ge-nannt, weil sie den Informationsfluss über Unter-nehmensgrenzen hinweg automatisieren.

Vernetzte Unternehmen verwenden unternehmens-übergreifende Informationssysteme, um Verbindun-gen mit Lieferanten, Kunden und gelegentlich sogarWettbewerbern herzustellen, um neue Produkteund Dienstleistungen zu entwickeln und zu vertrei-ben, ohne durch traditionelle organisatorischeGrenzen oder physische Standorte eingeschränktzu sein. Beispielsweise werden die Netzwerkpro-dukte, welche die Firma Cisco Systems verkauft,nicht von Cisco produziert. Sie hat die Fertigung anandere Firmen, z.B. Flextronics, abgegeben und be-nutzt das Internet, um Bestellungen an Flextronicszu übertragen sowie die Bearbeitung der Bestellun-gen zu überwachen. Viele dieser unternehmens-übergreifenden Systeme basieren immer stärker aufInternettechnik. Dadurch können Wissen, Ressour-cen und Geschäftsprozesse stärker als in derVergangenheit gemeinsam genutzt werden. Firmenbenutzen diese Systeme, um mit Lieferanten undanderen Geschäftspartnern beim Entwurf und derEntwicklung von Produkten sowie der Terminie-rung und den Arbeitsabläufen der Fertigung, Be-schaffung und Distribution zusammenzuarbeiten.Diese neuen Dimensionen unternehmensübergrei-fender Zusammenarbeit und Koordination könnenzu einer höheren Wirtschaftlichkeit, zu einemgrößeren Wert für den Kunden und schließlich zueinem bedeutenden Wettbewerbsvorteil führen.

1.3.4 Vernetzte Unternehmen: E-Commerce, E-Business

Die gerade beschriebenen Änderungen stellen neueWege dar, innerhalb und außerhalb des Unterneh-mens Geschäftsprozesse auf elektronischem Wegauszuführen, die schließlich in der Schaffung einesvernetzten Unternehmens resultieren können. DasInternet stellt zunehmend die zugrunde liegendeTechnik für diese Änderungen bereit. Das Internetkann Tausende von Unternehmen in einem einzigenNetzwerk verknüpfen und dadurch die Grundlagefür einen riesigen digitalen Markt schaffen. Ein digi-taler Markt ist ein Informationssystem, das viele Käu-fer und Verkäufer zum Zweck des Austauschs vonInformationen, Produkten, Dienstleistungen undZahlungen miteinander verbindet. Mit Hilfe vonComputern und Netzwerken fungieren diese Syste-me wie elektronische Vermittler, wobei die Kostenfür typische Markttransaktionen wie das Zusammen-führen von passenden Käufern und Verkäufern, dieFestlegung der Preise, die Bestellung der Waren unddie Zahlung von Rechnungen geringer sind (Bakos,1998). Käufer und Verkäufer können, ungeachtetihres Standorts, Kauf- und Verkaufstransaktionenauf elektronischem Weg abwickeln.

Unternehmensübergreifende Systeme |Informationssysteme, die den Informationsfluss über Unternehmensgrenzen hinweg automatisieren und ein Unternehmen mit seinen Kunden, Distributoren oder Lieferanten verbinden.

Digitaler Markt | Ein Markt, der durch Informations-systeme erzeugt wird und viele Käufer und Verkäufer miteinander verbindet.

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Page 37: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme

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Eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen wer-den weltweit über den globalen Marktplatz Internetbeworben, gekauft und getauscht. Unternehmenhaben im World Wide Web elektronische Broschü-ren, Anzeigen, Handbücher zu Produkten sowie Be-stellformulare erstellt. Alle möglichen Arten vonProdukten und Dienstleistungen sind im WWWverfügbar, einschließlich Schnittblumen, Bücher,Immobilien, Musikclips und CDs, Elektronik undSteaks. Der elektronische Handel mit Aktien, Anla-

gefonds und anderen Finanzinstrumenten hat Ein-zug in das WWW gehalten. Obwohl viele frühe Ein-zelhandels-Websites nicht überlebt haben, hat sichder E-Commerce-Handel für eine Reihe von Unter-nehmen als profitabel erwiesen. E-Commerce istein wichtiger Wertschöpfungsfaktor. Im Abschnitt„Blickpunkt Organisation“ wird beschrieben, wieeine brasilianische Handelskette ein erfolgreichesE-Commerce-Geschäft aufbaute.

Abbildung 1.15: Die Website von Lojas Americanas SALojas Americanas SA, eine große brasilianische Schnäppchenladenkette, entwickelte durch den Verkauf von Elektronik und Computern sowie preis-werten Artikeln über das World Wide Web ein erfolgreiches neues Online-Geschäft. Das Internet fördert das Wachstum des E-Commerce-Sektors.

Blickpunkt Organisation

Ein brasilianischer Schnäppchenladen wird zumE-Commerce-Erfolg Brasilien besitzt die neuntgrößteVolkswirtschaft der Welt und die größte Anzahl von Inter-netbenutzern in Lateinamerika. Es gibt dort so enormeUnterschiede in der Höhe der Einkommen und der Einkom-mensverteilung, dass nur ein kleiner Teil der 170 MillionenEinwohner über die Ressourcen verfügt, online zu gehen.Etwa 17 Prozent der Bevölkerung haben ein Einkommen,das an oder unter der Armutsgrenze liegt, und nur 7,5 Pro-zent der Bevölkerung besitzen einen PC. Nur 15 MillionenBrasilianer haben ein Benutzerkonto bei einem Internet-Provider und nur 2 Millionen haben versucht, online einzu-kaufen. In Anbetracht der Tatsache, dass kaum Einkommenfür den privaten Konsum verfügbar ist und dass in BrasilienKreditkarten wenig verbreitet sind, ist es nicht weiter über-raschend, dass die Höhe der durch E-Commerce erzieltenUmsatzerlöse recht gering ist.

Dies sind kaum erfolgversprechende Aussichten, aber der größ-ten Schnäppchenladenkette Brasiliens ist es gelungen, eineflorierende E-Commerce-Website aufzubauen und sogar Ge-winne zu erwirtschaften. Lojas Americanas SA ist eine 74 Jahrealte Discount-Kette nach dem Vorbild von Woolworth. 1999versuchte das Unternehmen, sich zu reorganisieren, um das Ge-schäft zu beleben, und suchte nach Expansionsmöglichkeiten.

Die Geschäftsführung beschloss, 7 Millionen USD in dieEinrichtung einer Online-Erweiterung seiner physischen Ein-zelhandelsgeschäfte namens Americanas.com zu investieren.Die ersten Produkte, die man über die Website von America-nas.com online zu verkaufen versuchte, waren Spielwaren,Kosmetik und CDs (siehe Abbildung 1.15). Danach begannman, Elektronik, Haushaltsgeräte und Computer online anzu-bieten, also hochpreisige Artikel, die in den Einzelhandels-geschäften von Lojas Americanas nicht auf Lager gehaltenwurden und die niemals zuvor in Brasilien über das Internetverkauft worden waren.

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Das Internet wird zunehmend auch für Transaktio-nen zwischen Unternehmen benutzt. Beispielsweisekönnen Luftfahrtgesellschaften auf die Website derBoeing Corporation zugreifen, um auf elektro-nischem Weg Teile zu bestellen und den Bear-beitungsstand ihrer Bestellungen zu überprüfen.Pantellos.com ist ein Online-Marktplatz für Versor-gungsunternehmen, der vielen verschiedenen An-bietern und Käufern Tag und Nacht jederzeit zurVerfügung steht. Die Website bietet Funktionen fürdie automatisierte Katalogsuche, für Preisverglei-che, Anträge für Versorgungsleistungen und Versor-gungsverträge, Bestellungen, Änderungsmeldungenund die Überprüfung der Auftragsbearbeitung.

Die globale Verfügbarkeit des Internet für die Ab-wicklung von Transaktionen zwischen Käufern undVerkäufern hat das Wachstum des E-Commerce-Bereichs unterstützt. Mit E-Commerce, auch elektro-nischer Handel genannt, ist das Kaufen und Ver-kaufen von Waren und Dienstleistungen auf elek-tronischem Weg mit Hilfe von computergestütztenGeschäftstransaktionen gemeint, die über das Inter-net, Netzwerke und andere elektronische Techni-ken abgewickelt werden. Hierunter zählen auchAktivitäten zur Unterstützung dieser Geschäfts-transaktionen, wie z.B. Werbung, Marketing, Kun-denservice, Versand und Zahlung. Da E-Commercemanuelle und auf Papier und Bleistift basierendeArbeitsverfahren durch elektronische Alternativenersetzt und den Informationsfluss in neuer und dy-namischer Weise einsetzt, kann er zu einer Be-schleunigung der Bestellung, Lieferung und Zah-lung von Waren und Dienstleistungen und dergleichzeitigen Senkung der Betriebs- und Lagerhal-tungskosten von Firmen führen.

Blickpunkt Organisation (Fortsetzung)

Die Website Americanas.com zog einen neuen Typ von Kun-den an. Die Mehrzahl der Kunden in den Einzelhandels-geschäften von Lojas Americanas bestand aus Frauen, die imDurchschnitt einen Kauf in Höhe von 5,90 USD tätigten. Weilaber in Brasilien vorwiegend die Reichen das Internet verwen-den, zog die Americanas.com-Website wohlhabende Männeran, die durchschnittlich 100 USD pro Einkauf ausgaben. Ame-ricanas.com versuchte zudem, mit aggressiven Vertriebsprak-tiken neue zahlungskräftige Kunden anzulocken.

Konventionelle brasilianische Einzelhändler bieten ihrenKunden in der Regel die Möglichkeit, ihre Einkäufe in dreimonatlichen Raten zu zahlen. Americanas bot Webkundendie Option, ihre Einkäufe in 8, 10 oder 12 zinslosen monat-lichen Raten zu zahlen. Americanas.com verkaufte schnellweit mehr Elektronikartikel als seine Konkurrenten.

Die Online-Präsenz von Americanas hat die Unterneh-mensgewinne weiter gesteigert, weil sie es dem Unterneh-men ermöglichte, seine Werbeausgaben zu verringern, undweil sie Informationen zur Umsatzanalyse bereitstellte.Americanas ersetzte seine Anzeigenwerbung in den Massen-medien durch Internet- und E-Mail-Marketing. Ein elektroni-sches Schwarzes Brett im Büro des CEO von Americanas.com,Ediardo Chalitas, zeigt Umsatzdaten, die alle 20 Minutenaktualisiert werden. Blinkende rote Zahlen weisen darauf hin,dass der Umsatz weit unter dem Tagesziel liegt. Das Manage-ment kann die Umsatzdaten sofort überprüfen und feststel-len, welche Artikel weniger reißenden Absatz finden alsvorhergesagt, und rasch die Produktanzeigen auf der Websiteändern oder E-Mail-Werbung aussenden.

