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Merkblatt 450 Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren Stahl-Informations-Zentrum

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

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Page 1: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

Merkblatt 450

Wärmebehandlung von Stahl –Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Stahl-Informations-Zentrum

Page 2: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

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Impressum

Merkblatt 450„Wärmebehandlung von Stahl –Härten, Anlassen, Vergüten, Baini-tisieren“Ausgabe 2005ISSN 0175-2006

Herausgeber:Stahl-Informations-Zentrum,Postfach 10 48 42, 40039 Düsseldorf

Autor:Dr.-Ing. Dieter Liedtke, 71636 Ludwigsburg

Redaktion:Stahl-Informations-Zentrum

Die dieser Veröffentlichung zu-grunde liegenden Informationenwurden mit größter Sorgfalt re-cherchiert und redaktionell bear-beitet. Eine Haftung ist jedochausgeschlossen.

Ein Nachdruck – auch auszugs-weise – ist nur mit schriftlicherGenehmigung des Herausgebersund bei deutlicher Quellenangabegestattet.

Titelbild:Stirnabschreckversuch zur Prüfungder Härtbarkeit.

Merkblatt 450

Stahl-Informations-Zentrum

Das Stahl-Informations-Zentrumist eine GemeinschaftsorganisationStahl erzeugender und verarbei-tender Unternehmen. Markt- undanwendungsorientiert werden fir-menneutrale Informationen überVerarbeitung und Einsatz desWerkstoffs Stahl bereitgestellt.

Verschiedene Schriftenrei-hen bieten ein breites Spektrumpraxisnaher Hinweise für Kon-strukteure, Entwickler, Planerund Verarbeiter von Stahl. Sie fin-den auch Anwendung in Ausbil-dung und Lehre.

Vortragsveranstaltungenschaffen ein Forum für Erfahrungs-berichte aus der Praxis.

Messebeteiligungen undAusstellungen dienen der Präsen-tation neuer Werkstoffentwicklun-gen sowie innovativer, zukunfts-weisender Stahlanwendungen.

Als individueller Servicewerden auch Kontakte zu Institu-ten, Fachverbänden und Spezialis-ten aus Forschung und Industrievermittelt.

Die Pressearbeit richtet sichan Fach-, Tages- und Wirtschafts-medien und informiert kontinuier-lich über neue Werkstoffentwick-lungen und -anwendungen.

Das Stahl-Informations-Zentrumzeichnet besonders innovativeAnwendungen mit dem Stahl-In-novationspreis aus (www. stahlinnovationspreis.de). Er ist einerder bedeutendsten Wettbewerbeseiner Art und wird alle drei Jahreausgelobt.

Für die Aus- und Weiterbildungvon Bauingenieuren steht dasStahlbau-Lehrprogramm mitFachbeiträgen und Berechnungs-beispielen auf CD-ROM zur Verfü-gung.

Die Internet-Präsentation(www.stahl-info.de) informiertu. a. über aktuelle Themen undVeranstaltungen und bietet einenÜberblick über die Veröffentli-chungen des Stahl-Informations-Zentrums. Schriftenbestellungensowie Kontaktaufnahme sind on-line möglich.

Mitglieder des Stahl-Informations-Zentrums: • AG der Dillinger Hüttenwerke, Dillingen• Agozal Oberflächenveredelung GmbH, Neuwied• Arcelor RPS Sàrl, Esch-sur-Alzette • Benteler Stahl/Rohr GmbH, Paderborn• EKO Stahl GmbH, Gruppe Arcelor, Eisenhüttenstadt• Gebr. Meiser GmbH, Schmelz-Limbach• Georgsmarienhütte GmbH, Georgsmarienhütte• ISPAT Germany GmbH, Duisburg• Rasselstein GmbH, Andernach• Remscheider Walz- und Hammerwerke

Böllinghaus u. Co. KG, Remscheid• Saarstahl AG, Völklingen• Salzgitter AG Stahl und Technologie, Salzgitter• Stahlwerke Bremen GmbH, Gruppe Arcelor, Bremen• ThyssenKrupp Electrical Steel GmbH, Essen• ThyssenKrupp GfT Bautechnik GmbH, Essen• ThyssenKrupp Stahl AG, Duisburg• ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl• Wickeder Westfalenstahl GmbH, Wickede

Page 3: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

3

InhaltSeite

1 Härten, Anlassen, Vergüten und Bainitisie-ren zum Verbessern derGebrauchseigenschaftenvon Bauteilen und Werkzeugen aus Stahl ..... 4

1.1 Zweck des Wärmebehandelns .......... 4

1.2 Ziel des Härtens, Anlassens, Vergütens, Bainitisierens ................... 4

1.3 Ablauf des Wärmebehandelns .......... 5

2 Einfluss einer Zeit-Temperatur-Folge auf den Gefügezustand der Stähle ........................ 5

2.1 Aufbau des Stahlgefüges .. 52.2 Gefügeänderungen

beim Erwärmen – das ZTA-Schaubild ........... 6

2.3 Gefügeänderungen beim Abkühlen – das ZTU-Schaubild ........... 8

2.4 Einfluss der Legierungs-elemente auf das Umwandlungsverhalten 12

3 Härten durch Gefüge-umwandlung im Martensitbereich ........... 12

3.1 Härtbarkeit als Voraussetzung für erfolgreiches Härten ...... 12

3.1.1 Aufhärtbarkeit ............... 123.1.2 Einhärtbarkeit ................ 133.1.3 Messen der Härtbarkeit 133.1.4 Anwendung des Stirn-

abschreckversuchs für die Stahlauswahl ........... 15

3.1.5 Beurteilung der Härtbarkeit mit Hilfe des ZTU-Schaubildes ..... 16

3.2 Austenitisieren .............. 173.3 Abkühlen bzw.

Abschrecken ................. 183.3.1 Stetiger Abkühlverlauf .. 183.3.2 Gestuftes Abschrecken –

Warmbadhärten ............ 19

6.4 Bainitisieren .................. 31 6.5 Anlassen ........................ 31 6.5.1 Anlassen gehärteter

Bauteile ......................... 31 6.5.2 Anlassen gehärteter

Werkzeuge .................... 31 6.6 Wärmebehandlungs-

mittel ............................. 32 6.6.1 Mittel zum Wärmen ...... 326.6.1.1 Flüssigkeiten ............... 326.6.1.2 Gase ............................ 326.6.1.3 Vakuum ...................... 326.6.2 Mittel zum Abkühlen

bzw. Abschrecken ........ 336.6.2.1 Flüssigkeiten ............... 336.6.2.2 Gase ............................ 336.6.3 Mittel zum Tiefkühlen .. 33 6.7 Einrichtungen zum

Wärmebehandeln ......... 33 6.7.1 Wärmebehandlungsöfen 336.7.2 Einrichtungen

zum Abkühlen bzw. Abschrecken ................. 34

6.7.3 Einrichtungen zum Tiefkühlen ..................... 34

6.8 Hinweise zum Richten .. 34

7 Hinweise für die Konstruktion ................. 34

7.1 Stahlauswahl ................. 34 7.2 Wärmebehandlungs-

gerechte Formgestaltung 34 7.3 Zeichnungsangaben ...... 35

8 Mängel durch Fehler beim Härten und Anlassen ........................ 35

9 Hinweise zum Prüfen der wärmebehandelten Bauteile und Werkzeuge 36

10 Quellennachweis .......... 36 10.1 Schrifttum ..................... 36 10.2 Bildnachweis ................. 37

11 Normenübersicht .......... 37

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

3.3.3 Tiefkühlen .................... 203.4 Eigenschaften

gehärteter Werkstücke .. 203.4.1 Festigkeit und Härte ..... 203.4.2 Formänderungs-

vermögen ...................... 213.4.3 Eigenspannungen ......... 213.4.4 Einfluss des Härtens

auf die Werkstückform und -abmessung ............ 21

4 Bainitisieren .................. 224.1 Ziel des Bainitisierens ... 224.2 Durchführung des

Bainitisierens ................. 224.3 Eigenschaften bainiti-

scher Werkstücke ......... 23

5 Anlassen ........................ 23 5.1 Zweck des Anlassens –

Begriffe ......................... 23 5.2 Der Anlassvorgang ........ 24 5.3 Anlassverhalten der

Stähle ............................ 24 5.4 Eigenschaften ange-

lassener Werkstücke ..... 25 5.5 Anlassversprödung ....... 26

6 Praxis des Härtens, Bainitisierens, Anlassensund Vergütens von Bauteilen und Werkzeugen .................. 26

6.1 Vorbereiten und Vorbehandeln ............... 26

6.1.1 Spannungsarmglühen ... 26 6.1.2 Vor-Vergüten ................. 266.1.3 Vorbereiten der zu

härtenden Bauteile und Werkzeuge ............. 27

6.2 Härten von Bauteilen .... 27 6.3 Härten von

Werkzeugen .................. 28 6.3.1 Werkzeuge aus unlegier-

ten Werkzeugstählen .... 286.3.2 Werkzeuge aus legierten

Kaltarbeitsstählen undWarmarbeitsstählen ...... 29

6.3.3 Werkzeuge aus Schnellarbeitsstählen .... 30

Seite Seite

Page 4: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

4

1 Härten, Anlassen, Ver-güten und Bainitisierenzum Verbessern derGebrauchseigenschaftenvon Bauteilen und Werk-zeugen aus Stahl

1.1 Zweck des Wärmebehandelns

Der Werkstoffzustand, in demBauteile und Werkzeuge aus Stahlhergestellt und bearbeitet werden,erfüllt nur selten gleichzeitig auchdie Anforderungen, die sich ausdem Verwendungszweck ergeben.Es ist daher notwendig, den Werk-stoffzustand durch Wärmebehan-deln so zu verändern, dass z. B. dieHärte, die Festigkeit, die Zähigkeitoder der Verschleißwiderstand denunterschiedlichen Bedingungender jeweiligen Anwendung optimalangepasst sind. Damit lässt sichauch das Verhältnis zwischen Be-anspruchbarkeit, Werkstückgeo-metrie und Abmessung optimieren.Das heißt, die Sicherheit gegen ei-nen frühzeitigen Ausfall oder einVersagen wird vergrößert, oder beigleich großer Sicherheit kann dieAbmessung verringert werden.

Wärmebehandeln heißt nachDIN EN 10052, „ein Werkstückganz oder teilweise Zeit-Tempera-

tur-Folgen zu unterwerfen, um eineÄnderung seiner Eigenschaftenund/oder seines Gefüges herbei-zuführen. Gegebenenfalls kannwährend der Behandlung diechemische Zusammensetzung desWerkstoffs geändert werden.“

Je nach dem Ziel des Wärme-behandelns stehen mehrere unter-schiedliche Verfahren zur Auswahl.Bei einigen Verfahren wird derWerkstoffzustand gezielt über dengesamten Querschnitt verändert:beim Glühen, Härten, Anlassen,Vergüten oder Bainitisieren. Beianderen Verfahren ist nur eine Ver-änderung der Randschicht beab-sichtigt, wie beim Randschicht-härten, Nitrieren oder Nitrocar-burieren. Bei manchen Verfahrenwird zwar gezielt die Randschichtverändert, jedoch erfolgt auch eineBeeinflussung des Werkstoffzu-standes im gesamten Querschnitt.Dies trifft z. B. auf das Einsatzhärtenoder die DiffusionsbehandlungenChromieren und Borieren zu.

In Bild 1 ist eine Übersichtüber die derzeit industriell ge-bräuchlichsten Verfahren darge-stellt. Sie sind in vier Gruppeneingeteilt. Im Folgenden werdenaus der ersten Gruppe das Härtenüber den gesamten Querschnittund das Bainitisieren sowie ausder zweiten Gruppe das Anlassenbehandelt. Die thermochemischen

Behandlungen Aufkohlen undCarbonitrieren und das Härtenaufgekohlter oder carbonitrierterTeile sind im Merkblatt 452 be-schrieben, das Nitrieren und Nitro-carburieren im Merkblatt 447.

1.2 Ziel des Härtens, Anlassens,Vergütens, Bainitisierens

Ziel des Härtens ist es, mög-lichst einen martensitischenWerkstoffzustand herzustellen,der durch eine höhere Härte ge-kennzeichnet ist. Nach der Defi-nition in DIN EN 10052 schließtdas Härten auch die Zustände ein,bei denen neben Martensit im Ge-füge auch geringe Anteile an Bai-nit auftreten, da je nach Stahl undden Gegebenheiten beim Härteneine Umwandlung ausschließlichin Martensit nicht immer erreich-bar ist.

Ziel des Bainitisierens ist esdagegen, einen Werkstoffzustandherzustellen, in dem Bainit derallein vorherrschende Gefügebe-standteil ist. Auch dies führt zueiner höheren Härte und Festigkeit,jedoch werden nicht in jedem Falldie gleich hohen Härtewerte er-reicht wie beim Härten.

In den meisten Fällen hat essich als zweckmäßig erwiesen,Bauteile und Werkzeuge nach

Merkblatt 450

Härten über den gesamten

Querschnitt

Anlassen bei Temperatur

< 200 ºC

Anlassen bei Temperaturen 500 bis 600ºC

= VergütenHärten

aufgekohlter Teile= Einsatzhärten

Randschichthärten

Auslagern

Erholungsglühen ohne nachfolgende Härtung:

mit nachfolgende Härtung:

wahlweise ohne/mit Härtung

Weichglühen

GKZ-Glühen

Normalglühen

Rekristallisations-glühen

Spannungsarm-glühen

Diffusionsglühen bzw. -behandeln

Sulfidieren

Oxidieren

Nitrieren

Nitrocarburieren

Chromieren

Thermochemische DiffusionGlühenAnlassenHärten

Bainitisieren

Aufkohlen

Carbonitrieren

Borieren

Härten über den gesamten

Querschnitt

Anlassen bei Temperatur

< 200 ºC

Anlassen bei Temperaturen 500 bis 600 ºC

= VergütenHärten

aufgekohlter Teile= Einsatzhärten

Randschichthärten

Auslagern

Erholungsglühen Ohne nachfolgende Härtung:

Mit nachfolgender Härtung:

Wahlweise ohne/mit Härtung:

Weichglühen

GKZ-Glühen

Normalglühen

Grobkornglühen

Rekristallisations-glühen

Spannungsarm-glühen

Diffusionsglühen bzw. -behandeln

Sulfidieren

Oxidieren

Nitrieren

Nitrocarburieren

Chromieren

Thermochemische DiffusionGlühenAnlassenHärten

Bainitisieren

Aufkohlen

Carbonitrieren

Borieren

Bild 1: Übersicht über die Wärmebehandlungsverfahren

Page 5: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

5

dem Härten einem zusätzlichenAnlassen zu unterziehen, um ent-weder ihr Festigkeitsverhaltenden jeweiligen Beanspruchungs-bedingungen optimal anzupassenoder das Risiko der Rissbildungbeim nachfolgenden Schleifen zuvermindern. Insbesondere dientein Anlassen bei höheren Tempera-turen dazu, ein beanspruchungs-gerechtes Verhältnis zwischenFestigkeit und Formänderungs-vermögen einzustellen. Im letzt-genannten Fall wird für die Kom-bination der beiden Verfahren Här-ten und Anlassen der Begriff „Ver-güten“ benutzt.

Nach dem Bainitisieren wirddagegen nicht mehr angelassen.

1.3 Ablauf des Wärmebehandelns

Der Ablauf des Wärmebe-handelns lässt sich durch die Zeit-Temperatur-Folge darstellen. Dieseläuft bei allen Wärmebehandlungs-verfahren prinzipiell wie in Bild 2schematisch dargestellt in dreiSchritten ab:1. Erwärmen auf die erforderliche

Behandlungstemperatur,2. Halten auf der Behandlungstem-

peratur,3. Abkühlen von Behandlungs- auf

Raumtemperatur.

Im ersten Zeitabschnitt wirdzwischen der Anwärmdauer undder Durchwärmdauer unterschie-den. Unter Anwärmdauer ist dieZeitspanne zu verstehen, die beimWärmen eines Werkstücks vergeht,bis die Behandlungstemperatur inder äußersten Randschicht erreichtist. Die Durchwärmdauer ist dieZeitspanne, nach der auch imKern die Solltemperatur vorliegt.Anwärmdauer und Durchwärm-dauer zusammen ergeben dieErwärmdauer.

Die entsprechende Zeitspannefür die Dauer des zweiten Zeit-abschnittes ist die Haltedauer, undfür den dritten Abschnitt gilt dieAbkühldauer.

Bei der praktischen Durchfüh-rung kann diese klare Trennunghäufig nur unter entsprechendem

messtechnischem Aufwand vor-genommen werden, so dass stattdessen meist die Ofenverweildauerals Kontrollgröße herangezogenwerden muss. Bei der Verwendungvon Salzschmelzen für die Wärme-übertragung ist in diesem Zusam-menhang der Begriff Tauchdauerüblich, womit die Zeitspanne vomEinbringen eines Werkstücks in dieSalzschmelze bis zu seiner Ent-nahme gemeint ist.

2 Einfluss einer Zeit-Tem-peratur-Folge auf denGefügezustand der Stähle

2.1 Aufbau des Stahlgefüges

Eisen ist in seinem atomarenAufbau als Metall dadurch gekenn-zeichnet, dass die Eisenatomedurch metallische Bindung zusam-mengehalten werden. Die Bin-dungskraft resultiert aus der Anzie-hung zwischen den positiv gela-denen Atomrümpfen und dennegativ geladenen freien Elektro-nen der äußeren Elektronenschale.Im festen Zustand sind Metalle inder Regel kristallin aufgebaut, d. h.,dass die räumliche Anordnung jedesAtoms festgelegt ist. Das Kristall-system des Eisens ist kubisch, undje nach Temperatur liegt ein ku-bisch raumzentriertes (krz) oderein kubisch flächenzentriertes (kfz)Gitter vor, siehe die Bilder 3 und4; Eisen verhält sich polymorph.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Erwärmdauer

Tem

pera

tur

Halte-dauer

Abkühldauer

AnwärmdauerDurchwärmdauer

Zeit

Erwärmung Behandlung Abkühlung

Raumtemperatur

Kern

Oberfläche

Behandlungstemperatur

Bild 2: Zeitlicher Ablauf einer Wärmebehandlung (schematisch)

a

x

kubischraumzentriert(krz)

kubischflächenzentriert(kfz) a

x

Bild 3: Das kubischraumzentrierteund das kubisch flächenzentrierteEisengitter

Page 6: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

6

Das kubisch raumzentrierteGittersystem enthält zwei Eisen-atome je Elementarzelle. DerAbstand der Eckatome voneinan-der beträgt 0,286 nm. Im kubischflächenzentrierten System ist diePackungsdichte der Eisenatomegrößer: Vier Eisenatome zählen zurElementarzelle, und der Abstandder Eckatome ist mit 0,357 nmgrößer als im kubisch raumzen-trierten System.

Die technisch verwendetenEisenwerkstoffe Stähle, Gusseisenoder Sintereisen sind Legierungen,bei denen in das Eisengitter ent-weder an der Stelle eines Eisen-atoms (substitutiv) oder in Gitter-lücken (interstitiell) Fremdatomeeingefügt – gelöst – sind, so dasskein Reineisenkristall, sondern einMischkristall vorliegt. Substitutions-mischkristalle entstehen, wenn dieFremdatome eine ähnliche Größewie die Eisenatome aufweisen. Diestrifft z. B. auf die Elemente Chrom,Molybdän, Vanadium und anderemetallische Elemente zu. Fremd-atome, die kleiner als die Eisen-atome sind, wie z. B. Kohlenstoff,Stickstoff oder Wasserstoff, werdendagegen interstitiell eingelagert.

Die Menge der im Eisengitter„löslichen“ Fremdatome ist be-schränkt. Wird das Lösungsver-mögen überschritten, bildenFremdatome eine zweite Phaseoder eine neue Kristallart (Verbin-dungskristall) mit einem gegen-

über den Eisen-Mischkristallenunterschiedlichen Gitteraufbau.

