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D er rote W under schirm Historische Kinderbücher von der Frühaufklärung bis zum Nationalsozialismus Herausgegeben von Wolfgang Wangerin Wallstein

Wolfgang Wangerin er rote - uni-goettingen.de · Wolfgang Wangerin, lehrt Fachdidaktik Deutsch an der Universität Göttingen. Neben vielfältigen ... Von Ernst Kreidolf zu Walter

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Der Herausgeber

Wolfgang Wangerin, lehrt Fachdidaktik Deutsch an der Universität Göttingen. Neben vielfältigen literaturdidaktischen Veröffentlichungen hat er zahlreiche Ausstellungen historischer Kinderbücher realisiert. Veröffentlichungen u.a.: Pfui ruft da ein jeder. Alte Kinderbücher aus der Vordemann-Sammlung der Universität Göttingen (1989; Ausstellungskatalog) Nützliches Vergnügen. Kinderbücher der Aufklärungszeit (zus. mit Elmar Mittler; 2004; Ausstellungskatalog).

Vorwort

Heinrich Detering, geb. 1959, ist Professor für deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft in Göttingen. 2003 erhielt er den »Preis der Kritik«, 2009 wurde er mit dem Leibnitz-Preis ausgezeichnet. Er ist u.a. Mitherausgeber der Werke Thomas Manns und Autor von Büchern über Thomas Mann, Bob Dylan und Bertolt Brecht.

Der Sammler

Jürgen Seifert (1928–2005) war ein bundesweit bekannter Rechtstheoretiker und Bürgerrechtler und hat als Politikwissenschaftler lange an der Universität Hannover gelehrt. Er hat über Jahr-zehnte hinweg eine der bedeutendsten Sammlungen historischer Kinderbücher zusammengetragen, die 2008 mit Unterstützung des Landes Nieder-sachsen von der Universität Göttingen erworben werden konnte.

Die Sammlung Seifert enthält eine Vielzahl kostbarer alter Kinderbücher, von den Anfängen der Kinder-literatur im 18. Jahrhundert bis zur Zeit des Nationalsozia-lismus. Diese Sammlung, ein einzigartiges kulturhistorisches Dokument mit insgesamt mehr als 10.000 Büchern, wird ab Herbst 2011 in einer Ausstellung in Göttingen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der reich bebilderte Begleitband zeigt Beispiele aus einer Vielzahl von Themenbereichen wie u. a. Märchen, Abenteuer, Technik und Verkehr, Landleben, Kindheitsbilder und Familie. Neben von namhaften Künst-lern illustrierten und handkolorierten Bilderbücher enthält die Sammlung seltene dreidimensionale Bände. Einen besonderen Stellenwert nehmen die politischen Kinderbücher ein, die etwa Krieg und Kriegsvorbereitung, nationalsozialistisches Gedanken- gut oder proletarisch-revolutionäre Ideen widerspiegeln.

Mit Beiträgen u.a. von: Angelika Bochem, Andreas Bode, Barbara Buchenau, Heinrich Detering, Anke Detken, Ute Dettmar, Bernd Dolle-Weinkauff, Hans-Heino Ewers, Ruth Florack, Bernd Hermann, Karin Hoff u.v.m.

Ein Projekt der Göttinger Arbeitsgruppe Historische Jugendbuchforschung

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Historische

Kinderbücher

von der

Frühaufklärung

bis zum

Nationalsozialismus

Herausgegeben von Wolfgang Wangerin

Wallstein

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Der rote WunderschirmKinderbücher der Sammlung Seifertvon der Frühaufklärung bis zum Nationalsozialismus

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Der rote WunderschirmKinderbücher der Sammlung Seifert von der Frühaufklärung bis zum Nationalsozialismus

Herausgegeben vonWolfgang Wangerin

Wallstein Verlag

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Inhalt

VorwortHeinrich Detering 9

Vorbemerkung und DankWolfgang Wangerin 15

Kinder- und Jugendliteratur – ein zu Unrecht vernachlässigter Teil der deutschen LiteraturHans-Heino Ewers 17

Die Sammlung Seifert. Zur Ausstellung in der Paulinerkirche und zur Aufstellung in der Bibliothek für Kinder- und JugendliteraturWolfgang Wangerin 24

1. KindheitsbilderZwischen Belehrung und freiem Spiel: Erziehungsideale und KindheitsmusterKarin Hoff 49

Fürstenspiegel, Erziehungsroman, Sprach lehrbuch: Fénelons TelemachRuth Florack 53

Erziehung als Programm. Von der Kinder literatur der Philanthropen zu den »lustigen« Warn- und Strafgeschichten Wolfgang Wangerin 55

»Dieser Ätherschimmer, diese Erinnerungen der Engelswelt«. Anmerkungen zum Kindheitsbild der deutschen RomantikHans-Heino Ewers 59

2. MärchenÜber die allmähliche Verwandlung der Märchen in Märchen für KinderGerhard Lauer 89

»Seltzame Arabische Historien«: Tausend undeine NachtRuth Florack 94

Vom Glück des Findens. Erinnerungen an den Kinder- und Jugendbuchsammler Jürgen SeifertMechthild Rumpf 28

Illustratoren in der Sammlung SeifertAngelika Bochem 36

Restaurierung von Kinderbüchern der Sammlung SeifertRenate van Issem und Peter Gönczi 44

