Wittgenstein, Ludwig - Über Gewißheit

Embed Size (px)

Citation preview

  • Ludwig Wittgenstein

    ber GewiheitHerausgegeben von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright

    Gertrud Margaret Elisabeth Anscombe + Georg Hendrik Wright

    Die Texte dieses Buches wurden in den Jahren 1949-1959 von Ludwig Wittgensteindeutsch geschrieben. Die erste Verffentlichung erschien zweisprachig: ber Gewi-heit. On Certainty. Edited by G. E. M. Anscombe and G. H. von Wright. Basil Black-well, Oxford 1969. Fr unsere Ausgabe wurde der Text in Zusammenarbeit mit RushRhees nue durchgesehen.Erste Auflage: 1970Copyright Basil Blackwell, Oxford 1969Alle Rechte an der deutschen Ausgabe beim Suhrkamp Verlag,Frankfurt am Main 1970

  • 2VorwortWas wir hier verffentlichen, gehrt in die letzten anderthalb Jahre von WittgensteinsLeben. Mitte 1949 besuchte er auf Norman Malcolms Einladung hin die VereinigtenStaaten; er wohnte in dessen Haus in Ithaca. Malcolm gab ihm neuen Antrieb, sich mitMoores defence of common sense (Verteidigung des gesunden Menschenverstands)zu beschftigen, d. h. mit seiner Behauptung, von einer Anzahl von Stzen wisse er mitSicherheit, da sie wahr seien; z. B.: Hier ist eine Hand und hier eine zweite, DieErde bestand lange Zeit vor meiner Geburt und Ich habe mich niemals weit von derErdoberflche entfernt. Der erste dieser Stze ist aus Moores Proof of the ExternalWorld, die beiden andern aus seiner Schrift Defence of Common Sense; diese hatteWittgenstein schon seit langem interessiert, und er hatte zu Moore gesagt, dies sei seinbester Aufsatz. Moore stimmte dem zu. Das Buch, das wir hier vorlegen, enthlt alles,was Wittgenstein von jener Zeit bis zu seinem Tod zu diesem Thema schrieb. Es bestehtganz aus ersten Aufzeichnungen; er kam nicht mehr dazu, dieses Material zu sichtenund zu berarbeiten.Die Aufzeichnungen gliedern sich in vier Teile; wir haben die Aufteilung bei 65, 192 und 299 angezeigt. Der unseres Erachtens frheste Teil stand ohne Datenangabe auf zwanzig losen Blttern linierten Kanzleipapiers. Diese hinterlie Wittgenstein inseinem Zimmer in G. E. M. Anscombes Haus in Oxford, wo er (abgesehen von einerFahrt nach Norwegen im Herbst) von April 1950 bis Februar 1951 wohnte. Ich (G. E.M. A.) habe den Eindruck, da er sie in Wien geschrieben hatte, wo er sich von Weih-nachten 1949 bis zum folgenden Mrz aufhielt; aber ich kann mich jetzt nicht daran er-innern, worauf dieser Eindruck zurckgeht. Das brige fand sich in kleinen Notizb-chern und enthlt Daten; gegen Ende ist das Datum der Niederschrift sogar immer an-gegeben. Die letzte Eintragung liegt zwei Tage vor seinem Tod am 29. April 1951. Wirhaben die Daten ganz so belassen, wie sie in den Manuskripten etscheinen. Die Nume-rierung der einzelnen Abschnitte jedoch rhrt von den Herausgebern her.Es schien angemessen, diese Arbeit fr sich zu verffentlichen. Sie ist keine Auswahl;in Wittgensteins Notizbchern erscheint sie als gesondertes Thema, mit dem er sich an-scheinend in vier voneinander getrennten Perioden whrend jener anderthalb Jahre be-fate. Die Arbeit stellt eine einzige zusammenhngende Behandlung ihres Gegenstandesdar.

    G. E. M. AnscombeG. H. von Wright

  • 3

  • 41. Wenn du weit, da hier eine Hand1 ist, so geben wir dir alles brige zu.(Sagt man, der und der Satz lasse sich nicht beweisen, so heit das natrlich nicht, daer sich nicht aus andern herleiten lt; jeder Satz lt sich aus andern herleiten. Aberdiese mgen nicht sicherer sein als er selbst.) (Dazu eine komische Bemerkung H. Ne-wmans.)2. Da es mir oder Allen so scheint, daraus folgt nicht, da es so ist.Wohl aber lt sich fragen, ob man dies sinnvoll bezweifeln kann.3. Wenn z. B. jemand sagt Ich wei nicht, ob da eine Hand ist, so knnte man ihmsagen Schau nher hin. Diese Mglichkeit des Sichberzeugens gehrt zumSprachspiel. Ist einer seiner wesentlichen Zge.4. Ich wei, da ich ein Mensch bin. Um zu sehen, wie unklar der Sinn des Satzes ist,betrachte seine Negation. Am ehesten noch knnte man ihn so auffassen: Ich wei, daich die menschlichen Organe habe. (Z. B. ein Gehirn, welches doch noch niemand ge-sehen hat.) Aber wie ist es mit einem Satze wie Ich wei, da ich ein Gehirn habe?Kann ich ihn bezweifeln? Zum Zweifeln fehlen mir die Grnde! Es spricht alles dafr,und nichts dagegen. Dennoch lt sich vorstellen, da bei einer Operation mein Schdelsich als leer erwiese.5. Ob sich ein Satz im Nachhinein als falsch erweisen kann, das kommt auf die Be-stimmungen an, die ich fr diesen Satz gelten lasse.6. Kann man nun (wie Moore) aufzhlen, was man wei? So ohne weiteres, glaube ich,nicht. Es wird nmlich sonst das Wort Ich wei gemibraucht. Und durch diesenMibrauch scheint sich ein seltsamer und hchst wichtiger Geisteszustand zu zeigen.7. Mein Leben zeigt, da ich wei oder sicher bin, da dort ein Sessel steht, eine Tr istusf. Ich sage meinem Freunde z. B. Nimm den Sessel dort, Mach die Tr zu, etc.,etc.8. Der Unterschied des Begriffs wissen vom Begriff sicher sein ist gar nicht vongroer Wichtigkeit, auer da, wo Ich wei heien soll: Ich kann mich nicht irren. ImGerichtssaal z. B. knnte in jeder Zeugenaussage statt Ich wei Ich bin sicher ge-sagt werden. Ja, man knnte es sich denken, da das Ich wei dort verboten wre.[Eine Stelle im Wilhelm Meister, wo Du weit oder Du wutest im Sinne Duwarst sicher gebraucht wird, da es sich anders verhielt, als er wute.]9. Bewhre ich nun im Leben, da ich wei, da da eine Hand (nmlich meine Hand)ist?10. Ich wei, da hier ein kranker Mensch liegt? Unsinn! Ich sitze an seinem Bett,schaue aufmerksam in seine Zge. So wei ich also nicht, da da ein Kranker liegt? Es hat weder die Frage noch die Aussage Sinn. So wenig wie die: Ich bin hier, die ichdoch jeden Moment gebrauchen knnte, wenn sich die passende Gelegenheit dazu erg-be. So ist also auch 2 x 2 = 4 Unsinn und kein wahrer arithmetischer Satz, auer beibestimmten Gelegenheiten? 2 x 2 = 4 ist ein wahrer Satz der Arithmetik nicht beibestimmten Gelegenheiten noch immer aber die Laut- oder Schriftzeichen 2 x 2= 4 knnten im Chinesischen eine andere Bedeutung haben oder aufgelegter Unsinnsein, woraus man sieht: nur im Gebrauch hat der Satz Sinn. Und Ich wei, da hier einKranker liegt, in der unpassenden Situation gebraucht, erscheint nur darum nicht alsUnsinn, vielmehr als Selbstverstndlichkeit, weil man sich verhltnismig leicht einefr ihn passende Situation vorstellen kann und weil man meint, die Worte Ich wei,da ... seien berall am Platz, wo es keinen Zweifel gibt (also auch dort, wo der Aus-druck des Zweifels verstndlich wre).11. Man sieht eben nicht, wie sehr spezialisiert der Gebrauch von Ich wei ist.

  • 512. Denn Ich wei ... scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewuteals Tatsache verbrgt. Man vergit eben immer den Ausdruck Ich glaubte, ich wtees.13. Es ist nmlich nicht so, da man aus der uerung des Andern Ich wei, da es soist den Satz Es ist so schlieen knnte. Auch nicht aus der uerung und daraus,da sie keine Lge ist. Aber kann ich nicht aus meiner uerung Ich wei etc.schlieen Es ist so? Doch, und aus dem Satz Er wei, da dort eine Hand ist folgtauch Dort ist eine Hand. Aber aus seiner uerung Ich wei ... folgt nicht, er wissees.14. Es mu erst erwiesen werden, da ers wei.15. Da kein Irrtum mglich war, mu erwiesen werden. Die Versicherung Ich weies gengt nicht. Denn sie ist doch nur die Versicherung, da ich mich (da) nicht irrenkann, und da ich mich darin nicht irre, mu objektiv feststellbar sein.16. Wenn ich etwas wei, so wei ich auch, da ichs wei, etc., kommt darauf hin-aus, Ich wei das heie Ich bin darin unfehlbar. Ob ich aber das bin, mu sich ob-jektiv feststellen lassen.17. Angenommen nun, ich sage Ich bin darin unfehlbar, da das ein Buch ist ichzeige dabei auf einen Gegenstand. Wie she hier ein Irrtum aus? Und habe ich davoneine klare Vorstellung?18. Ich wei es heit oft: Ich habe die richtigen Grnde fr meine Aussage. Wenn al-so der Andre das Sprachspiel kennt, so wrde er zugeben, da ich das wei. Der Andremu sich, wenn er das Sprachspiel kennt, vorstellen knnen, wie man so etwas wissenkann.19. Die Aussage Ich wei, da hier eine Hand ist kann man also so fortsetzen, es istnmlich meine Hand, auf die ich schaue. Dann wird ein vernnftiger Mensch nichtzweifeln, da ichs wei. Auch der Idealist nicht; sondern er wird sagen, um denpraktischen Zweifel, der beseitigt ist, habe es sich ihm nicht gehandelt, es gebe abernoch einen Zweifel hinter diesem. Da dies eine Tuschung ist, mu auf andre Weisegezeigt werden.20. Die Existenz der ueren Welt bezweifeln heit ja nicht, z. B., die Existenz einesPlaneten bezweifeln, welche spter durch Beobachtung bewiesen wird. Oder willMoore sagen, das Wissen, hier sei seine Hand, ist von andrer Art als das, es gebe denPlaneten Saturn? Sonst knnte man den Zweifelnden auf die Entdeckung des PlanetenSaturn hinweisen und sagen, seine Existenz sei nachgewiesen worden, also auch dieExistenz der ueren Welt.21. Moores Ansicht luft eigentlich darauf hinaus, der Begriff wissen sei den Begrif-fen glauben, vermuten, zweifeln, berzeugt sein darin analog, da die Aussa-ge Ich wei ... kein Irrtum sein knne. Und ist es so, dann kann aus einer uerungauf die Wahrheit einer Behauptung geschlossen werden. Und hier wird die Form Ichglaubte zu wissen bersehen. Soll aber diese nicht zugelassen werden, dann mu einIrrtum auch in der Behauptung logisch unmglich sein. Und dies mu einsehen, wer dasSprachspiel kennt; die Versicherung des Glaubwrdigen, er wisse es, kann ihm dabeinicht helfen.22. Es wre doch merkwrdig, wenn wir dem Glaubwrdigen glauben mten, der sagtIch kann mich nicht irren; oder dem, der sagt Ich irre mich nicht.

  • 623. Wenn ich nicht wei, ob Einer zwei Hnde hat (z. B., ob sie ihm amputiert wordensind oder nicht), werde ich ihm die Versicherung, er habe zwei Hnde, glauben, wenn erglaubwrdig ist. Und sagt er, er wisse es, so kann mir das nur bedeuten, er habe sich da-von berzeugen knnen, seine Arme seien also z. B. nicht noch von Decken und Ver-bnden verhllt, etc., etc. Da ich dem Glaubwrdigen hier glaube, kommt daher, daich ihm die Mglichkeit, sich zu berzeugen, zugestehe. Wer aber sagt, es gbe (viel-leicht) keine physikalischen Gegenstnde, tut das nicht.24. Die Frage des Idealisten wre etwa so: Mit welchem Recht zweifle ich nicht an derExistenz meiner Hnde? (Und darauf kann die Antwort nicht sein: Ich wei, da sieexistieren.) Wer aber so fragt, der bersieht, da der Zweifel an einer Existenz nur ineinem Sprachspiel wirkt. Da man also erst fragen msse: Wie she so ein Zweifel aus?und es nicht so ohne weiteres versteht.25. Auch darin, da hier eine Hand ist, kann man sich irren. Nur unter bestimmtenUmstnden nicht. Auch in einer Rechnung kann man sich irren nur unter gewissenUmstnden nicht.26. Aber kann man aus einer Regel ersehen, unter welchen Umstnden ein Irrtum in derVerwendung der Rechenregeln logisch ausgeschlossen ist?Was ntzt uns so eine Regel? Knnten wir uns bei ihrer Anwendung nicht (wieder) ir-ren?27. Wollte man aber dafr etwas Regelartiges angeben, so wrde darin der Ausdruckunter normalen Umstnden vorkommen. Und die normalen Umstnde erkennt man,aber man kann sie nicht genau beschreiben. Eher noch eine Reihe von abnormalen.28. Was ist eine Regel lernen? Das.Was ist einen Fehler in ihrer Anwendung machen? Das. Und auf was hier gewiesenwird, ist etwas Unbestimmtes.29. Das ben im Gebrauch der Regel zeigt auch, was ein Fehler in ihrer Verwendungist.30. Wenn Einer sich berzeugt hat, so sagt er dann: Ja, die Rechnung stimmt, aber erhat das nicht aus dem Zustand seiner Gewiheit gefolgert. Man schliet nicht auf denTatbestand aus der eigenen Gewiheit.Die Gewiheit ist gleichsam ein Ton, in dem man den Tatbestand feststellt, aber manschliet nicht aus dem Ton darauf, da er berechtigt ist.31. Die Stze, zu denen man, wie gebannt, wieder und wieder zurckgelangt, mchteich aus der philosophischen Sprache ausmerzen.32. Es handelt sich nicht darum, da Moore wisse, es sei da eine Hand, sondern darum,da wir ihn nicht verstnden, wenn er sagte Ich mag mich natrlich darin irren. Wirwrden fragen: Wie she denn so ein Irrtum aus? z. B. die Entdeckung aus, da esein Irrtum war?33. Wir merzen also die Stze aus, die uns nicht weiterbringen.34. Wem man das Rechnen beibringt, wird dem auch beigebracht, er knne sich auf ei-ne Rechnung des Lehrers verlassen? Aber einmal mten doch diese Erklrungen einEnde haben. Wird ihm auch beigebracht, er knne sich auf seine Sinne verlassen weilman ihm allerdings in manchen Fllen sagt, man knne sich in dem und dem besonde-ren Fall nicht auf sie verlassen? Regel und Ausnahme.

