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wohnbund informationen II+III/05 Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

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w o h n b u n d

i n f o r m a t i o n e n

II+III/05

Wohnprojekte undnachbarschaftliches Wohnenin Schleswig-Holstein

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Inhalt

Editorial 3Britta Tornow, Reiner Schendel

Impressum 4

Schwerpunktthema:

Wohnprojekte und nachbarschaftlichesWohnen in Schleswig-Holstein

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte 5

Strategien für eine sozial ausgewogeneWohnraumversorgung und die Rolle nachbarschaftlicher und gemeinschaftlicher Wohnprojekte in Schleswig-Holstein 5

Norbert Scharbach

Neue Chancen für Wohnprojekte – die neuenFörderrichtlinien für Genossenschaften 9

Reiner Schendel

Entwicklung von dachgenossenschaftlichenTrägerstrukturen – ein Modellvorhabenim ExWoSt-Forschungsfeld „Erschließen vonGenossenschaftspotenzialen“ 11

Reiner Schendel

Wohnungsgenossenschaft Esbjergweg eG 13Rückblick und Ausblick

Dr. Eckart Güldenberg

Aktivierung von Genossenschaftspotenzialen in einer kleinen Bewohnergenossenschaft 18Ziele und erste Erfahrungen im Modellvorhaben der WOGE Esbjergweg im ExWoSt-Forschungsfeld „Erschließen von Genossenschaftspotenzialen“

Kirsten Klehn

Neue Initiativen für Wohnprojekte bei Kommunenund Wohnungsunternehmen 20

„Jung und Alt gibt Halt“ … 20Dr. Josef Bura, … Zusammenarbeit mit Gruppenwohnprojekten … 21Nils Fischer

Die Dachgenossenschaft Nord (DGN) 22Dr. Jasna Baumgarten, Thomas Behl

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein:generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt 23

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: Vom Land in die Stadt 23

Heidrun Buhse

Der Aegidienhof in Lübeck – generations-übergreifendes Wohnen und Arbeiten in der Altstadt 28

Rainer Steffens, Karin Rinke, Christoph Härtel

Ein neues Dorf entsteht – Allmende Wulfsdorf 32Sabine Franke

Das Wohnprojekt Pries 36Thomas Jung

Seit 13 Jahren: Die ökologische Siedlung in Hassee 38– die Genossenschaft der Eigentümer/innen

Friedel Larbig, Karin Riese, Katrin Starke, Heidrun Buhse

Blick über die Grenze – die dänische seniorbofælleskab „Toftehaven“in Bov 42

Britta Tornow

Wohnprojekte in Planung: neue Genossenschaften – neue Zielgruppen 45

Steinbeker Hof – generationsübergreifendes Wohnen auf dem Land 45

Maro Temm – Wohnungsgenossenschaft der Sinti 46

Wohnprojekt „Wohnen und Arbeiten am Rathausturm“ in Kiel 47

Unter den Eichen – genossenschaftliches Wohnprojekt in Kiel-Projensdorf 47

Wohnprojekt Dampfziegelei Kiel Wik 48

Gemeinschaftliches Wohnprojekt für Senioren in Neumünster 48

Netzwerke 49

Interessenverband Wohnprojekte Schleswig-Holstein 49Christina Schoennagel

Institut für Neues Wohnen 49Thomas Fürst

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. 50Dietmar Walberg

Verein Nachbarschaftliches Wohnen e.V. 50Wilfried Morisse

1. Wohnprojektetag Schleswig-Holstein 51Christina Schoennagel

Nachbarschaftliches Wohnen im Quartier 53

Förderung von Nachbarschaften durch Wohnungswirtschaft und Kommune – das Beispiel der Nachbarschaftsbüros in Lübeck 53

Matthias Rasch

Neue selbst verwaltete Treffpunkte in einem Wohnquartier der 60er Jahre – das Beispiel Flensburg Engelsby 56

Britta Tornow

Dissertation 60

Wohnen mit Commons: Einflussfaktoren auf die Akzeptanz von Gemeinschaftsbesitz im Wohnalltag. Eine qualitative Studie 60

Dr. Angelika Sennlaub

Informationen + Publikationen 64

Veranstaltungen 66

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3wohnbund-informationen 2+3/2005

in einer kleinen Bewohnergenossen-schaft“ angesiedelt, das das Institut fürWohnpolitik und Stadtökologie Hanno-ver in der Großsiedlung Mettenhofdurchführt. Hier wurde vor 6 Jahrenaufgrund einer gemeinsamen Initiativevon Innenministerium, Stadt, Woh-nungswirtschaft und Bewohnern einesHochhauses die erste Bewohnergenos-senschaft gegründet, die langfristigauch die Funktion einer Dachgenos-senschaft übernehmen könnte.

… bei den Kommunen undTraditionsgenossenschaftenInwieweit können Kommunen undTraditionsgenossenschaften dieUmsetzung von Gruppenwohnprojek-ten unterstützen? Bisher liegen inSchleswig-Holstein nur vereinzeltErfahrungem vor. Bemerkenswert ist indiesem Zusammenhang die Initiativeder Stadt Geesthacht, die innerhalbvon Verwaltung und Kommunalpolitikdie Weichen für ein Wohngruppenpro-jekt stellte und durch eine öffentlicheDiskussion einen Gruppenbildungspro-zess einleitete.

Die Baugenossenschaft-GKB-Pinne-berg betrachtet Wohngruppen als einewichtige zukünftige Zielgruppe, dieeiner „alten“ Genossenschaft viele Vor-teile bringen kann. Ihr erstes Projektplant sie zur Zeit gemeinsam mit einerGruppe Seniorinnen in Wedel. AndereAltgenossenschaften sehen ihre Ver-antwortung in der Beratung neuerBewohnergenossenschaften.

… bei den Fachleuten und denInteressenverbändenDie wichtigsten Stichworte sind Ver-netzung, Vermittlung, Beratung undProfessionalisierung. In diesem Jahrwurde ein landesweiter Verband derWohnprojekte gegründet, der denersten Wohnprojektetag Schleswig-

Holstein veranstaltete. Der Verein fürnachbarschaftliches Wohnen in Kielengagiert sich seit einigen Jahren inder Lobbyarbeit für neue Wohnformensowie in der Vernetzung und Erstbera-tung von Projektinitiativen. Die Bera-tung von Wohnprojekten gehört eben-so zu den Aufgaben der Leitstelle fürWohnberatung bei der Arbeitsgemein-schaft für zeitgemäßes Bauen, mitSchwerpunkt auf der bautechnischenund energtischen Beratung. Das Insti-tut für Neues Wohnen entwickelt alsinterdisziplinärer Zusammenschlussvon Fachleuten aus der Altenpflege,Architektur und dem Marketing Kon-zepte für selbst bestimmte Wohnfor-men älterer Menschen.

… und nicht zuletzt in der Wohn-projekteszene selbstWie der „historische“ Rückblick zeigt,gibt es Wohnprojekte in Schleswig-Holstein schon seit gut 30 Jahren, dieTradition für Gruppenselbsthilfe reichtsogar bis in die 50er Jahre zurück. VierProjekte stehen in diesem Heft bei-spielhaft für die rund 60 realisiertenWohnprojekte und spiegeln die vielfäl-tigen Ansätze wider. Generationenübergreifendes Wohnen, die engeNachbarschaft zwischen Wohnen undArbeiten, Nachhaltigkeit, soziale Ver-antwortung, kulturelle Aktivitäten undStadtteilbezug.

l Der „Aegidienhof“, ein ganzes Alt-stadtkarree in Lübeck, in dem Men-schen verschiedener Altersgruppen,Einkommen und Lebensituationen in enger Nachbarschaft wohnen undarbeiten;

l „Allmende Wulfsdorf“, eine neueDorfgemeinschaft für 300 Bewohnermit zahlreichen Arbeitsplätzen,Infrastruktur- und Freizeitangeboten;

l Die Siedlung „Moorwiesengraben“

SchwerpunktthemaWohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Ein regionales Heft über Wohnprojekteund nachbarschaftliches Wohnen inSchleswig-Holstein!

Bisher wurde im Wohnbund-Infonur wenig über Schleswig-Holsteinberichtet. Vor allem Hamburg, Berlin,München und Nordrhein-Westfalennahmen die Rolle der Vorreiter fürneue Wohnprojekte und Genossen-schaftsgründungen ein. Dabei lohnt essich durchaus, einen Blick in das nörd-lichste Bundesland zu werfen, denn inSchleswig-Holstein ist zur Zeit einigesin Bewegung …

… in der LandesförderungIm Jahr 2004 initiierte das Innenmi-nisterium Schleswig-Holstein mit sei-ner Abteilung für Wohnungs- udnStädtebauförderung eine „Landeskam-pagne zur Förderung von Wohnprojek-ten“. Verschiedene Fachtagungen undGutachten begleiteten diese Kampagne.Seit diesem Jahr gibt es eine neue För-derrichtlinie, die gezielt auf die beson-deren Strukturen genossenschaftlicherWohnprojekte abgestimmt ist.

… in der Entwicklung neuerTrägerstrukturenDie Realisierung neuer kleiner Genos-senschaften erfordert geeignete Träger-strukturen. Inzwischen befinden sichmehrere Dachgenossenschaften inGründung: die Genossenschaft Stein-beker Hof auf dem Land, die Roma undSinti Genossenschaft Maro Temm unddie neue Dachgenossenschaft Nord. ImRahmen des ExWoSt-Forschungsfeldes„Erschließen von Genossenschafts-potenzialen“ erarbeitet Stattbau Ham-burg ein Konzept zur Entwicklung undImplementierung dachgenossenschaft-licher Trägerstrukturen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Im selbenForschungsfeld ist das Projekt „Aktivie-rung von Genossenschaftspotenzialen

Editorial

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wohnbund-informationen 2+3/20054

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

in Kiel Hassee, das auf die engeVerbindung zwischen Ökologie undGemeinschaft baut;

l Das Gruppenwohnprojekt „Kiel-Pries“mit seinem Generationen übergrei-fenden Ansatz;

l Das Projekt „Toftehaven“, das bei-spielhaft für den aktuellen Trend beiunseren dänischen Nachbarn steht:die seniorbofælleskaber, Gruppen-wohnprojekte für Leute über 55.

Auch aus den rund 30 Projektinitiati-ven im Land kann dieses Heft nur eini-ge exemplarisch herausgreifen, die fürdie aktuellen Trends stehen: Genos-senschaftliches Wohnen, Projekte füruntere und mittlere Einkommensgrup-pen und besondere Zielgruppen wiedie Sinti und Roma, innerstädtischesWohnen aber auch Projekte im ländli-chen Raum.

Impressum

wohnbund-informationenMitgliederzeitung des wohnbund e.v.Herausgeber und Redaktionsadresse:

wohnbund e.v.Aberlestraße 16/Rgb81371 München

Telefon 089-74 68 9611Fax 089-725 5074E-Mail: [email protected]

Redaktion: Britta Tornow, Reiner SchendelFotos + Abbildungen: AutorInnen, Wulf Dau-Schmidt, Brigitte + Olaf Schulz, Britta Tornow

Erscheinungsweise: viermal jährlich

Preis: Für wohnbund-Mitglieder kostenlosAbonnement: € 10,– pro Ausgabe incl. VersandSammelbestellung (ab 10 Exemplare): € 6,50 pro Exemplar zzgl. Versandkosten

Abo-Bestellung: per E-Mail, Telefon oder Fax an die Redaktionsadresse

Layout und technische Bearbeitung: Bernd Hüller, [email protected]

Druck: Lichtpunkt medien e.K., München

Namentlich gekennzeichnete Beiträge gebennicht unbedingt die Meinung der Redaktionoder des wohnbund-Vorstandes wieder.

Nachbarschaftliches Wohnen ist nicht nur ein Thema derGruppenwohnprojekte

Nachbarschaftliches Wohnen findetjedoch nicht nur in Gruppenwohn-projekten statt. Es gibt eine Reihe vonWohnungsbauprojekten in Schleswig-Holstein, deren städtebauliche Konzep-te auf nachbarschaftliches Wohnenangelegt sind und die inzwischen übermehrjährige Erfahrungen mit Gemein-schaftsräumen verfügen. Diese Erfah-rungen könnten ein weiteres Heft fül-len. Zwei Beispiele finden sich indiesem Heft: Die quartiersbezogenenNachbarschaftsbüros in Lübeck unddas Pilotprojekt Flensburg-Engelsby,bei dem neue selbstverwaltete Treff-punkte für unterschiedliche Bewohner-gruppen geschaffen wurden.

Britta Tornow, Reiner Schendel

Nachbarschaftliches Wohnen hat Tradition in Schleswig-Holstein – Siedlung aus den 30er Jahren Foto: Tornow/Dau-Schmidt

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5wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnraumförderung – ein Beitrag zur Sozialpolitik und zur städtebaulichenEntwicklung des Landes

In den letzten zehn Jahren hat dieWohnraumförderpolitik des LandesSchleswig-Holstein einen konstantenBeitrag zur Sozialpolitik und zurstädtebaulichen Entwicklung des Lan-des geleistet. Vor dem Hintergrundeines Wohnraumförderungsvermögensmit einem Volumen von 156 Mio € inden Programmjahren 2005/2006 wirddies auch in Zukunft möglich sein.Neben landes- und raumplanerischenLeitzielen hat insbesondere die Wohn-raumförderung für eine sehr aktive,standardsetzende Wohnungspolitikgesorgt, die den Standorten nützt –und den Menschen auch.

In Bestandsquartieren wird dieWohnraumförderung zunehmend mitergänzenden Mitteln der Städtebau-förderung in ihrer Wirkung gesteigert.Durch das Prinzip der ständigeninhaltlichen und strukturellen Anpas-sung an sich wandelnde Erfordernisseeiner sozial ausgeglichenen Wohn-raumversorgung kann das Förderungs-programm für sich in Anspruch neh-men, ein aktiver und nicht reaktiverPartner der Kommunen und der Woh-nungswirtschaft zu sein. Aber auch dieGarantie dafür, dass die Menschen inSchleswig-Holstein mit ihrer Wohnsi-tuation in der Regel mehr als nur „einDach über dem Kopf“ verbinden.Angesichts begrenzter Einkommens-zuwächse eines Großteils der Bevöl-kerung, angesichts von strukturellenund demographischen Wandlungs-prozessen, denen die verschiedenenRegionen in Schleswig-Holstein ganzunterschiedlich ausgesetzt sind, wur-den dem Abschmelzprozess der 30 TS

Sozialbindungen allein zwischen 2001und 2006 immerhin bis 2004 rd. 5000TS neue oder modernisierte sozialge-bundene Wohnungen entgegengesetzt.Der Wohnungsmarkt ist einerseits vonEntspannung und günstigen Finanzie-rungsbedingungen gekennzeichnet,anderseits geben die strukturschwa-chen Regionen, städtische Quartieremit sozialen und städtebaulichen Ent-wicklungsdefiziten und die Auswir-kungen der Globalisierung des Finanz-und Wohnungsmarktes Anlass zur wei-teren Aufrechterhaltung einer auf-merksamen Wohnungspolitik, die För-derung mit einschließt. Die steuerndeund unterstützende Funktion insbe-sondere der gebündelten Förderungvon Städtebau und Wohnungsbau zeigtsich an den sehr erfolgreichen Quar-tierssanierungen an den Konversions-standorten ebenso, wie in den moder-nisierten Wohnquartieren in der„Böcklersiedlung“ in Neumünster oderin „St. Lorenz“ und „St. Jürgens“ inLübeck. Ohne die Synergieeffekte, diesich aus der Förderung für die Stabili-sierung der Stadtteile, und der sozialenund öffentlichen Infrastruktur ergaben,hätte die dort investierende Wohnungs-wirtschaft die notwendige Aufwertungder Standorte nicht geschafft. Gleich-wohl werden durch den Fördermittel-einsatz Investitionsvolumina ausgelöst,die die Förderung um bis zum Acht-fachen übersteigen und damit das wirt-schaftliche Interesse an den Förder-regionen eindrucksvoll unter Beweisstellen.

Schwerpunkt liegt auf Modernisierung

Der Schwerpunkt liegt auf einer An-passung der Bestände, auf Verbesserungder Wohnungsqualitäten und der

Wohnumfelder. Zunehmend werdenfür alle Segmente des Wohnungsmark-tes zielgruppengerechte Angebotewichtig. Auch diese Bilanz kann sichsehen lassen. So wurden in den letz-ten zehn Jahren zusammen mit derWohnungswirtschaft altengerechteServicewohnungen unterschiedlichsterAusprägung in die Quartiere integriert,Wohnformen für Studenten oder fürWohnungslose oder eben auch Bauträ-germaßnahmen, Gruppenselbsthilfe-projekte und Wohnprojekte gefördert.Dabei ist die kooperative Förderbera-tung, verbunden mit Dienstleistungenzur Qualitätsicherung der Fördermaß-nahmen und das 1992 eingeführtePrinzip der „Vereinbarten Förderung“der praktische Ausdruck einer Förder-strategie, die die Ziele des Wohnraum-förderungsgesetzes umsetzt, ohne diri-gistisch zu wirken.

Das Land setzt auf Transparenzund Erkenntnisse zu Entwicklungen der regional unterschiedlichenWohnungsmärkte.

Die seit 1997 eingeführte kontinuier-liche Wohnungsmarktbeobachtung undseit 2003 die Auswertung von Woh-nungsmarktanalysen und -prognosenleiteten dazu über, von der Quoten-förderung auf eine Förderung zu kom-men, die ihre Nachhaltigkeit unterBeweis stellt und zugleich als Kataly-sator für Portfolio- und Marktanalysender Wohnungsunternehmen wirkenkann. Sie setzte dabei auf die Kräfte inder Wohnungswirtschaft, die langfris-tig investieren und dies mit hoher Ver-antwortung für die Region. Zugunstenvon mehr Flexibilität in der Handhabeder Sozialbindungen, aber auch zurSicherung von partnerschaftlichem

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

Norbert Scharbach

Strategien für eine sozial ausgewogene Wohnraumversorgungund die Rolle nachbarschaftlicher und gemeinschaftlicherWohnprojekte in Schleswig-Holstein

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wohnbund-informationen 2+3/20056

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Engagement von „Öffentlicher Hand“und Wohnungswirtschaft in Bestands-quartieren mit strukturellen Entwick-lungsdefiziten wurden seit 2003 regio-nale Untersuchungen zur Situation undPrognose kleinräumlicher Wohnungs-versorgung und der Wohnungsmärkteangestoßen. Teilweise wurde dieserAnstoß von den Kommunen genutzt,um umfassende Stadtentwicklungs-konzepte in Auftrag zu geben. Diesebieten für die Städtebauförderung undfür Stadtumbau – und Bestandsmoder-nisierungsmaßnahmen zugleich –einen wichtigen Erkenntnis- und Ori-entierungsrahmen. Inzwischen befas-sen sich 21 Städte in Schleswig-Hol-stein mit solchen Konzepten. Damit istzugleich ein breiter regionalpolitischerDiskurs angestoßen, der in jedem Fallden Kommunen und Standorten nützt.Es ist absehbar, dass in Schleswig-Holstein bald nur noch vor dem Hinter-grund politisch verabschiedeter Wohn-raumversorgungskonzepte und damitklaren Zielbestimmungen für die ver-schiedenen Regionen und Kommunen,gefördert werden kann.

Wie steht in diesem Kontext dasThema Wohnprojekte?

Wohnprojekte entstehen aus der Initia-tive der potenziellen Nutzer und Nutze-rinnen und erfordern im wohnungs-politischen Umgang eine besondereAufmerksamkeit und eine völlig andereUmgangsweise. Da seit Mitte der 90erJahre die qualitativen und nicht mehrdie quantitativen Aspekte des Woh-nungsbaus im Focus der Förderungstehen, ist die Impulswirkung, die vonsozialen Wohnprojekten ausgeht undder hohe soziale Wert des bürger-schaftlichen Engagements erkanntworden, so auch die Notwendigkeit,entsprechende Umsetzungschancen zufördern. Wohngruppen wirken in derRegel sozial stabilisierend und mobili-sieren andererseits Kapital und solida-risches Engagement. Ein Weitereskommt hinzu: Die Auswirkungen, diesich aus dem demographischen undstrukturellen Wandel der Gesellschaftergeben, erfordern zudem zukünftigeine Vielfalt an „Wohnmodellen“ undAngeboten für unterschiedlichsteWohnformen- und diese angesichtsder Aussichten auf wirtschaftlichesWachstum und Beschäftigungslage

unbedingt zu bezahlbaren Mieten undNutzungsbedingungen. In diesem Kon-text können Wohnprojekte Impuls-wirkungen auf die soziale Wohnraum-versorgung aussenden und verdienenUnterstützung.

Dies geschieht in zweierlei Hinsicht:

1. Den förderungsfähigen Haushaltenstehen investive Fördermittel durchProgrammbausteine in der sozialenWohnraumförderung für Mietwoh-nungsbau wie auch für Eigentumzur Verfügung, die den Belangen vonWohnprojekten entgegenkommen.

2. Die Wohnraumförderpolitik fördertden Dialog sowohl mit der klassi-schen Wohnungswirtschaft als auchmit den Kommunen, um Angeboteund Rahmenbedingungen zu schaf-fen, die solchen Initiativen nützen.

Rahmenbedingungen, Förderungund Kooperationen

Die direkte und investive Förderung, jenach sozialem Status der Projektmit-glieder und dem umgesetzten Quali-tätsstandard im Bereich der ökologi-schen, energiesparenden Bauweiseoder im Bereich besonderer städtebau-lich wirksamer und sozialer Qualitätenwurde seit Beginn der 90ger Jahredurch Programme wie „Ressourcen-sparendes Bauen und Siedeln (1990bis 2000) und das Förderprogramm fürProjektentwicklung sozialer Gruppen-wohnprojekte (1997 bis 2004) erfolg-reich betrieben und hat ca. 2000Wohneinheiten bei einer geschätztenInvestitionssumme von 220 Mio € her-vorgebracht. So haben sich eine ganzeReihe von „Öko-Siedlungen“ der Mittelbedient, um ihre ökologisch ausgerich-teten Heizzentralen oder Gemein-schaftsanlagen zu realisieren unddamit nicht zuletzt auch ihre auf Nach-barschaft ausgerichtete Siedlungsformzu festigen. Gleichzeitig ist die Förde-rung von Impulsen und guten Rahmen-bedingungen bei den Wohnungsunter-nehmen einerseits und den Kommunenandererseits für die Förderpolitik einweitaus schwierigeres Unterfangen.Während auch mal zielgruppenspezifi-sche Wohnungsangebote von denUnternehmen zunehmend durchModernisierung ihrer Bestände umge-setzt werden, bleiben zugleich die

Wohnungsgenossenschaften hinter derErwartung zurück, einen Schritt weiterzu gehen und Wohnwünsche vonSelbsthilfegruppen aufzugreifen unddiese umzusetzen. Dies, obwohl derSolidar- und Selbsthilfeaspekt, der invielen dieser Gruppen den Antriebbildet, unmittelbar zu genossenschaft-lichen Strukturen passt, die zumeistgenau dort ihre Wurzeln haben. DieGründe für dieses Zögern sind indesnachvollziehbar. Die Traditionsgenos-senschaften stehen am Wohnungs-markt im Wettbewerb. Ihre Geschäfts-führungen haben sich den wirtschaft-lichen Anforderungen ihrer Mitgliederzu stellen und entsprechend begrenzteSpielräume für die Umsetzung indivi-dueller Ansprüche neuer Genossen-schaftsinteressenten.

Förderung genossenschaftlichorientierter Wohnkultur zwischenEigentum und Miete

Aus Sicht der Wohnraumförderpolitikgalt es zwischen den bestehendenAngeboten der Förderung von Eigen-tumsmaßnahmen und der sozialenWohnraumförderung mit der seit 1997integrierten Möglichkeit des Bestands-erwerbs von Bewohnergenossenschaf-ten eine weitere Lücke zu schließen.Die so genannte 3. Säule der Woh-nungsversorgung zwischen Eigentumund Miete, das genossenschaftlicheWohnen sollte intensiver gestärkt wer-den. Die Erfahrungen mit Wohngrup-pen hatten gezeigt, dass es zu ihrenStärken gehört, Mitglieder aus unter-schiedlichsten sozialen Milieus, Ein-kommensschichten und Jahrgängen zurekrutieren und den Zugang nichtallein von der Finanzkraft abhängig zumachen. Um auch einkommensschwä-cheren Projektmitgliedern die Beteili-gung zu ermöglichen, hat das Landentschieden kleine, neue Genossen-schaften oder auch Genossenschafts-formen, die projektbezogenen Wohn-gruppen zugunsten von Selbsthilfe undSelbstverantwortung breite Spielräumebieten, mit einer gesonderten Förder-richtlinie zu berücksichtigen.

Dabei sind die Sozialbindungen denStrukturen solcher Wohngruppenangepasst: Für bis zu 2/3 einer jedenFördermaßnahme können die Einkom-mensgrenzen nach § 9 WoFG um bis zu 50 % und die Bewilligungsmieten

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7wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

in angemessener Höhe überschrittenwerden. Ebenso können die sonstgültigen Wohnflächengrenzen über-schritten werden, wenn die Nutzungs-entgelte für die Genossenschaftsmit-glieder bezahlbar blieben. Für mindes-tens 1/3 der Maßnahme gelten dieSozialbindungen wie in der klassischenWohnraumförderung. Gefördert wirdnicht nur Neubau und Altbaumoderni-sierung, sondern auch gekoppelt derBestandserwerb, – all dies vorwiegendin den Städten. Das erforderlicheEigenkapital bei Neubau wurde auf15 % der Gesamtkosten abgesenkt. ZurBonitätssicherung steht ein Sicherungs-fonds bei der Investitionsbank bereit.

Förderung besserer Rahmen-bedingungen: Baulandprogrammder Kommunen

Der erste Landespreis „Zukunftswei-sendes Bauen in Schleswig-Holstein“unter dem Titel „Wohnen in der städti-schen Verdichtung“ ging 2001 an einWohnprojekt: den „Aegidienhof“, mit-ten in Lübeck; der erste Umweltpreisdes Landes ging 1990 ebenfalls an einWohnprojekt: die ökologische Sied-lungsgenossenschaft in Kiel-Hassee.

Auch andere Projekte erhielten Aus-zeichnungen und besondere Aufmerk-samkeit, galten oft als architektonischbesonders gelungen. Von diesen Qua-litäten profitieren nicht nur die Projek-te selbst, sondern in der Regel auchdas Quartier und nicht zuletzt die Kom-mune. Oft werden durch WohnprojekteGemeinschaftseinrichtungen, stadtteil-belebende Funktionsmischungen,gemeinschaftliche Verantwortung fürdas soziale und städtebauliche Umfelderreicht. Wohnprojekte bauen eher flä-chen- und kostensparend und rekru-tieren zunehmend die städtische Infra-struktur anstelle von zersiedelndwirkenden Neubaugebieten im ländli-chen Raum. Vor allem aber suchen anGemeinschaft Interessierte zunehmendie Vorteile des städtischen Wohnensund setzen ihre Ansiedlungsabsichtendem langläufigen „Häuslebauer“-Trend zu ländlichen Neubaugebietenentgegen. Diese Tendenzen und Wir-kungen können die Kommunen zukünf-tig mit größerer Sorgfalt unterstützen,indem sie das Baulandförderungspro-gramm des Landes in Anspruch neh-men. Dabei tritt die Investitionsbankim Rahmen eines „Forderungsankaufs“für eine längere Zeit in das Erschlie-ßungsrisiko ein und entlastet den

kommunalen Haushalt von allen Vor-und Zwischenfinanzierungspflichten.Diese Förderung bildet eine guteGrundlage dafür, dass die Städteinhaltliche Zielstellungen bei neuenGebietsausweisungen direkt umsetzenkönnen und nicht auf die Kooperations-bereitschaft kommerzieller Erschlie-ßungsunternehmen und dem damitverbundenen Zeitdruck weiterhinangewiesen sind. Insgesamt sind dieStädte gut beraten, den höheren Auf-wand, der sich im Umgang mit Projekt-initiativen ergibt, so u.a. auch die Not-wendigkeit von Vorplanungsrechtenangesichts der dringenden Notwendig-keit, die „Stadtflucht“ auszubremsen,nicht nur in Kauf zu nehmen, sondernihm mit aktiven Konzepten zu begegnen.

Erfolg der Landeskampagne

Diese neuen Förderprodukte waren dielandesseitigen Bausteine der „Kam-pagne zur Förderung von Wohnprojek-ten“ im letzten Jahr. Sie mobilisierteauf vier größeren Veranstaltungen ca.350 Menschen. Zudem stehen Bera-tungsstellen und landesseitig geförderteBeratungsleitfäden und Studien bereit,Initiativgruppen in eine gute Aus-

Eingang zur ökologischen Siedlung Kiel-Hassee Foto: Tornow/Dau-Schmidt

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

gangsbasis zur Umsetzung von kleinengenossenschaftlichen Wohnprojektenzu bringen. Im Mai diesen Jahres spie-gelten diese Impulse erste Erfolge inForm eines Wohnprojektetags in Kiel.Zwei weitere neue Dachgenossen-schaften befinden sich neben dem„Institut für Neues Wohnen e.V.“ undder „Maro Temm“ Dachgenossenschaftder Deutschen Sinti & Roma zz. inGründungsprozessen. Von den ca. 30Projektinitiativen stehen ca. 6 Projektein einer konkreteren Entwicklungs-phase. Im Zuge der EX-Wost-Forschung,die zusammen mit Hamburg von derStattbau Hamburg GmbH zum ThemaOptimierung und Weiterentwicklungvon dachgenossenschaftlichen Träger-strukturen läuft und flankiert wirddurch die Forschung an den Modell-projekten „Esbjergweg Genossen-schaft“ e.G. in Kiel – Mettenhof undGründung einer Bestandsgenossen-schaft in Pinneberg, werden neue auf-schlussreiche Erkenntnisse erwartet.Diese werden auch landesseitiggenutzt, um Rahmenbedingungen für

genossenschaftlich organisierte Wohn-projekte weiterhin zu verbessern.

Fazit

Die Wohnraumförderpolitik des Landeshat die Wichtigkeit von Wohnprojektenlängst erkannt und unterstützt diesegezielt. Dennoch haben Wohnprojekteeinen sehr geringen Anteil amGeschehen am Wohnungsmarkt.

Hauptaugenmerk liegt deshalb aufder quartiersbezogenen Wohnraum-förderung, die breiten Schichten derBevölkerung zukunftsfähige undbedarfsgerechte Wohnformen sichert.Gerade auch im Zuge der Modernisie-rung von Wohnungsbeständen spielenneue Wohnformen, z.B. für ältere Men-schen – ob als betreute Wohngruppefür demenziell Erkrankte oder auch alsWohnungen mit verschiedenen Ser-viceangeboten, eine zunehmend wich-tige Rolle. Dabei sind Spielräume fürgute Nachbarschaft und Selbstverant-wortung bei der Lebensraumgestal-

tung ebenso gefragt, wie wählbarerwohnbegleitender Service, der vonden Wohnungsunternehmen bereitge-halten wird. Impulse und Bedürfnissevon Wohnprojekten und Angebote vonregional verbundenen innovativenWohnungsunternehmen und Traditi-onsgenossenschaften liegen oftmalssehr eng beieinander. Schaut man sichdas zweite Landespreis-Projekt (s.o.)im Mercatorviertel in Kiel–Wik an,erstellt von den Unternehmen FrankHeimbau, Kieler Wohnungsbaugesell-schaft und der Wankendorfer Bauge-nossenschaft, dann findet man auchdort viele der in Wohnprojekten gefor-derten Qualitäten wieder. Insofern giltes optimistisch zu sein, denn sozialesMiteinander ist als Wohnqualität imKommen!

Norbert Scharbach, Ministerialdirigent Abteilungsleiter der Abteilung für Ausländer- und Migrationsangelegenheiten, Städtebau, Bau- und Wohnungswesen, InnenministeriumSchleswig-Holstein

Das Gemeinschaftshaus im neuen Mercatorviertel in Kiel … … wird intensiv für Veranstaltungen und Feiern genutzt

Gustaf-Schatz-Hof in Kiel: Treffpunkt im Wohnumfeld … … und Mietertreff in einer Erdgeschosswohnung

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9wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

Allgemeines

Mit dem Ziel, neben Mietwohnungenund Einzeleigentum auch neuegemeinschaftsorientierte Wohnformenzu fördern, hat das Land SchleswigHolstein im Oktober 2004 eine Reihevon Maßnahmen beschlossen, die diebisherigen Wohnungsbauförderbestim-mungen ergänzen. U.a. geht es dabeium besondere Akzente bei der Förde-rung des genossenschaftlichen Eigen-tums bzw. Wohnens. Im Folgendensind die wichtigsten Rahmenbedin-gungen und Förderbestimmungenzusammengefasst, die bei der Umset-zung von nachbarschaftlich orientiertenWohnprojekten auf genossenschaftlicherBasis berücksichtigt werden müssen.

Neben der Förderung im Rahmendes Wohnraumförderungsgesetzeswird auch das Ziel verfolgt, die Grün-dung von Genossenschaften oder vonDachgenossenschaften zu befördern.

Förderungsmaßnahmen ausgeweitetund kombinierbar

Die neuen Förderrichtlinien umfassenein breites Spektrum von Möglichkeitenl Neu-, Ausbau oder Erweiterungen

(Sanierung) von (genossenschaft-lichen) Mietwohnungen

l Modernisierung von Mietwohnrauml Erwerb bestehender Wohnungen

durch Genossenschaftenl Die Kombination von Wohnungs-

erwerb und Modernisierungs- undSanierungsmaßnahmen

Zielgruppe junge Genossenschaftenoder Genossenschaften, die Selbst-bestimmung ermöglichen

Die Zielgruppe der Förderung beinhal-tet Wohngruppenprojekte. Das sindBaugemeinschaften und soziale Wohn-gruppen, die seit 1.01.2003 eine in dasGenossenschaftsregister eingetrageneWohnungsgenossenschaft gegründetbzw. die eine Eintragung alsbalderwirken oder vor dem 1.01.2003

gegründete Wohnungsgenossenschaf-ten, die Selbstbestimmungsrechte derWohngruppe dauerhaft per Vertragsichert und bei der sich alle Mitgliederder Wohngruppe in einer juristischenPerson organisiert haben.

Einkommensgrenzen mit derMöglichkeit der Überschreitung –Besonderheit Wohngemeinschaften

Die Mitglieder der Wohnprojektgruppemüssen bestimmte Einkommensgren-zen einhalten, um die Berechtigungzum Bezug einer geförderten Wohnungzu erhalten. Die maßgeblichen Ein-kommensgrenzen basieren auf denVorgaben des § 9 Wohnraumförderungs-gesetzes (WoFG).

Mindestens 1/3 der Haushalte müs-sen die Einkommensgrenzen § 9 WoFGplus 10% einhalten. Maximal 2/3 derHaushalte dürfen die Einkommens-grenzen nach §9 WoFG um bis zu max.54% überschreiten.

Um auch Mitglieder, deren Einkom-men oberhalb der Einkommensgren-zen liegen, die Teilnahme zu ermög-lichen, können Teile des geplantenProjektes ohne Förderung frei finan-ziert werden.

Dadurch ergibt sich die Möglichkeit,dass eine einkommensmäßig hetero-gene Situation entstehen kann. Ausdieser Situation heraus besteht dieMöglichkeit, dass durch gruppeninter-nes solidarisches Handeln das gesamtenotwendige Eigenkapital mit Hilfe dereinkommensmäßig Bessergestellteneingebracht werden kann.

Bei Wohngemeinschaften mussjedes Mitglied der Wohngemeinschaftdie Einkommensvoraussetzungenerfüllen.

Wohnungsgrößen, Gemeinschafts-räume, Qualitäten und Anforderun-gen an Gebäude

Der geförderte Wohnraum mussbestimmten Anforderungen hinsicht-lich Wohnungsgröße sowie städtebau-

licher und ökologischer Standards ent-sprechen.

l Förderfähige WohnraumgrößenFörderfähig sind Wohnungen, diebezogen auf die Haushaltsgrößenbestimmte Flächen nicht über-schreiten

l Bei maximal 2/3 der Wohneinheitenkönnen die Wohnflächen ange-messen überschritten werden (ca. 5–10 m2 pro WE). Eine weitereÜberschreitung dieser angemesse-nen Wohnungsgrößen bleibt bei derBemessung der Darlehen unberück-sichtigt. Diese zusätzlichen Flächenmüssen frei finanziert werden underhöhen die Durchschnittsmiete ent-sprechend.

l GemeinschaftsräumeEs können Gemeinschaftsräume miterrichtet werden, für die ebenfallsFörderdarlehen bewilligt werden. Eswerden ca. 2 m2 pro WE für einenGemeinschaftsraum anerkannt, derin eine „normale“ Wohnung rück-baubar sein muss. Die Miete für alleWohnflächen steigt in solchen Pro-jekten um 0,15 €/m2 Wohnfläche imMonat.

l Städtebauliche, ökologische undsoziale StandardsVoraussetzung für die Förderung istdie Einhaltung der städtebaulichen,ökologischen und sozialen Stan-dards. Diese werden auf Grundlageder einzureichenden Unterlagen vonder Arbeitsgemeinschaft für zeitge-mäßes Bauen e.V. (ARGE) geprüftund in einem „Abschlussvermerk“bestätigt. Auf die energetischen Fra-gen wird besonders geachtet, seit2002 ist der Niedrigenergiehaus-standard verpflichtend (= HessischerStandard, Unterschreitung der EnEVum 20 %–30 %). Die ARGE machtauch regelmäßig Baustellenbesucheund führt den „Blower door Test“durch. Sofern mehr Anträge vorlie-

Haushalts-größe

1 2 3 4 jedeweiterePerson

m2 Wohn-fläche

50 60 75 85 Plus 10

Reiner Schendel

Neue Chancen für Wohnprojekte – die neuen Förderrichtlinien für Genossenschaften

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wohnbund-informationen 2+3/200510

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

gen als Fördermittel bei der I-Bankvorhanden sind, wird von der ARGEein Ranking vorgenommen und Pro-jekte mit den höherwertigen Quali-täten bevorzugt.

Kosten: Gebäude und Grundstücks-kosten sind begrenzt

Kostenobergrenzen für die Baukosten(Kostengruppen 300 und 400 nachDIN 276) werden festgelegt.

Darüber hinaus werden notwendigeKosten für Erschließungsmaßnahmen,Außenanlagen und Baunebenkosten,Grundstücks- und Grunderwerbsneben-kosten (durchschnittlich 200 € pro m2

Wohnfläche) sowie Finanzierungskos-ten innerhalb der Gesamtkosten aner-kannt. Die Gesamtkosten sind für dieBemessung der Höhe des Förderdarle-hens entscheidend.

Erhöhungen der Förderobergrenzenfür einzelne Wohnungen sind möglich,sofern die Wohnungen mit Haushaltenmit mindestens drei Kindern, mit älte-ren Menschen, mit schwer behinder-ten Menschen belegt werden. Ebensoist eine Erhöhung für ökologischeMaßnahmen und für Gemeinschafts-räume möglich.