Hinweise zur Benutzung des KatalogsWolfgang Vetter 47

»Die Jugendschrift in dichterischer Form muß ein Kunstwerk sein« – Theodor Storms Erzählungen und Märchen als reformpäda gogische TexteGabriele Radecke 64

»Laßt euch die Kindheit nicht austreiben!« Kästners KindheitsbildCaroline Roeder 66

Astrid Lindgren. Die Welt aus der Perspektive der KinderKarin Hoff 68

Kindheitsbilder in IllustrationenAndreas Bode 70

Kommentare 1 bis 48 73

Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder GrimmHans-Jörg Uther 96

Kommentare 49 bis 93 99

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Inhalt

3. Kinderlyrik und Kinderlied»Frau Gabel, halt den Schnabel«. Kinderlyrik und KinderliedWolfgang Wangerin 115

»In jedem ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.« Christian Morgensterns KinderlyrikDebora Helmer 119

Schauräume, Spielflächen. Das Buch als Ereignis: Pop-ups und SpielbücherPeer Trilcke 137

Der Bilderbuchkünstler Lothar MeggendorferBodo Kayser 142

5. Das besondere BilderbuchVon Ernst Kreidolf zu Walter Trier. Das besondere Bilderbuch um und nach 1900

Andreas Bode 153

Fedor Flinzer: mit Künstlerblick und Augenzwinkern durch das 19. Jahrhundert Fedor Bochow 161

Von Blumen-Märchen und Sommervögeln. Der Kinderbuchkünstler Ernst KreidolfAndreas Bode 163

Allerhand Schnickschnack für Kinder. Paula und Richard Dehmels FitzebutzeRoland Stark 167

6. Mädchenbücher»Sei die Maria im Geiste, Sei in der Thätigkeit Martha!« Mädchenliteratur Anke Detken 191

In Liebe dienenBarbara Frebel 198

Richard Dehmel, Der kleine HeldRoland Stark 122

»Herr Kaiser, gibt’s noch keinen Krieg?« Kinderliederbücher Michael Schäfer 123

Kommentare 94 bis 128 125

Technik und Innenleben von Spiel- und VerwandlungsbüchernBodo Kayser 144

Tom Seidmann-FreudCarola Pohlmann 146

Kommentare 129 bis 145 148

Ein Sammelbuch herzhafter Kunst. Richard Dehmels BuntscheckRoland Stark 170

»Jedes Blatt ist ein Farbenepigramm.« Freyholds handkoloriertes OsterbuchRoland Stark 172

Ivan Bilibin und Alexander Puschkin, Das Märchen vom Zaren SaltanAndreas Bode 174

Die schwedische Bilderbuchkünstlerin Elsa BeskowAndreas Bode 176

Kommentare 146 bis 187 179

Lina Morgenstern: »Suppenlina« und SozialpolitikerinAnke Detken 200

Kommentare 188 bis 212 202

4. Drehen, Ziehen, Aufbauen: Pop-up-Bücher

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Inhalt

7. Abenteuer und FremdeAbenteuerliteratur und die Erfahrung der FremdeJürgen Viering 209

Amerika – »für die liebe Jugend frei bearbeitet«Barbara Buchenau 217

Der Teufel als Erzieher: Stevensons Treasure IslandHeinrich Detering 223

8. Gullivers ReisenGekürzt, neu erzählt, für die Jugend bearbeitet: Gullivers Reisen von Jonathan SwiftLotta König und Carola Surkamp 247

9. Lernen und Wissen. RealienbücherAnschaulich und bildhaft: Enzyklopädisches Wissen für KinderCarola Pohlmann 261

». . . ein A-B-C Buch der realen und nominalen menschlichen Erkenntniß« – Johann Bernhard Basedows ElementarwerkWolf Christoph Seifert 267

10. Technik und Verkehr»Wir fahren und wir fliegen.« Technik erklärt und erzähltWolfgang Vetter 291

11. Stadt und LandLeben im Häusermeer der Großstadt und auf den stillen Inseln des LandesVerena Fleischer 311

Ländliche IdylleElke Kollar 316

»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen«. Reisebücher als AbenteuerbücherPaul Kahl 229

Die Helden der Kwuzah. Ein jüdisches JugendbuchGerhard Lauer 232

Kommentare 213 bis 260 234

Kommentare 261 bis 273 256

»Alle Vernunft entwickelt sich zuerst an den sinnlichen Erfahrungen.« Daniel Chodowiecki und seine Kupfersammlung zu Basedows Elementarwerk Wolfgang Wangerin 269

»Mit i kenn’ ich ein Stacheltier« Abc-Bücher und FibelnInger Lison 275

Kommentare 274 bis 307 278

»Das Neue Universum« – 122 Jahre ungebrochener FortschrittsglaubeMatthias Heinzel 299

Kommentare 308 bis 339 302

Homeward bound. Beobachtungen zur Großstadt in einigen Werken der Kinder- und JugendliteraturKai Sina 318

Hans Falladas Geschichten aus der MurkeleiStefan Knüppel 321

Kommentare 340 bis 359 324

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Inhalt

12. Erziehung zum KriegErzählen vom Krieg – Erziehen zum Krieg. Kriegsszenarien in der historischen Kinder- und Jugendliteratur Ute Dettmar 331