Der Polymorphismus des Eisen-gitters sowie die unterschiedlicheArt der Legierungsbildung bewir-ken einen unterschiedlichen Auf-bau des Gefüges von Eisenwerk-stoffen und der davon abhängigenEigenschaften und eröffnen Mög-lichkeiten zu einer gezielten Beein-flussung durch eine Wärmebe-handlung.

2.2 Gefügeänderungen beim Erwärmen –das ZTA-Schaubild

Das Gefüge unlegierter Stählemit einem C-Gehalt bis 0,8 Masse-% (untereutektoid) besteht imnormalisierten Zustand aus Ferritund Perlit, bei ca. 0,80 Masse-%(eutektoid) aus Perlit und bei hö-herem C-Gehalt (übereutektoid)aus Perlit und Zementit. Ferrit istein Eisen-(α)Mischkristall mit ei-nem Kohlenstoffgehalt von höchs-tens 0,02 Masse-%. Bei Raumtem-peratur ist das Eisengitter kubischraumzentriert. Perlit besteht auseinem Gemenge der beiden neben-einander entstandenen Bestand-teile Ferrit und Eisencarbid. Letz-teres wird auch als Zementit be-zeichnet. Zementit ist ein Verbin-dungskristall aus drei Eisenatomenund einem Kohlenstoffatom. Der

Kohlenstoffgehalt beträgt maximal6,67 Masse-%. Das lichtmikrosko-pische Aussehen eines ferritisch-perlitischen Gefügezustands ist inBild 5 abgebildet. Bei legiertenStählen enthält das Gefüge außer-dem Carbide metallischer Legie-rungselemente wie z. B. Chrom,Molybdän, Wolfram, Vanadium,Mangan, Silizium usw.

Wird Stahl auf Temperaturenüber 723 °C erwärmt, ändert sichsein Gefügezustand; bei untereutek-toidem Stahl beginnend im Perlit.Dessen Eisencarbide zerfallen, unddas kubisch raumzentrierte Gitterdes Ferrits wird kubisch flächen-zentriert, es entsteht der Gefüge-bestandteil Austenit. Die flächen-zentrierte Anordnung der Eisen-atome erlaubt, wesentlich mehrKohlenstoffatome auf Zwischen-gitterplätzen aufzunehmen (einzu-lagern). Der durch den Zerfall desZementits freigesetzte Kohlenstoffkann daher vom Austenit in Lösunggenommen werden. Im weiterenVerlauf des Wärmens wird auchaus dem restlichen Ferrit Austenit.Bei übereutektoidem Stahl beginntdie Umwandlung ebenfalls mit derAuflösung des Perlits und wird mitdem Zerfall des Zementits abge-schlossen. Bei Temperaturen überrd. 900 °C zerfallen bei den legier-ten Stählen die Carbide.

Die erforderliche Dauer für dasAustenitisieren wird von der Artund der Geschwindigkeit des Er-

Merkblatt 450

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

400

600

800

1000

1200

1400

1600

α-Eisen(krz)

γ-Eisen (kfz)

δ-Eisen (krz)

Ac2 769º

Ac3 911º

Ac4 1392ºAr4 1392º

Ar3 911º

Ar2 769º

Erstarrungspunkt 1536º Schmelzpunkt 1536º

Bild 4: Abkühlkurve (links) und Erwärmkurve (rechts) von reinem Eisen

Bild 5: Lichtmikroskopische Aufnahmen des normalisiertenStahls C45

0,1 mm 0,02 mm

Page 7: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

7

wärmens bestimmt. Nach raschemErwärmen auf Temperaturen über723 °C und Aufrechterhalten derTemperatur (isothermische Um-wandlung) laufen die beschriebe-nen Teilvorgänge umso rascher ab,je höher die Temperatur ist. DieserZusammenhang lässt sich aus demso bezeichneten Zeit-Temperatur-Austenitisier(ZTA)-Schaubild fürisothermisches Austenitisieren,siehe Bild 6, ablesen.

Aus dem Schaubild ist zu ent-nehmen, dass auch der Beginnder Umwandlungsvorgänge tem-peraturabhängig ist: je höher dieTemperatur, umso früher beginntdie Umwandlung und umgekehrt.Dabei ist zu beachten, dass bei zuniedrigen Temperaturen auch nachverhältnismäßig langer Haltedauerkeine vollständige Auflösung allerCarbide erreicht werden kann.Nach erfolgter Umwandlung desAusgangsgefüges in Austenit istder Kohlenstoff zunächst noch un-gleichmäßig verteilt → „inhomoge-ner“ Austenit. Erst durch weiteresHalten wird die Verteilung durchDiffusion des Kohlenstoffs gleich-mäßig → „homogener Austenit“.Gleichzeitig beginnen die Austenit-körner zu wachsen →„Kornwachs-tum“. Das Wachstum ist umso stär-ker, je länger die Haltedauer und jehöher die Austenitisiertemperaturist.

Der Ausgangsgefügezustandwirkt sich auf den Ablauf des Aus-tenitisierens aus: je gröber die Car-bide und je weiter sie voneinanderentfernt sind, desto länger mussdie Haltedauer bzw. umso höhermuss die Temperatur sein, um dasGefüge vollständig in Austenit um-zuwandeln und den Kohlenstoffgleichmäßig zu verteilen. In derPraxis wird eine vollständige Auf-lösung sämtlicher Carbide jedochnicht in jedem Fall angestrebt.

Bei einem stetigen Wärmenlaufen die beschriebenen Vorgängekontinuierlich ab. Für diesen Fallgelten ZTA-Schaubilder für kon-tinuierliches Erwärmen. In Bild 7ist ein solches ZTA-Schaubild fürden Stahl 34CrMo4 wiedergegeben.

Der Ablauf des Austenitisierensist hier entlang der eingezeichne-ten Erwärmungskurven abzule-sen. Es ist zu erkennen, dass dieUmwandlung zwar früher einsetzt,aber höhere Temperaturen erfor-dert, wenn das Erwärmen raschervorgenommen wird. Der Darstel-lung ist auch zu entnehmen, dassbei einem stetigen Erwärmenschon etwas Austenit entsteht,bevor die Endtemperatur er-reicht wird. Dies ist für die prak-

tische Durchführung des Wärme-behandelns wichtig.

Mit zunehmendem Gehalt anLegierungselementen verschiebensich die Grenzlinien für Beginn undEnde der Austenitbildung zu län-geren Zeiten und höheren Tempe-raturen: Die Legierungselementemachen den Stahl umwandlungs-träge. Dies ist am Vergleich derbeiden ZTA-Schaubilder in denBildern 7 und 8 deutlich zu er-kennen.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

0,01Haltedauer [s]

Tem

pera

tur [

ºC]

700

800

900

1000

1100

0,1 1 10 102 103

Erwärmgeschwindigkeit bis Haltetemperatur: 130 ºC/s

„homogener Austenit“

„inhomogener Austenit“

Ferrit + Austenit + CarbideFerrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Perlit

Ac3

Ac1e

Ac1b

Ac2

Ferrit + Perlit + AustenitAc1b

A

Bild 6: ZTA-Schaubild für isothermisches Austenitisieren des Stahls 34CrMo4

0,1Zeit [s]

Tem

pera

tur [

ºC]

700

800

900

1000

1100

1 105

Erwärmgeschwindigkeit [ºC/s]

10 102 103 104

0,050,2213103010030010002400

„homogener Austenit“

„inhomogener Austenit“

Ferrit + Austenit + CarbideFerrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Perlit

Ac3

Ac1b

Ac2

Ac1e+ Carbide

Ferrit + Perlit + Austenit

Ferrit + Austenit + Ca bFerrit

Ac1e

Bild 7: ZTA-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls 34CrMo4

Page 8: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

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Es ist zu beachten, dass jedesZTA-Schaubild nur für eine ganzbestimmte Stahlzusammensetzungund ein bestimmtes Ausgangsge-füge gültig ist. Die Schaubilder sindjedoch für die Wärmebehandlungsehr nützlich, da aus ihnen ange-nähert die erforderliche Austeniti-siertemperatur und Haltedauerentnommen werden kann.

2.3 Gefügeänderungen beim Abkühlen –das ZTU-Schaubild

Entsprechend der in Bild 4dargestellten Abhängigkeit desEisengittersystems von der Tempe-ratur verändert sich beim Abküh-len auf Raumtemperatur auch dasStahlgefüge. Bei sehr geringer Ab-kühlgeschwindigkeit beginnt beiStählen mit Kohlenstoffgehaltenunter 0,8 Masse-% (untereutektoideStähle) unterhalb von 900 °C, nacheiner Entmischung des Kohlen-

stoffs, in den kohlenstoffärmerenBereichen die Umwandlung vonAustenit (Gitter: kfz) in Ferrit(Gitter: krz). Da dieser nur einsehr geringes Lösungsvermögenfür Kohlenstoff besitzt, wird dernoch vorhandene Austenit weitermit Kohlenstoff angereichert. Bei723 °C weist er schließlich rd. 0,8Masse-% Kohlenstoff auf und wan-delt sich in Perlit (Ferrit und Car-bide) um. Bei unlegierten Stählenmit mehr als 0,8 Masse-% Kohlen-stoff beginnt in den durch Entmi-schung mit Kohlenstoff angerei-cherten Austenitbereichen dieAusscheidung von Zementit. Beilegierten Stählen werden Carbideausgeschieden. Dabei wird demAustenit der Kohlenstoff bis aufrd. 0,8 Masse-% entzogen, so dasser sich bei 723 °C ebenfalls in Per-lit umwandeln kann.

Die beschriebenen Vorgängesetzen voraus, dass der Kohlen-stoff im Eisengitter (Austenit) be-weglich ist und diffundieren kann.

Bei sehr langsamer Abkühlungsteht hierfür ausreichend Zeit zurVerfügung, und der erreichteGefügezustand entspricht einemGleichgewichtszustand. Bei höhe-rer Abkühlgeschwindigkeit als1 ºC/s wird die Bewegung derKohlenstoffatome eingeschränktund die Diffusion (Entmischen)behindert. Ab etwa 15 °C/s wirddie Umwandlung von Austenit inFerrit bzw. die Ausscheidung vonCarbiden mehr oder weniger voll-ständig unterdrückt, und die Um-wandlung in Perlit erfolgt erstunterhalb von 723 °C und auchbei geringeren Kohlenstoffgehal-ten als 0,8 Masse-%.

Bei noch höherer Abkühlge-schwindigkeit wird die Umwand-lung in Perlit abgelöst durch dieBildung von Bainit. Bainit entstehtdadurch, dass die Unterkühlungdes Austenits und damit der Zwangzur Umwandlung des Eisengittersin das kubisch raumzentrierte Sys-tem so groß geworden ist, dassder Austenit sich ohne vorange-hende Kohlenstoffverarmung inFerrit umwandelt. Dessen Gitterweicht jedoch im Unterschied zudem bei langsamer Abkühlung ent-stehenden Ferrit von der kubischenForm etwas ab, und der Kohlen-stoffgehalt ist höher. Gleichzeitigwerden Carbide ausgeschieden.

Eine noch größere Abwei-chung vom Gleichgewichtszustandergibt sich durch sehr hohe Ab-kühlungsgeschwindigkeiten, beidenen eine Austenitumwandlungbzw. Diffusion des Kohlenstoffs bisherab zu Temperaturen von 400 °Coder weniger unterbleibt. Aufgrundder starken Unterkühlung erfolgtdann innerhalb von Sekunden-bruchteilen eine Gitteränderung,bei der ein tetragonal raumzentrier-tes System entsteht, siehe Bild 9.Die Verzerrung des Eisengittersgegenüber der kubischen Formwird von den Kohlenstoffatomenverursacht, die sich von ihren Plät-zen im Austenitgitter nicht entfer-nen konnten und quasi eingefro-ren wurden. Der Gefügezustandunterscheidet sich lichtmikrosko-

Merkblatt 450

0,1Zeit [s]

Tem

pera

tur [

ºC]

700

800

900

1000

1100

1 105

Erwärmgeschwindigkeit [ºC/s]

10 102 103 104

0,050,2213103010030010002400

1200

1300

„homogener Austenit“

„inhomogener Austenit“

Ferrit + Austenit + Carbide

Austenit + Carbide

Ferrit + Carbide (Weichglühgefüge)

Ac1b

Ac2

Ac1e

Ferrit + Austenit + Carbide

Acc

„homogener A

„inhomogener Austenit“

Acc

Bild 8: ZTA-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls X37CrMoV5-1

Page 9: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

9

pisch deutlich von dem von Ferrit,Perlit oder Bainit und wird als Mar-tensit bezeichnet, siehe Bild 10.

Der Zusammenhang zwischenBeginn und Ende der Umwand-lungsvorgänge beim kontinuier-lichen Abkühlen eines Stahls ausdem austenitischen Zustand wirdin einem Zeit-Temperatur-Umwand-lungs(ZTU)-Schaubild für kontinu-ierliches Abkühlen dargestellt, sie-he Bild 11.

Der Ablauf der Umwandlunglässt sich am Verlauf der einge-zeichneten Abkühlkurven für unter-schiedliche Abkühlgeschwindig-keiten ablesen. Mit zunehmenderAbkühlgeschwindigkeit ergebensich in dem gezeigten Beispielnach erreichter RaumtemperaturGefüge, die aus Ferrit und Perlit,Ferrit, Perlit und Bainit, Bainit undMartensit oder nur aus Martensitbestehen. Am Ende jeder Abkühl-kurve können die jeweils erreichteHärte in HV oder HRC sowie dieGefügezusammensetzung abgele-sen werden. Aus der Darstellungist zu entnehmen, welche (kriti-sche) Abkühlgeschwindigkeit min-destens erforderlich ist, um z. B.einen nur aus Martensit bestehen-den Gefügezustand zu erreichen,oder bei welcher Umwandlungerstmals im Gefüge auch etwasMartensit zu erwarten ist. Damitkönnen für die praktische Durch-führung des Wärmebehandelnswichtige Voraussagen getroffenwerden.

Ist die Abkühlgeschwindig-keit so hoch, dass die Umwand-lung in Bainit unterdrückt wird,beginnt die Umwandlung des Aus-tenits in Martensit immer bei der-selben Temperatur, vgl. die hori-zontal verlaufende Linie in Bild 11.Diese wird kennzeichnenderweiseals Martensit-Starttemperatur Ms

bezeichnet und ist von der Stahl-zusammensetzung abhängig. FürStähle mit Kohlenstoffgehalten bis0,5 Masse-%, Mangan bis 1,7 Mas-se-%, Chrom bis 3,5 Masse-%, Mo-lybdän bis 5,0 Masse-% und Nickelbis 5,0 Masse-% kann sie mit dernachstehenden Beziehung abge-schätzt werden:ϑMs= 561 – 474 · C – 33 · Mn –

17 · Cr – 21 · Mo – 17 · Ni [°C]

In die Formel sind die Gehalteder jeweiligen Legierungselementein Masse-% einzusetzen. Für andereStähle kann der Ms-Punkt dem je-weiligen ZTU-Schaubild entnom-men werden. Entstehen Ferrit, Per-lit oder Bainit vor der Umwand-lung des Austenits in Martensit,erfolgt die Martensitbildung erstbei niedrigeren Temperaturen.

Es ist zu beachten, dass jedesZTU-Schaubild streng genommennur für diejenige Zusammensetzungder Stahlschmelze und die Auste-nitisierung gilt, für die es ermitteltwurde.

Analog zum oben beschriebe-nen isothermischen Austenitisierenlassen sich auch die Zusammen-

hänge für ein isothermisches Um-wandeln des Austenits darstellen.Hierzu stehen ZTU-Schaubilder fürisothermisches Umwandeln, siehedas Beispiel in Bild 12, zur Verfü-gung.

In dieser Darstellung sind dieUmwandlungsvorgänge nach sehrrascher Abkühlung auf eine belie-bige Temperatur, die bis zum Endeder Umwandlung konstant gehal-ten wird (= isothermisch), parallelzur horizontal verlaufenden Zeit-achse abzulesen. Es ist auch hier zuerkennen, dass die Umwandlungje nach Temperatur erst nach einergewissen Anlaufdauer beginntund nach Ablauf einer gewissenUmwandlungsdauer beendet ist.Im Bereich von etwa 550 °C istsowohl die Anlauf- als auch dieUmwandlungsdauer kürzer als beihöherer oder niedrigerer Tem-peratur. Beim Stahl C45E beginntdie Umwandlung sofort (0,6 s),quasi ohne Anlaufdauer. Aus demZTU-Schaubild für isothermischeUmwandlung geht hervor, dassim Unterschied zur kontinuier-lichen Abkühlung ein Gefügezu-stand, der nur aus der GefügeartBainit besteht, erreichbar ist. ImSchaubild für den Stahl C45E sindaußerdem Temperaturen eingetra-gen, bei denen z. B. 50 % bzw.90 % Martensit im Gefüge entste-hen, vgl. Bild 12.

Die Bilder 13 und 14 gebenentsprechende Schaubilder fürden Stahl 42CrMo4 wieder.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Bild 9: Martensitgitter Bild 10: Lichtmikroskopische Aufnahme von Martensit

Lagenbereichfür dieFe-Atome

WahrscheinlicheLage derC-Atome

10 µm

Page 10: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

10

Merkblatt 450

Zeit

0,1

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

3

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

AustenitFerrit

Bainit

682 654 570 430 318 278 244 228 213 174722

2 15 20 Anteil Bainit in %

0,008 0,015 0,025 0,04 0,1 0,25 0,6 2,2 20 ºC/min 1,25 ºC/min

4555

406070

30

8020

85

3510

85

Perlit

1 2 4 8 15 30 60Minuten

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HV 1 – 85 = Gefügeanteil in % 0,008 – 2,2 = Abkühlparameter λ (λ · 102 = Abkühldauer 800/500 ºC in s)

13

1015

Sekunden

Bild 11: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des Stahls C45E

Zeit

0,1

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

Austenit

Ferrit

Bainit

61

Perlit 70 30 26

36

22

3438

44

Beginn Ferritbildung

Umwandlungsende

Beginn Perlitbildung

Umwandlungsende

1 2 4 8 15 30 60Minuten

Sekunden = Härtewerte in HRC50, 70, 90 = Gefügeanteil in %

Umwandlungsbeginn

5090

Bild 12: ZTU-Schaubild für isothermisches Umwandeln des Stahls C45E

Page 11: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

11

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

5 7 710

5

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

Austenit

680

Ferrit5

0,01220 ºC/min

Bainit

660 650 640 625 600 525 470 380 310 300 290 260 230200 175 155 140

0 2 3 2 Restaustenitgehalt in %

3025 35 35 4035

15 40

62

5 ºC/min10 ºC/min 2,5 ºC/min 1,25 ºC/min

5

Anteil Bainit in %

Perlit

15 45 60 80 90 92 90 57228

0,02 0,03 0,060,10

0,200,25 0,40 1,0 1,5 2,5

6,5

1 2 4 8 15 30 60Minuten

Sekunden

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HV 5 – 65 = Gefügeanteil in % 0,012 – 6,5 = Abkühlparameter λ (λ · 102 = Abkühldauer 800/500 ºC in s)

65 65 60

Bild 13: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des Stahls 42CrMo4

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 850 ºC

Austenit Ferrit

Bainit

Umwandlungsbeginn

59

Perlit65

Umwandlungsende

Beginn Ferritbildung Beginn Perlitbildung

Umwandlungsende

4837

28

22 9124

1 2 4 8 15 30 60Minuten

Sekunden

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HRC bzw. HRB 65 = Gefügeanteil in %

Bild 14: ZTU-Schaubild für isothermisches Umwandeln des Stahls 42CrMo4

Page 12: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

3 Härten durch Gefügeumwandlung imMartensitbereich

3.1 Härtbarkeit als Voraussetzungfür erfolgreiches Härten

Die Eignung der Stähle für einHärten durch Umwandlung imMartensitbereich wird durch dieHärtbarkeit gekennzeichnet. Die-se ist eine werkstoffspezifischeEigenschaft und bestimmt, welcheHärte erreicht werden kann. Eswird zwischen Aufhärtbarkeit undEinhärtbarkeit unterschieden.