  • 735. Aber kann man sich nicht vorstellen, es gbe keine physikalischen Gegenstnde? Ichwei nicht. Und doch ist Es gibt physikalische Gegenstnde Unsinn. Soll es ein Satzder Erfahrung sein? Und ist das ein Erfahrungssatz: Es scheint physikalische Gegen-stnde zu geben?36. Die Belehrung A ist ein physikalischer Gegenstand geben wir nur dem, der ent-weder noch nicht versteht, was A bedeutet, oder was physikalischer Gegenstandbedeutet. Es ist also eine Belehrung ber den Gebrauch von Worten und physikalischerGegenstand, ein logischer Begriff. (Wie Farbe, Ma, ...) Und darum lt sich ein SatzEs gibt physikalische Gegenstnde nicht bilden.Solchen verunglckten Versuchen begegnen wir aber auf Schritt und Tritt.37. Ist es aber eine gengende Antwort auf die Skepsis der Idealisten oder die Versiche-rungen der Realisten [zu sagen, da der Satz] Es gibt physikalische Gegenstnde Un-sinn ist? Fr sie ist es doch nicht Unsinn. Eine Antwort wre aber: diese Behauptung,oder ihr Gegenteil, sei ein fehlgegangener Versuch (etwas) auszudrcken, was so nichtauszudrcken ist. Und da er fehlgeht, lt sich zeigen; damit ist aber ihre Sache nochnicht erledigt. Man mu eben zur Einsicht kommen, da das, was sich uns als ersterAusdruck einer Schwierigkeit oder ihrer Beantwortung anbietet, noch ein ganz falscherAusdruck sein mag. So wie der, welcher ein Bild mit Recht tadelt, zuerst oft da den Ta-del anbringen wird, wo er nicht hingehrt, und es eine Untersuchung braucht, um denrichtigen Angriffspunkt des Tadels zu finden.38. Das Wissen in der Mathematik. Man mu sich hier immer wieder an die Unwichtig-keit eines inneren Vorgangs oder Zustands erinnern und fragen Warum soll erwichtig sein? Was geht er mich an? Interessant ist es, wie wir die mathematischen St-ze gebrauchen.39. So rechnet man, unter solchen Umstnden behandelt man eine Rechnung als unbe-dingt zuverlssig, als gewi richtig.40. Auf Ich wei, da dort meine Hand ist kann die Frage folgen Wie weit du es?,und die Antwort darauf setzt voraus, da dies so gewut werden kann. Statt Ich wei,da dort meine Hand ist knnte man also sagen Dort ist meine Hand und hinzuf-gen, wie man es wei.41. Ich wei, wo ich den Schmerz empfinde, Ich wei, da ich ihn da empfinde istso falsch wie: Ich wei, da ich Schmerzen habe. Richtig aber: Ich wei, wo dumeinen Arm berhrt hast.42. Man kann sagen Er glaubt es, aber es ist nicht so, nicht aber Er wei es, aber esist nicht so. Kommt dies von der Verschiedenheit der Seelenzustnde des Glaubensund des Wissens? Nein. Seelenzustand kann man etwa nennen, was sich im Ton derRede, in der Gebrde etc. ausdrckt. Es wre also mglich, von einem seelischen Zu-stand der berzeugtheit zu reden; und der kann der gleiche sein, ob gewut oder flsch-lich geglaubt wird. Zu meinen, den Worten glauben und wissen mten verschie-dene Zustnde entsprechen, wre so, als glaubte man, dem Worte ich und dem Na-men Ludwig mten verschiedene Menschen entsprechen, weil die Begriffe ver-schieden sind.43. Was fr ein Satz ist dies: Wir knnen uns in 12 x 12 = 144 nicht verrechnet ha-ben? Es mu doch ein Satz der Logik sein. Aber ist er nun nicht derselbe, oderkommt [es] auf das gleiche hinaus, wie die Feststellung 12 x 12 = 144?44. Forderst du eine Regel, aus der hervorgeht, da man sich hier nicht knne verrech-net haben, so ist die Antwort, da wir dies nicht durch eine Regel gelernt haben, son-dern dadurch, da wir rechnen lernten.45. Das Wesen des Rechnens haben wir beim Rechnenlernen kennengelernt.

  • 846. Aber lt sich denn nicht beschreiben, wie wir uns von der Verllichkeit einerRechnung berzeugen? O doch! Aber eine Regel kommt dabei eben nicht zum Vor-schein. Das wichtigste aber ist: Es braucht die Regel nicht. Es geht uns nichts ab. Wirrechnen nach einer Regel, das ist genug.47. So rechnet man. Und Rechnen ist dies. Das, was wir z. B. in der Schule lernen. Ver-gi diese transzendente Sicherheit, die mit deinem Begriff des Geistes zusammenhngt.48. Man knnte aber doch aus einer Menge von Rechnungen gewisse als ein fr allemalzuverlssig, andre als noch nicht feststehend bezeichnen. Und ist das nun eine logischeUnterscheidung?49. Aber bedenk: auch wenn mir die Rechnung feststeht, ist es nur eine Entscheidung zueinem praktischen Zweck.50. Wann sagt man, Ich wei, da ... x ... = ...? Wenn man die Rechnung geprft hat.51. Was ist das fr ein Satz: Wie she denn hier ein Fehler aus!? Es mte ein logi-scher Satz sein. Aber es ist eine Logik, die nicht gebraucht wird, weil, was sie lehrt,nicht durch Stze gelehrt wird. Es ist ein logischer Satz, denn er beschreibt ja die be-griffliche (sprachliche) Situation.52. Diese Situation ist also nicht dieselbe fr einen Satz wie In dieser Entfernung vonder Sonne existiert ein Planet und Hier ist eine Hand (nmlich die meine). Man kannden zweiten keine Hypothese nennen. Aber es gibt keine scharfe Grenze zwischen ih-nen.53. Man knnte also Moore recht geben, wenn man ihn so deutet, da ein Satz, der sagt,da sei ein physikalischer Gegenstand, eine hnliche logische Stellung haben kann wieeiner, der sagt, da sei ein roter Fleck.54. Es ist nmlich nicht wahr, da der Irrtum vom Planeten zu meiner eigenen Hand nurimmer unwahrscheinlicher werde. Sondern er ist an einer Stelle auch nicht mehr denk-bar.Darauf deutet schon, da es sonst auch denkbar sein mte, da wir uns in jeder Aussa-ge ber physikalische Gegenstnde irrten, da alle, die wir je machen, falsch sind.55. Ist also die Hypothese mglich, da es alle die Dinge in unserer Umgebung nichtgibt? Wre sie nicht wie die, da wir uns in allen Rechnungen verrechnet haben?56. Wenn man sagt Vielleicht gibt es diesen Planeten nicht und die Lichterscheinungkommt anders zustande, so braucht man doch ein Beispiel eines Gegenstandes, den esgibt. Es gibt ihn nicht, wie z. B. ...Oder soll man sagen, da die Sicherheit nur ein konstruierter Punkt ist, dem sich man-ches mehr, manches weniger nhert? Nein. Der Zweifel verliert nach und nach seinenSinn. So ist eben dieses Sprachspiel.Und zur Logik gehrt alles, was ein Sprachspiel beschreibt.57. Knnte nun Ich wei, ich vermute nicht nur, da hier meine Hand ist, knnte dasnicht als grammatischer Satz aufgefat werden? Also nicht temporal. Aber ist er dann nicht wie der: Ich wei, ich vermute nicht nur, da ich Rot sehe?Und ist die Konsequenz Also gibt es physikalische Gegenstnde nicht wie die Alsogibt es Farben?58. Wird Ich wei etc. als grammatischer Satz aufgefat, so kann natrlich das Ichnicht wichtig sein. Und es heit eigentlich Es gibt in diesem Falle keinen Zweifeloder Das Wort Ich wei nicht hat in diesem Falle keinen Sinn. Und daraus folgtfreilich auch, da Ich wei keinen hat.

  • 959. Ich wei ist hier eine logische Einsicht. Nur lt sich der Realismus nicht durchsie beweisen.60. Es ist falsch zu sagen, da die Hypothese, dies sei ein Stck Papier, durch sptereErfahrung besttigt oder entkrftet wrde, und da, in Ich wei, da das ein Stck Pa-pier ist, das Ich wei sich entweder auf eine solche Hypothese bezieht oder auf einelogische Bestimmung.61. ... Eine Bedeutung eines Wortes ist eine Art seiner Verwendung.Denn sie ist das, was wir erlernen, wenn das Wort zuerst unserer Sprache einverleibtwird.62. Darum besteht eine Entsprechung zwischen den Begriffen Bedeutung und Re-gel.63. Stellen wir uns die Tatsachen anders vor als sie sind, so verlieren gewisse Sprach-spiele an Wichtigkeit, andere werden wichtig. Und so ndert sich, und zwar allmhlich,der Gebrauch des Vokabulars der Sprache.64. Die Bedeutung eines Worts vergleiche mit der Funktion eines Beamten. Undverschiedene Bedeutungen mit verschiedenen Funktionen.65. Wenn sich die Sprachspiele ndern, ndern sich die Begriffe, und mit den Begriffendie Bedeutungen der Wrter.66. Ich mache Behauptungen die Wirklichkeit betreffend mit verschiedenen Graden derSicherheit. Wie zeigt sich der Grad der Sicherheit? Welche Konsequenzen hat er?Es kann sich z. B. um Sicherheit des Gedchtnisses oder der Wahrnehmung handeln.Ich mag meiner Sache sicher sein, aber wissen, welche Prfung mich eines Irrtumsberweisen knnte. Ich bin z. B. der Jahreszahl einer Schlacht ganz sicher, sollte ichaber in einem bekannten Geschichtswerk eine andere Jahreszahl finden, so wrde ichmeine Ansicht ndern und wrde dadurch nicht an allem Urteilen irre werden.67. Knnten wir uns einen Menschen vorstellen, der sich dort immer wieder irrt, wo wireinen Irrtum fr ausgeschlossen halten und ihm auch nicht begegnen?Er sagt z. B. mit derselben Sicherheit (und allen ihrer Zeichen) wie ich, er wohne dortund dort, sei soundso alt, komme von der und der Stadt, etc., irrt sich aber.Wie aber verhlt er sich dann zu diesem Irrtum? Was soll ich annehmen?68. Die Frage ist: Was soll der Logiker hier sagen?69. Ich mchte sagen: Wenn ich mich darin irre, so habe ich keine Gewhr, da irgendetwas, was ich sage, wahr ist. Aber ein Andrer wird das darum nicht von mir sagen,noch ich von einem Andern.70. Ich habe seit Monaten an der Adresse A gewohnt, den Straennamen und die Haus-nummer unzhlige Male gelesen, unzhlige Briefe hier erhalten und unzhligen Leutendie Adresse gegeben. Irre ich mich darin, so ist dieser Irrtum kaum geringer, als wennich (flschlich) glaubte, ich schriebe Chinesisch und nicht Deutsch.71. Wenn mein Freund sich eines Tages einbildete, seit langem da und da gelebt zu ha-ben, etc. etc., so wrde ich das keinen Irrtum nennen, sondern eine, vielleicht vorber-gehende, Geistesstrung.72. Nicht jeder flschliche Glaube dieser Art ist ein Irrtum.73. Was aber ist der Unterschied zwischen Irrtum und Geistesstrung? Oder wie unter-scheidet es sich, wenn ich etwas als Irrtum und als Geistesstrung behandle?74. Kann man sagen: Ein Irrtum hat nicht nur eine Ursache, sondern auch einen Grund?D. h. ungefhr: er lt sich in das richtige Wissen des Irrenden einordnen.