Finanzierung – Förderung – Eigen-kapital herabgesetzt

Die Finanzierung setzt sich im Wesent-lichen aus vier Bestandteilen zusammen:

l Eigenleistung des BauherrnDie Eigenleistung des Bauherrnmuss mindestens 15% der Gesamt-kosten des Bauvorhabens betragen(statt 25% bei Normalförderung).Dieses Geld muss beim Bauherrn zuBeginn der Planungsarbeiten liquidevorhanden sein, da die Planung vorBeginn der Bauarbeiten und auchggf. der Grunderwerb mit diesemGeld finanziert werden muss.

l Förderung der KommunenDie Kommunen sollen sich bei derFörderung des Mietwohnraumsdurch Gewährung von Förderdarle-hen in Höhe von 17,5% des I-Bank-darlehens beteiligen. Sollten sie ausfinanziellen Gründen dazu nicht inder Lage sein (dies ist zurzeit leideroft der Fall) müssen sie zumindestbestätigen, dass die Maßnahme hin-

sichtlich städtebaulicher, sozialerund ökologischer Gesichtspunktemit der Kommune abgestimmt istund unterstützt wird sowie in Über-einstimmung mit den Wohnraum-versorgungskonzept steht (soweitvorhanden). Über die Beteiligungder Kommunen an der Förderungkönnen Belegungsrechte zu Gunstender Kommunen gesichert werden.

l Förderung des Landes durch die I-BankDie Förderung erfolgt durch Förder-darlehen in Abhängigkeit von derMaßnahme.Bei Neubau und Sanierung könnenbis zu 50% in besonderen Fällen bis65% der anerkannten Gesamtkostenals Förderdarlehen gewährt werden(max. 1000 € pro m2 Wohnfläche).Modernisierungsmaßnahmen könnenzu 100% mit Darlehen gefördertwerden (max. 350 € pro m2 Wohn-fläche). Der Erwerb von Wohnungenkann mit 15.000 € pro WE gefördertwerden. Kombinationen dieser För-derungen sind möglich.Das Förderdarlehen ist für 6 Jahrezinsfrei. Anschließend werden dieZinsen alle drei Jahre um 0,5 bis 2%(individuell gemäß Förderzusage)erhöht.Die Tilgung beträgt mindestens 1%p.a. unter Zuwachs ersparter Zinsen.Ein einmaliges Bearbeitungsentgeltvon 1,5 bis 1,2% (bei großen undeinheitlichen Projekten) sowie einlaufender Verwaltungskostenbetragvon 0,5% p.a. (mindestens jedoch0,2% vom Ursprungskapital) derDarlehenssumme werden erhoben.Ab dem 7 Jahr soll ein zusätzlicherBetrag an einen Sicherungsfondsabgeführt werden. Dieser Sicherungs-fonds wird zur Zeit noch konstituiertund soll den Projekten im Falleunverschuldeter Finanzkrisen finan-ziell helfen.

l Erstrangig abgesichertes Kapital-marktdarlehenDer durch die o.g. Mittel nichtgedeckte Finanzierungsanteil mussdurch Kapitalmarktdarlehen abge-deckt werden.

Lange Dauer der Belegungsbindungals Gegenleistung

Der geförderte Wohnraum unterliegtder in der Förderzusage festgesetztenBelegungsbindung. Die Dauer derBelegungsbindung liegt i.d.R. bei 25oder 35 Jahren. Sofern die Kommunedas Vorhaben finanziell mitfördert übtdie Belegenheitsgemeinde das Rechtder Belegung (Dreier-Vorschlag) aus.Wenn die Kommune nicht mitfördert,gelten nur die oben beschriebeneneinkommensbezogenen Bindungen.

Es können Kooperationsverträgezwischen Gemeinden, sonstigenÖffentlichen Stellen und Verfügungs-berechtigen von Wohnraum unter Ein-beziehung Dritter (z.B. Träger sozialerAufgaben) geschlossen werden.

Mieten sind einkommensabhängigdifferenziert

Die Höchstmieten nach Fertigstellungfür diejenigen Haushalte (minimal 1/3der Haushalte), deren Einkommen dieEinkommensgrenzen § 9 WoFG + 10%nicht überschreiten, liegen je nachRegionalstufe zwischen 4,85 € und5,10 € pro m2 Wohnfläche nettokalt imMonat. Verringerungen dieser Bewilli-gungsmiete z.B. für kinderreiche Fami-lie oder Erhöhungen können gemäßFiRL vorgenommen werden.

Für anerkannte Gemeinschaftsräumezur Bildung einer sozialen Hausge-meinschaft, die in Wohnungen rück-baubar sein müssen, erhöht sich dieMiete der Wohnungen um 0,15 €/m2

im Monat.Nach 6 Jahren sind Mieterhöhungen

im Rahmen §§ 556 bis 559 BGB mög-lich, jedoch nicht über 9% in drei Jah-ren (Kappungsgrenze). Diese Erhöhun-gen müssen letztendlich durchgeführtwerden, damit die Genossenschaft einmindestens ausgeglichenes Ergebniserzielen kann.

Die Mieten der Haushalte, die dieo.g. Einkommensgrenzen überschrei-ten, werden angehoben und den orts-üblichen Vergleichsmieten schrittweiseangepasst. Die förderfähigen Miet-höhen werden dem regionalen Woh-nungsmarkt entsprechend im Rahmender Förderzusagen bei der I-Bank defi-niert.

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11wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

Überblick über Grundlagen dersozialen Wohnraumförderung inSchleswig-Holstein (2004/2005):

l Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein, Wohnraumförderprogramm2003/2004, Programmerlass2003/2004 vom 24. Januar 2003 –IV 501 – 514.211–13

l Soziale Wohnraumförderung inSchleswig-Holstein: Finanzierungs-richtlinien (FIRL) Erlass des Innen-ministeriums vom 24. März 2004 –IV 501 – 514.101

l Förderung des sozialen Wohnungs-baus in Schleswig-Holstein; Förde-rung von altengerechten Wohnun-

gen, Erlass des Innenministeriumsdes Landes Schleswig-Holstein, vom10. Januar 2001 – 514.02/514.421.0

l Landesverordnung über Einkom-mensgrenzen bei der sozialenWohnraumförderung in Schleswig-Holstein, Einkommensgrenzenver-ordnung, EKGrenzveVO vom Oktober2004

l Soziale Wohnraumförderung inSchleswig-Holstein, Ergänzung desProgrammerlasses 2003/2004 vom8. Oktober 2004, IV 50 – 514101/473.601

l Soziale Wohnraumförderung inSchleswig-Holstein, Wohnraumför-

derungsbestimmungen, WFB, Erlassdes Innenministeriums vom 21. Februar 2002 IB 501 – 514.02

l Wohnraumförderungsgesetz vom13.9.2001 (WoFG)

Siehe Internet: www.bauen-sh.de

Reiner Schendel, Geschäftsführer derSTATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungs-gesellschaft mbH, Vorstand im wohnbund e.V.Kontakt:STATTBAU HAMBURG GmbHNeuer Kamp 2520359 HamburgWeb: www.stattbau-hamburg.de

Reiner Schendel

Entwicklung von dachgenossenschaftlichen Trägerstrukturen –ein Modellvorhaben im ExWoSt-Forschungsfeld „Erschließen vonGenossenschaftspotenzialen“

Die STATTBAU HAMBURG Stadtent-wicklungsgesellschaft mbH feiert indiesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum.In diesen gut 20 Jahren wurden weitüber 100 Projekte zumeist in Hamburgentwickelt und realisiert. Die meistendieser Projekte sind nachbarschaftlichund sozial orientierte Wohnprojekte inunterschiedlichen genossenschaftli-chen Rahmen.

Diese Erfahrungen aufgreifend wur-den in den letzten beiden JahrenMachbarkeitsstudien für das Innenmi-nisterium Schleswig-Holstein bearbei-tet, um auch in Schleswig-Holstein diestrukturellen Grundlagen für genos-senschaftliche Wohnprojekte zu schaf-fen. Eine dieser Studien beschäftigtsich mit der Genossenschaft Esbjerg-weg und deren Möglichkeiten undStrategien zur Erweiterung als Dach-genossenschaft zur Aufnahme weite-rer Projekte.

Im Rahmen des ExWoSt Forschungs-feldes des Bundesministeriums fürBauen und Verkehr ergab sich nun dieMöglichkeit, die Forschung auszuwei-ten und möglichst mit der Realisierunggeeigneter Dachgenossenschaftsstruk-turen zu verbinden.

Als Forschung beantragt und bewil-ligt wurde das Modellvorhaben:

„Umsetzungsorientierte Entwicklungvon dachgenossenschaftlichenTrägerstrukturen zur Realisierungnachbarschaftlich orientierter Wohn-projekte und Baugemeinschaften in Hamburg und Schleswig-Holsteininklusive der dafür notwendigenBeratungs-, Kommunikations- undInformationsstruktur“

Projektträger ist die STATTBAUHAMBURG Stadtentwicklungsgesell-schaft mbH mit den Kooperations-partnern Innenministerium Schleswig-Holstein, Behörde für Stadtentwick-lung und Umwelt Hamburg sowiediversen Projektgruppen.

Der Untersuchungsschwerpunkt derForschung liegt in den Rahmenbedin-gungen und förderlichen Strukturenzur Implementierung von Modellengenossenschaftlichen Wohnens mitden Themenbereichen Beratungsinfra-struktur sowie Kooperationen mit Ziel-gruppen, die an gemeinschaftlichemWohnen interessiert sind.

Die Wege, Ansätze und Strategiensind

l Aufbau von Kommunikationsstruk-turen zur Initiierung von Koopera-tionen und Dachgenossenschaften

l Entwicklung von Vernetzungs- undKommunikationsstrukturen zur Ver-mittlung von Praxiswissen für Neu-gründer

l Entwicklung und Erstellung der fürNeugründungen notwendigenMaterialien für rechtliche, organisa-torische und finanzielle Themen(z.B. Verträge, Satzungen, Finanzie-rungsmodelle)

l Beratungsangebote zur Förderungvon Gründungsaktivitäten

l Entwicklung von (alternativen)Finanzierungsformen zur Überwin-dung von Eigenkapitalschwäche

l Entwicklung von Kommunikations-strategien (u.a. Werbung) zurMitgliedergewinnung bei Neugrün-dungen

l Schaffung von Rahmenbedingun-gen für bezahlbaren Wohnraum mitAusstattungsqualitäten für mittlereEinkommen als Eigentumsalternative

l Weiterentwicklung von innovativenWohnformen für nachbarschaftlich

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wohnbund-informationen 2+3/200512

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

orientierte Wohngruppen durchNeugründungen und/oder Koopera-tionen

l Implementierung und Förderungneuer genossenschaftlicher Wohn-formen als feste Bestandteile desqualitativen Wohnangebots in bei-den Bundesländern

Kurzbeschreibung des Vorhabens

Hamburg und Schleswig-Holstein ver-fügen über eigene Förderprogramme,die auf die Besonderheiten von Wohn-gruppenprojekten eingehen, Schleswig-Holstein hat zusätzlich im Jahr 2004eine Landesinitiative zur Förderunggenossenschaftlicher Projekte gestartetund Hamburg verfügt seit fast zweiJahren über ein eigenes Referat imzuständigen Ministerium, der Agenturfür Baugemeinschaften innerhalb derBehörde für Stadtentwicklung undUmwelt, das für das Thema neueWohnformen in der Hamburger Ver-waltung zuständig ist.

Das Forschungsvorhaben soll auf diebisher entwickelten Strukturen einge-hen, sie zielgerichtet weiterentwickelnund vorhandene Hemmnisse ausräu-men helfen. Auf diese Weise soll diewohnungspolitische Relevanz neuergenossenschaftlicher Wohninitiativen– auch mit Blick auf bundesweiteImpulsgebung – effektiviert werden.

Die Potenziale, die neue genossen-schaftliche Ansätze angesichts bevor-stehender demographischer Entwick-lungen bei der Wohnungsversorgunghaben, sollen gestärkt und die beson-deren Qualitäten neuer genossen-schaftlicher Organisationsformenherausgearbeitet werden.

Um diese Ziele im Rahmen des For-schungsfeldes umzusetzen, sollen imRahmen des Modellvorhabens dreiSchwerpunkte bearbeitet werden:

l Analyse der bestehenden genossen-schaftlichen (Wohn-)Projekte ausbeiden Ländern im Hinblick auf ihreStärken und Schwächen sowie ihreProbleme und Potenziale.

l Entwicklung von neuen Konzeptenfür genossenschaftliches Wohneninsbesondere auf der Ebene vonDachgenossenschaften. Dachgenos-senschaft heißt in diesem Modell-vorhaben eine eingetragene Genos-senschaft, unter deren Dach vieleeinzelne mit Selbstverwaltungsrech-ten ausgestattete Hausgemeinschaf-ten vereinigt werden können. Inhaltdes Forschungsprojekts ist auch dieWeiterentwicklung der Kooperati-onsformen zwischen Wohnprojektenund bestehenden Genossenschaften.

l Parallel zu dieser Grundlagenarbeitwird im Sinne von Aktionsforschungumsetzungsorientiert gearbeitet. Eswerden Informations- und Kommu-

nikationsstrukturen aufgebaut, uman neuen Wohnformen und Wohn-konzepten interessierte Kreise direktanzusprechen und Möglichkeitender Gründung einer Dachgenossen-schaft oder der Kooperation miteiner bestehenden Genossenschaftzu erörtern. Im Rahmen dieserUmsetzungsphase werden die erar-beiteten Ergebnisse der Grundla-genarbeit, z.B. Verträge, Finanzie-rungskonzepte, Marketingkonzeptezum Einsatz kommen und auf ihreQualität hin überprüft und ggf. wei-ter bearbeitet.

Mit Hilfe der in der grundlagenorien-tierten Arbeitsphase entwickeltenKonzepte bzw. Produkte und der bera-tungsintensiven Arbeit vor Ort in derUmsetzungsphase soll möglichst vielenMenschen der Einstieg in das genos-senschaftliche Wohnen mit modernennachbarschaftlich orientierten Wohn-formen ermöglicht werden.

Reiner Schendel, Geschäftsführer derSTATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungs-gesellschaft mbH, Vorstand im wohnbund e.V.Kontakt:STATTBAU HAMBURG GmbHNeuer Kamp 2520359 HamburgWeb: www.stattbau-hamburg.de

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13wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

Dr. Eckart Güldenberg

Wohnungsgenossenschaft Esbjergweg eG – Rückblick und Ausblick –

den Neubau sind rückläufig – die inden Bestand weiterhin zögerlich. DieStadt Kiel, das kommunale Wohnungs-unternehmen KWG sowie die teilweiselandeseigene Landesentwicklungsge-sellschaft/WoBau-SH schließen für denKernbereich Mettenhofs einen Koope-rationsvertrag ab, der einerseits diegebietsweise Freistellung von Bele-gungsbindungen und der Fehlbele-gungsabgabe vorsieht, andererseitseine Selbstverpflichtung der Woh-nungsunternehmen vorsieht, Mietver-zichte zu üben und sich an den sozia-len Dienstleistungen zu beteiligen.

Haushaltsengpässe der Stadt Kielbegründen 1998 den Verkauf deskommunalen WohnungsunternehmensKWG mit erheblichen Beständen inMettenhof an die WCM, eine privateKapitalverwertungsgesellschaft, dieden hohen Einstandspreis und mögli-che Verluste mit ihren Industriebetei-ligungen steuerlich „verrechnen“ kann.Die BGI, gewerkschaftseigene Nachfol-gegesellschaft der Neuen Heimat,beginnt ihre Wohnungsbestände inMettenhof aufzuteilen und zu priva-

Dieser Beitrag befasst sich mit derFrage ob und inwieweit sich neueGenossenschaften in Großsiedlungengründen lassen und zur Stabilisierungüberforderter Nachbarschaften bei-tragen können.

1. AusgangslageStadtteil Mettenhof

Der Stadtteil Kiel-Mettenhof ist imwesentlichen eine zwischen 1965 und1975 entstandene Großsiedlung, wiesie nach Planungen vor allem derNeuen Heimat entsprechend dem Leit-bild „Urbanität durch Dichte“ typischerweise auch andernorts in Westdeutsch-land als Antwort auf die große Woh-nungsnachfrage in den Städtenentstanden. Die Hälfte der 8000 Woh-nungen wurde als öffentlich geförderteSozialwohnungen errichtet.

Heute leben ca. 20 000 Einwohnerim Stadtteil Mettenhof. Wesentlichgeändert haben sich die Bevölke-rungsstruktur sowie das Einkommenbzw. die Lebensbedingungen derBewohner: Während es sich bei denErstbewohnern dieses inzwischen 40 Jahre alten Stadtteils ganz über-wiegend um deutsche Angestellte und Arbeiterhaushalte handelte, die inLohn und Brot standen, wird dieBewohnerstruktur heute wesentlichmitgeprägt von Arbeitslosen undSozialhilfeempfängern (bzw. Hartz IV-Anspruchsberechtigten), einem hohenKinderanteil mit vielen Alleinerziehen-den sowie von Zuwanderern aus derehemaligen Sowjetunion und Auslän-dern.

Wohnungsmarktsituation

Insbesondere die letzten 20 Jahrehaben größere Schwankungen derNachfrage und strukturelle Verände-rungen der Angebotsseite mit sichgebracht.

Zwischen 1995 – 2000 führt eineerneute Marktsättigung zu Leerständenund forcierter Segregation in denGroßsiedlungen. Die Investitionen in

tisieren; sie ist mit en bloc Verkaufs-optionen nicht erfolgreich. Anderebereits früher privatisierte Beständeder Neuen Heimat am Osloring wech-seln im Rahmen von Konkursverfahrenerneut den privaten Eigentümer. DieLandesentwicklungsgesellschaft/WoBau-SH füllt mit öffentlich geförder-ten Neubaumaßnahmen letzte städte-baulich wichtige Baulücken, bevorauch sie schrittweise privatisiert wird

Wohnungs- und Städtebaupolitikvon Stadt und Land

Gegen Ende der 90er Jahre intensi-viert das Land die Bestandorientierungseiner sozialen Wohnraumförderungdurch verbesserte Finanzierungskondi-tionen umfassender Modernisierungs-maßnahmen, insbesondere der wärme-technischen Gebäudesanierung. DieseObjekt bezogene Förderstrategie istaufs engste verknüpft mit dem Ziel derAuflösung der aus den 60er und 70erJahren überkommenen Konzentrationvon Sozialwohnungen und infolgedes-

Esbjergweg

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wohnbund-informationen 2+3/200514

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

sen sozialer Brennpunkte. Instrumentehierfür sind die mittelbare Belegung,anteilige Freistellung von Einkommens-grenzen, Förderung der mieternahen,sozialverträglichen Privatisierung,sowie Förderung der Neugründung vonGenossenschaften durch Finanzierungdes Erwerbs von Bestandswohnungen(mit bis zu 15.000 € pro Wohneinheit)und Übernahme der den Gründungs-prozess neuer Genossenschaftenbegleitenden Planungskosten.

2. Gründungsprozess derWohnungsgenossenschaft Esbjergweg eG

WirtschaftlichkeitIm Zuge der Veräußerungsstrategieihrer ca. 2400 Wohnungen verhandeltedie BGI mit Land und Stadt seit 1997auch über die Veräußerung von 2 sog.Punkthochhäusern (9 Geschosse) mitjeweils 45 Wohnungen an eine neu zugründende Bewohnergenossenschaft.Die BGI beauftragte das Institut fürWohnungspolitik und Stadtökologie(IWS-Hannover) mit entsprechendenWirtschaftlichkeitsberechnungen.Diese berücksichtigten neben denbesonderen Förderkonditionen desLandes auch die alternative Inanspruch-nahme der Eigenheimzulage nach §17EigHZulG zunächst ungeachtet derdamit verbundenen Privatisierungsop-tion. Eine Erkenntnis dieses Gutach-tens war, dass sich angesichts derniedrigen Einkommen der Bewohnereine Inanspruchnahme der Eigenheim-zulage für den Erwerb von Genossen-schaftsanteilen nicht lohnen würde.

Zusammen mit der Investitionsbank-SH, die die Wohnraumfördermittel desLandes verwaltet, wurden die Kauf-preiskonditionen ausgehandelt. Alsbesondere Hürde musste dabei dienachrangige Beleihung der Grund-stücke für die Landesmittel bei gleich-zeitig fehlendem Eigenkapitalanteil derneu zu gründenden Genossenschaftüberwunden werden.

Eine weitere Hürde bildeten die imRahmen der Nachwirkungsfrist nochbis zum 31.12.2006 bestehenden Miet-preis- und Belegungsbindungen inVerbindung mit den seit 1997 auf dieVereinbarte Förderung umgestelltenFörderkonditionen für den Ankauf vonBestandswohnungen durch neu zugründende Genossenschaften. Die

besonderen Darlehenskonditionen derInvestitionsbank-SH für die Erwerbs-förderung dieser Genossenschaftswoh-nungen sehen daher eine Festschrei-bung der „Kostenmiete“ bis zumAuslaufen der Nachwirkungsfrist sowiedie Möglichkeit einer Überschreitungder Einkommensgrenzen (II. WoBauG)in Höhe von 40% für die Hälfte derBewohner vor. Erst nach Auslaufen derNachwirkungsfrist gelten die Miet-erhöhungsspielräume entsprechendder in Schleswig-Holstein üblichenVereinbarten Förderung.

Danach können die Mieten ab1.01.2008 innerhalb von drei Jahre ummaximal 9% erhöht werden, währenddie Zinssätze sich ab 1.01.2008zunächst auf 0,5% belaufen und ab1.01.2011 sich alle drei Jahre um wei-tere 0,5% erhöhen bis sie mit Beginndes 45. Kalenderjahres auf maximal6,5% ansteigen. Die übrigen Kapital-marktmittel konnten zu einem ver-gleichsweise niedrigen Zinssatz (5,05%)für 15 Jahre fest eingeworben werden.

Als Eigenkapital konnten lediglichdie von den Genossenschaftsmitgliedernzu erwerbenden Anteile eingebrachtwerden. Diese betragen pro Mitglied(=Wohneinheit) derzeit 1530 €.

Die aus den Mieten zu erwirtschaf-tenden Erträge reichen zur Deckungdes Kaufpreises und der Finanzierungder Fremdmittel sowie der laufendenVerwaltungs-, Instandhaltungs- undModernisierungskosten. Eine Dividendeauf die eingezahlten Anteile ist nichtvorgesehen. Die Bildung nennenswerterRücklagen ist zunächst nicht möglich.

Bewohnerbeteiligung Der Gründungsprozess sah eine Min-destbeteiligung von 30% der Mieter-haushalte (= 27 Mitglieder) an derGenossenschaft vor. Es folgten eineallgemeine Informationsveranstaltung,an der sich auch der Oberbürgermeis-ter der Stadt Kiel engagiert beteiligte,sowie weitere Hausversammlungen, indenen über die Konditionen und Zieleim Einzelnen berichtet und diskutiertwurde. Schließlich fand eine Gründungs-versammlung statt, auf der etwas über30% der Haushalte die Mitgliedschaftder Genossenschaft erwarben. In Vor-bereitung dieser Veranstaltungen wareine Satzung erarbeitet und ebensowie die Wirtschaftlichkeitsberechnungin teilweise zähen Verhandlungen mitdem Prüfverband NorddeutscherWohnungsunternehmen abgestimmtworden.

Entscheidend für die Überzeugungs-arbeit waren die Vorteile einer Genos-senschaft hinsichtlich einer langfristi-gen Bestandshaltung und die Aussichtauf stabile Mieten. Lediglich ein klei-ner Teil der Bewohner konnte sichdarüber hinaus mit der Idee einerGenossenschaft im Sinne der Selbst-hilfe und Mitbestimmung identifi-zieren.

Wichtig war auch die Möglichkeit,die eingezahlten Mietsicherheiten mitdem Erwerb von Geschäftsanteilenverrechnen zu können und die Tatsa-che, dass sich diese der Höhe nach(=1530 €) in etwa die Waage hielten.Zusätzlich wurde die Möglichkeit einesRatenkaufs für die Geschäftsanteileeingeräumt und die Stadt Kiel über-nahm die Geschäftsanteile für „ihre“Sozialmieter.

Es gelang auf Anhieb für die anste-henden Vorstands- und Aufsichtsrats-wahlen neben den engagierten ehren-amtlichen Fachleuten von außerhalbauch genügend interessierte undebenfalls ehrenamtlich tätige Bewoh-ner zu interessieren, so dass beideGremien in etwa „paritätisch“ besetztwerden konnten.

In der Folgezeit wurden zahlreicheInitiativen zur Mitbestimmung undSelbsthilfe gestartet und durchgeführt;so die Einrichtung eines kleinenBegegnungsraumes im Kellergeschoßdes einen Punkthochhauses, die Her-richtung und Neugestaltung einesSpielplatzes sowie der Hauseingänge,

Die Hausgemeinschaft Esbjergweg

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15wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

die Übernahme der Treppenhausreini-gung sowie der Grünpflege in (entgelt-liche) Bewohnerregie sowie gutbesuchte Garten- bzw. Hoffeste undMitgliederversammlungen. Die not-wendigen Instandsetzungsmaßnahmenwerden hinsichtlich ihrer Prioritätenund der Ausführungsmodalitätenjeweils miteinander erörtert

OrganisationBei der Erarbeitung betriebswirtschaft-licher Rechnungslegungen und derAufstellung der Bilanz ist die Traditions-genossenschaft Kiel-Ost eG auf Basiseines Geschäftsbesorgungsvertrages zubesonders günstigen Konditionenbehilflich. Daneben ist eine wohnungs-wirtschaftliche Fachkraft auf Stunden-basis im eigenen Büro der Wohnungs-genossenschaft Esbjergweg eG mitVerwaltungsaufgaben, wie insbeson-dere dem Abschluss von Nutzungs-verträgen, der Überwachung der Zah-lungseingänge, der Betriebskostenab-rechnung sowie dem Abschluss vonWartungsverträgen und Versicherungs-leistungen betraut. Die Instandset-zungs- und Modernisierungsarbeitenwerden fachlich von einem der Vor-standsmitglieder (Architekt) beurteiltund nach Abstimmung mit Vorstandund Aufsichtsrat vergeben. KleinereReparaturen wurden im Sinne einerHausmeisterfunktion auf Basis einesWerkvertrages an eine bestimmteFirma dauerhaft vergeben.

WohnzufriedenheitDie Wohnzufriedenheit ist hoch, dieFluktuation ausgesprochen niedrig (4 –6%). Als Pluspunkte haben sich rum-gesprochen „ordentliche Wohnverhält-nisse“ und „vergleichsweise angemes-sene Mieten“. Dadurch konnte auchdie Leerstandsquote nach Übernahmeder Bestände von der BGI erheblichgesenkt werden. Es gibt inzwischenkeine nennenswerten Leerstände überdrei Monate hinaus.

Bei der Abstimmung der Belegungvon Belegrechtswohnungen gibt eskeinerlei Schwierigkeiten mit derStadtverwaltung (Amt für Wohnungs-wesen und Grundsicherung); erstensnicht, weil im Rahmen des Koopera-tionsvertrages die Wohnungen (überdie im Darlehensvertrag festgelegtenBindungen hinaus) freigestellt wurdenvon den Einkommensgrenzen undzweitens nicht, weil ein Teil der Woh-

nungen im oberen Bereich der jeweili-gen Wohnflächenobergrenzen fürbestimmte Haushaltsgrößen liegt unddamit trotz vergleichsweise niedrigerMieten/Quadratmeter die von der StadtKiel anerkannten „angemessenenWohnkosten“ überschreitet. Aber auchunabhängig von Belegungsrechten istder Großteil der Bewohner entwederRentenempfänger oder Bezieher vonTransfereinkommen und liegt damitohnehin unter den Einkommensgren-zen für den sozialen Wohnungsbau.

Zukauf 2001Der Konsolidierungsprozess der Genos-senschaft war 2001 ideell und mate-riell soweit vorangeschritten, dass inErgänzung zu dem überwiegendenKleinwohnungsbestand (neunzig 2-und 3-Zimmerwohnungen) im Esbjerg-weg 8 und 10 zusätzliche 48 größereWohnungen (3- bis 5-Zimmerwohngen)in der Helsinkistraße 20–30 von derBGI gekauft werden konnten.

Die Finanzierungsbedingungen unddie Wirtschaftlichkeitsberechnungenerfolgten zu in etwa vergleichbarenKonditionen wie beim Esbjergweg.,d.h. mit geringstem Eigenkapital,hoher öffentlicher Förderung im nach-rangigen Risikobereich sowie zuvergleichsweise günstigen Kapital-marktkonditionen für das übrigeFremdkapital (5,31% für 15 Jahre fest).

Die Überzeugung der Bewohner undÜberschreitung der selbst gesetztenSchwelle von 30% der Mitwirkungs-bereitschaft der Bewohnerhaushaltefiel erheblich leichter als beimEsbjergweg. Dazu trugen wirtschaftlichgesehen teilweise Mietsenkungsspiel-räume und ideell die Tatsache bei,dass es eine bereits erfolgreich arbei-tende Genossenschaft gab. In dem mit der Investitionsbank Schleswig-Holstein vorgesehenen Darlehensver-trag über 1.440 Mio DM wurde imüblichen Rahmen der VereinbartenFörderung eine Miete in Höhe von 4,11 €/qm mtl. für die ersten 6 Jahre(= bis 31.12.2007) festgelegt; dieseMiete unterschreitet die bis zum Endeder Nachwirkungsfrist möglichemaximale Kostenmiete in Höhe von5,03 €/qm mtl. um 0,92 €/qm mtl. Desweiteren konnte ein Kooperationsver-trag mit der Stadt Kiel in Aussichtgestellt werden, der – vergleichbardem Kooperationsvertrag für die 90Wohnungen im Esbjergweg 8 und 10 –

auch eine Freistellung von der Fehl-belegungsabgabe vorsah.

Vor allem aber konnten die Bewoh-ner und Genossenschaftsmitglieder desEsbjergweges 8 und 10 aus unmittel-barer eigener Erfahrung über die Vor-teile der Genossenschaft sprechen. DieSkepsis einiger Mitglieder aus demEsbjergweg 8 und 10 gegenüber einerErweiterung des Wohnungsbestandesum weitere 48 Wohnungen bezog sichauf eine mögliche Verschlechterungihrer finanziellen Situation und unkal-kulierbare Risiken im Gebäudebestandder Helsinkistraße 20–30. Ausschlag-gebend für ein positives Votum warenfundierte Gebäudebewertungen undWirtschaftlichkeitsberechnungensowie die Ergänzungen der Größen-struktur des Wohnungsangebotes. Da-durch würden Umzüge im Zuge einerVergrößerung bzw. Verkleinerung vonHaushalten innerhalb der Genossen-schaft ermöglicht. Auch erschienen dieGebäudeform mit ihrer Höhenbeschrän-kung auf 4 Geschosse, die familien-freundlichen Wohnungsgrundrisse mitLoggien sowie das unmittelbare Wohn-umfeld angenehm – während dieumliegende Bebauung insbesonderehinsichtlich des von einem HamburgerWohnungsverwalter geführten Bestan-des teilweise kritisch gesehen wurde.

Inzwischen gibt es auch in der Helsinki-straße 20–30 eine hohe Wohnzufrie-denheit, geringe Fluktuation und keinenennenswerten Leerstände mehr –auch bei den ca. 100 qm großen Woh-nungen nicht. Als besonderes Problemtreten Mietrückstände bei Haushaltenauf, die ihr Einkommen teilweiseund/oder unregelmäßig selbst erwer-ben und lediglich teilweise Sozialhilfebeziehen. Die Aufmerksamkeit der Ver-waltung konzentriert sich daher aufdieses komplizierte Problem und zeigtdabei in Kooperation mit der Stadtver-waltung und der Schuldenberatungerste Erfolge.

3. Ausblick

Nach innen gewandt kommt es daraufan, die Wohnzufriedenheit zu konsoli-dieren bzw. nach Möglichkeit noch zuerhöhen. Dazu müssen die Wirtschaft-lichkeit gesichert und die Genossen-schaftsidee noch tiefer verankert wer-den.

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

WirtschaftlichkeitDie Genossenschaft verfügt über 138Wohnungen, 1 Büro, 72 Garagen mitinsgesamt ca. 11000 qm Nutzfläche.Die Mieteinnahmen betragen ca. einehalbe Million Euro pa. bei Mieten von4,27 €/qm mtl. Für Modernisierungs-und Instandsetzungsmaßnahmen wer-den ca. 140.000,- € pa. aufgewandt;die Betriebskostenumlage beläuft sichauf ca. 117.000,- € pa. Das Anlagever-mögen beläuft sich auf ca. 6,8 Mio Ûund wird gedeckt durch erstens Eigen-kapital in Höhe von 0,2 Mio € = 3%,zweitens langfristiges Fremdkapital inHöhe von 6,8 Mio € = 97 % (davon ca.2 Mio € Darlehen der IB-SH). Die kurz-fristigen Rücklagen belaufen sich auf0,2 Mio € und sichern die Liquidität.

Die Stabilität der Mieten bzw. Nut-zungsentgelte erscheint aufgrund derlangfristigen Finanzierungskonditionensowie der sich wieder konsolidieren-den Wohnungsmarktentwicklung imStadtteil Mettenhof gesichert.

Das Instandhaltungsrisiko ist für dieGebäude und Wohnungen zwischen-zeitlich überschaubar und wird ausden laufenden Einnahmen gedeckt.Der Kapitaldienst (Zinsen) beträgt ca.265.000,- Û pa. und entspricht unterEinbeziehung der bei Annuitätsdarlehenentstehenden Verschiebung zwischenZins- und Tilgungsanteilen den tat-sächlichen Zinskosten. Die Abschrei-bungen sind mit 89.500,- € pa. in derWirtschaftlichkeitsberechnung kalku-liert. Die tatsächlichen Kosten für Ab-

schreibungen liegen mit ca. 117.000,– €deutlich höher. Die Tilgungsleistungauf alle Darlehen in Höhe von ca.81.000,- € pa. sind ohne Probleme ausdem Abschreibungssatz zu decken.

Das Ergebnis nach Gewinn- undVerlustrechnung ist ausgeglichen. Dasheißt aber auch, dass zwar mit denEinnahmen alle Kosten gedeckt wer-den konnten bzw. werden können,jedoch keinerlei Eigenkapitalverzin-sung bzw. Rücklagen erwirtschaftetwerden konnten und unter Beibehal-tung der Rahmenbedingungen auchkünftig nicht möglich sein werden.

GenossenschaftsideeDie Wohnsituation im gesamten Stadt-teil Mettenhof hat sich zwischenzeit-lich konsolidiert ebenso wie die Ein-wohnerentwicklung der Stadt Kielselbst. Verstärkte Anstrengungen müs-sen hinsichtlich der nachhaltigen Inte-gration ausländischer Bewohner, derArbeitsplatzbeschaffung für Arbeitslosesowie der Pflege und Betreuung Alterunternommen werden.

Für die Attraktivität der Genossen-schaft kommt es daher künftig nichtnur darauf an, vergleichsweise günsti-ge Mieten bzw. Nutzungsentgelteanbieten zu können, sondern auch dieChancen und Möglichkeiten der Nach-barschaftshilfe in verschiedenenLebensbereichen zu nutzen. Die kon-kreten Bedarfe und Möglichkeitenhierfür sind mit den Bewohnern aus-zuloten Im Zweifel müssen die Auf-

wendungen für entsprechende Dienst-leistungen abgewogen werden mitdem Mietenniveau. Gegebenenfallsbietet die Gründung eines Nachbar-schaftsvereins gemeinsam mit andereninteressierten Wohnungsunternehmenund der Stadt Kiel hierfür eine organi-satorische Grundlage.

Ein weiterer Punkt ist die stärkereMitwirkung der Bewohner an derWohnungsbelegung. Das Interesse amBelegungsmanagement mitzuwirkenist vorhanden. Organisationsform, Kri-terien und Kompetenz sowie ggf. Veto-rechte des Vorstandes und des Auf-sichtsrates sind zu erarbeiten.

Soweit Verwaltungsarbeiten derzeitnoch von der Wohnungsgenossen-schaft Kiel-Ost eG übernommen wer-den, sollen diese künftig von derWoGe Esbjergweg eG selbst übernom-men werden. Der entsprechendeGeschäftsbesorgungsvertrag wurde mitWirkung zum Jahresabschluss 2005einvernehmlich gekündigt. Die Aufga-benübernahme in Eigenregie soll min-destens kostenneutral erfolgen. Einentsprechendes Software Programmwird erworben. In einer besonderenAktion sollen interessierte und geeig-nete Bewohner/innen stärker an derSelbstverwaltung mitwirken und dazubefähigt werden, betriebswirtschaftli-che Routinearbeiten, Mitgliederver-waltung, Instandhaltungskosten,Betriebskosten etc zu erledigen bzw.zu bearbeiten und die dazu notwendi-gen Software Kenntnisse zu erwerben.

Als weitere investive Wohnumfeld-maßnahme steht die Überplanung undNeugestaltung der Freiflächen (ein-schließlich der Müllablage) um dieGebäude der Helsinkistraße 20-30 an.Dazu bedarf es intensiver Auseinan-dersetzungen über mögliche Nutzun-gen durch die Bewohner unterschied-licher Altersgruppen sowie vonerwünschten und unerwünschtenNachbarn (unterschiedlicher Alters-gruppen). Weiter bedarf es der Abstim-mung geplanter Maßnahmen undderen Finanzierung mit dem Grünflä-chenamt der Stadt Kiel als Eigentüme-rin einzubeziehender öffentlicher Geh-und Wegerechte sowie dem anteiligenbenachbarten Grundeigentümer (WEGin Verwaltung der BauBecon) undmöglichen Nutzungsinteressenten aufder gegenüberliegenden Straßenseite.

Um die zukünftigen Schwerpunkteeiner Angebotsorientierung im Rah-

Helsinkistraße

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17wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

men und auf Basis der besonderenMöglichkeiten einer Genossenschaftbesser ermitteln zu können, kommtdas Modellvorhaben zur Erschließungneuer Genossenschaftspotentiale imRahmen des Experimentellen Woh-nungs- und Städtebauprogramms derBundesregierung (ExWoSt) zu einembesonders günstigen Zeitpunkt. DieWoGe Esbjergweg eG freut sich daherüber die gelungene Aufnahme in die-ses Programm.

Nach außen will die Genossenschaftihre Ausstrahlung verstärken. Geradeangesichts der fortgeschrittenen Glo-balisierung der Anbieterstruktur derWohnungsunternehmen in Kiel undganz besonders im Stadtteil Mettenhofkommt der Verbreitung der Genossen-schaftsform als drittem Standbein derWohnraumversorgung besondereBedeutung zu. Das Beispiel der Woh-nungsgenossenschaft Esbjergweg eGsoll noch mehr Aufmerksamkeit nachdem Motto erzielen: „tue Gutes undrede drüber“.

Das Bemühen um eine größere Rele-vanz der Genossenschaft

l beginnt mit einer besseren Selbst-darstellung in den Medien, Besu-chen des Ortsbeirates,

l sowie Gesprächen mit dem Stadt-teilbüro und den städtischen Ämternüber die Einbeziehung in das (nochlaufende) Programm „Soziale Stadt“vor allem hinsichtlich einer finan-ziellen Beteiligung an den im Rah-men des ExWoSt-Vorhabens vorge-sehenen Wohnumfeldmaßnahmender Genossenschaft,

l führt zu einer möglichen Initiativezur Fortschreibung der teilweise,insbesondere nach dem Fortfall derFehlbelegungsabgabe in Schleswig-Holstein, überholten Kooperations-verträge für die Wohnungen imEsbjergweg 8 und 10 bzw. die Woh-nungen in der Helsinkistraße 20-30zwischen der Stadt Kiel, der Woh-nungsgenossenschaft Esbjergweg eGund möglichst vielen anderen imStadtteil Mettenhof vertretenenWohnungsunternehmen, bis hin zurKooperation in einzelnen Tätigkeits-feldern und entsprechenden Initia-tiven mit anderen Wohnungsunter-nehmen und /oder Institutionen z.B. bei der Kinderbetreuung, derJugendbetreuung etc.

l und führt schließlich bis zur Erörte-rung bzw. Prüfung einer möglichenGründung einer Dachgenossenschaft,in deren Rahmen auch der weitereZukauf von Wohnungen durch dieWohnungsgenossenschaft Esbjerg-weg eG ermöglicht werden könnte.