Szenen aus dem Soldatenleben. KriegsbilderbücherChristoph Jürgensen 336

13. Sozialistische Kinder- und JugendliteraturProletarierkinder zwischen Kinderfreunden und sozialistischer KampfeskostJulia Hoffmann 349

Proletarische MärchenBernd Dolle-Weinkauff 356

Gemaltes Elend oder illustriert für Arbeiterkinder. Bilder in sozialistischen Kinder- und Jugendbüchern der Weimarer RepublikJulia Hoffmann 358

14. Kinder- und Jugendliteratur unterm HakenkreuzIdeologisch auf Kurs. Kinder- und Jugendliteratur unterm HakenkreuzPetra Josting 375

Antisemitismus für Kinder. Ernst Hiemers Der Giftpilz (1938)Torsten Hoffmann 385

Literatur 405

Register 421

Titel 421

Autoren und Herausgeber 426

Illustratoren 431

Die Autorinnen und Autoren 436

»Vater ist im Kriege«. Der Erste Weltkrieg in Kinder- und JugendbüchernNiels Penke 338

Kommentare 360 bis 393 341

Lisa Tetzner und Kurt Held. Ein ungewöhnliches SchriftstellerehepaarKaspar H. Spinner 361

Ein Kind und trotzdem durch und durch gut. Vladimir Majakovskijs BilderbücherKaterina Kroucheva 365

Kommentare 394 bis 422 367

Die Kartoffelkäferfibel des Reichsnährstandes Bernd Herrmann 388

Von Hitlermädeln, Soldatenjungen und Hakenkreuzen. Illustrationen in NS-KinderliteraturAngelika Bochem und Julia Hoffmann 392

Kommentare 423 bis 456 397

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Vorwort

Heinrich Detering

Die Schatzkammer, die Wolfgang Wangerin, Julia Hoffmann und ihre Mitstreiter in diesem Buch und dieser Ausstellung öffnen, ist eine der umfangreichsten Sammlungen von Kinder- und Jugendliteratur im deutschen Sprachgebiet. (Und da sie neben allem Wunderbaren auch umfangreiche Bestände nationalsozialistischer Kinder- und Jugendliteratur enthält, wird die Schatz- manchmal auch zur Schreckenskammer.) Aber: was heißt eigentlich Kinder- und Jugendliteratur?

Ein Kinderbuch, daran hat Hans-Heino Ewers als einer der besten Kenner immer wieder erinnert, ist zuerst das, was als Kinderbuch kommuniziert wird, und erst danach dann auch das, was als Kinderbuch geschrieben ist. Und wer einmal ernstlich versucht hat, die eigene Bibliothek nach Altersgruppen zu ordnen, wird festgestellt haben, wie ernsthaft die Abgren-zungsschwierigkeiten tatsächlich sind, von den Fabeln des Äsop bis zu Grimms Märchen, und von den Gedichten und Liedern, die Arnim und Brentano aus Des Knaben Wunderhorn erklingen ließen, bis zu den Kinderliedern Emanuel Geibels und Hoffmanns von Fallersleben. (Denn es ist ja ein schöner, beinahe kindgemäßer Spaß der Literaturgeschichte, dass sie die von ihren Zeitgenossen überschätzten Lyriker nur mit diesen schönen Kinderliedern überleben ließ: Wer, gleich ob Kind oder Nichtkind, würde Der Mai ist gekommen, Der Kuckuck und der Esel, Alle Vögel sind schon da oder Ein Männlein steht im Walde nicht dem Hurrapatriotismus der Geibel’schen Erwachsenenlyrik und mindestens den ersten beiden Strophen des Deutschland-liedes vorziehen?) Auch ob Wilhelm Hauff seine Märchen-Almanache, mitsamt dem Kleinen Muck und dem Kalten Herz, eigentlich eher für Kinder oder doch für Erwachsene schrieb, wusste er selber nicht genau. Und Hans Christian Andersen hat das von ihm erfundene Genre aus Volksmärchen, romantischer Erzählung, Parabel und Satire nur in den ersten Heften ausdrück-lich an Kinder adressiert, mit der Überschrift Märchen, für Kinder erzählt. Ersichtlich geschah das eher aus Marktrücksichten als aus Überzeugung, denn sobald der Erfolg sich eingestellt hatte, ließ er den Zusatz weg und nannte seine Texte einfach Märchen. Beispiele wie diese zeigen, dass es nicht zuerst die Stoffe, Themen und Motive sind, die Kinderliteratur von Erwachsenenlite-ratur unterscheiden (abgesehen allenfalls davon, dass in der ersteren halt häufiger Kinderfigu-ren auftreten), sondern die unterschiedlichen Leseweisen. Kinderliteratur ist zuerst das, was Kinder lesen.

Diese Rezeptionsorientierung wirkt sich nun aber auch dort aus, wo tatsächlich zielgerich-tet Literatur für Kinder geschrieben wird, also in dem, was seit der Aufklärungsepoche und der Romantik und mit noch einmal größerem Nachdruck in dem, was Ellen Key 1900 als das »Jahrhundert des Kindes« ausrief, programmatisch »Kinderliteratur« heißt. In dieser Zeit lässt sich immer wieder das Phänomen beobachten, dass gerade diese Literatur mit den Grenzen der Altersgruppen und Genres spielt – oder dass jedenfalls die Rezipienten das tun.