  • 10

    75. Wre das richtig: Wenn ich blo flschlich glaubte, da hier vor mir ein Tisch steht,so knnte das noch ein Irrtum sein; wenn ich aber flschlich glaube, da ich diesen odereinen solchen Tisch seit mehreren Monaten tglich gesehen und stndig bentzt habe,so ist das kein Irrtum?76. Mein Ziel mu es natrlich sein, anzugeben, welche Aussagen man hier machenmchte, aber nicht sinnvoll machen kann.77. Ich werde eine Multiplikation zur Sicherheit vielleicht zweimal rechnen, vielleichtsie von einem Andern nachrechnen lassen. Aber werde ich sie zwanzigmal nachrechnenoder sie von zwanzig Leuten nachrechnen lassen? Und ist das eine gewisse Fahrlssig-keit? Wre die Sicherheit bei zwanzigfacher Nachprfung wirklich grer?!78. Und kann ich dafr einen Grund angeben, da sies nicht ist?79. Da ich ein Mann und keine Frau bin, kann verifiziert werden, aber wenn ich sagte,ich sei eine Frau, und den Irrtum damit erklren wollte, da ich die Aussage nicht ge-prft habe, wrde man die Erklrung nicht gelten lassen.80. Man prft an der Wahrheit meiner Aussagen mein Verstndnis dieser Aussagen.81. D. h.: wenn ich gewisse falsche Aussagen mache, wird es dadurch unsicher, ob ichsie verstehe.82. Was als ausreichende Prfung einer Aussage gilt, gehrt zur Logik. Es gehrt zurBeschreibung des Sprachspiels.83. Die Wahrheit gewisser Erfahrungsstze gehrt zu unserm Bezugssystem.84. Moore sagt, er wisse, da die Erde lange vor seiner Geburt existiert habe. Und soausgedrckt scheint es eine Aussage ber seine Person zu sein, wenn es auch auerdemeine Aussage ber die physikalische Welt ist. Es ist nun philosophisch uninteressant, obMoore dies oder jenes wei, aber interessant, da und wie es gewut werden kann.Htte Moore uns mitgeteilt, er wisse die Entfernung gewisser Sterne voneinander, soknnten wir daraus schlieen, da er besondere Untersuchungen angestellt habe, undwir werden nun erfahren wollen, welche Untersuchungen. Aber Moore whlt gerade ei-nen Fall, in dem wir Alle zu wissen scheinen, was er wei, und ohne sagen zu knnen,wie. Ich glaube z. B. ebensoviel von dieser Sache (der Existenz der Erde) zu wissen wieMoore, und wenn er wei, da es sich so verhlt, wie er sagt, so wei ichs auch. Dennes ist auch nicht so, als htte er seinen Satz auf einem Gedankenweg erreicht, der mirzwar zugnglich, aber von mir nicht begangen worden ist.85. Und was gehrt nun dazu, da Einer dies wisse? Kenntnis der Geschichte etwa? Ermu wissen, was es heit: die Erde habe schon soundso lange existiert. Denn das municht jeder Erwachsene und Gescheite wissen. Wir sehen Menschen Huser bauen undzerstren und werden zu der Frage geleitet Wie lange steht dieses Haus schon?. Aberwie kommt man darauf, dies von einem Berg, z. B., zu fragen? Und haben denn alleMenschen den Begriff die Erde als einen Krper, der entstehen und vergehen kann?Warum soll ich mir nicht die Erde als flach, aber in jeder Richtung (auch der Tiefe) oh-ne Ende denken? Aber dann knnte man immerhin sagen Ich wei, da dieser Berglange vor meiner Geburt existiert hat. Wie aber, wenn ich einen Menschen trfe, derdies nicht glaubt?86. Wie, wenn man in Moores Stzen Ich wei durch Ich bin der unerschtterlichenberzeugung ersetzte?

  • 11

    87. Kann ein Behauptungssatz, der als Hypothese funktionieren knnte, nicht auch alsein Grundsatz des Forschens und Handelns gebraucht werden? D. h. kann er nicht ein-fach dem Zweifel entzogen sein, wenn auch nicht einer ausgesprochenen Regel gem?Er wird einfach als eine Selbstverstndlichkeit hingenommen, nie in Frage gezogen, javielleicht nie ausgesprochen.88. Es kann z. B. sein, da unser ganzes Forschen so eingestellt ist, da dadurch gewis-se Stze, wenn sie je ausgesprochen werden, abseits allen Zweifels stehen. Sie liegenabseits von der Strae, auf der sich das Forschen bewegt.89. Man mchte sagen: Alles spricht dafr und nichts dagegen, da die Erde lange vormeiner Geburt ...Aber knnte ich nicht doch das Gegenteil glauben? Aber die Frage ist: wie wrde sichdieser Glaube praktisch bettigen? Vielleicht sagt Einer: Darauf kommts nicht an.Ein Glaube ist, was er ist, ob er sich praktisch bettigt oder nicht. Man denkt sich: Erist allemal die gleiche Einstellung des menschlichen Geistes.90. Ich wei hat eine primitive Bedeutung, hnlich und verwandt der von Ich sehe.(Wissen, videre.) Und Ich wute, da er im Zimmer war, aber er war nicht imZimmer ist hnlich wie Ich sah ihn im Zimmer, aber er war nicht da. Ich wei solleine Beziehung ausdrcken, nicht zwischen mir und einem Satzsinn (wie Ich glaube),sondern zwischen mir und einer Tatsache. So da die Tatsache in mein Bewutseinaufgenommen wird. (Hier ist auch der Grund, warum man sagen will, man wisse ei-gentlich nicht, was in der Auenwelt, sondern nur, was im Reich der sogenannten Sin-nesdaten geschieht.) Ein Bild des Wissens wre dann das Wahrnehmen eines uernVorgangs durch Sehstrahlen, die ihn, wie er ist, ins Auge und Bewutsein projizieren.Nur ist sofort die Frage, ob man denn dieser Projektion auch sicher sein knne. Unddieses Bild zeigt zwar die Vorstellung, die wir uns vom Wissen machen, aber nicht ei-gentlich, was ihr zugrunde liegt.91. Wenn Moore sagt, er wisse, da die Erde existiert habe etc., so werden ihm die mei-sten von uns darin recht geben, da sie so lange existiert hat, und ihm auch glauben, daer davon berzeugt ist. Aber hat er auch den richtigen Grund zu seiner berzeugung?Denn, wenn nicht, so wei er es doch nicht (Russell)92. Man kann aber fragen: Kann Einer einen triftigen Grund haben zu glauben, die Er-de existiere erst seit kurzem, etwa erst seit seiner Geburt? Angenommen, es wre ihm immer so gesagt worden, htte er einen guten Grund, eszu bezweifeln? Menschen haben geglaubt, sie knnten Regen machen; warum sollte einKnig nicht in dem Glauben erzogen werden, mit ihm habe die Welt begonnen? Undwenn nun Moore und dieser Knig zusammenkmen und diskutierten, knnte Moorewirklich seinen Glauben als den richtigen erweisen? Ich sage nicht, da Moore den K-nig nicht zu seiner Anschauung bekehren knnte, aber es wre eine Bekehrung besonde-rer Art: der Knig wrde dazu gebracht, die Welt anders zu betrachten.Bedenke, da man von der Richtigkeit einer Anschauung manchmal durch ihre Einfach-heit oder Symmetrie berzeugt wird, d. h.: dazu gebracht wird, zu dieser Anschauungberzugehen. Man sagt dann etwa einfach: So mu es sein.93. Die Stze, die darstellen, was Moore wei, sind alle solcher Art, da man sichschwer vorstellen kann, warum Einer das Gegenteil glauben sollte. Z. B. der Satz, daMoore sein ganzes Leben in geringer Entfernung von der Erde verbracht hat. Wiederkann ich hier von mir selber statt von Moore reden. Was knnte mich dazu bringen, dasGegenteil davon zu glauben? Entweder eine Erinnerung, oder da es mir gesagt wurde. Alles, was ich gesehen oder gehrt habe, macht mich der berzeugung, da keinMensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild frdas Gegenteil.

  • 12

    94. Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit berzeugthabe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit berzeugt bin. Sondern es ist der ber-kommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.95. Die Stze, die dies Weltbild beschreiben, knnten zu einer Art Mythologie gehren.Und ihre Rolle ist hnlich der von Spielregeln, und das Spiel kann man auch rein prak-tisch, ohne ausgesprochene Regeln, lernen.96. Man knnte sich vorstellen, da gewisse Stze von der Form der Erfahrungsstzeerstarrt wren und als Leitung fr die nicht erstarrten, flssigen Erfahrungsstze funk-tionierten; und da sich dies Verhltnis mit der Zeit nderte, indem flssige Stze er-starrten und feste flssig wrden.97. Die Mythologie kann wieder in Flu geraten, das Flubett der Gedanken sich ver-schieben. Aber ich unterscheide zwischen der Bewegung des Wassers im Flubett undder Verschiebung dieses; obwohl es eine scharfe Trennung der beiden nicht gibt.98. Wenn aber Einer sagte Also ist auch die Logik eine Erfahrungswissenschaft, sohtte er unrecht. Aber dies ist richtig, da der gleiche Satz einmal als von der Erfahrungzu prfen, einmal als Regel der Prfung behandelt werden kann.99. Ja, das Ufer jenes Flusses besteht zum Teil aus hartem Gestein, das keiner oder ei-ner unmerkbaren nderung unterliegt, und teils aus Sand, der bald hier, bald dort weg-und angeschwemmt wird.100. Die Wahrheiten, von denen Moore sagt, er wisse sie, sind solche, die, beilufig ge-sprochen, wir Alle wissen, wenn er sie wei.101. So ein Satz knnte z. B. sein: Mein Krper ist nie verschwunden und nach einigerZeit wieder aufgetaucht.102. Knnte ich nicht glauben, da ich einmal, ohne es zu wissen, etwa im bewutlosenZustand, weit von der Erde entfernt war, ja, da Andre dies wissen, es mir aber nichtsagen? Aber dies wrde gar nicht zu meinen brigen berzeugungen passen. Nicht, alsob ich das System dieser berzeugungen beschreiben knnte. Aber meine berzeugun-gen bilden ein System, ein Gebude.103. Und wenn ich nun sagte Es ist meine unerschtterliche berzeugung, da etc.,so heit das in unserm Falle auch, da ich nicht bewut durch bestimmte Gedankengn-ge zu der berzeugung gelangt bin, sondern, da sie solchermaen in allen meinenFragen und Antworten verankert ist, da ich nicht an sie rhren kann.104. Ich bin z. B. auch davon berzeugt, da die Sonne kein Loch im Himmelsgewlbeist.105. Alle Prfung, alles Bekrften und Entkrften einer Annahme geschieht schon in-nerhalb eines Systems. Und zwar ist dies System nicht ein mehr oder weniger willkrli-cher und zweifelhafter Anfangspunkt aller unsrer Argumente, sondern es gehrt zumWesen dessen, was wir ein Argument nennen. Das System ist nicht so sehr der Aus-gangspunkt, als das Lebenselement der Argumente.106. Ein Erwachsener htte einem Kind erzhlt, er wre auf dem Mond gewesen. DasKind erzhlt mir das, und ich sage, es sei nur ein Scherz gewesen, Soundso sei nicht aufdem Mond gewesen; niemand sei auf dem Mond gewesen; der Mond sei weit, weit vonuns entfernt, und man knne nicht hinaufsteigen oder hinfliegen. Wenn nun das Kinddarauf beharrte: es gebe vielleicht doch eine Art, wie man hinkommen knne, und siesei mir nur nicht bekannt, etc. was knnte ich erwidern? Was knnte ich Erwachseneneines Volksstamms erwidern, die glauben, Leute kmen manchmal auf den Mond(vielleicht deuten sie ihre Trume so), und die allerdings zugeben, man knnte nicht mitgewhnlichen Mitteln hinaufsteigen oder hinfliegen? Ein Kind wird aber fr gewhn-