3.1.1 Aufhärtbarkeit

Unter der Aufhärtbarkeit wirdder Zusammenhang zwischen demKohlenstoffgehalt und der maxi-mal möglichen Härte – diese ergibtsich, wenn das Gefüge nahezuvollständig aus Martensit (99,9 %)besteht – verstanden. Hierbei zähltjedoch nur die Kohlenstoffmenge,die beim Austenitisieren im Auste-nit gelöst wurde. In Bild 16 istdieser Zusammenhang dargestellt.

12

Im Vergleich zum Stahl C45E istzu erkennen, dass Beginn und En-de der Umwandlungen zu länge-ren Zeiten verschoben sind. Diesbedeutet, dass der Stahl 42CrMo4umwandlungsträger ist. Ursäch-lich dafür sind die Legierungsele-mente Chrom und Molybdän.

2.4 Einfluss der Legierungs-elemente auf das Umwandlungsverhalten

Die im Stahl enthaltenenLegierungselemente beeinflussendie Umwandlung sowohl bei kon-tinuierlichem als auch bei isother-mischem Verlauf. In Bild 15 istder Einfluss der wichtigsten Legie-rungselemente auf das Umwand-lungsverhalten beim Abkühlenschematisch dargestellt.

Hieraus ist ersichtlich, dassz. B. die Elemente Mangan, Nickel,Molybdän, Chrom und Vanadiumdie Umwandlung in Perlit verzö-gern und zu einer deutlichen Tren-nung des Perlit- vom Bainitbereichführen; auch die Ms-Temperaturwird abgesenkt. Der Beginn derBainitbildung wird demgegenüberdurch Kohlenstoff, Chrom undMangan verzögert, durch Nickelund Vanadium beschleunigt. Das

dadurch geänderte Umwandlungs-verhalten bewirkt z. B. eine höhereHärtbarkeit, vgl. 3.1.

Es ist zu beachten, dass dasUmwandlungsverhalten nicht nurvon den Legierungselementen,sondern auch von den Austeni-tisierbedingungen (Temperatur,Haltedauer) beeinflusst wird.

Merkblatt 450

Zeit

Tem

pera

tur

Mn, Ni, Mo, Cr, V

Geringe Keimzahl (Erschmelzung),grobes Austenitkorn, langes Halten,hohe Härtetemperatur, C bis 0,9 Masse-%

Hohe Keimzahl (Erschmelzung),feines Austenitkorn, niedrige Härtetemperatur,C über 0,9 Masse-%

Hohe Härtetemperatur,Ferrrit-VorausscheidungC, Cr, Mn, Ni, V

Niedrige Härtetemperatur (Carbide),Halten oberhalb des Bainit-Bereichs

C, Mn, Cr, Ni, Mo, V, SiVorausscheidung imBainit-Bereich

Co, AlNiedrige Härtetemperatur,Halten oberhalb Ms

Martensit-Bereich

Perlit-Bereich

Bainit-Bereich

MnNiSi

Cr Mo V

Mn Ni

Ms

0

Kohlenstoffgehalt [Masse-%]

Härte

[HRC

]

0

20

0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

40

60

Martensit [%]

99,995908050

max. Härte nach Burns,Moore und ArcherHärte bei verschiedenenMartensitgehalten nachHodge und Orehoski

Bild 15: Einfluss der Legierungselemente auf das Umwandlungsverhalten

Bild 16: Zusammenhang zwischen Kohlenstoffgehalt und erreichbarer Höchsthärte inAbhängigkeit vom Martensitgehalt nach einem Härten

Page 13: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

13

Es ist zu erkennen, dass z. B.bei einem Kohlenstoffgehalt vonrd. 0,15 Masse-% bei einem voll-ständig martensitischen Gefüge(99,9 % Martensit) höchstens 42HRC, bei 0,6 Masse-% C höchstens65 HRC erreichbar sind. HöhereKohlenstoffgehalte führen zu kei-ner weiteren Steigerung. Dazwi-schenliegende Werte können mitHilfe der nachstehenden Beziehungabgeschätzt werden:

Erreichbare Höchsthärte = 35 + 50 · C-Gehalt in Masse-% ± 2 [HRC]

Der Zusammenhang gilt fürlegierte Stähle ebenso wie für un-legierte.

Enthält das Gefüge nach demHärten außer Martensit auch andereGefügebestandteile, kann die obenangegebene Beziehung ebenfallszur Abschätzung der erreichbarenHärte benützt werden, wenn derWert 35 durch einen niedrigerenWert ersetzt wird.

Abgeleitet von der unterbro-chenen Linie, kann alternativ dienachstehende Formel benutztwerden:

Erreichbare Höchsthärte = 20 + 60 · √C-Gehalt in Masse–% [HRC]

3.1.2 Einhärtbarkeit

Die Einhärtbarkeit bestimmtdie erreichbare Härte im Kern einesWerkstückes und kennzeichnetdamit das Verhalten eines Stahlsgegenüber den in den einzelnenWerkstückbereichen unterschied-lichen Abkühlgeschwindigkeiten,die entsprechend dem ZTU-Schau-bild des betrachteten Stahls zuunterschiedlichen Ergebnissen derAustenitumwandlung führen.

Wenn auch noch bei relativgeringer Abkühlgeschwindigkeitdie Umwandlung von Austenit inPerlit und/oder Bainit unterbleibt,bedeutet dies eine hohe Einhärtbar-keit, und umso eher wird die vor-gegebene Kernhärte erreicht. Eine

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Härt

e [H

RC]

Öl

20 ø

40 ø80 ø

30

60

50

40

Wasser

Bild 17: Härteverlaufskurven in Öl bzw. in Wasser abgeschreckter Rundproben unter-schiedlicher Abmessung aus dem Stahl 42CrMo4

niedrige Einhärtbarkeit liegt dage-gen dann vor, wenn auch bei sehrschroffer Abkühlung die Umwand-lung nicht vollständig im Marten-sitbereich erfolgt.

In Bild 17 sind die Härtever-laufskurven von Rundproben ausdem Vergütungsstahl 42CrMo4 mitunterschiedlicher Abmessung wie-dergegeben, die nach dem Auste-nitisieren in Öl bzw. in Wasserabgeschreckt wurden. Sie veran-schaulichen die Bedeutung derEinhärtbarkeit für das Erreicheneiner vorgegebenen Kernhärte.

Wie aus dem Verlauf der Kur-ven zu entnehmen ist, muss grund-sätzlich damit gerechnet werden,dass auch bei größtmöglicherAbkühlwirkung im Kern einesWerkstücks bei Abmessungen über10 mm die Härte deutlich geringerals die Oberflächenhärte wird. DerUnterschied wird umso größer, jemehr die Abmessung zu- und dieAbkühlwirkung abnimmt, wobeidamit zu rechnen ist, dass auch dieOberflächenhärte nicht mehr diehöchstmöglichen Werte annimmt.

Während die Aufhärtbarkeitdirekt vom Kohlenstoffgehalt ab-hängt, ergibt sich die Einhärtbarkeitaus Art und Menge der Legierungs-elemente, die das Umwandlungs-verhalten der Stähle verzögern.Daher werden Molybdän, Chromund Mangan dazu benutzt, dieEinhärtbarkeit der Stähle gezieltzu erhöhen. (Auch der Kohlen-stoff erhöht, wenn auch nur gering,die Einhärtbarkeit.) Eine ähnliche,jedoch geringere Wirkung besitztauch die Austenitkorngröße: Mitzunehmender Korngröße erhöhtsich die Härtbarkeit.

3.1.3 Messen der Härtbarkeit

Hierfür wird der in DIN ENISO 642 genormte Stirnabschreck-versuch benutzt. Eine zylindrischeProbe mit 25 mm Durchmesserund 100 mm Länge wird austeniti-siert und anschließend, senkrechthängend, mit einem – nach Größeund Druck festgelegten – Wasser-strahl, der senkrecht auf die untere

Page 14: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

14

Stirnfläche der Probe gerichtet ist,abgeschreckt. Dadurch wird derProbe die Wärme hauptsächlich soentzogen, dass sich in Längsrich-tung, mit zunehmendem Abstandvon der abgeschreckten Stirnflä-che, abnehmende Abkühlgeschwin-digkeiten ergeben. Dementspre-chend unterschiedlich verläuft dieUmwandlung über die Probenlän-ge. An der abgekühlten Probe wirddie Mantelfläche leicht angeschlif-fen und auf dieser Fläche in fest-gelegten Abständen von der abge-schreckten Stirnfläche die Härte(im Regelfall in HRC) gemessen.Die Messergebnisse werden, wiein Bild 18 als Beispiel zu sehen ist,in Abhängigkeit von den zugehöri-gen Stirnabständen aufgezeichnet;die verbindende Linie stellt dieHärteverlaufskurve dar.

Wird der Stirnabschreckver-such für mehrere Schmelzen einerStahlsorte durchgeführt, so lassen

sich die einzelnen Stirnabschreck-kurven zu einem Härtbarkeits-streuband zusammenfassen, wiein Bild 19 am Beispiel des Stahls34CrMo4 dargestellt.

Bei der Beschaffung kann derbetreffende Stahl mit einer gegen-über dem Streuband eingeschränk-ten Härtbarkeit bestellt werden.Die Einschränkung kann sich ent-weder auf die oberen oder dieunteren zwei Drittel beziehen(siehe Schraffur in Bild 19).

In den einschlägigen Techni-schen Lieferbestimmungen derStähle, z. B. DIN EN 10083-1(Vergütungsstähle) oder DIN EN10085-1 (Nitrierstähle), sind die zu-gehörigen Streubänder festgelegt,wonach die Auswahl, die Qualitäts-sicherung und die Beschaffung vor-genommen werden können.

Je rascher die Härte mit zu-nehmendem Abstand von der ab-geschreckten Stirnfläche abfällt,desto geringer ist die Einhärtbar-keit. Bei den legierten Werkzeug-stählen ist die Einhärtbarkeit sogroß, dass sie sich mit der üblichenStirnabschreckprobe kaum nochdifferenzieren lässt.

In der Praxis sind die Stahlher-steller inzwischen dazu überge-gangen, die Stirnabschreckkurve/Härtbarkeit aus der Stahlzusammen-setzung/-analyse zu berechnen.Hierzu wurden für verschiedeneStahlgruppen vom VDEh-Werk-stoffausschuss Formelsätze erstellt(SEP 1664).

Merkblatt 450

0Abstand von der abgeschreckten Stirnfläche [mm]

Här

te [H

RC]

20

25

5 10 15 20 25 30 35 40 45

30

35

40

45

50

55

60

Bild 19: Härtbarkeitsstreuband des Stahls 34CrMo4

0

Abstand von der Stirnfläche [mm]

Härt

e [H

RC]

0

Abkü

hlda

uer 8

00/5

00 ºC

[s]

20 100

40 200

60 300

010 20 30 40 50 60 70 80 90 100

100

Härte

Abkühldauer

25 ø

Bild 18: Gegenüberstellung des Streubandes von Härteverlaufskurven und derAbkühldauer längs einer abgeschreckten Stirnabschreckprobe aus dem Stahl 42CrMo4

Page 15: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

15

3.1.4 Anwendung des Stirnabschreckversuchs für die Stahlauswahl

Die von der Härte abhängen-den Bauteileigenschaften lassensich nur dann mit hoher Sicherheiterreichen, wenn die Härtbarkeitdes verwendeten Stahls auf die inder Fertigung vorliegenden Bedin-gungen beim Härten sorgfältig ab-gestimmt ist. Um dies zu erreichen,ist es für eine optimale Stahlaus-wahl notwendig, neben der erfor-derlichen Aufhärtbarkeit auch dieEinhärtbarkeit zu berücksichtigen.Der für eine ausreichende Aufhärt-barkeit erforderliche Kohlenstoff-mindestgehalt ergibt sich aus derin 3.1.1 angegebenen Beziehung,wenn diese in die nachstehendeForm gebracht wird:

Hierbei ist vorausgesetzt, dassbeim Härten eine vollständige Um-wandlung des Austenits in Marten-sit erfolgt und die erforderlicheHärte in HRC eingesetzt wird.

Die erforderliche Einhärtbar-keit zum Erzielen einer ausreichend

hohen Kernhärte bei Werkstück-abmessungen über 10 mm bzw. beirelativ geringer Abkühlgeschwin-digkeit, um z. B. das Verzugs- undRissrisiko gering zu halten, wird mitHilfe des Härtbarkeitsstreubandesdes Stirnabschreckversuchs ermit-telt. Dies wird dadurch möglich,weil in einem Werkstück mit zu-nehmendem Abstand von der Ober-fläche ebenso wie entlang der Stirn-abschreckprobe die Abkühlge-schwindigkeit abnimmt. Da gleicheAbkühlverläufe zu demselben Um-wandlungsergebnis, d. h. zu glei-cher Härte, führen, kommt es dar-auf an, eine entsprechende Bezie-hung zwischen dem Abstand vonder Oberfläche bzw. der Abmes-sung eines Bauteils und dem Ab-stand von der abgeschreckten Stirn-fläche einer Stirnabschreckprobe

herzustellen. Üblicherweise wird hierzu die Abkühldauer von 800 auf 500 °C benutzt: Bei der Stirn-abschreckprobe muss zu diesemZweck für bestimmte Abstände vonder abgeschreckten Stirnfläche undz. B. bei Rundstäben mit unter-

schiedlichem Durchmesser fürbestimmte Stellen des Querschnitts(z. B. Kern, 1/2-Radius, 3/4-Radius,Oberfläche) der jeweilige Abkühl-verlauf ermittelt und hieraus dieentsprechende Abkühldauer ent-nommen werden. Einer bestimm-ten Abkühldauer kann danach einzugehöriger Abstand von der ab-geschreckten Stirnfläche oder füreine bestimmte Stelle eines Rund-stabs ein zugehöriger Durchmesserzugeordnet werden. Die graphischeDarstellung dieses Zusammen-hangs unter Berücksichtigung derStreuung ist nach DIN 17021-1 inBild 20 für den Kern und dieOberfläche von in Wasser und inBild 21 für in Öl abgeschreckteRundstäbe wiedergegeben.

Es ist ersichtlich, dass z. B.beim Abschrecken in Wasser derKern eines Rundstabs mit 50 mmDurchmesser im Mittel ebensorasch abkühlt wie die Stirnab-schreckprobe im Abstand 12,5 mmvon der abgeschreckten Stirnfläche;für die Oberfläche ergibt sich einentsprechender Wert von ca.3,5 mm. Die beiden Bilder könnennun sowohl dazu benutzt werden,die Stelle der Stirnabschreckprobeanzugeben, an der sich dieselbeHärte einstellt wie an einer be-stimmten Stelle des Rundstabs,als auch dazu, mit Hilfe der Härt-

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

erforderliche Härte – 35 Kohlenstoffmindestgehalt = ————————————— ± 0,04 [Masse-%]50

bzw. erforderliche Härte – 20 2

Kohlenstoffmindestgehalt = (—————————————) [Masse-%]60

0Abstand von der abgeschreckten Stirnfläche [mm]

Rund

stab

durc

hmes

ser

[mm

]

0

10

5 10 15 20 25

20

30

40

50

60

70

80

90

Oberfläche(1,5 mmRandabstand)

Kern

Oberfläche(1,5 mmRandabstand)

Kern

Abkühlungin Wasser

0Abstand von der abgeschreckten Stirnfläche [mm]

Rund

stab

durc

hmes

ser

[mm

]

0

10

5 10 15 20 25

20

30

40

50

60

70

80

90

Oberfläche(1,5 mmRandabstand)

Kern

Abkühlungin Öl

Oberfläche(1,5 mmRandabstand)

Abkühlungin Öl

Oberfläche(1,5 mmRandabstand)

Kern

Abkühlungin Öl

(1,5 mmRandabstand)

Ain

Bild 20: Zusammenhang zwischen in Wasser abgeschrecktenRundstäben und der Stirnabschreckprobe

Bild 21: Zusammenhang zwischen in Öl abgeschreckten Rundstäben und der Stirnabschreckprobe

Page 16: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

16

barkeitsstreubänder verschiedenerStähle die am Rundstab zu erwar-tende Härte vorauszusagen. Damitlässt sich eine gezielte Auswahleines Stahls unter dem Gesichts-punkt der Härtbarkeit vornehmen.

Soll ein Bauteil mit kreisrun-dem Querschnitt gegebener Ab-messung nach einem Abschreckenz. B. in Wasser im Kern (oder ander Oberfläche) eine bestimmteHärte erreichen, so ist aus Bild 20der entsprechende Stirnabstandzu entnehmen. Durch Vergleichder Härtbarkeitsstreubänder ver-schiedener Stähle (z. B. DIN EN10083-1) lässt sich dann feststellen,welches Streuband im fraglichenStirnabstand die geforderte Härtemindestens aufweist. Dieser Stahlwird die Forderung optimal erfül-len, vgl. DIN 17021-1, in der hier-zu Beispiele dargestellt sind.

Die Zusammenhänge könnenmit Hilfe bestimmter Verhältnis-zahlen auch für andere als kreis-runde Querschnitte benutzt wer-den. Allerdings ist z. B. die Wir-kung unterschiedlicher Zusätzezum Wasser, unterschiedlicherÖlsorten oder die Wirkung einerRelativbewegung zwischen demAbschreckmittel und der Werk-stückoberfläche nicht berück-sichtigt.

3.1.5 Beurteilung der Härtbarkeit mit Hilfe des ZTU-Schaubildes

Eine grobe Abschätzung dernach einem Härten zu erwarten-den Härte kann auch mit Hilfe desZTU-Schaubildes des betreffendenStahles vorgenommen werden.Dies setzt jedoch voraus, dass derAbkühlverlauf bzw. die Abkühlge-schwindigkeit an den maßgebli-chen Stellen des Querschnitts einesBauteils bekannt ist. Häufig kannder Abkühlverlauf unter Betriebs-bedingungen nicht gemessen wer-den, so dass man auf eine Ab-schätzung angewiesen ist. Hierzukönnen die Darstellungen in denBildern 22 bis 24 herangezogen

Merkblatt 450

0Abstand vom Rand [mm]

Abkü

hlpa

ram

eter

λ (A

bküh

ldau

er v

on 8

00 º

– 50

0 ºC

in s

· 10

-2)

0,04

0,06

0,080,1

0,2

0,4

0,6

0,81

2

3

4

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Abkühlkurve für denKern von Rundkörpern

ø = 200 mm

ø = 175 mm

ø = 150 mm

ø = 120 mm

ø = 100 mm

ø = 80 mm

ø = 50 mm

Bild 22: Abkühlparameter für das Abkühlen von Rundstäben in Wasser

0Abstand vom Rand [mm]

Abkü

hlpa

ram

eter

λ (A

bküh

ldau

er v

on 8

00 º

– 50

0 ºC

in s

· 10

-2)

0,1

0,2

1

2

810

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

0,4

0,6

0,8

4

6

Abkühlkurve für denKern von Rundkörpern

ø = 200 mm

ø = 180 mm

ø = 150 mm

ø = 120 mm

ø = 100 mm

ø = 80 mm

ø = 50 mm

Bild 23: Abkühlparameter für das Abkühlen von Rundstäben in Öl

Page 17: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

17

werden, aus denen für verschie-dene Durchmesser bei Abkühlungin Wasser, Öl oder Luft der jewei-lige Abkühlparameter λ für dieAbkühldauer des Kerns oder derOberfläche von 800 auf 500 °Centnommen werden kann.