Dank der aufmerksamen Beobachtung der Umsätze konnteder Umsatz von Americanas.com im ersten Halbjahr 2003um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden.Der Vertrieb über die Website, der 2002 einen Anteil von8,7 Prozent am Gesamtumsatz von Lojas Americanas aus-machte, soll 2005 mehr als das Doppelte dieses Prozent-anteils am Umsatz erreichen.

Das Warenangebot von Americanas.com unterscheidet sichderzeit zu 90 Prozent vom Warenangebot der Einzelhandels-geschäfte von Lojas Americanas. Die Einzelhandelsgeschäftevon Lojas Americanas planen jedoch, Elektronikartikel undHaushaltsgeräte in ihr Warensortiment aufzunehmen, um sichmit der Website abzustimmen. Die Zukunft des gesamtenUnternehmens Lojas Americanas kann sehr wohl mit seinerelektronischen Plattform verknüpft sein.

Diskussionsfragen: In welcher Weise hat das WorldWide Web die Geschäftspraktiken von Lojas Americanasbeeinflusst? Wie hat das Web zur Wertschöpfung diesesUnternehmens beigetragen?

Quellen: Jonathan Karp, „From Bricks to Clicks“, The WallStreet Journal, 22. September 2003; „Managing the Inter-net in Brazil (2): What’s Worked So Far“, The Communica-tions Initiative-Baseline 2003, APC News, 3. Juli 2003;Narry Singh, „Brazil: Untapped Potential“, IQ Magazine,September/Oktober 2002.

E-Commerce (elektronischer Handel) | Der elektroni-sche Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen mit Hilfe von computergestützten Geschäftstransaktio-nen, die über das Internet, Netzwerke und andere elek-tronische Techniken abgewickelt werden.

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1.3 Trend zum vernetzten Unternehmen: die neue Rolle der Informationssysteme

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Das Internet hat sich zur primären Kommunika-tionsplattform für E-Commerce entwickelt. Glei-chermaßen bedeutsam ist, dass Internettechnik dieVerwaltung des übrigen Geschäfts erleichtert: dieVeröffentlichung von Personalrichtlinien für Mitar-beiter, die Überprüfung von Kontoständen und Pro-duktionsplänen, die Planung von Reparatur- undWartungsarbeiten in Betrieben und die Überarbei-tung von Entwurfsdokumenten. Firmen nutzen dieKonnektivität und die einfache Handhabbarkeit derInternettechnik, um auf Internettechnik basierendeinterne Unternehmensnetzwerke, so genannte Intra-nets, zu erstellen.

Private Intranets, auf das durch autorisierteBenutzer außerhalb des Unternehmens zugreifenkönnen, werden als Extranets bezeichnet. Firmenbenutzen solche Netzwerke zur Koordination ihrerAktivitäten mit anderen Firmen, um Einkäufe zutätigen, an Entwürfen zusammenzuarbeiten undandere unternehmensübergreifende Arbeiten zu er-ledigen. Kapitel 4 und 8 enthalten nähere Einzel-heiten zu Intranet- und Extranet-Anwendungenund -Technik.

Diese breiteren Anwendungen der Internettech-nik sowie von E-Commerce unterstützen die Ent-wicklung zum vernetzten Unternehmen. In diesemBuch verwenden wir den Begriff E-Business, um dieAnwendung von Internet und digitalen Technikenzur Ausführung sämtlicher Geschäftsprozesse einesUnternehmens zu beschreiben. E-Business umfasstsowohl E-Commerce als auch Prozesse zur internenVerwaltung und zur Koordination mit Lieferantenund anderen Geschäftspartnern.

Abbildung 1.16 zeigt ein vernetztes Unterneh-men, welches das Internet und elektronische Tech-niken intensiv für sein E-Business einsetzt. Infor-mationen können reibungslos zwischen denverschiedenen Teilen des Unternehmens sowie mitexternen Parteien (Kunden, Lieferanten und Ge-schäftspartner) ausgetauscht werden. Da Unterneh-men das Internet, Intranets und Extranets benutzen,um ihre internen Geschäftsprozesse auf elektroni-schem Weg auszuführen und ihre unternehmens-übergreifenden Beziehungen durch elektronischeMittel zu unterstützen, nehmen sie immer mehr dieGestalt von vernetzten Unternehmen an.

Wir sollten auch darauf hinweisen, dass die mitE-Commerce und E-Business verbundenen Techni-ken im öffentlichen Bereich ähnliche Veränderun-gen bewirkt haben. Regierungsstellen und die öf-fentliche Verwaltung benutzen auf allen EbenenInternettechnik, um den Bürgern, Mitarbeitern und

Firmen, mit denen sie zusammenarbeiten, Informa-tionen und Dienstleistungen zur Verfügung zu stel-len. Unter E-Government verstehen wir die Anwen-dung von Internet und verwandten Techniken, umdie Beziehungen zwischen öffentlicher Verwaltungund Bürgern, Firmen und anderen Stellen deröffentlichen Hand durch elektronische Mittel zuunterstützen. E-Government kann nicht nur dieBereitstellung öffentlicher Dienstleistungen ver-bessern, sondern darüber hinaus auch zu einer effi-zienten Gestaltung der Arbeit von Behörden undanderen öffentlichen Verwaltungseinrichtungenbeitragen. E-Government umfasst auch elektronischrealisierte Dienste, die den Bürgern eine einfachereMitwirkung am öffentlichen Leben erlauben, etwaweil der Zugriff auf Informationen leichter wirdoder weil Bürger mit anderen Bürgern über elektro-nische Netzwerke zusammenarbeiten können. Bei-spielsweise können die Bürger in manchen StädtenAnwohnerparkausweise online beantragen bzw.verlängern oder sich bei Parlamentswahlen onlinezur Briefwahl anmelden. Das Internet ist zudem einschlagkräftiges Werkzeug zur sofortigen Mobilisie-rung von Interessengruppen für politische Aktio-nen und das Sammeln von Spenden.

Um das Internet und andere elektronische Tech-niken erfolgreich für E-Business, E-Commerce,E-Government und die Schaffung vernetzter Unter-nehmen nutzen zu können, müssen Unternehmenihre Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse neudefinieren, die Unternehmenskultur ändern undviel engere Beziehungen zu Kunden und Liefe-ranten knüpfen. Wir erörtern diese Aspekte in denfolgenden Kapiteln eingehender.

Intranet | Ein internes Netzwerk, das auf Internet- und World Wide Web-Technik und -Standards basiert.

Extranet | Privates Intranet, auf das autorisierte Außen-stehende zugreifen können.

E-Business | Die Anwendung von Internet und digitalen Techniken zur Ausführung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens. Umfasst sowohl E-Commerce als auch elektronisch gestützte Prozesse zur internen Ver-waltung des Unternehmens und zur Koordination mit Lieferanten und anderen Geschäftspartnern.

E-Government | Verwendung von Internet und ver-wandten Techniken, um die Beziehungen der öffentli-chen Verwaltung zu Bürgern, Unternehmen und anderen Stellen durch elektronische Mittel zu unterstützen.

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1.4 Informationssysteme: neue Herausforderungen und neue Chancen 1.4Obwohl Informationssysteme sowohl für Unterneh-men als auch für den Einzelnen viele interessanteChancen bieten, sind sie auch eine Quelle neuerProbleme, Fragen und Managementherausforderun-gen. In diesem Kapitel lernen Sie sowohl die Prob-leme als auch die Chancen von Informationssyste-men kennen.

Trotz des erheblichen Fortschritts der Technik,sind Aufbau und Einsatz von Informationssyste-men keineswegs trivial. Das Management musssechs wichtige Managementfragen meistern:

1 Die Frage der Investition in Informationssys-teme: Auf welche Weise kann das Unterneh-men von Informationssystemen profitieren?

Weiter vorne in diesem Kapitel haben wir dieBedeutung von Informationssystemen als In-vestition beschrieben, die zur Wertschöpfungeiner Unternehmung beiträgt. Wir zeigten,dass nicht alle Unternehmen mit ihren Investi-tionen in Informationssysteme hohe Renditenerzielen. Offensichtlich besteht eine der größ-ten Herausforderungen für Manager heute da-rin, sicherzustellen, dass sich die Investitionin Informationssysteme für ihr Unternehmentatsächlich in Form höherer Gewinne auszahlt.Der Einsatz von IT zur Entwicklung, Fertigung,Lieferung und Pflege neuer Produkte bedeutetnoch nicht, dass sich der Einsatz in finanziel-ler Hinsicht auszahlt. Wie können Unterneh-men aus ihren Investitionen in Informations-systeme messbare Gewinne ableiten? Wie kanndie Geschäftsführung sicherstellen, dass Infor-mationssysteme zur Wertschöpfung des Unter-nehmens beitragen?

Abbildung 1.16: E-Business und E-Commerce im vernetzten UnternehmenUnternehmen können das Internet, Intranets und Extranets für E-Commerce-Transaktionen mit Kunden und Lieferanten, für die Verwaltung inter-ner Geschäftsprozesse und für die Koordination mit Lieferanten und anderen Geschäftspartnern benutzen.

Kunden• Online-Marketing• Online-Vertrieb• Kundenspezifische Produkte• Kundenservice• Automatisierung der Vertriebsprozesse

Lieferanten• Beschaffung• Supply Chain Management

Geschäftspartner• Gemeinsames Design• Fremdbeschaffung

Entfernte Büros und Arbeitsgruppen• Abstimmung von Plänen und Richtlinien• Unterstützung von Gruppenarbeitsprozessen• Elektronische Kommunikation• Disposition

Fabriken• Just-in-Time-Produktion• Ständiges Auffüllen der Warenbestände• Produktionsplanung

E-BUSINESS

E-COMMERCE

DAS VERNETZTE UNTERNEHMEN

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1.4 Informationssysteme: neue Herausforderungen und neue Chancen

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Das Top-Management sollte hierzu Antwortenauf folgende Fragen haben: Wie können wir dieInvestitionen in Informationssysteme in ähnli-cher Weise bewerten wie andere Investitionen?Bringen unsere Informationssysteme die erwar-tete Kapitalrendite? Erzielen unsere Wettbe-werber eine höhere Rendite? Viel zu vieleUnternehmen können diese Fragen nicht beant-worten. Das Management dieser Firmen kannoft nicht ermitteln, wie viel sie tatsächlich fürdiese Technik ausgeben und welche Renditeihre Technologieinvestitionen erbringen. In denmeisten Unternehmen ist kein klarer Entschei-dungsfindungsprozess für die Fragen definiert,welche Technologieinvestitionen getätigt undwie diese Investitionen verwaltet werden sol-len (Hartman, 2002).

2 Die Frage der Unternehmensstrategie: Welcheergänzenden Vermögenswerte sind für eineneffizienten Einsatz von IT erforderlich?