  • 13

    lich nicht an so einem Glauben festhalten und bald von dem berzeugt werden, was wirihm im Ernst sagen.107. Ist dies nicht ganz so, wie man einem Kind den Glauben an einen Gott, oder da eskeinen Gott gibt, beibringen kann, und es je nachdem fr das eine oder andere triftigscheinende Grnde wird vorbringen knnen?108. Aber gibt es denn da keine objektive Wahrheit? Ist es nicht wahr, oder aberfalsch, da jemand auf dem Mond war? Wenn wir in unserm System denken, so ist esgewi, da kein Mensch je auf dem Mond war. Nicht nur ist uns so etwas nie im Ernstvon vernnftigen Leuten berichtet worden, sondern unser ganzes System der Physikverbietet uns, es zu glauben. Denn diese verlangt Antworten auf die Fragen: Wie hat erdie Schwerkraft berwunden?, Wie konnte er ohne Atmosphre leben? und tausendandere, die nicht zu beantworten wren. Wie aber, wenn uns statt allen diesen Antwor-ten entgegnet wrde: Wir wissen nicht, wie man auf den Mond kommt, aber die dort-hin kommen, erkennen sofort, da sie dort sind; und auch du kannst ja nicht alles erkl-ren. Von Einem, der dies sagte, wrden wir uns geistig sehr entfernt fhlen.109. Ein Erfahrungssatz lt sich prfen (sagen wir). Aber wie? Und wodurch?110. Was gilt als seine Prfung? Aber ist dies eine ausreichende Prfung? Und,wenn ja, mu sie nicht in der Logik als solche erkannt werden? Als ob die Begrn-dung nicht einmal zu Ende kme. Aber das Ende ist nicht die unbegrndete Vorausset-zung, sondern die unbegrndete Handlungsweise.111. Ich wei, da ich nie auf dem Mond war. Das klingt ganz anders unter den tat-schlichen Umstnden, als es klnge, wenn manche Menschen auf dem Mond gewesenwren und vielleicht mancher, ohne es selbst zu wissen. In diesem Falle knnte manGrnde fr dies Wissen angeben. Ist hier nicht ein hnliches Verhltnis, wie zwischender allgemeinen Regel des Multiplizierens und gewissen ausgefhrten Multiplikatio-nen?Ich will sagen: Da ich nicht auf dem Mond gewesen bin, steht fr mich ebenso fest,wie irgendeine Begrndung dafr feststehen kann.112. Und ist [es] nicht das, was Moore sagen will, wenn er sagt, er wisse alle jene Din-ge? Aber handelt sichs wirklich darum, da ers wei, und nicht darum, da gewissedieser Stze fr uns feststehen mssen?113. Wenn Einer uns Mathematik lehren will, wird er nicht damit anfangen, uns zu ver-sichern, er wisse, da a + b = b + a ist.114. Wer keiner Tatsache gewi ist, der kann auch des Sinnes seiner Worte nicht gewisein.115. Wer an allem zweifeln wollte, der wrde auch nicht bis zum Zweifel kommen. DasSpiel des Zweifelns selbst setzt schon die Gewiheit voraus.116. Hatte Moore, statt Ich wei ..., nicht sagen knnen Es steht fr mich fest, da...? Ja auch: Es steht fr mich und viele Andre fest ...117. Warum ist es mir nicht mglich, daran zu zweifeln, da ich nie auf dem Mondwar? Und wie knnte ich versuchen, es zu tun?Vor allem schiene mir die Annahme, vielleicht sei ich doch dort gewesen, mig.Nichts wrde daraus folgen, dadurch erklrt werden. Sie hinge mit nichts in meinemLeben zusammen.Wenn ich sage Nichts spricht dafr und alles dagegen, so setzt dies schon ein Prinzipdes Dafr- und Dagegensprechens voraus. D. h. ich mu sagen knnen, was dafr spr-che.

  • 14

    118. Wre es nun richtig zu sagen: Niemand hat bisher meinen Schdel geffnet, um zusehen, ob ein Gehirn drin ist; aber alles spricht dafr und nichts dagegen, da man einsdrin finden wrde?119. Kann man aber auch sagen: Nichts spricht dagegen und alles dafr, da der Tischdort auch dann vorhanden ist, wenn niemand ihn sieht? Was spricht denn dafr?120. Wenn aber nun Einer es bezweifelte, wie wrde sich sein Zweifel praktisch zei-gen? Und knnten wir ihn nicht ruhig zweifeln lassen, da es ja gar keinen Unterschiedmacht?121. Kann man sagen: Wo kein Zweifel, da auch kein Wissen?122. Braucht man zum Zweifel nicht Grnde?123. Wohin ich schaue, ich finde keinen Grund, daran zu zweifeln, da ...124. Ich will sagen: Wir verwenden Urteile als Prinzip(ien) des Urteilens.125. Wenn mich ein Blinder fragte Hast du zwei Hnde?, so wrde ich mich nichtdurch Hinschauen davon vergewissern. Ja, ich wei nicht, warum ich meinen Augentrauen sollte, wenn ich berhaupt dran zweifelte. Ja, warum soll ich nicht meine Augendamit prfen, da ich schaue, ob ich beide Hnde sehe? Was ist wodurch zu prfen?!(Wer entscheidet darber, was feststeht?)Und was bedeutet die Aussage, das und das stehe fest?126. Ich bin der Bedeutung meiner Worte nicht gewisser als bestimmter Urteile. Kannich zweifeln, da diese Farbe blau heit?(Meine) Zweifel bilden ein System.127. Denn wie wei ich, da Einer zweifelt? Wie wei ich, da er die Worte Ichzweifle daran so gebraucht wie ich?128. Ich habe von Kind auf so urteilen gelernt. Das ist Urteilen.129. So habe ich urteilen gelernt; das als Urteil kennengelernt.130. Aber ist es nicht die Erfahrung, die uns lehrt, so zu urteilen, d. h., da es richtig ist,so zu urteilen? Aber wie lehrts uns die Erfahrung? Wir mgen es aus ihr entnehmen,aber die Erfahrung rt uns nicht, etwas aus ihr zu entnehmen. Ist sie der Grund, da wirso urteilen (und nicht blo die Ursache), so haben wir nicht wieder einen Grund dafr,dies als Grund anzusehen.131. Nein, die Erfahrung ist nicht der Grund fr unser Urteilsspiel. Und auch nicht seinausgezeichneter Erfolg.132. Menschen haben geurteilt, ein Knig knne Regen machen; wir sagen, dies wider-sprche aller Erfahrung. Heute urteilt man, Aeroplan, Radio etc. seien Mittel zur Ann-herung der Vlker und Ausbreitung von Kultur.133. Unter gewhnlichen Umstnden berzeuge ich mich nicht durch den Augenschein,ob ich zwei Hnde habe. Warum nicht? Hat Erfahrung es als unntig erwiesen? Oder(auch): Haben wir, auf irgendeine Weise, ein allgemeines Gesetz der Induktion gelerntund vertrauen ihm nun auch hier? Aber warum sollen wir erst ein allgemeines Gesetzgelernt haben und nicht gleich das spezielle?134. Wenn ich ein Buch in eine Lade lege, so nehme ich nun an, es sei darin, es sei denn... Die Erfahrung gibt mir immer recht. Es ist noch kein gut beglaubigter Fall vorge-kommen, da ein Buch (einfach) verschwunden wre. Es ist oft vorgekommen, dasich ein Buch nie mehr gefunden hat, obwohl wir sicher zu wissen glaubten, wo es war. Aber die Erfahrung lehrt doch wirklich, da ein Buch, z. B., nicht verschwindet. (Z.B. nicht nach und nach verdunstet.) Aber ist es diese Erfahrung mit Bchern etc., die

  • 15

    uns annehmen lt, das Buch sei nicht verschwunden? Nun, angenommen, wir fnden,da unter bestimmten neuen Umstnden Bcher verschwnden wrden wir nicht uns-re Annahme ndern? Kann man die Wirkung der Erfahrung auf unser System von An-nahmen leugnen?135. Aber folgen wir nicht einfach dem Prinzip, da, was immer geschehen ist, auchwieder geschehen wird (oder etwas hnlichem)? Was heit es, diesem Prinzip folgen?Bringen wir es wirklich in unser Raisonnement? Oder ist es nur das Naturgesetz, demscheinbar unser Schlieen folgt? Das letztere mag es sein. Ein Glied in unsrer berle-gung ist es nicht.136. Wenn Moore sagt, er wisse das und das, so zhlt er wirklich lauter Erfahrungsstzeauf, die wir ohne besondere Prfung bejahen, also Stze, die im System unsrer Erfah-rungsstze eine eigentmliche logische Rolle spielen.137. Auch wenn der Glaubwrdigste mir versichert, er wisse, es sei so und so, so kanndies allein mich nicht davon berzeugen, da er es wei. Nur, da er es zu wissenglaubt. Darum kann Moores Versicherung, er wisse ..., uns nicht interessieren. Die St-ze aber, welche Moore als Beispiele solcher gewuten Wahrheiten aufzhlt, sind aller-dings interessant. Nicht weil jemand ihre Wahrheit wei, oder sie zu wissen glaubt,sondern weil sie alle im System unsrer empirischen Urteile eine hnliche Rolle spielen.138. Z. B. gelangen wir zu keinem von ihnen durch eine Untersuchung.Es gibt z. B. historische Untersuchungen und Untersuchungen ber die Gestalt und auch(ber) das Alter der Erde, aber nicht darber, ob die Erde in den letzten 100 Jahren exi-stiert habe. Freilich, viele von uns hren Berichte, haben Nachricht ber diesen Zeit-raum von ihren Eltern und Groeltern; aber knnen sich die nicht irren? Unsinnwird man sagen, Wie sollen sich denn alle diese Menschen irren! Aber ist das ein Ar-gument? Ist es nicht einfach die Zurckweisung einer Idee? Und etwa eine Begriffsbe-stimmung? Denn rede ich hier von einem mglichen Irrtum, so ndert das die Rolle, dieIrrtum und Wahrheit in unserm Leben spielen.139. Um eine Praxis festzulegen, gengen nicht Regeln, sondern man braucht auch Bei-spiele. Unsre Regeln lassen Hintertren offen, und die Praxis mu fr sich selbst spre-chen.140. Wir lernen die Praxis des empirischen Urteilens nicht, indem wir Regeln lernen; eswerden uns Urteile beigebracht und ihr Zusammenhang mit andern Urteilen. Ein Gan-zes von Urteilen wird uns plausibel gemacht.141. Wenn wir anfangen, etwas zu glauben, so nicht einen einzelnen Satz, sondern einganzes System von Stzen. (Das Licht geht nach und nach ber das Ganze auf.)142. Nicht einzelne Axiome leuchten mir ein, sondern ein System, worin sich Folgenund Prmissen gegenseitig sttzen.143. Es wird mir z. B. erzhlt, jemand sei vor vielen Jahren auf diesen Berg gestiegen.Untersuche ich nun immer die Glaubwrdigkeit des Erzhlers und ob dieser Berg vorJahren existiert habe? Ein Kind lernt viel spter, da es glaubwrdige und unglaubwr-dige Erzhler gibt, als es Fakten lernt, die ihm erzhlt werden. Es lernt, da jener Bergschon lange existiert habe, gar nicht; d. h. die Frage, ob es so sei, kommt gar nicht auf.Es schluckt, sozusagen, diese Folgerung mit dem hinunter, was es lernt.144. Das Kind lernt eine Menge Dinge glauben. D. h. es lernt z. B. nach diesem Glau-ben handeln. Es bildet sich nach und nach ein System von Geglaubtem heraus, unddarin steht manches unverrckbar fest, manches ist mehr oder weniger beweglich. Wasfeststeht, tut dies nicht, weil es an sich offenbar oder einleuchtend ist, sondern es wirdvon dem, was darum herumliegt, festgehalten.

  • 16

    145. Man will sagen Alle meine Erfahrungen zeigen, da es so ist. Aber wie tun siedas? Denn jener Satz, auf den sie zeigen, gehrt auch zu ihrer besonderen Interpretation.Da ich diesen Satz als sicher wahr betrachte, kennzeichnet auch meine Interpretationder Erfahrung.146. Wir machen uns von der Erde das Bild einer Kugel, die frei im Raume schwebtund sich in 100 Jahren nicht wesentlich ndert. Ich sagte Wir machen uns das Bildetc., und dies Bild hilft uns nun zum Beurteilen verschiedener Sachverhalte.Ich kann die Dimensionen einer Brcke allerdings berechnen, manchmal auch berech-nen, da hier eine Brcke gnstiger ist als eine Fhre etc. etc. aber irgendwo mu ichmit einer Annahme oder Entscheidung anfangen.147. Das Bild der Erde als Kugel ist ein gutes Bild, es bewhrt sich berall, es ist auchein einfaches Bild kurz, wir arbeiten damit, ohne es anzuzweifeln.148. Warum berzeuge ich mich nicht davon, da ich noch zwei Fe habe, wenn ichmich von dem Sessel erheben will? Es gibt kein warum. Ich tue es einfach nicht. Sohandle ich.149. Meine Urteile selbst charakterisieren die Art und Weise, wie ich urteile, das Wesendes Urteilens.150. Wie beurteilt Einer, welches seine rechte und welches seine linke Hand ist? Wiewei ich, da mein Urteil mit dem der Andern bereinstimmen wird? Wie wei ich, dadiese Farbe Blau ist? Wenn ich hier mir nicht traue, warum soll ich dem Urteil des An-dern trauen? Gibt es ein Warum? Mu ich nicht irgendwo anfangen zu trauen? D. h. ichmu irgendwo mit dem Nichtzweifeln anfangen; und das ist nicht, sozusagen, vor-schnell aber verzeihlich, sondern es gehrt zum Urteilen.151. Ich mchte sagen: Moore wei nicht, was er zu wissen behauptet, aber es steht frihn fest, so wie auch fr mich; es als feststehend zu betrachten, gehrt zur Methode un-seres Zweifelns und Untersuchens.152. Die Stze, die fr mich feststehen, lerne ich nicht ausdrcklich. Ich kann sie nach-trglich finden wie die Rotationsachse eines sich drehenden Krpers. Diese Achse stehtnicht fest in dem Sinne, da sie festgehalten wird, aber die Bewegung um sie herum be-stimmt sie als unbewegt.153. Niemand hat mich gelehrt, da meine Hnde nicht verschwinden, wenn ich auf sienicht aufpasse. Noch kann man sagen, ich setze die Wahrheit dieses Satzes bei meinenBehauptungen etc. voraus (als ruhten sie auf ihm), whrend er erst durch unser ander-weitiges Behaupten Sinn erhlt.154. Es gibt Flle solcher Art, da, wenn Einer dort Zeichen des Zweifels gibt, wo wirnicht zweifeln, wir seine Zeichen nicht mit Sicherheit als Zeichen des Zweifels verste-hen knnen.D. h.: Damit wir seine Zeichen des Zweifels als solche verstehen, darf er sie nur in be-stimmten Fllen geben und nicht in andern.155. Der Mensch kann sich unter gewissen Umstnden nicht irren. (Kann ist hier lo-gisch gebraucht, und der Satz sagt nicht, da unter diesen Umstnden der Mensch nichtsFalsches sagen kann.) Wenn Moore das Gegenteil von jenen Stzen aussagte, die er frgewi erklrt, wrden wir nicht nur nicht seiner Meinung sein, sondern ihn fr geistes-gestrt halten.156. Damit der Mensch sich irre, mu er schon mit der Menschheit konform urteilen.157. Wie, wenn ein Mensch sich nicht erinnern knnte, ob er immer fnf Finger oderzwei Hnde gehabt hat? Wrden wir ihn verstehen? Knnten wir sicher sein, da wirihn verstehen?