Erklärtermaßen nicht einfach Kinderbücher schrieb Erich Kästner, vom Emil bis zum Kleinen Mann, sondern Romane für Kinder, also Beiträge zur deutschsprachigen Romanliteratur, adres-siert an Kinder; und es ist bezeichnend für die Verengung des literaturgeschichtlichen Blicks, dass sie in gängigen Romangeschichten und Romanführern noch immer nicht vorkommen. Ein Schriftsteller aber, der seine Kindbücher so energisch einem erwachsenen Genre zuordnet,

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Vorwort

hat die konventionelle pädagogische Blickrichtung umgekehrt: Er betrachtet nicht mehr Kinder als die noch nicht Erwachsenen, sondern vielmehr die Erwachsenen als Nicht-mehr-Kinder. Das Erwachsensein ist für ihn gewissermaßen die Fortsetzung der Kindheit mit anderen Mitteln. Für diesen neuen Blick hat Kästner (und haben viele Kinder-buchautoren seiner Epoche) von Arnim und Brentano, von Andersen und Dickens mindestens ebensoviel gelernt wie von Freud und Key. Und aus der eigenen Erfahrung. »Lasst euch die Kindheit nicht austreiben!« lautet Kästners kategorischer Imperativ, denn: »Die entscheidende Vorausset-zung für den Jugendschriftsteller ist nicht, dass er Kinder, sondern dass er seine Kindheit kennt.« Ganz ähnlich forderte seine Kollegin Astrid Lindgren von Kinderbuchschreibern vor allem, in Verbindung mit den Kindern zu bleiben, die sie selber gewesen waren.

Die moderne Kinderliteratur, die sich aus diesem Vorsatz ergeben hat, ist Literatur von Erwachsenen, die ihre Kindheit nicht vergessen können,

geschrieben für Kinder und Ex-Kinder gleichermaßen. (Und wie zur experimentellen Bestäti-gung dieses Satzes sind denn auch die Bücher, die der verbrannte und gebannte Kästner dann in der Zeit des Dritten Reiches schrieb, Kinderbücher für Erwachsene geworden – das schillern-de Filmdrehbuch über Münchhausen ebenso wie der erfolgreichste seiner komischen Unterhal-tungsromane. Drei Männer im Schnee heißt er, und er beruht auf einem Bühnenstück mit dem bezeichnenden Titel Das lebenslängliche Kind.)

So zeigen denn auch diese Ausstellung und das Buch, das sie begleitet, keineswegs bloß literarhistorische Dokumente einer fernen und fremden Geschichte. Sondern sie erinnern uns auch aus nächster Nähe an jenen Zauber, dessen frühes Erleben die meisten von uns ja über-haupt erst zu Lesern gemacht hat. Dabei erinnern sie auch an seinen Missbrauch für kunst- und menschenfeindliche Ziele. Was sich hier anschauen lässt, das ist mit anderen Worten nicht weniger als Größe und Elend der Literatur selbst.

So jedenfalls zeigt es sich mir im Licht der vielen eigenen Erfahrungen, die ich hier, in staunen-erregender Breite und Fülle, wiederentdecken kann. Und weil der Herausgeber mich aus-drücklich gebeten hat, in diesem Vorwort auch persönliche Kindheits-Leseerinnerungen nicht auszusparen, will ich gern bekennen, dass die Leseerlebnisse des Kindes, das ich war, die stärksten, schönsten und bestimmenden meines Leserlebens geblieben sind. Ich bekenne das umso leichter und lieber, als ich hier nicht nur von mir, sondern für viele zu sprechen glaube. Es begann in meinem Fall mit der unvergleichlichen Pippi Langstrumpf, von meiner Mutter allabendlich vorgelesen, und mit den Grimmschen Märchen, die meine Großtante auswendig und tatsächlich fast immer im selben Wortlaut und mit denselben Formeln hersagte (es war meine erste Begegnung mit oral poetry). Und selten in meinem Leben habe ich mich so glücklich gefühlt wie in den Stunden, in denen ich als Neunjähriger, mit einer entsetzlichen Mittelohr-entzündung im Bett liegend, jenes Kinderbuch las, das meine Mutter mir auf dem Weg zur Apotheke aus der Buchhandlung mitgebracht hatte – dieser Stunden, in denen gleichzeitig mit dem Schmerzmittel auch der Zauber der Geschichte zu wirken begann. Es war die Geschichte von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer, auf ihrer Reise von Lummer- nach Kummer-land und zurück. Eine ähnliche Erfahrung habe ich nur noch mit Aladdin und Ali Baba und Sindbad gemacht, deren Abenteuer mir fließend in gaukelnde Fieberträume hinüberglitten.

Nr. 43: Erich Kästner, Emil und die Detektive, S. 101.