Ein entsprechendes Handlungskonzeptfür eine Dachgenossenschaft befindetsich im Auftrag des Schleswig-Holstei-nischen Innenministeriums derzeit beider Stattbau Hamburg GmbH in Arbeit.Es werden verschiedene Organisations-formen untersucht, die sich besondershinsichtlich der Beteiligungsmodalitä-ten der Mitglieder bzw. Hausgemein-schaften unterscheiden. Entsprechenddem Selbstverwaltungsmodell derHamburger „Schanze eG“ ist die Dach-genossenschaft Eigentümerin allerGrundstücke, besorgt die notwendigenKredite, schließt Förderverträge ab,erstellt die Bilanz und Wirtschaftlich-keitsberechnungen und überlässt densich auf der Ebene von Hausgemein-schaften basierenden Nutzer GbR`s/Nutzervereinen die Liegenschaften mitder Aufgabe, diese nach Maßgabe derzur Finanzierung geschlossenen Ver-träge selbst zu bewirtschaften und zuunterhalten. Da bei diesem Modellfalldie Finanzierungskonditionen vorallem der Hamburger Wohnungsbau-kreditanstalt keinen Spielraum bei derFestlegung der Mieten lassen, bleibtoffen, wer über diese zu befinden hat,sollten sich entsprechende Spielräumewie bei den Schleswig-HolsteinerFinanzierungskonditionen der IB-SHergeben. Denkbar sind Lösungen dieden Nutzervereinen lediglich einVorschlagsrecht oder aber einen wei-tergehenden Gestaltungsspielraumeinräumen, bei dem die Dachgenos-senschaft lediglich ein Vetorechtbehielte.

4. Zusammenfassung

Was ist das Besondere an der WoGeEsbjergweg eG?1. es handelt sich um eine Neugrün-

dung einer Genossenschaft im topdown Verfahren;

2. die Zielgruppe bzw. Bewohnerschaftverfügt zunächst über keinerleiErfahrungen in der Mitbestimmungoder gar Selbstverwaltung ihrer

Wohnverhältnisse; sie gehört zudemzu den Geringverdienern sowieTransferleistungsempfängern;

3. die Finanzierung des Grunderwerbsdurch die Genossenschaft erfolgtohne das erforderliche Eigenkapitalund erfordert eine darauf abge-stimmte öffentliche Wohnraum-Förderung;

4. der Gründungsprozess sowie dieBetriebswirtschaft und soziale Inte-gration erfordern ein fortlaufendesfachliches und ehrenamtlichesEngagement sowie externe Beratung.

Ist die Neugründung erfolgreich, dannbietet sie Chancen für die Weiterver-breitung der Idee des genossenschaft-lichen Wohnens entweder in Form desZukaufes weiterer Wohnungen oderweiterer Einzelinitiativen zu Neugrün-dung und/oder durch Gründung einerDachgenossenschaft.

Die erfolgreiche Neugründung nachdem top down Verfahren kann auchals Modellfall für die öffentlich geför-derte Übernahme zur Veräußerungvorgesehener Wohnungsbestände die-nen, soweit sich diese für eine lang-fristige Bestandssicherung eignen, zursozialen Wohnraumversorgung not-wendig sind und/oder zur Stabilisie-rung überforderter Nachbarschaftenbeitragen können.

Gründe genug, um das laufende For-schungs- und Modellvorhaben desBundes (BMVBW und BBR) im ExWoSt-Forschungsfeld „Erschließen vonGenossenschaftspotenzialen“ für dieWoGe Esbjergweg eG und den Stadt-teil Mettenhof zu nutzen.

Dr. Eckart Güldenberg, Stadtplaner, SRL,Initiator und Aufsichtsratsvorsitzender derGenossenschaft Esbjergweg eG.

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Kirsten Klehn

Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen in einer kleinenBewohnergenossenschaftZiele und erste Erfahrungen im Modellvorhaben der WOGE Esbjergweg im ExWoSt-Forschungsfeld „Erschließen von Genossenschaftspotenzialen“

gegenseitige Hilfen und damit dieWohnqualität und die Attraktivität desgenossenschaftlichen Wohnungsange-botes steigern. Darüber hinaus kanndie Unterstützung von Selbstorganisa-tionsprozessen, insbesondere inbenachteiligten Quartieren, positiveEffekte für die Quartiersentwicklunginsgesamt mit sich bringen, wenn dieBewohnerinnen und Bewohner darü-ber ihre Kompetenzen erweitern kön-nen und Engagement für die Belangedes Quartiers entwickeln.

Vor diesem Hintergrund hat sich dieWohnungsgenossenschaft EsbjergwegeG mit ihrem Modellvorhaben imExWoSt-Forschungsfeld „Erschließenvon Genossenschaftspotenzialen“ zumZiel gesetzt, 6,5 Jahre nach erfolgrei-cher Gründung in der sozial belastetenGroßsiedlung Kiel-Mettenhof denGenossenschaftsgedanken stärker inder Bewohnerschaft zu verankern undneue Selbsthilfepotenziale für dieGenossenschaft zu aktivieren (zuGeschichte und Struktur der Wohnungs-genossenschaft Esbjergweg eG vgl.Beitrag von E. Güldenberg). Mit demProjekt sollen Rahmenbedingungen fürEngagementbereitschaft im Wohnall-tag ausgelotet und Aktivierungsstrate-gien erprobt werden. Die Erfahrungenaus der Umsetzung sollen in Empfeh-lungen münden, die anderen Genos-senschaften Hilfestellung bei der Ent-wicklung vergleichbarer Vorhabengeben können.

Die Projektbausteine zur Aktivierungder Bewohnerschaft

Ziel ist die Stärkung der Selbstverwal-tungsstrukturen unterhalb der profes-sionellen Verwaltungsebene. DurchAktivierungs- und Bildungsmaßnah-men soll einerseits eine größere Iden-tifikation mit der Genossenschafterreicht werden, andererseits werdendadurch Kosteneinsparungen imBereich der Instandhaltungs- und

Selbsthilfe, Selbstverantwortung undSolidarität sind die Grundprinzipiender Genossenschaftsidee. Das Förder-prinzip, das das Wohl der Mitgliederund nicht die Gewinnmaximierung alsZiel des Unternehmens festschreibt,setzt den Rahmen, der eine besondereMotivation für Eigenleistungen undehrenamtliches Engagement freisetzenkann. Dennoch ist allgemein festzu-stellen, dass der Gedanke gemein-schaftlichen Engagements bei vielenGenossenschaften in den Hintergrundgetreten ist. Dies betrifft nicht nur die„großen“ Traditionsgenossenschaften,die sich in ihrer Geschäftsführung häu-fig nur wenig von anderen Wohnungs-unternehmen unterscheiden und keinbesonderes Interesse an der Förderungpartizipativer Strukturen haben. Auchkleinere Bewohnergenossenschaften,die im Rahmen der Privatisierung vonWohnungsbeständen in jüngerer Zeitentstanden sind, haben es häufigschwer, die Mitwirkungsbereitschaft,die sich vor dem Hintergrund desgemeinsamen Ziels – der Verhinde-rung eines spekulativen Verkaufs undSchaffung von Wohnsicherheit –wecken ließ, im Genossenschaftsalltagauf breiter Basis lebendig zu erhaltenund die Genossenschaftsidee nachhal-tig zu verankern.

Gerade für die kleinen Genossen-schaften sind Selbsthilfe und ehrenamt-liches Engagement wichtige Beiträgezur Stabilisierung der wirtschaftlichenBasis. Durch die partizipative Einbin-dung von Bewohnerinnen und Bewoh-nern können investive Maßnahmen zurAufwertung des Wohnungsbestandesund des Wohnumfeldes bedürfnis-gerechter umgesetzt werden. DurchSelbsthilfe und Eigenleistungen imbaulichen Bereich, wie auch in derVerwaltung können konkrete Kosten-einsparungen erzielt werden. DasEngagement für den eigenen Wohnbe-reich kann sich aber auch ausdrückenin der Förderung von Nachbarschaftüber gemeinsame Aktivitäten oder

Betriebskosten angestrebt. Konkretgeplant ist die Einrichtung von themen-bezogenen Arbeitsgruppen, die zueiner verbindlichen Übernahmebestimmter Aufgabenbereiche in derGenossenschaft durch Bewohnerinnenund Bewohner führen sollen.

Die „AG Nachbarschaftsförderung“hat die Einrichtung und dauerhafteBetreuung von Nachbarschaftsangebo-ten zum Ziel. Dies können z.B. Feste,ein Nachbarschaftscafe, Spieleabende,Kursangebote oder nachbarschaftlicheHilfen sein. Im Zusammenhang mit derArbeitsgruppe sollen auch Möglichkei-ten zur Einrichtung von gemeinschaft-lich nutzbaren Räumlichkeiten geprüftwerden. In der „AG Mitwirkung bei derWohnungsvergabe“ sollen ein geeig-netes Verfahren und nachvollziehbare,angemessene Kriterien als Grundlagefür die Mitsprache der Bewohnerinnenund Bewohner bei der Vergabe frei-werdender Wohnungen entwickeltwerden. Die stärkere Einbindung derBewohnerinnen und Bewohner soll zurStabilisierung der Nachbarschaft bei-tragen. In der „AG Selbstverwaltung“sollen Bewohnerinnen und Bewohnerbefähigt werden, Aufgaben im buch-halterischen Bereich der Wohnungs-verwaltung zu übernehmen.

Die Neugestaltung einer brachlie-genden Außenfläche zum Kommunika-tions- und Spielbereich unter maßgeb-licher Mitwirkung der Bewohnerinnenund Bewohner bei Planung, Gestaltungund Umsetzung der baulichen Maß-nahmen soll als „Leuchtturmprojekt“einerseits zur Motivation innerhalb derBewohnerschaft und andererseits zurAufwertung des Quartiers insgesamtbeitragen.

Ob die von der Genossenschaft ange-botenen Beteiligungsbausteine nach-haltiges Engagement wecken können,hängt in hohem Maße davon ab, inwie-weit sie tatsächlich an die Bedürfnisseder Bewohnerinnen und Bewohneranknüpfen und deren Eigeninteressen

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19wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

berühren. Die prozesshafte Fortent-wicklung und Anpassung der Projekt-bausteine auf der Basis der Umset-zungserfahrungen ist Teil der Projekt-konzeption, um die Zielgenauigkeit der Angebote zu sichern.

Umsetzungsschritte und ersteErfahrungen

Über Hausversammlungen wurde dasModellvorhaben in der Bewohner-schaft bekannt gemacht und für dieMitwirkung in den themenbezogenenArbeitsgruppen und an der Planungder Wohnumfeldmaßnahme geworben.Mit einer aktivierenden Bewohnerbe-fragung wurden die Interessenlagen inBezug auf die geplanten Beteiligungs-angebote abgefragt. Die Auswertungder Fragebögen bildete die Basis fürdie weitere Vorbereitung der themen-bezogenen Arbeitsgruppen.

Die ersten Aktivierungsschrittehaben gezeigt, dass es in der Bewoh-

nerschaft einen stabilen Kern gibt, dereine hohe Mitwirkungsbereitschaftund Identifikation mit der Genossen-schaft aufweist. Im Rahmen der Akti-vierungsstrategien kommt diesenBewohnerinnen und Bewohnern als„Schlüsselpersonen“ eine hohe Bedeu-tung zu. Sie tragen die Informationenin die Bewohnerschaft und motivierenihre Nachbarn zur Mitwirkung.

Inzwischen haben erste Arbeits-gruppentreffen stattgefunden. DasThema „Mitwirkung bei der Woh-nungsvergabe“ stößt auf das größteaktive Interesse. Auch die ThemenNachbarschaftsförderung und Wohn-umfeldgestaltung haben in derBewohnerbefragung breite Resonanzgefunden. Diese in konkrete Hand-lungsansätze umzusetzen, gelingtjedoch nur langsam. Es bestätigt sichschon jetzt, dass ehrenamtliches Enga-gement – zumindest in der Anfangs-phase – professionelle Förderung undBetreuung braucht. PartizipatorischeKompetenzen und die Fähigkeit zur

Selbstorganisation müssen in derBewohnerschaft erst entwickelt wer-den. Das Modellvorhaben bietet der imWesentlichen ehrenamtlich geführtenGenossenschaft die Möglichkeit, Res-sourcen dafür einzusetzen. Die Ergeb-nisse des Projektes sollen zeigen, dassdieser „Sondereinsatz“ gewinnbrin-gend für kleine, wie auch für großeGenossenschaften sein kann und dazubeiträgt, die Genossenschaftsidee neuzu beleben.

Dipl.-Ing. Kirsten Klehn, Stadtplanerin, IWS – Institut für Wohnpolitik undStadtökologie e.V., HannoverDas IWS führt die Begleitforschung zu demModellvorhaben der Wohnungsgenossen-schaft Esbjergweg eG im Rahmen desExWoSt-Forschungsfeldes „Erschließen vonGenossenschaftspotenzialen“ durch

Bei der Wohnungsvergabe

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wohnbund-informationen 2+3/200520

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Neue Initiativen für Wohnprojekte bei Kommunen undWohnungsunternehmenWohngruppenprojekte erfordern in der Regel ein langjähriges Engagement und Durchhaltevermögen von den Initiatorenund späteren Nutzern. Probleme bei der Grundstückssuche und die Aufgabe, eine geeignete Trägerstruktur zu entwickeln,erschweren den Gruppenbildungsprozess und letztendlich die erfolgreiche Umsetzung der Projekte. Inwieweit könnenKommunen und Wohnungsunternehmen die Initiierung und Realisierung von Wohnprojekten unterstützen?

Die nächsten beiden Beiträge zeigen erste Ansätze dafür auf: Im ersten Beispiel initiiert eine Kommune die Bildung einesWohngruppenprojektes und verankert das Thema verwaltungsintern und kommunalpolitisch, im zweiten Beispiel bietet sicheine Altgenossenschaft als Träger für Wohngruppenprojekte an.

und kommunale Grundstücke ins Augefassen. Oft werden sie als Esoterikermit unrealistischen Vorstellungen vomWohnen abgetan. Kaum jemand ausder Wohnungswirtschaft oder vonkommunaler Seite nimmt sich die Zeit,genauer hinzuhören, worum es denInteressierten eigentlich geht und sichzu fragen, ob solche Projektideen nichtdoch eine Option für kleine und größereKommunen darstellen können. Entmu-tigt geben viele auf, bevor sie eigent-lich angefangen haben oder tretenjahrelang auf der Stelle. Also werdenvielerorts ausschließlich neue Eigen-heimgebiete für Katalogware ausgewie-sen, die städtebaulich und wohnungs-politisch oft fragwürdig sind.

Was sind die Aufgaben, die Wohn-gruppen zu leisten haben, um einWohnprojekt auf die Beine zu stellen:1. Sie müssen eine funktionsfähige

Kerngruppe bilden, die verbindlichnach innen, wie nach außen agie-ren kann.

2. Ohne Grundstück geht gar nichts.Das heißt: Sie müssen sich auf demImmobilienmarkt orientieren undsich Zugang zu einem Grundstückverschaffen.

3. Geld spielt bei der Selbstorganisa-tion von Wohngruppen eine wich-tige Rolle. In jedem Fall muss daherdie Gruppe die Themen Miete oderEigentum erörtern und über Geldreden.

4. Wer gemeinschaftlich, d.h. nachbar-schaftsorientiert wohnen möchte,muss sich um einen Träger für seinWohnprojekt kümmern: entwederselbst einen aufbauen oder einenbestehenden finden.

Neue Wohnformen haben es überallschwer sich durchzusetzen. Das liegtzum großen Teil daran, dass viel zu un-bekannt ist, worum es eigentlich geht– um verbindliche Nachbarschafts-strukturen im Wohnen. In vielen Groß-städten fehlt es noch an solchen Vor-haben, also weiß kaum jemand etwasmit dem Thema anzufangen. Hamburgist da anders. Es gibt eine Vielfalt vonrealisierten Projekten, in denen seitfast 20 Jahren erfolgreich nachbar-schaftsorientiertes Wohnen praktiziertwird. Solche Orte lebendigen Wohnens,die vorzeigbar sind, können besserüberzeugen. Sie machen anschaulich,dass und wie „es geht.“ Wohnprojektevon jung und alt, von jungen Familien,von Nichtbehinderten mit Behindertenbieten einen Zugewinn an Wohnquali-täten für die Beteiligten und sind einequalitativ neue Facette des Wohn-raumangebotes in der Stadt Hamburg.Wie steht es aber in Flächenländernwie in Schleswig-Holstein?

Erheblich größer sind die Schwie-rigkeiten, die es in kleinen Städtenund Gemeinden zu überwinden gibt.Die erste Aufgabe besteht im Interes-se-Wecken für das Thema bei mögli-chen Beteiligten. Wohngruppeninte-ressierte gibt es oft erst mal nicht, weiles im Kopf der Menschen kein Bild vonneuen Wohnformen gibt und die Ver-fahren der Organisation von Wohn-gruppen unbekannt sind. Grundstücks-eigentümer machen einen großenBogen um Initiativgruppen als Käufer,sofern es diese trotz allem gibt undselbst Gemeinden sind skeptisch,wenn Interessenten anfragen, die sichals Wohngruppe organisieren möchten

5. Keine potienzielle Wohngruppe solltesich alleine auf den Weg machen:Sie braucht, spätestens wenn einGrundstück in Reichweite kommt,Fachleute, die sie beraten: Baufach-leute und Betreuer. Was aber tun,wenn von alledem gar nichts vor Ortvorhanden ist?

Vorweg: Ohne kommunale Unterstüt-zung sind Wohngruppenprojekte armdran. Deswegen ist ein Ansatz ausGeesthacht, einer Stadt im südöstlichenUmland von Hamburg mit knapp30.000 Einwohnern besonders erwäh-nenswert. Angeregt sich dem Themazuzuwenden wurde die Stadtverwal-tung durch die Initiative des LandesSchleswig-Holstein zur Förderunggenossenschaftlicher Wohngruppen-projekte im Jahr 2004, die mit einerFachtagung im Spätherbst zu Endeging. Vor dem Hintergrund der neuenFörderrichtlinie für genossenschaft-liche Wohnprojekte beauftragte dieKommune STATTBAU HAMBURG, einenVorschlag zu machen, wie in derwachsenden Stadt an der Elbe einWohngruppenprojekt auf den Weggebracht oder zumindest das Themains kommunale Bewusstsein gebrachtwerden könne. Ein ungewöhnliches,aber ernst gemeintes Ansinnen einerKommune, weil – außer der Bereit-schaft der Stadt – wenig vorhandenwar, auf das man aufbauen konnte.Aber das war ja immerhin schon etwasmehr als anderswo.

In vorbereitenden Gesprächen wur-den die Rahmenbedingungen für dieersten Umsetzungsschritte festgelegt.Die Stadtverwaltung erklärte sichbereit, eine aktive Rolle innerhalb desgeplanten Verfahrens wahrzunehmen.Erst einmal wollte sie als Ansprech-partner für Interessierte zur Verfügungstehen, bei der Grundstückssuchebehilflich sein, bzw. ein solches für

Dr. Josef Bura

„Jung und Alt gibt Halt“: ein Wohnprojekt auch in Geesthacht an der Elbe?

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21wohnbund-informationen 2+3/2005

Neue Chancen für genossenschaftsorientierte Wohnprojekte

den Fall vorhalten, dass sich eine Ernstzu nehmende Kerngruppe entwickelnließe. Das ist für Wohngruppenprojektebesonders wichtig, weil sie sich mitder praktischen Unterstützung derStadt von anderen professionellenImmobilien-Vermarktern unterscheiden.

Verabredet wurden nach vorberei-tenden Gesprächen eine Vorstellungdes Themas „neue Wohnformen“ imSozialausschuss der Stadt mit dem Ziel,möglichst ein positives politischesVotum zu dem Vorhaben und damiteinen fachpolitisch breiten kommuna-len Konsens zum Thema zu erreichen.Der Sozialausschuss ließ sich im Maiüberzeugen, zumal der Frauenbeiratder Stadt zeitlich parallel dazu geradeam gleichen Thema arbeitete.

Mit einer öffentlichen Veranstaltungwurde Anfang Juni 2005 die Idee desnachbarschaftsorientierten Wohnensvor 40 interessierten Personen, vorden aktiven Mitgliedern das Frauen-beirats und Vertretern aus Politik undVerwaltung vorgestellt. Eine Kerngrup-pe bildete sich und wurde von STATT-BAU in vier Treffen zwischen Juni undEnde August 2005 betreut. Sie gabsich den Namen „Jung und Alt gibtHalt, Mehr-Generationen-Haus Geest-hacht“. Die oben aufgelisteten Grund-fragen für die Entstehung von Wohn-projekten wurden zwar nichtabschließend, aber doch im Ansatzerörtert. Öffentlichkeitsarbeit wurdeunter Beteiligung der Gruppenmitglie-der gemacht, mögliche Grundsstückeauf ihre Eignung und ihre Zustim-mungsfähigkeit für die Anwesendenanalysiert. Die Gruppe, die sich aus-schließlich aus älteren Menschen über50 Jahren zusammensetzte, reduziertesich zwar im Verlauf des Verfahrensvor allem deswegen, weil die Grup-penmitglieder auf das Wohnkonzeptvon jung und alt setzten, aber keinejüngeren familienorientierten Nutzerfinden und sich die anwesenden Per-sonen nicht auf ein Stadtquartier eini-gen konnten. Die verbleibende Kern-gruppe wird sich in Zukunft mit demlokalen Verein für Selbsthilfeprojekteund dem Frauenbeirat zusammentunund das Projektziel weiterverfolgen.Sie stehen also nicht mehr alleine dar,sondern begeben sich in ein regiona-les Fachumfeld.

Fazit: Es wurde kein Wohnprojekt indrei Monaten in Geesthacht auf dieBeine gestellt. Das war auch realisti-

scherweise nicht zu erwarten. Ist derVerlauf aber als Scheitern zu werten?Eindeutig nein: Es war angestrebtworden, das Thema neue Wohnformenin die fachöffentliche Diskussion in derStadt Geesthacht einzubringen und dieBereitschaft zu prüfen, ob sich eineInitiative gründet. Das ist erfolgreichgeschehen. Die Kommune steht nachwie vor als Partner für Interessierte zurVerfügung, STATTBAU ist weiter bereit,

die dortigen Akteure punktuell zuberaten. Mit Frauenbeirat und derSelbsthilfeförderung in der Stadt wur-den fachlich kompetente Bündnispart-ner vor Ort gewonnen. Das sind ersteinmal gute Voraussetzungen dafür,dass es erfolgreich weitergehen kann.

Dr. Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH

Nils Fischer

Was versprechen wir uns als Genossenschaft von einer Zusammenarbeit mit Gruppenwohnprojekten für die Zukunft?

Wir sind eine kleine Genossenschaft inPinneberg, gegründet 1949. Wir habeneinen Streubesitz von 46 Gebäudenmit rund 480 Wohnungen in 15 Ortenzwischen Quickborn und Wedel. UnserBestand wird derzeit saniert, dochwünschen wir uns auch, dass unsereGenossenschaft wächst. Wir freuenuns über neue Mitglieder und suchengezielt neue, kleinere Investitionsmög-lichkeiten.

Eine dieser Möglichkeiten sehen wirin der Zusammenarbeit mit Wohngrup-pen. Wir bieten an, dass Gruppen mitihren Vorstellungen zu uns kommen,Mitglieder werden und ein Haus mitunserer Hilfe planen, bauen undbewohnen. Dazu erhält die Gruppe,wenn sie es wünscht, besondereRechte (Belegungsrechte, Hausord-nungsrechte).Noch haben wir kein Wohngruppen-wohnprojekt realisiert. Konkret arbei-ten wir jedoch an zwei derartigen Pro-jekten:

Bei dem ersten Projekt in Wedel ste-hen wir kurz vor dem Ankauf desGrundstückes. Innerhalb der nächsten6 Wochen entscheidet sich, ob es „los-geht“. Es handelt sich um ein altesFachwerkhaus im Zentrum von Wedelin unmittelbarer Nähe zum S-BahnhofWedel mit Anschluss nach Hamburg.

Eine Kerngruppe von 4 Damen hatden Wunsch, ein Wohnprojekt für vor-wiegend ältere Menschen zu organi-sieren, in dem harmonisch und mitmöglichst niedrigen Wohnkosten ge-meinsam langfristig gewohnt werdenkann. Die Genossenschaft GKB-Pinne-

berg eG wird das Objekt erwerben undnach den Wünschen der Projektteil-nehmer/innen instand setzen undmodernisieren. Insgesamt werden 11Wohneinheiten entstehen, wobei eineWohnung als Gemeinschafts-/Gäste-wohnung genutzt werden soll. DieMietbelastung beträgt voraussichtlichca. 7 Euro pro qm im Monat und kanndurch finanzielle Eigenbeteiligungdauerhaft gesenkt werden. Je 100Euro pro qm Mieterdarlehen wird eineMietsenkung von 0,24 Euro pro qm imMonat gewährt. Die Mieterdarlehenwerden zusätzlich mit weiteren 0,12Euro pro qm im Monat an die jeweili-gen Mieter/innen zurückgezahlt.

Das Gebäude soll noch im November2005 gekauft werden und die Planun-gen können dann beginnen. Fertigstel-lung und Einzug wären voraussichtlichim Sommer 2007 zu erwarten.

Bei dem zweiten Projekt in Horst/Elmshorn stehen wir noch am Anfang.Wir haben ein Grundstück aber nochkeine Gruppe. Nach Auskunft derGemeinde ist mit einem großen Inte-resse zu rechnen. Daher soll im Herbstdieses Jahres eine Informationsveran-staltung in der Gemeinde Horst statt-finden.

Was versprechen wir uns von einerZusammenarbeit mit Gruppenwohn-projekten?

Das lässt sich am besten verdeutli-chen, wenn wir kurz unser Selbstver-ständnis als Genossenschaft beschrei-ben und dieses Selbstverständnis mit

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wohnbund-informationen 2+3/200522

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

unserer Vorstellung von einer Gruppevergleichen.

Wir fühlen uns dem genossenschaft-lichen Gedanken sehr verbunden.Dieser besagt, dass sich Menschenzusammentun, um gemeinsam Wohn-raum für sich zu schaffen mit dem Ziel,sicher und gut zu wohnen. Nicht derStaat oder ein Investor ist der Initiator,sondern die Menschen selber. Es hatdaher etwas sehr Ursprüngliches,wenn allein der gemeinsame Wille allezusammenschweißt und alle Kräfte auf das gemeinsame Ziel hinsteuern.Am Ende steht das Haus, in dem dieGruppe zusammenlebt. Menschen mitdiesen Motiven prägen eine Genossen-schaft. Genau diese Gedanken erken-nen wir in Wohngruppenprojektenwieder. Wir sehen derartige Projekte

daher nicht als ein neues Geschäfts-feld, sondern fühlen uns solchen Pro-jekten von vornherein sehr vertraut.

Wir sehen jedoch noch besondere Vor-teile für uns als „alte“ Genossenschaft:l Wir haben Investitionssicherheit,

weil wir erst bauen, wenn es„Mieter“ gibt.

l Wir haben bei Bezugsfertigkeit einefertige Mieterstruktur, die stabilerist, als wenn Mieter sich erst beimEinzug das erstmal sehen.

l Wir glauben, dass diese Strukturauch für eine besondere Sozial-hygiene sorgt, weil die Gruppenmit-glieder sich von Anfang an intensivmit sich selber beschäftigt haben,als sie gemeinsam das Haus geplanthaben.

l Wir glauben, dass es dadurch weni-ger Vandalismus an den Gebäudenund Unstimmigkeiten innerhalb derGruppe gibt, weil man bereitsgelernt hat, erfolgreich zu kommuni-zieren und auch aufeinander achtet.

l Wir gewinnen als alte Genossen(-schaft) neue, aktive Mitglieder. Wirglauben, dass dies schöne Impulsefür die Genossenschaft gibt.

l Wir glauben, dass alle diese Vorteileeine positive Außenwirkung habenund uns als Genossenschaft weitereInteressenten zuführt.

Warten wir ab!

Nils Fischer ist Geschäftsführer der Baugenos-senschaft eG – GKB-Pinneberg

Dr. Jasna Baumgarten, Thomas Behl

Die Dachgenossenschaft Nord – Träger vonGruppenwohnprojekten für neue Wohn- und Lebensformen

Die Dachgenossenschaft Nord (DGN)wurde am 21. April 2005 in Kielgegründet. Sie ist als Eigentümerinjuristische Trägerin für alle Immobiliender unter ihrem Dach organisiertenProjekte, die sich rechtlich z.B. alsVerein oder GbR formiert haben.Dadurch genießen die jeweiligenWohngruppen alle Vorzüge des genos-senschaftlichen Wohnens, ohne selbsteine Genossenschaft mit sehr hohemAufwand gegründet zu haben. Einbesonderer Nutzen für die Wohngrup-pen als Mitglieder in der DGN bestehtdarüber hinaus in der Einsparungeiner spezifischen Unternehmensstruk-tur sowie in einer flexiblen, individuel-len Vertragsgestaltung einschließlichder Selbstverwaltung.

Die DGN besteht aus einem Exper-ten-Netzwerk der Bereiche Architektur,Projekt- und Sozialmanagement sowieImmobilien- und Investitionsmanage-ment. Die DGN bietet ihren Mitgliedernganzheitliche Dienstleistungen unterdem genossenschaftlichen Dach an –von der Gruppenmoderation und derGestaltung individueller Finanzie-rungsmodelle über die Entwicklungund Realisierung von Wohnprojekten

bis zur Bewirtschaftung und Funktions-sicherung der Immobilien.

Strategische Ausrichtung der DGN beider Wohnraumversorgungl Bereitstellung preiswerten Wohn-

raums für einkommensschwacheHaushalte

l Angebot wohnbegleitender alters-und familiengerechter Dienstleistun-gen

l Schaffung bezahlbaren Wohnraumsmit besonderen, individuellen Aus-stattungsqualitäten für mittlere Ein-kommen als Eigentumsalternative

l Innovative Wohnformen für Wohn-gruppen

l Entwicklung neuer Formen vonGemeinschaftsarchitektur

l Neue Konzepte im Belegungsmana-gement

l Übernahme von Wohnungsbestän-den bei Arrondierungen und Paket-verkäufen

l Alternative Finanzierungsformen zurBereitstellung von Eigenkapital

l Anwendung des Dauerwohnrechtsnach WEG innerhalb der Genossen-schaft

Projektbeispiel der DGN

„Nachbarschaftliches Wohnen –mediterran“ am Steenbeker Weg, KielProjensdorfDieses noch nicht realisierte Projektumfasst 40 barrierefreie Wohneinheiten– 60 bis 150 m2 – mit Dachterrassen,Balkon und/oder Garten und vielSpielraum zur individuellen Gestaltungfür unterschiedliche Lebens- undWohnbedürfnisse, für freie Finanzierungund genossenschaftliche Nutzung.

Eine Wohnanlage mit einem innova-tiven Energiekonzept, natürlichen Bau-stoffen und gesundem Wohnklimasowie ein 1000 m2 überdachtes Atriumfür vielfältige Wohnergänzungsfunktio-nen mit Gemeinschaftseinrichtungenerhöhen den Wohnkomfort: Kosten ca.1.600 €/m2.

Kontakt: Dachgenossenschaft Nord i.G.Feldstraße 96 · 24105 KielTel. 0431-64 78 314 · Fax 0431-64 78 [email protected]

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23wohnbund-informationen 2+3/2005

Heidrun Buhse:

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: Vom Land in die Stadt

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein:generationsübergreifend – sozial – ökologisch –nutzungsgemischt

Blick auf Formen, Wirkungen undRahmenbedingungen

Bislang nahmen Wohnprojekte inSchleswig-Holstein als Wohn- undSiedlungstyp keinen besonderen Stel-lenwert ein. Leuchtturmprojekte wie„Allmende Wulfsdorf“ bei Ahrensburg,der „Aegidienhof“ in Lübeck oder dieKieler Wohnprojekte in den StadtteilenSchilksee und Hassee wirken neuer-dings dennoch stärker in die Vorstel-lungen städtischer Wohnkultur hinein,während die Projekte im ländlichenRaum sehr „privat“ bleiben.

Das Flächen-Bundesland hat imVergleich zur Hamburger Projekteszeneeher unspektakulär dabei kontinuier-lich solche Initiativen hervorgebrachtund dies oft unter schwersten Rah-menbedingungen und in langwierigenEntwicklungsprozessen. Man schätzt,dass ca. 50 – 60 Wohnprojekte in derjüngeren Vergangenheit entstandensind und kann zugleich davon ausge-hen, dass mindestens die gleicheAnzahl an Projekten gescheitert ist.Obwohl Wohnprojekte seit den 70erJahren als Wohnform nachgefragt sind,gelang erst 2004 unterstützt durcheine „Landeskampagne“ so etwas wieeine Interessenbündelung. So bestehtdie Aussicht, dass sich die stets alsHemmnis auswirkenden Raum- undZeit-Disparitäten von Gruppen undGelegenheiten durch die Gründungeines Verbands aller Wohnprojekte inZukunft verringern wird. Zudemerweitert sich der Markt. Nie gab esmehr und unterschiedlichere Initiati-ven für Wohnprojekte als heute. Aller-dings waren auch die Förderbedingun-gen seitens des Landes und diefachlichen Unterstützungsmöglichkei-ten noch nie so gut. Zurzeit tummeln Einweihung des Wohnprojektes „Aegidienhof“ in Lübeck

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wohnbund-informationen 2+3/200524

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

sich mehr als 30 Projektinitiativenzwischen Ahrensburg und Husum,zwischen Föhr und Lübeck.

Wer ist interessiert?

Zu den familien-, frauenpolitisch Moti-vierten, am ökologischen Bauen Inte-ressierten, den Agenda-Umsetzern, der„autonomen“ Wohnszene und denschlicht an Gemeinschaft und guterNachbarschaft Interessierten, dieimmer schon in Wohnprojekten zu fin-den waren, gesellen sich nun neuewichtige Interessengruppen: Das sinddie Älteren und die Menschen, die mit„Handicaps“ ihren Alltag bewältigenmüssen, die weder die klassischenVersorgungsangebote annehmen wol-len, noch eine Perspektive in den übli-chen anonymen Wohnungsimmobiliensehen; letzteres gilt auch zunehmendfür Single-Haushalte. Trotz diesesZulaufs neuer gesellschaftlicher Grup-

pen, besteht immer noch die Gefahr,dass viele Wohnprojekte zu wenigEntschlusskraft und Mut zu neuenErfahrungen mitbringen, um Projekt-trägerschaften aus dem Nichts aufzu-bauen, Geld zu investieren undschwierige Rahmenbedingungen biszur Realisierung zu überwinden. DieQuadratur des Kreises tut sich auf,wenn einerseits das gewünschte Woh-nen von Beginn an mitbestimmt werdensoll, anderseits aber die erforderlichenAbsprachen und Entwicklungsprozessein der Gruppe gar nicht durch gestan-den werden können und eigentlich aufetwas „Individuelles“, „Schlüsselferti-ges“ zur „Traummiete“ reflektiert wird.Im Wechselspiel mit den kommunalenVerwaltungs- und Entscheidungspro-zessen kommen viele Gruppen überdie Phase der „Ideenschmiede“ nichthinaus.

Die zunehmend als unsicher empfun-denen Einkommensaussichten vielerHaushalte bremsen zur Zeit zwei rela-

tiv etablierte Aspekte aus: Das Wohnenauf dem Lande, das für jede Alltags-verrichtung lange Wege kostet und dieindividuelle Eigentumsfinanzierung.

Ein Rückblick auf die nutzbaren Erfah-rungen und damit auf Wirkungen vonProjekten aus früheren Zeiten machtdeutlich, welche Defizite es dennochauf diesem Sektor aufzuarbeiten gilt:

Die Geschichte von nachbarschaftli-chen Wohnformen reicht weit zurückund hätte mit dem organisierten nord-deutschen Kleinsiedlungsbau durchausauswertbare Vorreiter gehabt, wenn es der Wohnprojekteszene gelungenwäre, über die kleinbürgerliche Fassadedieser Wohnform hinweg zu schauen.Denn, neben den Landarbeiter- oderin den Hafenstädten den Werftarbei-tersiedlungen und den Wohnungs-genossenschaften aus der Jahrhundert-wende, die jedoch seit 1946 einemProfessionalisierungs- und Konzentra-tionsprozess ausgesetzt waren, hat im

Wohnprojekt „Wohnen an der Hülshorst“ in Lübeck

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25wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

„Einwanderungsland Schleswig-Hol-stein“ eben auch die Siedlerbewegungseit 1949 Grundlagen des nachbar-schaftlichen und solidarischen Woh-nens verankert.

Kleinsiedlungsbau: Vorreiter, aberAuslaufmodell

Der bis heute praktizierte Siedlungs-bau in „Gruppenselbsthilfe“ hat sich inSchleswig-Holstein über mehrereEpochen als nachbarschaftsförderndeSiedlungsform herausgebildet unddamit das Erscheinungsbild vielerDörfer und Kleinstädte erheblich be-einflusst. Er hat dabei gerade fürfinanzschwächere Familien, für Schwel-lenhaushalte und „Mehrgenerations-haushalte“ Wohnformen hervorge-bracht, die von hoher sozialer Qualität– in vielen Siedlungen bis heute –

noch sind. Während die Architekturmit den simplen und kostengünstigenSatteldach-Haustypen bis auf wenigeAusnahmen die kleinbürgerliche, sehrkonventionelle und wenig individuelleFormensprache bevorzugte, war dieTypisierung eine gute Grundlage fürgeregelte Gruppenselbsthilfe (ebenkeine Schwarzarbeit – dafür Bauen mitMuskelhypothek!).

Die Gruppenerfahrung während derBaustellenzeit erwies sich als wichtigeGrundlage für belastbare Nachbar-schaftsnetze, die heute zum Teil überdie erste Generation weit hinausgehen.

Heute fällt diese Siedlungsform derimmerhin ca. 25 TS Wohneinheitenmit über 50% der Haushalte von über60-jährigen Personen zunehmend demStrukturwandel zum Opfer. Die beste-henden Siedlungen sind vor großeModernisierungs- und Anpassungsauf-gaben gestellt. Eine kollektive Per-spektivenfindung wäre für diese sehrSchleswig-Holstein-typische Wohn-form wünschenswert.

Landprojekte, Produktionsgemein-schaften, Ökoprojekte

Bislang basierten Projektinitiativeneher auf informellen, kleinteiligen undweniger wohnungspolitisch funktio-nierenden Netzwerken und gesell-schaftlichen Nischenbildungen. Beivielen Projekten haben die vielfältigenMöglichkeiten, sparsam bewohntenSiedlungsraum nutzen zu können, eherzu einer „Privatisierung“ der Interessengeführt. Frei nach dem Motto: Wennman in der Stadt nicht die passendenRahmenbedingungen findet, zieht man eben „raus aufs Land“. So war esmöglich, insbesondere in den eherstrukturschwachen und zunehmendfunktionsentleerten Dörfern und Sied-lungsrändern Bestände günstig undunauffällig aufzukaufen oder langfristigzu pachten, ohne gleich auf kommuna-ler wie auf nachbarschaftlicher Ebene„Grundsatzdebatten“ über andere alsübliche Wohnformen ausgeliefert zusein. Zugleich vergaben diese eherprivaten Initiativen die Chance, dembürgerlichen Leitziel „alleinstehendesEinfamilienhaus“ etwas Neues entge-genzusetzen. Dem Entwicklungsdruckund der Perspektivenfindung der Dör-fer und Kleinstädte wäre dies sicherentgegengekommen.

Aber nicht nur die Einbindung vonneuen Wohnformen in städtebaulicheund baurechtliche Zielstellungen ausder Initiative von „unten“ blieb aus.Auch die Möglichkeit, neue den sozia-len Zielen entsprechende Träger-schaftsformen zu bilden und damitProjekte nachhaltig anzulegen, wurdebislang zumeist nicht genutzt. In derRegel wurden Eigentumswohnformengebildet oder sehr konventionelleMietverhältnisse geschaffen. Die weni-gen Wohngemeinschaften oder Koope-rativen, die als Wirtschaftsgemein-schaften funktionierten oder anderesprobierten, wurden eher als weltfremdbelächelt. (Wer das heute noch malnachvollziehen möchte – das Belä-cheln – möge den Film „Der Tag, andem Bobby Ewing starb“ ansehen.)