  • 17

    158. Kann ich mich z. B. darin irren, da die einfachen Worte, die diesen Satz bilden,deutsche Wrter sind, deren Bedeutung ich kenne?159. Wir lernen als Kinder Fakten, z. B. da jeder Mensch ein Gehirn hat, und wir neh-men sie glubig hin. Ich glaube, da es eine Insel, Australien, gibt von der und der Ge-stalt usw. usw., ich glaube, da ich Urgroeltern gehabt habe, da die Menschen, diesich fr meine Eltern ausgaben, wirklich meine Eltern waren, etc. Dieser Glaube magnie ausgesprochen, ja, der Gedanke, da es so ist, nie gedacht werden.160. Das Kind lernt, indem es dem Erwachsenen glaubt. Der Zweifel kommt nach demGlauben.161. Ich habe eine Unmenge gelernt und es auf die Autoritt von Menschen angenom-men, und dann manches durch eigene Erfahrung besttigt oder entkrftet gefunden.162. Was in Lehrbchern, der Geographie z. B. steht, halte ich im allgemeinen fr wahr.Warum? Ich sage: Alle diese Fakten sind hundertmal besttigt worden. Aber wie weiich das? Was ist meine Evidenz dafr? Ich habe ein Weltbild. Ist es wahr oder falsch?Es ist vor allem das Substrat alles meines Forschens und Behauptens. Die Stze, die esbeschreiben, unterliegen nicht alle gleichermaen der Prfung.163. Prft jemand je, ob dieser Tisch hier stehenbleibt, wenn niemand auf ihn achtgibt?Wir prfen die Geschichte Napoleons, aber nicht, ob alle Berichte ber ihn auf Sin-nestrug, Schwindel u. dergl. beruhen. Ja, wenn wir berhaupt prfen, setzen wir damitschon etwas voraus, was nicht geprft wird. Soll ich nun sagen, das Experiment, das ichetwa zur Prfung eines Satzes mache, setze die Wahrheit des Satzes voraus, da hierwirklich der Apparat steht, welchen ich zu sehen glaube (u. dergl.)?164. Hat das Prfen nicht ein Ende?165. Ein Kind knnte zu einem andern sagen Ich wei, da die Erde schon viele hun-dert Jahre alt ist, und das hiee: Ich habe es gelernt.166. Die Schwierigkeit ist, die Grundlosigkeit unseres Glaubens einzusehen.167. Da unsre Erfahrungsaussagen nicht alle gleichen Status haben, ist klar, da man soeinen Satz festlegen und ihn vom Erfahrungssatz zu einer Norm der Beschreibung ma-chen kann.Denk an chemische Untersuchungen. Lavoisier macht Experimente mit Stoffen in sei-nem Laboratorium und schliet nun, da bei der Verbrennung dies und jenes geschehe.Er sagt nicht, da es ja ein andermal anders zugehen knne. Er ergreift ein bestimmtesWeltbild, ja, er hat es natrlich nicht erfunden, sondern als Kind gelernt. Ich sage Welt-bild und nicht Hypothese, weil es die selbstverstndliche Grundlage seiner Forschungist und als solche auch nicht ausgesprochen wird.168. Aber welche Rolle spielt nun die Voraussetzung, da ein Stoff A auf einen Stoff Bunter gleichen Umstnden immer gleich reagiert? Oder gehrt das zur Definition einesStoffs?169. Man knnte meinen, es gbe Stze, welche aussprechen, da eine Chemie mglichist. Und das wren Stze einer Naturwissenschaft. Denn worauf sollen sie sich sttzen,wenn nicht auf Erfahrung?170. Ich glaube, was mir Menschen in einer gewissen Weise bermitteln. So glaube ichgeographische, chemische, geschichtliche Tatsachen etc. So lerne ich die Wissenschaf-ten. Ja, lernen beruht natrlich auf glauben.Wer gelernt hat, der Mont Blanc sei 4000 m hoch, wer es auf der Karte nachgesehenhat, sagt nun, er wisse es.Und kann man nun sagen: Wir messen unser Vertrauen so zu, weil es sich so bewhrthat?

  • 18

    171. Ein Hauptgrund fr Moore anzunehmen, da er nicht auf dem Mond war, ist der,da niemand auf dem Mond war und hinkommen konnte; und das glauben wir aufGrund dessen, was wir lernen.172. Vielleicht sagt man Es mu doch ein Prinzip diesem Vertrauen zugrunde liegen,aber was kann so ein Prinzip leisten? Ist es mehr als ein Naturgesetz des Fr-wahr-hal-tens?173. Liegt es denn in meiner Macht, was ich glaube? oder was ich unerschtterlichglaube?Ich glaube, da dort ein Sessel steht. Kann ich mich nicht irren? Aber kann ich glauben,da ich mich irre? Ja, kann ich es berhaupt in Betracht ziehen? Und knnte ich nichtauch an meinem Glauben festhalten, was immer ich spter erfahre?! Aber ist nun meinGlaube begrndet?174. Ich handle mit voller Gewiheit. Aber diese Gewiheit ist meine eigene.175. Ich wei es, sage ich dem Andern; und hier gibt es eine Rechtfertigung. Aber frmeinen Glauben gibt es keine.176. Statt Ich wei es kann man in manchen Fllen sagen Es ist so; verla dichdrauf. In manchen Fllen aber: Das habe ich schon vor Jahren gelernt; und manch-mal: Ich bin sicher, da es so ist.177. Was ich wei, das glaube ich.178. Der falsche Gebrauch, den Moore von dem Satz Ich wei ... macht, liegt darin,da er ihn als eine uerung betrachtet, die so wenig anzuzweifeln ist wie etwa Ichhabe Schmerzen. Und da aus Ich wei, da es so ist folgt Es ist so, so kann alsoauch dies nicht angezweifelt werden.179. Es wre richtig zu sagen: Ich glaube ... hat subjektive Wahrheit; aber Ich wei... nicht.180. Oder auch: Ich glaube ... ist eine Auerung, nicht aber Ich wei....181. Wie, wenn Moore statt Ich wei ... gesagt htte Ich schwre ...?182. Die primitivere Vorstellung ist, da die Erde nie einen Anfang genommen hat.Kein Kind hat Grund, sich zu fragen, wie lange es die Erde schon gegeben hat, weil al-ler Wandel auf ihr vor sich geht. Wenn das, was man die Erde nennt, wirklich einmalentstanden ist, was schwer genug vorzustellen ist, so nimmt man den Anfang natrlichin unvordenklicher Zeit an.183. Es ist sicher, da Napoleon nach der Schlacht bei Austerlitz ... Nun, dann ist esdoch auch sicher, da die Erde damals existiert hat.184. Es ist sicher, da wir nicht vor 100 Jahren von einem andern Planeten auf diesenherabgekommen sind. Nun, so sicher, als eben solche Sachen sind.185. Es kme mir lcherlich vor, die Existenz Napoleons bezweifeln zu wollen; aberwenn Einer die Existenz der Erde vor 150 Jahren bezweifelte, wre ich vielleicht eherbereit aufzuhorchen, denn nun bezweifelt er unser ganzes System der Evidenz. Eskommt mir nicht vor, als sei dies System sicherer als eine Sicherheit in ihm.186. Ich knnte annehmen, da Napoleon nie existiert hat und eine Fabel ist, abernicht, da die Erde vor 150 Jahren nicht existiert hat.187. Weit du, da die Erde damals existiert hat? Freilich wei ichs. Ich habe esvon jemandem, der sich genau auskennt.

  • 19

    188. Es kommt mir vor, als mte der, welcher an der Existenz der Erde zu jener Zeitzweifelt, das Wesen aller historischer Evidenz antasten. Und von dieser kann ich nichtsagen, sie sei bestimmt richtig.189. Einmal mu man von der Erklrung auf die bloe Beschreibung kommen.190. Was wir historische Evidenz nennen, deutet darauf hin, die Erde habe schon langevor meiner Geburt existiert; die entgegengesetzte Hypothese hat nichts fr sich.191. Wenn nun alles fr eine Hypothese, nichts gegen sie spricht ist sie dann gewiwahr? Man kann sie so bezeichnen. Aber stimmt sie gewi mit der Wirklichkeit, denTatsachen, berein? Mit dieser Frage bewegst du dich schon im Kreise.192. Es gibt freilich Rechtfertigung; aber die Rechtfertigung hat ein Ende.193. Was heit: die Wahrheit eines Satzes sei gewi?194. Mit dem Wort gewi drcken wir die vllige berzeugung, die Abwesenheit je-des Zweifels aus, und wir suchen damit den Andern zu berzeugen. Das ist subjektiveGewiheit.Wann aber ist etwas objektiv gewi? Wenn ein Irrtum nicht mglich ist. Aber was freine Mglichkeit ist das? Mu der Irrtum nicht logisch ausgeschlossen sein?195. Wenn ich glaube, in meinem Zimmer zu sitzen, und es ist nicht so, dann wird mannicht sagen, ich habe mich geirrt: Aber was ist der wesentliche Unterschied eines Irr-tums von diesem Fall?196. Sichere Evidenz ist die, die wir als unbedingt sicher annehmen, nach der wir mitSicherheit ohne Zweifel handeln.Was wir Irrtum nennen, spielt eine ganz bestimmte Rolle in unsern Sprachspielen,und was wir als sichere Evidenz betrachten, auch.197. Unsinn aber wre es zu sagen, wir betrachten etwas als sichere Evidenz, weil esgewi wahr ist.198. Wir mssen vielmehr die Rolle der Entscheidung fr und gegen einen Satz erst be-trachten.199. Der Gebrauch von wahr oder falsch hat darum etwas Irrefhrendes, weil es ist,als sagte man es stimmt mit den Tatsachen berein oder nicht, und es sich doch gera-de frgt, was bereinstimmung hier ist.200. Der Satz ist wahr oder falsch heit eigentlich nur, es msse eine Entscheidungfr oder gegen ihn mglich sein. Aber das sagt nicht, wie der Grund zu so einer Ent-scheidung ausschaut.201. Denk, jemand fragte: Ist es wirklich richtig, da wir uns auf die Evidenz unsresGedchtnisses (oder unsrer Sinne) verlassen, wie wir es tun?202. Moores gewisse Stze sagen beinahe aus, wir htten ein Recht, uns auf diese Evi-denz zu verlassen.203. [Alles2, was wir als Evidenz betrachten, deutet darauf hin, die Erde habe schonlange vor meiner Geburt existiert. Die entgegengesetzte Hypothese hat keinerlei Be-krftigung.Wenn auch alles fr eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, ist sie objektiv sicher?Man kann sie so nennen. Aber stimmt sie unbedingt mit der Welt der Tatsachen ber-ein? Sie zeigt uns bestenfalls, was bereinstimmen heit. Wir finden es schwierig, sieuns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.]Worin besteht denn diese bereinstimmung, wenn nicht darin, da, was in diesenSprachspielen Evidenz ist, fr unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.)