Trotz umfangreicher Technologieinvestitionenziehen viele Unternehmen kaum nennens-werten finanziellen Nutzen aus ihren Systemen,weil sie nicht über die ergänzenden Vermögens-werte verfügen (oder deren Notwendigkeit nichterkennen), die für einen effizienten Einsatz die-ser Technik erforderlich sind. Das Leistungsver-mögen von Computerhardware und -software istviel schneller gewachsen als die Fähigkeit derUnternehmen, diese Technik anzuwenden undeinzusetzen. Um sämtliche Vorteile der IT nut-zen, echte Produktivitätssteigerungen erzielenund wettbewerbsfähig und effektiv werden zukönnen, müssen viele Unternehmen umstruktu-riert werden. Das Verhalten der Mitarbeiter unddes Management muss sich ggf. grundlegend än-dern. Die Unternehmen müssen neue Geschäfts-modelle entwickeln, überflüssige Richtlinienund Verfahren über Bord werfen und Geschäfts-prozesse und Organisationsstrukturen opti-mieren. Neue Technik, isoliert betrachtet undeingesetzt, bringt im Allgemeinen keine Ge-schäftsvorteile.

3 Die Globalisierungsfrage: Wie können Firmendie Unternehmens- und Systemanforderungeneiner globalen Wirtschaft bestimmen?

Für das schnelle Wachstum des internationalenHandels und die Entstehung einer globalenWirtschaft werden Informationssysteme benö-tigt, die sowohl die Fertigung als auch den Ver-trieb von Waren in vielen verschiedenen Län-dern unterstützen können. In der Vergangenheitkonzentrierte sich jede regionale Niederlassungeines multinationalen Unternehmens auf dieLösung ihrer speziellen Informationsprobleme.Aufgrund der verschiedenen Sprachen und der

kulturellen und politischen Unterschiedezwischen Ländern führte dieser Ansatz häufigdazu, dass kein Überblick herrschte und zentraleManagementsteuerungsinstrumente fehlten.Zum Aufbau integrierter multinationaler Infor-mationssysteme müssen Unternehmen globaleHardware-, Software- und Kommunikations-standards entwickeln oder auf entsprechende,standardisierte Lösungen zurückgreifen. Zudemmüssen in den verschiedenen Ländern anwend-bare Buchhaltungs- und Berichtsstrukturen ge-schaffen (Roche, 1992) und länderübergreifendeGeschäftsprozesse entwickelt werden.

4 Die Frage der Informationsarchitektur und IT-Infrastruktur: Wie entwickeln Unternehmeneine Informationsarchitektur und eine IT-In-frastruktur, die ihre Ziele unterstützen, auchwenn sich Marktbedingungen und Technikrasch ändern?

Viele Unternehmen sind mit teuren und kom-plizierten IT-Plattformen ausgerüstet, die nichtfür Innovationen und Änderungen offen sind.Ihre Informationssysteme sind so komplexund träge, dass sie die Unternehmensstrategieund deren Umsetzung einschränken. U.U. er-fordert die Lösung von Problemen, die sichdurch neue Marktbedingungen und neue Tech-niken stellen, eine Umstrukturierung desUnternehmens und den Aufbau einer neuenInformationsarchitektur und IT-Infrastruktur.

Mit Informationsarchitektur ist die spezielleForm der IT eines Unternehmens gemeint, diezur Erreichung ausgewählter Ziele oder Funk-tionen entworfen wurde. Dieser Entwurf istauf die wichtigsten Geschäftsanwendungs-systeme und deren Verwendung in einemUnternehmen zugeschnitten. Weil Führungs-kräfte und Mitarbeiter direkt mit diesen Syste-men arbeiten, ist es für den geschäftlichen Er-folg wichtig, dass die Informationsarchitekturden aktuellen und künftigen Unternehmens-anforderungen gerecht wird.

Die IT-Infrastruktur eines Unternehmens stelltdie technische Plattform für diese Architekturdar. Computerhardware, -software, Daten- undSpeichertechnik, Netzwerke und das Personal,das zur Bedienung dieser Geräte notwendig ist,bilden die gemeinsamen IT-Ressourcen einesUnternehmens und stehen allen Systemanwen-dungen zur Verfügung.

Informationsarchitektur | Der spezielle Entwurf der IT eines bestimmten Unternehmens zur Erreichung ausge-wählter Ziele oder Funktionen.

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Die Geschäftsführung muss entscheiden, wiedie Ressourcen, die für Hardware, Software, Da-tenspeicher und Telekommunikationsnetzwerkereserviert sind, so eingesetzt werden, dass dieTechnikplattform des Unternehmens die aktu-elle und künftige Architektur wirkungsvollunterstützt.

Nachfolgend sind typische Fragen aufgeführt,die sich den Managern von heute hinsichtlichder Informationsarchitektur und der IT-Infra-struktur stellen: Sollen die Vertriebsdaten unddie Vertriebsfunktion des Unternehmens aufdie verschiedenen entfernten Standorte des Un-ternehmens verteilt oder in der Hauptniederlas-sung zentral verwaltet werden? Soll das Unter-nehmen Systeme entwickeln, um sämtlicheUnternehmensteile zu verbinden, oder sollenvoneinander unabhängige Anwendungen bei-behalten werden? Soll das Unternehmen seineInfrastruktur nach außen hin erweitern, so dassKunden oder Lieferanten eingebunden werden?Es gibt keine allgemein richtige Antwort aufdiese Fragen (Allen und Boynton, 1991).

Da sich die Geschäftsanforderungen zudemständig ändern, muss die IT-Architektur fort-während neu bewertet werden (Feeny undWillcocks, 1998).

5 Die Frage nach der Integration: Wie kannsichergestellt werden, dass die Informations-systeme eines Unternehmens zueinander pas-sen und miteinander kommunizieren können?Wie können bestehende Altsysteme und neuzu entwickelnde Informationssysteme so inte-griert werden, dass Kompatibilität gewähr-leistet ist?

Der Aufbau der Informationsarchitektur und derIT-Infrastruktur für ein vernetztes Unternehmenist eine gewaltige Aufgabe. Die meisten Firmenwerden durch fragmentierte und inkompatibleComputerhardware, Software, Telekommunika-tionsnetzwerke und Informationssysteme behin-dert, die den freien Informationsaustausch zwi-schen verschiedenen Teilen des Unternehmensvereiteln. Obwohl Internetstandards einigedieser Konnektivitätsprobleme lösen, ist dieEinrichtung von Informationssystemen, die dasgesamte Unternehmen umspannen (und zuneh-mend das Unternehmen und externe Geschäfts-partner miteinander verknüpfen), selten so rei-bungslos wie erhofft. Viele Unternehmen habenimmer noch Schwierigkeiten, ihre isolierten In-formations- und Technikeinrichtungen in einerkohärenten Architektur zusammenzuführen.Kapitel 6 und 9 enthalten detailliertere Angabenzu Fragen der Informationsarchitektur und IT-Infrastruktur.

Tabelle 1.7

Positive und negative Auswirkungen von Informationssystemen

Vorteile von Informationssystemen Negative Auswirkungen von Informations-systemen

Informationssysteme können sehr viel schneller als Menschen Berechnungen ausführen und Schreibarbeiten erledigen.

Durch die Automatisierung von Aufgaben, die zuvor von Menschen erledigt wurden, können Informationssysteme zum Abbau von Stellen führen.

Informationssysteme können Unternehmen helfen, mehr über die Kaufgewohnheiten und Vorlieben ihrer Kunden zu erfahren.

Informationssysteme können Unternehmen in die Lage ver-setzen, persönliche Daten zu sammeln und damit den Daten-schutz zu verletzen.

Informationssysteme stellen durch Dienste wie Geldautoma-ten, Telefonsysteme und computergesteuerte Flugzeuge und Flugzeugterminals neue Fähigkeiten zur Verfügung.

Informationssysteme werden in so vielen Bereichen des täg-lichen Lebens eingesetzt, dass Systemausfälle zur Schließung von Geschäften oder zu Verkehrsstörungen führen können, die ganze Gemeinden oder Stadtteile lahm legen.

Informationssysteme haben medizinische Fortschritte in der Chirurgie, Radiologie und Patientenüberwachung ermöglicht.

Informationssysteme können bei intensiven Benutzern zu Stress und anderen Gesundheitsproblemen führen.

Über das Internet werden Informationen sofort an Millionen von Benutzern in der ganzen Welt verteilt.

Im Internet ist es zuweilen schwierig, Urheberrechte an digita-len Informationsgütern wie beispielsweise Software, Büchern, Artikeln oder anderem geistigen Eigentum durchzusetzen.

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1.4 Informationssysteme: neue Herausforderungen und neue Chancen

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6 Die Frage der Verantwortung und Kontrolle.Wie können Unternehmen sicherstellen, dassihre Informationssysteme in ethisch und sozi-al verantwortlicher Weise verwendet werden?Wie entwickeln wir steuerbare und verständ-liche Informationssysteme?

Obwohl Informationssysteme enorme Vorzügeund Produktivitätsgewinne bieten, bringen sieauch neue Probleme und Herausforderungenmit sich, über die sich Manager im Klaren seinmüssen. In Tabelle 1.7 sind einige dieser Prob-leme und Herausforderungen beschrieben.

In vielen Kapiteln dieses Buches sind Szena-rien zu diesen in Teilen auch ethischen Fragenbeschrieben; Kapitel 5 ist gänzlich diesemThema gewidmet. Ein wichtiges Management-problem besteht darin, unter Berücksichtigungder negativen und der positiven Auswirkun-gen von Informationssystemen fundierte Ent-scheidungen zu treffen.

Manager müssen auch fortwährende Problemebezüglich der Sicherheit und Kontrolle bewäl-tigen. Informationssysteme sind in der Wirt-schaft, im öffentlichen Leben und im Alltag sowichtig, dass Unternehmen durch spezielleMaßnahmen ihr genaues, zuverlässiges undsicheres Funktionieren sicherstellen müssen.Katastrophen sind vorprogrammiert, wennSysteme verwendet werden, die nicht in dervorgesehenen Weise funktionieren oder die In-formationen in einer Form bereitstellen, in der

sie von Menschen falsch interpretiert odermissverständlich verwendet werden könnten.Problematisch sind Kontrollräume, in denendie Steuerelemente nicht korrekt funktionie-ren oder in denen Instrumente falsche Anga-ben anzeigen. Informationssysteme müssen soentwickelt werden, dass sie wie vorgesehenfunktionieren und Menschen den Prozesssteuern können.

Führungskräfte müssen sich folgende Fragenstellen: Können wir für unsere Informations-systeme ebenso wie für unsere Produkte undDienstleistungen hohe Qualitätssicherungs-standards übernehmen? Können wir Informa-tionssysteme aufbauen, mit denen der Schutzpersönlicher Daten gewahrt und gleichzeitigdie Unternehmensziele verfolgt werden? Soll-ten Informationssysteme zur Überwachung derMitarbeiter eingesetzt werden? Was tun wir,wenn ein Informationssystem, das die Effizi-enz und die Produktivität steigern soll, zumAbbau von Stellen führt?