Mit Hilfe dieses Abkühlpara-meters oder durch Einzeichnender gemessenen Abkühlkurve indas ZTU-Schaubild des jeweiligenStahls kann der Abkühlverlauf ver-folgt und abgelesen werden, ob dasgewünschte Umwandlungsergebniserreichbar ist.

3.2 Austenitisieren

Das Austenitisieren wird durchErwärmen auf die Austenitisiertem-peratur und ausreichend langesHalten, vgl. 2.2, vorgenommen.Dabei kommt es darauf an, in Ab-hängigkeit von der Werkstoffzu-sammensetzung und dem Aus-gangsgefügezustand eine ausrei-chende Menge Kohlenstoff in den

Austenit in Lösung zu bringen, wo-zu insbesondere bei den Werkzeug-stählen ein Teil der Carbide (beiGusseisen ein Teil der Graphitaus-scheidungen) aufgelöst werdenmuss. Aus den ZTA-Schaubildernkönnen für die verschiedenenStähle Anhaltswerte für die Min-desthaltedauer in Abhängigkeitvon der Temperatur bzw. die Min-desttemperaturen in Abhängigkeitvon der Erwärmgeschwindigkeitentnommen werden. Daraus istauch ersichtlich, dass bei Stähleneine vollständige Auflösung sämt-licher Carbide meist eine sehr langeHaltedauer bzw. eine sehr hoheAustenitisiertemperatur erfordert.In der Praxis wird dies meist nichtangestrebt, um den Gehalt des imAustenit gelösten Kohlenstoffs mög-lichst nicht über rd. 0,65 Masse-%ansteigen zu lassen bzw. das Korn-wachstum in Grenzen zu halten.

Die Austenitisiertemperatursollte bei unlegierten und niedriglegierten Stählen mit Kohlenstoff-gehalten unter 0,8 Masse-% etwa

30 bis 50 °C über der Ac3-Tempe-ratur des betreffenden Stahls liegen.Für Vergütungsstähle kann dieserauch mit der nachstehenden Bezie-hung nach Just abgeschätzt werden(Gehalt der Legierungselementein Masse-%):ϑAc3 ≈ 947 – 264 · √C – 8 · Mn +

45 · Si + 5 · Cr + 74 · Al +10 · Mo – 23 · Ni + 94 · V [°C]

Bei unlegierten und niedriglegierten Stählen mit Kohlenstoff-gehalten über 0,8 Masse-% liegt dieAustenitisiertemperatur üblicher-weise zwischen 780 und 820 °C(bei Gusseisen zwischen 850 und880 °C).

Hoch legierte Werkzeugstählesind im Bereich zwischen 950 und1100 °C (Warm-, Kaltarbeitsstähle)bzw. zwischen 1150 und 1230 °C(Schnellarbeitsstähle) zu austeni-tisieren, nichtrostende härtbareStähle bei 1000 bis 1050 °C.

Die geeigneten Temperaturenkönnen für jeden Stahl aus denTechnischen Lieferbedingungen,z. B. für Vergütungsstähle aus DINEN 10083-1, für Nitrierstähle ausDIN EN 10085, für Werkzeugstähleaus DIN EN ISO 4957 oder geeig-neten anderen Unterlagen (Katalo-ge der Stahlhersteller, Stahlschlüs-sel usw.) entnommen werden.

Da beim Austenitisieren miteinem Kornwachstum zu rechnenist, das die Gebrauchseigenschaf-ten im gehärteten Zustand beein-trächtigen kann, sind zu hohe Aus-tenitisiertemperaturen und zu lan-ges Halten (= „Überzeiten“) mög-lichst zu vermeiden. Extrem hoheTemperaturen (= „Überhitzen“)können irreversible Gefügeschä-den durch Aufschmelzungen be-wirken.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

0Abstand vom Rand [mm]

Abkü

hlpa

ram

eter

λ (A

bküh

ldau

er v

on 8

00 º

– 50

0 ºC

in s

· 10

-2)

4

6

810

20

40

60

80100

200

400

40 80 120 160 200 240 280 320 360 400

Abkühlkurve für denKern von Rundkörpern

ø = 800 mmø = 700 mm

ø = 600 mm

ø = 500 mm

ø = 400 mm

ø = 300 mm

ø = 200 mm

ø = 100 mm

2,5 ºC/min

5 ºC/min

10 ºC/min

1,25 ºC/min

1 ºC/min

20 ºC/min

Bild 24: Abkühlparameter für das Abkühlen von Rundstäben an Luft

Page 18: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

18

3.3 Abkühlen bzw. Abschrecken

3.3.1 Stetiger Abkühlverlauf

Um die Härtung herbeizufüh-ren, muss nach dem Austenitisierenso abgekühlt werden, dass die Um-wandlung möglichst ausschließlichim Bereich der Martensitstufe er-folgt. Die hierfür erforderliche Ab-kühlgeschwindigkeit wird als kri-tische Abkühlgeschwindigkeit fürdie Martensitstufe bezeichnet. Hier-bei wird zwischen einer oberenkritischen, diese führt zu einem Ab-kühlverlauf, bei dem die Umwand-lung ausschließlich im Martensit-bereich erfolgt, und einer unterenkritischen Abkühlgeschwindigkeit,diese führt zu einem Abkühlver-lauf, bei dem neben Ferrit, Perlitund/oder Bainit erstmals auchMartensit entsteht, unterschieden.Sie kann aus den ZTU-Schaubil-dern der Stähle für kontinuierli-ches Abkühlen abgelesen werden.Erfolgt das Abkühlen mit einer grö-ßeren Geschwindigkeit als anruhender Luft, wird von einemAbschrecken gesprochen.

Die Temperatur, von der ausdas Abkühlen oder Abschreckenvorgenommen wird, heißt Härte-temperatur; sie ist meist mit derAustenitisiertemperatur identisch.

Bei Unterschreiten der Ms-Tem-peratur erfolgt die Umwandlungin Martensit. Sie ist erst beim Er-reichen der so bezeichneten Mf-Temperatur abgeschlossen. Fürunlegierte Stähle sind die Ms- undMf-Temperaturen in Abhängigkeitvom Kohlenstoffgehalt in Bild 25dargestellt.

Die Darstellung lässt erkennen,dass es bei Kohlenstoffgehalten abetwa 0,6 Masse-% notwendig ist,das Abkühlen/Abschrecken bisunter Raumtemperatur fortzuset-zen, um dem Ende der Umwand-lung von Austenit in Martensitmöglichst nahe zu kommen.

Inwieweit der beim Abschre-cken in einem Werkstück tatsäch-lich erreichte Abkühlverlauf demfür das Erreichen der gewünschtenUmwandlung erforderlichen ent-spricht, hängt im Wesentlichen vonder beim Abkühlen oder Abschre-cken an der Werkstückoberflächeerzielten Wärmestromdichte ab.Diese ergibt sich hauptsächlich ausArt und Temperatur des benutztenAbschreckmittels, der Form, derMasse und dem Oberflächenzu-stand des abzukühlenden Werk-stücks sowie der Relativgeschwin-digkeit zwischen Abschreckmittelund Werkstückoberfläche.

Das Abkühlen/Abschreckenkann auch abgestuft oder mit zweiunterschiedlichen Geschwindig-keiten vorgenommen werden,vgl. 3.3.2.

Werden flüssige Abschreck-mittel, deren Siedepunkt unter-halb der Härtetemperatur liegt,verwendet, läuft der Abkühlvor-gang in drei Phasen ab, wie inBild 26 veranschaulicht ist.1. Phase: Dampfhautphase – in

dieser Phase entsteht durchden Effekt des „Filmsiedens“eine wärmeisolierende Dampf-haut an der Werkstückober-fläche (Leidenfrost-Phänomen);die Abkühlwirkung ist relativgering.

2. Phase: Kochphase – in dieserPhase bricht die Dampfhaut zu-sammen, und der Wärmeüber-gang wird sehr intensiv („Blasen-sieden“); die Abkühlwirkung istrelativ hoch.

3. Phase: Konvektionsphase – indieser Phase findet kein Blasen-sieden mehr statt, der Wärme-übergang erfolgt durch Kon-vektion; die Abkühlwirkung istrelativ gering.

Die zum Abschrecken benutz-ten Mittel Salzwasser, Öle, Emul-sionen, Salzschmelzen, Wirbelbet-ten oder Gase unterscheiden sich

Merkblatt 450

0Kohlenstoffgehalt [Masse-%]

Umw

andl

ungs

tem

pera

tur [

ºC]

– 200

0

0,4

400

200

0,8 1,2 1,6

~ 50 %

Beginn derMartensitbildung (Ms)

~ 80 %Ende derMartensitbildung (Mf)

Oberflächentemperatur (bei Öl)Dampfhautphase Kochphase Konvektionsphase

Bild 25: Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoffgehalt undden Ms- und Mf-Temperaturen unlegierter Stähle

Bild 26: Phasen der Abkühlung bei flüssigen Abschreckmittelnmit Siedetemperatur < Härtetemperatur

Page 19: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

kung der einzelnen Mittel unter-schiedlich hoch ist und bei einerfür das jeweilige Mittel charakte-ristischen Temperatur liegt.

Diese Charakteristik kannzur Auswahl eines geeignetenAbschreckmittels herangezogenwerden. In grober Näherung gilt,dass mit zunehmender Werk-stückabmessung das Maximumder Abkühlgeschwindigkeit zuniedrigeren Temperaturen ver-schoben werden sollte, wie esschematisch in Bild 28 wieder-gegeben ist.

19

charakteristisch durch ihre Ab-kühlwirkung in den verschiedenenTemperaturbereichen. In Bild 27sind einige mit einem speziellenPrüfkörper (Silberkugel) gemesse-ne Abkühlkurven („Silberkugel-kurven“) verschiedener flüssigerMittel gegenübergestellt.

Sie zeigen ganz deutlich dieunterschiedliche Abkühlgeschwin-digkeit im Temperaturbereichzwischen Beginn und Ende desAbschreckvorgangs. Es ist ersicht-lich, dass die maximale Geschwin-digkeit und damit die Abkühlwir-

3.3.2 Gestuftes Abschrecken – Warmbadhärten

Zur Minimierung von Maß- undFormänderungen, Eigenspannun-gen und der Rissgefahr sollte nichtschroffer als notwendig und somild wie möglich abgeschrecktwerden. Um die beim Abkühlen imWerkstück entstehenden Spannun-gen möglichst gering zu halten,werden riss- und verzugsempfind-liche Werkstücke bevorzugt gestuftabgekühlt.

Die verbreitetste Methode hier-für ist das Warmbadhärten. Hierbeiwerden die Werkstücke in eineSalzschmelze, ein Wirbelbett oderein Warmbadöl, dessen Tempera-tur möglichst dicht oberhalb derMartensit-Starttemperatur liegensollte, eingetaucht, wodurch derAbkühlvorgang in der Werkstück-randschicht unterbrochen wird.Der Kern des Werkstücks kühltsich jedoch so weit ab, dass einTemperaturausgleich zwischenRand und Kern eintreten kann,siehe Bild 29.

Beim Abkühlen entstandeneSpannungen können sich so durchplastische Verformung des noch„weichen“ Austenits weitestge-hend abbauen. Nach ausreichendlangem Halten wird das Abkühlenfortgesetzt, wozu die Werkstückedem Warmbad entnommen undan Luft bis auf Raumtemperatur

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Bild 28: Optimale Lage der maximalen Abschreckwirkung(schematisch)

Bild 29: Abkühlverlauf eines Werkstücks beim Warmbadhärten

0Temperatur [ºC]

Abkü

hlge

schw

indi

gkei

t [ºC

/s]

0

1000

2000

3000

200 400 600 800

10 % cyanhaltigeSalzlösung (20 ºC)Leitungswasser(Hannover, 20 ºC)legiertes Öl(1,6 ºE bei 50 – 60 ºC)unlegiertes Öl(1,6 ºE bei 50 – 60 ºC)Salzschmelze(Warmbad 210 ºC/0,1 % Wasser)

Temperatur

Abkü

hlge

schw

indi

gkei

t

Zu härtendes Werkstückgrößer kleiner

0Zeit [min]

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

10

200

300

400

500

20 30 40

Kern

Ms

Rand Abkühlungan Luftoder in Öl

Bild 27: Abkühlkurven flüssiger Abschreckmittel

Page 20: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

20

abgekühlt werden. In dieser Phaseerfolgt dann die Umwandlung desAustenits in Martensit.

Das Warmbadhärten setzt je-doch eine ausreichende Härtbarkeitvoraus, d. h. ein Umwandlungsver-halten des Stahls, das eine Verzö-gerung des Abkühlens ohne Beein-trächtigung der Umwandlung inMartensit gestattet. Dies ist im All-gemeinen nur bei legierten Stählenmöglich, wenn eine vollständigeUmwandlung in Martensit erfor-derlich ist.

3.3.3 Tiefkühlen

Aus Bild 25 ist zu entnehmen,dass das Ende der Martensitum-wandlung bei unlegierten Stählenmit einem Kohlenstoffgehalt überca. 0,6 Masse-% bei Raumtempera-tur noch nicht erreicht ist. Soll derAustenit vollständig umgewandeltwerden, so muss bis zur Martensit-Endtemperatur weiter unterkühltwerden. Dies kann in Tiefkühltru-hen oder -schränken mit Luft, spe-ziellen Kältemischungen oder inflüssigem Stickstoff (– 196 °C) vor-genommen werden.

Das Tiefkühlen sollte unmittel-bar nach Erreichen der Raumtem-peratur erfolgen, da längeres Ver-weilen (ab etwa 4 bis 6 Stunden)zu einem Stabilisieren des nochnicht umgewandelten Austenitsführt. Diese Stabilisierung erschwertdie Umwandlung des Restaustenitsund kann sie sogar verhindern.

Das Tiefkühlen ist immer dannzweckmäßig, wenn• aus Verschleißgründen eine sehr

hohe Härte und ein restaustenit-freies Gefüge erforderlich sind,

• höchste Anforderungen an dieMaß- und Formgenauigkeit ge-stellt werden und wenn wäh-rend des Gebrauchs gehärteterWerkstücke Temperaturen un-terhalb der Raumtemperatur,oberhalb von 150 °C oder Ver-formungen zu erwarten sind,wodurch sich Restaustenit um-wandeln kann.

Anstatt durch Tiefkühlen kannRestaustenit auch durch Anlassenbeseitigt werden, jedoch sind hier-zu bei unlegierten und niedriglegierten Stählen Temperaturenüber 200 °C und bei hoch legierten(Werkzeugstählen) Temperaturenüber 500 °C erforderlich.

3.4 Eigenschaften gehärteterWerkstücke

3.4.1 Festigkeit und Härte

Das durch Härten angestrebteZiel ist eine möglichst vollständigeUmwandlung in der Martensitstufe.Die dadurch erreichbare Härte er-gibt sich aus der Martensitmengeund dem Kohlenstoffgehalt, der imAustenit gelöst war, und kann nachdem in 3.1.1 dargestellten Zusam-menhang ermittelt werden. Dabeiist zu beachten, dass die erreich-bare Härte bei Stählen höchstens65 HRC betragen kann. Enthält dasGefüge neben Martensit Restaus-tenit, Ferrit, Perlit oder Bainit, istmit niedrigeren Werten zu rechnen.Das Gefüge von Gusseisen enthältdagegen außer Martensit Graphit-ausscheidungen, so dass selbst beieiner vollständigen Umwandlungin der Martensitstufe die Härte un-ter derjenigen von Stahl liegt. BeiSinterwerkstoffen sind die Poren

für eine niedrigere Härte verant-wortlich.

Die Härte ist gleichzeitig einMaß für die Festigkeit eines gehär-teten Werkstücks. Mit zunehmen-der Härte erhöht sich auch dieFestigkeit und umgekehrt. NachUmwertungstabellen in DIN ENISO 18265 kann die Härte in Zug-festigkeitswerte umgewertet bzw.aus Zugfestigkeitswerten auf dieHärte geschlossen werden. Da-bei ist allerdings der Einfluss derLegierungselemente zu beachten.Dementsprechend sind verschie-denen Stahlgruppen unterschied-liche Umwertungstabellen zuge-ordnet. Als Faustformel ohneAnspruch auf Exaktheit könnendie beiden nachstehenden Bezie-hungen zum Umwerten benutztwerden:Rm ≈ (3,2 bis 3,35) · Vickershärte

[N/mm2] bzw.Rm ≈ (32 bis 38) · Rockwell-C-Härte

[N/mm2]

Dabei gilt der Multiplikator 3,2bis zu einer Härte von etwa 460HV, und es gelten Multiplikatorenzwischen 3,2 und 3,35 für den Be-reich 465 bis 650 HV. Der Multi-plikator 32 gilt für den Bereich 31bis 45 HRC, und Multiplikatorenzwischen 32 und 38 gelten für denBereich zwischen 46 und 58 HRC.

Merkblatt 450

Bild 30: Mechanische Eigenschaften des Stahls C45 nach der Wärmebehandlung

0Anlasstemperatur [ºC]

Härt

e [H

RC]

0100 700

20

40

60

80

200 300 400 500 600

Zugfestigkeit

Fest

igke

it R m

, Re

[N/m

m2 ]

2400

2000

1600

1200

800

400

0

Streckgrenze

Härte

Einschnürung

Dehnung

Bruc

hein

schn

ürun

g Z,

Bru

chde

hnun

g A

[%]

100

40

0

8060

20

Zugfestigkeit

renze

Härte

hn r ng

Zugfestigkeit

renze

Härte

hnürung

ä te

hnürung

DehnungDe u g

Gehärtet: TE 54 + JE 840 ºC 20 min/SalzwasserAngelassen: Luft bzw. Salzbad jeweils 30 min

do = 8 mm

Page 21: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

21

3.4.2 Formänderungsvermögen

Das Formänderungsvermögennimmt im Allgemeinen mit steigen-der Festigkeit ab, wie am Beispieldes Zusammenhangs zwischen derBruchdehnung A5 und der Bruch-einschnürung Z mit der Festigkeitin Bild 30 zu sehen ist.

Das bedeutet, dass mit steigen-der Härte die plastische Verform-barkeit abnimmt, was besondersbei stark gekerbten Bauteilen undbeim Richten verzogener Teiledurch Biegen zum Bruch führenkann. Kritisch sind auch hoheFormänderungsgeschwindigkeitenoder Belastungsstöße. Dadurchkönnen hochharte Werkstückeleicht versagen. Aus Bild 30 ist zuentnehmen, dass akzeptable Zähig-keitswerte erst ab Anlasstempera-turen oberhalb von 550 °C erreich-bar sind. Dies ist die Grundlagefür das Anwenden des Vergütens.

3.4.3 Eigenspannungen

Durch das Austenitisieren wer-den im Werkstück bereits vorhan-dene Eigenspannungen reduziert;beim Abkühlen/Abschrecken kön-nen jedoch neue Eigenspannun-gen entstehen. Dies geht auf ther-misch bedingte Volumenkontrak-tionen und umwandlungsbedingteVolumendilatationen entsprechenddem Temperaturprofil über denWerkstückquerschnitt zurück.

Während des Austenitisierensist die Werkstofffestigkeit so gering,dass sich vorhandene oder entste-hende Spannungen durch plasti-sche Verformungen verringernkönnen. Mit abnehmender Tem-peratur und beginnender Umwand-lung des Austenits nimmt die Fes-tigkeit zu, was plastische Verfor-mungen erschwert oder unmöglichmacht, so dass es zwischen Werk-stückbereichen mit unterschied-lichen Volumenänderungen zuSpannungen kommen kann. Dierein thermisch bedingten Volumen-änderungen führen im Normalfallnach dem Abkühlen zu Druck-

spannungen im Rand und Zug-spannungen im Kern.