  • 20

    204. DieBegrndung aber, dieRechtfertigung derEvidenz kommt zu einem Ende; dasEnde aber ist nicht, da uns gewisse Stze unmittelbar als wahr einleuchten, also eineArt Sehen unsrerseits, sondern unser Handeln, welches am Grunde des Sprachspielsliegt.205. Wenn das Wahre das Begrndete ist, dann ist der Grund nicht wahr, noch falsch.206. Wenn Einer uns fragte Aber ist das wahr?, knnten wir ihm sagen Ja; undwenn er Grnde verlangte, so knnten wir sagen Ich kann dir keine Grnde geben,aber wenn du mehr lernst, wirst du auch dieser Meinung sein.Kme es nun nicht dahin, so hiee das, da er, z. B. Geschichte nicht lernen kann.207. Seltsamer Zufall, da alle die Menschen, deren Schdel man geffnet hat, ein Ge-hirn hatten!208. Ich habe ein Telephongesprch mit New York. Mein Freund teilt mir mit, da sei-ne Bumchen die und die Knospen tragen. Ich bin nun berzeugt, das Bumchen sei ...Bin ich auch berzeugt, die Erde existiere?209. Da die Erde existiert, ist vielmehr ein Teil des ganzen Bildes, das den Ausgangs-punkt meines Glaubens bildet.210. Bekrftigt mein Telephongesprch mit N. Y. meine berzeugung, da die Erdeexistiert?Manches scheint uns festzustehen, und es scheidet aus dem Verkehr aus. Es wird sozu-sagen auf ein totes Geleise verschoben.211. Es gibt nun unsern Betrachtungen, unsern Forschungen ihre Form. Es war viel-leicht einmal umstritten. Vielleicht aber hat es seit unvordenklichen Zeiten zum Gerstaller unsrer Betrachtungen gehrt. (Jeder Mensch hat Eltern.)212. Wir betrachten z. B. eine Rechnung unter gewissen Umstnden als gengend kon-trolliert. Was gibt uns dazu ein Recht? Die Erfahrung? Konnte sie uns nicht tuschen?Wir mssen irgendwo mit dem Rechtfertigen Schlu machen, und dann bleibt der Satz:da wir so rechnen.213. Unsre Erfahrungsstze bilden nicht eine homogene Masse.214. Was hindert mich anzunehmen, da dieser Tisch, wenn ihn niemand betrachtet,entweder verschwindet oder seine Form und Farbe verndert und nun, wenn ihn wiederjemand ansieht, in seinen alten Zustand zurckkehrt? Wer wird aber auch so etwasannehmen! mchte man sagen.215. Hier sehen wir, da die Idee von der bereinstimmung mit der Wirklichkeit kei-ne klare Anwendung hat.216. Der Satz Es ist geschrieben.217. Wer annhme, da alle unsre Rechnungen unsicher seien und da wir uns auf kei-ne verlassen knnen (mit der Rechtfertigung, da Fehler berall mglich sind), wrdenwir vielleicht fr verrckt erklren. Aber knnen wir sagen, er sei im Irrtum? Reagierter nicht einfach anders: wir verlassen uns darauf, er nicht, wir sind sicher, er nicht.218. Kann ich fr einen Augenblick glauben, ich sei je in der Stratosphre gewesen?Nein. So wei ich das Gegenteil, wie Moore?219. Es kann fr mich, als vernnftigen Menschen, kein Zweifel darber bestehen. Das ist es eben. 220. Der vernnftige Mensch hat gewisse Zweifel nicht.221. Kann ich zweifeln, woran ich zweifeln will?

  • 21

    222. Ich kann, da ich nie in der Stratosphre war, unmglich bezweifeln. Wei ich esdarum, ist es darum wahr?223. Knnte ich nicht eben verrckt sein und das nicht bezweifeln, was ich unbedingtbezweifeln sollte.224. Ich wei, da es nie geschehen ist, denn wre es geschehen, so htte ich esummglich vergessen knnen.Aber, angenommen, es wre geschehen, so httest dus eben doch vergessen. Und wieweit du, da dus unmglich httest vergessen knnen? Nicht blo aus frherer Erfah-rung?225. Das, woran ich festhalte, ist nicht ein Satz, sondern ein Nest von Stzen.226. Kann ich die Annahme, ich sei einmal auf dem Mond gewesen, berhaupt einerernsten Betrachtung wrdigen?227. Ist denn das etwas, was man vergessen kann?!228. Unter solchen Umstnden sagen die Menschen nicht: Vielleicht haben wirs allevergessen und dergleichen, sondern sie nehmen an ...229. Unsre Rede erhlt durch unsre brigen Handlungen ihren Sinn.230. Wir fragen uns: Was machen wir mit einer Aussage Ich wei ...? Denn uns han-delt sichs nicht um Vorgnge oder Zustnde des Geistes. Und so mu man entscheiden,ob etwas ein Wissen ist oder keines.231. Wenn einer bezweifelte, ob die Erde vor 100 Jahren existiert hat, so verstnde ichdas darum nicht, weil ich nicht wte, was dieser noch als Evidenz gelten liee und wasnicht.232. Jedes einzelne dieser Fakten knnten wir bezweifeln, aber alle knnen wir nichtbezweifeln.Wre es nicht richtiger zu sagen: alle bezweifeln wir nicht.Da wir sie nicht alle bezweifeln, ist eben die Art und Weise, wie wir urteilen, alsohandeln.233. Wenn ein Kind mich fragte, ob es die Erde schon vor meiner Geburt gegeben hat,so wrde ich ihm antworten, die Erde existiere nicht erst seit meiner Geburt, sondern siehabe schon lang, lang vorher existiert. Und dabei htte ich das Gefhl, etwas Komischeszu sagen. Etwa, wie wenn das Kind gefragt htte, ob der und der Berg hher sei als einhohes Haus, das es gesehen hat. Ich knnte nur dem jene Frage beantworten, dem ichein Weltbild erst beibrchte.Wenn ich nun die Frage mit Sicherheit beantworte, was gibt mir diese Sicherheit?234. Ich glaube, da ich Ahnen habe und da jeder Mensch sie hat. Ich glaube, da esverschiedene Stdte gibt, und berhaupt an die Hauptdaten der Geographie und der Ge-schichte. Ich glaube, da die Erde ein Krper ist, auf dessen Oberflche wir uns bewe-gen, und da er sowenig pltzlich verschwindet oder dergl. wie irgend ein andrer festerKrper: dieser Tisch, dieses Haus, dieser Baum etc. Wenn ich an der Existenz der Erdelang vor meiner Geburt zweifeln wollte, mte ich alles mglidie bezweifeln, was mirfeststeht.235. Und da mir etwas feststeht, hat seinen Grund nicht in meiner Dummheit oderLeichtglubigkeit.236. Wenn Einer sagte Die Erde hat nicht schon lange ... was wrde er damit anta-sten? Wei ichs?

  • 22

    Mte es ein sogenannter wissenschaftlicher Glaube sein? Knnte es kein mystischersein? Mu er damit unbedingt geschichtlichen Tatsachen widersprechen? Ja, selbst geo-graphischen?237. Wenn ich sage Dieser Tisch hat vor einer Stunde noch nicht existiert, so meineich wahrscheinlich, er sei erst spter hergestellt worden.Sage ich Dieser Berg hat damals noch nicht existiert, so meine ich wohl, er habe sicherst spter vielleicht vulkanisch gebildet.Sage ich Dieser Berg hat vor einer halben Stunde noch nicht existiert, so ist das eineso seltsame Aussage, da nicht klar ist, was ich meine. Ob ich z. B. etwas Falsches, aberWissenschaftliches meine. Vielleicht meint man, die Aussage, der Berg habe damalsnoch nicht existiert, sei ganz klar, wie immer man sich den Zusammenhang denke. Aberdenke, jemand sagte Dieser Berg hat vor einer Minute noch nicht existiert, sondern eingenau gleicher. Nur die gewohnte Umgebung lt es klar erscheinen, was gemeint ist.238. Ich knnte also den, der sagt, die Erde habe vor seiner Geburt nicht existiert, weiterfragen, um herauszufinden, mit welchen meiner berzeugungen er im Widerspruch ist.Und da knnte es sein, da er meinen Grundanschauungen widerspricht. Und wre esso, so mte ichs dabei bewenden lassen.hnlich geht es, wenn er sagt, er sei einmal auf dem Mond gewesen.239. Ja, ich glaube, da jeder Mensch zwei menschliche Eltern hat; aber die Katholikenglauben, da Jesus nur eine menschliche Mutter hatte. Und Andre knnten glauben, esgebe Menschen, die keine Eltern haben, und aller gegenteiligen Evidenz keinen Glau-ben schenken. Die Katholiken glauben auch, da eine Oblate unter gewissen Umstndenihr Wesen gnzlich ndert, und zugleich, da alle Evidenz das Gegenteil beweist. Wennalso Moore sagte Ich wei, da dies Wein und nicht Blut ist, so wrden Katholikenihm widersprechen.240. Worauf grndet sich der Glaube, da alle Menschen Eltern haben? Auf Erfahrung.Und wie kann ich auf meine Erfahrung diesen sichern Glauben grnden? Nun, ich grn-de ihn nicht nur darauf, da ich die Eltern gewisser Menschen kannte, sondern auf alles,was ich ber das Geschlechtsleben von Menschen und ihre Anatomie und Physiologiegelernt habe; auch darauf, was ich von Tieren gehrt und gesehen habe. Aber ist dasdenn wirklich ein Beweis?241. Ist hier nicht eine Hypothese, die, wie ich glaube, sich immer wieder vollkommenbesttigt?242. Mssen wir nicht auf Schritt und Tritt sagen: Ich glaube dies mit Bestimmtheit?243. Ich wei ... sagt man, wenn man bereit ist, zwingende Grnde zu geben. Ichwei bezieht sich auf eine Mglichkeit des Dartuns der Wahrheit. Ob Einer etwaswei, lt sich zeigen, angenommen, da er davon berzeugt ist.Ist aber was er glaubt von solcher Art, da die Grnde, die er geben kann, nicht sicherersind als seine Behauptung, so kann er nicht sagen, er wisse, was er glaubt.244. Wenn Einer sagt Ich habe einen Krper, so kann man ihn fragen Wer sprichthier mit diesem Munde?245. Zu wem sagt Einer, er wisse etwas? Zu sich selbst oder zu einem Andern. Wenners zu sich selbst sagt, wie unterscheidet es sich von der Feststellung, er sei gewi, esverhalte sich so? Es gibt keine subjektive Sicherheit, da ich etwas wei. Subjektiv istdie Gewiheit, aber nicht das Wissen. Wenn ich mir also sage Ich wei, da ich zweiHnde habe, und das soll nicht nur meine subjektive Gewiheit zum Ausdruck brin-gen, so mu ich mich davon berzeugen knnen, da ich recht habe. Aber das kann ichnicht, denn da ich zwei Hnde habe ist nicht weniger gewi, ehe ich sie angeschauthabe als nachher. Ich knnte aber sagen: Da ich zwei Hnde habe ist ein unumstli-

  • 23

    cher Glaube. Das wrde ausdrcken, ich sei nicht bereit, irgend etwas als Gegenbeweisdieses Satzes gelten zu lassen.246. Hier bin ich auf einer Grundlage alles meines Glaubens angelangt. Diese Stel-lung werde ich halten! Aber ist das nicht eben nur, weil ich davon vollkommen ber-zeugt bin? Wie ist das: vollkommen berzeugt sein?247. Wie wre es, jetzt daran zu zweifeln, da ich zwei Hnde habe? Warum kann ichsmir gar nicht vorstellen? Was wrde ich glauben, wenn ich das nicht glaubte? Ich habenoch gar kein System, worin es diesen Zweifel geben knnte.248. Ich bin auf dem Boden meiner berzeugungen angelangt.Und von dieser Grundmauer knnte man beinahe sagen, sie werde vom ganzen Hausgetragen.249. Man macht sich ein falsches Bild vom Zweifel.250. Da ich zwei Hnde habe, ist unter normalen Umstnden so sicher wie irgend et-was, was ich als Evidenz dafr anfhren knnte.Ich bin darum auerstande, den Anblick meiner Hand als Evidenz dafr aufzufassen.251. Heit das nicht: ich werde unbedingt nach diesem Glauben handeln und michdurch nichts beirren lassen?252. Aber es ist doch nicht nur, da ich in dieser Weise glaube, da ich zwei Hnde ha-be, sondern da jeder Vernnftige das tut.253. Am Grunde des begrndeten Glaubens liegt der unbegrndete Glaube.254. Jeder vernnftige Mensch handelt so.255. Das Zweifeln hat gewisse charakteristische uerungen, aber sie sind fr ihn nurunter gewissen Umstnden charakteristisch. Wenn Einer sagte, er zweifle an der Exi-stenz seiner Hnde, sie immer wieder von allen Seiten betrachtete, sich zu berzeugensuchte, da keine Spiegelung oder dergl. vorlge, so wren wir nicht sicher, ob wir dasein Zweifeln nennen sollten. Wir knnten seine Handlungsweise als eine der zweifeln-den hnliche beschreiben, aber sein Spiel wre nicht das unsre.256. Anderseits ndert sich das Sprachspiel mit der Zeit.257. Wenn Einer mir sagte, er zweifle daran, ob er einen Krper habe, wrde ich ihn freinen Halbnarren halten. Ich wte aber nicht, was es hiee, ihn davon zu berzeugen,da er einen habe. Und htte ich etwas gesagt und das htte nun den Zweifel behoben,so wte ich nicht wie und warum.258. Ich wei nicht, wie der Satz Ich habe einen Krper zu gebrauchen ist.Das gilt nicht unbedingt von dem Satz, da ich immer auf oder nahe der Erde war.259. Wer dran zweifelte, da die Erde seit 100 Jahren existiert hat, knnte einen wissen-schaftlichen oder aber einen philosophischen Zweifel haben.260. Ich mchte den Ausdruck Ich wei fr die Flle reservieren, in denen er imnormalen Sprachverkehr gebraucht wird.261. Einen vernnftigen Zweifel an der Existenz der Erde whrend der letzten 100 Jahrekann ich mir jetzt nicht vorstellen.262. Ich kann mir einen Menschen vorstellen, der unter ganz besonderen Umstndenaufgewachsen ist und dem man beigebracht hat, die Erde sei vor 50 Jahren entstanden,und dieses deshalb auch glaubt. Diesen knnten wir belehren: die Erde habe schon langeetc. Wir wrden trachten, ihm unser Weltbild zu geben.Dies geschhe durch eine Art berredung.