Nicht immer gelang es den Wohn-projekten durch Modernisierung undUmbau, den Gebäuden den für lang-fristige Perspektiven notwendigenräumlichen und baulichen Ausdruck zuverleihen. In entlegenen ländlichenGebieten erfuhren die Wohnprojekte,der Berufstätigkeit der Mitglieder

geschuldet, zudem eine hohe Fluktua-tion. Insgesamt entwickelte sich diese„Landprojekteszene“ in drei Richtungen:

Modell 1. Nach den Wohngruppenund Wohngemeinschaften blieben die,die Eigentümer waren und die sich imLaufe der Jahre entweder mit höherenWohn- und Flächenansprüchen etab-lierten und den Wert der Gemeinschaftzunehmend in Frage stellten – und/oder auf Dauer „normale“ Mietverhält-nisse gewähren, dies mit mehr oderweniger Gemeinschaftsorientierung.Anders herum suchen Eigentümer vongroßen, ländlich geprägten Immobiliennach neuen lukrativen Verwertungs-chancen und sprechen gezielt dieWohnprojekteszene an. Selten ergibtsich dabei eine rechtlich und finanziellgleichgestellte Beteiligungsform odereine entsprechend der inhaltlichenZielsetzungen ausgerichtete Träger-schaftsform. Häufiger sind gut funktio-nierende Nachbarschaften.

Modell 2. Wohngruppen formulierengemeinsame Ziele und kaufen ländli-che Liegenschaften als Einzeleigentumoder nach WEG geteilt auf (ehemalslandwirtschaftlich genutzte Bestände,Bahnhöfe, Meiereien usw.), um zumodernisieren und langfristige, nach-barschaftliche Wohnformen umzuset-zen. Impulse für diese Initiativen ent-wickeln sich oftmals aus Ansprüchenan Spielräume für besondere Schwer-punkte in der Lebensraumgestaltungoder der Architektur. Dabei sind Themenwie „gesundes, ökologisches, kind-gerechtes, altengerechtes Bauen undWohnen“ oder auch definierte über-einstimmende Lebensanschauungenwie die der Anthroposophie dieAntriebskräfte. Manchmal entstehenWohngruppen erst aus den Gelegen-heiten, die sich vor Ort ergeben.(Beispiele: Gemeinschaften wie inBarkelsby, Krieseby-Au, Barsbek, …)

Siedlungsbau in Gruppenselbsthilfe

Ökosiedlung in Itzehoe-Edendorf

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wohnbund-informationen 2+3/200526

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

In diese Sparte fällt auch die sichseit Beginn der 90er Jahre entwickelndeForm der ökologisch orientierten Sied-lungen, die nicht nur auf Gemein-schaft, sondern auch auf eine konse-quente und ökonomische Nutzungökologischer Technik und Infrastrukturzielen. (z.B. Umbau einer Hofstelle inSörup, Ökosiedlung Heiligenhafen,Clever Brise Bad Schwartau, Am Doktor-hof in Mölln, Ökosiedlung in Stockels-dorf)

Wohn- und Arbeitsprojekte tretendem strukturellen Abwärtstrendentgegen

Modell 3: Wenn mit dem Wohnprojektauch die berufliche und/oder gewerb-liche Perspektive einhergeht – ob nunin kompletter Wirtschaftseinheit allerWohnparteien, partiell oder additiv –,wurden in der Regel die inhaltlichenZielstellungen auch rechtlich und wirt-schaftlich stärker verankert und län-gerfristigen Perspektiven zugeführt.

Die Potenziale, Ressourcen und Per-spektiven des ländlichen Raums stehenbei solchen Projekten grundsätzlich imMittelpunkt. So gehen Wohnprojekteaus landwirtschaftlichen Hofgemein-schaften, ländlichen Tourismus- undKulturprojekten oder aus Handwerks-kooperativen hervor. Viele Demeter-und Biolandhöfe, einige Landgasthöfe,Pensionen, Ziegen- und Schafzuchtenund Reitställe in Schleswig-Holsteinsind vor diesem Hintergrund zu betrach-ten. Bei wirtschaftlichem Erfolg tragensie erheblich zur Belebung und Struk-turentwicklung ihres Siedlungsraumsbei (z.B. der Demeterhof Klostersee beiGrömitz, Lebens- und Werkgemein-schaft Grebinsrade bei Martensrade imKreis Plön).

Die drei Modelle finden sich in unter-schiedlichen Ausprägungen überall inSchleswig-Holstein. Gemeinsam ist

ihnen, dass ihr realer oder möglicherBeitrag zur siedlungspolitischen undwirtschaftlichen Zukunft des ländli-chen Raums im dorfgemäßen Maß undohne Zersiedlungseffekte in der Regelunterschätzt und deshalb zu wenigunterstützt wird. Ganze Wirtschafts-räume wie z.B. die Westküste oderOstholstein ringen um neue langfristigePerspektiven und laufen Gefahr, schonjetzt zu den klassischen Abwande-rungsräumen gerade junger und bes-

ser ausgebildeter Haushalte zu gehö-ren. Deshalb wären so genannte„Leuchtturmprojekte“ zur positivenTrendumkehr brauchbar. Zudem zäh-len Wohnprojekte in ländlichenGebäudebeständen in Schleswig-Hol-stein überwiegend zu den kostengüns-tigen Wohnmöglichkeiten und könnensomit für die Beteiligten auch sozialeNischen sein, die es angesichtsbegrenzter wirtschaftlicher Prosperitätso mancher Region zu sichern gilt (wiez.B. die Basisgemeinde Wulfshagener-hütten in Tüttendorf bei Gettorf).

Auf jeden Fall können Wohn- undArbeitsprojekte zur Stabilisierungstrukturschwacher Wohnungsmärktebeitragen und nicht zuletzt den Touris-mus direkt oder indirekt beleben.

Der Traum von mehr Natur und Individualität in der Stadt(Stadtränder)

Mit den drei Wohngruppen in Kiel-Schilksee begann Mitte der 70er Jahreeine Entwicklung in den städtischenRegionen, die sich insbesondere zuBeginn der 90er Jahre in Form voneher städtisch, bzw. vorstädtischgeprägten nachbarschaftlichen Wohn-siedlungen mit ökologischen Aspektenfortsetzte. Die Idee des Flächen- undRessourcen sparenden Bauens brachtees mit sich, dass auch Menschen, die

sich vordinglich als Kleinfamilie etab-lieren wollten, die bewusste Nachbar-schaft zu Gleichgesinnten suchten.Vorwiegend Siedlungsneubau wurdevorwiegend auf eigens zu diesemZweck geschaffenem Baurecht etab-liert. Dabei wurde selten ein ganzesBaugebiet für nachbarschaftsfördern-de, ökologisch sinnvolle Bauweisenausgewiesen und das Image einerganzen Siedlung geprägt, wie z.B. inHimmernmoos bei Harrislee oder denBaubauungsplänen für Kiel-Hasseeund Kiel-Vieburg. Das klassischeModell eines „Sondergebietes“ inmit-ten oder zumeist am Rande einer kon-ventionellen, erschlossenen und par-zellierten Einfamilienhaussiedlung warund ist bis heute eher das, was dergängigen Praxis der Gebietsauswei-sung entspricht.

So sind in den letzten Jahren mehrals 30 solcher – zumeist landesgeför-derter – Eigentumsprojekte entstanden,zumeist allerdings auf städtischen Bra-chen, Rest- oder Konversionsflächen –und dies nicht nur in Kiel, Lübeck undFlensburg sondern auch in kleinerenStädten wie Melsdorf, Bad Oldesloe,Itzehoe. (Freihaus Nr. 10, Hamburg 2003, FreihausNr. 11, Hamburg 2004, und die Single-Haus-halte Landesbroschüre: UmweltgerechtesPlanen und bauen in Schleswig-Holstein:Kriterien – Beispiele – Bilanzen)

Neue Ziele: Städtisches Wohnen in kleinen genossenschaftlichenWohngruppen

Echte Stadtsiedlungen oder die Nut-zung städtischer Wohnungsbeständesind erst in jüngster Zeit ein Themageworden, das mit steigender Tendenznachgefragt wird. Seit die Landesför-derung a. den Bestandsankauf junger Bewoh-

nergenossenschaften b. Wohnprojekte, die sich eine genos-

senschaftliche Trägerschaft gebenoder sich einer Traditionsgenossen-schaft in hoher Eigenverantwort-lichkeit anschließen,

in besonderer Weise fördert, sindbereits drei neue Dach-Genossen-schaften an den Start gegangen, fastausschließlich an sehr städtischenStandorten. (s.a. Artikel Scharbach)

Interessanter Vorläufer dieser Sparteist die Bewohnergenossenschaft

Ökosiedlung Kiel-HasseeÖkosiedlung in Stockelsdorf

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27wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

Esbjergweg e.G. im Kieler Trabanten-stadtteil Mettenhof. (vgl. Artikel Güldenberg) Nutzerorientiert und aufGemeinschaft zielende Wohnformen instädtischen Räumen oder in Bestands-quartieren zu realisieren, ist in Schles-wig-Holstein immer noch schwer undauf jeden Fall schwieriger, teurer,langwieriger als im ländlichen Raumeinen verlassenen Hof umzubauen.

Erfahrungen mit neuen, kleinenGenossenschaften stehen den jeweilsneu Interessierten noch nicht ausrei-chend zur Verfügung. Die dänische Co-Housing-Bewegung wird zwar mitihren vielfältigen Siedlungen bewun-dert, die Modelle aus dem Nachbarlandlassen sich aber finanziell und steuer-rechtlich nicht übertragen.

Somit ist auch die „gefühlte“ Hürde,sich wirtschaftlich und rechtlich ineine solche Abhängigkeit zu begeben,entsprechend hoch.

Neue Projekte auf Baulücken oder Bra-chen tun sich auf, in Kiel in der „Rat-hausstrasse“, am „Steenbeker Weg“,am „Timmerberg“. In Lübeck am Bad„Krähenteich“ oder im Hochschulstadt-teil. Es wird bei jedem städtischen Pro-jekt wichtig sein, dass die Grund-stückskosten und dieErschließungskosten in den Kostenrah-men des sozialen Wohnungsbaus pas-sen, genauso wie die Baukosten, diedie Gruppen zu verantworten haben.Deshalb ist die kommunale Unterstüt-zung solcher Projekte gerade in den

Städten für die Realisierung unerläss-lich, wenn die neue Förderung desLandes nicht ins Leere laufen soll.

Aber auch an der Entschlusskraftvieler Menschen, die an Wohnprojek-ten interessiert sind, muss noch Ent-wicklungsarbeit geleistet werden.

Auf der Ebene des Wünschens ist inSchleswig-Holstein viel los. Viele würden schon wollen, wenn sie dennglaubten, dass sie könnten.

Heidrun Buhse, Mitarbeiterin im Referat fürWohnraumförderung, InnenministeriumSchleswig-Holstein, Gründungsmitglied, Archi-tektin und Bewohnerin der Kieler Scholle e.G.

Die ersten drei Gruppenwohnprojekte im städtischen Raum entstanden bereits Mitte der 70er Jahre in Kiel-Schilksee Fotos: Brigitte + Olaf Schulz

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wohnbund-informationen 2+3/200528

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Rainer Steffens

Der Aegidienhof in Lübeck – generationsübergreifendes Wohnenund Arbeiten in der Altstadt

Dokument, das 700 Jahre Städtebauund und eine wechselvolle Sozialge-schichte repräsentiert: Nachdem imAegidienhof anfangs halbklösterlicheFrauengemeinschaften gelebt hatten,später über Jahrhunderte Waisen ein

Obdach geboten und benachteiligtenBevölkerungsgruppen wie Armen,Alten und Obdachlosen geholfenwurde, stand 1998 nach dem Auszugdes Sozialamtes der gesamte Gebäude-komplex zur Disposition. Heute, siebenJahre später, stellt sich der Aegidien-hof als ein einzigartiges Wohnprojektdar, in dem Menschen verschiedenerAlters- und Einkommengruppen, mitund ohne Behinderungen, Singles,allein Erziehende und Familiengemeinsam wohnen und arbeiten undals ein Stadtteilprojekt, das mit seinenAktivitäten weit in seine Umgebunghineinwirkt.

Initiiert wurde das Projekt durcheine Gruppe von Planern, die in engerAbstimmung mit der Stadtentwicklung,der Stadtbildpflege und der Denkmal-pflege der Hansestadt Lübeck ein buntgemischtes Nutzungskonzept entwi-

ckelten und für jedes der 12 Häuser„Planungs-Visionen“ entwarfen.

Zur ersten öffentlichen Konzeptvor-stellung im Mai 1998 kamen über 100Interessenten. Nach mehreren vorbe-reitenden Versammlungen gründete

sich am 31.07.1998 die „AegidienhofEigentümer Gesellschaft bRmbH“ mit22 Gründungsmitgliedern. Die Grün-dungsmitglieder bildeten bereits dieerhoffte bunte Mischung von Familien,Alleinstehenden, Jungen und Alten.Aktivisten aus vielen in der Altstadtengagierten Gruppen wie BIRL (Bür-gerinitiative Rettet Lübeck), Althaussa-nierer, interkulturelle Künstlergemein-schaft, Haus der Kulturen, Stattauto,Eine Welt Laden, … gehörten dazu.

Planungsprozess

Das besondere Merkmal dieses „ökolo-gischen und sozialen Wohngruppen-projektes“ ist die sehr intensive Pla-nungsbeteiligung der Bewohner.Gemeinsam wurden die Planungszielediskutiert und festgelegt. Auch über

Im Herzen Lübecks, zwischen Aegi-dienkirche und Krähenteich, liegt derAegidienhof. Um einen großen, ruhi-gen Innenhof gruppiert sich einEnsemble kleinerer und größererBacksteinbauten – ein einzigartiges

Projektsteckbrief

Standort: auf der Altstadtinsel, im Aegidienviertelgegenüber der Aegidienkirche

Nutzungskonzept:63 Teileigentume, davon 45 Wohnungenmit ca. 3.000 qm Wohnfläche und 18 Büros, Praxen, Werkstätten, Bed andBreakfast, Cafe sowie Gemeinschaftsraumund Gemeinschafts-Gästezimmer (insge-samt ca. 1.665 qm Hauptnutzfläche)

Finanzierung: Gesamtinvestition ca. 12 Mio EuroNach Beratung durch conplan: Wohnun-gen überwiegend mit Investitionsbank Schleswig-Holstein, ansonsten je nach individuellen Anforderungen überSparkasse oder HausbankenDeckungslücke beim Projektankauf nurüber Privatdarlehen von „Sympathisan-ten“ ermöglicht (nach Vorarbeit conplanund breiter Öffentlichkeitsarbeit)

Förderung:Öffentlich: ca. 240.000,– Euro (ca. 2,0%)Privat (Possehl-Stiftung, Deutsche StiftungDenkmalschutz, Aktion Mensch, SoftwareAG-Stiftung, Hertie-Stiftung): ca. 560.000,– Euro (ca. 4,7%)

Bauherr:Aegidienhof GbR für die Gemeinschafts-aufgabenHaus GbR´s für die individuellen Baumaß-nahmen in den Häusern (Haus 2 GbR, … )

Architekten:steffens meyer franck, architekten und stadtplaner bdaund Sigrid Morawe-Krüger, Architektin BDA, Weitere Planungsbeteiligte:Baubüro Kröger, Beratende Ingenieure,Mareile Ehlers, Landschaftsarchitektin,Spillerstraße 5, 23564 Lübeck

Projektentwicklung:Conplan GmbH und Architekten (allesamt sind auch Bauherren)

Fertigstellung:2000 – 2002

Lageplan Aegidienhof

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29wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

die Sanierung der einzelnen Häusergab es Konsens: substanzschonendeEingriffe, Betonung der vorhandenenbaulichen Qualitäten durch Freilegung,bzw. Wiederherstellung der typologi-schen Eigenheiten der einzelnen Häuser,Kenntlichmachen der neuen Eingriffedurch zeitgemäße Architektur.

Die Eigenheiten der Häuser ermög-lichten unterschiedliche Wohnformenund Wohnungsgrößen. Für Familienbesonders interessant sind:

l eingeschossige Wohnungen mit 24bis 160 qm Wohnfläche und Raum-höhen, die z.T. Hochbetten undGalerien ermöglichen

l Maisonettewohnungen über zweiGeschosse

l Reihenhaustypen mit bis zu fünfEbenen

Maßgeschneidert entstanden individu-elle Wohnungen für Alleinerziehende,Familien und Wohngemeinschaften.Eine sehr gute Ergänzung sind die vie-

len kleineren Appartements, die alsGästewohnung, Bed+Breakfast oderBüro genutzt werden.

Organisation

Um die zentralen Aspekte in der Ent-wicklung und Umsetzung des Aegidien-hof-Projektes (Mitbestimmung, Mitver-antwortung, Miteigentum) dauerhaft zuverankern, haben sich die Bewohne-rinnen und Bewohner für die Rechts-form der Wohnungseigentümergesell-schaft entschieden. Diese verbindetdas Recht auf individuelles Wohnungs-eigentum (sog. Sondereigentum) mitder Gesamtverantwortung für das nurideell geteilte Grundstück (gemeinsa-mes Hofkonzept, sog. Miteigentumsan-teile am Grundstück).

Damit der Alltag nach Fertigstellungund Bezug der 63 Wohn- und Gewer-beeinheiten handhabbar bleibt, wur-den überschaubare Verantwortlichkei-

ten geschaffen: Die Ausgestaltung derHofanlage erfolgt gemeinschaftlich,während für alle Entscheidungen, diedie Gebäude betreffen, die jeweiligenHausgemeinschaften verantwortlichsind.

Diese Aufteilung der Zuständigkei-ten ist auch schon für die Bauphasegewählt worden: Weil dieses Bauvor-haben selbstorganisiert ohne Bauträ-ger realisiert wurde, wurde für dieBauphase eine Gesellschaft bürgerli-chen Rechts gegründet, die die Inte-ressen aller Gesellschafter und Gesell-schafterinnen bündelt und dieBauabwicklung organisiert. Für diegrößeren Hausgemeinschaften (Haus 2,3, 4–7, 8, 11, 12) wurden zusätzlicheHaus-GbR´s gegründet. Die Gesell-schaften wählten jeweils Baubeauf-tragte als Verantwortliche für den Bau-ablauf.

Die Geschäftsführung kontrolliertedie Gesamtabläufe in Zusammenarbeitmit den sog. Koordinatoren für beson-

Karin Rinke

Und wie vertragt ihr Euch?

Eine der vielen Fragen, die Besucherdes Aegidienhofs immer wieder stel-len. Ich möchte zwei kleine Regelnerwähnen, die aus meiner Sicht sehrhilfreich sind.

Die Verteilung der Gemeinschaftsauf-gaben geschieht unter Beachtungabsoluter Freiwilligkeit. Das klingtzunächst selbstverständlich. In derDurchführung jedoch rebelliert alles inuns gegen diese „Ungerechtigkeit“. Esdauert auch eine Weile, bis die Wohl-taten dieser Umgangsweise zu sehensind. Und die stellen sich dann ein,wenn wir endlich aufhören, nachSchmarotzern oder Nutznießern zuschielen, sondern die Aufgabe als fürmich und die Gemeinschaft förderlichanzusehen. Es gibt ein überzeugendesGedankenbild, welches diese „Wider-ständigkeit“ sehr fein ausdrückt:„Etwas mehr Last in meinem Lebenwird meinem Leben mehr Gewichtgeben.“ Im Aegidienhof sind hoheAnsprüche gewachsen an Lebens- undGemeinschaftsqualität. Da ist natür-licherweise viel zu tun. Wenn einigesich von dieser Einstellung überzeugen

lassen, klappt es auch. Wir erleben esganz oft im Aegidienhof.

Der private und der öffentliche Raummüssen deutlich als solche erkennbarsein. Auch hierbei mussten wir nichtsneu erfinden oder herstellen. DieAnordnung der Gebäude um einengrossen Hof ist in 700jähriger Bauge-schichte so entstanden. Die Wohnun-

Karin Rinke – Klönschnack bei der Arbeit

gen konnten ganz nach den individu-ellen Wünschen gebaut werden undsind in ihrer Hauptsicht auf den Hofgerichtet. Diese materiellen Gegeben-heiten stellen günstige Voraussetzun-gen dafür dar, dass beide Bedürfnissezu ihrem Recht kommen: Die Rück-zugsmöglichkeit ins geschützte Privateund die Teilhabe, wenn nicht sogarMitwirkung am hof-öffentlichen Leben.Das ist nicht als Programm entwickeltworden, aber wir betrachten es inzwi-schen so, dass wir beste Entwick-lungsmöglichkeiten vorgefundenhaben. Wir können ganz nach Launezwischen den beiden Bereichenwechseln, und die Übergänge oder„Brücken“ sind vorhanden und mitgutwilliger Deutung auch leicht zubegehen.

Es kommt auf jeden an und seineBereitschaft, möchte man folgern. Daswussten wir alles auch vorher. Klar,aber dieser diffuse Wunsch, irgendwieanders leben zu wollen, hat doch mitetwas Analyse und begleitender Erfah-rung ein anderes Gesicht bekommen.

Karin Rincke, Bewohnerin des Hauses 9

im Aegidienhof Lübeck

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verklungen ist, begeben sich alle aufihre denkbar kurzen Heimwege. Imguten Gefühl, willkommener Teil einernachbarschaftlichen Gemeinschaft zusein, schließen sie ihre Tür hinter sichzu. Eine ausgewogene Mischung ausNähe und Distanz.

Dr. Cristoph Härtel ist Kinderarzt und

wohnt im Aegidienhof zur Miete

dere Aufgaben (z.B. Hofkonzept,BHKW, Öffentlichkeitsarbeit, Compu-ter- und Telefonnetz, Controlling, …),während der Verwaltungsbeirat schondie spätere Tätigkeit der Wohnungs-eigentümergemeinschaft (WEG) vorbe-reitete.

Um das gemeinschaftliche Lebenund die kulturelle Stadtteilarbeit zufördern und zu organsisieren, wurdeder gemeinnützige Verein Aegidienhofe.V. gegründet, in dem alle Eigentü-mer, Anwohner und Freunde Mitgliedwerden können. Der Verein ist Bau-herr des Gemeinschaftsraums sowieVermieter des Kulturcafes und organi-siert ein breitgefächertes Programmmit Vorträgen, Musik, Kursen undGesprächsrunden.

Soziale Mischung und Integration

Unser Ziel neben der Nutzungs- undAltersmischung war eine sozialeMischung. Gerade Alleinerziehende

und junge Familien, aber auch Behin-derte und Senioren können sich „nor-male“ Eigentumswohnungen nichtleisten. In einer der ersten Gruppensit-zungen wurde mit dem „Stecknadel-spiel“ der Marktwert der einzelnenFlächen festgestellt: Jede/r Interes-sent/in konnte mit je drei farbigenNadeln die bevorzugten Flächenwün-sche in den Grundrissen aller Gebäudeund Geschosse kennzeichnen. Diekleineren Häuser an der Weberstraßeund die Dachgeschosse waren beson-ders begehrt. Daraufhin wurden diegemeinsam aufgebrachten Kosten fürAnkauf, Freilegungen und Teilabrisse(im Schnitt 500,– €/qm) auch unterBerücksichtigung des jeweiligen Bau-zustands und des Denkmalwerts un-gleichgewichtig verteilt: von 100,– €/qmbis zu 750,– €/qm. Durch individuelleAusstattungswünsche und Sanierungs-standards lagen die Gesamtkosteninkl. Gemeinschaftsflächen undNebenkosten zwischen 1.550,– € und3.000,– € je qm Wohnfläche. Die

höheren Kosten fielen vor allen Dingenin den hochkarätig sanierten Denk-malen an. Die besonders aufwändigenSanierungsarbeiten und Gemälderes-taurierungen in diesen Gebäudenwurden durch die Lübecker Possehl-stiftung, die Deutsche Stiftung Denk-malschutz und die städtische Denk-malpflege mit bis zu 500,– €/qmWohnfläche unterstützt. Weitere Ein-sparungen ergeben sich durch dieindividuelle Steuerabschreibung inden Baudenkmalen.

Etwas mehr als die Hälfte der Woh-nungen sind selbstgenutzte Eigen-tumswohnungen. Die anderen sind vorallem aus abschreibungstechnischenGründen teilweise an Kinder oderEltern vermietet, etwa ein Viertel derWohnungen sind frei vermietet. DieseWohnungen dienen den Eigentümernmeist als Teil ihrer Alterssicherung –heute bieten sie denjenigen Wohn-raum, die sich Eigentum nicht leistenkönnen. Im ehemaligen Waisenhaus

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Dr. Christoph Härtel

Impressionen aus dem Aegidienhof

Die Fahrstuhltür zum Aegidienhof öff-net sich träge. Ein graubärtiger Manntritt heraus, den ersten Blick zur Turm-spitze der Lübecker Aegidienkirchegerichtet. Sein Schritt ist schleppend,die Beine sind müde. Seine hellwa-chen Augen bekommen einen strah-lenden Glanz, als drei Kinder dieSandkiste verlassen und auf ihn zustürmen. Neugierig betasten die Kindereinen schweren Kasten, den er beisich trägt.

„Was ist da drin?“ fragt ein fünfjäh-riger Junge.

„Kommt mit, ich zeige es euch imLindenkreis. Ich habe dort eine Verab-redung“.

In kürzester Zeit haben sich einigeMenschen auf dem kleinen Platz unterden Linden angesammelt, darunterkleine Kinder, große Kinder, ewigeKinder, Jung und Alt. Sie wartendarauf, dass der große Kasten geöffnetwird. Stille. Der pensionierte Musik-lehrer holt ein rotes Akkordeon heraus.Sodann setzt sich ein weißbärtigerMusiker neben ihn und gibt augen-zwinkernd zu verstehen, dass sein

Akkordeon noch schöner sei. Die Kin-der bringen den Musikanten Nerven-nahrung: „Original Halberstädter Brüh-würstchen von 1883“.

„Dafür schmecken sie noch ganzgut!“ sagt einer der beiden, und fügtlauthals hinzu:

„Wenn sodann unser ‚280erKlub'auch vollständig ist, fangen wir an zuspielen“.

Die anderen beiden Mitglieder des‚280er Klubs' – diesem illustrenWochentreff vierer Aegidienhofbewoh-ner (sprich: Aegidianer), in dessenGründungsjahr die Aufsummierung desLebensalters maßgeblich zur Namens-findung beigetragen hat – haben sicheinen Platz in der ersten Reihe gesi-chert. Zuerst werden Kinderliederangestimmt, dann Schlaflieder, Liedervom Fernweh, vom Meer, von derLiebe … ; der spontan zusammenge-würfelte Chor trifft nicht jeden Ton.Auch die Textschwierigkeiten nehmenim Laufe des lauen Frühlingsabendsimmer dramatischere Züge an. Dochdas freundliche Lächeln der Musikan-ten ist ansteckend. Als der letzte Ton

Die jüngsten „Aegidianer“

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

z.B. wird eine aufwändig und denk-malgerecht sanierte Wohnung zumSozialmietsatz vermietet – der Vermie-ter gibt seine Steuervorteile indirekt andie alleinerziehende Mieterin weiter.

Der Verein "miteinander e.V." hatmit Unterstützung der „aktion mensch“und der Possehlstiftung eine betreuteWohngemeinschaft für vier junge Men-schen mit Behinderungen im Aegidien-hof realisiert. Die Marli-WerkstättenGmbH betreiben das Kulturcafe imAegidienhof und bieten damit Men-schen mit Behinderungen die Möglich-keit der Berufstätigkeit unter den Be-dingungen des ersten Arbeitsmarktes.

Wohnumfeld

Durch die Lage des Projektes mitten inder Stadt wird das Auto weitgehendüberflüssig. Öffentliche Verkehrsmittelsind gut zu erreichen, die komplette

Versorgung einschließlich Schulen,Kindergärten und Sportmöglichkeitenist fußläufig gewährleistet.

Für die Hofgestaltung wurde einevon vielen Arbeitsgruppen eingerich-tet. Die gemeinsamen Ziele: Entsiege-lung, Autofreiheit, Gemeinschafts-flächen und Rückzugsmöglichkeiten,mehr Grün waren klar. Über Materia-lien, Beleuchtung, Spielgeräte, Wäsche-trockenplätze, Fahrradstellplätze, Toreund vieles andere wurde in langwieri-gen Sitzungen beraten. Das Ergebniskann sich sehen lassen, dazu trägtnicht zuletzt das unter dem Asphaltvorgefundene und erhaltene Pflasterbei. Fußwege aus ebenen Plattenbelä-gen gliedern den Hof und sichern diebehindertengerechte Begehbarkeit. Dieindividuell begrünten und möblierten„privaten“ Hausvorbereiche und diegemeinsam geplanten und gebautenSpielplätze für Jung und Alt stehen inspannungsvollem Kontrast dazu.

Der Hof bietet einen geschütztenRahmen für Kinder und Senioren.Durch seine Größe und Vielfalt wird erzum idealen Ort der Kommunikation.Gegenseitige Kinderbetreuung undgemeinsame Einkäufe ergeben sichfast automatisch. Die Möglichkeit zurTeilnahme an Gemeinschaftsaktionenoder Feiern führt zu vielen neuenFreundschaften – gleichzeitig ist derHof aber so groß, dass man sich gutaus dem Weg gehen kann.

Im Gemeinschaftsraum und im Kul-turcafe wird ein vielfältiges Angebotfür Kinder und Erwachsene geboten:Singen, Tanzen, Malen, Lesungen,Marionettentheater, Philosophiekurse,und vieles mehr. Auch die Wiederer-öffnung des Freibades am Krähenteichin privater Initiative erfolgte unter Mit-wirkung vieler Aegidianer.

Seit 2000 sind im Aegidienhofbereits 7 Kinder geboren worden. ImHof wohnen heute 14 Kinder unter 10Jahren. Durch die besonderen Bedin-gungen im Hof sind aber fast immerweitere Kinder zu Besuch, u.a. Enkel-kinder und die Kinder der im Aegi-dienhof arbeitenden Eltern.

Rainer Steffens, Architekt und Stadtplaner BDA/Projektinitiator und Bauherr im Aegidienhof

Detailliertere Informationen können Sie überunser Büro oder im Internet erhalten: steffens meyer franck, architekten und stadtplaner bdaaegidienhof, Weberstraße 1f, · 23552 Lübeck, www.smf-architekten.de, www.aegidienhof-luebeck.de

Hoffest

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Projektsteckbrief

Standort:Ahrensburg, nordöstlich von Hamburg

Nutzungskonzept:9 Hausgemeinschaften mit je 2-12 WE fürrund 300 Bewohner, 4.000 qm gewerbli-che Nutzung, Kindergarten, Sporthalle,Gemeinschaftshaus auf insgesamt 6,5 ha

Finanzierung, Förderung:überwiegend freifinanziert, öffentlichgeförderte Sozialwohnungen, ökologischeFörderkredite der KFW

Bauherr:Verein Allmende-Wulfsdorf zusammen mitden Baugemeinschaften

Architekten:Architekturbüro Gebrüder Schmidt BadSegeberg, Architekturbüro SMF Steffens,Meyer, Franck Lübeck, Rapp und Tochten-hagen Hamburg, Plan-R Joachim ReinigHamburg, Hans Jörg Peter Hamburg,

Freiraumplanung:Büro WPF Werkstatt Freiräume BernwardBenedikt Jansen

Haustechnik:Ökoplan Bernd Schwarzfeld Hamburg

Projektentwicklung / wirtschaftli-che Baubetreuung: CONPLAN GmbH / STATTBAU HAMBURGGmbH

Besonderheiten:Sozialfonds für Vereinsmitglieder, einge-schränkte individuelle wirtschaftlicheVerfügbarkeit des Grundeigentums, ökolo-gische Innovationen, Projektgröße Dorf

Fertigstellung:ab 2004

Lageplan

Sabine Franke

Ein Dorf entsteht – Allmende Wulfsdorf

Vor den Toren Hamburgs mit U-Bahn-anschluss werden zukünftig rund 300Menschen auf 6,5 Hektar leben undarbeiten – unter dem Motto: leben.gemeinsam. natürlich. Schon jetzt ist„Allmende Wulfsdorf“, wie das Dorfheißt, ein Modellprojekt für ganz Nord-deutschland geworden.

„Allmende“ ist ein altes deutschesWort für Gemeinbesitz. In einer Dorf-gemeinde wurden Flächen gemeinsamgenutzt, beispielsweise Weiden, Wie-sen, Flüsse und auch Marktplätze.

Autofreie Straßen, Grundstücke ohneZäune, modernes Wohnen in einerdörflichen Gemeinschaft, wo jederjeden kennt und wo Nachbarschafts-hilfe groß geschrieben wird – dies ver-stehen die künftigen Bewohnern desDorfprojektes unter „Allmende“.

Dieses neue Dorf unterscheidet sichvon allen anderen Dörfern in Nord-deutschland. Wer einige Zeit nicht dortgewesen ist, wird das Gelände desehemaligen Ausbildungszentrums für16 Lehrberufe in Wulfsdorf am Stadt-rand von Ahrensburg kaum wiedererkennen. Wo einst recht schmuckloseZweckbauten wenig einladend wirk-ten, ist mittlerweile ein quicklebendigesEnsemble unterschiedlichster Häuserentstanden. Wo vor der Gründung desDorfprojektes Lehrlinge den Umgangmit Maschinen und Werkzeugen lern-ten, sind heute Künstler kreativ undarbeiten Seite an Seite mit den neuenNachbarn. Die ursprünglich aus sechs

Wohngebäuden, drei Werks- und einerSporthalle bestehende Anlage wurdedurch sechs Neubauten ergänzt undsteht heute neun Hausgemeinschaftenund zahlreichen Gewerbetreibendenzur Verfügung.

Den Anstoß für dieses Zukunftsprojektgab das benachbarte, biologisch-dynamisch (Demeter) bewirtschafteteGut Wulfsdorf. Die Netzwerk GbR,hervorgegangen aus dem „InitiativkreisGut Wulfsdorf“, hat seit 1999 inZusammenarbeit mit dem Projektent-wicklungsbüro aus Lübeck, derCONPLAN GmbH, die Entwicklung desDorfprojektes bis zur Gründung desVereins Allmende Wulfsdorf e.V. imMärz 2002 (mit 35 Mitgliedern) voran-getrieben. Mittlerweile ist der alsgemeinnützig und mildtätig anerkannteVerein auf 150 Mitglieder angewach-sen und versteht sich als ideeller Kerndes umfangreichen Dorf-Projektes.

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

Gemeinsamer Planungsprozess

Um den Traum vom gemeinsamenLeben nahe der Großstadt Hamburg zuverwirklichen, haben die Bewohnerin-nen und Bewohner auch einengemeinsamen Weg für die Planungund Finanzierung gefunden. So fandensich viele der zukünftigen Bewohnerüber die Klönschnacks von Allmendezusammen – sonntägliche Besucher-stunden, in denen die ersten Projekt-teilnehmer den Gästen bei Kaffee undKuchen von ihrer Dorfvision berichte-ten. Wer Interesse an einer Wohnungin einem bestimmten Haus hatte, gingzu den Treffen der verschiedenenHausgemeinschaften.

Von der Gründung bis zum Einzugder ersten Bewohnerinnen undBewohner hat es eine Vielzahl unter-schiedlichster Treffen gegeben (u.a.Mitgliederversammlungen, Visionstage,Hausgemeinschaftstreffen …). Alleindie vielen Gremien wie Vorstands-sitzungen und Arbeitsgruppen (Dorf-entwicklung, Soziales, Öffentlichkeits-arbeit und vieles mehr) forderten vielEngagement und Zeiteinsatz von denMitgliedern. Eigenleistung bedeutet fürdie Bewohnerinnen und Bewohnernicht nur Einsatz in Arbeitsgruppen,sondern auch handfeste Tätigkeitenwie Wegepflasterung, Geländepflegeund unter anderem der Bau einesGemeinschaftshauses. Im Rahmen derFreiraumgestaltung hatten die ver-schiedenen Generationen im Rahmeneines von einem Landschaftsarchitek-ten moderierten Partizipationsverfah-rens die Möglichkeit, das Außengeländezu gestalten. Hierbei lag ein besonde-res Gewicht auf der Mitsprache derKinder und Jugendlichen.

Der Verein Allmende Wulfsdorf hatgemeinsam mit der Stadt Ahrensburgeinen Bebauungsplan entwickelt. Mitverschiedenen Architekten und derStattbau Hamburg wurden der Neubaubzw. die Sanierung der Häuser geplantund ausgeführt.

Kosten, Finanzierung undTrägerschaft

Für 3,25 Millionen Euro hatte der zwi-schenzeitlich auf 110 Mitglieder ange-wachsene Verein dem Stadtstaat Ham-burg im Juni 2004 das Grundstück

abgekauft. Ca. 3,5 Mio € investierendie Bewohner in die Sanierung derInfrastruktur (Regenwasser, Wasser,Strom und Straßen). Das Grundstückwurde in Teil- und Wohneigentumnach Wohnungseigentumsgesetzgeteilt. Besondere vertragliche Verein-barungen sichern die langfristigeProjektgebundenheit der Eigentümer-gemeinschaft an die sozialen und öko-logischen Vereinsziele und entziehenGrund und Boden der Baulandspekula-tion. Für die zukünftige zentrale Woh-nungsverwaltung ist die neu gegrün-dete Wohnungseigentümergesellschaft(WEG) verantwortlich, die Hausge-meinschaften verwalten sich dagegenselbst in dezentralen WEGs.

Die Vereinsmitglieder (und späterenBewohner) legen den finanziellenGrundstock in Höhe über 1,5 Mio. € fürdie sozialen Projekte: Neubau einesintegrativen Kindergartens, Finanzie-rung der ökologischen Saatgutforschung,Bau von fünf Sozialwohnungen,Betrieb einer Sporthalle, Sanierungbzw. Neubau von drei frei finanziertenWohnungen für die Familien, die schonseit über 15 Jahren auf dem Geländewohnen, sowie Sanierung von Künst-lerateliers und nicht zuletzt der Baueines Gemeinschaftshauses.

Bei der Entwicklung der Finanzie-rungskonzepte arbeitete der VereinAllmende Wulfsdorf e.V. eng mit denHannoverschen Kassen, der Investiti-onsbank Schleswig-Holstein, der GLSGemeinschaftsbank eG sowie mit derKreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)zusammen.

Wohnen und Arbeiten

Eine Bedingung für die Vergabe desGrundstückes an den Verein AllmendeWulfsdorf war die Nutzung von 40%der Geschossfläche (also ca. 4.000 m2)für Gewerbe. Diese Auflage war gleich-zeitig der Impuls für eine gemischteund lebendige Nutzung der zur Verfü-gung stehenden Flächen und einHindernis für kommerzielle Bauträger,sich für dieses Gelände zu bewerben.

In Wulfsdorf werden die Menschennicht nur gemeinsam leben, sondernauch arbeiten. Dabei finden sich viel-fältige Kombinationen: Einige wohnenund arbeiten auf Allmende, andere„pendeln“ zum Arbeiten „ein“, einigeGewerbetreibende haben Räumeangemietet, andere wiederum gehörenzu den Bauherren des Projektes. DerVerein strebt eine Mischung von Dienstleistendem und gestaltendem Gewerbean.

l So hat sich bereits seit längeremeine Künstlergemeinschaft zusam-mengefunden, die wie die anderenGewerbetreibenden in einer GbRorganisiert sind. In alten Werkstatt-gebäuden haben sie Gemeinschafts-ateliers eingerichtet, in dem nun einFotograf, ein Siebdruckkünstler, eineMalerin, eine Designerin und nochviele andere Künstler ihrem kreativenHandwerk oder ihrer Kunst nach-gehen.

l Darüber hinaus bauen die Bewoh-nerinnen und Bewohner einGesundheitszentrum auf, in das ver-

Die Baugruppe

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schiedene Naturheilpraxen einzie-hen, aber auch Ärzte, Krankengym-nasten und Hebammen.

l Das Gut Wulfsdorf verarbeitet einenTeil seiner Ernte in eigenen Anlagenauf Allmende.

l „Der Grüngarten“, ein Garten- undLandschaftsbaubetrieb, hat seinePforten in Wulfsdorf bereits geöffnet.

l Ein bestehender integrativer Kin-dergarten mit 60 Kindern wird Endedes Jahres in ein vom Verein All-mende Wulfsdorf finanziertes neuesGebäude umziehen.

l Außerdem fördert der Verein dieökologische Saatgutforschung undstellt die Räumlichkeiten dafür zurVerfügung.

l Hinter dem „Haus der Zeit“ verbirgtsich das etwas andere Bestattungs-institut auf Allmende. Axel Bauer-mann sieht sich hauptsächlich alsBegleiter und Helfer im Prozess desAbschiedsnehmens und der Unter-stützung für eine Neuorientierung.