Die umwandlungsbedingtenSpannungen kommen dadurch zu-stande, dass das spezifische Volu-men durch die Bildung von Mar-tensit (und/oder Bainit) wächst.Abhängig vom Zeitpunkt, in demsich diese Volumenvergrößerungin den einzelnen Werkstückberei-chen der thermisch bedingtenVolumenabnahme überlagert, undder dann vorliegenden Festigkeitbzw. dem plastischen Verformungs-vermögen, resultiert ein Eigen-spannungszustand, bei dem amRand sowohl Zug- als auch Druck-,im Kern sowohl Druck- als auchZugeigenspannungen herrschenkönnen.

Die Werkstückform und -ab-messung, das Umwandlungsver-halten (Härtbarkeit), die Wärme-leitfähigkeit und die Warmfestigkeitdes jeweiligen Stahls sowie derAbkühlverlauf bestimmen die Formdes Spannungsprofils im gehärtetenZustand. Im Normalfall herrschennach dem Härten im RandbereichZug- und im Kernbereich Druck-spannungen.

3.4.4 Einfluss des Härtens auf die Werkstückform und -abmessung

Wegen der beschriebenenVolumenänderungen ändern sichdurch das Härten Maße und Form

eines Werkstückes. Für die Maß-änderungen ist hauptsächlich dasVolumenwachstum infolge derMartensitbildung verantwortlich,wie aus Bild 31 zu entnehmen ist,in dem das spezifische Volumenverschiedener Gefügezustände –bezogen auf den Zustand bei Raum-temperatur – am Beispiel einesStahls mit rd. 0,8 Masse-% Kohlen-stoff gegenübergestellt ist.

Die Darstellung lässt erkennen,dass das spezifische Volumen desmartensitischen Gefüges um rd. 1 %größer als das des perlitischen Aus-gangszustandes ist. Hieraus ergibtsich eine Änderung der linearenAbmessungen von rd. 3,3 ‰.

Theoretisch wird hiernacheine Welle mit 1000 mm Längedurch das Härten gegenüber demAusgangszustand um 3 mm län-ger. Bei Stählen mit niedrigeremKohlenstoffgehalt ist die Volu-menzunahme allerdings geringer,und auch Martensitgehalte unter100 %, insbesondere durch grö-ßere Anteile von Restaustenit imGefüge, führen zu geringeremWachstum.

Die Auswirkung dieser Volu-menzunahme auf die Werkstück-form wird dadurch bestimmt, obdie Austenit-Martensit-Umwandlunggleichmäßig über den gesamtenWerkstückquerschnitt oder zeit-lich versetzt erfolgt. So könnenz. B. Volumenvergrößerungen auf-grund des Entstehens von Marten-sit im rascher abkühlenden Werk-

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Bild 31: SpezifischesVolumen einesStahls mit 0,8 Masse-%Kohlenstoffin verschiede-nen Gefüge-zuständen

0Spez. Volumen [cm3/g]

Austenit

0,120

TetragonalerMartensit

Kub. Martensit(angel. 200 ºC/6,5 h)

Perlit(geglüht)

0,125 0,130

Page 22: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

22

stückrand Spannungen hervorru-fen, die zu plastischen Verformun-gen des langsamer abkühlenden,noch voll austenitischen – und„weicheren“ – Werkstückinnerenführen. Dazu kommt die Überla-gerung mit den Volumenkontrak-tionen infolge der Temperaturab-nahme beim Abkühlen, die ihrer-seits ebenfalls Spannungen erzeu-gen können.

Entsprechend diesen Wechsel-beziehungen sind die auftretendenMaß- und Formänderungen ganzunterschiedlich. Die thermisch- undumwandlungsbedingten Volumen-änderungen können sich sowohlgegenseitig kompensieren als auchverstärken. Analoges gilt für dieEigenspannungen im Werkstücknach dem vollständigen Abkühlen.

Allgemein lässt sich sagen: Jegrößer die Abmessung und je gerin-ger die Härtbarkeit, umso mehrüberwiegt der Einfluss der Wärme-spannungen. Dadurch werden pris-matische Körper kürzer und dicker(„Tonnenform“). Bei größerer Härt-barkeit und kleiner Abmessungüberwiegen die durch das Um-wandeln entstehenden Volumen-änderungen. Sie führen zu einerallseitigen Abmessungsvergröße-rung. Dazwischen liegen die Ab-messungen, bei denen prismati-

sche Körper länger und dünnerwerden und sich die Kanten auf-werfen („Spulenform“).

Beeinflusst werden die Verhält-nisse noch zusätzlich durch denWerkstoffzustand vor dem Härten.Vorhandene Eigenspannungen in-folge des Walzens, Schmiedensoder Ziehens, der spanenden Bear-beitung, des Umformens oder desSchweißens werden beim Auste-nitisieren ausgelöst und könnenbereits beim Erwärmen zu plasti-schen Verformungen führen.

Darüber hinaus bestimmen dieWerkstückgeometrie sowie Walz-oder Ziehtexturen die Vorzugsrich-tung, in der die Formänderungenstattfinden. Das Resultat wird land-läufig als „Verzug“ bezeichnet undist z. B. durch ovale statt kreisrundeBohrungen, unebene Platten, krum-me Wellen und Achsen usw. ge-kennzeichnet.

Die derzeit verfügbare Rechner-technik hat es ermöglicht, Program-me zu entwickeln, mit denen an-hand des Abkühlverlaufs in Ver-bindung mit spezifischen Werk-stoffkenndaten die zeitlichen Vo-lumenänderungen und entstehen-den Eigenspannungen simuliertwerden können und die sich dar-aus nach einem Härten ergebendeWerkstückgeometrie abgeschätzt

werden kann. Die Entwicklung istzurzeit noch nicht abgeschlossen,und die Programme sind nochnicht allgemein verfügbar.

4 Bainitisieren

4.1 Ziel des Bainitisierens

Das Bainitisieren von Stählendient dazu, das Gefüge mehr oderweniger vollständig in den bainiti-schen Zustand zu überführen. Diesist, ebenso wie das martensitischeHärten, mit einer Steigerung derHärte und der Festigkeit gegenüberdem Ausgangszustand verbunden.Die dabei eintretenden Maß- undFormänderungen sind geringer alsbeim Härten. Von großem Vorteilfür die Gebrauchseigenschaften istdas größere Formänderungsvermö-gen des Bainits gegenüber Marten-sit gleicher Härte.

4.2 Durchführung des Bainitisierens

Zum Bainitisieren muss ebensowie beim Härten zunächst auf Aus-tenitisier- oder Härtetemperatur

Merkblatt 450

Zeit

Tem

pera

tur [

ºC]

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 10 102 103 104 105

Martensit

Ms

Austenitisiertemperatur: 880 ºC

Austenit

5090

33

63

26 372195

39

3947

Ferrit

Perlit

Umwandlungsende

Umwandlungsende

Beginn PerlitbildungBeginn Ferritbildung

Bainit

Umwandlungsverlaufbeim Bainitisieren

1 2 4 8 15 30 60Minuten

Sekunden

1 2 4 8 16 24Stunden

= Härtewerte in HRC50, 90, 95 = Gefügeanteil in %

50

Umwandlungs-beginn

Bild 32: ZTU-Schaubild fürisothermischesUmwandeln desStahls 51CrV4

Page 23: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

23

erwärmt und gehalten werden, umden austenitischen Zustand herbei-zuführen und eine ausreichendeMenge Kohlenstoff im Austenit inLösung zu bringen. Als Austeni-tisiertemperatur wird meist dieuntere Grenze des für das Här-ten zweckmäßigen Temperaturbe-reichs gewählt.

Die Anwendung des Bainiti-sierens setzt die Verwendung vonStählen voraus, die durch Zulegie-ren von Chrom, Molybdän undMangan eine ausreichend hoheHärtbarkeit und damit eine Um-wandlungscharakteristik aufwei-sen, durch die beim Abkühlen ei-ne Umwandlung des Austenits inFerrit und/oder Perlit unterdrücktwerden kann.

Der bainitische Zustand kanndurch Abkühlen mit einer für einkontinuierliches Umwandeln aus-schließlich im Bainitbereich aus-reichenden Geschwindigkeit – ab-zulesen aus den ZTU-Schaubildernfür kontinuierliches Abkühlen –oder durch isothermisches Um-wandeln im Bainitbereich erreichtwerden.

Zum isothermischen Umwan-deln ist von der Austenitisiertem-peratur rasch auf eine Temperaturunterhalb von etwa 500 °C, jedochoberhalb der Martensittemperaturdes betreffenden Stahls, gelegent-lich auch knapp darunter, abzu-kühlen und auf dieser Temperaturbis zur mehr oder weniger vollstän-digen Umwandlung des Austenitsin Bainit zu halten. Anschließend

kann beliebig schnell auf Raum-temperatur abgekühlt werden.

In Bild 32 ist ein typischer Zeit-Temperatur-Verlauf schematischin das ZTU-Schaubild des Stahls51CrV4 eingezeichnet. Daraus istzu ersehen, dass die Umwand-lungsdauer je nach Temperaturmehrere Stunden betragen kann.

Da bei einem kontinuierlichenAbkühlen meist nicht zu vermeidenist, dass sich ein Teil des Austenitsbereits vor Erreichen des Bainit-bereichs in Ferrit und/oder Perlitumwandelt und je nach Abkühl-geschwindigkeit unterschiedlichstrukturierter Bainit entsteht, wirdin der Praxis das isothermischeUmwandeln vorgezogen. Für dieDurchführung ist ein Salzbadtie-gelofen oder ein Wirbelbett wiebeim Warmbadhärten erforderlich.

4.3 Eigenschaften bainitischerWerkstücke

Wie oben beschrieben, bestehtdas Bainitgefüge ähnlich dem desMartensits aus einem mit Kohlen-stoff übersättigten Ferrit, dessenraumzentriertes Eisengitter durchden Kohlenstoff tetragonal verzerrtist. Jedoch entstehen nahezu gleich-zeitig mit dem Ferrit sehr feineCarbidausscheidungen, wodurchdie Gitterverzerrung geringer alsbeim Martensit ist. Dementspre-chend ergeben sich auch geringereumwandlungsbedingte Volumen-änderungen als beim Härten. Licht-mikroskopisch ist die Unterschei-dung zwischen Martensit und Bai-nit nicht immer zweifelsfrei mög-lich. In Bild 33 ist eine lichtmikros-kopische Gefügeaufnahme vombainitischen Zustand des Stahls100Cr6 wiedergegeben.

Der bainitische Zustand zeich-net sich, ähnlich wie der marten-sitische auch, durch eine höhereHärte gegenüber dem Ausgangszu-stand aus. Allerdings werden nichtganz die Werte erreicht, die durcheine martensitische Härtung mög-lich sind. Sie nähern sich diesenjedoch umso mehr, je näher bei

einer isothermischen Umwandlungdie Umwandlungstemperatur amMartensitpunkt Ms liegt.

Im Vergleich zu einem vergü-teten Zustand gleicher Härte ist dieDehngrenze bainitischer Gefügehöher. Optimale Werte ergebensich dabei, wenn das Gefüge voll-ständig aus Bainit besteht.

Im bainitischen Zustand istauch das Formänderungsvermögengrößer als im martensitischenZustand, so dass höhere Werteerreicht werden können als nacheinem Vergüten auf gleich hoheHärte. Als besonders vorteilhafterweist es sich, dass zum Erzielenhoher Zähigkeit nicht, wie nachdem Härten, angelassen werdenmuss.

Bainitischen Bauteilen, die ver-gleichsweise dieselbe Härte wiemartensitische aufweisen, wirdaußerdem ein günstigeres Ver-schleiß- und Schwingfestigkeitsver-halten nachgesagt. Durch das iso-thermische Umwandeln sind dieTemperaturunterschiede zwischenRand und Kern eines Werkstücksso gering, dass sich dadurch nursehr niedrige Eigenspannungenausbilden können. Im Normalfallliegen am Rand nach dem Bainiti-sieren Druck- und im KernbereichZugspannungen vor. Die Gitterauf-weitung im Bainit ist geringer alsim Martensit, woraus sich ver-gleichsweise geringere Volumen-änderungen und somit geringereMaß- und Formänderungen alsdurch ein Härten ergeben.

5 Anlassen

5.1 Zweck des Anlassens – Begriffe

Das Anlassen dient dazu, dasFormänderungsvermögen gehär-teter Bauteile und Werkzeuge zuerhöhen und das Rissrisiko zu ver-mindern.

Unter Anlassen ist nach DINEN 10052 ein Erwärmen auf Tem-peraturen zwischen Raumtempe-

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Bild 33: Lichtmikroskopische Aufnahmevon Bainit beim Stahl 100Cr6

10 µm

Page 24: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

24

ratur und Ac1 und Halten auf die-ser Temperatur mit nachfolgendemzweckentsprechendem Abkühlenzu verstehen.

Im Unterschied dazu wird derBegriff Vergüten für eine kombi-nierte Behandlung, bestehend ausHärten und Anlassen auf Tempe-raturen meist oberhalb 500 °Cbenutzt, womit zu einer vorgege-benen Festigkeit ein höheres Form-änderungsvermögen erreicht wird.

5.2 Der Anlassvorgang

Die Gefügebestandteile Marten-sit, Bainit und Restaustenit erfahrendurch das Anlassen eine Verände-

rung. Aus dem Martensit und demBainit wird Kohlenstoff in Formvon Carbiden ausgeschieden, undes werden Versetzungen abgebaut.Damit ist eine Härteabnahme ver-bunden.

Die wesentlichsten beim An-lassen im Werkstoff ablaufendenVorgänge sind folgende:• Bis zu Temperaturen von ca.

250 °C werden aus dem Mar-tensitgitter ε-Carbide ausgeschie-den. Dadurch nimmt die Gitter-verzerrung ab und die Härteverringert sich (1. Anlassstufe).

• Ab etwa 260 °C wandeln sichε-Carbide in Zementit um. Mitsteigender Anlasstemperaturund zunehmender Anlassdauer

können die Zementitausschei-dungen koagulieren.

• Bei Anlasstemperaturen überetwa 450 °C entstehen bei höherlegierten Stählen mit Carbidbild-nern (z. B. Chrom, Wolfram, Mo-lybdän, Vanadium) Sondercar-bide, und die Zusammensetzungvorhandener Carbide ändert sich.

• Bei Anlasstemperaturen bis ca.230 °C wird vorhandener Rest-austenit stabilisiert. Ab etwa230 bis 280 °C wird bei unlegier-ten und niedrig legierten Werk-zeugstählen der Restaustenit sobeeinflusst, dass er beim Abküh-len auf Raumtemperatur unterBildung neuer Martensit- und/oder Bainitanteile teilweise zer-fällt. Bei höher legierten Kalt-arbeitsstählen beginnt der Zer-fall von Restaustenit erst beiAnlasstemperaturen oberhalbvon 500 °C.

5.3 Anlassverhalten der Stähle

In Bild 34 ist die Härte unle-gierter Stähle mit unterschiedlichenKohlenstoffgehalten nach einemeinstündigen Anlassen in Abhän-gigkeit von der Anlasstemperaturdargestellt.

Es ist erkennbar, dass mit zu-nehmender Anlasstemperatur dieHärte stetig abfällt. Demgegenüberändert sich das Anlassverhalten mit

Merkblatt 450

0Anlasstemperatur [ºC]

Härte

[HRC

]

25

30

65

200 600500 700

35

40

45

50

55

60

100 300 400

unlegierterVergütungsstahl (C45)unlegierter Kalt-arbeitsstahl (C80W2)niedrig legierterKaltarbeitsstahl(105WCr6)legierter Kaltarbeits-stahl (X165CrV12)Warmarbeitsstahl(X40CrMoV5-1)Schnellarbeitsstahl(HS6-5-2C)

0Anlasstemperatur [ºC]

Härt

e [H

RC]

0

10

100 200 300 400 500 600 700 800

20

30

40

50

60

70

0,2–0,3 %C

0,1–0,2 %C

0,7–1,1 %C

0,5–0,7 %C

0,4–0,5 %C

0,3–0,4 %C

Angaben in Massenanteilen

Anlasstemperatur

Härt

e

Auswirkung desMartensitzerfalls

Auswirkung vonCarbidausscheidungen

Auswirkung derAustenitumwandlung

BeobachteteAnlasskurve vonSchnellarbeitsstahl

Bild 35: Anlasskurven unterschiedlich legierter Stähle

Bild 34: Anlasskurven unlegierter Stähle Bild 36: Entstehung des Sekundärhärtungseffektes beim Anlassen von Schnellarbeitsstählen (schematisch)

Page 25: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

25

zunehmendem Gehalt an Legie-rungselementen. Insbesonderesind Stähle mit Vanadium, Chrom,Molybdän oder Kobalt anlassbe-ständiger. In Bild 35 ist das typi-sche Anlassverhalten unterschied-licher Stähle gegenübergestellt.

Die Härte der Kaltarbeitsstähle105WCr6 und X165CrV12 fälltgegenüber dem unlegierten Vergü-tungsstahl C45 deutlich wenigerstark mit zunehmender Anlasstem-peratur ab. Beim WarmarbeitsstahlX40CrMoV5-1 und beim Schnellar-beitsstahl HS6-5-2C bleibt die Härtesogar bis zu Anlasstemperaturenvon 500 °C nahezu unverändertund steigt danach sogar noch etwasan. Dies ist typisch für hoch legier-te Stähle, bei denen durch Um-wandlung von Restaustenit undAusscheidung von Carbiden eineso bezeichnete „Sekundärhärtung“stattfindet. Im Bild 36 ist dieserEffekt schematisch dargestellt.

Bei diesen Stählen besteht dasGefüge nach dem Härten im Regel-fall aus 20 bis 40 VolumenanteilenRestaustenit in %. Dieser lässt sichbeim Anlassen auf Temperaturenüber 500 °C in Martensit umwan-deln. Die resultierende Anlasskurveist nun das Ergebnis der Härtedes Martensitanteils (dessen Härtenimmt mit zunehmender Tempe-ratur ab), der Härte des aus demRestaustenit entstandenen neuenMartensits und der Härte von Car-biden der LegierungselementeChrom, Vanadium, Molybdän,Wolfram u. a., die in zunehmen-dem Maße mit steigender Anlass-temperatur ausgeschieden werden.

In der nachstehenden Tabelleist die härtesteigernde Wirkung der

und umgekehrt. Besonders deut-lich wird dies am Verhalten derWarmarbeitsstähle, für die gilt:P = T · (a + lg t), wobei

P = Anlassparameter, T = Anlasstemperatur in K, t = Anlassdauer in h und a für Warmarbeitsstähle = 20 ist.

Mit Hilfe einer für den betreffen-den Stahl gültigen Anlass-Haupt-kurve können in Abhängigkeit vonTemperatur und Dauer der Tempe-ratureinwirkung die zu erwarten-den Härtewerte näherungsweiseermittelt werden, siehe Bild 37.

Mit Hilfe der Kurven für 40und 200 Stunden kann außerdemabgeschätzt werden, welche Härtenach einer entsprechenden Be-triebsdauer noch zu erwarten ist.

5.4 Eigenschaften angelassener Werkstücke

Das Anlassen nach einemHärten (und gegebenenfalls Tief-kühlen) bewirkt vor allem eine• Änderung der Härte und der

Festigkeit,• Änderung des Formänderungs-

vermögens,• Abnahme von Eigenspannungen,• Verringerung der Rissgefahr,• Abnahme der Restaustenitmenge,• Änderung der Maße und even-

tuell der Form.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Temperatur [ºC]

Härte

[HRC

]

20500 600 700

25

30

35

40

45

50

55

Anlassparameter P

Härte

[HRC

]

2016·103

25

30

35

40

45

50

55

14·103 18·103 20·103 22·103

Tem

pera

tur [

ºC]

500

600

700

Dauer:

40 h

2 h

Anlass-hauptkurve

Dauer:

2 h

40 h

200 h

200 h

(a = 20)

Bild 37: Zusammenhang zwischen Anlasstemperatur und Anlassdauer bei Warmarbeitsstählen

Legierungs- Temperatur-element erhöhung

in °C

Vanadium 23Molybdän 20Chrom 9Silizium 7Mangan 5Nickel 1

verschiedenen Legierungselementegegenübergestellt. Für je 0,1 Mas-senanteile der Legierungselementein % kann bei gleichem Härteabfalldie Temperatur um die angegebe-nen °C erhöht werden. Dadurch er-weisen sich Vanadium und Molyb-dän als besonders stabilisierend.