  • 24

    263. Der Schler glaubt seinen Lehrern und den Schulbchern.264. Ich knnte mir den Fall denken, da Moore von einem wilden Volksstamm gefan-gen wird und die den Verdacht aussprechen, er sei von irgendwo zwischen Erde undMond gekommen. Moore sagt ihnen, er wisse, ..., kann ihnen aber die Grnde fr seineSicherheit nicht geben, weil sie phantastische Ideen vom Flugvermgen eines Menschenhaben und von Physik nichts wissen. Dies wre eine Gelegenheit, jene Aussage zu ma-chen.265. Aber was sagt sie mehr, als Ich bin nie dort und dort gewesen und habe zwingen-de Grnde, das zu glauben?266. Und hier mte man noch sagen, was zwingende Grnde sind.267. Ich habe nicht nur den visuellen Eindruck eines Baumes, sondern ich wei, da esein Baum ist.268. Ich wei, da das eine Hand ist. Und was ist eine Hand? Nun, das z. B.269. Bin ich gewisser, da ich nie auf dem Mond als da ich nie in Bulgarien war?Warum bin ich so sicher? Nun, ich wei, da ich auch nirgends in der Nhe, z. B. nieauf dem Balkan, war.270. Ich habe fr meine Sicherheit zwingende Grnde. Diese Grnde machen die Si-cherheit objektiv.271. Was ein triftiger Grund fr etwas sei, entscheide nicht ich.272. Ich wei = Es ist mir als gewi bekannt.273. Wann aber sagt man von etwas, es sei gewi?Denn darber, ob etwas gewi ist, lt sich streiten; wenn nmlich etwas objektiv gewiist.Es gibt eine Unzahl allgemeiner Erfahrungsstze, die uns als gewi gelten.274. Da Einem, dem man den Arm abgehackt, er nicht wieder wchst, ist ein solcher.Da Einer, dem man den Kopf abgehauen hat, tot ist und nie wieder lebendig wird, einandrer.Man kann sagen, da Erfahrung uns diese Stze lehrt. Sie lehrt sie uns aber nicht iso-liert, sondern sie lehrt uns eine Menge zusammenhngender Stze. Wren sie isoliert, soknnte ich etwa an ihnen zweifeln, denn ich habe keine sie betreffende Erfahrung.275. Ist die Erfahrung der Grund dieser unserer Gewiheit, so ist es natrlich die ver-gangene Erfahrung.Und es ist nicht etwa blo meine Erfahrung, sondem die der Anderen, von der ich Er-kenntnis erhalte.Nun knnte man sagen, da es wiederum Erfahrung ist, was uns den Andern Glaubenschenken lt. Aber welche Erfahrung macht mich glauben, da die Anatomie- undPhysiologiebcher nicht Falsches enthalten? Es ist wohl wahr, da dieses Vertrauenauch durch meine eigene Erfahrung gesttzt wird.276. Wir glauben, sozusagen, da dieses groe Gebude da ist, und nun sehen wir ein-mal da ein Eckchen, einmal dort ein Eckchen.277. Ich kann nicht umhin zu glauben ...278. Ich bin beruhigt, da es so ist.279. Es ist ganz sicher, da Automobile nicht aus der Erde wachsen. Wir fhlen, da,wenn Einer das Gegenteil glauben knnte, er allem Glauben schenken knne, was wirfr unmglich erklren, und alles bestreiten knnte, was wir fr sicher halten.

  • 25

    Wie aber hngt dieser eine Glaube mit allen andern zusammen? Wir mchten sagen,da wer jenes glauben kann, das ganze System unsrer Verifikation nicht annimmt.Dies System ist etwas, was der Mensch durch Beobachtung und Unterricht aufnimmt.Ich sage absichtlich nicht lernt.280. Nachdem er das und das gesehen und das und das gehrt hat, ist er auerstande zubezweifeln, da ...281. Ich, L. W., glaube, bin sicher, da mein Freund nicht Sgespne im Leib oder imKopf hat, obwohl ich dafr keine direkte Evidenz der Sinne habe. Ich bin sicher, aufGrund dessen, was mir gesagt wurde, was ich gelesen habe, und meiner Erfahrungen.Daran zu zweifeln erscheint mir als Wahnsinn, freilich wieder in bereinstimmung mitAnderen; aber ich stimme mit ihnen berein.282. Ich kann nicht sagen, da ich gute Grnde habe zur Ansicht, da Katzen nicht aufBumen wachsen oder da ich einen Vater und eine Mutter gehabt habe.Wenn Einer daran zweifelt wie soll es geschehen sein? Soll er von Anfang an nie ge-glaubt haben, er habe Eltern gehabt? Aber ist denn das denkbar, es sei denn, da manihn dies gelehrt hat?283. Denn wie kann das Kind an dem gleich zweifeln, was man ihm beibringt? Dasknnte nur bedeuten, da es gewisse Sprachspiele nicht erlernen knnte.284. Die Menschen haben seit den ltesten Zeiten Tiere gettet, ihr Fell, ihre Knochenetc. etc. zu gewissen Zwecken gebraucht; sie haben mit Bestimmtheit drauf gerechnet,in jedem hnlichen Tier hnliche Teile zu finden.Sie haben immer aus der Erfahrung gelernt, und aus ihren Handlungen kann man erse-hen, da sie Gewisses mit Bestimmtheit glauben, ob sie diesen Glauben aussprechenoder nicht. Damit will ich natrlich nicht sagen, da der Mensch so handeln solle, son-dern nur, da er so handelt.285. Wenn Einer etwas sucht und whlt etwa an einem bestimmten Platz die Erde auf,so zeigt er damit, da er glaubt, das, was er sucht, sei dort.286. Woran wir glauben, hngt von dem ab, was wir lernen. Wir alle glauben, es seiunmglich, auf den Mond zu kommen; aber es knnte Leute geben, die glauben, es seimglich und geschehe manchmal. Wir sagen: diese wissen Vieles nicht, was wir wissen.Und sie mgen ihrer Sache noch so sicher sein sie sind im Irrtum, und wir wissen es.Wenn wir unser System des Wissens mit ihrem vergleichen, so zeigt sich ihres als dasweit rmere.23.9.50287. Das Eichhrnchen schliet nicht durch Induktion, da es auch im nchsten WinterVorrte brauchen wird. Und ebensowenig brauchen wir ein Gesetz der Induktion, umunsre Handlungen und Vorhersagen zu rechtfertigen.288. Ich wei nicht nur, da die Erde lange vor meiner Geburt existiert hat, sondernauch, da sie ein groer Krper ist, da man das festgestellt hat, da ich und die andernMenschen viele Ahnen haben, da es Bcher ber das alles gibt, da solche Bchernicht lgen, etc. etc. etc. Und das alles wei ich? Ich glaube es. Dieser Wissenskrperwurde mir berliefert, und ich habe keinen Grund, an ihm zu zweifeln, sondern vielerleiBesttigungen.Und warum soll ich nicht sagen, ich wisse das alles? Sagt man nicht eben dies?Aber nicht nur ich wei oder glaube alles das, sondern die Andern auch. Oder vielmehr,ich glaube, da sie es glauben.289. Ich bin fest berzeugt, da die Andern glauben, zu wissen glauben, da es sich al-les so verhlt.

  • 26

    290. Ich habe selbst in meinem Buch geschrieben, das Kind lerne ein Wort so und soverstehen: Wei ich das, oder glaube ich das? Warum schreibe ich in so einem Fallenicht Ich glaube ..., sondern einfach den Behauptungssatz?291. Wir wissen, da die Erde rund ist. Wir haben uns endgltig davon berzeugt, dasie rund ist.Bei dieser Ansicht werden wir verharren, es sei denn, da sich unsere ganze Naturan-schauung ndert. Wie weit du das? Ich glaube es.292. Weitere Versuche knnen die frheren nicht Lgen strafen, hchstens unsere ganzeBetrachtung ndern.293. hnlich der Satz Das Wasser siedet bei 100 C.294. So berzeugen wir uns, das nennt man mit Recht davon berzeugt sein.295. Hat man also nicht, in diesem Sinne, einen Beweis des Satzes? Aber es ist keinBeweis dafr, da dasselbe wieder geschehen ist; aber wir sagen, es gibt uns ein Recht,dies anzunehmen.296. Dies nennen wir Erfahrungsmige Begrndung unsrer Annahmen.297. Wir lernen eben nicht nur, da die und die Versuche so und so ausgegangen sind,sondern auch den Schlusatz. Und daran ist natrlich nichts Falsches. Denn dieser Satzist ein Instrument fr bestimmten Gebrauch.298. Wir sind dessen ganz sicher, heit nicht nur, da jeder Einzelne dessen gewi ist,sondern, da wir zu einer Gemeinschaft gehren, die durch die Wissenschaft und Erzie-hung verbunden ist.299. We are satisfied that the earth is round.10.3.51300. Nicht alle Korrekturen unsrer Ansichten stehen auf der gleichen Stufe.301. Angenommen, es sei nicht wahr, da die Erde schon lange vor meiner Geburt exi-stiert hat, wie hat man sich die Entdeckung dieses Fehlers vorzustellen?302. Es ist nichts nutz zu sagen Vielleicht irren wir uns, wenn, wenn keiner Evidenzzu trauen ist, im Fall der gegenwrtigen Evidenz nicht zu trauen ist.303. Wenn wir uns z. B. immer verrechnet haben und 12 x 12 nicht 144 ist, warumsollten wir dann irgendeiner anderen Rechnung trauen? Und das ist natrlich falsch aus-gedrckt.304. Aber auch ich irre mich in dieser Formel des Einmaleins nicht. Ich mag sptereinmal sagen, ich sei jetzt verwirrt gewesen, aber nicht, ich htte mich geirrt.305. Hier ist wieder ein Schritt ntig hnlich dem der Relativittstheorie.306. Ich wei nicht, ob das eine Hand ist. Weit du aber, was das Wort Hand be-deutet? Und sag nicht Ich wei, was es jetzt fr mich bedeutet. Und ist das nicht eineErfahrungstatsache, da dies Wort so gebraucht wird?307. Und hier ist es nun sonderbar, da, wenn ich auch des Gebrauchs der Wrter ganzsicher bin, keinen Zweifel darber habe, ich doch keine Grnde fr meine Handlungs-weise angeben kann. Versuchte ichs, so knnte ich 1000 geben, aber keinen, der so si-cher wre, wie eben das, was sie begrnden sollen.308. Wissen und Sicherheit gehren zu verschiedenen Kategorien. Es sind nichtzwei Seelenzustnde wie etwa Vermuten und Sichersein. (Hier nehme ich an,da es fr mich sinnvoll sei zu sagen Ich wei, was das Wort Zweifel {z. B.} be-deutet und da dieser Satz dem Wort Zweifel eine logische Rolle anweist.) Was uns

  • 27

    nun interessiert ist nicht das Sichersein, sondern das Wissen. D. h. uns interessiert, daes ber gewisse Erfahrungsstze keinen Zweifel geben kann, wenn ein Urteil berhauptmglich sein soll. Oder auch: Ich bin geneigt zu glauben, da nicht alles, was die Formeines Erfahrungssatzes hat, ein Erfahrungssatz ist.309. Ist es, da Regel und Erfahrungssatz ineinander bergehen?310. Ein Schler und ein Lehrer. Der Schler lt sich nichts erklren, denn er unter-bricht (den Lehrer) fortwhrend mit Zweifeln, z. B. an der Existenz der Dinge, der Be-deutung der Wrter, etc. Der Lehrer sagt: Unterbrich nicht mehr und tu, was ich dir sa-ge; deine Zweifel haben jetzt noch gar keinen Sinn.311. Oder denk dir, der Schler bezweifelte die Geschichte (und alles, was mit ihr zu-sammenhngt), ja auch, ob die Erde vor 100 Jahren berhaupt existiert habe.312. Da ist es mir, als wre dieser Zweifel hohl. Aber ist es dann nicht auch der Glaubean die Geschichte? Nein; dieser hngt mit so vielem zusammen.313. So ist das also, was uns einen Satz glauben macht? Nun, es hngt eben die Gram-matik von glauben mit der des geglaubten Satzes zusammen.314. Denk dir, der Schler fragte wirklich: Und ist ein Tisch auch da, wenn ich michumdrehe; und auch, wenn ihn niemand sieht? Soll da der Lehrer ihn beruhigen und sa-gen Freilich ist er da! Vielleicht wird der Lehrer ein bichen ungeduldig werden, sich aber denken, der Sch-ler werde sich solche Fragen schon abgewhnen.315. D. h. der Lehrer wird empfinden, dies sei eigentlich keine berechtigte Frage.Und gleichermaen, wenn der Schler die Gesetzlichkeit der Natur, also die Berechti-gung zu Induktionsschlssen, anzweifelte. Der Lehrer wrde empfinden, da das ihnund den Schler nur aufhlt, da er dadurch im Lernen nur steckenbliebe und nichtweiterkme. Und er htte recht. Es wre, als sollte jemand nach einem Gegenstand imZimmer suchen; er ffnet eine Lade und sieht ihn nicht darin; da schliet er sie wieder,wartet und ffnet sie wieder, um zu sehen, ob er jetzt nicht etwa darin sei, und so fhrter fort. Er hat noch nicht suchen gelernt. Und so hat jener Schler noch nicht fragen ge-lernt. Nicht das Spiel gelernt, das wir ihn lehren wollen.316. Und ist es nicht dasselbe, wie wenn der Schler den Geschichtsunterricht aufhieltedurch Zweifel darber, ob die Erde wirklich ...?317. Dieser Zweifel gehrt nicht zu den Zweifeln unsers Spiels. (Nicht aber, als ob wiruns dieses Spiel aussuchten!)12.3.51318. Die Frage kommt gar nicht auf. Ihre Antwort wrde eine Methode charakterisie-ren. Es ist aber keine scharfe Grenze zwischen methodologischen Stzen und Stzen in-nerhalb einer Methode.319. Aber mte man dann nicht sagen, da es keine scharfe Grenze gibt zwischen St-zen der Logik und Erfahrungsstzen? Die Unschrfe ist eben die der Grenze zwischenRegel und Erfahrungssatz.320. Hier mu man, glaube ich, daran denken, da der Begriff Satz selbst nicht scharfist.321. Ich sage doch: Jeder Erfahrungssatz kann umgewandelt werden in ein Postulat und wird dann eine Norm der Darstellung. Aber auch dagegen habe ich ein Mitrauen.Der Satz ist zu allgemein. Man mchte fast sagen Jeder Erfahrungssatz kann, theore-tisch, umgewandelt werden ..., aber was heit hier theoretisch? Es klingt eben zusehr nach der Log. Phil. Abh.