Dieses Buch soll künftigen Führungskräften einfüh-rendes Wissen und ein Verständnis für den Umgangmit diesen Fragen vermitteln. Zu diesem Zweck be-ginnt auch jedes der nachfolgenden Kapitel miteinem Abschnitt mit dem Titel „Herausforderungenfür das Management“, in welchem Schlüsselfragenskizziert werden, die von Führungskräften zu be-rücksichtigen sind.

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IT in der Praxis

Beschaffung

Mit E-Procurement können heute voneinem Unternehmen via Internet v.a.niedrigpreisige Waren einfach be-stellt werden, die in großer Anzahlbenötigt werden. Die Bestellung vonGütern kann so auf Basis von web-basierten Systemen direkt durch denjeweiligen Bedarfsträger in der Abtei-lung durchgeführt werden. Dadurchlassen sich die Kosten pro Bestellvor-gang erheblich reduzieren. Sowohlder Besteller als auch die Einkaufsab-teilung werden von Routinetätigkei-ten entlastet.

Finanz- und Rechnungswesen

Das Internet hat einen riesigen elek-tronischen Markt für den Kauf undVerkauf von Aktien, Wertpapierenund anderen Finanzprodukten ge-schaffen. Überdies ermöglicht es denOnline-Handel und die Online-Ver-waltung von Investment-Konten. Fi-nanzsysteme gehörten zu den erstencomputergestützten Systemen. Siebasieren heute auf Hochgeschwin-digkeitscomputern und Netzwerken.Finanz- und Buchhaltungsdaten kön-nen sofort von internen Compu-tersystemen abgerufen und imgesamten Unternehmen verteilt wer-den. Finanzdaten können zudemsofort über das Internet beschafftwerden.

Personalwesen

Die Verwaltung der Personalakten istheutzutage größtenteils computerge-stützt, wodurch Firmen in die Lageversetzt werden, ihre personellenRessourcen jederzeit zu überblicken.Vernetzte Kommunikationssystemeund das Internet erleichtern esFührungskräften, mit vielen Mitarbei-tern gleichzeitig zu kommunizierenund an weit entfernten Standortenarbeitende Projekt- und Arbeitsteamszu verwalten. Die Tätigkeit kann vomStandort getrennt und aus der Entfer-nung ausgeführt werden.

Fertigung und Produktion

Internet- und Netzwerktechnik habendazu beigetragen, dass Fertigungs-und Produktionsprozesse sowohl ingroßen als auch in kleinen Unterneh-men genauer und flexibler gewordensind. Große Fertigungsbetriebe könnenSoftware und Netzwerke zur Massen-fertigung kundenindividueller Produk-te einsetzen, während kleine Firmenmit Hilfe von mit CAD-Software aus-gestatteten Arbeitsplatzrechnern undcomputergesteuerten Maschinen Pro-dukte mit der Präzision und Geschwin-digkeit großer Unternehmen herstellenkönnen. Unternehmen können dieseTechniken auch einsetzen, um mit an-deren Firmen zusammenzuarbeitenund ihre Produktionsprozesse engermit den Geschäftsprozessen von Liefe-ranten und Distributoren zu koordinie-ren. Beispiele zu Fertigungs- undProduktionsanwendungen finden Siein der einführenden Fallstudie „J.C.Penneys unsichtbarer Lieferant“, imAbschnitt „Blickpunkt Technik“ und inder abschließenden Fallstudie „Her-man Miller: Informationssysteme amScheideweg“.

Vertrieb und Marketing

Das Internet und das World Wide Webhaben einen neuen Kommunikations-kanal und Absatzweg eröffnet, überden Einzelhandelskunden und andereUnternehmen erreicht werden kön-nen. Firmen können das Internet zuWerbezwecken, für den Kundenser-vice und sogar für einige Formen vonProdukttests verwenden. Kunden kön-nen Produkte und Dienstleistungenvon ihren Arbeitsplatzrechnern ausüber das Web bestellen. Die Allgegen-wärtigkeit des Internet ermöglicht eskleinen Firmen, ihre Waren in vielenTeilen der Welt zu vertreiben, ohneVertriebsmitarbeiter oder Niederlas-sungen vor Ort zu haben. Sie findenBeispiele für Vertriebs- und Mar-ketinganwendungen im Abschnitt„Blickpunkt Organisation“ und in derabschließenden Fallstudie „HermanMiller – Informationssysteme amScheideweg“.

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Zusammenfassung

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Zusammenfassung

1 Welche Rolle spielen Informationssysteme imheutigen, von Wettbewerb geprägten betrieb-lichen Umfeld?

Informationssysteme sind für Unternehmenunentbehrlich geworden, um Änderungen aufden globalen Märkten und im Wirtschaftsun-ternehmen zu bewältigen. Informations-systeme stellen Firmen Kommunikations- undAnalysemöglichkeiten für den globalen Han-del und für die Verwaltung globaler Unterneh-men zur Verfügung. Informationssysteme bil-den die Grundlage neuer wissensbasierterProdukte und Dienstleistungen in Informa-tionsmärkten und helfen Unternehmen bei derVerwaltung ihrer geistigen Vermögenswerte.Informationssysteme ermöglichen es Unter-nehmen, flachere, dezentralisierte Strukturenzu implementieren, in denen die Beziehungenzwischen Mitarbeitern und Führungskräftenflexibler sind. Mit ihnen kann über weite Ent-fernungen hinweg mit anderen Unternehmenzusammengearbeitet werden. Unternehmenversuchen, konkurrenzfähiger und effizient zuwerden, indem sie sich in vernetzte Unterneh-men verwandeln, in denen fast alle wichtigenGeschäftsprozesse und Beziehungen zu Kun-den, Lieferanten und Mitarbeitern durch elek-tronische Mittel unterstützt werden.

2 Was versteht man unter einem Informations-system? Was müssen Führungskräfte überInformationssysteme wissen?

Ein Informationssystem ist für die Zwecke ei-nes Teils eines bestimmten Unternehmens ge-schaffen und wird in diesem Betrieb einge-setzt. Ein Informationssystem ist ein in dieOrganisations-, Personal- und Technik-Struk-turen eingebettetes System. Es sammelt, verar-beitet, speichert und verteilt Informationenaus dem Umfeld und dem internen Betrieb ei-nes Unternehmens, um Geschäftsfunktionen,Entscheidungsfindung, Kommunikation, Koor-dination, Steuerung, Analyse und Visualisie-rung zu unterstützen. Informationssystemewandeln durch die drei Grundaktivitäten Ein-gabe, Verarbeitung und Ausgabe Rohdaten innützliche Informationen um. Aus Unterneh-menssicht trägt ein Informationssystem zurwirtschaftlichen Wertschöpfung bei, indem esals eine auf IT basierende Organisations- undManagementlösung durch das geschäftlicheUmfeld bedingte Probleme löst. Das Informa-tionssystem ist Teil einer Reihe von wert-

schöpfenden Aktivitäten zur Beschaffung, Um-formung und Verteilung von Informationen,die dazu dienen, die Entscheidungsfindungs-prozesse des Management und die Wirtschafts-leistung des Unternehmens zu verbessern undletztlich die Rentabilität des Unternehmens zusteigern.

Zusätzlich zu den zu erfüllenden betrieblichenAufgaben, der IT-Infrastruktur und den Datenmüssen bei Entwicklung und Betrieb von In-formationssystemen auch die Organisations-struktur, in die das System eingebettet werdensoll, und die Menschen, die mit dem Systemarbeiten sollen, berücksichtigt werden. Infor-mationssysteme sind in den Unternehmen ver-wurzelt. Sie sind das Ergebnis von Organisa-tionsstruktur, Unternehmenskultur, Politik,Arbeitsabläufen und Verfahrensrichtlinien ei-nes Unternehmens. Deshalb müssen sie indivi-duell an die vorhandene Organisationsstrukturund an die im Unternehmen tätigen Menschenangepasst werden. Man kann sie also nicht inForm von Standardsoftware kaufen.

Informationssysteme sind Instrumente für dieÄnderung und Wertschöpfung von Unterneh-men, die es ermöglichen, dass diese unterneh-merischen Elemente in neuen Geschäftsmodel-len umgesetzt und Unternehmensgrenzen neudefiniert werden. Die Aufgabe von Führungs-kräften besteht in der Lösung von Problemen,daher sind sie dafür zuständig, die vielen un-ternehmerischen Herausforderungen zu analy-sieren und Strategien und Aktionspläne zu ent-wickeln. Informationssysteme sind eines derHilfsmittel, das ihnen Informationen liefert,die für die Entwicklung von Lösungen erfor-derlich sind. Informationssysteme spiegeln ei-nerseits Managemententscheidungen widerund dienen andererseits als Instrument zur Än-derung von Managementaktivitäten. Informa-tionssysteme können die Effizienz vonManagement und Unternehmen nur dann stei-gern, wenn sie durch ergänzende Vermögens-werte, wie z.B. neue Geschäftsprozesse, dieUnternehmenskultur und das Verhalten derFührungskräfte, gestützt werden.

Informationssystemkenntnisse setzen das Ver-ständnis der organisatorischen und manage-mentbezogenen sowie der technischen Aspektevoraus. Informationssystemkenntnisse umfas-sen Inhalte des technischen und des verhal-tenstheoretischen Ansatzes zum Studium derWirtschaftsinformatik. Beide Sichtweisen las-sen sich zu einem soziotechnischen System-ansatz kombinieren.

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3 Was versteht man unter einem Anwendungs-system? Was ist der Unterschied zu einemInformationssystem?

Ein Anwendungssystem ist ein System, wel-ches alle Programme beinhaltet, die als An-wendungssoftware für ein konkretes betriebli-ches Anwendungsgebiet entwickelt, eingeführtund eingesetzt werden. Hinzu kommen die Da-ten (z.B. in Form von Dateien, Datenbankenoder verteilten Datenbanken), welche von derAnwendungssoftware genutzt werden. In ei-nem Betrieb gibt es nicht ein (einziges), son-dern meist eine größere Anzahl von paralleleingesetzten Anwendungssystemen.

Ein Anwendungssystem für einen bestimmtenBetrieb ist Teil eines Informationssystems die-ses Betriebs. Ein Anwendungssystem ist dertechnisch realisierte Teil eines Informations-systems, entspricht also der funktionsfähigenHardware/Software sowie den Daten zur Bear-beitung von Anwendungsaufgaben.

Anwendungssysteme, die beispielsweise vonSoftware-Häusern für einen bestimmten Be-triebstyp geschaffen worden sind, kann mankaufen. Allerdings müssen sie meistens ange-passt werden, bevor sie zweckmäßig in einemBetrieb angewendet werden können. Organi-satorische Aspekte, wie beispielsweise die„Einbettung“ des Anwendungssystems in dasUnternehmen oder die Anpassung der Aufbau-und Ablauforganisation im Unternehmen spie-len dabei nur eine untergeordnete Rolle. Diesist ein weiterer Hauptunterschied zu denInformationssystemen, die regelmäßig in dieUnternehmensorganisation einzubetten sind.