Ill. von Walter Trier

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Vorwort

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Aber auch ganz ohne Krankheit und Fieber haben mich die Kinder bücher früh und endgültig gegen die Vorstellung gewapp-net, Eskapismus sei ein Schimpfwort. Sie waren die Auswege, die Phantasieleitern, Wunderschirme und Zauberteppiche, die jeder-zeit zur Verfügung standen; und dass ich bei ihrem Gebrauch auch noch etwas über die Welt lernte und meinen Verstand schärfte, das ergab sich nebenbei. Auf diesen Auswegen rumpelte ich, im Bett liegend, mit Storms kleinem Häwelmann durch die nächtlichen Straßen, vom Mond begleitet, reiste ich atemlos mit Jim Hawkins zu Stevensons Schatzinsel, ging ich mit Krabat in die verwun-schene Mühle. Ich verlor mich in den Angstabgründen von Ander-sens Meeren und Eispalästen und lernte mit H. P. Lovecraft den Horror als eine subtilere Art des Vergnügens zu genießen. Tatsäch-lich, der Meister des Grauens begegnete mir zuerst in einer Antho-logie von Schauergeschichten, die ein tollkühner, die Belastbarkeit der kindlichen Schreckensphantasien zu meinem Glück gewaltig überschätzender Herausgeber für Kinder zusammengestellt hatte; auch hier war es der Anfang einer lebenslangen Liebe. Und wie die Geschichten, so wurden mir auch die Gedichte unentbehrlich, als eine verfeinerte Form des Zauberspruchs, in den Versen von Morgenstern und Guggenmoos, Kästner und Krüss; vieles davon, den Pampelmusensalat des zu Unrecht vergessenen Hans Adolf Halbey zum Beispiel, konnte ich auswendig.

Und je mehr ich las, desto mehr gab es zu entdecken, eine babylonische Vielfalt. Da waren die englischen Lektürehefte im Regal des Vaters, der Englisch unterrichtete; sie hießen Freddie the Fireman und Toto the Chimpanzee und waren lange meine größte Verlockung, endlich Eng-lisch zu lernen. Da waren die Bücher im Schrank des Großvaters, der Dorfschullehrer gewesen war: tief vergraben, verstaubt und vergessen unter Lesebüchern und aufklappbaren Falttafeln, die Auskunft über die männliche und weibliche Anatomie gaben: die germanischen Fiktionen der nationalsozialistischen Jugendliteratur (und allein schon die Erinnerung an diese erste Begegnung mit dem Bösen, dem wirklich und ausweglos Bösen im Kinderbuch, wirkt als Korrektiv gegen die unwiderstehliche Neigung zur Verklärung der kindlichen Leseerlebnisse nach). Und da waren auch die Bücher im Gästezimmer der Großmutter, deren Töchter, was ich mir nur schwer vorstellen konnte, meine Mutter und Tanten waren: obskure Abenteuerge-schichten von Fliegern und Schatzsuchern (unvergesslich Der Schatz im karibischen Meer, den ich in einem Rutsch verschlang), aber auch die mit der gleichen Spannung verschlungenen alten Mädchenbücher, Trotzkopf und Pucki zum Beispiel, die ich von der idyllischen Kindheit bis zu Pucki, unser Mütterchen begleitete, es war der längste Entwicklungsroman, den ich je las. Später, als auch meine kleine Schwester zu lesen begann, folgten Enid Blytons Hanni-und-Nanni- und Dolly-Bände, deren Übertragung auf unsere eigene Jungenklasse mir ganz leicht fiel, weil die Geschlechter-Schemata sich als viel oberflächlicher erwiesen als die immer gleichen Streiche und Beziehungsprobleme.

Überhaupt, die Schneider-Bücher: Sie waren die erste Begegnung mit einer Literatur, die nicht gerade verboten, aber von den Lehrern und den netten Damen in der Stadtbücherei gar nicht gern gesehen wurden; das Wort ›Trivialliteratur‹ war gerade aktuell. Damals ahnte ich

Nr. 77: Hans Christian Andersen, Choix de Contes pour la Jeunesse, Die wilden Schwäne, S. 228. Ill. von Vilhelm Pedersen

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Vorwort

zum ersten Mal die Wonnen einer für die Bildungskultur anrüchigen (und dabei, wie ich viel später begriff, für sie doch so unentbehrlich produktiven, Nachschub und Inspiration liefernden), weil unverschämterweise auf nichts als dauernden Spannungskitzel gerichteten Literatur. Wirklich verboten waren lange – und wurden deshalb mit umso innigerer Hingabe gelesen – die bösen Comicstrips, dieses Amizeug, das doch zu einem erheblichen Teil aus Frankreich und Belgien kam, der großartige Donald und die doofen Fix und Foxi, der atemberaubende Tim mitsamt Kapitän Haddock, der grüblerische Charlie Brown und, als König des Genres, Goscinnys Asterix.

Ja, ausdrücklich: Goscinnys Asterix. Denn ich hatte mir ganz pragmatisch schon früh angewöhnt, auf Autorennamen zu achten, und so merkte ich mir, dass das derselbe war, dem wir auch den Kleinen Nick und Lucky Luke verdank-ten, auch wenn die Zeichner dort Sempé und Morris hießen. Autorennamen waren die Labels, die wichtiger waren als jedes andere Markenzeichen; an ihnen orientierte ich mich: Wo Goscinny oder Lindgren oder Preußler draufstand, da war garantiert Witz, Spannung, Zauber drin. Aus demselben Pragmatismus der Vergnügungssucht entwickelte ich eine genaue Aufmerksamkeit für Unterschie-

de der Verlage und Reihen. Denn es stellte sich heraus, dass es einen großen Unterschied machte, ob ich meine Lektüre von Benziger oder Arena bezog, aus den Ravensburger Taschen-büchern oder den vergleichsweise kurzlebigen, aber besonders abenteuerlichen Taschenbü-chern von Ueberreuter. Die sichersten Banken hießen Oetinger und Thienemann, das war klar.