  • 28

    322. Wie, wenn der Schler nicht glauben wollte, da dieser Berg seit Menschengeden-ken immer dagestanden ist?Wir wrden sagen, er habe ja gar keinen Grund zu diesem Mitrauen.323. Also mu vernnftiges Mitrauen einen Grund haben?Wir knnten auch sagen: Der Vernnftige glaubt dies.324. Wir wrden also den nicht vernnftig nennen, der etwas, wissenschaftlicher Evi-denz zum Trotz, glaubt.325. Wenn wir sagen, wir wissen, da ..., so meinen wir, da jeder Vernnftige in unse-rer Lage es auch wte, da es Unvernunft wre, es zu bezweifeln. So will auch Moorenicht nur sagen, er wisse, da er etc. etc., sondern auch, da jeder Vernunftbegabte inseiner Lage es ebenso wte.326. Wer sagt uns aber, was in dieser Lage vernnftig ist zu glauben?327. Man knnte also sagen: Der vernnftige Mensch glaubt: da die Erde lngst vorseiner Geburt existiert hat, da sein Leben sich auf der Erdoberflche oder nicht weitvon ihr abgespielt hat, da er z. B. nie auf dem Mond war, da er ein Nervensystem be-sitzt und verschiedene Innereien wie alle anderen Menschen etc. etc.328. Ich wei es so, wie ich wei, da ich L. W. heie.329. Wenn er das bezweifelt was immer hier bezweifeln heit , dann wird er die-ses Spiel nie erlernen.330. Der Satz Ich wei ... drckt also hier die Bereitschaft aus, gewisse Dinge zuglauben.13.3.331. Wenn wir berhaupt auf den Glauben hin mit Sicherheit handeln, sollen wir unsdann wundern, da wir an Vielem nicht zweifeln knnen?332. Denk dir, jemand wrde, ohne philosophieren zu wollen, sagen: Ich wei nicht,ob ich je auf dem Mond gewesen bin; ich erinnere mich nicht, jemals dort gewesen zusein. (Warum wre dieser Mensch von uns so grundverschieden?)Vor allem: Wie wte er denn, da er auf dem Mond ist? Wie stellt er sich das vor?Vergleiche: Ich wei nicht, ob ich je im Dorfe X war. Aber ich knnte auch das nichtsagen, wenn X in der Trkei lge, denn ich wei, da ich nie in der Trkei war.333. Ich frage jemand: Warst du jemals in China? Er antwortet: Ich wei nicht. Dawrde man doch sagen: Du weit es nicht? Hast du irgendeinen Grund zu glauben, duwrest vielleicht einmal dort gewesen? Warst du z. B. einmal in der Nhe der chinesi-schen Grenze? Oder waren deine Eltern dort zur Zeit, da du geboren wurdest? Nor-malerweise wissen Europer doch, ob sie in China waren oder nicht.334. D. h.: der Vernnftige zweifelt daran nur unter den und den Umstnden.335. Das Verfahren in einem Gerichtssaal beruht darauf, da Umstnde Aussagen einegewisse Wahrscheinlichkeit geben. Die Aussage z. B., jemand sei ohne Eltern auf dieWelt gekommen, wrde dort nie in Erwgung gezogen werden.336. Aber was Menschen vernnftig oder unvernnftig erscheint, ndert sich. Zu gewis-sen Zeiten scheint Menschen etwas vernnftig, was zu andern Zeiten unvernnftigschien. U. u.Aber gibt es hier nicht ein objektives Merkmal?Sehr gescheite und gebildete Leute glauben an die Schpfungsgeschichte der Bibel, undandere halten sie fr erwiesenermaen falsch, und diese Grnde sind jenen bekannt.

  • 29

    337. Man kann nicht experimentieren, wenn man nicht manches nicht bezweifelt. Dasheit aber nicht, da man dann gewisse Voraussetzungen auf guten Glauben hinnimmt.Wenn ich einen Brief schreibe und aufgebe, so nehme ich an, da er ankommen wird,das erwarte ich.Wenn ich experimentiere, so zweifle ich nicht an der Existenz des Apparates, den ichvor den Augen habe. Ich habe eine Menge Zweifel, aber nicht den. Wenn ich eineRechnung mache, so glaube ich, ohne Zweifel, da sich die Ziffern auf dem Papier nichtvon selbst vertauschen, auch vertraue ich fortwhrend meinem Gedchtnis und vertraueihm unbedingt. Es ist hier dieselbe Sicherheit wie, da ich nie auf dem Mond war.338. Denken wir uns aber Leute, die dieser Sachen nie ganz sicher wren, aber wohlsagten, es sei sehr wahrscheinlich so und es lohne sich nicht, daran zu zweifeln. So ei-ner wrde also, wenn er in meiner Lage wre, sagen: Es ist hchst unwahrscheinlich,da ich je auf dem Mond war, etc. etc. Wie wrde sich das Leben dieser Leute von un-serem unterscheiden? Es gibt ja Leute, die sagen, es sei nur hchst wahrscheinlich, dadas Wasser im Kessel, der berm Feuer steht, kochen und nicht gefrieren wird, es seialso strenggenommen, was wir als unmglich ansehen, nur unwahrscheinlich. WelchenUnterschied macht dies in ihrem Leben? Ist es nicht nur, da sie ber gewisse Dingeetwas mehr reden als die Andern?339. Denk dir einen Menschen, der seinen Freund vom Bahnhof abholen soll und nunnicht einfach im Fahrplan nachsucht und zur gewissen Zeit auf den Bahnhof geht, son-dern er sagt: Ich glaube nicht, da der Zug wirklich ankommen wird, aber ich werdedennoch zur Bahn gehen. Er tut alles, was der gewhnliche Mensch tut, begleitet esaber mit Zweifeln oder Unwillen ber sich selbst etc.340. Mit derselben Gewiheit, mit der wir irgendeinen mathematischen Satz glauben,wissen wir auch, wie die Buchstaben A und B auszusprechen sind, wie die Farbedes menschlichen Bluts heit, da andre Menschen Blut haben und es Blut nennen.341. D. h. die Fragen, die wir stellen, und unsre Zweifel beruhen darauf, da gewisseStze vom Zweifel ausgenommen sind, gleichsam die Angeln, in welchen jene sich be-wegen.342. D. h. es gehrt zur Logik unsrer wissenschaftlichen Untersuchungen, da Gewissesin der Tat nicht angezweifelt wird.343. Es ist aber damit nicht so, da wir eben nicht alles untersuchen knnen und uns da-her notgedrungen mit der Annahme zufriedenstellen mssen. Wenn ich will, da dieTre sich drehe, mssen die Angeln feststehen.344. Mein Leben besteht darin, da ich mich mit manchem zufriedengebe.345. Wenn ich frage Welche Farbe siehst du jetzt?, um nmlich zu erfahren, welcheFarbe jetzt dort ist, so kann ich nicht zu gleicher Zeit auch bezweifeln, ob der Angere-dete Deutsch versteht, ob er mich hintergehen will, ob mein eigenes Gedchtnis, dieBedeutung der Farbnamen betreffend, mich nicht im Stich lt, etc.346. Wenn ich Einen im Schach matt zu setzen suche, kann ich nicht zweifeln, ob dieFiguren nicht etwa von selbst ihre Stellungen wechseln und zugleich mein Gedchtnismir einen Streich spielt, da ichs nicht merke.15.3.51347. I know that thats a tree. Warum kommt mir vor, ich verstnde den Satz nicht?obwohl er doch ein hchst einfacher Satz von der gewhnlichsten Art ist? Es ist, alsknnte ich meinen Geist nicht auf irgendeine Bedeutung einstellen. Weil ich nmlichdie Einstellung nicht in dem Bereiche suche, wo sie ist. Sowie ich aus der philosophi-schen an eine alltgliche Anwendung des Satzes denke, wird sein Sinn klar und ge-whnlich.

  • 30

    348. So wie die Worte Ich bin hier nur in gewissen Zusammenhngen Sinn haben,nicht aber, wenn ich sie Einem sage, der mir gegenber sitzt und mich klar sieht, undzwar nicht darum, weil sie dann berflssig sind, sondern, weil ihr Sinn durch die Si-tuation nicht bestimmt ist, aber so eine Bestimmung braucht.349. Ich wei, da das ein Baum ist dies kann alles mgliche bedeuten: Ich schaueauf eine Pflanze, die ich fr eine junge Buche, der Andre fr eine Ribiselpflanze hlt. Ersagt Das ist ein Strauch, ich, es sei ein Baum. Wir sehen im Nebel etwas, was einervon uns fr einen Menschen hlt, der Andre sagt Ich wei, da das ein Baum ist. Je-mand will meine Augen prfen etc. etc. etc. etc. Jedesmal ist das das, was ich freinen Baum erklre, von andrer Art.Wie aber, wenn wir uns bestimmter ausdrckten? also z. B.: Ich wei, da das dort einBaum ist, ich sehe es klar genug. Nehmen wir sogar an, ich htte im Zusammenhangeines Gesprchs diese Bemerkung gemacht (die also damals relevant war); und nun, au-er allem Zusammenhang, wiederhole ich sie, indem ich den Baum ansehe, und ich set-ze hinzu Ich meine diese Worte so wie vor 5 Minuten. Wenn ich z. B. dazu sagte,ich htte wieder an meine schlechten Augen gedacht und es sei eine Art Seufzer gewe-sen, so wre nichts Rtselhaftes an der uerung.Wie der Satz gemeint ist, kann ja durch eine Ergnzung des Satzes ausgedrckt werdenund lt sich also mit ihm vereinigen.350. Ich wei, da das ein Baum ist, sagt ein Philosoph etwa, um sich selbst oder ei-nem Andern vor Augen zu fhren, er wisse etwas, was keine mathematische oder logi-sche Wahrheit sei. hnlich knnte jemand, der mit dem Gedanken umgeht, er sei zunichts mehr zu brauchen, sich immer wieder sagen Ich kann noch immer das und dasund das tun. Gingen solche Gedanken fter in seinem Kopf herum, so wrde man sichnicht darber wundem, wenn er, scheinbar auer allem Zusammenhang, so einen Satzvor sich hinsprche. (Ich habe aber hier bereits einen Hintergrund, eine Umgebung frdiese uerungen eingezeichnet, ihnen also einen Zusammenhang gegeben.) Wenn Ei-ner dagegen, unter ganz heterogenen Umstnden, mit der berzeugendsten Mimik aus-riefe Nieder mit ihm!, so knnte man von diesen Worten (und ihrem Tone) sagen, sieseien eine Figur, die allerdings wohlbekannte Anwendungen habe, hier aber sei es nichteinmal klar, welche Sprache der Betreffende rede. Ich knnte mit meiner Hand die Be-wegung machen, die zu machen wre, wenn ich einen Fuchsschwanz in der Hand htteund ein Brett durchsgte; aber hatte man ein Recht, diese Bewegung auer allem Zu-sammenhang ein Sgen zu nennen? (Sie knnte ja auch etwas ganz anderes sein!)351. Ist nicht die Frage Haben diese Worte Sinn? hnlich der: Ist das ein Werk-zeug?, indem man, sagen wir, einen Hammer herzeigt. Ich sage Ja, das ist ein Ham-mer. Aber wie, wenn das, was jeder von uns fr einen Hammer hielte, woanders z. B.ein Wurfgescho oder Dirigentenstock wre. Mache die Anwendung nun selbst!352. Sagt nun jemand Ich wei, da das ein Baum ist, so kann ich antworten: Ja, dasist ein Satz. Ein deutscher Satz. Und was solls damit? Wie, wenn er nun antwortet:Ich wollte mich nur daran erinnern, da ich so etwas wei? 353. Wie aber, wenn er sagte: Ich will eine logische Bemerkung machen? Wenn derFrster mit seinen Arbeitern in den Wald geht und nun sagt Dieser Baum ist umzuhau-en, und dieser und dieser wie, wenn er da die Bemerkung macht Ich wei, da dasein Baum ist? Knnte aber nicht ich vom Frster sagen Er wei, da das ein Baumist, er untersucht es nicht, befiehlt seinen Leuten nicht, es zu untersuchen?354. Zweifelndes und nichtzweifelndes Benehmen. Es gibt das erste nur, wenn es daszweite gibt.355. Der Irrenarzt etwa knnte mich fragen Weit du, was das ist?, und ich antwor-ten: Ich wei, da das ein Sessel ist; ich kenne ihn, er ist immer schon in meinem

  • 31

    Zimmer gestanden. Er prft da vielleicht nicht meine Augen, sondern mein Vermgen,Dinge wiederzuerkennen, ihren Namen und ihre Funktion zu wissen. Es handelt sich daum ein Sichauskennen. Es wre nun fr mich falsch zu sagen Ich glaube