Ökologie und Umweltschutz

Das Ziel dieses von der Agenda-21 in-spirierten Projektes, Ökologie undUmweltschutz in möglichst allen Lebens-bereichen umzusetzen, gibt der IdeeAllmende Wulfsdorf einen guten Teilihrer Kraft. Die Sanierung von Altbau-

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

ten wurde gefördert über das DENA-Programm der KfW, „Niedrigenergie-häuser im Bestand“. Auch die fünf neugebauten Wohnhäuser sind umwelt-schonende Niedrigenergiehäuser.Darüber hinaus konnte ein Passivhausverwirklicht werden (Nullenergiehaus).Das Rückgrat der Energieversorgungbildet auf Allmende Wulfsdorf einHolzhackschnitzelheizwerk, dasumweltschonend mit Holzschnitzelnaus Land- und Forstwirtschaft betrie-ben wird. Solarthermie versorgt die

Bewohnerinnen und Bewohnern desDorfes mit der nötigen Wärme. AuchBrauchwasser muss in Wulfsdorf nichtzwangsläufig von den Wasserwerkenkommen – dafür sorgt die Regenwas-sernutzungsanlage. Zu diesem Zweckwird das Außengelände weitgehendentsiegelt.

Soziales Konzept

Die Bewohnerinnen und Bewohnersehen sich auch in einer sozialen Ver-antwortung. Dazu gehört der Bau derSozialwohnungen genauso wie einSozialfonds, in den alle Mitglieder desVereins einzahlen. Dieser soll Bewoh-nerinnen und Bewohner unterstützen,die in Not geraten sind und ihnendurch Beratung, Geld oder andere Hil-fen ermöglichen, in der Dorfgemein-schaft wohnen zu bleiben.

Da den Bewohnerinnen undBewohnern Gemeinschaftsflächenbesonders wichtig sind, wird die alteSporthalle saniert, an deren Nutzungsich der örtliche Sportverein beteiligt,und in 2006 ein neues Gemeinschafts-haus in Strohballenbauweise gebaut.

Wie wichtig diese Aufgaben für dieGemeinschaft sind, zeigt die Sozial-AG,die bei Konflikten zwischen denBewohnerinnen und Bewohnern aufden Plan tritt. Denn natürlich kracht esauch mal auf Allmende Wulfsdorf, aberwo sonst Nachbarschaftsstreitigkeiten

… während des Umbaus …

Die Gebäude des Ausbildungszentrums vor dem Umbau …

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

eskalieren, wird im Dorf vermittelt undmiteinander gesprochen.

Nun, da die ersten Häuser bezugs-fertig sind, gilt es die Gemeinschaft zu

bilden, zu pflegen, zu beleben, undeine verantwortungsvolle Nachbar-schaft aufzubauen – schlicht und ein-fach etwas zu schaffen, was es seit

vielen Jahren nicht als neue Haus-und Wohnkultur gab: Ein neues Dorf.Eine Bewohnerin nennt das so: „Wirsind ein Dorf als Projekt und wollenzeigen, dass soziale Nähe kein schönerGedanke bleiben muss.“ Wer sich fürdas neue Dorf und seine Bewohnerin-nen und Bewohner interessiert, solltemit Allmende Wulfsdorf Kontakt auf-nehmen, denn Besucher sind dortherzlich willkommen.

Sabine Franke ist als Bewohnerin vonAllmende Wulfsdorf für die Öffentlichkeits-arbeit des Vereins verantwortlich, sie arbeitet bei der GLS Gemeinschaftsbank eG.

Kontaktadresse:Allmende Wulfsdorf e.V., Sabine Franke, Bornkampsweg 36, 22926 Ahrensburg,Tel. 04102/45 82-30, Fax 04102/45 82-29,E-Mail: [email protected]: www.allmende-wulfsdorf.de

… und bezogen!

Eigenarbeit ist Ehrensache

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Thomas Jung

Das Wohnprojekt Pries

bis über 70-jährig das Pro-jektgelände(ein ehemaliger Bauenhof), zu demaußer dem Wohnhof noch ca. 17.000m2 Wiesen ge-hören. Auf einem Teilder Wiesen stehen seit Neuestem 20Schafe.

Wir betreiben eine Heizzentrale mitkleinem BHKW und Gasbrennwert-kessel, daher keine Solarthermie. Das

BHKW erzeugt im WesentlichenBetriebsstrom für die Gemeinschafts-einrichtungen. Ein größeres BHKWwäre unwirtschaftlich gewesen, weilwir im Sommer die erzeugte Wärmenicht losgeworden wären. Dafür sindwir auf die Zukunft vorbereitet: wenneine neue schonende Technik (bei-spielsweise Brennstoffzellen) marktreifist, können wir zentral für alle dieEnergieproduktion ändern.

Die Ideen

Nachbarschaftliches Wohnen, Ökosied-lungen, betreutes Wohnen, Leben ImAlter: viele Assoziationen bei demBegriff „Wohnprojekt“ sind möglich.

Wir haben uns vorab mit einer klei-nen Gruppe von Initiatoren auf einige

Eckpunkte geeinigt, ein Grundstückgefunden, dann Mitmacher gesuchtund dann mit ihnen in der Gruppe dasKonzept verfeinert und als Baugruppe(„Bauherrengemeinschaft“) gebaut.

Die ideellen „basics“ waren Begriffewie generationsübergreifend, kommu-nikationsfördernde Architektur, kos-tengünstiges und ökologisch gut ver-tretbares Bauen. Und ein schönesGemeinschaftshaus. Möglichst wolltenwir auch berufliche Nutzungen aufdem Gelände ermöglichen („nichtstö-rendes Gewerbe“). Also nicht in ersterLinie eine Siedlung mit ökologischenOptimierungen (es gab in Kiel schonzwei Ökosiedlungen, als wir anfingen),sondern mit deutlichem Schwerpunktauf Altersmischung und Ermöglichungvon sozialen Beziehungen von Anfangan. Das alles haben wir auch umge-setzt.

Wir haben die „basics“ in der Grup-penfindungsphase bewusst nicht zurDiskussion gestellt, sondern diese vor-gegeben. Beispiel: wer als Interessentkam und meinte, generationsüber-greifend sei eine gute Idee, aber einGemeinschaftshaus müsse man nichthaben, der hat uns in unserem Kon-zept nicht beirren (= aufhalten) kön-nen. Es gab nur: mittragen oder ebennicht dazukommen können.

Dieses Herangehen halten wir nachwie vor im Kern für richtig, vor allemaber für streit- und zeitsparend.

Trotzdem hatten wir oft das Gefühl,dass von 100 Interessenten schließlichhöchstens einer übrig bleibt. Genaugezählt haben wir natürlich nicht.Unsere Empfehlung an neu entstehendeInitiativen: man darf keine Zeit inves-tieren, jemanden überzeugen zu wol-len. Viele Menschen haben verschie-denste Bedenken und keine Mühe,ihre Bedenken ausführlich vorzutra-gen. Das war in Ordnung, soweit wirmit Sachinformationen antwortenkonnten. Erschien aber uns jemandnett und irgendwie „geeignet“ und fin-gen wir an, um diese Person(en) unse-rerseits zu werben, mussten wir spätererkennen, dass niemand mitmachte,weil wir ihn oder sie überreden wollten.

Was ist das Wohnprojekt Pries?

Auf unserer immer noch recht proviso-rischen Homepage heißt es im Oktober2005:„In flächenschonender Architektur sindin 6 Gebäuden um einen autofreienHof von ca. 6.500 m2 insgesamt 27 Wohnungen zwischen ca. 40 undca. 125 m2 Wohnfläche entstanden,

außerdem eine Arztpraxis, ein Archi-tekturbüro und das Büro eines frei-beruflichen Biologen. Vier der Gebäudesind Neubauten, in den anderen bei-den Gebäuden haben wir Altbausub-stanz saniert und mitverwertet.

Wir haben Räume für Sauna, Werk-statt, einen Musikraum sowie einekleine Gästewohnung und ein Projekt-büro für die interne Verwaltung.

Im Zentrum des bebauten Bereiches istals siebtes Gebäude ein Gemein-schaftshaus mit ca. 150 m2 Nutzflächezum Feiern, Kochen und gemeinsamenEssen, für Kulturveranstaltungen etc.entstanden, aber noch nicht völlig fer-tig gestellt.“

Seit Ende 2003 bewohnen wir mit ca.60 Menschen im Alter vom Säugling

Treffen im Gemeinschaftshaus

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37wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

Schon der Planungsphase ergab sich,dass einige Mietwohnungen entstehenwürden, finanziert von im Projektengagierten Freiberuflern und gedachtals kleine Altersversorgung. Die Woh-nungen mit den Mietinteressentengemeinsam zu planen, wäre gut mög-lich gewesen. Von den ersten Mietin-teressenten ist allerdings dann niemanddabeigeblieben. Die jetzigen Mieterkamen dann nach Baubeginn dazu.

Wie haben wir uns während der Planungs- und Bauphaseorganisiert?

Die Gruppe hat sich oft getroffen, inder Bauphase im Jahr 2003 teils zwei-mal die Woche. Sie hat sich ehrenamt-liche Geschäftsführer gewählt, außer-dem gab es unzählige Arbeitsgruppen.Zeitweise ging der Überblick über dieFrage, wer in welcher Gruppe wofürzuständig bzw. verantwortlich ist,etwas verloren.

Zwei Mitglieder des Projektes sindvon der Gruppe in Teilzeit vorüberge-hend bezahlt worden für Projektsteue-rungsaufgaben und für das laufendeProjektbüro einschließlich Abrech-nungsfragen etc.

Die Doppelrolle und Doppelbelas-tung von Projektmitgliedern mit ehren-amtlicher und bezahlter Arbeit, zu-gleich Planung der eigenen Wohnungetc. und damit verbundene Überforde-rungen haben sich im Nachhinein alsproblematisch gezeigt. Bei der Größedes Projektes insgesamt haben vieleGruppenmitglieder den Überblick übereinige Planungs- und Finanzfragenfast verloren, sich auf andere verlas-sen, die ihn auch teils nicht mehr hat-ten etc. Es ist nicht ganz leicht, Pro-jektmitglieder mit herausgehobenenVerantwortlichkeiten, an denen sichauch Kritik entzünden kann, in dieGruppe zu (re-)integrieren.

Professionelle Projektsteuerung imAuftrag der Gruppe kostet zwar Geld,spart aber Zeit und Kraft und zahlt sichso immer aus. Die Tätigkeit sollte aberextern vergeben werden.

Wie lebt es sich heute im ProjektPries?

Die Einschätzung ist nach erst einein-halb Jahren seit dem Einzug nicht

ganz einfach. Ein Gefühl von Normali-tät hat sich nicht so recht eingestellt,da wir noch mit restlichen Baumaß-nahmen (Innenausbau Gemeinschafts-haus, Carports, Fahrradschuppen,Anlegen von Knicks, Gartenflächenetc.) und Abrechnungsfragen beschäf-tigt sind.

Am deutlichsten wahrnehmbar ist dieenorme Zufriedenheit der Eltern undihrer Kinder. Ein geschützter Hof zumSpielen, Wiesen mit Schafen, Knicks,für die Größeren ein Musikraum: damitsind alle sehr zufrieden. Eltern könnenzwanglos abends ausgehen und ihr

Babyphon bei Nachbarn abgeben.Meldet sich ein Kind über Babyphon,dann kennt es den kommenden Baby-sitter gut.

Generationsübergreifendes Zusam-menleben findet statt: im Alltag durchUnterstützung bei Kinderbetreuungen,Krankheiten und anderen Sorgen,gemeinsamen Feiern. Auch wenngerade bei Festen die Älteren gut inte-griert sind: die Einbindung unsererMenschen über 65 in die aus 60 Per-sonen bestehende Gruppe ist für beideSeiten nicht immer zufrieden stellend.Ob das ein Generationsproblem ist undwie wir auf Dauer damit umgehen: wirwerden es herausfinden.

Und zum Kritererium „generations-übergreifend“: Männer im Rentenaltersind bei uns unterrepräsentiert – wirhaben keinen einzigen. Es sieht so

aus, als ob bei älteren Menschen dasInteresse an sozia-len Beziehungen, anden Möglichkeiten einer Gruppe, beiFrauen deutlich ausgeprägter ist alsbei Männern.

Die Integration der MieterInnen (dreiWohnungen sind vermietet) ist grund-sätzlich gelungen. Sie nehmen an denGruppensitzungen teil und sind, soweites das Leben auf dem Hof angeht, fürEntscheidungen und Abstimmungenvöllig gleichberechtigt. Auch dort ist eswie bei den hausbesitzenden Projekt-mitgliedern: einige sind mehr beiGruppenaktivitäten dabei, andereweniger.

Wenn es mal anhaltende Schwierig-keiten untereinander gibt, hat jedesMitglied Anspruch auf Hinzuziehungeiner externen professionellen Mode-ration. Wir haben davon bereits einigeMale Gebrauch gemacht, und das warfür alle hilfreich. Nach einer Moderationkamen Dinge wieder in Bewegung, dievorher festgefahren schienen. Und sosind wir für unser zukünftiges Lebenoptimistisch, dass wir auftretendeKonflikte lösen können.

Ein Kleinod ist der auf dem Hof befind-liche Bioladen. Er steht im Gemein-schaftseigentum, ist an die Betreiberinvermietet und erspart allen längereEinkaufswege, gerade auch wennabends mal ein Liter Milch fehlt oderdas Brot ausgegangen ist. Die auf demHof sonst befindlichen „Betriebe“ –

Fest

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Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

eine Arztpraxis, Architekturbüro, Sach-verständigenbüro – werden jeweilsvon BewohnerInnen betrieben, es gibtdamit keine Probleme. Das könntebeispielsweise bei einer Werkstatt mitLärmemissionen anders sein. Aberunsere Architektinnen, Arzt und Sach-verständiger lärmen nicht.

Das liebe Geld

Wir hatten uns eine Kostenobergrenzepro m2 Wohnfläche gesetzt, die wirwohl deutlich gerissen haben. DieUrsachen werden unterschiedlichgesehen (Verteuerungen bei derSanierung im Altbaubestand; keineausreichende Kostenplanung für dasGemeinschaftshaus etc.). Es ist aller-dings gelungen, dass niemand vonden finanzschwächeren BewohnerIn-nen deswegen das Projekt verlassen

musste. Mit Baustopp beim Gemein-schaftshaus und dann nachfolgendenEigenleistungen, internen und exter-nen Darlehen und Sparmaßnahmenbei noch anstehenden Restarbeitenversuchen wir, die Probleme aufzufan-gen.

Das Finanz- und Baumanagementhat weit mehr Kraft gekostet undUnzulänglichkeiten produziert alserwartet, diese werden uns noch eineWeile verfolgen. Wir hoffen aber, dasswir in etwa einem halben Jahr zumin-dest mit dem Abrechnungswesen„durch“ sind.

Persönliches Fazit des Autors

Trotz aller Schwierigkeiten: Es lebtsich sehr schön in unserem Projekt,und manche freuen sich sogar wennes regnet. Dann nämlich füllt sich die

Regenwassersammelanlage mit Was-ser von den Dächern und Hofflächen,wir gießen Pflanzen mit Regenwasserund spülen unsere Toiletten damit.Neben neuen Freundschaften siehtman auch, dass nicht jede/r mit jedemgut kann. Unsere Gruppe ist aber sogroß, dass immer wieder wechselndeKoalitionen möglich sind und sichauch bilden. Das Projekt hat mit (wohlüblichen) Schwierigkeiten angefangen,aber es entwickelt sich. Es ist schön,angefangen zu haben und schön, wei-terzumachen.

Thomas Jung, Mitglied des Projekts Pries vonAnfang an, 54 Jahre alt, RA und Notar, Mitar-beit im Interessenverband WohnprojekteSchleswig-Holstein

Kontakt: www.projekt-pries.de

Frauenvorstand der Kieler Scholle e.G., Friedel Larbig, Karin Riese, Katrin Starke, Heidrun Buhse

Seit 13 Jahren: Die ökologische Siedlung in Kiel-HasseeDie Genossenschaft der „Eigentümer/innen“ – Einblicke und Ausblicke

Der Impuls für dieses erste ökologischeGruppenwohnprojekt in Schleswig-Holstein ging 1985 von einer Gruppeaus, die Initiative und Energie auf-brachte, einen Siedlungsansatz konse-quent durchzuplanen und das Konzeptin den Jahren 1990/91 im KielerStadtteil Hassee baulich umzusetzen.

Die Idee war es damals, gemein-schaftlich, kostengünstig, städtisch undökologisch zu wohnen. Da man Endeder 80er Jahre in Schleswig-Holsteinauf keine passenden Trägerschafts-formen zurückgreifen konnte, wurdeder erforderliche trägerische Rahmenals kleine Siedlungsgenossenschaftrechtlich und finanztechnisch in allenAspekten neu entwickelt. In diesemsehr verbindlichen Rahmen findet seit13 Jahren ein sehr lebendiges, men-schenfreundliches Siedlungsleben in„bewusster“ Nachbarschaft statt, dasgleichzeitig Spielräume für individuellesWohnen und Wandlungsprozesse lässt.

Die Siedlungsgenossenschaft

Die Bauinteressentengruppe, zunächst„locker“ als Gesellschaft bürgerlichenRechts (GbR) organisiert, baute aufnutzerbeteiligte Planung von ökologi-schen Gebäuden und auf „Basisdemo-kratie“ und Selbstverantwortung –aber auch auf Experten.

Die Genossenschaft hat die Aufgabe,den Gesamtrahmen der Siedlungsicherzustellen und das „Gemeinwesen“zu organisieren. Sie übernahm als Trä-gerin die Erbbaufläche (12.000 m2) mitdem größten Flächenanteil, die Er-schließungsanlagen, das Gemeinschafts-haus so auch die Energiezentrale, diePflanzenkläranlage und die Stellplätze.

Wie „schwimmende Inseln“ liegendie privaten Grundflächen der Häuserin diesen genossenschaftlichen Flä-chen. Sie sind an eine derzeit übliche,einkommensabhängig öffentlich geför-derte Eigentumsfinanzierung gebundenund im Rahmen des Gesamterbpacht-vertrages anhand von Einzelerbpach-

ten grundbuchlich gesichert. Mit einerGröße von 200 m2 beschränken siesich auf Grundfläche des Hauses,zuzüglich der privaten Wohngärten,Terrassen und Anbaumöglichkeiten.

Mit dieser Konstruktion wurde esmöglich, die großräumige Landschaftzu erhalten und standortgerecht zugestalten und die Erschließung in dieHände der Genossenschaft und damitin die Verantwortung der Gemein-schaft zu legen. Dies erschien in derGründungsphase – und daran hat sichbis heute nichts geändert – dringendnotwendig, denn die ökologischenErschließungsmaßnahmen prägen dieHäuser und die täglichen Abläufeintensiv. In der Genossenschaftssat-zung und dem inhaltlich an das ökolo-gische Bauvorhaben gerichtetenErbauvertrag ist geregelt, dass nie-mand – auch in Zukunft nicht – ande-re Erschließungs- oder Entsorgungsan-lagen für sein Einzeleigentumeinrichten kann. So wurde für dieNachhaltigkeit gesorgt. In dieser recht-

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

lichen Sicherheit konnte gemeinsam indie ökologisch sinnvollen Maßnahmeninvestiert werden:

... in die Energie Das Energiekonzept basiert auf einerenergieeffizienten Zentrale mit einerzwei-moduligen Blockheizkraftwerk-Anlage. Durch hoch gedämmteErschließungsnetze werden das Warm-wasser, der Strom und die Wärme indie Häuser transportiert. Es wird ver-brauchsbezogen abgerechnet.

Ergänzt wurde dieses Konzept durcheine große Photovoltaik-Anlage, dieSolarstrom produziert.

… in das WasserDas Wassersparkonzept und das Kon-zept eines geschlossenen ökologischenRegelkreises im Bereich Wasser prä-gen den Siedlungsalltag intensiv. Umdie Möglichkeit der Trinkwasserein-sparung intensiv zu nutzen, wurden inallen Gebäuden Komposttoiletteninstalliert. Das restliche verbleibendeGrauwasser – aus den Bädern und denKüchen – wird zentral durch einePflanzenkläranlage (besandeterBodenfilter) vollständig gereinigt, dassaubere Wasser wird über ein natürli-ches Verrieselungsfeld an den nahen „Moorwiesengraben“ (städtischer Ent-wässerungsgraben ) abgegeben.

… in schonende und umwelt-bewusste Umgangsweisen mitMaterialien..Der schonende und ökonomischeUmgang mit Materialien und Abfällenkonnte schon während der Bauzeitgeprobt werden. Die Häuser sind alsReihen-, Doppel- und Einzelhäuser ineinem flexiblen Holzständerwerksys-tem im Niedrigenergiestandard entwi-ckelt und mit Lehmziegel, Kalksand-stein und verschiedensten ökologischsinnvollen Holzwerkstoffen ergänzt.Als Dämmstoff dient die Zellulosedäm-mung, anstatt von Konvektionsheizkör-pern wurden Strahlungswände einge-baut.

… in Synergieeffekte durch dasZusammenspiel von Individualitätund Gemeinschaft …Der intensive Nutzer/ Innenbeteili-gungsprozess brachte 21 sehr indivi-duelle Wohnungen hervor; keinGrundriss gleicht einem anderen,selbst die Haustüren wurden den

Eigentümern „auf den Leib geschnit-ten“. Schon in der Baustellenzeit zahltesich die Gemeinschaft aus, weil dievielfältige Eigenleistung an den Häu-sern organisiert und in gegenseitigerUnterstützung ablief. Baustoffe, die in Eigenleistung verarbei-tet wurden, konnten günstig gemein-sam angeschafft werden – jahrelanggab es einen Demeter-Bauernmarktauf dem Platz und eine Gemeinschafts-sauna ist letztes Jahr entstanden.

Vorteile des genossenschaftlichen/gemeinschaftlichen Bauens undWohnens:

Diese – erste ökologische – SiedlungSchleswig-Holsteins wäre ohne eineabgesicherte Trägerschaft nicht ent-standen. Der Pioniergeist – alles selbstaufbauen zu müssen – weckte bei denBauinteressenten ungeahnte Energie-reserven. Die Nutzerbeteiligung imZusammenspiel mit dem verbindlichenRahmen, den die Genossenschaft dar-stellt, waren die Garantie dafür, dasssich die Gruppe über Auswirkungen,Konsequenzen und finanzielle Belas-tungen der ökologischen Maßnahmenklare Entscheidungspositionen erar-beitete und derart gestärkt dann auchschwierige und zum Teil unerprobteBaumaßnahmen in Auftrag gebenkonnte.

Gruppenselbsthilfe und GemeinschaftsstrukturenDie ökologischen Baustoffe, die Anfangder 90er Jahre in ihren Anwendungs-möglichkeiten noch nicht so bekanntwaren, konnten durch die intensivegemeinsame Planungszeit und diegegenseitige Unterstützung in derGruppe breit ausgesucht und sicherangewendet werden. Zudem konnteder gesamte Eigenleistungsbereichdurch die Trägerin „Genossenschaft“organisiert werden. Die Planung desKindergartens gab den Ausschlagdafür, dass das Gemeinschaftshauszuerst gebaut wurde. Es sollten Erfah-rungen am Bau gesammelt werden.Aber es ging auch darum, möglichstschnell den Kindergarten für die zahl-reichen Kleinkinder zu eröffnen, damitdiese auf einer großen Siedlungsbau-stelle sicher untergebracht werdenkonnten – und den Eltern entspre-chende Freiräume blieben. Durch dasgemeinsame Erleben in der Arbeit undauf der Baustelle wurde das Gemein-schaftsgefühl gefestigt und Strukturenzur Konfliktbewältigung gefunden, diesich auch bei Bewohnerwechsel undMeinungsverschiedenheiten bewährthaben. Allerdings ist die Attraktivitätdes Projekts sehr hoch.

Bislang gab es nur vier Hausverkäufeund jedes Mal wurde durch die Neuendie Kontinuität gewahrt. Diese Art derProjektentwicklung führte zu einemhohen Maß an Identifikation einesjeden Einzelnen mit diesem Projekt,

Zentraler Regenwasserteich

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wohnbund-informationen 2+3/200540

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

mit diesem Ort, mit diesen Menschenund mit den „eigenen vier Wänden“.

Bausteine der Gemeinschaft Das Gemeinschaftshaus – mit ausrei-chendem Platz für Begegnungen, Ver-sammlungen – bildet den Rahmen fürdas Gemeinschaftsleben. Die einzelnenHäuser und Wohnungen bieten innen,wie auch außen genügend Raum fürRückzug und individuelle Interessen.Man kann sich der Gemeinschaft wid-men, wenn man dies will, man musses nicht!

Der organisatorische Rahmen istdemgegenüber sehr verbindlich. DerVorstand der Genossenschaft wechseltalle zwei Jahre, ebenso wird der Auf-sichtsrat alle fünf Jahre ausgetauscht.Inzwischen waren fast alle Mitgliederder Genossenschaft zwischenzeitlich ineinem dieser Gremien.

Die Mitgliederversammlung regeltalle Dinge, die außerhalb der privaten,Haus umgebenden Flächen zu regelnsind: Eigenleistungsarbeit, Gestal-tungsdetails der Außenflächen, Pflegedes Gemeinschaftshauses, der Wegeund Plätze, – aber auch die den Alltagsozial prägenden Themen sind Gegen-stand der Gespräche und Verabredun-gen, sofern jemand sie in die Ver-sammlung einbringt.

So hat sich im Gemeinschaftshausder „Moorwiesenhausverein“ etabliert,

der das Haus, die Informationsarbeitund das „kulturelle“ Leben managet.Das soziale Leben passiert einfach, –es braucht und kann nicht gemanagtwerden. Das Haus ist recht belebt, –mit einem fidelen Kindergartenbetriebbis in den Nachmittag hinein, – mitVeranstaltern, die sich einmieten,Gruppentreffen, Gesprächskreisen.Schließlich schätzen die BewohnerIn-nen der Siedlung die Möglichkeit, ihreFeste in das Gemeinschaftshaus zuverlegen.

Soziale gegenseitige Unterstützungwird außerhalb des eigentlichenGenossenschaftsrahmens geregelt. Sowar bei 46 Siedlungskindern (zurzeitleben nur noch 20 Kinder in der Sied-lung) ein breites Spektrum von gegen-seitigen Hilfestellungen und Gemein-samkeiten ebenso an der Tagesordnungwie spontanes nachbarschaftlichesEssen oder auch Fahrdienste und Hilfebei bestimmten Arbeitsbelastungen.

Zur Bewohnerstruktur

Anfang der 90er Jahre fixierte das Sys-tem der sozialen Eigentumsförderungdes Landes den Rahmen der Baupar-teien ausschließlich auf Familien mitKindern.

So ist es zu erklären, dass bis aufzwei Wohnparteien in der Regel junge

Familien mit Kindern in verschiedenenLebensaltern in die Siedlung eingezo-gen sind, heute sind es 4 Haushalteohne Kinder, 3 allein erziehendeHaushalte und fast alle haben dieMitte der Vierzig , einige die Mitte derFünfzig bereits überschritten. Es sindvorwiegend Menschen mit studiertenBerufen vertreten. Die Einkommens-struktur lag, bedingt durch Teilzeitbe-schäftigungen und Kindererziehungs-zeiten der Erwachsenen, gemessen anihrem sozialen Status eher in einemunteren Bereich.

Sich unterstützen, ökologischvernünftig zu handelnEin Großteil der SiedlungsbewohnerIn-nen ist davon überzeugt, dass dasGemeinwesen in der Siedlung geeig-net war, sie beim Aufbau und derOrganisation der ökologischen Maß-nahmen in ihrem eigenen Lebensum-feld zu unterstützen. So wurde u. a.der Energie- und Wasserverbrauch inden Häusern über vier Jahre hinwegfür jedes einzelnen Gebäude erfasstund innerhalb der Gemeinschaft ver-öffentlicht, so dass die einzelnenVerbrauchszahlen und das jeweiligeVerbrauchsverhalten untereinanderdiskutiert und zugunsten von besserenErgebnissen optimiert werden konnte.

Diese Überzeugung belegt sich u.a.auch im Umgang mit den Komposttoi-

Der Dorfplatz ist ein beliebter Treffpunkt …

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

letten oder bei der Nutzung und Pflegeder Oberflächen, Fußböden, Möbel undim Bereich der naturgemäßen Garten-pflege.

Eine solide wirtschaftliche Basis derGenossenschaft hat dazu geführt, dassgemeinsame Investitionen möglichbleiben, wie z.B. der Bau der Photo-voltaikanlage, der Balkonanbau oderdie Sitzgruppe am Gemeinschaftshaus,die Sauna.

Die Gruppe ist immer wieder in derLage, durch Eigenleistung persönlicheVakanzen auszugleichen. Zudem istdie Genossenschaft Lizenznehmerinvon „Stattauto“ e.G. mit einem verfüg-baren Auto innerhalb der Siedlung.

Ausblicke

Die ökologische Siedlung in Kiel-Hasseezieht auch nach dreizehn Jahren desgemeinschaftlichen Wohnens einepositive Bilanz.

Die Bewohner und Bewohnerinnen– auch die Kinder – empfinden ihreSiedlung als einen guten Platz zumLeben mit einer bewusst gewähltenNachbarschaft. Die ökologischen Zielesind inzwischen unspektakulär in dasAlltagsleben integriert.

Dass diese Nachbarschaftskontakteauch mal zu Differenzen und schwieri-gen Phasen des Miteinanders führen,ist menschlich. Im Bewusstsein derGenossenschaftsbewohner hat dieseher zu einer Bereicherung der Lebens-erfahrung geführt als dazu, dasGesamtkonzept in Frage zu stellen.

Die Präambel der Genossenschafts-satzung befasst sich mit der woh-nungspolitischen Dimension diesesKonzeptes und spornt zur Verbreitungder Genossenschaftsidee an. Dies ist inden ersten 6 Jahren durch eine sehraktive Informations- und Vernetzungs-arbeit mit vielen anderen Projektenund Interessierten – vor allem mit skan-dinavischen und koreanischen Grup-pen umgesetzt worden und bis heutenie ganz aufgegeben worden. Zumin-dest ein zweites Wohnprojekt – wennauch keine Genossenschaft – ist mitder „Alten Gärtnerei“ in Kiel vor nun-mehr 8 Jahren angeschoben worden.Veränderte Wohnbedürfnisse werdensich einstellen, die Genossenschaftgibt den Rahmen und die Chance,diese auch weiterhin gemeinschaftlichumzusetzen und auf ganz andere

Lösungsmodelle zu kommen, als ein-zeln einfach „irgendwo“ zu wohnen.Bin gespannt, wie es weitergeht.

Heidrun B.

…Die vielen Fragen nach unserer Zufrie-denheit mit unserem „ökologischenLeben in genossenschaftlicher Verbun-denheit“ – beide Begriffe werden oftin leicht ironischem Tonfall ausgespro-chen – können wir nicht immer fürden Fragenden plausibel positivbeantworten.

Wer Abhängigkeiten und Auseinan-dersetzung scheut, ist durch die vielenBeispiele von netter Nachbarschaft undnaturnahem Wohnen nicht so ohneweiteres zu überzeugen. Und was esnoch mehr ist als nur „nette Nachbar-schaft“, was uns verbindet, ist auchnur schwer zu vermitteln. Vieles imZusammenhang damit hat mit teilslangwierigen Entscheidungsprozessen– sprich „Genossenschaftssitzungen“zu tun, mit der zumindest moralischenVerpflichtung zur „Eigenleistung“ aufdem gemeinsamen Grundstück und imGemeinschaftshaus. So viel Gemein-samkeit ist den meisten Außenstehen-den suspekt. Und dass darin Konflikt-stoff liegt, ist nicht zu leugnen. Andieser Stelle ist in einigen Fällen dasGespräch zu Ende, in anderen Fällenist es Auslöser selbst einmal wiederzurückzublicken.

Ziemlich kurz entschlossen sind wirvor 16 Jahren der Baugruppe beigetre-ten, angetan von der Aussicht, nichtnur ökologisch zu bauen sondern auchzu leben in Gemeinschaft mit anderen.

Was in der Planungs- und Bauphasezunächst noch sehr in den Hintergrundtrat. Aber das Miteinander gestaltetesich dennoch schon bevor die Häuserfertig waren. Gemeinsam musstenbestimmte Arbeiten auf dem Grund-stück und beim Bau des Gemein-schaftshauses erledigt werden und derBegriff der „Eigenleistung“ wurdeschnell von der rechnerischen Größezur lebendigen Erfahrung der gemein-samen Möglichkeiten. Bis heute sinddie Möglichkeiten das Zusammenlebenzu gestalten nicht erschöpft und icherlebe es so, dass wir uns immer wie-der gegenseitig überraschen mit Ideen,Initiativen und Herausforderungen.Dabei bieten unsere genossenschaftli-chen Strukturen und das ökologischeKonzept den Rahmen für künftige Ent-wicklungen. Durch das Heran- undHerauswachsen der Kinder verändertsich bei uns die Lebenssituation, aberauch damit stehen wir nicht allein da,sondern finden im Austausch mehrAntworten als bisher Fragen aufgetre-ten sind. Wir können noch viel zusam-men machen!

Karin R.

Kontaktadresse:Kieler Scholle e.G.Moorwiesenhaus Am Moorwiesengraben 22, 24113 Kiel, Tel. 0431/68 08 63 Web: www.kieler-scholle.de

… vor allem der Kinder

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wohnbund-informationen 2+3/200542

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Bov, eine ganz normale kleinereGemeinde in Dänemark an der deutsch-dänischen Grenze. 21 Männer undFrauen zwischen 58 und 86 Jahrenhaben hier ihren Traum vom nachbar-schaftlichen Wohnen im Alter verwirk-licht. Kafferunden auf den Terrassen,Klönschnack bei der Gartenarbeit,Feste im Gemeinschaftshaus, Ausflügeund gegenseitige Fürsorge sind dieStichworte, die die lebendige Nachbar-schaft in der Siedlung „Toftehaven“ausmachen.

Seit den 70er Jahren haben sich diebofælleskaber (wörtlich übersetzt„Wohngemeinschaft“) als eigenständi-ge Wohnform in Dänemark etabliert.Es handelt sich um Gruppenwohnpro-jekte, die – meist auf Initiative derspäteren Nutzer – in den ersten Jahrenals Eigentum, inzwischen aber fastausschließlich als private Genossen-schaften oder im Mietwohnungsbauerrichtet wurden. In verschiedenenZusammenhängen hat der wohnbundüber die dänischen bofælleskaberberichtet*

Aktueller Boom bei denWohngruppenprojekten für Ältere

Lange Zeit standen die bofælleskabervor allem für familienorientiertesgemeinschaftliches Wohnen. Seit etwa15 Jahren werden neue Wohngruppen-projekte vor allem von älteren Men-schen initiiert: Seniorbofælleskaberhaben inzwischen einen regelrechtenBoom erlebt und trotz zahlreicherneuer Projekte kann die aktuelle Nach-frage nicht gedeckt werden. Unter-suchungen gehen davon aus, dasszwischen 15 und 20% der über 50jäh-rigen Dänen erwägen, in eine senior-bofælleskab zu ziehen. Was macht dieenorme Popularität dieser Wohnformaus?

Für die Senioren gibt es zwei zen-trale Motive, in ein Gruppenwohnpro-jekt zu ziehen. Zum einen ist es dasWohnen in Geborgenheit und engemnachbarschaftlichen Kontakt, das dieseWohnform für die älteren Menschen soattraktiv macht. Zum anderen bietendie seniorbofælleskaber altengerechteWohnungen, pflegeleichte kleine Gär-ten und großzügige Gemeinschaftsflä-chen. Heute wohnt eine deutlicheMehrheit der älteren Generation imEinfamilienhaus und fühlt sich durchdie Verantwortung für ein – meist zu

großes – Haus mit Garten zunehmendbelastet. Gerade in dieser Bevölke-rungsgruppe ist das Interesse angemeinschaftlichen Wohnformenbesonders ausgeprägt. Natürlich gibtes auch Ältere, die ein altersgemisch-tes Wohnprojekt vorziehen. Wenn sichauch nur wenige Projekte das Zusam-menleben von jung und alt auf dieFahnen schreiben, in den familienori-entierten bofælleskaber leben auchimmer einzelne ältere Menschen

Nun ist in Deutschland das Interessean alternativen Wohnformen im Alterebensfalls stark gestiegen. Auffällig istjedoch die große Anzahl realisierterProjekte in Dänemark, nach Schätzun-gen von Fachleuten gibt es bereitsmehr als 200 seniorbofælleskaber,angesichts einer Einwohnerzahl vonfünf Millionen eine beeindruckendeZahl. Eine Erklärung liegt sicherlich inden vergleichsweise günstigeren Rah-menbedingungen in Dänemark.

Günstige Rahmenbedingungen fürseniorbofælleskaber

1. Der dänische Staat hat neue Formengemeinschaftlichen Wohnens fürSenioren jahrelang gefördert.

1995 initiierte das Wohnungsbau-ministerium ein vierjähriges Modell-projekt, um die Etablierung von senior-bofælleskaber zu fördern. Das ursprüng-lich dem Wohnungsbauministeriumzugeordnete Institut Boligtrivsel i Cen-trum („Wohnen und Wohlfühlen imFokus“) wurde beauftragt ein Modell zuentwickeln, das zum einen die älterenMenschen besser auf die sozialenProblemstellungen in einem Wohn-gruppenprojekt vorbereiten und zumanderen Kommunen und Wohnungs-unternehmen motivieren sollte, senior-bofælleskaber zu initiieren. DasModellprojekt resultierte in fünf neuenseniorbofælleskaber in vier verschie-denen ländlichen Kommunen. Seitdemhat Boligtrivsel i Centrum in mehr als60 Wohngruppenprojekten für Älteredie Prozesssteuerung übernommen.

Acht Doppelhäuser und das Gemeinschaftshaus umschließen eine gemeinschaftliche Grünfläche

Britta Tornow

Blick über die Grenze – die dänische seniorbofælleskab „Toftehaven“ in Bov

* Wohnbundkongress „Neue Wohnformen inEuropa“ 1988; Jessen, Johann/Tornow,Britta: Neue Wohnformen in Dänemark –eine Bilanz zu Architektur, Rechtsform,Wohnalltag, in: Wohnbund Jahrbuch 1991

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Wohnprojekte in Schleswig-Holstein: generationsübergreifend – sozial – ökologisch – nutzungsgemischt

2. Es gibt ein weit reichendes Bera-tungsnetzwerk.

Aufgrund der stark steigendenNachfrage in den 80er Jahren gründe-te sich der Verein Bofælleskaber forældre, dessen Tätigkeitsschwerpunktevon reiner Lobbyarbeit bis hin zurkonkreten Vermittlung von Projektenreichen. Beratungsfunktionen hat auchDänemarks Seniorenwohnungsbauge-sellschaft übernommen, die Seniorenunterstützt, die selbst ein seniorbofæl-leskab als private Genossenschaftgründen wollen.

3. Seniorbofælleskaber sind nicht nur einer kleinen einkommenstarkenMinderheit vorbehalten.

Rund 50% der seniorbofælleskabersind private Genossenschaften, 34%sind unter das Dach gemeinnützigerWohnungsunternehmen geschlüpft,den kleinsten Anteil nehmen dieEigentumsprojekte ein. Gerade die pri-vaten Genossenschaftsvereine (privateandelsboligforeninger), seit Anfang der80er Jahre als „dritter Weg“ zwischenEigentums- und Mietwohnung auchals Wohnungsneubau gefördert, habensich als geeignete Rechtsform fürbofælleskaber erwiesen. Sie ermögli-chen Interessenten mit unterschiedli-chen Einkommen-Niveaus in einemProjekt zusammen zu wohnen und ent-sprechen mit ihrer Selbstverwaltungam besten dem gemeinschaftsorien-tierten Ansatz der bofælleskaber.