Meine Bücherwelt ging in die außerhalb dieser liegende Wirklichkeit nahtlos über. Pläne zu Expeditionen ins Innere Tibets (oder wahlweise, mein Freund Frank und ich waren da un-schlüssig, ins Amazonasbecken) sollten den Lese-Spuren folgen und hielten uns selber und unsere Umgebung lange auf Trab. Ein Lieblingsbuch wie die beiden Bände des Jim Knopf war die Geschichte von Robbi, dem Roboter, Tobbi, dem norddeutschen Jungen, und dem Fliewa-tüüt, das Boy Lornsen erfunden hatte. Es führte dazu, dass ich der ganzen Familie mit immer neuen technischen Bauplänen für das titelgebende Wunderfahrzeug jahrelang in den Ohren lag. Und selbst Schweden, von dem ich nicht einmal genau wusste, wo es lag, stellte ich mir früh als Schriftstellerland vor und als sonst gar nichts. Denn dort, das wusste ich, lebten Astrid Lindgren und Selma Lagerlöf und jener Nils-Olof Franzén, der die Agathon-Sax-Geschichten geschrieben hatte, und der Autor der spannenden und außerdem auch noch ein bisschen erotischen Geschichten vom Detektiv Kim. Dass dort tatsächlich auch jene Ellen Key das »Jahrhundert des Kindes« proklamiert hatte, erfuhr ich später, und ich empfand es irgendwie als eine Bestätigung meiner kindlichen Länderkunde.

In Umkehrung von Thomas Manns feierlich-schönem Satz, ein Schriftsteller solle »auf allen Stufen des Menschlichen charakteristisch fruchtbar« sein, wurde ich so zum Leser, der auf jeder Lebensstufe charakteristisch lesen lernte. Und noch als Erwachsener wüsste ich eigentlich wenig Erstrebenswerteres, als wieder so lesen zu können wie in diesen Jahren; einige der glücklichsten Lektüren sind die, in denen das gelingt. Weithin bin ich sogar bei denselben Gen-res geblieben. Genau genommen sind es oft überhaupt und immer dieselben Bücher, zu denen ich wieder und wieder zurückkehre: Tolkien und Stevenson und Andersen und Storm, Kästner und Keun, Lovecraft und Goscinny und Preußlers Krabat. »Ich war glücklich«, hat Wolfgang Koeppen in einem Essay über seine Märchenlektüre geschrieben, »ein glückliches Kind, und wurde ein nie ganz unglücklicher Leser.«

Nr. 74: Wilhelm Hauff, Mährchen, Die Geschichte

vom kleinen Muck. Sultan nebst Muck in

der Schatzkammer, S. 32

Nr. 251: Robert Louis Stevenson, Treasure Island,

»His leg was cut off by the hip«, Frontispiz.

Ill. von Frank Insail

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Vorbemerkung und Dank

Wolfgang Wangerin

Der Hannoveraner Politikwissenschaftler und Verfassungsrechtler Prof. Jürgen Seifert (1928-2005) hat jahrzehntelang Kinder- und Jugendbücher gesammelt, insgesamt fast 12.000 Bände. Seine Sammlung gehört zu den großen und wertvollen Privatsammlungen in Deutschland und ist von erheblichem wissenschaftlichem und öffentlichem Interesse. Die Sammlung dokumentiert die Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur in einem Zeitraum von nahezu 300 Jahren und spiegelt damit zugleich ein Stück Kulturgeschichte wider.

Das Seminar für Deutsche Philologie hat die Sammlung Seifert im September 2008 erwor-ben. Am Anfang standen dreihundert Kartons mit fast 12.000 nicht katalogisierten Büchern, am Ende stehen nicht nur Ausstellung und Katalog, sondern auch, in der eigens umgebauten, traditionsreichen Bibliothek für Kinder- und Jugendliteratur (einem Sonderstandort des Deutschen Seminars) eine nutzerfreundliche Aufstellung, die sich an den Bedürfnissen von Forschung und Lehre orientiert und die Sammlung als Ganzes zugänglich macht. Alle Titel sind elektronisch erfasst. Im Juni 2010 konnte die umgebaute und erweiterte Bibliothek wiedereröffnet und die Sammlung Seifert mit einem kleinen Forschungssymposion erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Sammlungen alter Kinderbücher sind mehr als die Summe ihrer Einzelbücher. Die Sammlung Seifert ist ein einzigartiges kulturhistorisches Dokument, das als Ganzes erhalten und geschlos-sen aufgestellt werden konnte. Nur wenige Universitäts- und Seminarbibliotheken verfügen über einen vergleichbaren oder größeren Bestand an (alter) Kinderliteratur. Wissenschaftliche Bibliotheken haben Kinderliteratur nur in Ausnahmefällen erworben, und was in den Kinder-zimmern landete, ist zerlesen worden und hat die Zeiten selten überdauert. Aus diesem Grunde ist jede Kinderbuchsammlung von besonderem Wert. Göttingen gehört mit seinem Bestand an alter wie aktueller Kinder- und Jugendliteratur inzwischen zu den wichtigen Standorten.