4 In welcher Weise verändern Informations-systeme Organisation und Management vonUnternehmen?

Die Informationssysteme, die heute entwi-ckelt werden, sind für die Gesamtleistung ei-nes Unternehmens sehr wichtig, insbesonderein der heutigen stark globalisierten und infor-mationsbasierten Wirtschaft. Informationssys-teme sind sowohl für den täglichen Betrieb alsauch für die Unternehmensstrategie maßgeb-lich. Leistungsstarke Computer, Software undNetzwerke, einschließlich Internet, habendazu beigetragen, Unternehmen flexibler zumachen, Managementebenen zu eliminieren,die Arbeit standortunabhängig zu gestalten,enger mit Lieferanten und Kunden zusammen-zuarbeiten und Arbeitsabläufe neu zu struktu-rieren. Dadurch eröffneten sich sowohl für deneinfachen Arbeiter als auch für das Manage-ment neue Handlungsmöglichkeiten. IT stelltden Führungskräften Werkzeuge für die prä-

zise Planung, Prognose und Überwachung desUnternehmens zur Verfügung. Um die Vorteilevon IT optimal nutzen zu können, muss die In-formationsarchitektur und IT-Infrastruktur vonUnternehmen heute explizit geplant werden.

5 Was versteht man unter Wirtschaftsinforma-tik? Welche anderen Disziplinen tangieren dieWirtschaftsinformatik? Womit befasst sichdas Gebiet des Informationsmanagement?

Wirtschaftsinformatik ist eine Wissenschaft, diesich mit der Beschreibung, Erklärung, Gestal-tung und Vorhersage rechnergestützter Informa-tionssysteme und deren Einsatz in Wirtschafts-unternehmen, Verwaltung und zunehmendHaushalten befasst. Sie versteht sich als inter-disziplinäres Fach im Wesentlichen zwischenBetriebswirtschaftslehre und Informatik.

Wirtschaftsinformatik vereint die theoretischeArbeit der Disziplinen Informatik und Be-triebswirtschaftslehre mit der praktischenAusrichtung auf die Entwicklung von System-lösungen für Probleme aus dem Unterneh-mens- und Verwaltungsalltag und das Manage-ment der IT-Ressourcen.

Informationsmanagement, ein wichtiges Teil-gebiet der Wirtschaftsinformatik, befasst sichetwa nach dem Referenzmodell von Krcmar(2005) mit allen Managementaufgaben auf dendrei Ebenen Informationswirtschaft (Angebot,Nachfrage und Verwendung), Informations-systeme (Daten, Prozesse und Anwendungs-lebenszyklus) und IT (Speicherung, Verarbei-tung, Kommunikation und Technikbündel)sowie mit allen Führungsaufgaben des Infor-mationsmanagement (IT-Governance, Strategie,IT-Prozesse, IT-Personal und IT-Controlling).Dabei soll die Ressource Information unterNutzung von Informationssystemen so einge-setzt werden, dass Unternehmen nachhaltigeWettbewerbsvorteile erzielen.

6 In welcher Hinsicht haben das Internet undInformationstechnik (IT) Unternehmen undöffentliche Institutionen verändert?

Das Internet ist global verfügbar und bieteteine flexible Plattform für den reibungslosenInformationsaustausch innerhalb des Unter-nehmens und unternehmensübergreifend mitKunden und Lieferanten. Es bildet die primäreTechnikinfrastruktur für E-Commerce, E-Busi-ness und somit auch für das vernetzte Unter-nehmen. Das Internet und andere Netzwerkeermöglichen es Unternehmen, manuelle undpapiergestützte Prozesse durch den elektroni-schen Informationsaustausch zu ersetzen. MitE-Commerce können Unternehmen elektroni-

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Page 47: Wirtschaftsinformtik- Eine Einführung

Zusammenfassung

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sche Kauf- und Verkaufstransaktionen unterei-nander und mit einzelnen Kunden abwickeln.Bei E-Business werden das Internet und an-dere elektronische Techniken für die Unter-nehmenskommunikation und -koordination,die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern,die Verwaltung des Unternehmens sowie fürE-Commerce-Transaktionen eingesetzt. Ver-netzte Unternehmen nutzen Internettechnikintensiv zur Verwaltung ihrer internen Pro-zesse und Beziehungen zu Kunden, Lieferan-ten und anderen externen Einheiten. Behördenund öffentliche Verwaltungen setzen zuneh-mend auf allen Ebenen Internettechnik ein,um die Bereitstellung von öffentlichen Dienst-leistungen zu verbessern, interne Arbeitsab-läufe effizient zu gestalten und Bürger in dieLage zu versetzen, sich mit anderen Bürgernauf elektronischem Weg auszutauschen und zukoordinieren.

7 Welches sind die wichtigsten Probleme, diedas Management eines Unternehmens beimAufbau und Einsatz von Informationssyste-men bewältigen muss?

Beim Aufbau und Einsatz von Informationssys-temen muss das Management die folgendensechs Kernprobleme lösen: (a) erreichen, dasssich Informationssysteme rentieren, (b) ergän-zende Vermögenswerte bereitstellen, damit ITeffektiv genutzt werden kann, (c) die Systeman-forderungen aus dem globalen geschäftlichenUmfeld ableiten können, (d) eine flexible Infor-mationsarchitektur und IT-Infrastruktur schaf-fen, die sich ändernde Unternehmensziele un-terstützen kann, (e) sicherstellen, dass dieInformationssysteme kompatibel zu anderen In-formationssystemen (inklusive Altsystemen)sind und sich integrieren lassen und (f) Sys-teme entwerfen, die von den Benutzern be-dient, verstanden und in sozial und ethisch ver-antwortlicher Weise eingesetzt werden können.

Schlüsselbegriffe

Anwendungssystem 31Ausgabe 33Daten 32Datenverarbeiter 39Digitaler Markt 56E-Business 59E-Commerce (elektronischer Handel) 58E-Government 59Eingabe 33Ergänzende Vermögenswerte 42Extranet 59Formales System 34Führungskräfte für operative Aufgaben 40Geschäftsfunktionen 37Geschäftsprozess 30

Hardware 40Informationen 32Informationsarchitektur 61Informationsmanagement (IM) 46Informationssystem 31Informationstechnik (IT) 29Internet 51Intranet 59IT-Infrastruktur 40(IT-)Vernetztes Unternehmen 30Kommunikationstechnik 40Massenfertigung kunden-individueller Produkte (mass customization) 55Mitarbeiter im Produktions-/Dienstleistungsbereich 39Mittleres Management 40

Netzwerk 40Organisations- und manage-mentbezogenes Kapital 42Programm 35Software 35Speichertechnik 40Top-Management 40Unternehmensstrategie 50Unternehmensübergreifende Systeme 56Verarbeitung 33Wirtschaftsinformatik 44Wissens- und daten-intensive Produkte 29Wissensarbeiter 39World Wide Web 52

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Wiederholungsfragen

1 Warum sind Informationssysteme im heutigenGeschäftsleben so wichtig?

Beschreiben Sie vier Trends im globalen ge-schäftlichen Umfeld, aufgrund derer Informa-tionssysteme so stark an Bedeutung gewonnenhaben.

2 Beschreiben Sie die Fähigkeiten eines vernetz-ten Unternehmens. Warum sind vernetzte Un-ternehmen so leistungsfähig?

3 Was ist ein Informationssystem? BeschreibenSie, worin sich ein Computer, ein Programmund ein Informationssystem unterscheiden.Worin besteht der Unterschied zwischen Da-ten und Informationen?

4 Was ist ein Anwendungssystem? Was unter-scheidet ein Informationssystem von einemAnwendungssystem?

5 Durch welche Aktivitäten werden in einem In-formationssystem Rohdaten in verwendbareInformationen umgewandelt? Welche Bezie-hung besteht zwischen diesen Aktivitäten?

6 Welchen Zweck erfüllen Informationssystemeaus Unternehmenssicht? Welche Rolle spielenInformationssysteme in der Wertschöpfungs-kette von Unternehmen?

7 Worin bestehen die organisatorischen, ma-nagementbezogenen und technischen Aspektevon Informationssystemen?

8 Warum erzielen manche Unternehmen mit ih-ren Informationssystemen höhere Renditen alsandere Unternehmen? Welche Rolle spielenergänzende Vermögenswerte?

9 Was versteht man unter Wirtschaftsinforma-tik? Welche Beziehungen hat die Wirtschafts-informatik zu den Disziplinen Informatik undBetriebswirtschaftslehre?

10 Aus welchen Teilbereichen besteht die Wirt-schaftsinformatik? Welche Gemeinsamkeitenund Unterschiede bestehen zwischen der Wirt-schaftsinformatik in Deutschland und in Nord-amerika?

11 Welche Beziehung besteht zwischen einemUnternehmen und seinen Informationssyste-men? Wie verändert sich diese Beziehung imLaufe der Zeit?

12 Was sind Internet und World Wide Web(WWW)? In welcher Weise haben Internet undWWW die Funktion und Bedeutung von Infor-mationssystemen in Unternehmen verändert?

13 Beschreiben Sie einige der wichtigsten Ände-rungen, die Informationssysteme in Unterneh-men verursachen.

14 In welcher Weise verändern Informationssys-teme Managementaktivitäten?

15 Welche Beziehung besteht zwischen der Ver-breitung von Netzwerken und Internet, ver-netzten Unternehmen, E-Commerce, E-Busi-ness und E-Government?

16 Was versteht man unter unternehmensüber-greifenden Systemen? Warum gewinnen dieseSysteme an Bedeutung? Wie haben sich Inter-net- und Webtechnik auf diese Systeme ausge-wirkt?

17 Was bezeichnen wir als Informationsarchitek-tur und IT-Infrastruktur? Warum stellen sie fürdie Geschäftsführung wichtige Anliegen dar?

18 Welche Hauptprobleme sind heute für dasManagement mit Aufbau, Betrieb und Wartungvon Informationssystemen verbunden?

Diskussionsfragen

1 Informationssysteme sind zu wichtig, als dassman sie IT-Spezialisten allein überlassenkönnte. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Wa-rum bzw. warum nicht?

2 Da Computer immer schneller und billigerwerden und das Internet mehr und mehr ge-nutzt wird, werden sich die meisten Probleme,die wir mit Informationssystemen haben, vonselbst lösen. Stimmen Sie dieser Aussage zu?Warum bzw. warum nicht?