Die in der Praxis erforderlicheAnlasstemperatur ergibt sich ausden geforderten Gebrauchseigen-schaften der Bauteile und Werk-zeuge. Anhaltswerte können denAnlassschaubildern der Techni-schen Lieferbedingungen, z. B.DIN EN 10083, Katalogen derStahlhersteller oder anderen geeig-neten Unterlagen entnommen wer-den. Bauteile werden üblicher-weise zwischen 180 und 250 °Coder zwischen 550 und 600 °C,Werkzeuge zwischen 180 und600 °C mit einer Haltedauer aufTemperatur von einer Stunde ange-lassen. Werkzeuge aus hoch legier-ten Werkzeugstählen sollten min-destens zweimal angelassen wer-den, um den beim ersten Anlassenaus dem Restaustenit entstandenenMartensit anzulassen.

Anlasstemperatur und -dauerstehen in einer Wechselbeziehungzueinander: Mit zunehmender An-lassdauer nimmt die zum Erreicheneines bestimmten Härtewertes er-forderliche Anlasstemperatur ab

Page 26: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

26

Im Allgemeinen nehmen durchdas Anlassen Härte und Festigkeitab, und das Formänderungsver-mögen nimmt zu, auch die Eigen-spannungen können sich verrin-gern. Das spezifische Volumennimmt bei restaustenitfreien Ge-fügen ab, vgl. Bild 31. Bei restaus-tenithaltigen Gefügen finden beieiner Umwandlung von Restauste-nit zu Martensit jedoch eine Härte-steigerung und eine Volumenzu-nahme statt. Dadurch kann dasFormänderungsvermögen weiterabnehmen und die Eigenspannun-gen können zunehmen, wodurchdas Rissrisiko vergrößert wird.

Beim Vergüten werden durchAnlasstemperaturen von 500 °Cund mehr die Härte und die Festig-keit so weit verringert und dadurchdas Formänderungsvermögen sostark verbessert, dass das Risikoeines spröden Bruchs erheblich ab-nimmt. In Anwendungsfällen, indenen eine hohe Festigkeit verlangtwird, sind zu diesem Zweck ent-sprechend legierte Stähle mit aus-reichender Anlassbeständigkeit zuverwenden.

5.5 Anlassversprödung

Bei verschiedenen Werkstoffentritt durch Anlassen in bestimm-ten Temperaturbereichen eineVersprödung ein, die sich durchAbnahme der Kerbschlagzähig-keit oder der Biegeschlagzähig-keit ohne Änderung der anderenmechanischen Kennwerte bemerk-bar macht. Man unterscheidetdabei:• die irreversible Anlassversprö-

dung (300 °C-Versprödung), diebei legierten und unlegiertenStählen durch Anlassen im Tem-peraturbereich von etwa 200bis 400 °C auftritt und durchdie Umwandlung der ε-Carbidein Zementit verursacht wird.

Diese Versprödung ist abhän-gig von der Werkstoffzusammen-setzung, sie kann nur unter Ver-zicht auf den genannten Tempe-raturbereich vermieden werden.

• die reversible Anlassversprö-dung (500 °C-Versprödung), diebei Stählen, die mit Chrom, Man-gan oder Nickel bzw. Kombina-tionen dieser Elemente legiertsind und durch Anlassen im Tem-peraturbereich zwischen etwa350 und 550 °C oder durch zulangsames Abkühlen durch die-sen Bereich nach einem Anlas-sen oberhalb von 550 °C auftritt.

Die reversible Anlassver-sprödung kann durch bevor-zugte Verwendung von Stählenmit 0,3 bis 0,6 MassenanteilenMolybdän in % oder der dop-pelten Menge Wolfram oderdurch Anlassen außerhalb desgenannten Temperaturbereichsvermieden werden.

Durch ein erneutes Anlassenoberhalb 550 °C, gefolgt vonraschem Abkühlen auf Raum-temperatur, kann die 500 °C-Ver-sprödung rückgängig gemachtwerden. Wird oberhalb von550 °C angelassen, so ist nachAblauf der Anlassdauer in Öl,Emulsion oder Wasser abzu-schrecken.

6 Praxis des Härtens,Bainitisierens, Anlassens und Vergütens von Bauteilenund Werkzeugen

6.1 Vorbereiten und Vorbehandeln

Das Vorbereiten und Vorbe-handeln der Bauteile und Werk-zeuge dient dazu, unerwünschteEinflüsse von Eigenspannungen aufdie Formänderung oder des Ober-flächenzustandes auf den Endzu-stand zu beseitigen und den Wär-mebehandlungsablauf abzusichern.

6.1.1 Spannungsarmglühen

Ein Spannungsarmglühen istdann angebracht, wenn damit zurechnen ist, dass die Form- undMaßänderungen der zu härtendenBauteile oder Werkzeuge durch vor-handene Eigenspannungen beson-ders ungünstig beeinflusst werden.

Das Spannungsarmglühen er-folgt im halbfertig bearbeiteten Zu-stand der Werkstücke, die mit einerausreichenden Bearbeitungszugabezu versehen sind, so dass eineKorrektur der eintretenden Maß-und Formänderungen vorgenom-men werden kann.

Die Temperatur muss unter-halb der UmwandlungstemperaturAc1 liegen, sie sollte dieser Tem-peratur aber möglichst nahe sein.Unter dieser Voraussetzung istnach dem Erwärmen ein Haltennicht erforderlich. Beim Erwärmenund Abkühlen ist darauf zu achten,dass keine neuen Eigenspannungenentstehen.

Für Bauteile und Werkzeuge,die durch Kaltumformung herge-stellt oder kaltumformend bearbei-tet wurden, eignet sich das Span-nungsarmglühen nicht, da durchRekristallisation eine Grobkorn-bildung im Gefüge eintretenkann, wodurch die Eigenschaftenim gehärteten Zustand beeinträch-tigt werden können. In solchenFällen ist ein Normalglühen vor-zuziehen.

6.1.2 Vor-Vergüten

Die im Rohteil vorhandenenSpannungen können auch durchAustenitisieren abgebaut werden,vgl. 3.4.3. Dies kann dazu benutztwerden, um die halbfertig bearbei-teten Teile einer Art Voraushärtungzu unterziehen und damit die beimHärten zu erwartenden Maß- undFormänderungen kennen zu lernen.In diesem Fall ist es zweckmäßig,die gehärteten Bauteile oder Werk-zeuge mit einem ausreichendenAufmaß zu versehen und sie nachAnlassen auf ausreichend hoher

Merkblatt 450

Page 27: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

27

Temperatur – im „vorvergüteten“Zustand – weiter zu bearbeiten.

Erst im Anschluss hieran er-folgt das eigentliche Härten undAnlassen auf die erforderlichenGebrauchseigenschaften. DieseMethode hat sich bewährt, wennbesonders hohe Ansprüche an dasMaß- und Formänderungsverhaltengestellt werden.

6.1.3 Vorbereiten der zu härtenden Bauteile und Werkzeuge

Je nach dem Grad der Ober-flächenverunreinigung und denQualitätsanforderungen ist es not-wendig, die Werkstücke vor demHärten durch Waschen, Trocknen,Beizen, Strahlen, Entgraten, span-abhebendes Bearbeiten oder an-dere geeignete Maßnahmen sovorzubereiten, dass sie z. B.• möglichst frei sind von Graten,

anhaftenden Spänen, Rost,Zunder, Walz-, Schmiede- oderGusshaut, Öl-, Fett- oder Farb-resten, so dass die verwendetenWärmebehandlungsmittel und-einrichtungen dadurch nichtbeeinträchtigt werden,

• trocken sind, so dass durch dasplötzliche Verdampfen vonFeuchtigkeit keine Störungen –z. B. in Form von Salzeruptio-nen – auftreten, wenn Salzbad-tiegelöfen benutzt werden,

• keine entkohlten Randschichtenaufweisen, was zu Weichhaut,Weichfleckigkeit oder Rissenführen kann,

• keine Beschichtungen oderRückstände aufweisen, ausdenen durch Eindiffusion vonFremdelementen, z. B. Phos-phor aus Phosphatschichten,die Randschichteigenschaftender Werkstücke beeinträchtigtwerden.

Bolzen oder Schrauben, diezum Verschließen von Bohrungenoder Gewindelöchern benutztwerden, sind vor dem Härten,besser noch vor dem Reinigen,zu entfernen.

6.2 Härten von Bauteilen

In Bild 38 ist schematisch dieübliche Zeit-Temperatur-Folge beimHärten von Bauteilen dargestellt.

Das Austenitisieren erfolgtüblicherweise im Gas bei Atmo-sphärendruck (z. B. in Durchlauf-oder Kammeröfen), in Salzschmel-zen, in Wirbelbädern oder inVakuumöfen.

Werden Werkstücke in Salz-schmelzen austenitisiert, liegengrößere Querschnitte vor und/oder komplizierte Formen, ist esüblich, sie z. B. in einem Luftum-wälzofen auf Temperaturen von250 bis 450 °C vorzuwärmen. Da-durch soll gewährleistet werden,

dass absolut trockene Teile in dieSalzschmelze gelangen, so dass Salz-eruptionen vermieden werden unddie Temperatur der Salzschmelzenicht zu sehr absinkt. Außerdemwird durch das Vorwärmen derErwärmungsverlauf „gemildert“,wodurch die Wärmespannungengering bleiben.

Die erforderliche Verweildauerbeim Vorwärmen auf 450 °C ineinem Luftumwälzofen in Abhän-gigkeit von der Abmessung kannaus Bild 39 entnommen werden.Hierin sind auch Angaben über dieErwärmdauer in Kammeröfen aufhöhere Temperaturen enthalten.

Die in Bild 38 dargestellteErwärmdauer kann als Anhalt für

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Zeit

Tem

pera

tur

300 – 400 ºC

Härtetemperatur

Vorwärmen imLuftumwälzofen

Warmbad-temperatur

Abschrecken in SalzwasserAbschrecken im WarmbadAbschrecken in Öl

Abkühlen an Luft

0Durchmesser bzw. Dicke

von quadratischen oder rechteckigen Querschnitten [mm]

Erw

ärm

daue

r [m

in]

020 40 60 80 100 120 140 160 180 200

20

40

60

80

100

120

140

160Erwärmen vonRT auf 500 ºC

Erwärmen von RTauf ~ 450 ºC

Erwärmen vonRT auf 600 ºC

Erwärmen vonRT auf 800 ºC

Erwärmen vonRT auf 850 ºC

Erwärmen vonRT auf 1000 ºC

Erwärmen im LuftumwälzofenErwärmen im Kammerofen

Bild 38: Zeit-Temperatur-Folge für das Härten und Anlassen bzw. das Vergütenvon Bauteilen (schematisch)

Bild 39: Erwärmdauer in Luftumwälzöfen und Kammeröfen

Page 28: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

28

das Festlegen von Wärmebehand-lungsabläufen benutzt werden, wo-bei es im Einzelfall notwendig seinkann, dies durch auf den jeweilsbenutzten Ofen bezogene Messun-gen zu überprüfen.

Nach dem Durchwärmen aufAustenitisiertemperatur sind nochweitere 15 bis 30 Minuten zu hal-ten, um eine für die Härtung aus-reichende Menge von Carbidenaufzulösen.

Die zum Härten erforderlicheAbkühlgeschwindigkeit kann mitHilfe des ZTU-Schaubildes des be-treffenden Stahls bestimmt werden.Hierbei ist zu berücksichtigen, dassje nach Abmessung für eine Här-tung über den gesamten Werk-stückquerschnitt der Abkühlver-lauf für den Kern maßgebend ist.Bei unlegierten Stählen ist im All-gemeinen eine „Durchhärtung“nur bis zu Abmessungen von10 mm (Wanddicke bzw. Durch-messer) möglich. Für größere Ab-messungen müssen legierte Stählebenutzt werden.

In diesem Zusammenhang istes wichtig, darauf zu achten, dassdie Werkstücke in einer Charge sogepackt sind, dass das Abkühlmittelungehindert Zutritt zu allen Ober-flächenbereichen der Werkstückehat.

Das Abschrecken wird je nachHärtbarkeit des betreffenden Stahlsund je nach Abmessung und Formdes Bauteils in Salzwasser (Tempe-ratur 10 bis 60 °C), in Öl (40 bis120 °C), im Warmbad (180 bis220 °C), an Luft oder im Inertgas(Stickstoff) vorgenommen. Es kannzweckmäßig sein, die Werkstückeim Abschreckmittel zu bewegenund/oder das Abschreckmittel um-zuwälzen, um eine ausreichendeund gleichmäßige Abkühlwirkungzu gewährleisten.

Bei Stählen mit einem Kohlen-stoffgehalt über etwa 0,6 Massen-anteilen in % liegt nach dem Härtenein aus Martensit und Restaustenitbestehendes Gefüge vor, eventuellist auch etwas Bainit vorhanden.Der Restaustenit kann durch Tief-kühlen oder Anlassen bei Tempe-

raturen über rd. 200 °C beseitigtwerden. Übereutektoidische Stählekönnen neben den ungelöstenCarbiden auch voreutektoidischausgeschiedene Carbide enthalten.

6.3 Härten von Werkzeugen

6.3.1 Werkzeuge aus unlegierten Werkzeugstählen

Die übliche Zeit-Temperatur-Folge beim Härten und Anlassenvon Werkzeugen aus unlegiertenWerkzeugstählen ist in Bild 40 zusehen.

Das Austenitisieren erfolgtüblicherweise im Gas bei Atmos-phärendruck (z. B. Durchlauf- oder

Kammeröfen), in Salzschmelzen,in Wirbelbetten oder in Vakuum-öfen.

Werkzeuge mit größerenAbmessungen bzw. größerenQuerschnittsunterschieden solltenmöglichst langsam bzw. gestufterwärmt werden, damit die Tem-peraturunterschiede und die dar-aus möglicherweise entstehendenSpannungen möglichst klein blei-ben. Für das Erwärmen in Kam-meröfen können aus Bild 39 An-haltswerte für die erforderliche Er-wärmdauer bei verschiedenen Ab-messungen entnommen werden.

Erfolgt das Erwärmen aufHärtetemperatur in Kammeröfenund sind die Werkzeuge in Kästengepackt, kann auf ein Vorwärmen

Merkblatt 450

ZeitTe

mpe

ratu

r

≈ 650 ºC

HärtetemperaturAustenitisieren

Vorwärmen

Vorwär-men

300 – 450 ºC

Abfangen

100 – 150 ºC80 – 100 ºC RT

Abschrecken in Öl

Abschrecken in Salzwasser

Anlassen

Anlasstemperatur

Abkühlen an Luft

Ausgleichen

Zeit

Tem

pera

tur

Härtetemperatur > 900 ºC

≈ 650 ºC

HärtetemperaturAustenitisieren

Vorwärmen300 – 450 ºC

Abfangen

100 – 150 ºC80 – 100 ºC RT

Abschrecken im WarmbadAbkühlen an Luft

1. Anlassen

Anlass-temperatur

Abkühlenan Luft

≈ 850 ºCVorwärmen

500 – 600 ºC

Abschrecken in Öl

Anlass-temperatur

2. Anlassen

Abkühlenan Luftoder inInertgas

Aus-gleichen

Vorwärmen

Bild 40: Zeit-Temperatur-Folge beim Härten von Werkzeugen aus unlegiertenWerkzeugstählen (schematisch)

Bild 41: Zeit-Temperatur-Folge beim Härten und Anlassen von Werkzeugen auslegierten Kaltarbeitsstählen und Warmarbeitsstählen (schematisch)

Page 29: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

29

verzichtet werden. Bei unverpack-ten Werkzeugen ist es zweckmä-ßig, diese im Kammerofen bei ca.500 °C bis zum Temperaturaus-gleich zu halten. Die erforderlicheVerweildauer im Kammerofen biszur ausreichenden Austenitisie-rung hängt von den Werkzeug-abmessungen und der Ofengrößesowie dessen Heizleistung ab.Gegebenenfalls muss der Erwär-mungsverlauf am Werkzeug ge-messen werden.

Die Haltedauer auf Austeni-tisiertemperatur sollte 10 bis 20Minuten betragen, um eine für dasHärten ausreichende Menge vonCarbiden zu lösen. Das Abschre-cken erfolgt je nach Härtbarkeitdes Stahls sowie je nach Abmes-sung und Form des Werkzeugsin Wasser (10 bis 60 °C) oder Öl(40 bis 120 °C). Es kann zweck-mäßig sein, die Werkzeuge im Ab-schreckmittel zu bewegen und/oder das Abschreckmittel umzu-wälzen, um eine ausreichendeund gleichmäßige Abkühlwirkungzu erreichen. Bei Verwendung vonWasser ist ein Zusatz von ca. 10Masse-% Kochsalz üblich, um dieDampfblasenbildung an der Werk-zeugoberfläche zu verringern unddamit die Abschreckwirkung zuverbessern. Zur Verringerungdes Rissrisikos sollten gefährdeteWerkzeuge nur bis auf etwa 80bis 100 °C abgeschreckt, anschlie-ßend bei 100 bis 150 °C bis zumTemperaturausgleich im Werk-zeug gehalten und unmittelbardaran angelassen werden.

6.3.2 Werkzeuge aus legierten Kaltarbeitsstählen und Warmarbeitsstählen

Die übliche Zeit-Temperatur-Folge beim Härten und Anlassenvon Werkzeugen aus legiertenKaltarbeitsstählen oder Warmar-beitsstählen ist schematisch inBild 41 dargestellt.

Werkzeuge aus diesen Stählenwerden heute vorzugsweise in

Vakuumöfen oder in Kammeröfenmit einer geregelten Prozessgas-atmosphäre zur Verhinderung vonRandschichtänderungen wie z. B.Entkohlung austenitisiert. WerdenVakuumöfen benutzt, erfolgt dasAbschrecken meist mit Stickstoffunter einem Druck von 5 bis 20bar. Die Verwendung von Salzbad-tiegelöfen ist kaum noch üblich.

Es ist sehr zu empfehlen, dasWärmen abzustufen und auf jederTemperaturstufe bis zum Tempe-raturausgleich im Werkzeug zuhalten.

Erfolgt das Austenitisieren inSalzbadtiegelöfen, ist es üblich, fürjede Temperaturstufe einen eige-nen Ofen zu benutzen. In Kammer-oder Vakuumöfen erfolgt entwederein gestuftes Erwärmen oder eswerden Anlagen mit mehrerenKammern mit unterschiedlichenTemperaturen benutzt, die ein ab-gestuftes Erwärmen ermöglichen.Dies empfiehlt sich besonderswegen der geringeren Wärmeleit-fähigkeit der Werkzeugstähle so-wie bei kompliziert geformten und/oder dickwandigen Werkzeugen.

Anhaltswerte für die Erwärm-dauer in Kammeröfen können ausBild 42 entnommen werden.

Nach dem Durchwärmen sindnoch weitere 15 bis 30 Minutenauf Austenitisiertemperatur zu hal-ten, um eine für die Härtung aus-reichende Menge von Carbiden zulösen.

Werkzeuge aus ledeburitischenStählen, die eine besonders hoheAnlassbeständigkeit aufweisen

müssen, weil sie zusätzlich nitriertoder nitrocarburiert werden sollen,sind bei höheren als den sonstüblichen Temperaturen zu härten.