Kinderbuchsammlungen sind über die akademischen Grenzen hinweg auch von öffent-lichem Interesse. Wer in eine Ausstellung alter Kinderbücher geht, fühlt sich an seine eigene Kindheit und an die Kindheitslektüre erinnert. Die vielfältigen Illustrationen, oft genug von künstlerisch hohem Wert, sind im Gegensatz zu den Texten der Anschauung unmittelbar zugänglich und ästhetisch reizvoll. Sie stehen im Mittelpunkt der Ausstellung.

Ausstellung und Katalog, in ihrem Aufbau eng aufeinander bezogen, bieten nur eine begrenzte Auswahl von etwa 450 Titeln. Da auch eine große Sammlung in ihrem Bestand nicht systematisch sein kann, fehlt manches bedeutende Buch. Was gezeigt wird, wurde unter ausstellungsdidaktischen Gesichtspunkten ausgewählt; nicht alle wichtigen Werke konnten aufgenommen werden. Der Katalog ist daher kein Bestandsverzeichnis.

Die Ausstellung Der rote Wunderschirm wird in der Paulinerkirche gezeigt, dem historischen Lesesaal der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, der zugleich ein eindrucksvoller Ausstellungsraum ist. Der Katalog kann vieles nicht wiedergeben. In der Ausstellung werden die Kinderbücher, die vielfältigen großformatigen Bildreproduktionen und die Informationstafeln, Säulen und Banner ergänzt und in Beziehung gesetzt durch historisches Kinderspielzeug aus der Sammlung des Städtischen Museums Göttingen und des Deutschen Spielzeugmuseums Sonneberg.

Nr. 149: Fedor Flinzer, Eine Tierschule in Bildern, S. 34/35

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Vorbemerkung und Dank

Die Ausstellung wird begleitet durch eine Ringvorlesung (auch mit auswärtigen Referen-tinnen und Referenten) und durch zahlreiche Matineen (Lesungen, z.T. mit Musik; Theater), zu denen in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Zentrum auch namhafte Autoren ein-geladen sind.

Dank an die Geldgeber und das AusstellungsteamAusstellung und Katalog sind ein gemeinsames Projekt der Arbeitsgruppe Historische Jugend-buchforschung , des Seminars für Deutsche Philologie und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Vom Erwerb der Sammlung bis zur Fertig stellung des Katalogs blieben zweieinhalb, bis zur Ausstellungseröffnung drei Jahre; nach nur neun Monaten war die Sammlung in Göttingen zugänglich. Das Projekt ließ sich in so kurzer Zeit nur im Team realisieren und nur durch die Unterstützung großzügiger Geld geber, die sowohl den Ankauf der Sammlung als auch ihre wissenschaftliche Erarbeitung ermöglicht haben.

Der Dank gilt der Stiftung Niedersachsen, der Klosterkammer Hannover, dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, der Litfin-Stiftung Göttingen, dem Universitätsbund Göttingen sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Detering, die Ankauf, Ausstellung und Katalog großzügig unterstützt haben. Schließlich haben das Zent-rum für empirische Unterrichts- und Schulforschung (ZeUS) und die Studierenden der Uni-versität Göttingen mit ihren Studienbeiträgen dazu beigetragen, die Sammlung zu katalogi-sieren und nutzerfreundlich aufzustellen.

Heinrich Detering hat das Projekt mit seiner vielfältigen Unterstützung erst ermöglicht und von Anfang an eng begleitet. Ausstellung und Katalog sind von der Arbeitsgruppe Historische Jugendbuchforschung erarbeitet worden. Besonderer Dank gilt den Mitgliedern dieser Arbeits-gruppe, Angelika Bochem, Julia Hoffmann, Dr. Bodo Kayser und Dipl. Bibl. Wolfgang Vetter für ihre Dynamik und ihre Unermüd lichkeit. Für Angelika Bochem und Wolfgang Vetter ist dies bereits der dritte Ausstellungskatalog zum Göttinger Bestand, an dem sie maßgeblich beteiligt sind. Julia Hoffmann hat mit ihrem Einfallsreichtum an vielen Stellen die Fäden gezogen.

Die Arbeitsgruppe wurde vielfältig unterstützt. Auf Seiten der Universitätsbibliothek mit ihrem Direktor Prof. Dr. Norbert Lossau waren Dr. Silke Glitsch (als Leiterin der Stabsstelle Öffentlichkeits arbeit) und Klaus-Ingo Pißowotzki mit ihrer Erfahrung für Planung und Koordination zuständig, Martin Liebetruth (als Leiter des Digi talisierungszentrums) für die sorgfältige Digitalisierung der Illustrationen, Kathrin Overesch für die Ausstellungsarchitek-tur und für viele kreative Einfälle sowie Renate van Issem und Peter Göncz für die zum Teil komplizierten Restaurierungen. Maren Ermisch vom Deutschen Seminar verdanken wir Übersicht und Tatkraft nicht nur in finanziellen Fragen und Dr. Kai Sina die Organisation der begleitenden Ringvorlesung. Ohne die intensive Mithilfe eigens geschulter studentischer Hilfskräfte wäre das Projekt nicht zu realisieren gewesen. Der Dank gilt Silke Greune, Ann-Cathrin Korte, Saskia Bieber, Kathleen Westphal, Anna Hentschel, Sonia Hanchi, Henrike Wagener, Anja Hilscher, Aenne Gottschalck, Anne Runte, Alexandra Malukas, Judith Schlenter , Anna-Lena Markus, Joana Hieret, Max Nikolaus Braun und Hartmut Hombrecher.