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Übung: Informationen als Entscheidungshilfe für die Geschäftsführung aufbereiten

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Übung: Informationen als Entscheidungshilfe für die Geschäftsführung aufbereiten

Effektive Informationssysteme wandeln Daten insinnvolle Informationen für Managemententschei-dungen um, die die Unternehmensleistung verbes-sern. Sie finden auf der begleitenden Website zuramerikanischen Ausgabe dieses Buches zu Kapitel 1eine Datenbank (Store and Regional Sales Data-base) mit Rohdaten zu den wöchentlichen Laden-verkäufen von Computerzubehör in verschiedenenVertriebsregionen. Die Datenbank umfasst diverseFelder, wie etwa Ladenidentifikationsnummer,Nummer der Vertriebsregion, Artikelnummer, Arti-kelbeschreibung, Stückpreis, verkaufte Stückzahlund den wöchentlichen Verkaufszeitraum, in demdie Umsätze erzielt wurden. Entwerfen Sie einigeBerichte und Abfragen, damit diese Daten von derGeschäftsführung genutzt werden können. ÄndernSie ggf. die Datenbanktabelle, um die erforderlichenInformationen bereitzustellen. Sie sollten hierbeifolgende Fragen berücksichtigen:

1 Welche Läden und Vertriebsregionen erzielendie besten Umsatzergebnisse?

2 Welche Produkte verkaufen sich am besten?

3 Welche Läden und Vertriebsregionen verkau-fen welches Produkt am häufigsten?

4 Was sind die umsatzstärksten bzw. die umsatz-schwächsten Zeiträume? Für welche Läden?Für welche Produkte?

5 Wie kann Ihr Unternehmen die Umsätze imumsatzschwächsten Laden und in derschwächsten Vertriebsregion steigern? (Unter-schiedliche Antworten sind möglich.)

Aufgabe:Dirt Bikes U.S.A. – eine Firmenpräsen-tation mit den wichtigsten Geschäfts-daten vorbereiten

Software-Voraussetzungen:

Tabellenkalkulationssoftware

Textverarbeitungssoftware

Präsentationssoftware (optional)

Die Geschäftsführung von Dirt Bikes hat Sie gebeten,eine Analyse der wichtigsten Geschäftsdaten vor-zubereiten, um ihr die Einschätzung der aktuellenSituation und der Zukunftspläne zu erleichtern.Betrachten Sie die Firmengeschichte, das Orga-nigramm, Produkte und Dienstleistungen, Vertriebund Marketing und ausgewählte Finanzdaten derFirma Dirt Bikes, die Sie im Abschnitt „Einführungzu Dirt Bikes“ auf der buchbegleitenden Website zuramerikanischen Ausgabe zu Kapitel 1 finden. Berei-ten Sie dann einen Bericht vor, der folgende Fragenbeantwortet:

1 Wie lassen sich die Ziele des Unternehmensund die Unternehmenskultur beschreiben?

2 Welche Produkte und Dienstleistungen bietetDirt Bikes U.S.A. an? Wie viele Typen von Pro-dukten und Dienstleistungen sind für die Kun-den verfügbar? Wie vertreibt die Unterneh-mung Dirt Bikes ihre Produkte?

3 Wie viele Mitarbeiter sind im Management, imProduktionsbereich und als Wissensarbeitertätig? Wie flach bzw. „hierarchisch“ ist die Or-ganisationsstruktur?

4 Welche Informationssysteme und Technikenwären für eine Unternehmung wie Dirt Bikesam wichtigsten?

5 Ist Dirt Bikes rentabel, was die Unternehmens-leistung betrifft? Wie sieht die finanzielle Situ-ation aus?

6 (Optional) Verwenden Sie eine Präsentations-software, um Ihre Analyse der geschäftlichenLeistung von Dirt Bikes für die Geschäftsfüh-rung zusammenzufassen.

Zur Beantwortung von Frage 5 betrachten Sie aus-gewählte Finanzdaten, die Sie unter „Einführung zuDirt Bikes“ finden; hierzu gehören die Gewinn- undVerlustrechnung sowie die Bilanzdaten von 2001 bis2003, die Jahresumsätze der Dirt Bikes-Modelle zwi-schen 1999 und 2003 und die Daten zu den Jahres-umsätzen aus nationalen und internationalen Ver-käufen für die Jahre 1999 bis 2003.

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Erstellen Sie mit Hilfe einer Tabellenkalkulations-software Diagramme, die die Umsätze der FirmaDirt Bikes zwischen 1999 und 2003 zeigen und fürdie Jahre 1999 bis 2003 die Umsätze im nationalenMarkt den Umsätzen im internationalen Markt ge-genüberstellen. Wählen Sie den Diagrammtyp, dersich zur Darstellung der analysierten Daten am bes-ten eignet. Versuchen Sie, beim Studium der Um-satzdaten die folgenden Fragen zu beantworten:Sind die Umsätze stetig gewachsen? Welche Pro-dukte von Dirt Bikes sind am umsatzstärksten, wel-che am umsatzschwächsten? Welche Anteile habender nationale und der internationale Markt am Ge-samtumsatz? Stieg der internationale Umsatz stär-ker als der nationale Umsatz? Berechnen Sie mitHilfe der Anleitung, die Sie auf der buchbegleiten-den Website zu Kapitel 1 finden, und Ihrer Tabel-lenkalkulationssoftware aus den Daten der Gewinn-und Verlustrechnung von Dirt Bikes die Brutto- unddie Nettogewinnspanne für die Jahre 2001 bis 2003.Sie können auch Diagramme erstellen, die anhandbestimmter Daten aus der Gewinn- und Verlust-rechnung und der Bilanz Trends aufzeigen. (Siesollten die zeitliche Anordnung der Daten ändern,wenn Sie Trenddiagramme erstellen möchten.) Su-chen Sie in der Gewinn- und Verlustrechnung undder Bilanz nach Antworten auf folgende Fragen:Wachsen die Umsatzerlöse und, wenn ja, wieschnell? Wie hoch sind die Kosten im Vergleich zuden Umsatzerlösen? Steigen oder sinken die Netto-gewinne der Firma? Steigen oder sinken dieBetriebskosten der Firma? Ist die Firma starkverschuldet? Verfügt die Firma über ausreichendVermögenswerte, um Verbindlichkeiten nachzu-kommen und die Entwicklung neuer Produkte undInformationssysteme finanzieren zu können?

E-Commerce-Projekt: Versandkosten analysieren

Sie sind Versandsachbearbeiter bei einer kleinenFirma, die für einen mittelgroßen Verlag Bücher ausdem Bereich der Unterhaltungsliteratur druckt, bin-det und ausliefert. Die Produktionsstätten befindensich in Albany, New York (Postleitzahl 12250). DieLagerhäuser des Kunden befinden sich in Rye imBundesstaat New York (10580), Irving im Bundes-staat Texas (75015), Charlotte im Bundesstaat NorthCarolina (28201), Sioux Falls im Bundesstaat SouthDakota (57117) und Tustin im Bundesstaat Califor-nia (92680). Die Produktionsstätte arbeitet an 250Tagen im Jahr. Die Bücher werden in der Regel ineiner der folgenden beiden Paketgrößen versandt:

Höhe: 20 cm, Länge: 30 cm, Breite: 38 cm,Gewicht: ca. 20 kg

Höhe: 23 cm, Länge: 14 cm, Breite: ca. 27 cm,Gewicht: ca. 7,2 kg

Die Firma verschickt an einem durchschnittlichenGeschäftstag etwa vier Pakete der Größe A und achtPakete der Größe B an jedes Lagerhaus des Kunden.

Sie sollen den besten Paketzusteller für IhreFirma auswählen. Vergleichen Sie drei Paket-zusteller, z.B. Federal Express (www.fedex.com), UPS(www.ups.com) und U.S. Postal Service (www.usps.gov).Betrachten Sie nicht nur die Kosten, sondern auchGrößen wie Liefergeschwindigkeit, Abholtermine,Auslieferungsstandorte, Nachverfolgungsmöglich-keiten und Benutzerfreundlichkeit der Website. Fürwelches Unternehmen entscheiden Sie sich? Erläu-tern Sie die Gründe für Ihre Entscheidung.

Gruppenprojekt: Analyse eines Informationssystems

Suchen Sie in einer Dreier- oder Vierergruppe ge-meinsam mit Studienkollegen in einem Computer-oder Wirtschaftsmagazin nach einer Beschreibungeines in einem Unternehmen verwendeten Informa-tionssystems. Suchen Sie im Internet nach Informa-tionen zu dieser Firma, um sie eingehender kennenzu lernen, und beschreiben Sie das Unternehmenkurz. Beschreiben Sie das gewählte System undanalysieren Sie hierbei die Eingaben, die Verarbei-tung und die Ausgaben von Daten. Beurteilen Sieorganisationsbezogene, managementbezogene undtechnische Merkmale des Systems und gehen Sieauf dessen Bedeutung für das Unternehmen ein.Verwenden Sie, wenn möglich, eine Präsentations-software zur Präsentation der Analyseergebnisse.

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Fallstudie: Herman Miller – Informationssysteme am Scheideweg

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Fallstudie: Herman Miller – Informationssysteme am Scheideweg

Herman Miller ist ein führendernordamerikanischer Herstellervon Büromöbeln, der bekannt istfür sein hochwertiges, innovati-ves Design von Büroeinrichtun-gen für Wirtschaftsunternehmen,öffentliche Verwaltungen, privateBüros sowie Krankenhäuser undArztpraxen. Die Produktpalettedieses Herstellers umfasst Büro-möbelsysteme und -zubehör, frei-stehende Möbel, Ablage- undAufbewahrungssysteme, Lampenund Beleuchtungssysteme, Texti-lien, Büroschränke aus Holz undergonomische Möbel. Die Firma,deren Zentrale sich in Zeeland,Michigan, USA befindet, produ-ziert ihre Produkte in den USA,in Großbritannien und Italien. Zuihren Hauptkonkurrenten zählendie Firmen Steelcase und Ha-worth, die beide ebenfalls ihrenHauptsitz in Michigan, USA ha-ben, und HON Industries, einHersteller preisgünstiger Büro-möbel aus Iowa, USA.

Die Firma Herman Miller ver-treibt ihre Produkte weltweit überein Netz von Vertriebsmitarbeiternund Händlern, die über Fach-kenntnisse und Erfahrung im Ver-trieb der komplexen Produktpalet-te der Firma verfügen. Ebenso wieSteelcase und Haworth bestehtMiller auf semiexklusiven Händ-lerbeziehungen: Miller-Händlerdürfen keine Steelcase- oderHaworth-Produkte verkaufen, abersie dürfen kleinere Hersteller-firmen repräsentieren. (Die FirmaHON erlaubt es jedem Händleroder Warenhaus, ihre Produkte zuverkaufen.)

Herman Miller wurde 1928 fürdie Fertigung und den Vertriebvon Büromöbeln gegründet. Mitden Jahren hat sich der Schwer-punkt vom Vertrieb einzelner Mö-belstücke oder kleinen Gruppenvon Möbelstücken auf die Aus-stattung kompletter Büros verla-

gert, wobei die Spezifikationenfür die Einrichtung der Arbeits-plätze, für Schreibtische undStühle häufig Teil eines architek-tonischen Planungsprozesses sind.In den 1990er Jahren wurde Her-man Miller für seine innovativenProdukte bekannt. Beispielswei-se war Herman Miller die ersteFirma, die Wandverkleidungssys-teme für Großraumbüros herstell-te, die Vorläufer der heutigen,durch verschiebbare Trennwändeabgegrenzten Arbeitsplatzkabi-nen. Auch heute ist die Firma inder Fertigung von „Systemmö-beln“ führend, womit Möbel ge-meint sind, in denen Netzwerk-und Stromkabel untergebrachtwerden können. Die Vertriebs-und Designmitarbeiter von Her-man Miller helfen den Kundendabei, ihre neue Büroeinrichtungzu entwerfen, und verkaufen die-sen Kunden dann alle dafür not-wendigen Möbel und Einrich-tungsgegenstände.