Die Wahl des Abschreckvor-gangs richtet sich nach der Härt-barkeit des verwendeten Werk-zeugstahls, nach Abmessung undForm des Werkzeugs und nachdem zum Austenitisieren benutztenOfen. Bei Kammeröfen erfolgt dasAbschrecken meist in Öl (40 bis120 °C), seltener im Warmbad (180bis 220 °C bzw. 500 bis 600 °C).Bei Vakuumöfen wird meist inStickstoff unter einem Druck von5 bis 20 bar abgekühlt. Jedochkommen auch Gasgemische ausStickstoff und Wasserstoff oderHelium zur Anwendung. BeimAustenitisieren in Salzbadtiegelöfenwird in Salzwarmbädern mit 180bis 220 °C bzw. 500 bis 600 °C ab-geschreckt. Bei einigen Stählen mitausreichend hoher Härtbarkeitgenügt gegebenenfalls auch ein Ab-kühlen an Luft oder in einem Gas-strom. Rissgefährdete Werkzeugesollten nur bis auf etwa 80 bis100 °C abgekühlt und anschließendbei 100 bis 150 °C bis zum Tempe-raturausgleich im Werkzeug gehal-ten und unmittelbar anschließenddaran angelassen werden. Hierbeibesteht allerdings das Risiko, dassim Gefüge größere Mengen Rest-austenit verbleiben, die sich beimspäteren Anlassen nicht umwan-deln lassen.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

0Durchmesser bzw. Dicke von quadratischen

oder rechteckigen Querschnitten [mm]

Erw

ärm

daue

r [m

in]

0

5

20 40 60 80 100 120

10

15

20

Erwärmen (ohne Vorwärmen)von RT auf 850 ºC bzw.1050 ºC bzw. 1250 ºC

Erwärmen nachVorwärmen von 850 ºCauf 1050 ºC bzw.1250 ºC oder von1050 ºC auf 1250 ºC

Erwärmen (ohne Vorwärmen)von RT auf 850 ºC bzw.1050 ºC bzw. 1250 ºC

Erwärmen nacVorwärmen voauf 1050 ºC bz1250 ºC oder v1050 ºC auf 12 Bild 42:

Erwärmdauer aufAustenitisiertem-peratur (Anhalts-werte)

Page 30: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

30

Anhaltswerte für die Abkühl-dauer im Kern verschiedener Ab-messungen bei Warmbadabküh-lung können aus Bild 43 entnom-men werden.

Werkzeuge aus Stählen mitmehr als 0,6 Massen-% C müssenbei besonders hohen Anforderun-gen an die Maßstabilität oder denVerschleißwiderstand auf Tempe-raturen unterhalb der Raumtempe-ratur, möglichst bis auf –75 °Ctiefgekühlt bzw. bei Temperatu-ren > 500 °C angelassen werden,um den Restaustenit zu beseitigen.Nach dem Tiefkühlen sollte an-gelassen werden.

6.3.3 Werkzeuge aus Schnellarbeitsstählen

Die übliche Zeit-Temperatur-Folge beim Härten und Anlassenvon Werkzeugen aus Schnellar-beitsstählen ist schematisch inBild 44 dargestellt.

Die erforderlichen Tempera-turen zum Austenitisieren vonSchnellarbeitsstählen liegen imBereich zwischen rd. 1150 und1250 °C. Es ist daher wichtig, Werk-zeuge aus diesen Stählen genügendvorzuwärmen, und zwar möglichstin mehreren Stufen, damit die erfor-derliche Austenitisierdauer zur Ver-

meidung einer Kornvergröberungmöglichst kurz und die Tempera-turunterschiede zwischen Randund Kern möglichst klein gehaltenwerden können.

Werkzeuge aus Schnellarbeits-stählen werden heute vorzugs-weise in Vakuumöfen austeniti-siert und in Stickstoff oder Gasge-mischen aus Stickstoff und Was-serstoff oder Helium unter einemDruck von 5 bis 20 bar abge-schreckt.

Werden zum AustenitisierenSalzbadtiegelöfen benutzt, ist es üb-lich, mehrere Vorwärmstufen, z. B.300 bis 450 °C (Luftumwälzofen),

600 bis 650 °C, 800 bis 850 °C,1000 bis 1050 °C, vgl. Bild 44,vorzusehen. Eine solche Abstufungab 650 °C ist meist auch beim Aus-tenitisieren in Kammeröfen oder inVakuumöfen üblich. Anhaltswertefür die Erwärmdauer können ausBild 39 bzw. Bild 42 entnommenwerden.

Beim Austenitisieren in Salz-badtiegelöfen reicht eine Halte-dauer auf Austenitisiertemperaturvon 80 Sekunden aus, lediglichbei einer Forderung nach einerstärkeren Auflösung der Carbideist eine Haltedauer von ca. 150Sekunden zu empfehlen. Die Halte-dauer sollte nicht zu lange ausge-dehnt werden, da durch ein „Über-zeiten“ irreparable Werkstoffschä-digungen eintreten können.

Die Haltedauer auf den Vor-wärmstufen sollte mindestensgleich lang sein wie die Verweil-dauer auf der Austenitisiertempe-ratur.

In der Praxis ist es meist nichtmöglich, Erwärm- und Haltedauerexakt zu ermitteln. In solchen Fäl-len kann es zweckmäßig sein,durch Temperaturmessungen anden Werkstücken die erforderlicheVerweildauer im Ofen zu ermitteln.

Nach dem Härten weisenWerkzeuge aus Schnellarbeitsstahleinen Restaustenitgehalt von 10 bis40 Vol-% auf. Ein Tiefkühlen ist je-doch nicht üblich, da der Rest-

Merkblatt 450

0Durchmesser bzw. Dicke

von quadratischen oder rechteckigen Querschnitten [mm]

Abkü

hlda

uer [

min

]

020 40 60 80 100 120 140

20

40

60

80

100

120

140

160

160

Abkühlen von 1250 ºCbzw. 550 ºC auf 100 ºCan ruhender Luft

Abkühlen von 1250 ºC auf 550 ºCin Salzschmelze

Bild 43: Abkühldauer im Kern von Werkzeugen mit kreisrundem Querschnitt anunbewegter Luft bzw. im Warmbad von 500 °C (Anhaltswerte)

Zeit

Tem

pera

tur

≈ 850 ºC

HärtetemperaturAustenitisieren

Vorwärmen300 – 450 ºC

RT

Abschrecken im Warmbad

Abkühlen an Luft oder in Inertgas

1. Anlassen

Anlass-temperatur

Abkühlenan Luft

≈ 1050 ºCVorwärmen

500 – 600 ºC

Abkühlenan Luftoder inInertgas

Vorwärmen

Vorwärmen≈ 650 ºC 2. Anlassen

Anlass-temperatur

3. Anlassen

Anlass-temperatur

Bild 44: Zeit-Temperatur-Folge beim Härten und Anlassen von Werkzeugen ausSchnellarbeitsstählen (schematisch)

Page 31: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

31

austenit durch das Anlassen bei denüblichen Temperaturen oberhalbvon 550 °C nahezu vollständig um-gewandelt wird.

6.4 Bainitisieren

Das Bainitisieren wird vorzugs-weise bei Bauteilen angewendet.Für die erforderliche Zeit-Tempe-ratur-Folge gelten die in 4.2 be-schriebenen Zusammenhänge.

Die Vorgehensweise für denersten Schritt des Bainitisierens,das Austenitisieren, entspricht derbeim Härten, siehe 6.2.

Die zum Abschrecken auf diegewünschte Umwandlungstempe-ratur erforderliche Geschwindig-keit ist aus dem ZTU-Schaubild fürisothermisches Umwandeln des be-treffenden Stahls zu entnehmen.

Zum Abschrecken eignen sicham besten Salzschmelzen in be-heizten Tiegelöfen mit guter Tem-peraturregelung und Rückkühlung.Es ist zweckmäßig, die Werkstückeim Abschreckmittel zu bewegenund/oder das Abschreckmittel um-zuwälzen, um eine ausreichendeund gleichmäßige Abkühlwirkungzu erreichen.

Die erforderliche Haltedauerergibt sich aus dem ZTU-Schau-bild für isothermisches Umwan-deln des betreffenden Stahls.Wegen der meist zwei bis sechsStunden dauernden Umwandlungkann es zweckmäßig sein, das Um-wandeln nach Abschrecken in derSalzschmelze in einem Luftum-wälzofen fortzusetzen und zu be-enden. Durch bestimmte Variationder Umwandlungstemperaturenist es möglich, die Umwandlungs-dauer zu verkürzen.

Nach abgeschlossener Um-wandlung wird auf beliebigeWeise – meist an ruhender Luft –auf Raumtemperatur abgekühlt.Ein nachträgliches Anlassen istnur dann erforderlich, wenn dieHärte reduziert werden muss. EinTiefkühlen ist wegen des sehr ge-ringen zu erwartenden Restauste-nitgehalts nicht erforderlich.

6.5 Anlassen

6.5.1 Anlassen gehärteter Bauteile

Üblicherweise werden Bauteilenach dem Abschrecken auf Raum-temperatur auf einer Temperaturvon 180 °C eine Stunde lang ange-lassen. Die Verweildauer beim An-lassen sollte mindestens eine Stun-de je 20 mm Abmessung betragen.Bauteile mit höheren Anforderun-gen an die Zähigkeit sind bei höhe-ren Temperaturen anzulassen, ge-gebenenfalls bei Temperaturenüber 500 °C (= Vergüten), vgl. 5.3.

Das Anlassen wird an Luft, inSalzschmelzen, im Gas, im Vakuum,gelegentlich auch in Öl vorgenom-men. Beim Anlassen im Gas oderan der Luft ist eine Umwälzungzweckmäßig. Die Wahl der Umge-bung beim Anlassen richtet sichdanach, ob eine Beeinflussung derOberfläche bzw. der Randschichtvermieden werden muss oder nicht.

Werden Bauteile aus Stählen,bei denen eine Versprödung zu be-fürchten ist, oberhalb von 550 °Cangelassen, muss nach Ablauf derAnlassdauer rasch auf Raumtempe-ratur abgeschreckt werden. In allenanderen Fällen kann beliebig ab-gekühlt werden.

6.5.2 Anlassen gehärteter Werkzeuge

Bei Werkzeugen aus unlegier-ten Werkzeugstählen richtet sichdie Höhe der Anlasstemperaturhauptsächlich nach der erforder-lichen Gebrauchshärte. Anhalts-werte sind aus den Anlassschau-bildern in den Liefervorschriftender betreffenden Stähle oder ausden Unterlagen der Stahlherstellerzu entnehmen. Die Haltedauersollte mindestens eine Stundebetragen.

Gehärtete Werkzeuge ausWarmarbeits-, legierten Kaltar-beits- oder Schnellarbeitsstählenweisen nach dem Härten einenRestaustenitgehalt von 10 bis 40 %

auf, der sich nach dem Anlassen inMartensit und/oder Bainit umwan-delt. Dementsprechend sollte dasAnlassen mindestens einmal wie-derholt werden, um den nach demersten Anlassen aus dem Restauste-nit entstandenen Martensit eben-falls anzulassen. Bei Werkzeugenaus Stählen mit Sekundärhärtungs-effekt ist ein zweites Anlassen so-gar notwendig, um die gefordertenGebrauchseigenschaften sicher zuerreichen. Ist nach dem ersten An-lassen die geforderte Härte bereitserreicht, dann sollte die zweite An-lasstemperatur 30 bis 50 °C unter-halb der vorangegangenen liegen.Liegt die Härte nach dem erstenAnlassen oberhalb der geforder-ten Werte, so ist mindestens aufder Temperatur des ersten Anlas-sens oder etwas höher anzulassen.

Beim Anlassen von Schnell-arbeitsstählen tritt im Verlauf derAnlasskurve nach dem Abfall derHärte mit zunehmender Anlass-dauer im Bereich von etwa 550 °Cein Maximum auf, was als Sekun-därhärte bezeichnet wird, siehe5.3 und Bild 36.

Der Effekt der Sekundärhär-tung kann bei Schnellarbeitsstäh-len (und auch bei anderen Werk-zeugstählen mit Sekundärhärtungs-effekt) durch Modifikation der Aus-tenitisierparameter Temperaturund Haltedauer beeinflusst wer-den, wie aus den Anlasskurven inBild 45 zu entnehmen ist.

Die Anlasstemperatur richtetsich nach den geforderten Ge-brauchseigenschaften und liegt üb-licherweise, je nach Stahlsorte underforderlicher Härte, zwischen 540und 590 °C. Die Haltedauer solltemindestens eine Stunde betragen.

Die Wahl des Ofens zum An-lassen der Werkzeuge aus Schnell-arbeitsstählen richtet sich nach demOfen, in dem das Austenitisierenvorgenommen wurde. Bei Vakuum-öfen erfolgt es meist ebenfalls ineinem Vakuum-Anlassofen, meistin Stickstoff, um eine konvektiveWärmeübertragung zu erreichen.Wird in Prozessgasanlagen gehär-tet, wird meist unter Stickstoff

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Page 32: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

32

zum Schutz gegen Oxidation inAnlass-Kammeröfen angelassen.Salzbadgehärtete Werkzeuge wer-den meist auch in Salzbadtiegel-öfen angelassen.

Werkzeuge aus Schnellarbeits-stählen sind mindestens zweimalanzulassen, mit Kobalt legierteStähle jedoch mindestens dreimal.Ein drei- bis viermaliges Anlassen istbesonders dann vorteilhaft, wenneine hohe Stabilität des Gefügesund eine optimale Kombination derGebrauchseigenschaften verlangtwerden.

6.6 Wärmebehandlungsmittel

6.6.1 Mittel zum Wärmen

Zum Wärmen beim Austeniti-sieren und Anlassen stehen flüssigeoder gasförmige Mittel zur Verfü-gung, feste dagegen werden kaumnoch benutzt. Das Wärmen inVakuumöfen ist im Prinzip einWärmen in Gas bei einem Druckim Ofenraum im Bereich zwischen1·10-2 und 1·10-1 mbar. Die Aus-wahl richtet sich hauptsächlichnach der gewünschten Wärmge-schwindigkeit sowie den Anfor-derungen an die Werkzeugrand-schicht. Für den letztgenanntenGesichtspunkt sind die möglichenReaktionen mit dem Wärmmittelmaßgebend, welche die Rand-schicht verändern und damit dieGebrauchseigenschaften in uner-

wünschtem oder nicht tolerierba-rem Maße beeinträchtigen können,wie z. B. ein Entkohlen, Oxidieren,Verzundern u. a. m.

6.6.1.1 FlüssigkeitenFür Temperaturen bis etwa

90 °C kommt Heißwasser in Frage,Öle können bis etwa 250 °C be-nutzt werden. Für Temperaturenzwischen 160 und 1300 °C werdenSalzschmelzen benutzt.

Insbesondere bei den Salz-schmelzen ist auf die Verträglich-keit der verschiedenen Salzschmel-zen untereinander zu achten, wennbeim Wärmen oder AbkühlenWerkstücke aus einem Salzbad-tiegelofen in einen zweiten trans-feriert werden. UnerwünschteVeränderungen der Randschichtdurch Entkohlen, Aufsticken, Auf-kohlen oder Oxidieren lassen sichdurch Auswahl geeigneter reak-tionsträger Salzschmelzen vermei-den oder minimieren.

Die Wirkung flüssiger Wärm-mittel lässt sich – mit gewissenEinschränkungen – auch in Wirbel-bettanlagen erreichen.

6.6.1.2 GaseFür die Auswahl gasförmiger

Wärmmittel steht neben einer un-zulässigen Veränderung der Rand-schichtzusammensetzung die erfor-derliche Temperatur im Vorder-grund. Durch Verwendung vonSpaltgasen sowie endotherm oderexotherm erzeugten „Schutzgasen“

lässt sich ein Entkohlen oder Oxi-dieren vermeiden. Wegen des Ge-halts an brennbaren Bestandteilenist besonders bei Temperaturenunterhalb von 750 °C auf denZündbereich zu achten.

Stickstoff wird benutzt, um einOxidieren zu verhindern, jedochist die Schutzwirkung besondersbei geringem Reinheitsgrad desGases und hohen Temperaturenbezüglich eines Entkohlens oderAufstickens begrenzt.

Das Erwärmen von Bauteilenund Werkzeugen an Luft ist wegender unvermeidbaren Oxidation undeiner Entkohlung heute kaum nochüblich.

6.6.1.3 VakuumDas Wärmebehandeln in

Vakuumöfen wird bei einem Druckim Bereich zwischen 1 und etwa10 mbar durchgeführt. In diesemBereich finden keine Reaktionenzwischen einer sauberen metalli-schen Oberfläche der Werkstückeund den wenigen noch anwesen-den Sauerstoffmolekülen statt.Daraus ergibt sich, dass das tech-nische Vakuum ein idealer Schutzgegen unerwünschtes Auf- oderAbkohlen oder Oxidieren darstellt.Beachtet werden muss jedoch,dass je nach Temperatur und Ofen-druck Legierungselemente wiez. B. Chrom oder Mangan aus derWerkstückrandschicht mehr oderweniger stark und tief herausdiffun-dieren („effundieren“) können.Eine Abschätzung des Risikos kannanhand der Dampfdruckkurvender verschiedenen Elemente vor-genommen werden.

Zur effektiveren Wärmeüber-tragung im Temperaturbereich von500 bis 600 °C wird üblicherweiseim so bezeichneten „Teildruckbe-reich“, d. h. bei einem Ofendruckvon ca. 10 mbar, in Stickstoff ge-arbeitet.

Merkblatt 450

0Anlasstemperatur [ºC]

Härt

e [H

RC]

58

100 200 300 400 500 600 700

60

62

64

66

56

68

sehr stark unterhärtetuntere Härtetemperaturmittlere Härtetemperaturhohe Härtetemperatur

Bild 45: Einfluss unter-schiedlicher Härte-temperaturen aufden Verlauf derAnlasskurve vonSchnellarbeitsstahl (schematisch)

Page 33: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

33

6.6.2 Mittel zum Abkühlen bzw.Abschrecken

Das Abkühlen bzw. Abschre-cken erfolgt in gasförmigen oderflüssigen Mitteln. Für die Auswahlsind hauptsächlich Form und Ab-messungen der Werkstücke, dieHärtbarkeit der Werkstoffe, dieHärtetemperatur, die erforderlicheAbkühlwirkung sowie der zurWärmebehandlung verwendeteOfen maßgebend.

6.6.2.1 FlüssigkeitenFlüssige Mittel werden dann

benutzt, wenn besonders hohe Ab-kühlgeschwindigkeiten erreichtwerden sollen.

Verwendet werden: Wassermit und ohne Zusätze, Öle oderSalzschmelzen. In der nachstehen-den Tabelle sind die üblichen Ar-beitstemperaturen der Abschreck-mittel aufgeführt.

Sollen in Salzschmelzen er-wärmte Werkstücke in Salzschmel-zen abgeschreckt werden, ist be-sonders auf die gegenseitige Ver-träglichkeit der Salze zu achten,um unerwünschte Reaktionenbeim Abschrecken, die u. U. zuSalzeruptionen führen können,auszuschließen.

Bei hohen Härtetemperaturenkönnen die Abschreckmittel mitder Werkstückrandschicht reagie-ren und ihre Zusammensetzungz. B. durch Oxidation oder Aufkoh-lung verändern. Werden die Werk-stücke anschließend nicht mehrausreichend bearbeitet, könnendadurch die Gebrauchseigenschaf-ten beeinträchtigt werden.

Vermieden werden sollte eineunzulässig hohe Erwärmung desAbschreckmittels durch die abzu-kühlenden Werkstücke, weil da-durch die Wirkung verschiedenerAbschreckmittel nachlassen kann.

Zunder oder Salzfilme auf derOberfläche abzukühlender Werk-stücke können den Wärmeüber-gang mehr oder weniger stark be-hindern, was den Abkühlverlaufbeeinträchtigt.