Schließlich gilt mein Dank neben dem Wallstein Verlag den Autorinnen und Autoren. Einige haben sich zum ersten Mal mit Kinderliteratur beschäftigt, andere sind in diesem Feld ausgewiesene Spezialisten; ihrer Kompetenz verdankt der Katalog seine große thematische Vielfalt.

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Unterstützt durch

Wallstein Verlag, Göttingen 2011www.wallstein-verlag.de

Vom Verlag gesetzt aus der LexiconNo2Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, DüsseldorfLithographie: SchwabScantechnik, GöttingenDruck und Verarbeitung: Friedrich Pustet, Regensburg

ISBN: 978-3-8353-0970-8

Der rote WunderschirmKatalog zur Ausstellung der Sammlung Seifert in der Paulinerkirche der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen vom 23. Oktober 2011 bis 12. Februar 2012

Ein Projekt der Arbeitsgruppe Historische Jugendbuchforschung, des Seminars für Deutsche Philologie und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek

KonzeptionWolfgang Wangerin

Ausstellung und KatalogArbeitsgruppe Historische JugendbuchforschungAngelika Bochem, Julia Hoffmann, Bodo Kayser, Wolfgang Vetter, Wolfgang Wangerin

Koordination Silke Glitsch, Maren Ermisch, Julia Hoffmann, Wolfgang Wangerin

DigitalisierungenMartin Liebetruth, DigitalisierungsZentrum der Staats- und Universitätsbibliothek

AusstellungsarchitekturKathrin Overesch

In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum Göttingen und dem Deutschen Spielzeugmuseum Sonneberg

Frontispiz: Erich Kästner, Die Konferenz der Tiere

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Der Herausgeber

Wolfgang Wangerin, lehrt Fachdidaktik Deutsch an der Universität Göttingen. Neben vielfältigen literaturdidaktischen Veröffentlichungen hat er zahlreiche Ausstellungen historischer Kinderbücher realisiert. Veröffentlichungen u.a.: Pfui ruft da ein jeder. Alte Kinderbücher aus der Vordemann-Sammlung der Universität Göttingen (1989; Ausstellungskatalog) Nützliches Vergnügen. Kinderbücher der Aufklärungszeit (zus. mit Elmar Mittler; 2004; Ausstellungskatalog).

Vorwort

Heinrich Detering, geb. 1959, ist Professor für deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft in Göttingen. 2003 erhielt er den »Preis der Kritik«, 2009 wurde er mit dem Leibnitz-Preis ausgezeichnet. Er ist u.a. Mitherausgeber der Werke Thomas Manns und Autor von Büchern über Thomas Mann, Bob Dylan und Bertolt Brecht.

Der Sammler

Jürgen Seifert (1928–2005) war ein bundesweit bekannter Rechtstheoretiker und Bürgerrechtler und hat als Politikwissenschaftler lange an der Universität Hannover gelehrt. Er hat über Jahr-zehnte hinweg eine der bedeutendsten Sammlungen historischer Kinderbücher zusammengetragen, die 2008 mit Unterstützung des Landes Nieder-sachsen von der Universität Göttingen erworben werden konnte.

Die Sammlung Seifert enthält eine Vielzahl kostbarer alter Kinderbücher, von den Anfängen der Kinder-literatur im 18. Jahrhundert bis zur Zeit des Nationalsozia-lismus. Diese Sammlung, ein einzigartiges kulturhistorisches Dokument mit insgesamt mehr als 10.000 Büchern, wird ab Herbst 2011 in einer Ausstellung in Göttingen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der reich bebilderte Begleitband zeigt Beispiele aus einer Vielzahl von Themenbereichen wie u. a. Märchen, Abenteuer, Technik und Verkehr, Landleben, Kindheitsbilder und Familie. Neben von namhaften Künst-lern illustrierten und handkolorierten Bilderbücher enthält die Sammlung seltene dreidimensionale Bände. Einen besonderen Stellenwert nehmen die politischen Kinderbücher ein, die etwa Krieg und Kriegsvorbereitung, nationalsozialistisches Gedanken- gut oder proletarisch-revolutionäre Ideen widerspiegeln.

Mit Beiträgen u.a. von: Angelika Bochem, Andreas Bode, Barbara Buchenau, Heinrich Detering, Anke Detken, Ute Dettmar, Bernd Dolle-Weinkauff, Hans-Heino Ewers, Ruth Florack, Bernd Hermann, Karin Hoff u.v.m.

Ein Projekt der Göttinger Arbeitsgruppe Historische Jugendbuchforschung

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Historische

Kinderbücher

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Frühaufklärung

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Herausgegeben von Wolfgang Wangerin

Wallstein