Die Tendenz geht heute eindeutig inRichtung Mietwohnungsbau, ein Hin-weis darauf, dass Senioren für däni-sche Wohnungsbaugesellschaften einewichtige Zielgruppe darstellen, aberauch ein Zeichen dafür, dass die Woh-nungsunternehmen ihre Scheu vorneuen Wohnformen weitgehend verlo-ren haben. Für die Bereitschaft derWohnungsbaugesellschaften spieltsicherlich eine Rolle, dass der Planungs-prozess durch Institutionen wie Bolig-trivsel i Centrum in einem festen undvorhersehbaren Rahmen abläuft. Zudemunterscheidet sich die Wohnungsver-waltung bei den seniorbofælleskaberkaum von anderen Siedlungen. Auch„normale“ Siedlungen im sozialenMietwohnungsbau bilden eine eigenewirtschaftliche Abteilung innerhalbder Wohnungsunternehmens undwählen eine Mietervertretung, die weitreichende Mitbestimmungsrechte hat.Nur in einem Punkt unterscheidet sich

eine seniorbofælleskab grundsätzlich:1998 wurde auf Betreiben von Bolig-trivsel i Centrum im Gesetz „für allge-meine Wohnungen“ eine neue Rege-lung zur Wohnungsbelegung erlassen,nach der seniorbofælleskaber bei einerNeuvermietung ihre neuen Nachbarnselbst aussuchen dürfen.

4. Auch die dänischen Kommunenhaben das Thema seniorbofælleskaberaufgegriffen.

Seniorenpolitik ist traditionell einwichtiger Baustein der Kommunalpoli-tik. Kommunale Einrichtungen wieSeniorenzentren und Volkshochschu-len übernehmen dabei oft die Rolledes Motors, ihre öffentlichen Veran-staltungen und Studienkreise habeneine Reihe neuer seniorbofælleskabernach sich gezogen – und dies ist auchdas Ziel. Durch die enge Verbindungder Kommunen mit den gemeinnützi-gen Wohnungsunternehmen werdendiese meist als Mietwohnungengebaut. Private Genossenschaften undEigentumsprojekte entstehen dagegenmeist auf Initiative einzelner Senioren,die unter anderem durch Zeitungsan-noncen weitere Mitsteiter suchen.

Das Beispiel „Toftehaven“

Die seniorbofælleskab „Toftehaven“ inder grenznahen Gemeinde Bov ist einBeispiel für ein „von oben“ initiiertesProjekt. Den Anstoß gab das kommu-nale Seniorenzentrum, indem es Bolig-trivsel i Centrum zu einem Vortragüber die Wohnform seniorbofælleska-

ber einlud. Das Thema weckte vonAnfang an großes Interesse bei derlokalen Bevölkerung sowie bei denKommunalpolitikern von Bov. Die ersteöffentliche Veranstaltung wurde von146 Personen besucht!

Das von Boligtrivsel i Centrum ent-wickelte Modell stand auch Pate fürden Planungsprozess in diesem Pro-jekt: Nach zwei Informationstagen überdie Wohnform konnten sich die Inte-ressenten zu einem mehrmonatigenStudienkreis anmelden, in dem dieErwartungen der Einzelnen an dasWohnprojekt und die Einstellungen zurGemeinschaft abgeklärt wurden. Indieser Phase ging es vor allem darumeinander kennen zu lernen, einengemeinsamen Nenner für das Zusam-menleben zu finden und die Frage zuklären, ob die Wohnungen Eigentums-,Genossenschafts- oder Mietwohnun-gen werden sollten. Die Wohngruppeentschied sich für die örtliche Woh-nungsbaugesellschaft als Träger desProjektes. Obwohl die Mehrheit derInteressenten im eigenen Haus wohnteund kaum über „Erfahrungen“ als Mie-ter einer Wohnungsbaugesellschaftverfügte, sahen die meisten das Woh-nen zur Miete im Alter als optimaleLösung an. Damit stellen sie keineAusnahme dar: Der Anteil der Men-schen in Dänemark, die im Alter ihrEinfamilienhaus verkaufen, wächstbeständig – ein Hinweis auf die hoheMobilität der Dänen auf dem Woh-nungsmarkt, aber offenbar spielt auchdas Vererben an die Kinder eine gerin-gere Rolle als in Deutschland.

Der Studienkreis resultierte in einem

Wohnungseingänge und Küchen sind zur zentralen Grünfläche orientiert, Gebäudeversprünge bilden kleine privateVorzonen, die gern als Sitzplatz genutzt werden

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wohnbund-informationen 2+3/200544

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Abschlussbericht über die gemeinsamerarbeitete inhaltliche Konzeption desWohnprojektes, das von der Gruppeder ernsthaft Interessierten getragenwurde. 15 Paare bzw. Alleinstehendeentschieden sich verpflichtend für dasProjekt und stellen – bis auf eine Aus-nahme – heute die Bewohnerschaft.

Diese Gruppe konzipierte in einemzweiten Studienkreis zusammen mitdem Architekten und dem Wohnungs-unternehmen das konkrete Siedlungs-projekt. Nach insgesamt zehn gemein-samen Planungstreffen stand derEntwurf: Neun eingeschossige Doppel-häuser bilden eine gemeinschaftlicheGrünfläche in Form eines Dreiecks, dasGemeinschaftshaus liegt als städtebau-licher Mittelpunkt im Eingangsbereichder kleinen Siedlung. Mit ihrer einfa-chen, eingeschossigen Bauweise undihrer unspektakulären Architektur liegt„Toftehaven“ ganz im Trend der däni-schen seniorbofælleskaber. Küchenund Hauseingänge orientieren sich zurzentralen Grünfläche, während auf derRückseite private Terrassen den Auf-enthalt in größerer Privatheit ermögli-chen. Ein Ausdruck für die Balancezwischen gemeinschaftlichem und pri-vatem Leben, die in den dänischenWohnprojekten immer gewahrt wird.

Die Wohnungen sind zwischen 58und 82 qm groß und weisen die imsozialen Mietwohnungsbau üblichenhohen Wohnqualitäten auf. Aus Kosten-gründen entschieden die Bewohnersich für einheitliche Küchen und Bäder.Auf der anderen Seite konnten sich dieBewohner – auf eigene Kosten – eini-ge Extras einbauen lassen, wie zum

Beispiel einen Erker im Wohnzimmer.Der Gemeinschaftsgedanke der

Siedlung ist nicht nur in ihrer städte-baulichen Form sondern auch im Ver-hältnis zwischen privater Wohnflächeund gemeinschaftlich nutzbarer Flächeablesbar: Die Wohnungen fallen klei-ner aus, weil ein Teil der individuellenWohnfläche in das Gemeinschaftshaus„verlagert“ wurden. Mit 122 qm nimmtes 10% der gesamten Wohnfläche ein,während im gemeinnützigen Woh-nungsbau üblicherweise „nur“ 3% för-derfähig sind.

Das Gemeinschaftshaus bildet dannauch den Rahmen für verschiedeneAktivitäten der Bewohner, bei denender Schwerpunkt auf privaten undgemeinschaftlichen Festen liegt. Nebenden traditionellen Festen werden alleGeburtstage gemeinsam gefeiert, undzwar mit einer Feier in jeder Jahres-zeit. Außer dem Festsaal mit Küchebietet das Gemeinschaftshaus eine gutausgestattete Werkstatt mit einemHeimfahrrad, einen „Fahrradkeller“und ein Gästezimmer, das vor allem fürdie zahlreichen Besuche der Kinderund Enkelkinder genutzt wird. Andereseniorbofælleskaber nutzen ihreGemeinschaftshäuser auch für regel-mäßige Aktivitäten wie zum BeispielGymnastikkurse oder kulturelle Veran-staltungen, mit denen sie die Öffent-lichkeit in ihre Siedlung einbeziehen.Auch gemeinsame Kochabende gehö-ren zu den üblichen Aktivitäten, wennauch nicht in derselben ausgeprägtenForm wie in den übrigen dänischenbofælleskaber, wo das täglichegemeinsame Essen ja die Basis des

gemeinschaftlichen Wohnens darstellt.Die Teilnahme an gemeinschaftli-

chen Aktivitäten gehört zusammen mitdem Alter (nicht jünger als 50 Jahre!)und der Bereitschaft, einander zuunterstützen, zu den Aufnahmebedin-gungen in die seniorbofælleskab. Aufder anderen Seite wird das Prinzip derFreiwilligkeit hoch gehalten, genausowie der ausdrückliche Anspruch, dieIndividualität jeden Einzelnen zu res-pektieren. So wie es eine Bewohnerinausdrückt: „Ich mag es, wenn dieLeute Kanten und Knäste haben. Eswäre langweilig, wenn wir alle rundeBälle wären und wir sollten nichtzurecht geschliffen werden um zusam-menzupassen. Das bedeutet, dass wirab und zu uneinig sind, aber das istnur gesund und unvermeidbar.“ GroßeEinigkeit herrscht dagegen laut ViggoHansen, Vorstandsmitglied der Mieter-vertretung, wenn gefeiert wird: „Alserstes holen wir immer unser Gesang-buch hervor und singen ein Lied.“ EinTeil der dänischen Tradition, die unab-hängig vom Alter bis heute lebendigist und vielleicht auch mit dazu bei-trägt, dass gemeinschaftliche Wohn-projekte in Dänemark eine solche Ver-breitung gefunden haben.

Nachsatz: Die neue konservativ-liberaleRegierung in Dänemark hat inzwischenihre Spuren in der Wohnungsbauförde-rung hinterlassen: Im ersten Schrittwurde das Wohnungsbauministeriumaufgelöst. Boligtrivsel i Centrum erhältkeine Förderung mehr und musste imJuni 2005 seine Arbeit einstellen.Neue Projekte werden inzwischen aufrein privatwirtschaftlicher Basis ent-wickelt. Die für Dänemark so typischeFörderung von Basisinitiativen wurdeweitgehend zurückgefahren. Auch derVerein Bofælleskaber for ældre hatsich kürzlich aufgelöst. Ulla Moulvadvon Boligtrivsel i Centrum – inzwi-schen ehrenamtlich in der Beratungtätig – hofft jedoch, dass „inzwischenviele Kommunen und Wohnungsunter-nehmen über ausreichende Erfahrun-gen mit der Entwicklung von Gruppen-wohnprojekten für Ältere verfügen.“

Britta Tornow ist Stadtplanerin und arbeitetvor allem in der Quartierserneuerung, For-schung und Organisation von Studienreisennach Dänemark und Schweden, Vorstand im wohnbund e.v.

In dem seniorbofælleskab „Det kreative Seniorbo“ im Odense hat das Gemeinschaftshaus die Funktion einestäglichen Treffpunktes: Es erschließt fünf der insgesamt 12 Wohnungen, so dass die Bewohner auf dem Weg zu ihrer Wohnungstür gern am gemeinsamen Kaffeetisch „hängenbleiben“

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Wohnprojekte in Planung: neue Genossenschaften – neue Zielgruppen

mehr beraten. „Wir legen Wertauf Wohngesundheit und wer-den vorwiegend ökologischunbedenkliche Baumaterialienverwenden.“ ergänzt HenningWittern (28). Er betreibt denneu eröffneten Hofladen unddas Hofcafé und will mit seinerFreundin ebenfalls bei derGenossenschaft einziehen.

Neben der Herstellung qualitativhochwertiger Wohnungen ist einelebendige Nachbarschaft ein von allengewünschtes Ziel. „Senioren und Kin-der, Familien und Alleinstehende,

Männer und Frauen:am Liebsten wäre unseine ausgewogeneMischung!“ sagtAnnemarie Dethleffsen.„Dass wir barrierefreiund kindgerechtbauen, versteht sichdaher von selbst.“Und auch für Haustie-re ist auf dem HofselbstverständlichPlatz, neben den Gän-sen, Hühnern undSchweinen, die schondort leben.

Unterstützt wirddas Gemeinschaftsleben auch durchdie Einrichtung von Gemeinschaftsräu-men: Ein Versammlungsraum, einegemeinsame Gästewohnung und eineSauna sind nur einige der geplanten„Allräume“. So bezeichnet die Archi-tektin Birte Burau die Räume, die vonallen Mietern gemeinschaftlich genutztwerden. Eine nicht unerheblicheWohnwertsteigerung, die durch diegenossenschaftliche Organisationermöglicht wird.

Mit der Gründungsversammlung derGenossenschaft am 16. August 2005ist jetzt die entscheidende Grundlagefür die Realisierung des Projektesgeschaffen. Einem Baubeginn noch in

Geschafft! Am Anfang war eine mutigeIdee, jetzt steht ihrer Verwirklichungnichts mehr im Wege:

In Steinbek, Kreis Segeberg, werden20 bezahlbare Wohnungen und einNetz gegenseitiger Unterstützung ent-stehen. Realisiert wird dieses Projektvon der neu gegründeten Wohngenos-senschaft „Steinbeker Hof“.

400 Jahre wurde der Steinbeker Hofals Familienbetrieb bewohnt undbewirtschaftet. Jetzt macht die FamiliePlatz für ein innovatives Gemeinschafts-projekt: die Wohngenossenschaft„Steinbeker Hof“.

„Wir werden Mieter und Eigentümerin Einem sein“, so bringt AnnemarieDethleffsen (68), die Vorteile der klei-nen Wohngenossenschaft auf denPunkt. „Wir wollen gute bezahlbareWohnungen und eine lebendige Nach-barschaft – und beides schaffen wiruns selbst!“ ist die Krankengymnastinim Ruhestand überzeugt.

Alle Mieter sind Mitglied der Genos-senschaft, wählen aus ihrer Mitte denVorstand und den Aufsichtsrat. So isteine weitgehende Mitbestimmunggarantiert. Jetzt in der Planungsphasewird sogar gemeinsam über denZuschnitt der Wohnungen, die ver-wendeten Baumaterialien und vieles

diesem Jahr steht nichts mehr imWege, weil die Hälfte der geplantenWohnungen bereits vergeben ist. „Fürdie noch freien Wohnungen wünschenwir uns, das sich mehr Familien mitKindern bewerben.“ erläutert HenningWittern. „Kinderfreundlichkeit ist füruns nicht nur ein Wort, sondern einechtes Anliegen!“

Die Genossenschaft „Steinbeker Hof“soll noch weitere Kreise ziehen: NeueWohngruppenprojekte können unterihrem „Dach“ auch an anderen Stand-orten gegründet werden. Satzung undGeschäftsordnung sind bewusst„schlank“ gehalten, um mit geringemformalem Aufwand die Selbstbestim-mung der Projekte zu unterstützen. DieGründung wird kompetent begleitetvom Zentralverband deutscher Kon-sumgenossenschaften in Hamburg.

Wer möchte, kann den SteinbekerHof und das Wohnprojekt schon jetztkennen lernen: jeden Sonntag um16 Uhr findet im bereits eröffnetenHofcafé eine Infoveranstaltung statt.

Kontakt: Sebastian Büttner, ConplanBetriebs- und Projektberatungsgesellschaft mbHWeberstraße 1f, 23552 LübeckTel:. 0451-8 7111-36, Fax 0451-8 7111-34E-Mail: [email protected]

Wohngenossenschaft „Steinbeker Hof“z. Hd. Wiebke und Jochen Wittern, Steinbeker Dorfstraße 5, 23795 SteinbekTel.: 04553-791, Fax. 04553-417, E-Mail: [email protected]

Die Genossenschaftsgründer

Der Hof

Steinbeker HofGenerationsübergreifendes Wohnen auf dem Land

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wohnbund-informationen 2+3/200546

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Maro Temm – Wohnungsgenossenschaft der Sinti

Nachbarschaften“ baut auf den Erfah-rungen auf, die in bestehenden Sinti-Nachbarschaften in verschiedenenKieler Stadtteilen gewonnen wurden.Nach diesem Modell leben 8–12 SintiFamilien in einer Nachbarschaft –möglichst in Reihen- oder Doppelhäu-sern – zusammen, wobei eine Integra-tion in normale Stadtteile erwünschtist. Die deutschen Sinti können sichauf diese Weise leichter integrierenund dabei gleichzeitig ihre Kulturwahren. Insgesamt schätzt der Lan-desverband der Sinti und Roma e.V.Schleswig-Holstein den Bedarf an die-ser Form nachbarschaftlichen Woh-nens allein für Kiel auf 55 Familien.

Das erste Projekt

An der Dietrichstraße in Kiel wird dieGenossenschaft Maro Temm ihr erstesProjekt für gemeinschaftliches Wohnenfür Sinti in Kiel mit 13 Familien in sechsDoppelhäusern realisieren. Das LandSchleswig Holstein und die Stadt Kielfördern das Vorhaben im Rahmen desgeförderten Mietwohnungsbaus. AlsTeil der geforderten Eigenleistung wirdeine Beschäftigungs und Qualifizie-rungsmaßnahme bei dem Bau des erstenProjektes integriert. Der Erbpachtver-trag mit der Stadt Kiel ist inzwischenausgehandelt und kann unterzeichnetwerden. Ebenfalls steht die Finanzie-rung der ca. 1,5 Millionen € Baukosten.

Stand des Projektes

Die Genossenschaft „Maro Temm Woh-nungsgenossenschaft der Sinti eG“ istgegründet und ins Genossenschafts-register eingetragen. Das heißt, dassdas gesamte bauliche und wirtschaft-liche Konzept inklusive des Verwal-tungs- und Selbsthilfekonzeptes geprüftund anerkannt ist.

Dank vieler externer Unterstützerin-nen und Unterstützer und mit Beteili-gung der zukünftig in der Diedrich-straße lebenden Sinti Familien ist dasnotwendige Eigengeld zusammengekommen und als Genossenschafts-anteile in die Genossenschaft einge-zahlt worden. Die Bauplanungen sindin enger Abstimmung mit den Sinti

Ziele der Genossenschaft

Die neue Genossenschaft heißt MaroTemm, das bedeutet „Unser Land“ oder„Unser Platz“. Sie ist als Dachgenossen-schaft konzipiert und auf Zuwachs fürähnliche Siedlungen angelegt. Die Ge-nossenschaft soll dazu dienen, die Selbst-verantwortung der Mitglieder fördernund sie mit Wohnraum zu versorgen.

Die Rechtsform der Genossenschaftist sehr bewusst gewählt worden.Neben einer demokratischen Strukturbietet die Genossenschaft die Möglich-keit des gemeinschaftlichen Handelnszum Wohle der Genossenschaft. So sollversucht werden, die Sinti Familien indie Verantwortung zu nehmen, damitsie ihre Wohnraumsituation selbststän-dig organisieren. Die Familien sollenmit Unterstützung von Außen sowohldie Genossenschaft eigenständig ver-walten als auch einen erheblichenAnteil an baulicher Selbsthilfe auf derBaustelle leisten.

Ausgangslage

Für Sinti und Roma Familien tritt inden letzten Jahren verschärft dasProblem einer unzureichenden Wohn-situation auf. Dies betrifft insbesonderedie Verteilung der Wohnungen überdie verschiedenen Stadtteile und dasWohnen im Geschosswohnungsbau.Die deutschen Sinti und Roma leben intraditionellen Familienverbänden, diesich gegenseitig besuchen und unter-stützen. Dies führt in Nachbarschaftenmit Nicht Sinti und Nicht Roma oftmalszu Konflikten. Die Sinti und Roma sindvon hoher Arbeitslosigkeit betroffen,die Ausbildung der Jugendlichen istschlecht, viele haben keine Berufsaus-bildung. 70% – 80% der Haushaltesind auf Sozialhilfe angewiesen. Hiersind aktive Nachbarschaften gefragt,die sich gegenseitige Unterstützungauch in den kleinen Dingen des All-tags geben können.

Integrationsmodell „Kleine Nachbarschaften“

Das vom Landesverband der Sinti undRoma entwickelte Modell der „Kleinen

Familien soweit voran geschritten,dass – theoretisch – mit dem Baubegonnen werden kann.

Trotz aller guten Ideen und Konzep-te spielt jedoch auch die Realität einenicht unbedeutende Rolle. So habendie Ausschreibungsergebnisse sehrviel höhere Kosten ergeben alsursprünglich geplant. Damit muss diegesamte Konzeption und die Finanzie-rung überdacht und neu organisiertwerden. Das hat zu einem erheblichenZeitverlust und einer Verunsicherungbei den Sinti Familien geführt. Nunwird daran gearbeitet, die Konzeptionanzupassen und gleichzeitig die Fami-lien bei der Stange zu halten. Dankdes gemeinsamen Willens aller Betei-ligten und der Unterstützung durcheine Traditionsgenossenschaft stehendie Chancen gut!

Hartmuth Kluth, Aufsichtsrat der „Maro TemmWohnungsgenossenschaft der Sinti und Roma eG“Kontakt: Hartmuth KluthAm Moorwiesengraben 17, 24113 Kiel

Projektsteckbrief

Standort: Kiel Gaarden

Nutzungskonzept: 13 Wohnungen in 6 Gebäuden undGemeinschaftshaus mit ca. 1.050 m2

Wohnfläche für Sinti Familien auf ca.9.000 m2 Grundstück

Finanzierung:Soziale Wohnraumförderung des LandesSchleswig-Holstein, ökologische Förder-kredite der KfW, bauliche Selbsthilfe

Bauherr:Maro Temm Wohnungsgenossenschaft derSinti eG

Architekten:Plan-R Joachim Reinig Hamburg

Wirtschaftliche Baubetreuung: STATTBAU HAMBURG GmbH

Besonderheiten:Gründung einer Genossenschaft, die vonden Sintis eigenverantwortlich betriebenwerden soll

Fertigstellung:2006

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47wohnbund-informationen 2+3/2005

Wohnprojekte in Planung: neue Genossenschaften – neue Zielgruppen

Wohnprojekt „Wohnen und Arbeiten am Rathausturm“ in Kiel

liche Altersgruppen und Haushalts-typen an. Auch durch die Kombinationzwischen Eigentumswohnungen undgenossenschaftlichen Mietwohnungensoll eine soziale Mischung im Wohn-projekt erreicht werden. Im Erdge-schoss sind ein Café und ein Gemein-schaftsraum geplant, Büros und Praxensind im 1. Obergeschoss möglich. DerGemeinschaftsgedanke des Projektesdrückt sich auch in dem großengemeinsamen Innenhof aus, zu demsich alle Aufenthaltsräume, Balkoneund Terrassen orientieren.

Das Wohnprojekt „Wohnen und Arbei-ten am Rathausturm“ steht beispielhaftfür das verdichtete Bauen im inner-städtischen Kontext. Im Zentrum Kiels,zwischen Rathaus, Fußgängerzone und Wochenmarkt, sind in einem 5-bis 6-geschossigen Gebäudekomplex44 Wohnungen geplant. Mit seinerzentralen Lage und der barrierefreienGestaltung ist das Wohnprojekt beson-ders für ältere Menschen attraktiv, das generationsübergreifende Wohnensteht jedoch im Mittelpunkt. Die Woh-nungen sind zwischen 40 und 140 qmgroß und sprechen damit unterschied-

konkreten Verhandlungen mit derStadt Kiel die Umsetzung des Projekteseinleiten will. Neben den finanziellenAspekten (Kosten für das Grundstückund die Anhandgabe) ist es für dieGruppe besonders wichtig, einen ver-bindlichen Zeitrahmen für die für dieEntwicklung des Baugebietes auszu-handeln. Geplant ist ein integratives,genossenschaftliches Wohnprojekt mitbis zu 30 Wohneinheiten, welchesmenschlicher Vielfalt auf jeder Alters-stufe Raum geben soll.

Wenn alles nach Plan läuft, kann esEnde 2006 mit dem Bauen losgehen.

Kontakt: Wilfried MorisseTel. 0431-8 78 48E-Mail: [email protected]:Wohnen Zusammen e.V.Hedi OladokunElisabethstraße 110, 24143 KielTel.: 0431-73 76 38E-Mail: [email protected]

Auf Initiative des Vereins Nachbar-schaftliches Wohnen e.V. hat sich imJahr 2003 eine Gruppe zusammen-gefunden, die ein generationsüber-greifendes Wohnprojekt auf einer städ-tischen Liegenschaft am StadtrandKiels (Stadtteil Projensdorf-Steenbek)umsetzen will. In mehreren Workshopsentwickelte die Gruppe – einschließ-lich der Kinder – die inhaltlichen undplanerischen Grundlagen des Projek-tes. Der Name des Projektes „Unter denEichen” bezieht sich auf zwei alteEichen auf dem Baugrundstück welcheerhalten werden sollen.

Von Anfang an war klar, dass einsozial gemischtes Wohnprojekt aufgenossenschaftlicher Basis entstehensoll. Hierzu wurden bereits Gesprächemit bestehenden Genossenschaftengeführt. Die Wohnungsunternehmensignalisierten durchaus Interesseäußerten aber auch starke Vorbehalte– hier wird noch einige Überzeugungs-arbeit nötig sein. Alternativ zur Einbin-dung in bestehenden Genossenschaf-ten erwägt das Projekt die Beteiligungan einer in Planung befindlichen

Dachgenossenschaft in Schleswig-Hol-stein. Wichtige Rahmenbedingungenfür die Umsetzung des Projektes wur-den durch die neun Richtlinien derWohnraumförderung des LandesSchleswig-Holstein geschaffen, ohnedie eine Realisierung kaum möglichwäre.

Die größten Schwierigkeiten beste-hen in den zurzeit unsicheren Rah-menbedingungen bezüglich der Pla-nungen für das Baugebiet. Dadurchwerden die Geduld und das Engage-ment der Projektgruppe hart auf dieProbe gestellt. Die Erfahrungen derletzten zwei Jahre zeigen: Je sichererund konkreter die jeweiligen Rahmen-bedingungen desto größer ist dasEngagement und der Zusammenhaltder Gruppe. Gerade die Bereitschaftfinanziell in Vorleistung zu gehen undsomit eine professionelle Entwicklungdes Projektes zu gewährleisten hängtin erster Linie von der Planungssicher-heit ab.

Im Juni 2005 gründete die Gruppeals Planungsgemeinschaft den Verein„Wohnen Zusammen e.V.”, der nun in

Unter den Eichen – genossenschaftliches Wohnprojekt in Kiel-Projensdorf

Im April 2005 wurde die Planungs-gemeinschaft gegründet, die im Früh-jahr 2007 in die Umsetzung gehenwill. Die Projektentwicklung liegt inder Hand von conplan GmbH, dieArchitekten sind Zastrow & ZastrowArchitekten.

Kontakt: Kirstin RuppConplan GmbHE-Mail: [email protected]: www.conplan-gmbh.de

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wohnbund-informationen 2+3/200548

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Wohnprojekt „Dampfziegelei“ in Kiel-Wik

Die Verhandlungen über den Grund-stücksankauf sind mit der Stadt Kielweitgehend abgeschlossen. Die Pla-nungen sollen in Kürze beginnen. ZurZeit bereitet die Projektgruppe dieGründung einer Planungs-GbR vor.Bau und Nutzung der Gebäude sollendann unter dem Dach einer Genossen-schaft realisiert werden.

Die Planungen werden von derArchitektin Christa Fröhlich durchge-führt, die Baubetreuung liegt in den

Auf dem Gelände der alten ZiegeleiHans Rathmann in Kiel-Wik zwischenNord-Ostsee-Kanal und ProjensdorferGehölz plant die Projektgruppe Dampf-ziegelei seit einem Jahr die Realisie-rung eines gemeinschaftlichen Wohn-projekts.

Auf dem Grundstück sollen in zweiNeubauten und dem instandgesetztenehemaligen Verwaltungsgebäude derZiegelei ca. 1000 qm Wohnflächesowie Gemeinschaftsräume entstehen.

Händen der STATTBAU HAMBURGGmbH.

Es werden noch Interessiertegesucht.

Kontakt:Tel. 0431-3645224E-Mail: [email protected]

Gemeinschaftliches Wohnprojekt für Senioren in Neumünster

Im Juli 2005 wurde in der Böcklersied-lung nach fast zweijähriger Planungs-zeit der Grundstein für ein gemein-schaftliches Seniorenwohnprojektgelegt.

Die Böcklersiedlung mit ca. 1800Wohnungen wurde ab 1950 innerhalbweniger Jahre zur Wohnraumversor-gung der Flüchtlinge gebaut. Ende der90er Jahre zeigten zunehmende Leer-stände, die Abwanderung der Geschäf-te, eine starke Überalterung in derBewohnerstruktur und soziale Konflik-te einen dringenden Handlungsbedarfauf. 2000 wurde die Böcklersiedlungin das Programm „Soziale Stadt“ aufge-nommen. Neben der Umgestaltung desöffentlichen Raums und der Anpassungder Wohnungen an heutige Standardsund Wohnbedürfnisse stehen auch dieFörderung der Nachbarschaft und die

jektes, Bock, Schulz und Partner,begleiten auch den Gruppenprozessder zukünftigen Hausgemeinschaft.

Das Wohnprojekt ist in die Konzept-arbeit einer Projektgruppe eingebun-den, die aus Vertretern der beidenWohnungsunternehmen, der Kirchen-gemeinde und des Planungsteamsbesteht. Die Projektgruppe hat zumZiel, neue Trägerstrukturen für Betreu-ungsangebote zu entwickeln, die vor-handene Ressourcen der Nachbar-schaft und Selbsthilfe im Quartier miteinbeziehen.

Kontakt: Bock, Schulz und PartnerDänische Straße 3–624103 KielTel.: 0431-53588-0

Schaffung neuer Angebote vor allemfür allein Erziehende, Jugendliche undSenioren im Handlungsprogramm desErneuerungskonzeptes.

Ein zentraler Baustein für die Ver-besserung der Lebensbedingungenälterer Menschen ist das Gemein-schaftswohnprojekt für Senioren derBaugenossenschaft Holstein eG: Ineinem viergeschossigen Neubau amneu gestalteten zentralen Platz derSiedlung entstehen zur Zeit 24 alten-gerechte Wohnungen mit einem groß-zügigen Gemeinschaftsbereich im Erd-geschoss und einem Gästeappartementim Dach. Die zukünftige Mietergruppebildete sich bereits während der Pla-nungsphase und trifft sich regelmäßig,um sich kennenzulernen und um einKonzept für das Zusammenleben zuentwickeln. Die Architekten des Pro-

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49wohnbund-informationen 2+3/2005

Netzwerke

Christina Schoennagel

Interessenverband Wohnprojekte Schleswig-Holstein

waltung, Kommunen und Öffentlichkeiteinzubinden. Auch die neuen Förder-richtlinien der Landesförderung sollendazu beitragen, Wohngruppen, diegenossenschaftlich organisierte Wohn-projekte durchführen möchten, zuunterstützen. Die Förderbedingungensind nun besser auf ihre Bedarfe zuge-schnitten. Da viele Kleinst-Wohnpro-jektinitiativen über das Land verstreutsind, will der Interessenverband dieGründung einer Dachgenossenschaftfür Wohnprojekte unterstützen.

Der Auftakt ist gemacht: Zum 1. Wohn-projektetag Schleswig-Holsteins imMai kamen 300 Besucher in das Kieler

Schloss. Eine Fachtagung zum Thema„Förderung und Weiterentwicklungvon Wohnprojekten in Schleswig-Hol-stein“ für kommunale Vertreter undVerwaltung ist in Vorbereitung. ZurZeit wird die Internetseite des Verban-des weiter ausgebaut, auf der sichzukünftig alle Wohnprojekte in Schles-wig-Holstein präsentieren können.

Christina Schoennagel, Architektin, Geschäfts-führerin im Interessenverband WohnprojekteSchleswig-HolsteinHoltenauerstr. 74, 24105 KielWeb: www.wohnprojekte-sh.deE-Mail: [email protected]

Der Interessenverband WohnprojekteSchleswig-Holstein wurde am 18.11.04in der Ökosiedlung Kiel-Hassee vonVertretern bestehender Wohnprojekteund neuer Wohngruppen sowie Fach-leuten gegründet.

Ziel des Verbandes ist es, ein lan-desweites Netzwerk für Interessierteschaffen und die vorhandenen Struk-turen in Schleswig-Holstein zu stärkenund weiter auszubauen. Schon seitüber 30 Jahren kann man in Schles-wig-Holstein auf eine rege Wohnpro-jektekultur zurückblicken. Jetzt soll esdarum gehen, die vielfältigen Erfah-rungen aufzugreifen, Orte des Austau-sches zu schaffen sowie Politik, Ver-

Thomas Fürst

Institut für Neues Wohnen

tung. Darüber hinaus wollen wir mitBürgermeistern, Landräten und Ver-antwortlichen von Altenhilfeorganisa-tionen zukunftsfähige und gemeinde-nahe Konzepte für selbst bestimmteWohnformen für ältere Menschen ent-wickeln. Deshalb bereiten wir gegen-wärtig die Durchführung einer Fachta-gung vor, die im I. Quartal 2006stattfinden wird.

Thomas Fürst, Sozialpädagoge und Betriebs-wirt der Sozialwirtschaft, bis 2005 beim Diako-nischen Werk tätig als Referent für stationärePflege und betreutes Wohnen, arbeitet heutebei silver-life-concept, einem Projektentwicklerfür altengerechtes Wohnen, Vorstand Institutfür Neues Wohnen

Kontakt:INSTITUT FÜR NEUES WOHNEN E.V. Willy-Brandt-Allee 31 d 23554 LübeckTel.: 0451-28 03 76 09 Fax: 0451-28 03 7610E-Mail: [email protected]: www.inw-sh.de

Der Verein „Institut für Neues Wohnene.V.“ wurde im Dezember 2004gegründet. Wesentliche Aspekte, diezur Vereinsgründung führten, warensowohl die unbefriedigende Situationin der stationären Pflege als auch diesich verändernde Erwartung ältererMenschen an das „Wohnen im Alter“.

Der Vereinsgründung ging eineumfangreiche Recherche insbesondereüber Zukunftstrends in der Altenhilfevoraus. In dieser Zeit hat das Innen-ministerium des Landes Schleswig-Holstein, das für die Wohnraumförde-rung zuständig ist, im Rahmen einesErgänzungserlasses die Förderung vonselbst bestimmten Wohnformen betont.

Es ist der Zweck des Vereins, dieAltenhilfe und die Wohlfahrtspflege zufördern. Diesen Satzungszweck ver-wirklichen wir insbesondere durchl Begleitung und Beratung von selbst

bestimmten, gemeinschaftlichenWohnprojekten

l Information der Öffentlichkeit überaltengerechtes Wohnen und alter-native Wohnformen

l beratende Mitwirkung bei kommu-nalen und öffentlichen Stadtpla-nungs- und Wohnbauprojekten

In unserem Verein arbeiten Fachleuteaus den Bereichen Soziales – insbe-sondere Pflege, Architektur, Ökologie,Kommunikation, Marketing, Finanz-und Versicherungswesen zusammen.

Nachdem zahlreiche Hürden undAufgaben, die mit der Vereinsgrün-dung zusammenhängen überwundensind, wenden wir uns inhaltlichenAufgaben zu. Wir haben im Sommerein Konzept für eine landesweit tätige„Koordinierungsstelle für selbstbestimmte Wohnprojekte“ erarbeitet.Im Rahmen der Vorgespräche stimmenwir gegenwärtig die Akzeptanz desKonzeptes mit möglichen Kooperati-onspartnern ab.

Das „Institut für Neues Wohnen e.V.“unterstützt an gemeinschaftlichemWohnen interessierte Privatpersonenin der Entwicklungs- und Realisie-rungsphase von Wohnprojekten insbe-sondere durch Beratung und Beglei-

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wohnbund-informationen 2+3/200550

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Wilfried Morisse

Verein Nachbarschaftliches Wohnen e.V.

Vor dem Hintergrund eines gescheiter-ten Wohnprojektes (Elsterkoppel) unddem steigenden Interesse nach alter-nativen Wohnformen in Kiel wurde imJahr 1999 der Verein Nachbarschaftli-ches Wohnen gegründet. Ziel des Ver-eins ist es, das Thema Wohnprojektestärker in der Öffentlichkeit zu veran-kern, Lobbyarbeit zu leisten und dieUmsetzung von Wohnprojekten zuunterstützen – insbesondere durch denAufbau regionaler Strukturen zurFörderung nachbarschaftlicher Wohn-projekte und -initiativen.

Neben Infoveranstaltungen zu ver-schiedenen Themen des nachbar-schaftlichen Wohnens engagiert sichder Verein insbesondere bei der Initi-ierung bzw. Erstberatung von Wohn-projektgruppen, der Zusammenführungvon Wohnprojektinteressierten und derVernetzung von Interessierten undlokalen Akteur/innen. Dabei kann der

Verein auf breite fachliche Kompetenzin den Bereichen Architektur/Stadtpla-nung, Stadtentwicklung, Projektent-wicklung und Energie- und Umwelt-management zurückgreifen.

Schwerpunkt der Vereinsarbeit in denletzten Jahren ist das Thema „Wohn-projekte zur Miete“. Auf zahlreichenVeranstaltungen wurde deutlich, dassin diesem Bereich eine sehr großeNachfrage besteht, aber kaum Projekteexistieren. So entstanden in Kiel ersteProjektgruppen, die insbesonderegenossenschaftliche Wohnformenumsetzen wollen. Auf Initiative desVereins wurden Kontakte mit denlokalen Wohnungsbaugenossenschaf-ten und der Kommune aufgebaut, umUmsetzungsmöglichkeiten zu erörtern.Mittlerweile gibt es einige Projekte, diekurz vor der Realisierung bzw. inerfolgversprechenden Verhandlungen

bezüglich eines Baugrundstücks ste-hen. Durch die neuen Richtlinien derWohnraumförderung des LandesSchleswig-Holstein sind die Chancenfür die Projekte enorm gestiegen.

Neben dem lokalen Engagement inKiel engagiert sich der Verein in einemlandesweiten Netzwerk von Wohnpro-jekten, Projektinitiativen und Fachleu-ten, aus dem sich im November 2004der „Interessenverband WohnprojekteSchleswig-Holstein“ gegründet hat.

Wilfried Morisse, Diplomsozialökonom,Vorstand im Verein Nachbarschaftliches Wohnen e.V.Gerhardstrasse 70, 24105 KielTel.: 0431-8 78 48E-Mail: [email protected]

Dietmar Walberg

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.

konzepte“ in Zusammenarbeit mit derLanderegierung Schleswig-Holsteinherausgeben, der bundesweit nachge-fragt wird. Für Wohnprojekte wirdangeboten:

l Vernetzung der Gruppen und demInteressenverband für WohnprojekteSchleswig-Holstein und anderenübergeordneten Initiativen.

l Beratung und Information vonbestehenden Gruppen, die sich min-destens in einer verbindlichenPhase der Planungs- oder Bauge-meinschaft befinden.

l Führen einer Liste (in Abstimmungmit den anderen Akteuren) vongeeigneten Büros/Personen/Institu-tionen für die Begleitung/Modera-tion oder Planung von Wohnprojek-ten.

l Bautechnische und bauwirtschaft-liche Qualitätssicherung

l Planberatung

l Optimierung energetischer Ziel-setzungen

Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemä-ßes Bauen e.V. wurde 1946 zur Erfor-schung und Förderung des Lehmbausund der Organisierten Gruppenselbst-hilfe im Wohnungsbau gegründet.

1972 erfolgte die Anerkennung durchdas Innenministerium des LandesSchleswig-Holstein als Rationalisie-rungsinstitut für den geförderten Woh-nungsbau. Die ARGE ist Institut fürBau- und Wohnberatung in Schleswig-Holstein mit Aktivitäten auf nationalerEbene und Netzwerk für das innovati-ve Bauen und technische und baulich-soziale Kommunikation, die ange-wandte Bauforschung und Projektent-wicklung.