Herman Miller war insbesonderewährend der Hochkonjunktur derDot-com-Firmen erfolgreich, alsder Jahresumsatz der Firma in demim Juni 2001 endenden Finanzjahr2,2 Milliarden USD erreichte. Dievier davor liegenden Jahre erzieltedie Firma jeweils Jahresgewinnezwischen 128 Millionen USD und148 Millionen USD. Die Firma er-litt 2001/2002 einen herben Rück-schlag, als ihr Umsatz drastischsank (um 33,9 Prozent), als sichdie Dot-com-Explosion in eine rie-sige Dot-com-Pleite verwandelte.Die Möbel von Herman Millerwurden zu einem Symbol für über-mäßige Ausgaben, weil vieleDot-com-Firmen Millionen für dieEinrichtung eleganter Büros ver-schwendet hatten, bevor sie auchnur einen Cent verdienten. Als soviele Dot-com-Firmen in Konkursgingen, wurden riesige Mengen ankaum gebrauchten Herman-Miller-

Produkten zu Niedrigpreisen ver-steigert, so dass die Nachfragenach brandneuen Herman-Miller-Produkten stark sank. Die Firmamusste im Finanzjahr 2002 (das imJuni 2002 endete) einen Verlustvon 56 Millionen USD verbuchen.Roger Gunderson, ein Vertriebs-mitarbeiter, merkte dazu an: „Imheutigen Markt kämpfen wir umdas Überleben.“ Herman Millersenkte durch aggressive Sparmaß-nahmen die Kosten und machte inden ersten beiden Quartalen desFinanzjahrs 2003 (das im Juli 2002beginnt) wieder Gewinne.

Einer der wichtigsten Gründefür den Erfolg der Firma HermanMiller während ihrer sehr profi-tablen Jahre lag in der Entschei-dung, innovative dreidimensi-onale Designsoftware für denEntwurf und die Einrichtung derBüros ihrer Kunden zu verwen-den. Diese Software namensz-Axis versetzte mit leistungsfähi-gen Laptops ausgerüstete Ver-triebsmitarbeiter von HermanMiller in die Lage, die Kunden inihrem Büro zu besuchen, denLaptop an einen Beamer anzu-schließen und gemeinsam mitden Kunden die Einrichtung desneuen Büros zu entwerfen sowieden Entwurf in der weiterenZusammenarbeit mit den Kundenabzuändern. Am Ende des Ent-wurfs-/Vertriebsprozesses lud derVertriebsmitarbeiter den Kundenzu einer computerprojizierten,dreidimensionalen Rundreisedurch das geplante Büro ein. DerVertriebsmitarbeiter erzeugtedann eine Stückliste, die alle imPlan verwendeten Herman-Mil-ler-Produkte und deren Preiseenthielt. Wenn der Preis zu hochwar oder wenn die Konfigurationgeändert werden musste, konnteder Miller-Vertriebsmitarbeiter anOrt und Stelle Änderungen vor-nehmen, statt an einem anderen

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Tag mit neuen Zeichnungen undeiner neuen Preiskalkulation zu-rückkommen zu müssen. MitHilfe dieser Technik konnten dieVertriebsmitarbeiter häufig schonam ersten Tag einen Verkaufsab-schluss erzielen. Während des ge-samten Vorgangs konnte jedes De-tail des Büros entworfen werden,einschließlich der Arbeitsplatzab-trennungen, Schreibtische, Stühleund der elektrischen Anschlüsse.Gunderson sagte hierzu, „z-Axiswar der Grund, warum wir diemeisten dieser Aufträge bekamen;die anderen konnten einfachnicht so schnell arbeiten“. Nach-dem die Software weiter verbes-sert worden war, erforderte ihrEinsatz von den Benutzern kaumEinarbeitung und sie wurde kos-tenlos den etwas mehr als 150Händlern von Henry Miller zurVerfügung gestellt.

Vor der Einführung von z-Axisdurch Henry Miller basierte diegesamte Büromöbelbranche vor-wiegend auf manuellen Arbeits-prozessen, insbesondere der Büro-entwurf und der Produktvertrieb.Der Vertriebsmitarbeiter (der zu-gleich ein ausgebildeter Innen-einrichter war oder mit einemHerman Miller-Inneneinrichterzusammenarbeitete) traf sich mitdem Kunden und ging mit diesemverschiedene Ideen und Vorschlä-ge durch, was einen ganzen Tagdauern konnte. Ergebnis dieser Be-sprechung war ein vorläufiger Bü-roeinrichtungsentwurf, der einemHerman-Miller-Designteam über-geben wurde, das diesen Entwurfweiter ausarbeitete und Zeichnun-gen anfertigte. Als Nächstes ermit-telte ein Sachbearbeiter die Preisealler im Entwurf enthaltenen Arti-kel. Erst dann (nach einigen Tagenoder sogar Wochen) konnte derVertriebsmitarbeiter mit Zeich-nungen, Maßen und Preisen zumKunden zurückkehren. Für ge-wöhnlich ergaben sich in dieserBesprechung einige Änderungen,so dass der gesamte Vorgang wie-

derholt werden musste. „Es warein sehr zeitaufwändiger und kos-tenträchtiger Prozess“, sagte GaryMillard, der CEO von WoodenThumb, einem Einrichter undHersteller von Küchen mit Sitz inMilwaukee, Wisconsin. „Er [dermanuelle Ansatz] beschränkteauch unsere Wachstumsmöglich-keiten.“ z-Axis beschleunigte dengesamten Prozess dermaßen, dassdie Mitarbeiter von Herman Millerdamit Verkaufsabschlüsse indurchschnittlich 12 Tagen stattzuvor in 12 Wochen herbeiführenkonnten. Die Firma hatte sich mitSoftware, die sich nicht schnellund einfach nachmachen ließ,einen spürbaren Wettbewerbsvor-teil verschafft.

Herman Miller begann, z-Axiseinzusetzen, um eine quasi-unab-hängige Abteilung namens SQAzu unterstützen. SQA stand fürSimple, Quick und Affordable(einfach schnell und bezahlbar)und versprach einfachen Service,schnelle Lieferung und bezahlba-re Produkte. SQA konzentriertesich darauf, über ein vereinfach-tes Vertriebs- und Bestellverfah-ren kleinen, wachsenden Unter-nehmen ein Grundsortiment anhochwertigen Möbeln anzubie-ten und die Bestellungen schnellund zuverlässig zu erfüllen. MitSQA folgte man dem Vorbild vonDell, Inc., die im großen Stile Pro-dukte mit Erfolg nach Kunden-spezifikationen fertigten.

z-Axis war ursprünglich voneiner Firma in Seattle namensComputer Human Interaction(vormals Lembersky/Chi) für denHolzproduzenten WeyerhauserCo. entwickelt worden und solltedie Vermarktung von dessenHolzprodukten unterstützen, diezum Bau von Balkonen und In-nenausbauten verwendet wurden.Der Entwicklungsprozess warteuer, und als Weyerhauser keineMittel mehr zur Verfügung stellte,brauchten Lembersky/Chi einenanderen Investor für sein Projekt.

Man ging auf die Firma HermanMiller zu und bat sie, als Investorzu fungieren und Finanzmittelzur Verfügung zu stellen. Bix Nor-man, damals Präsident von SQA,sagt hierzu: „Es war einer dieserkomischen Zufälle: Ich suchtenach einer Technologie, die dieMöbelspezifikation erleichternsollte. Gleichzeitig hatten wireinen Geschäftsplan formuliert,der besagte, dass wir genau soetwas machen sollten.“ HermanMiller akzeptierte den Vorschlagvon Lembersky/Chi unter der Be-dingung, dass er Exklusivrechtefür die Verwendung der Softwareerhielt.

z-Axis wurde mit den Ferti-gungssystemen von SQA ver-knüpft und sollte eine schnelleund zuverlässige Produktion, dieAuftragsbearbeitung und denKundenservice fördern. Die Soft-ware stellte sicher, dass alle Be-standteile einer Bestellung entwe-der auf Lager waren oder von denLieferanten von Herman Millerschnell beschafft werden konn-ten. Zudem organisierte das Sys-tem die Fertigung automatisch, sodass sämtliche Teile rasch undvollständig zusammengebaut undgleichzeitig geliefert werdenkonnten, auch wenn sie an ver-schiedenen Standorten hergestelltwurden. Die Fertigstellungsdaten(einschließlich des Endpreisesund des Fertigstellungstermins)wurden bei der Auftragsannahmeautomatisch berechnet. Die Teileeiner Bestellung wurden gemein-sam und pünktlich geliefert. SQAhatte zum Ziel, dass alle Produkteinnerhalb einer Lieferzeit vonzwei Wochen (oder schneller) denKunden erreichten. Falls ein Be-standteil der Bestellung nicht ver-fügbar war, machte das Systemautomatisch den zuständigenMitarbeiter auf dieses Problemaufmerksam, der einschritt undsich um die Lösung dieses Prob-lems kümmerte, damit der Auf-trag pünktlich erfüllt werden

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konnte. z-Axis überprüfte sogarwährend des Entwurfsprozessesdie Korrektheit und Vollständig-keit der Bestellung, um den Fallauszuschließen, dass SQA-Händ-ler während des Aufbaus plötz-lich feststellen mussten, dasswichtige Teile nicht bestellt wor-den waren.

Ein Beispiel für den Einsatzund den Wert der z-Axis-Softwareist das Erlebnis von Daniel F.Morley, Präsident von BFI, einemunabhängigen Händler von Her-man Miller in Elisabeth, New Jer-sey. Herman Miller hatte geradedie Produktlinie Resolve vorge-stellt, die Arbeitplatzkabinendurch vertikale Träger ersetzt, andenen Schreibtische und Regaleeingehängt werden, die Arbeit-platzgruppen bilden. Morley sag-te, Resolve sei so anders gewesen,dass die Kunden davor zurück-schreckten. Allerdings kam danneine große Firma mit dem Planauf ihn zu, drei Standorte ineinem Standort zusammenzufas-sen. Der Konkurrent Steelcasehatte dem potenziellen Kundeneinen Entwurf gezeigt, mit dem188 Mitarbeiter im geplantenneuen Standort untergebrachtwerden konnten. Morley zeigtediesem potenziellen Kunden je-doch, dass sich mit Resolve be-quem 250 Mitarbeiter unterbrin-gen ließen. Morley sagte: „UnserVerkaufsargument war nicht derPreis, sondern die Platzersparnis,also die Einsparung an Raummie-te.“ Ausschlaggebend war die Fä-higkeit, mit dem Kunden zusam-men einen Entwurf anzufertigen,wobei der Kunde sofort eine sichdrehende, dreidimensionale An-sicht des Ergebnisses, einschließ-lich Preis und genauem Lieferter-min, betrachten kann.