6.6.2.2 GaseAls gasförmige Abkühlmittel

kommen ruhende oder bewegte,trockene oder befeuchtete Luft,Stickstoff, Wasserstoff bzw. Heliumoder Gemische aus Stickstoff undWasserstoff oder Stickstoff undHelium zur Verwendung. Ihre Ab-kühlwirkung ist deutlich geringerals die flüssiger Mittel; sie lässt sichjedoch in druckdichten separatenKammern von Vakuumöfen unterDrücken bis 20 bar, hoher Strö-mungsgeschwindigkeit und wirk-samer Rückkühlung der im Kreis-lauf geführten Gase steigern. Da-bei wird eine Abkühlwirkung er-reicht, die der Abschreckwirkungvon Ölen nahe kommt. Es ist dabeiwichtig, sowohl auf die Ausrich-tung der abzuschreckenden Werk-stücke zur Strömungsrichtung desGases zu achten als auch darauf,die Ofencharge so zu packen, dass

das Gas ungehindert durch dieCharge hindurchströmen kannund alle Werkstücke im gleichenMaße vom Gasstrom beaufschlagtwerden. In diesem Zusammenhangist es außerdem wichtig, die Härt-barkeit des vorliegenden Werk-stoffs der zu härtenden Werkstückesowie deren Form und Maße ent-sprechend zu berücksichtigen.

6.6.3 Mittel zum Tiefkühlen

In gekühlter Luft kann bis aufetwa –60 °C tiefgekühlt werden,bei Sonderausführungen lassensich –140 °C erreichen. NiedrigereTemperaturen als – 60 °C könnenunter Verwendung von Trocken-eis, Alkoholmischungen oder inverflüssigten Gasen (flüssiger Stick-stoff: – 196 °C) erzielt werden.

6.7 Einrichtungen zum Wärmebehandeln

6.7.1 Wärmebehandlungsöfen

Bei der Auswahl eines geeigne-ten Ofens sind mehrere Gesichts-punkte zu berücksichtigen. Insbe-sondere sind maßgebend:• die Behandlungstemperatur, zu-

lässige Abweichungen gegenüberder Solltemperatur und die Tem-peraturstreuung im Ofenraum,

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Abschreck- Übliche mittel Arbeitstempe-

ratur in °C

Wasser ohne Zusätze bis 25Wasser mit Zusätzen bis 70Öle bis 70Warmbadöle bis 150Salzschmelzen ab 160Wirbelbetten 20 bis > 600

Bild 46: Automatisch gesteuerte Prozessgasanlage zum Härten unter Schutzgas

Page 34: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

34

• die Art des Mittels beim Erwär-men und Halten,

• die Art des erforderlichen Ab-kühlmittels,

• die Form und Abmessung derWerkstücke sowie deren Stück-zahl,

• der erforderliche Verfahrensab-lauf sowie seine Steuerung unddie gewünschte Art der Kon-trolle.

In DIN 17022 sind in Teil 1und 2 hierzu nähere Angaben fürdas Härten und Anlassen von Bau-teilen und Werkzeugen zu finden.Bild 46 zeigt eine typische Prozess-gasanlage zum Austenitisieren imProzessgas und Abschrecken in Öl.Bild 47 einen Vakuumofen zumHärten.

6.7.2 Einrichtungen zum Abkühlenbzw. Abschrecken

Die üblicherweise zum Ab-kühlen bzw. Abschrecken benutz-ten Einrichtungen sind prinzipiellgekennzeichnet durch Behälter miteinem innen oder außen liegendenKühler zum Abführen der von denabgeschreckten Werkstücken auf-genommenen Wärme, einer Um-

wälzeinrichtung (bei gasförmigenMitteln einem Gebläse), die demAbschreckmittel eine ausreichendeStrömungsgeschwindigkeit verleiht,sowie gegebenenfalls einer geregel-ten Heizung zum Einstellen dergewünschten Arbeitstemperaturdes Abschreckmittels. Das Fas-sungsvermögen von Ölabschreck-behältern sollte mindestens demsechsfachen Gewicht der abzu-schreckenden Charge entsprechen.

6.7.3 Einrichtungen zum Tiefkühlen

Übliche Einrichtungen zumTiefkühlen sind Truhen oderSchränke mit flüssigen oder gas-förmigen Kühlmitteln, in denensich Temperaturen bis höchstens–140 °C erreichen lassen. Für tie-fere Temperaturen werden ent-sprechend wärmeisolierte Tauch-behälter benutzt.

6.8 Hinweise zum Richten

Durch das Härten verursachteMaß- und Formänderungen könnenin begrenztem Maße durch Richtenkorrigiert werden. Dies kann durch

„Dengeln“ (Erzeugen von Druck-stellen) mit einem Richthammeroder Verformen (Biegen des abge-schreckten bzw. gerade abkühlen-den Werkstücks) unter einer Richt-presse, in einer Richtmaschine, aufeiner Richtbank, durch örtlichbegrenztes Erwärmen oder Abküh-len von Härtetemperatur in Vor-richtungen („Quetten“), die Maß-und/oder Formänderungen ver-hindern, vorgenommen werden.

Je nach Art und Größe des Ver-zugs, der Form und der Abmessungder Werkstücke, der Werkstoffzu-sammensetzung, dem Gefügezu-stand und den praktischen Erfah-rungen erfolgt das Richten vor odernach dem Anlassen. In der Praxishat es sich in vielen Fällen alszweckmäßig erwiesen, das Rich-ten vor dem Anlassen durchzu-führen.

7 Hinweise für die Konstruktion

7.1 Stahlauswahl

Im Hinblick auf das Härtenwird das Erreichen der erforder-lichen Härte maßgeblich durch dieHärtbarkeit der verwendeten Werk-stoffe bestimmt. Die Auswahl desgeeigneten Werkstoffs aufgrundder Härtbarkeit ist in 3.1 beschrie-ben, vgl. auch DIN 17021-1.

7.2 Wärmebehandlungsgerechte Formgestaltung

Die Abmessung und die Formder Werkstücke bestimmen maß-geblich die beim Härten entstehen-den Spannungen und die dadurchhervorgerufenen Maß- und Form-änderungen. Durch geeignete Ge-staltung können Maß- und Form-änderungen günstig beeinflusst,das Rissrisiko vermindert und oftauch die Lebensdauer der Werk-stücke verbessert werden. Dazu

Merkblatt 450

Bild 47: Vakuumofen zum Härten

Page 35: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

35

sind hauptsächlich folgende Grund-regeln zu beachten:• Günstige Massenverteilung, z. B.

durch Zusatzbohrungen oderAussparungen, anstreben, siehez. B. Bild 48.

• Zu schroffe Querschnittsüber-gänge durch ausreichendes Ab-runden oder Abschrägen vermei-den. Dadurch kann die Span-nungsspitzen hervorrufendeKerbwirkung vermindert wer-den, siehe Bild 49. Gegebenen-falls ist es zweckmäßig, dieendgültige Form erst nach demHärten herzustellen.

• Formsymmetrie anstreben.• Möglichkeiten zum Anbringen

von Vorrichtungen vorsehen,z. B. Bohrungen zum Aufhängen,Gewindebohrungen zum An-schrauben von Aufhängeösenu. Ä., mit denen die Werkstückeeinwandfrei beim Wärmebehan-deln gehandhabt werden können.

7.3 Zeichnungsangaben

In Zeichnungen ist der gehär-tete und angelassene Zustand vonBauteilen und Werkzeugen nachDIN 6773 anzugeben. Im Allge-

meinen umfassen die Angabendie Kennzeichnung des Zustandsdurch die Wortangabe: „gehärtet“,„gehärtet und angelassen“ oder„vergütet“ sowie Angabe der Här-te als Rockwell-, Vickers- oder Bri-nellhärte mit der zulässigen Tole-ranz und der Stelle, an der die Här-te gemessen werden soll. Festig-keitswerte sind nur dann anzuge-ben, wenn auch tatsächlich einederartige Messung vorgenom-men wird; in diesem Fall entfälltdie Angabe einer Härte.

Beispiele:• gehärtet

60 + 4 HRC

• gehärtet und angelassen650 + 75 HV 30

• vergütet350 + 50 HBW 2,5/187,5

Die Art und Weise, auf wel-chem Wege der vorgeschriebeneZustand zu erreichen ist, kann inergänzenden Unterlagen wie z. B.einer Wärmebehandlungsanwei-sung (WBA, siehe DIN 17023)bzw. einem Wärmebehandlungs-plan angegeben werden.

8 Mängel durch Fehler beim Härten und Anlassen

Mängel oder Fehler an wärme-behandelten Bauteilen oder Werk-zeugen sind selten ausschließlichauf eine Ursache allein zurückzu-führen. Sie können außer an derWärmebehandlung auch am Werk-stoff, der Gestalt des Werkstücks,der Bearbeitung oder den Bedin-gungen bei der Verwendung derBauteile und Werkzeuge liegen.

Die am häufigsten in der Pra-xis auftretenden Mängel sind zuhohe oder zu niedrige Härte, zugroße Maß- und Formänderungen,Risse, Anschmelzungen oder An-fressungen an der Oberfläche.

Zu niedrige Härte kann ver-schiedene Ursachen haben: Un-vollständiges Austenitisieren durchzu niedrige Temperatur, zu kurzeHaltedauer oder unzureichendeAbschreckwirkung führt zu Gefü-gen mit einem zu geringen Mar-tensitanteil. Bei zu hoher Austeni-tisiertemperatur und/oder zu lan-ger Haltedauer, zu langem Haltenim Warmbad, unbeabsichtigtemAufkohlen oder Aufsticken kannein zu hoher Restaustenitanteilentstehen. Entkohlung oder dieAufnahme von Sauerstoff beim Aus-tenitisieren („innere Oxidation“)setzen ebenfalls die Härte herab.Stähle mit einem C-Gehalt überetwa 0,6 Massenanteilen in %, ins-besondere die hoch legierten Kalt-arbeitsstähle, die Warmarbeits-stähle und die Schnellarbeitsstähle,enthalten nach dem Härten immerRestaustenit und müssen daher tief-gekühlt oder angelassen werden,um die volle Gebrauchshärte zuerreichen. Schließlich bewirkt auchein Anlassen bei zu hoher Tempe-ratur und/oder eine zu lange An-lassdauer eine zu niedrige Härte.

Zu hohe Härte ist meist auf un-genügendes Anlassen (zu niedrigeTemperatur und/oder zu kurzeDauer), unbeabsichtigtes Aufkoh-len oder Aufsticken während desAustenitisierens zurückzuführen.

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

Rissgefahr

ungünstig günstig

Bild 49: Beispiel für günstige Quer-schnittsüber-gänge

Rissgefahr beim Härten

Rissgefahrgroß

Rissgefahrgering

Bild 48: Beispiel für günstige Massen-verteilung

Page 36: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

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Zu großer Verzug entstehtdurch zu große und meist ungleich-mäßig verteilte Wärme- und/oderUmwandlungsspannungen infolgeeines zu raschen oder ungleichmä-ßigen Erwärmens, ungleichmäßi-gen Austenitisierens, eines örtli-chen Auf- oder Entkohlens odereines zu raschen bzw. ungleich-mäßigen Abkühlens. Diese Ursa-chen, in Verbindung mit einemunzureichenden oder nicht recht-zeitigen Anlassen, können in un-günstigen Fällen auch zu Rissenführen.

Lochartige oder flächige An-fressungen sind meist die Folgeeiner Korrosion durch mangelhaf-tes Reinigen vor bzw. nach demHärten, Erwärmen in verunreinig-ten Salzschmelzen oder Reinigenin aggressiven Reinigungsmitteln.Aufschmelzungen entstehen beimErwärmen in Elektrodensalzbad-öfen, wenn die Abstände derWerkstücke zu den Elektroden zugering sind oder vagabundierendeelektrische Ströme auftreten. Aberauch zu hohe Temperaturen oderunbeabsichtigtes Aufkohlen beimAustenitisieren können örtlich zuAufschmelzungen führen, vgl. DIN17022 Teil 2, Tabelle 2.

9 Hinweise zum Prüfen der wärmebehandelten Bauteile und Werkzeuge

Die Härte bainitisierter odergehärteter und angelassener Bau-teile und Werkzeuge wird übli-cherweise nach dem Rockwellver-fahren (DIN EN ISO 6508-1) oderdem Vickersverfahren (DIN ENISO 6507-1) gemessen. Bei vergü-teten Werkstücken kommt auchdas Brinellverfahren (DIN EN ISO6506-1) in Frage. Für das Messensind die Festlegungen in den an-gegebenen Normen zu beachten.

Darüber hinaus kann es in be-sonderen Fällen aus Qualitätsgrün-den zweckmäßig sein, mit Hilfemetallographischer Untersuchun-gen den Gefügezustand (Art, Aus-bildung, Menge und Anordnungder Gefügebestandteile Martensit,Bainit, Perlit, Ferrit, Restaustenitund Carbide), die Korngröße und-form (speziell bei Schnellarbeits-stählen, siehe hierzu DIN EN ISO643) oder den Randzustand in Be-zug auf Entkohlung, Aufkohlungoder Randoxidation zu beurteilen.

Risse lassen sich durch eineSichtprüfung der gereinigten Ober-fläche oder mit Hilfe von Farbein-dringverfahren, Ultraschall, Wir-belstrom-Methoden oder magneti-schen Messmethoden feststellen.

10 Quellennachweis

10.1 Schrifttum

DIN-Taschenbuch 218:„Wärmebehandlung metallischerWerkstoffe“, Beuth-Verlag GmbH Berlin, Wien,Zürich, 4. Auflage 2004

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Eckstein, H.-J.:„Technologie der Wärmebehand-lung von Stahl“, VEB Deutscher Verlag für Grund-stoffindustrie, Leipzig, 1987, 2. Auflage

Finnern, B., Jönsson, R.:„Wärmebehandlung von Werkzeu-gen und Bauteilen – Erkennen undVermeiden von Fehlern“, Carl Hanser Verlag, München, 1969

Horstmann, D.:„Das Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff und die Grundlagender Wärmebehandlung der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen“, Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1985,5. Auflage

Krauss, G.:„Principles of Heat Treatment ofSteel“, American Society for Metals,Metals Park, Ohio, 1985, 3. Auflage

Liedtke, D./Jönsson, R.:„Wärmebehandlung – Grundlagen und Anwendung fürEisenwerkstoffe“,expert-verlag, Band 349, Kontakt & Studium Verfahrens-technik, 2004

Orlich, J., Rose, A., Wiest, P.: „Atlas zur Wärmebehandlung derStähle, Band 3“, Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1975

Orlich, J., Pietrzenik, H.-J.:„Atlas zur Wärmebehandlung derStähle, Band 4“, Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1976

Rose, A., Wever, F., Peter, W., Straßburg, W., Rademacher, L.: „Atlas zur Wärmebehandlung derStähle, Band 1“,Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1961

Spur, G., Stöferle, Th.:„Handbuch der Fertigungstechnik,Band 4/2 – Wärmebehandeln“,Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1987

Merkblatt 450

Page 37: Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten

37

Thelning, K.-E.: „Steel and its Heat Treatment“,Bofors Handbook, Butterworths, London and Boston, 1975

VDEh, verschiedene Autoren: „Werkstoffkunde Stahl – Band 1: Grundlagen“, Verlag Stahleisen, Düsseldorf, 1984

Wegst, C. W.:„Stahlschlüssel“, Verlag Stahlschlüssel Wegst GmbH,Marbach, 2004, 20. Auflage

10.2 Bildnachweis

Bild 4: HorstmannBilder 6 bis 8: Atlas zur Wärmebe-

handlung der StähleBild 9: Scheil u. Lipson Bilder 11 bis 14: Handbuch der

Bau- und Werkzeugstähle, Saarstahl AG

Bild 16: Gerber u. Wyss Bilder Bild 19: DIN EN 10083*Bilder 20 und 21: Rose u. Brandis Bilder 22 bis 24: Handbuch für

Werkzeugstähle, Saarstahl AG Bild 25: Brandenberger Bild 26: Kopietz Bild 31: Piwowarsky Bild 32: Handbuch der Baustähle,

Saarstahl AGBild 34: Hollomon u. Jaffe Bild 36: Haufe Bilder 38 bis 44, Bilder 48 und 49:

DIN 17022, Teil 1 und 2*Bild 46: Ipsen IndustriesBild 47: Aichelin Ges.m.b.H.Übrige Bilder: Verfasser

–––––––––--------------------------------––––––––––*) Wiedergegeben mit Erlaubnisdes DIN Deutsches Institut fürNormung e.V. Maßgebend fürdas Anwenden der DIN-Norm istderen Fassung mit dem neuestenAusgabedatum, die bei der BeuthVerlag GmbH, www.beuth.de,Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin,erhältlich ist.

11 Normenübersicht

DIN EN ISO 642, Ausgabe: 2000-01Stahl – Stirnabschreckversuch (Jo-miny-Versuch) (ISO 642:1999)

DIN EN ISO 643, Ausgabe: 2003-09 Stahl – Mikrophotographische Be-stimmung der scheinbaren Korn-größeDIN EN ISO 643 Berichtigung 1,Ausgabe: 2004-07Berichtigung zu DIN EN ISO 643:2003-09

DIN EN ISO 4957, Ausgabe: 2001-02 Werkzeugstähle (ISO 4957:1999)

DIN EN ISO 6506-1,Ausgabe: 1999-10Metallische Werkstoffe – Härteprü-fung nach Brinell – Teil 1: Prüfver-fahren (ISO 6506-1:1999)

DIN EN ISO 6507-1, Ausgabe: 1998-01Metallische Werkstoffe – Härteprü-fung nach Vickers – Teil 1: Prüfver-fahren (ISO 6507-1:1997)

DIN EN ISO 6508-1, Ausgabe: 1999-09Metallische Werkstoffe – Härte-prüfung nach Rockwell (Skalen A,B, C, D, E, F, G, H, K, N, T) – Teil 1:Prüfverfahren (ISO 6508-1:1999)

DIN 6773, Ausgabe 2001-04Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen – Darstellung und Angabenwärmebehandelter Teile in Zeich-nungen

DIN EN 10052, Ausgabe: 1994-01Begriffe der Wärmebehandlungvon Eisenwerkstoffen

DIN EN 10083-1, Ausgabe: 1996-10 Vergütungsstähle – Teil 1: Techni-sche Lieferbedingungen für Edel-stähle (enthält Änderung A1:1996)

DIN EN 10083-2, Ausgabe: 1996-10 Vergütungsstähle – Teil 2: Techni-sche Lieferbedingungen für unle-gierte Qualitätsstähle (enthält Än-derung A1:1996)

DIN EN 10085, Ausgabe: 2001-07 Nitrierstähle – Technische Liefer-bedingungen

DIN 17021-1, Ausgabe: 1976-02 Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen; Werkstoffauswahl, Stahl-auswahl aufgrund der Härtbarkeit

DIN 17022-1, Ausgabe: 1994-10 Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen; Verfahren der Wärmebe-handlung – Teil 1: Härten, Bainiti-sieren, Anlassen und Vergüten vonBauteilen

DIN 17022-2, Ausgabe: 1986-06Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen; Verfahren der Wärmebe-handlung; Härten und Anlassenvon Werkzeugen

DIN 17023, Ausgabe: 2000-03Wärmebehandlung von Eisenwerk-stoffen; Wärmebehandlungs-An-weisung (WBA) – Vordruck

DIN EN ISO 18265, Ausgabe: 2004-02 Metallische Werkstoffe – Umwer-tung von Härtewerten (ISO 18265:2003)

Stahl-Eisen-Prüfblatt (SEP) 1664, 2. Ausgabe Ermittlung von Formeln durchmultiple Regression zur Berech-nung der Härtbarkeit im Stirnab-schreckversuch aus der chemi-schen Zusammensetzung vonStählen

Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren

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