Seit dem Jahr 2000 unterhält dieARGE die Leitstelle WohnberatungSchleswig-Holstein mit einer Homepageund Projektdatenbank, bei dem sichdie Wohnprojekte und Initiativen kos-tenlos einschreiben können um Inte-ressierte anzusprechen. Im Jahr 2003wurde ein „Leitfaden für Gruppen-wohnprojekte und innovative Wohn-

l Weitergehende Projektentwicklungals konkrete Projektbegleitung

l Fortbildung

Literatur:Leitfaden für Gruppenwohnprojekte undinnovative WohnkonzepteHrsg.: Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßesBauen e.V. und Innenministerium Schleswig-Holstein, 2002; zu beziehen gegen Kosten-beitrag über: ARGE f. zeitgem. Bauen e.V.Kiel, Tel. 0431-66 36 90

Dietmar Walberg, Dipl.-Ing. Architekt, Stellver-tretender Geschäftsführer Arbeitsgemeinschaftfür zeitgemäßes Bauen e.V.Walkerdamm 17, 24103 Kiel

Leitstelle Wohnberatung Schleswig-Holsteinwww.wohnberatung-sh.deTel.: 0431-6 63 69-0/ Durchwahl: -11Fax: 0431-6 63 69-69Mobil: 0170-4 43 0018E-Mail: [email protected]: www.arge-sh.de

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51wohnbund-informationen 2+3/2005

Netzwerke

Soviel vorweg: Für den Veranstalter,dem erst vor kurzem gegründeten Ver-band Wohnprojekte Schleswig-Hol-stein, war es ein voller und aufregen-der Erfolg – steckte man doch noch inden Kinderschuhen und wagte sichtrotz kurzer Vorbereitungszeit an eineVeranstaltung dieser Größenordnung.Das erste Mal sollte das Thema „Wohn-projekte“ landesweit aufgegriffen undbekannt gemacht werden. Dafürwurde zusätzlich der Adressenverteilerder Industrie- und Handelskammergenutzt, welche im Rahmen ihrer Ver-anstaltungsreihe „Visionen für Schles-wig-Holstein“ den Tag mit in ihreEvent-Reihe aufnahm. Gut 300 Besu-cherInnen kamen in das Kieler Schloss,ein Rahmen, der vielleicht für dieeinen etwas zu opulent war, für dieanderen gerade gut genug, wenn daswichtige Thema „Wohnen“ den ganzenTag bestimmen sollte.

Den Rahmen bildeten 18 Wohnprojekt-gruppen und Initiativen, die sich aufdem „Markt der Möglichkeiten“ prä-sentierten. Darüber hinaus wurdenvielfältige Informationen in Form vonVorträgen, Workshops und Podiums-diskussionen angeboten.

Inwieweit die neue Förderrichtliniedes Landes Schleswig-Holstein in derFinanzierung neuer Wohnformen eineRolle spielen kann, erläuterte HeidrunBuhse vom Innenministerium in ihremVortrag. Abgestimmt auf die Vielfältig-keit von Wohnprojekten bietet das För-derprogramm bessere Umsetzungs-möglichkeiten für Eigentums- undgenossenschaftlich organisierte Projek-te für Alt und Jung als die bisherigenFörderbedingungen.

Dass ein Gruppenwohnprojektjedoch weitaus mehr Themen alsFinanzierung zu bewältigen hat,wurde in dem Vortrag von SebastianBüttner von der Conplan Projekt- undBetriebsentwicklungs-GmbH deutlich.Es schilderte eingehend den „Lebens-lauf eines Wohnprojektes“ von derGründungs- bis zur Wohnphase.

Seine Erfahrungen wurden kurzdarauf von Mitgliedern drei ganzunterschiedlicher Wohnprojekte ausSchleswig-Holstein bekräftigt. Die

Chancen und Möglichkeiten eines Pro-jektes – aber auch die Grenzen – wur-den durch die Erzählungen von KarinRinke (Aegidienhof, Lübeck), HartmutKluth (Ökosiedlung Moorwiesen-graben, Kiel) und Doris Anna Kaffke(Projekt Pries, Kiel) ergänzt.

Die Mittagspause bot vielfältige Mög-lichkeiten zu Austausch und Kontakt-aufnahme an den Projektständen, zumStöbern am Büchertisch, zur Projektsu-che auf der Schleswig-Holstein-Land-karte und zum Imbiss am Schlosstresen.

Jedenfalls gingen die meistengestärkt von Gespräch und Suppe indie ersten Workshops am frühen Nach-mittag. Grosses Interesse herrschte amWorkshop 1 „Bewohner genossen-schaftlicher Wohnprojekte berichten“.Drei sehr unterschiedliche Projekteberichteten von ihren Erfahrungen undden Umgang mit Genossenschafts-strukturen. Dabei wurden ganz unter-schiedliche Wege beschritten, sowohlin der Gründung als auch im Weiterle-ben des Genossenschaftsgedankens.

Was sich am frühen Morgen durch diehohe Zahl älterer TeilnehmerInnen imKieler Schloss abzeichnete, wurde imWorkshop 2 explizit deutlich: Fast alleStuhlreihen waren besetzt, als Thomas

Fürst vom Institut für Neues Wohnene.V. zum Thema „Wohnen im Alter“referierte. Hier liegt sicherlich einhoher Bedarf, der in den nächstenJahren noch zunehmen wird. Diegegenseitige Unterstützung im nach-barschaftlichen Wohnen, die einGrundgedanke aller Wohnprojekte warund ist, erhält hier eine besondereBedeutung und muss ggs. ergänztwerden durch das Einbeziehen profes-sioneller Unterstützung im Pflegefall.Auch baulich-organisatorisch sind hierbesondere Bedürfnisse zu berücksich-tigen wie altersgerechte Wohnungen,Pflegewohnungen, ÖPNV-Anbindungu.ä.

Ebensfalls gut besucht war der Work-shop „Gruppenprozesse in bestehen-den Wohnprojekten“. Hier berichtetenBewohnerInnen aus bestehenden Pro-jekten über ihre Erfahrungen im sozia-len Miteinander während der ver-schiedenen Phasen des Planens undWohnens. Die anwesenden Projektekonnten auf bis zu 12 Jahren „Lebens-zeit“ zurück blicken. Einigkeit herrschtein der Erfahrung, dass Konflikte in derGruppe einfach Bestandteil des Prozes-ses sind und auch hier professionelleUnterstützung (Mediation, Supervisiono.ä.) zum einen Nerven und Energie

Christina Schoennagel

1. Wohnprojektetag in Schleswig-Holstein

Der 1. Wohnprojektetag im Kieler Schloss

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wohnbund-informationen 2+3/200552

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

schonen, zum anderen auch zu einerHorizonterweiterung aller beitragen.Auch gemeinschaftliches Wohnen will– und kann! – eben gelernt werden.Das Auftauchen von Konflikten und„Störungen“ nicht als Scheitern, sondernals gemeinsamen Lernanreiz zu sehen,ist hier sicherlich eine wünschens-werte und erleichternde Perspektive.Gleichzeitig sollte in jedem Projektkonzeptionell ein ausreichend großerRaum für Individualität und „Privatheit“vorgesehen und als solcher bespro-chen sein.

Um professionelle Hilfen für Wohnpro-jekte ging es dann auch in den beidenWorkshops nach der Kaffeepause.VertreterInnen von conplan, der Investi-tionsbank und der GLS-Bank infor-mierten in einer Expertenrunde überFinanzierungsmöglichkeiten.

Die ARGE für zeitgemäßes Bauen e.V.(Dietmar Walberg), die Dachgenossen-schaft Nord i.G. (Hermann Schulze) undder Interessenverband WohnprojekteSchleswig-Holstein als Veranstalter(Christina Schoennagel) diskutierten ineiner weiteren Runde über Dienstleis-tungen unterschiedlicher Art fürWohnprojekte: Begleitung in der Pro-jektentwicklung, Unterstützung in der

Lobby – und Öffentlichkeitsarbeit, pla-nerische Begleitung u.a. „Nicht allesselbst machen müssen – das Rad nichtimmer wieder neu erfinden – nichtalles können müssen …“ waren Sätze,die deutlich machten, dass Gruppengut daran tun, sich professionell unter-stützen zu lassen und auf das hierangesammelte Wissen und Erfahrungzurück zu greifen.

Der geplante Runde Tisch „Kommunenunterstützen Wohnprojekte“, zu demVertreterInnen aus Kommunen undGemeinden eingeladen waren, wurdekurzerhand umgewandelt in einForum, in dem diejenigen, denen diePublikumsrolle zugedacht war, ihreInteressen formulierten. Dass nur zweikommunale Vertreter der Einladungfolgten, wurde zum Anlass genommen,von der Seite der Projekte zu formulie-ren, was sie sich von den Kommunenwünschen. Ein zentrales Anliegen warder Wunsch nach gesicherten Rah-menbedingungen für die Umsetzungvon Wohnprojekten.

Auch zum allmählichen Ende desTagesveranstaltung hin war die Anzahlund die Aufmerksamkeit der Besuche-rInnen ungebrochen. So warteten vieleauf einen der letzten Punkte des Pro-

gramms, der noch einmal einen Grund-gedanken der ganzen Veranstaltungaufgriff und transportierte: Kennenler-nen und Vernetzen bestehenderWohnprojektinitiativen. In einer halb-stündigen Runde stellten sich ca. zehnWohnprojektie aus ganz Schleswig-Holstein vor.

Abgerundet wurde der Tag durcheinen kulturellen Beitrag der Impro-Theatergruppe „Die Kellerkinder“.

Der Tenor war eindeutig: Der Wohn-projekte-Tag soll ein fester Bestandteildes Tagungslebens in Schleswig-Hol-stein werden. Bereits für 2006 ist eineFolgeveranstaltung geplant.

Kontakt:[email protected] Wohnprojekte Schleswig-HolsteinHoltenauerstr. 74, 24105 Kiel

Christina Schoennagel, Architektin, Verband Wohnprojekte Schleswig-Holstein

Reichhaltige Literatur am Infotisch Der Markt der Möglichkeiten

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53wohnbund-informationen 2+3/2005

Matthias Rasch

Förderung von Nachbarschaften durch Wohnungswirtschaft und Kommune – das Beispiel der Nachbarschaftsbüros in Lübeck

Nachbarschaftliches Wohnen im Quartier

Viele Kommunen in Schleswig-Hol-stein müssen sich angesichts der teil-weise dramatischen Lage ihrer Haus-halte von immer mehr freiwilligenLeistungen und Angeboten verab-schieden. Damit gehen auch gemein-wesensorientierte Angebote mit Stadt-teil- oder Quartiersbezug, die häufigerst in den 1980er und 1990er Jahrengeschaffen wurden, verloren. Lediglichin den Fördergebieten des Programms„Soziale Stadt“ werden noch neueAngebote entwickelt und etabliert, voneiner flächendeckenden Versorgungzumindest in ihren verdichtetenWohnquartieren sind fast alle Städteaber weit entfernt. Auch in der Hanse-stadt Lübeck drohten im Ende 2004die sog. Nachbarschaftsbüros, ein frei-williges Angebot des FachbereichesKultur der Stadtverwaltung, den Spar-beschlüssen der Verwaltungsführungzum Opfer zu fallen. Die Nachbar-schaftsbüros waren erst wenige Jahrezuvor als niedrigschwelliges Angebotin Ergänzung zu den Stadtteilbürosund den Sozialberatungsstellen an fünfStandorten in Lübeck eröffnet worden,um eine präventive und zugleich akti-vierende Quartiersarbeit in Wohnge-bieten mit sozialen Problemlagen zuetablieren.

Insbesondere die für dieses freiwilligeAngebot benötigten Personalstellensollten nun eingespart werden. DerBereich Jugendhilfe, bei dem die fünfbestehenden Nachbarschaftsbürosangesiedelt sind, versuchte deshalb,durch eine finanzielle und konzeptio-nelle Kooperation mit der lokalenWohnungswirtschaft die Existenz die-ses außergewöhnlichen Angebotes zusichern. Die Lübecker Bürgerschaftbeschloss daraufhin mit großer Mehr-heit die Weiterführung des Angebotesaller Nachbarschaftsbüros, im April2005 wurde die entsprechendeKooperationsvereinbarung der Stadtmit sieben Lübecker Wohnungsunter-nehmen unterzeichnet. Wie sieht diese

Zusammenarbeit zwischen Kommuneund Wohnungswirtschaft konkret aus,welche Wirkungen zeigt sie in denQuartieren und Nachbarschaften?

Lübecker Wohnungswirtschaft –Anbieterstruktur und soziale Verantwortung

Die gewerbliche Wohnungswirtschaftin Lübeck wird wesentlich durch sie-ben ehemals gemeinnützige Woh-nungsgesellschaften und -genossen-schaften geprägt, die zusammen ca.26.000 Wohnungen, also rund 35%des Gesamtbestandes an Geschoß-wohnungen in Lübeck besitzen. Tradi-tionell bestehen gute Verbindungender Unternehmen untereinander, sowurden z.B. 1988 die LübeckerBestände der Neuen Heimat gemein-sam erworben und Mitte der 1990erJahre die Konversionsprojekte Walder-seekaserne und Cambrai-Kaserne mitjeweils mehreren hundert Wohnungenin Konsortien geplant und umgesetzt.2002 haben die Unternehmen dieErstellung des Lübecker Mietspiegelsmitfinanziert, 2004 gemeinsam mit derHansestadt Lübeck eine Wohnungs-marktanalyse und -prognose zur Ent-wicklung des Wohnungsmarktes bis2020 in Auftrag gegeben. Diese Aktivi-täten beförderten die gemeinsameVerantwortung für den StandortLübeck, die auch die soziale Stabilitätder städtischen Gesellschaft umfasst.Insbesondere bei der Entwicklung dergenannten Konversionsprojekte spiel-ten die Themen Nachbarschaften undgemeinschaftliches Wohnen einebedeutende Rolle, da ein großer Teilder entstehenden Neubauwohnungengefördert errichtet wurde und viele deran den ehemaligen Kasernenstandor-ten anzusiedelnden Menschen Aus-siedler und Migranten waren. Mit demsog. Marli-Forum und dem Förderver-ein Bürgerhaus Falkenfeld-Vorwerk, zu

deren Gründungsmitgliedern die betei-ligten Wohnungsunternehmen gehör-ten, wurde Ende der 1990er Jahre derGrundstein für zwei der späterenNachbarschaftsbüros gelegt.

Die Lübecker Nachbarschaftsbüros –Entstehung und Aufgaben

Zu den genannten zwei Nachbar-schaftsbüros kamen kurz darauf einweiteres im Stadtteil Kücknitz-RoterHahn (eine Wohnsiedlung im Kern der1950er und 1960er Jahre mit ergän-zendem sozialen Wohnungsbau der1990er Jahren) sowie zwei Einrichtun-gen in Programmgebieten der „Sozia-len Stadt“ hinzu; zunächst in der Groß-wohnanlage Hudekamp und später imStadtteil St. Lorenz (Wohnsiedlung der1920er und 1950er Jahre). Die Stand-orte und Einzugsbereiche der Einrich-tungen sind in Abbildung 1 (nächsteSeite) dargestellt.

Um die Arbeit der Nachbarschaftsbüroseinzuordnen, dienen die in Abbildung 2genannten Aktivitäten als Beispieledes Angebotes der fünf LübeckerNachbarschaftsbüros. Sie werden vonden Nachbarschaftsbüros entwederselbst veranstaltet und personellbetreut oder lediglich organisiert undvon Ehrenamtlichen oder externenAnbietern durchgeführt (z.B. Sprach-kurse). Die Aufstellung ist nichtabschließend, die Angebote werdenan die Bedürfnisse der Quartiere ange-passt. Neben den individuellen Zielen,z.B. der Weiterbildung einzelnerBewohnergruppen, verfolgt die Arbeitder Nachbarschaftsbüros schwerpunkt-mäßig die Verbesserung des Zusam-menlebens im Quartier sowie die Stär-kung der Identifikation mit demQuartier oder Stadtteil.

Diese Zielsetzung deckt sich auchmit der der Wohnungsunternehmen.Diese können und wollen jedoch eine

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wohnbund-informationen 2+3/200554

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

„klassische“ soziale Arbeit, die allge-meine Beratungstätigkeit oder dieOrganisation von umfassenden Bildungs-und Betreuungsangeboten nicht selbsterbringen. Die Arbeit der LübeckerNachbarschaftsbüros wird daher alswertvolle und mittlerweile unverzicht-bare Leistung angesehen, die vorallem durch die dezentrale Bereitstel-lung wesentlich zur sozialen Stabilisie-rung von Wohnquartieren beiträgt.

Kooperation zwischen Wohnungs-unternehmen und Stadt zum Erhaltder Nachbarschaftsbüros

Aufgrund der gemeinsamen Zielset-zung der sozialen Stabilität in denWohnquartieren Lübecks und zur Ver-meidung sog. sozialer Brennpunktewurden von Beginn an Abstimmungs-gespräche zwischen den Wohnungs-unternehmen und den Nachbarschafts-büros geführt, vereinzelt wurdenAngebote kofinanziert oder Aktionengemeinsam veranstaltet (z.B. Reini-gungsaktionen in Wohnquartieren oderKinderfeste). Als nun den Nachbar-schaftsbüros die Schließung drohte,erklärten sich die Wohnungsunterneh-men relativ schnell zur erweitertenUnterstützung bereit. In mehrerenGesprächen, an denen auch die sozial-politischen Sprecher der Bürgerschafts-fraktionen der CDU und der SPD teil-nahmen, wurde eine Kooperationentwickelt, die auf der vollständigenÜbernahme der Sachkosten der Nach-barschaftsbüros für zunächst zwei

Jahre basierte. Insgesamt wurde so einBetrag von über 60.000 Euro zugesagt,den die Unternehmen untereinanderauf die Zahl ihrer Wohnungen in denEinzugsbereichen der Nachbarschafts-

büros verteilten (3,– Euro je Wohnung).Im Gegenzug sicherte die HansestadtLübeck den Erhalt aller Nachbarschafts-büros zu.

Uneinigkeit herrschte zunächst überdie Verwaltung der finanziellen Mittel,die von den fünf Nachbarschaftsbürosfür Sachmittel eingesetzt werden soll-ten. Favorisierten die Wohnungsunter-nehmen zunächst aus der Motivationeiner untereinander nachvollziehbarenVerteilung der Mittel die Bildung eineseigenen Fonds für jedes der fünf Nach-barschaftsbüros, so wurden bereitsnach kurzer Zeit sämtliche Mittel ineinem gemeinsamen Fonds zusam-mengeführt, um einen flexibleren Ein-satz der Mittel zu ermöglichen.

Auf der Basis eines Eckwertepapierswurde eine formelle Kooperationsver-einbarung entwickelt, die die Unter-nehmen mit der Kultursenatorin derStadt im Mai 2005 unterzeichneten.Neben der Mitfinanzierung bildete dieinstitutionalisierte Zusammenarbeitden Schwerpunkt der Vereinbarung.Dazu wurde ein Beirat ins Leben geru-fen, dem neben Vertretern der Stadtauch jeweils ein Vertreter jedes dersieben Wohnungsunternehmen ange-hört. In diesem Beirat, der zweimaljährlich zusammentritt, werden Tätig-keitsberichte entgegengenommensowie Zielvereinbarungen für dieArbeit der Nachbarschaftsbürosgemeinsam fixiert. Es werden zwarauch konkrete Angebote entwickelt,die Mitarbeiter der Nachbarschaftsbü-ros haben aber letztlich freie Hand beider Gestaltung ihrer Quartiers- undNachbarschaftsarbeit. Ihre Unabhän-gigkeit soll gewahrt bleiben, damit dieNachbarschaftsbüros weiter auch alsInteressenvertretung der Bewohnerfungieren können und nicht als ver-längerter Arm der Vermieter empfun-den werden. Durch die Arbeit in denBeiräten können die Unternehmen ihreKompetenz in der Quartiersarbeit er-weitern und ihre Mitarbeiter für dieBedeutung dieser Tätigkeiten, auch fürden wirtschaftlichen Unternehmens-erfolg, sensibilisieren. Damit kommtdie zunächst auf die bestehendenStandorte beschränkte Kooperationauch anderen Wohnquartieren zu Gute.Mittelfristig sind mindestens zwei neueStandorte von Nachbarschaftsbürosgeplant.

Abb. 1: Standorte und Einzugsbereicheder Nachbarschaftsbüros

Abb. 2: Aufgaben der Nachbarschaftsbüros

Allgemeines sozialesBeratungsangebot

Niedrigschwelliges Angebot zurVermittlung weiterführenderBeratungs- und Hilfsangebote derHansestadt Lübeck sowie freierTräger.

Angebote für Kinder undJugendliche

Spiel- und KrabbelgruppeKinderkinoTägliche, kostenlose Hausaufgaben-hilfe für Schulkinder Deutschförderung für KinderMädchentanzprojekt Ferienfahrten für Kinder einkom-mensschwacher Familien

Angebote für Erwachsene

NachbarschaftsfrühstückGesprächskreiseHobbygruppenSeniorInnengruppenDeutschkurse für Migrantinnen

Feste und Aktionen

Quartiers- und StraßenfesteBetreuung von ReinigungsaktionenBeteiligungsaktionen (z.B. Spiel-platzplanung)

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55wohnbund-informationen 2+3/2005

Nachbarschaftliches Wohnen im Quartier

Bedeutung von Gemeinschafts-räumen für die die aktivierendeQuartiersarbeit

Die Grundstücks-Gesellschaft „Trave“hat 2002 mit der Schaffung eines sog.Gemeinschaftsraumes in einem Wohn-komplex mit 160 Sozialwohnungen inder Lübecker Stargardstraße, einemvorwiegend von MigrantInnen bewohn-ten Quartier mit sehr hohen Kinderan-teil, versucht, durch ein wetterunab-hängiges Raumangebot außerhalb derPrivatwohnungen eigene Aktivitätender Bewohner und die nachbarschaft-lichen Beziehungen zu fördern. ImGemeinschaftsraum stand auch einekomplett ausgestattete Küche zur Ver-fügung. Die Bewohner des Quartierskonnten den Gemeinschaftsraum nachAnmeldung für eigene Aktivitäten nut-zen. Diese reichten von einem regel-mäßigen Nachbarschaftsfrühstück einertürkischen Frauengruppe bis zur Kon-firmationsfeier oder Kindergeburtstagen,selbst organisierte Nutzungen also miteinem vorwiegend privaten Charakter.

Erst durch die Zusammenarbeit mitdem Nachbarschaftsbüro St. Lorenzkonnten breitere und regelmäßigeAngebote mit geringer Zugangsschwellegeschaffen werden, die mittlerweilean allen Wochentagen den Raum gutauslasten. Ohne die Existenz wiederumdes Gemeinschaftsraumes, für den die„Trave“ sowohl die Betriebs- als auchdie Reinigungskosten übernimmt (eineMiete fällt nicht an), könnten dieseAngebote nicht im Wohnquartier exis-tieren. Entscheidend für die Annahmedurch die Bewohner ist die räumlicheNähe zum täglichen Lebensbereich.

Nach den guten Erfahrungen mit demersten Gemeinschaftsraum hat die„Trave“ 2004 in einem Neubau mit 31großen geförderten Wohnungen imErdgeschoss eine Wohnung für dieAktivitäten des NachbarschaftsbürosSt. Lorenz im Wohnquartier Bergen-strasse/Ritterstraße bereit gestellt. Zuden rund 90 qm Nutzfläche gehörenauch hier die Küche und Sanitärein-richtungen, hinzugekommen ist einBüroraum für das Nachbarschaftsbüro,das für regelmäßige Sprechstundengenutzt wird. Seit dem Sommer 2005werden die Gemeinschaftsräume auchvon verschiedenen LOS-Projekten(Lokales Kapital für soziale Zwecke) ge-nutzt (z.B. Deutsch- und Mathematik-Förderung für erwachsene Migranten,Fahrradwerkstatt).

Ausblick – Ausweitung desAngebotes geplant

Viele Wohnungsunternehmen habenmittlerweile die Bedeutung und denWert der Förderung von Nachbarschaf-ten und professioneller Quartiersarbeiterkannt. Auch wenn diese nicht alseine primäre Aufgabe der gewerblichenWohnungswirtschaft verstanden wer-den darf, so sind die Unternehmen gutberaten, sich Kooperationspartner füreine institutionalisierte und langfristigangelegte Quartiersarbeit zu suchen.Mit dem Modell der Kooperation zwi-schen den Lübecker Wohnungsunter-nehmen und der Hansestadt Lübeckbei den Nachbarschaftsbüros wurdeein Beispiel einer solchen Zusammen-arbeit skizziert.

Der weitere Erfolg der Kooperation, dersicher nur schwer anhand harter Indi-katoren messbar ist, wird ausschlagge-bend für die Schaffung weiterer Kapa-zitäten an neuen Standorten sein.Zwei weitere Nachbarschaftsbüros sindmittelfristig geplant. Das Problem blei-ben die begrenzten Finanzmittel derStadt, ohne eine Ausweitung der Per-sonalkapazitäten werden neue Nach-barschaftsbüros nicht zu betreibensein. Bei der klaren Aufgabenteilungwerden die Wohnungsunternehmendiese Kosten auch in Zukunft nichtübernehmen. Dafür kann aber dieBereitstellung von Gemeinschafts-räumen durch die Unternehmen dieGrundlage für betreute aber auchselbst organisierte Quartiersarbeitschaffen, die sich auf der Basis derbestehenden Nachbarschaftsbüros inzugeordneten aber weiter entferntenWohnquartieren entwickelt.

Dipl.-Geogr. Matthias Rasch (geb. 1970) istProkurist der Grundstücks-Gesellschaft „Trave“mbH, die die Kooperation für die beteiligtensieben Lübecker Wohnungsunternehmenentwickelt und begleitet hat. Bei der „Trave“,die zurzeit 8 800 Wohnungen bewirtschaftet,verantwortet er u.a. die Bereiche Altstadt-sanierung, Bestandsentwicklung, Sozial-management und Öffentlichkeitsarbeit.

Abb. 4: Neubau Visbystraße/Trappenstraße mit GemeinschaftsraumAbb. 3: Nachbarschaftsfrühstück

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wohnbund-informationen 2+3/200556

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Britta Tornow

Neue, selbst verwaltete Treffpunkte in einem Wohnquartier der60er Jahre – das Beispiel Flensburg Engelsby

Die Förderung der Nachbarschaft unddie Schaffung neuer Treffpunkte fürdie Bewohner gehören mit zu den zen-tralen Aufgaben im Rahmen der Quar-tierserneuerung. Vielfältige Beispielefinden sich in den neun Gebieten, diein Schleswig-Holstein auf der Grund-lage des Förderprogramms „SozialeStadt“ erneuert werden: So baute inder Flensburger Neustadt das lokaleWohnungsunternehmen zwei Woh-nungen zu einem Elterntreffpunkt um,im Lübecker Stadtteil Hudekamp wur-den in die Erdgeschosszonen derHochhäuser zahlreiche Nachbar-schaftseinrichtungen wie Teestube,Cafe, Spielstube integriert und in derBöcklersiedlung in Neumünster unter-stützt eine Nachbarschaftsinitiativeältere und kranke Bewohner durchpraktische Hilfen im Alltag.

Das „Pilotprojekt Flensburg Engelsby“ist ein Beispiel dafür

l wie durch Kooperation zwischenbürgerschaftlichem Engagement,öffentlichen Stadtteileinrichtungenund Wohnungsunternehmen eindifferenziertes Angebot neuer Treff-punkte für verschiedene Bewohner-gruppen geschaffen werden konnte;

l wie Nutzung und Betrieb weitge-hend in die Hand von Nutzer gelegtwerden konnten;

l wie ein Konzept in einem jahrelan-gen gemeinschaftlichen Lernprozesswachsen konnte und sich auch nachAbschluss des Erneuerungsverfahrenskontinuierlich weiter entwickelt undzu neuen Projekten geführt hat.

Die Flensburger Siedlung Engelsbyentstand in den 60er Jahren nach demLeitbild der gegliederten und aufgelo-ckerten Stadt. Die Bebauung bestehtaus drei- bis viergeschosseigen Zeilen-bauten und mehreren Punkthochhäu-sern und umfasst 955 Wohneinheitenin 2-, 3- und 4-Zimmerwohnungen.Bauliche Verfallserscheinungen, eineveränderte Sozialstruktur und starkeDefizite im Wohnumfeld führten in den90er Jahren zu einem Imageverlust der

Siedlung, der sich in zunehmendenLeerständen und einer negativenBerichterstattung in der Presse äußer-te. Diese Situation veranlasste dieStadt Flensburg 1994 ein Stadterneue-rungsverfahren einzuleiten. Im Zeit-raum 1996 bis 2002 wurde ein breitesSpektrum an Maßnahmen realisiert.Die Sanierung der Hochhäuser und dieUmgestaltung des Freiraums wurdendurch vielfältige soziale Projekte undneue Serviceangebote ergänzt: Betreu-tes Wohnen und eine Servicestationfür Senioren, eine lokale Polizeistation,ein Bürgertreff und eine intensiveMieterbetreuung des Wohnungsunter-nehmens gehören zu den wichtigstenMaßnahmen. Das „Pilotprojekt Flens-burg Engelsby“ wurde noch auf derGrundlage des Landesprogramms zurStädtebauförderung gefördert, gilt abermit seinem integrierten Handlungs-ansatz heute als Vorläufermodell fürdie „Soziale Stadt“.

Wie in vielen anderen Stadtrand-siedlungen gab es in Engelsby einDefizit an Treffpunkten sowie kulturel-len und Freizeitangeboten für dieBewohner. Die Erhöhung der Aufent-haltsqualitäten im Wohnumfeld unddie Schaffung neuer Treffpunkte waren

deshalb wichtige Bausteine desErneuerungskonzeptes. Über einenZeitraum von mehreren Jahren wurdeein differenziertes Konzept umgesetzt,das die spezifischen Bedarfe der ver-schiedenen Alters- und Bevölkerungs-gruppen berücksichtigte:

l Ein ehemaliges Heizwerk wurdezum Bürgertreff umgebaut.

Nachbarschaftliches Wohnen Flensburg-Engelby

Treffpunkt vor dem Gemeinschaftsbereich imPunkthochhaus

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57wohnbund-informationen 2+3/2005

Nachbarschaftliches Wohnen im Quartier

l Für die Kinder und Jugendlichenwurden mehrere abschließbareHütten an verschiedenen Siedlungs-standorten errichtet.

l Die Gruppe der älteren Jugendlichen,die vornehmlich aus Aussiedler-familien stammen, erhielt eine eigeneAktivitätsfläche mit einem Treff-punkt am Siedlungsrand.

l Ein neuer Stadtteilpark bietet sichmit Skatinganlage, Ballspielfeldern,BMX-Bahn und Ruhebereichen alsTreffpunkt an.

l In zwei Punkthäusern wurden meh-rere Wohnungen zu einem Gemein-schaftsbereich für die Senioren unddie übrigen Bewohner umgebaut.

Kooperation der Akteure

Den Rahmen für die Initiierung undEntwicklung dieser Projekte bildete bis1999 der „Runde Tisch Engelsby“, andem neben den Planern die Stadtteil-experten wie der Bürgerverein und diesozialen Einrichtungen im Gebiet, Ver-treter der kommunalen Ämter, dieörtlichen Politiker und die beiden Woh-nungsunternehmen beteiligt waren.Seit sechs Jahren ist das moderierteStadterneuerungsverfahren abge-schlossen. Damit sind auch die forma-len Beteiligungsverfahren beendet undunserer Einsatz als Planer begrenztsich seitdem auf eine „Begleitung imHintergrund“, motiviert durch die per-sönlichen Kontakte, die in den Jahrender Zusammenarbeit gewachsenwaren. Trotzdem hat sich der Erneue-rungsprozess bis heute fortgesetzt:Damals geplante Projekte sind zumAbschluss gekommen, neue hinzuge-kommen. Der Runde Tisch bestehtnach wie vor – ideell in den Köpfender Beteiligten und praktisch in denArbeitsgruppen, die für die Umsetzungder Projekte gebildet oder neu aktiviertwerden. Das anfangs formulierte Ziel,im Stadtteil selbst tragende Strukturenzu schaffen, scheint weitgehend gelun-gen – worauf ist dies zurückzuführen?

l Der „Runde Tisch Engelsby“ hat imLaufe seiner Existenz ein Klima derKommunikation und Kooperationgeschaffen, das in ein gemeinsamesVerantwortungsgefühl vieler ver-schiedener Partner für Projekte mün-dete. Dieses Kontaktnetz besteht bisheute und hat sich gerade ange-

sichts des Experimentiercharaktersund der „Unplanbarkeit“ der meistenProjekte bewährt.

l Ein Grundpfeiler der Kontinuität istdas „Bürgerforum Engelsby“, einStadtteilverein, der kontinuierlichfür die Akzeptanz auch umstrittenerund schwieriger Projekte in derÖffentlichkeit sorgte, sich um Spon-soring und Förderung neuer Projektebemühte und sich zu einem profes-sionellen Partner der Verwaltungund Politik entwickelt hat. NachAbschluss der Sanierung ist ein Teilder professionellen StadtteilakteureMitglied dieses Stadtteilvereinsgeworden.

l Als ein Baustein der sozialen Ver-netzung im Stadtteil wurde 1998erstmals ein Stadtteilfest initiiert dasdiese Funktion bis heute erfüllt.

Bürgertreff Heizwerk Engelsby

In diesem Artikel sollen zwei Projektevorgestellt werden: Der BürgertreffHeizwerk und das Hüttenkonzept fürdie Kinder- und Jugendlichen.

Ein Bürgertreff im Stadtteil war einfrühzeitiges Anliegen des RundenTisches. Es gab jedoch keine realisti-sche Aussicht auf einen Neubau, aucheine personelle Ausstattung des Treffswurde von kommunaler Seite ausge-schlossen. In der Folge der Dezentrali-sierung der Übergabestationen derFernwärme in der Siedlung wurdejedoch das Heizwerk der Siedlung frei

und von dem kommunalen Wohnungs-unternehmen zur mietfreien Nutzungangeboten. Das kleine, unmittelbar aneinen Wohnblock angebaute Gebäudeerwies sich als einzige, wenn auchnicht optimale Lösung. Mit Städtebau-förderungsmitteln wurde das 70 qmgroße Gebäude umgebaut und miteinem Mehrzweckraum, Küche undsanitären Einrichtungen ausgestattet.Eine aus dem Kreis des RundenTisches gebildete Arbeitsgruppe ent-

wickelte im Vorfeld ein Betriebs- undNutzungskonzept für das neue Gemein-schaftshaus. Für die Trägerschaftwurde ein Verein gegründet, der denBürgertreff bis heute erfolgreichbetreibt. Der Bürgertreff wird für ver-schiedenste Aktivitäten genutzt: Tref-fen von festen Gruppen und Vereinen,kulturelle Veranstaltungen, geselligeoffene Angebote des Bürgerforums undprivate Feiern. Betrieb und Betreuungerfolgen nach wie vor ausschließlich inehrenamtlicher Arbeit; mit den Ein-nahmen können lediglich die Betriebs-kosten gedeckt werden.

Der neue Bürgertreff in einem alten Heizwerk

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wohnbund-informationen 2+3/200558

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

Jugendaktivitätsfläche undJugendhütten

Nachdem mit dem Bürgertreff die„Wünsche der Erwachsenen“ inEngelsby erfüllt waren, waren sich alleam Planungsprozess Beteiligten einigdarüber, dass zukünftig die Belangeder Kinder und Jugendlichen im Fokusstehen sollten. Zwar verfügten dieJugendlichen in Engelsby mit einemkirchlichen Jugendzentrum und einemdänischen Freizeitheim über ver-gleichsweise gute Angebote. Die insti-tutionellen Freizeitangebote werden –wie in anderen Stadtteilen auch –jedoch nur von einer kleinen Gruppevon Jugendlichen angenommen. Gera-de die älteren Jugendlichen auf derSchwelle zum Erwachsenen-Seinwünschen sich eigene Räume, wo siesich ohne Betreuung und Kontrolleaufhalten können. Die Schaffung sol-cher „Aneignungsräume“ wird deshalbvon der kommunalen Kinder- undJugendförderung als wichtige Ergän-zung zu den bestehenden Jugendein-richtungen gesehen. Auch die Stadt-und Landschaftsplanung der StadtFlensburg hat das Thema der Aktions-räume für Jugendliche aufgegriffenund in die Landschaftsplanung inte-griert, besondere Bedeutung wird in

geführt hatte. Im Stadtteil gab es seitJahren konkurrierende Jugendcliquen.Vor allem zwischen Jugendlichen ausden Aussiedlerfamilien, die im Stadtteilstark vertreten sind, und anderenJugendcliquen machten sich deutlicheAbgrenzungsbestrebungen bemerkbar.

Vor diesem Hintergrund bildete sichaus dem Runden Tisch heraus eine

diesem Zusammenhang dem „Strei-fraum“ zwischen den bebauten Sied-lungsbereichen zugemessen. In Engelsby war es vor allem die Gruppeder jungen Aussiedler, die den Wunschin Bezug auf eigene Räume äußerte.Die Jugendlichen trafen sich auf Spiel-plätzen und dem Schulhof der Gesamt-schule, was wiederholt zu Konfliktenmit den Anwohnern und der Schule

Die Polizisten in Engelsby gehören mit zu den aktiven Unterstützern der Jugendhütte

Die „Aktivitätsfläche“ mit Jugendhütte

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59wohnbund-informationen 2+3/2005

Nachbarschaftliches Wohnen im Quartier

Arbeitsgruppe, die sich zum Ziel setzte,in Engelsby neue Treffpunkte für Kin-der und Jugendliche zu schaffen.Beteiligt waren das BürgerforumEngelsby, Vertreter der kommunalenJugendförderung sowie der Stadt- undLandschaftsplanung, die örtliche Poli-zeistation, das kirchliche Jugendzen-trum und das Kontaktbüro für Aussied-ler. In verschiedenen Phasen desProzesses wurden die Jugendlichenselbst in die Planung einbezogen. Daserste Projekt dieses Arbeitskreisesrichtete sich vor allem an die Gruppeder jugendlichen Aussiedler.

Die Phase der gemeinsamen Kon-zeptfindung zog sich über einen länge-ren Zeitraum hin – es gab kaum Vor-bilder für ein derartiges Projekt. Beiden Beispielen aus anderen Kommu-nen handelte es sich meist um offeneUnterstände auf Spiel- und Sportplät-zen – mit abgeschlossenen Gebäudenim Freiraum, die von den Jugendlichenselbst verwaltet werden, lagen dage-gen keine Erfahrungen vor. Das kirch-liche Jugendzentrum betreute jedochbereits seit einigen Jahren eineabschließbare Hütte im Stadtteilpark,die von den jeweiligen Gruppeneigenständig genutzt wurde. Die sehrwechselvolle Geschichte dieser Hütte(sie fiel mehrfach der Brandstiftungzum Opfer) hatte zwar immer wiederUnsicherheit – bei der Verwaltung,den Politikern und in der Öffentlichkeit– über die Machbarkeit selbst verwal-teter Hütten im Freiraum hervorgeru-fen, nicht aber zur Aufgabe der Ideegeführt. Im Gegenteil: Die Problememotivierten die Stadtteilakteure, dieAngebote für Jugendliche zu erwei-tern, während das Jugendamt einKonzept für selbst verwaltete Jugend-hütten auf gesamtstädtischer Ebeneentwickelte.

Schließlich trugen praktische Grün-de zur Entscheidungsfindung bei.Nachdem im Laufe des Prozesses dieIdeen von einem Hüttendorf (für jedeGruppe eine Hütte) über den Neubaueines Gebäudes bis zu einem einfa-chen Unterstand geschwankt hatten,stellte im Jahr 2003 die HochschuleFlensburg eine im Rahmen des Hoch-schulbaus genutzte Baracke zur Verfü-gung. Nach dem Umbau stehen denJugendlichen auf 150 qm zwei großeRäume, eine Teeküche und Toilette zurVerfügung.

Der Standort, eine Brachfläche am

Siedlungsrand in unmittelbarer Näheder Gesamtschule, erfüllte die gefor-derten Kriterien für den Treffpunkt:Eine zentrale Lage, aber außerhalb dergeschlossenen Bebauung, die Nähe zurPolizeistation und eine günstigeAnfahrmöglichkeit. Das 4000 qm großeGelände wurde mit einem Beachvol-leyball-Feld, einem Basketballkorb undTischtennisplatten ausgestattet. DiePlatzierung der Hütte erforderte dieAufstellung eines Bebauungsplanes.Das Gelände wurde als Grünflächeausgewiesen, zusätzlich wurde dieZweckbestimmung „Jugendaktivitäts-raum“ festgesetzt. Das Bebauungsplan-verfahren war mit Einwendungen derwenigen direkten Nachbarn verbun-den, die jedoch nicht zur Aufgabe desStandortes führten.