In einem anderen Beispiel er-fuhr Frank Falsetti, ein für einenHändler in Milwaukee, Wiscon-sin, tätiger Vertriebsmitarbeiter,dass eine örtliche Baufirma na-mens TDI neue Büroräume bezog

und für die Büromöbel, die sie beiHome Depot einkaufen wollte,ein Budget von 15.000 USD ein-geplant hatte. Falsetti sah diePläne von TDI und arbeitete inder nächsten Nacht acht Stundenlang mit z-Axis an einer besserenAlternative. Er stellte seinen Plandann in einer dreidimensionalenDarstellung dem potenziellenKunden vor. Der Preis von Falset-tis Entwurf lag bei 30.000 USDund umfasste auch die Kosten fürdie Verkabelung. TDI war vondiesem Entwurf aber so angetan,dass die Firma schließlich etwa80.000 USD für Herman-Miller-Produkte ausgab. Falsetti sagtespäter: „Besonders schön war andieser Sache, dass ich mit einemVerkäufer von Haworth konkur-rierte, der sich bereits vor mir umdiesen Auftrag bemüht hatte.“ Ersagte, der Haworth-Verkäuferhatte ein Angebot abgegeben, dasaber nicht überzeugt hatte. „Siesind die Einzelheiten nie sogenau durchgegangen, wie ich esmit z-Axis konnte, wodurch ichden Besitzer überzeugen konn-te.“ Dennis Dederich, ein Vor-stand von TDI stellte fest: „Wennman sich Büromöbel nur ineinem Katalog ansieht, dann kannman sich manchmal schwer vor-stellen, wie diese in den eigenenBüroräumen aussehen.“

Durch das System wird auch derLagerbestand der Firma HermanMiller minimiert, was Platz undKosten spart. David Bovet vonMercer Management Consulting,Koautor eines Buchs, das behan-delt, wie sich durch eine feinereAuflösung der Wertschöpfungs-kette verborgene Profite erschlie-ßen lassen, merkte an, dass dieBüromöbelbranche ein viel größe-res Produktsortiment und vielfälti-gere Möglichkeiten als die IT-Bran-che bieten würde (ein Verweis aufden Vertriebsansatz von Dell). Erkam zu dem Schluss, dass SQAherausgefunden hätte, wie sich derProzess für den Kunden vereinfa-

chen und beschleunigen und fürdie Firma effizient gestalten ließe.Das Mutterunternehmen HermanMiller war so beeindruckt und zu-frieden, dass z-Axis auch im übri-gen Unternehmen eingeführt wur-de. 1998 wurde SQA dann in dasMutterunternehmen integriert. z-Axis unterstützt einen erweitertenProduktkatalog, der alle paar Mo-nate aktualisiert wird. SQA kannsowohl großen Unternehmen maß-geschneiderte Designs als auchkleinen Firmen einfache, schnelleund bezahlbare Lösungen anbie-ten.

Als die Firma Herman Millerdurch die Dot-com-Pleite schwereEinbußen erlitt, hatte sie ernsteProbleme. Die Ausgaben warenzu hoch in Anbetracht der gesun-kenen Umsatzerlöse. Die Firmamusste zwangsläufig die Ausga-ben senken, um wieder in dieGewinnzone zu gelangen. DieÜberreste von SQA wurden ge-schlossen. Herman Miller bauteweltweit mehr als 2.500 Stellenab, auch einige Stellen im BereichInformationssysteme. Die Firmaschloss ebenso ihre Einzelhan-dels-Website RED und stellte dieProduktion der speziellen Mö-belserie ein, die über die Websitevertrieben wurde. Kunden kön-nen aber noch einige reguläreProdukte in geringen Stückzahlenüber die offizielle Firmen-Web-site von Herman Miller kaufen.Die RED-Website, die ein interes-santer Vertriebskanal zu seinschien, erwies sich in Betrieb undWartung als teuer (4 MillionenUSD pro Jahr, als sie gerade an-fing, Gewinne zu machen) undwurde aufgelöst. Die Websitehatte zu ernsten Problemen mitden Händlern von Herman Millergeführt. Sie zog viele Kunden anund wurde zu einer neuen Alter-native für Kunden, Produkte zubestellen. Dabei wurden dieHändler umgangen und sie muss-ten beträchtliche Geschäftseinbu-ßen hinnehmen. Verschlimmert

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wurde die Sache noch dadurch,dass sich potenzielle Kunden on-line über bestimmte Artikel infor-mierten, dann zu einem Händlergingen und die Produkte dort aus-probierten, bevor sie wieder anihren PC zurückkehrten, um dieArtikel online zu bestellen.

Einige Konkurrenten von Her-man Miller erkannten das Prob-lem früher und vermieden On-line-Verkäufe. „Wir sind unserenHändlern als Distributionspart-ner treu geblieben“, erklärte JeffEnglish, der bei Haworth für glo-bale Informationssystemprozessezuständige Manager. Nach Aus-sage von Ken Tamelin, der beiSteelcase für e-Tools verantwort-lich ist, benutzt die Firma Steel-case ihre Website, um ihre Händ-ler zu unterstützen, und nicht,um mit ihnen zu konkurrieren.Michael Volkema, der CEO vonHerman Miller, hatte das Web je-doch als Risiko erachtet, das sicheinzugehen lohnt, weil Kundendamit neue Serviceangebote zurVerfügung gestellt werden. DerKonflikt mit den Händlern wurdeaber zu ernst und Herman Millerstellte den Betrieb der RED-Web-site im Rahmen ihrer Sparmaß-nahmen in den Jahren 2001 und2002 schließlich ein.

Die Firma richtete als Alternati-ve eine neue Website namens eZ-Connect für Großkunden ein. Diedort eingegebenen Bestellungenwurden jedoch an das Händler-netzwerk und nicht direkt an Her-man Miller weitergeleitet. DieFirma Herman Miller gab ihrenHändlern zudem die Möglichkeit,ein gemeinsames Paket an Ge-schäftsanwendungen zu überneh-men. Dies versetzte die Händlerin die Lage, die unterschiedlicheFinanz-, Projekt- und Auftrags-verwaltungssoftware durch eineinheitliches, auf Inneneinrich-tung zugeschnittenes System zuersetzen und diesen Geschäfts-zweig auszubauen.

Die Geschäftsführung musste sichauch mit den hohen Ausgaben fürInformationssysteme beschäftigenund überlegen, wo hier gespartwerden könnte. Es kostete dieFirma mehrere Millionen Dollarim Jahr, alleiniger Investor von z-Axis zu sein. In der Zwischenzeitstanden den Konkurrenten vonHerman Miller zu viel geringerenKosten kommerzielle Softwarepa-kete mit einem ähnlichen Funkti-onsumfang wie z-Axis zur Verfü-gung. In den vergangenen Jahrenhat sich die Qualität der von derKonkurrenz verwendeten Softwa-re erheblich verbessert, insbeson-dere Giza, ein von 20-20 Techno-logies aus Montreal, Kanada,entwickeltes Paket.

Die Herman-Miller-Händlermöchten weiterhin mit z-Axis ar-beiten und behaupten, das Pro-gramm sei einfacher zu bedienenund man könne darin auch besserals mit anderen Paketen Regelndefinieren, welche Artikel zusam-menpassen und welche nicht.Auf einer Möbelmesse wurdekürzlich eine neue Version vonGiza namens 20-20 Office Designvorgestellt und dort mit demPreis „Best of Show“ ausgezeich-net. Die Firma Kimball Internatio-nal mit Sitz in Jaspar, Indiana,sagt, sie werde dieses Produkt inderselben Weise einsetzen wieHerman Miller z-Axis verwendet.Diese Software kann an viele Fir-men verkauft werden, weil sie dieKataloge vieler verschiedenerHersteller unterstützt und Händ-lern somit Flexibilität ermöglicht.Zudem versetzt sie den Benutzerin die Lage, die dreidimensionaleDarstellung eines Entwurfs mitMustern und Farben auszu-schmücken, die den Wänden undTeppichen entsprechen. Mankann sogar Topfpflanzen hinzufü-gen, um den Entwurf „wohn-licher“ zu gestalten.

z-Axis besitzt diese Funktio-nen nicht, und es würde u.U. Mil-lionen von Dollar kosten, sie hin-

zuzufügen. Herman Miller wirdsich entscheiden müssen, ob essich lohnt, weiterhin die hohenKosten der Wartung einer exklusi-ven Technik zu tragen, insbeson-dere in den mageren Zeiten, indenen das Budget für die Be-triebsaufwendungen gekürztwird. Bill Rosser, Vice Presidentder Gartner Group und deren For-schungsleiter sagte: „Es kommtein Punkt, an dem es sich kaummehr auszahlt, der Konkurrenzvoraus zu sein.“ Herr Bovet vonMercer Management glaubt je-doch, dass die Konkurrenz Her-man Miller schwerlich überholenkann, weil das System von Her-man Miller als Ganzes brillantkonzipiert ist. Er argumentierte,dass die neuere Software zwar ei-nige Funktionen von z-Axis undweitere neue Funktionen aufwie-se, dass z-Axis aber den Vertriebdirekt mit den Fertigungs- undLogistiksystemen von HermanMiller verknüpfe.

Quellen: David F. Carr, „HermanMiller Reassembles“, Baseline,17. Januar 2003 und „HermanMiller’s Conflicted Dealers“, Ba-seline, 17. Januar 2003; DavidCarr, „Gotcha! Creating EffectiveVisual Sales Tools“, Baseline,1. Januar 2003; Regina Kwon,„Processes: Herman Miller CaseDissection“, Baseline, 28. Januar2003; Mel Duvall, „Look WhatThree-Dimensional Design Soft-ware Is Cookin“, Baseline, 1. Ja-nuar 2003; www.hermanmiller.com,Stand 20. September 2003 undAntone Gonsalves, „SimplifyingProduct Customization“, Informa-tionWeek.com, 24. Dezember2001.

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Fallstudie: Herman Miller – Informationssysteme am Scheideweg

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Fragen zur Fallstudie:

1 Beurteilen Sie, welche Rolledie Informationssysteme inder Geschäftstätigkeit vonHerman Miller spielen. Wiewichtig sind die Informati-onssysteme?

2 Erläutern Sie, warum z-Axisin der Möbelindustrie einenwichtigen Fortschritt bedeu-tete. In welcher Weise hatdas System zur Wertschöp-fung von Herman Miller bei-getragen?

3 Konnte sich Herman Millerdurch z-Axis einen Wett-bewerbsvorteil verschaffen?Begründen Sie Ihre Antwort.

4 Sollte Herman Miller weiter-hin in z-Axis investieren?Nennen Sie Gründe, die da-für oder dagegen sprechen.

5 Welche Managementproble-me veranschaulicht dieseFallstudie? Erläutern SieIhre Antwort.

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