Der Stadtteilverein „BürgerforumEngelsby“ hat die Trägerschaft für denJugendtreffpunkt übernommen underhält eine jährliche Zuwendung fürden Betrieb. Der Terffpunkt verfügtüber keine eigene personelle Ausstat-tung. Das von der Arbeitsgruppe ent-wickelte Betriebskonzept geht davonaus, dass die Jugendlichen Geländeund Gebäude eigenständig und selbst-verantwortlich nutzen, dies aber nichtvon Anfang an bewältigen können. DieStadtteilakteure haben sich deshalbverpflichtet, tageweise als Ansprech-partner zur Verfügung zu stehen. Siebieten – gemeinsam mit den „Sport-piraten Flensburg“ einer Art Streetwor-ker im Sportbereich – vereinzelt auchAktivitäten auf dem Gelände an, die

meiste Zeit halten sich die Jugendli-chen jedoch ohne Anwesenheit vonErwachsenen auf dem Gelände auf.Die Selbstverwaltung der Schlüsselhaben die Jugendlichen nach einerProbephase selbst übernommen.Wöchentlich findet ein Treffen derJugendlichen mit der Streetworkerin,monatlich mit allen beteiligten Akteu-ren statt, um Probleme und organisato-rische Fragen zu klären. Bislang wirdder neue Treffpunkt vor allem voneiner großen Gruppe jugendlicherSpätaussiedler und Albaner genutzt.Eine Nutzung durch weitere Gruppenwird jedoch – auch im Sinne der Inte-gration – gewünscht und angestrebt.Das Angebot an Treffpunkten für Kin-der und Jugendliche in Engelsby istbis heute kontinuierlich erweitert wor-den: In diesem Jahr wurde die abge-brannte Hütte im Stadtteilpark wiederaufgebaut und in einem anderen Sied-lungsteil entstand eine neue Hütte füreine etwas jüngere Altersgruppe.Zusammen mit der Schutzhütte desNaturkindergartens, deren Zielgruppedie kleineren Kinder mit ihren Elternsind, haben sie schon einen großenTeil des gewünschten Netzes an Treff-punkten für unterschiedliche Alters-gruppen und Cliquen im Stadtteilgeknüpft.

Britta Tornow, Stadtplanerin, Mitarbeit amPilotprojekt Flensburg Engelsby, Vorstand im wohnbund e.v.

Treffpunkt am Basketballkorb

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wohnbund-informationen 2+3/200560

Angelika Sennlaub

Wohnen mit Commons: Einflussfaktoren auf die Akzeptanz vonGemeinschaftsbesitz im Wohnalltag. Eine qualitative Studie

Dissertation

Einrichtung ist, entscheidend ist viel-mehr die Verfügungsgewalt der Nutzer-gruppe.

Die forschungsleitende Frage lautet:Gibt es (planbare) Faktoren im Wohn-objekt, die das Akzeptanzverhalten derBewohner beeinflussen? Dieser Fragewird empirisch nachgespürt. Diegewonnenen Daten werden Erkennt-nissen aus der Wohnforschung (vgl.z.B. Brech 2000, Andersen 1989, Han-son 1996) und aus der Common-Pro-perty-Forschung (s.o.) gegenüberge-stellt und interpretiert.

Hintergrund ist die Suche nach einerzukunftsfähigen Wohnweise: In sozia-ler wie in ökologischer Hinsicht birgtunser Wohnen Probleme wie (empfun-dene) Isolation oder ausuferndenPlatzverbrauch. Die Ergebnisse derStudie umfassen deshalb 1. Einfluss-faktoren auf die Akzeptanz vonGemeinschaftsbesitz im Wohnen, diehier dargestellt werden; daraus abge-leitet werden 2. Aussagen darüber,wie nachhaltig solche Wohnformensein können (nachzulesen in Sennlaub2005a, 2005b). Commons im Wohnenkönnten ein Baustein sein in derSuche nach zukunftsfähigen Konzep-ten für das „integrale ökologische undnachhaltige Bauen“, wie es im The-menheft der wohnbund informationen1/2003 gefordert wird. Sie könnten die„Orientierung von reinen Ökologie- zuNachhaltigkeitskonzepten“ bieten, weilnur im Verbund mit sozialen und öko-nomischen Vorteilen ökologische Ver-besserungen tragfähig werden.

Die Wohnobjekte

Die Studie basiert auf der Analyse von14 Objekten, in denen Commons exis-tieren. Die Stichprobe ist breit ange-legt: Sie reicht von kleinen Wohnob-jekten wie dem Haus mit zwei Parteien

bis hin zu einem großen mit 90. Sieumfasst ländliche Fälle, wie dieGemeinschaft von drei Musikerhaus-halten, ebenso wie städtische, wie dasstudentische Projekt mit 11 Wohnun-gen. Sie schließt sowohl eigeninitiier-te, Objekte wie die Baugemeinschaftvon 14 Familien, als auch fremdinitiier-te, wie die Hausgemeinschaft mit elfälteren Damen, ein. Sie berücksichtigtgeglückte Wohnformen, wie die Haus-gemeinschaft im sozialen Wohnungs-bau, in der 27 Haushalte über mehrereRäume gemeinsam verfügen, ebensowie nicht geglückte, wie das Haus mit30 Parteien, in dem ein Dachgeschossmit Sauna, Partyraum und Dachterras-se für alle zur Verfügung steht, abernicht genutzt wird. Es beinhaltetObjekte mit nur einem Common wiedem Mietshaus, in dem 9 Parteien dieTreppenhausreinigung gemeinsamorganisieren und finanzieren, bis hinzu solchen wie in der ländlichenLebens- und Arbeitsgemeinschaft mitsechs Familien, in der alles gemeinsa-mes Eigentum, ein Teil aber in eineprivate Verantwortung gegeben wor-den ist (Autos, private Wohnräume).Die Fälle unterscheiden sich in vieler-lei Hinsicht. Eine Typenbildung, die zuAussagen führen könnte, ob bestimmteHaushaltstypen eher für ein Wohnenmit gemeinschaftlichem Besitz in Fragekommen als andere, wurde nicht vor-genommen; ebenso wurde der politi-sche Hintergrund (Fördermaßnahmenusw.) weitgehend unberücksichtigtgelassen. Es wäre aufschlussreich,diesen Fragen in weiteren Studien zufolgen.

Das Ergebnis: Fünf zentrale Thesenund ihre Bedeutung für die Planung

Im Ergebnis der Untersuchung werdenfünf Thesen formuliert. Zentral scheint:

Unsere Wohnweise scheint in eineSackgasse geraten zu sein: Immer grö-ßere Wohnungen werden für immerweniger Menschen mit immer größe-ren Mengen an Gütern ausgestattet.Deshalb werden zunehmend ökologi-sche und soziale Auswirkungen unse-res Wohnens diskutiert und eineÄnderung der Leitbilder gefordert.Selbstverfügte, gemeinschaftliche Nut-zungsstrategien könnten ein Ansatzsein. Mögliche Chancen sind unbestrit-ten – dennoch fristet diese Strategieein Nischendasein.

In meiner Doktorarbeit bin ich die-sem Phänomen in einer qualitativenAnalyse nachgegangen (Sennlaub2005a). Die Studie fragt nach denUmständen, die die Akzeptanz derBewohner für Gemeinschaftsbesitz för-dern beziehungsweise hemmen. DieErgebnisse sollen in der Wirklichkeitvon Wohnenden wie auch von Woh-nungsanbietern genutzt werden kön-nen.

Begriff, Fragestellung undHintergrund

Beim Wohnen mit Commons handeltes sich um eine Gruppe von Haushal-ten, die mindestens eine Einrichtunggemeinsam nutzen und darüber verfü-gen. Der Begriff „Common“ leitet sichab von Common Property, alsoGemeinschaftsbesitz bzw. -eigentum.Er nimmt Bezug auf die Diskussion umGemeinschaftsbesitz im Alltag, die imNachhaltigkeitskontext geführt wird(z.B. Scherhorn 2000, Bromley 1992).Im Wohnen können Commons Innen-und Außenflächen, Haus- und Haus-haltstechnik oder andere Güter sowieDienstleistungen sein. Ein Commondefiniert sich nicht über die Frage derEigentümerschaft: Entscheidend istnicht, wer juristischer Eigentümer der

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61wohnbund-informationen 2+3/2005

Dissertation

Eine Akzeptanz des Wohnens mitgemeinschaftlichem Besitz wird sichnur in der Summe von Wechselwir-kungen zwischen mehreren Faktorenherstellen. Diese betreffen neben den(von außen) planbaren Bedingungenauch die von den Bewohnern getrage-nen Strategien. Um eine Wohnsituationzu beurteilen oder zu beeinflussen, istes deshalb unabdingbar, die Thesen inihrer Gesamtheit zu betrachten.

These 1: Gemeinschaftsbesitzbraucht Gemeinschaft

Das bedeutet: Wohnen mit Com-mons scheint nur im Rahmen einersozialen Gemeinschaft zu funktionie-ren. Wenn diese Gemeinschaft nichtbesteht oder nicht gewollt ist, sollte esvorgezogen werden, gemeinsamgenutzte Güter als fremdorganisierteDienstleistung anzubieten.

Relevanz: Dass diese These nicht sobanal ist, wie es scheinen mag, wirdbei der Betrachtung von Wohnwirk-lichkeit deutlich. Wie soll zum Beispielein Gemeinschaftsraum im sozialenWohnungsbau verwirklicht werden –unter der Verwaltung der Bewohneroder als Angebot, das über den Ver-mieter organisiert ist?

Planung: Stimmt diese These, dannist die Selbstverwaltung von Einrich-tungen nur dort sinnvoll, wo dieBewohner sich in irgendeiner Art undWeise als Wir empfinden können undsollen. In der Analyse sind Zusammen-hänge deutlich geworden, die wesent-lichen Einfluss auf die Bildung einersolchen räumlich nahen Alltagsge-meinschaft haben:

l Homogenität: Je homogener dieGruppe der Haushalte ist, desto grö-ßer scheint die Chance des Gelin-gens eines Wohnens mit gemein-schaftlichem Besitz.

l Größe: Zu große und zu kleine Grup-pen scheinen die Bildung und/ oderdie Stabilität einer sozialen Gemein-schaft zu erschweren. Die Daten

weisen darauf hin, dass Projekte ineinem Größenspektrum von einemknappen bis drei Dutzend Haus-halten stabiler sind als davon ab-weichende.

l Wohnraum: Je näher sich die Mit-glieder emotional stehen, desto grö-ßer scheint ihr räumlicher Bedarf.Dabei ist vermutlich nicht allein dasprivate Raumvorhandensein aus-schlaggebend: In einigen Fällenscheint die Bereitschaft zu beengte-ren privaten Verhältnissen erhöht,wenn sehr viel gemeinsamer Raumvorhanden ist. Demnach werden essolche Gruppen, die extrem dichtbauen und wenig privaten Platz zurVerfügung haben, schwerer habenals solche, die über ausreichendenRaum verfügen können.

These Bedeutung für die Planung

These 1

Gemeinschaftsbesitz brauchtGemeinschaft

l Homogene Gruppe

l Größe: etwa ein bis drei DutzendHaushalte

l Ausreichend gemeinsamer und/ oderprivater Wohnraum

These 2

Wohnen mit Commons ist kulturellgeprägt

l Wohnfläche mindestens so groß wiekulturell üblich

l Freiwilligkeit und Flexibilität imUmgang mit gemeinschaftlichemBesitz

l Räumliche Flexibilität

l Mitbestimmung der Bewohner

These 3

Die Regulation von Privatheit undGemeinschaft erfolgt multidimensionalund flexibel

l Begleitende Beratung vor allem inden ersten (fünf?) Jahren

l Zentrale Wohnfunktionen privat undgemeinschaftlich

l Flexibilität im Vorhandensein vonCommons, sowohl objekt- als auchsituationsspezifisch

l Ausreichend gemeinsamer und/ oderprivater Wohnraum

These 4

Rechte erfordern Pflichten

l Nicht allein Rechte für jeden derHaushalte, sondern auch Pflichten

l Bei Vermietung: Art und Übernahmeder Pflichten in Gruppenverantwor-tung

l Homogenität der Gruppe als Erleich-terung des Prozesses

These 5

Wohnen mit Commons grenzt sich vomUmfeld ab

l Wohnen mit Commons nicht als -Konglomerat von Gleichgesinnten ineinem Wohnquartier?

Abb. 1: Fünf Thesen zur Akzeptanz von Gemeinschaftsbesitz im Wohnalltag

Abb. 2: Auf den Wohnfluren der Altenhausgemeinschaftsind die privaten und gemeinschaftlichen Bereiche nichtstreng voneinander getrennt. Im Wohnflur des erstenStocks hängen Schlüssel für jede Wohnung, als Vorsorgefür Notfälle.

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wohnbund-informationen 2+3/200562

Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Schleswig-Holstein

These 2: Wohnen mit Commons istkulturell geprägt

Das bedeutet: Weil jedes Wohnenkulturgeprägt ist, kann auch ein Woh-nen mit Commons nicht losgelöst vomkulturellen Umfeld gesehen werden.Das betrifft die Auswahl an Gemein-schaftseinrichtungen ebenso wie denUmgang damit.

Relevanz: Diese These gewinnt vorallem dann an Brisanz, wenn Wohnob-jekte durch Ansprüche Dritter geprägtsind. Das ist zum Beispiel der Fall,wenn sich die Frage nach dem Raum-bedarf stellt: Von einigen Planern wirddichte Bebauung mit der Erwartung anräumliche Nähe gekoppelt, was auchder heutigen ökologischen Zielstellungentspricht; im sozialen Wohnungsbauist das Verrechnen von Gemeinschafts-flächen mit privatem Platz aus Kosten-gründen üblich. Die Studie hingegenverweist auf die kulturelle Prägungunserer Erwartungen, die den Anspruchnach Privatheit und einer hohenWohnfläche mit „gutem Wohnen“gleichsetzen.

Planung: Stimmt diese These, dannmüssen kulturelle Entwicklungenstärker in der Planung berücksichtigtwerden. Das betrifft

l erstens die Erwartung an die privateWohnfläche, die im Wohnen mitCommons vermutlich mindestens sohoch liegt wie im Durchschnitt.

l zweitens den Umgang mit gemein-schaftlichem Besitz, der von Freiwil-ligkeit und flexiblen Regeln geprägtist (s.u.).

l drittens eine hohe räumliche Flexi-bilität, die sich verändernde Haus-haltstrukturen ermöglicht.

l schließlich eine weitgehende Mit-bestimmung der Bewohner. Sie solltezugelassen und gewollt sein, weildie Nutzer selbst am besten planeri-sche Ansprüche und eigene Wün-sche abgleichen können.

These 3: Die Regulation vonPrivatheit und Gemeinschaft erfolgtmultidimensional und flexibel

Das bedeutet: Die Bewohner wer-den Gemeinschaft und Privatheiterfahren und beides auch erwarten.Wesentlich scheint, das jeweilige Maßso weit wie möglich balancieren zukönnen – und zwar in verschiedenenSituationen jeweils neu und vielleichtanders.

Relevanz: Wir sind oft bemüht, das„Richtige“ herauszufinden im Umgang

miteinander und mit gemeinschaftli-chem Besitz und es in Konzepten zumanifestieren. Das scheint nicht zufunktionieren: Es muss zugelassen sein(und ausgehalten werden), dass derRegulationsprozess von sozialer Näheeine weitreichende Flexibilität erfor-dert, der starre Wahrheiten nichtzulässt.

Planung: Stimmt diese These, dannist es wichtig, Hilfestellung zu geben,die über das rein Räumliche hinaus-geht:

l Begleitende Beratung: Neben räum-lichen Bedingungen (ausreichendPlatz usw.) können Verhaltenswei-sen die Regulation von sozialerNähe ermöglichen. Die meisten vonuns sind heute in der Auseinander-setzung mit Nachbarn ungeübt. Des-halb sollten mindestens in derAnfangsphase des Wohnens dieParteien begleitend beraten werden,um Strategien des Miteinander-Umgehens zu entwickeln. DieBetroffenen nennen einen Zeitraumvon etwa fünf Jahren, in dem mansich „zusammengerauft“ habe.

l Gemeinschaftseinrichtungen: Zen-trale Wohnfunktionen sollten (auch)privat erfüllt werden können, so

Abb. 3: Im Garten der Baugemeinschaft können die Kinder geschützt spielen

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63wohnbund-informationen 2+3/2005

Dissertation

dass für jeden Bewohner die Mög-lichkeit besteht, das Maß an Kontaktgrößtmöglich zu regulieren. Dazugilt: Welche und wie viele Einrich-tungen es in welcher Form gibt,muss von der jeweiligen Nutzer-gruppe entschieden und unter Um-ständen verändert werden können.

l Wohnraum: Je sozial enger die Mit-glieder einander stehen, desto größerscheint ihr Platzbedarf zu sein (s.o.).

These 4: Rechte erfordern PflichtenDas bedeutet: Nur wer neben Rech-

ten auch Pflichten hat, scheint sich füreine Sache verantwortlich zu fühlen.Die gemeinschaftliche Organisationvon Einrichtungen kann nur funktio-nieren, wenn sie auch gemeinschaft-lich verantwortet wird.

Relevanz: Diese These spielt in derDiskussion um gemeinschaftliche Nut-zungsstrategien bisher kaum eineRolle. Ich vermute kulturelle Barrieren,denn Pflichten sind meist negativ kon-notiert, was dem Anliegen der „neuen“Wohnformen widerspräche. Interes-santerweise scheint es unwesentlichzu sein, in welchem Ausmaß Pflichtenübernommen werden: In allen Objek-ten sind ungleiche Pflichtenverteilun-gen akzeptiert, Zwang und starreRegeln werden als möglich abgelehnt,und wenn Regeln aufgestellt sind, istdie Ausnahme von der Regel meisterlaubt.

Planung: Stimmt diese These, dannsollten

l den Bewohnern nicht nur Rechtezugestanden, sondern von ihnenauch Pflichten gefordert werden,

l diese Pflichten aber im gemeinsa-men Aushandlungsprozess generiertund auf weitgehend freiwilligerBasis verteilt werden.

l Dabei ist entscheidend, dass dieAbsprachen den spezifischen Eigen-heiten der Gruppe entsprechen,weshalb eine homogene Gruppeauch hier von Vorteil sein wird.

These 5: Wohnen mit Commonsgrenzt sich vom Umfeld ab

Das bedeutet: Wenn das Wohnenmit Commons gelingt, dann wird sichein Ganzes herausbilden, das sich seg-regiert. Die Nutzergruppe wird dazuneigen, sich selbst zu genügen. In denanalysierten Fällen war das Phänomen

unterschiedlich stark ausgeprägt, aller-dings war sie in allen zu beobachten.Diese Tendenz wird durch die Einbet-tung in ein gleichgesinntes Umfeldverstärkt: Die Kontaktaufnahme zuanderen Menschen, unterschiedlichenLebensweisen und Anschauungenwird dann zunehmend überflüssig.

Relevanz: Auch wenn Segregationmehrheitlich negativ diskutiert wird,gibt es doch Stimmen, die positiveEffekte herausstellen, weil der Zusam-menhalt von Haushalten als positiv fürnachhaltige Konsummuster oder auchals integrationsfördernd angesehenwird. Hier besteht weiterer Forschungs-bedarf, um die zu erwartenden Vor-und Nachteile fundierter gegeneinanderabwägen zu können.

Planung: Stimmt diese These, dannhalte ich es für sinnvoll, die Verwirk-lichung von Quartieren, in denen sogenannte alternative Wohnformendominieren, zu überdenken, um einergroßflächigen Verinselung vorzubeu-gen (z.B. Freiburg Vauban). Eine mög-liche Alternative wäre es, Wohnarealemit Gemeinschaftsbesitz in eine „nor-male“ Wohnumgebung einzustreuen.Eine andere Strategie wäre, zwarganze Stadtteile umweltfreundlich zugestalten, dann aber in anderen Fak-toren Heterogenität herzustellen (z.B.Hannover Kronsberg).Die Tabelle fasst die Ergebnissezusammen.

Fazit

Das wesentliche Ergebnis der Untersu-chung ist: Wohnen mit Commons kannnur funktionieren, wenn eine starkeGemeinschaft unter den Mitgliedernexistiert. Das gewährt den HaushaltenSicherheit in der Bewältigung des All-tags, sie sind Teil eines Gruppengefü-ges, das in erster Linie auf gegenseitigePräsenz und verlässliche Hilfe im All-tag angelegt ist. Nur auf dieser Basisscheinen Bewohner dazu bereit, sichim Alltag über Einrichtungen mit ande-ren auseinanderzusetzen und diesenVorgang nicht als Zumutung zubetrachten.

Ich schließe daraus, dass Gemein-schaftsbesitz im Wohnen vor allemdort eine Chance haben wird, woMenschen soziale Eingebundenheit imAlltag suchen. Das scheinen aufgrundihrer geringeren Mobilität und eines

höheren Unterstützungsbedarfes vorallem Familien mit Kindern und ältereMenschen zu sein.

Dazu kommt: Vor dem Hintergrundder demographischen Entwicklungund sich leerenden öffentlichen Kassenwerden in Zukunft mehr und mehrSelbsthilfeinitiativen gefordert sein, uminfrastrukturelle, öffentliche Angebotezu entlasten. Hier wird vermutlich eineöffentliche Akzeptanz des Wohnensmit Commons ansetzen.

Photos: Angelika Sennlaub

Literatur:

Andersen, Hans Skifter (1989): HousingCommunities in Denmark. In: Brech, Joachim(Hrsg.): Neue Wohnformen in Europa.Berichte des 4. internationalen Wohnbund-Kongresses in Hamburg. Darmstadt, S. 251-260

Brech, Joachim (2002): Wandel der Lebens-weisen – neue Wohnformen. Ein For-schungsbericht und eine Buchbesprechung.In: wohnbund-informationen 2/2000, S.25–27

Bromley, Daniel W. (1992): The Commons,Common Property, and EnvironmentalPolicy. In: Environmental and ResourceEconomics, 2/1992, S. 1–17

Hanson, Chris (1996): The CohousingHandbook. Building a place for community.Vancouver

Scherhorn, Gerhard (2000): Der Mythos desPrivateigentums und die Wiederkehr derCommons. In: Gerhard Scherhorn. Aufsätze1997-1999. Wuppertal, S. 49–61

Sennlaub, Angelika (2005a): Wohnen mitCommons zwischen Zumutung und Chance.Einflussfaktoren auf die Akzeptanz vonGemeinschaftsbesitz im Wohnalltag.München; Die Arbeit erscheint voraussicht-lich Ende Oktober

Sennlaub, Angelika (2005b): Wohnen mitCommons zwischen Zumutung und Chance– Die Zukunftsfähigkeit des Wohnens mitGemeinschaftsbesitz. In: GAIA 4/2005

Angelika Sennlaub, geb. 1960, Hotelfachfrau,Köchin und Ökotrophologin. 1995 bis 2000Studium der Ökotrophologie an der Universi-tät Gießen. 2000 bis 2005 Promotion. Arbeits-schwerpunkte: Zukunftsfähige Alltagsgestal-tung, Wohnökologie und nachhaltigeVersorgung. [email protected]

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wohnbund-informationen 2+3/200564

Das neue Anlegerschutzgesetz:

Gefährdet es die Eigenkapitalbeschaffung von Wohnprojekten?

uBG 2 – Mitgliederdarlehen:Vereine oder Genossenschaften leihensich ausschließlich von MitgliedernGeld, müssen dabei aber folgende Auf-lagen beachten:

1. Die Verwendung der Gelder muss imDarlehensvertrag genau bezeichnetwerden .

2. Zur Sicherstellung der vertragsge-rechten Verwendung müssen alleEin- und Auszahlungen über einanwaltliches Treuhandkonto (Treu-handvertrag abfassen) laufen.

3. Die Vertragslaufzeit darf maximal 10 Jahre betragen und kann vondem/der Geldgeber/in frühzeitiggekündigt werden, wenn einesoziale Notlage eintritt.

uBG 3 – NachrangdarlehenDie Gelder fließen als nachrangigeBeteiligungen. Umgangssprachlichausgedrückt: Geht das Projekt „pleite“,bekommen erst alle Anderen ihr Geld,erst danach die Zeichner/innen dernachrangigen Beteiligungen. Im Dar-lehensvertrag muss das so eindeutigformuliert sein.

uBG 4 – bankmäßig SicherheitDieser Weg bietet sich nur für größereBeträge an. Jedem/r Darlehensgeber/inwird eine separate, erstklassigeSicherheit zur Verfügung gestellt(Grundschuld, Bankbürgschaft etc.)

Die zuvor genannten Ausnahmenschließen zwar den Tatbestand einesunerlaubten Bankgeschäfts aus, nichtjedoch die grundsätzliche Prospekt-pflicht. Hierfür gelten andere Ausnah-men, von denen die Wichtigsten nach-folgend dargestellt sind (PP 1 – 4)

PP 1 – Die Privatplatzierung Sie gilt nur bei wenigen, gut bekann-ten und gut informierte Personen.

PP 2 – Begrenzte Platzierung

a) Es werden nicht mehr als 20 Anteile(bezogen auf die kleinste Stücke-lung) angeboten. Hier könnte auch

eine große Summe zusammen kom-men, wenn die Anteile entsprechendgroß sind. Oder

b) Für ein Angebot werden insgesamtnicht mehr als 100.000 € innerhalbvon 12 Monaten platziert.

PP 3 – GroßplatzierungenDer Preis jedes Anteils beträgt mindes-tens 200.000,– €. Hier geht man wohldavon aus, dass vermögende Men-schen auch die Möglichkeiten habensich angemessen bei Fachleuten zuinformieren.

Dieser Artikel kann die Problematiknatürlich nur kurz umreißen undbeschreiben. Eine Rechtsberatung istund kann er nicht sein. Es ist auchnicht ausgeschlossen, dass in Zukunftweitere Verschärfungen durch denGesetzgeber bzw. die BaFin veranlasstwerden.

Weitergehende Informationen inklu-sive der Prospektgestaltung bietet dieGLS Gemeinschaftsbank eG über ihreBildungsakademie an. Die Angeboteder GLS-Akademie findet man auf derhome-page unter www.gls.de.

Rolf Novy-HuyMitarbeiter der GLS-Gemeinschaftsbank,

Bochum

Informationen + Publikationen

Wer kennt schon das Anlegerschutz-verbesserungsgesetz (AnSVG), das am30.10.04 in Kraft getreten ist? Es sollAnleger/innen vor unseriösen Angebo-ten am grauen Kapitalmarkt schützen.Gesellschaften, die öffentlich Anteilezur Zeichnung anbieten, unterliegendiesem Gesetz und damit der Pflichtzur Erstellung eines „Prospektes“. Aberwas hat das mit der Eigenkapitalbe-schaffung von Projekten zu tun?

Nun, gerade größere Projekte „klap-perten“ in der Vergangenheit mit ein-fach gehaltenen Informationsblätternfür ihr Vorhaben. Um die 4% Zinswurden geboten, verbunden mit derFreude über die direkte Beteiligung aneinem Projekt. In der Vergangenheit,wie heute, verstößt dieses Vorgehenggf. gegen das Kreditwesengesetz(KWG). Danach ist das Sammeln vonEinlagen und die Annahme von rück-zahlbaren Geldern Banken vorbehal-ten, die dafür von der Bundesanstaltfür Finanzdienstleistungsaufsicht, kurzBaFin, eine Lizenz erhalten.

Was nun? Eine Banklizenz beantra-gen. Wohl nicht! Einen Prospekterstellen? Nicht sofort!

Unter 10.000 € Erstellungskosten istein Prospekt kaum zu haben. Wirt-schaftsprüfung und Fachanwälte, Gra-fik und Druck verschlingen viel Geld.Für die Abstimmung mit der BaFin wer-den dann noch starke Nerven gebraucht,weil die Prospekterstellung hohen for-malen Auflagen unterliegt. Man ist inder Behörde sehr detailfreudig!

Was bleibt übrig? Durchaus ein Spiel-raum, zumindest für kleinere Projekte.Damit ein unerlaubtes Bankgeschäftvermieden wird muss zunächst dieGeldannahme so gestaltet werden,dass wenigstens eine der folgendenvier Ausnahmeregelungen zutrifft (uBG1 bis 4)

uBG 1 – Die Bagatellgrenze:Man bleibt unter 12.732 € (ehemalsDM 25.000) und hat nicht mehr alsfünf Beteiligte/Geldgeber/innen.

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65wohnbund-informationen 2+3/2005

Informationen + Rezensionen

Dirk Schubert, Hamburger Wohnquartiere, Ein Stadtführerdurch 65 Siedlungen. Dietrich Reimer Verlag,Berlin 2005, ISBN 3-496-01317-6, 361 Seiten,29,90 Euro

Eine Stadt als Wohnort mit demSchwerpunkt auf Stadtbaugeschichte,Städtebau und Architektur. Das sinddie Themen, die Dirk Schubert in sei-nem neuen Buch „Hamburger Wohn-quartiere“ am Beispiel von 65 Siedlun-gen behandelt. PD Dr. Dirk Schubertlehrt Stadtplanung an der TU Ham-burg-Harburg mit Schwerpunkt Woh-nen und Stadtteilentwicklung. 1989veröffentlichte Dirk Schubert zusam-men mit dem Städtebauprofessor HansHarms einen ersten Stadtführer zumThema „Wohnen in Hamburg“, nachVerwaltungsebenen gegliedert war.Diesmal macht es Dirk Schubert andersund besser.

Die neue Veröffentlichung ist bau-historisch gegliedert: Sie behandeltkurz die Hamburger Stadtbaugeschichte,bis zum großen Brand im Jahr 1842,dem bis auf wenige Ausnahmen die

gesamte mittelalterliche Bebauungzum Opfer fiel. Auf den Massenwoh-nungsbau der Gründerjahre mit seineninnenstadtnahen Arbeiterquartierenund den parallel dazu entstehendenbürgerlichen Residenzen der Villenvor-

orte an Alster und Elbe folgtenach dem ersten Weltkrieg diePhase der gezielten Hambur-ger Stadtentwicklung unterdem Oberbaudirektor FritzSchumacher. In dieses Zeitfällt auch der Beginn der Ent-wicklung einer staatlichenWohnungspolitik. Über denReformwohnungsbau der 20Jahre und den Siedlungsbaudes Nationalsozialismuskommt Dirk Schubert zuminnerstädtischen Wiederauf-bau, den Wohnsiedlungen der50er und 60er Jahre und denmodernen Großsiedlungen der70er Jahre. Die neuere Woh-nungsbaugeschichte wird ent-lang der Konversionsquartierein der äußeren und innerenStadt reflektiert, um bei derHafencity, dem Vorzeigeobjektmodernster Hamburger Stadt-entwicklungspolitik, zu lan-den.

Diese Phasen der Stadtge-schichte des Wohnungs- undSiedlungsbaus werden imHauptteil des Buches anhandvon Beispielen konkretisiert:Hamburg zwischen Deichstra-ße und HafenCity. Dabei wird

jeweils nicht nur die Entstehungs- undPlanungsgeschichte von Wohnquartie-ren dargestellt, sondern auch derenBaugeschichte im Wandel der Zeit.Dies hebt die Veröffentlichung von rei-nen Architekturführern ab.

Es ist Dirk Schubert gelungen, einlebendiges, kenntnisreich geschriebe-nes Buch zur Hamburger Stadtge-schichte zu schreiben, das die Vielfaltstädtischer Siedlungsstrukturen undWohnbauquartiere am Beispiel Ham-burgs aufzeigt . Die Veröffentlichunghilft Laien wie Fachleuten, die Mor-phologie der Stadt besser lesen zukönnen. Sie kann mit großem Gewinnvon SchülerInnen, LehrerInnen, Stu-dierenden und Profis der Stadtgestal-tung, aber auch von Laien und Touris-ten gelesen werden.

Josef Bura

sozial | raum | stadt Perspektiven bei der Planung dessozialen Raumes Stadt.

Dokumentation der Fachtagung am 4./5. November 2004 in Köln Verlag Sozial • Raum • Management, Band 3 Köln 2005; 242 Seiten, Kart., 20 €ISBN 3-938038-03-9

Schwerpunkt der Diskussionen derFachtagung lag auf den Instrumentenund Verfahren zur Entwicklung tragfä-higer Koalitionen in der Stadtentwick-lung, Stadtsteuerung, Sozialplanungund sozialen Arbeit „worauf es bei derinterdisziplinären Planung ankommt“.

Mit Beiträgen von: Monika Alisch,Clemens Altschiller, Ulrich Deinet, GerdHamacher/Herbert Schubert, WinfredKaminski, Reiner Staubach, GabrieleSteffen, Reinhard Thies, u.v.a.

Pilotprojekt Flensburg-Engelsby,Stadterneuerung durch gemein-sames Handeln

Die Broschüre dokumentiert den mehr-jährigen Prozess und die Erfahrungendes Stadterneuerungsprozesses in der60er-Jahre-Siedlung Flensburg-Engelsby. Es werden die Strategienund Erfolge im Bereich des Hochbaus,der Freiflächen und der sozialen Infra-struktur beschrieben und mit vielenBildern unterlegt.

Die 60seitige Broschüre ist gegeneine Schutzgebühr von 5,– € plusVersandkosten zu beziehen bei Britta Tornow,Schillerstraße 4, 24116 KielTel.: 0431-55 63 52Fax: 0431-55 63 51

Freihaus Nr.12: Info für gemeinschaftliches undselbstbestimmtes Wohnen

Mit Beiträgen über die neuen Hürdenfür Genossenschaftsgründungen inHamburg, zum Wohnen im Alter unddem Alltag in Wohnprojekten sowiediverse Projektberichte.

Das Heft ist gegen einen Kostenbei-trag von 3.- € zu beziehen beiStattbau HamburgNeuer Kamp 25, 20359 HamburgTel.: 040-43 29 42-0Fax: 040-43 29 42-10E-Mail: [email protected]

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Mitgliedschaft im wohnbundl Kostenloses wohnbund-Infol Kostenloser oder preisreduzierter Zugang zu allen unseren Fachveranstaltungenl Kostenlose Vermittlung von Kontakten bei speziellen fachlichen Fragen aus dem Bereich der Wohnpolitik, Planung,

Projekt-, Stadt- und Siedlungsentwicklung (im Rahmen unserer Möglichkeiten)l Interessante Begegnungsmöglichkeiten in einem Netzwerk von Fachleutenl Internet-Service für Mitglieder: Homepage und E-Mail im wohnbund-Netzwerk: www.wohnbund.de

Jahresbeitragl Regelbeitrag € 95,–l Studierende/Erwerbslose € 35,–l Büros und Institutionen nach Vereinbarung

Beitrittsformular im Internet abrufen oder bei der Geschäftsstelle anfordern.

Themenschwerpunkt der nächsten wohnbund-informationen in 2006: l 1/2006 – „Was ist dran an der Reurbanisierung?“ Wohnen und arbeiten in der Stadt

wohnbund-informationen 2+3/200566

Wohnungsgenossenschaften imStadtquartier – von der Reforminselzum städtischen Akteur

Die Veröffentlichung dokumentiert u.a.Beiträge der gleichnamigen Tagungdie, organisiert vom Genossenschafts-forum e.V. in Kooperation mit demInstitut für Genossenschaftswesen derHumbold Universität am 14.10.05 inBerlin statt fand.

Thematisch wird an das For-schungsfeld „Modelle genossenschaft-lichen Wohnens: Erschließen vonGenossenschaftspotenzialen“ ange-knüpft. Ziel der Veranstaltung war esnicht nur, neue Leitbilder für genos-senschaftliches Handeln im Quartier zuentwicklen, sondern auch konkreteAnsätze im Sinne von „best practices“vorzustellen und kritisch zu hinterfra-gen. Der Reader bietet dabei nicht nureine Zusammenfassung der Tagungs-beiträge, sondern schließt auch darü-ber hinaus gehende Betrachtungenweiterer AutorInnen mit ein.

Edition arcadien, 48 Seiten, ISBN 3-930075-32-6, Schutzgebühr 5.- €zu beziehen beim Genossenschaftsforum e.V.E-Mail: [email protected]

MitSPIELtagungam 20. und 21.2.2006 in Leipzig

Fachtagung zu spielerischen Verfahren,zur Förderung von Kreativität, Kommu-nikation und Kooperation in Städtenund Dörfern, in Unternehmen sowie inder Jugendarbeit, in Schule und Nach-barschaft

Die Veranstaltung richtet sich an Per-sonen aus Organisationen, Unterneh-men, Programmen und Gemeinden, dieselbst spielerische Verfahren anwen-den sowie an Interessierte, die übereinen Einsatz nachdenken bzw. eigeneSpiele herstellen wollen.

Veranstalter: Leipziger Fachverein fürGemeinwesenarbeit, Stadtteilmanage-ment und Regionalentwicklung Netz-werk Südost e.V.

Kontakt: Netzwerk-Arbeitsgemein-schaft zur Förderung einer gemeinwe-sen-orientierten Sozialstruktur Leipzig-Südost e.V., Stötteritzer Str. 43, 04317Leipzig, Tel./Fax: 0341-9902309, Mail:[email protected]

Weitere Informationen und Anmeldungunter: www.mitspieltagung.de

Fachexkursion:

Wohnungsbau,Ökologie in CubaTermin: 26.2. – 10.3.2006

Seit 1989 gibt es in Havanna die„Stadtteilwerkstätten zur integriertenUmgestaltung des Stadtteils“. Obwohlgeographisch weit entfernt und ineinem anderen politischen System gibtes erstaunliche Parallelen zwischenden Arbeitsansätzen und -formen inder Bundesrepublik und Cuba. DieReise richtet sich an Akteure aus demBereich Stadterneuerung, Agenda 21und Entwicklungspolitik. Durch Vor-träge/Diskussionen, sowie auch durchBesichtigungen von Projekten bekom-men die TeilnehmerInnen einenunmittelbaren Einblick in die Arbeitlokaler Initiativen.

Preis: ca. 1850,– €

Die Reise wird in Kooperation mit der„Gruppe zur Integrierten Entwicklungder Hauptstadt“ durchgeführt, zu derlangjährige Kontakte bestehen. Nähere Infos und Anmeldung beiKerstin Sack E-Mail: [email protected]

Veranstaltungen

Informationen + Publikationen

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wohnbund-informationen 2+3/2005

wohnbund e.v.Aberlestr. 16/Rgb.81371 München

BEITRITTSERKLÄRUNGIch/wir möchte/n Mitglied im wohnbund e.v. werden

Name Vorname:

Firma/Büro/Institution

Straße/Hausnummer PLZ Ort

Tel (Büro) Tel. (priv.) Fax

E-Mail:

Die Mitgliedschaft soll gelten q

Für mich als Person q

Für die o.g. Institution, die ich hiermit vertrete

Zum Beitragssatz von:

q

Normalbeitrag 95,– € q

Ermäßigter Beitrag 35,– € q

Büros und Institutionen nach Vereinbarung

Ort Datum Unterschrift

Wir bitten um jährliche Zahlung nach Rechnungsstellung oder Teilnahme am Einzugsverfahren, um dieBuchungsvorgänge und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Wenn Sie am Einzugsverfahren teilnehmen möchten, bitte ausfüllen und zurückschicken:

– Ermächtigung zum Einzug von Forderungen durch Lastschriften –

Name des Zahlungsempfängers: wohnbund e.v.

Name und Anschrift der Kontoinhaberin/des Kontoinhabers

Hiermit ermächtige ich Sie widerruflich, die von mir zu entrichtenden Zahlungen für meinen Mitgliedsbeitragbei Fälligkeit zu Lasten meines Kontos durch Lastschrift einzuziehen:

Kontonummer BLZ Name der Bank

Ort Datum Unterschrift des Kontoinhabers

Bei Bedarf bitte kopieren und an wohnbund e.v. schicken:

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wohnbund e.v.Aberlestraße 16/Rgb81371 MünchenTelefon 089-74 68 9611Fax 089-725 5074E-Mail: [email protected]: www.wohnbund.de