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Gynäkologe 2012 · 45:547–550 DOI 10.1007/s00129-011-2938-9 Online publiziert: 16. Juni 2012 © Springer-Verlag 2012 C. Roll Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, Datteln Wünsche von  Neonatologen an  Geburtshelfer Was wünscht man sich als Neonato- loge vom Geburtshelfer? Die Frage gebe ich an eine langjährige Kolle- gin weiter, und sofort kommt: „Infor- mation, rechtzeitig und umfassend“ – „Und sonst?“ „Na, das“. Kommunikation ist eine der wich- tigsten Aufgaben in einem Team, das aus Angehörigen unterschiedli- cher Fachrichtungen, unterschiedli- cher Berufsgruppen und unterschied- licher Einrichtungen besteht und da- bei Schwangere, Mütter, Väter, Neu- geborene und Familien im Auge hat, in einer Situation, in der sich freudige Erwartung und ängstliche Anspan- nung mischen, in der nichts „schief- gehen“ darf. Man weiß aus der Flug- sicherung: In solchen Situationen ist sichere Kommunikation alles, Kom- munikation untereinander und Kom- munikation mit den Patienten, Aus- tausch von klaren Informationen, aber auch persönlichen Einschätzun- gen. Die Wunschliste der Neonatologen an die Geburtshelfer ist somit zunächst eine Liste dessen, was sicher zu kommunizie- ren ist. Kommunikation ist aber nicht al- les: Insbesondere für Frühgeborene kann der Geburtshelfer einige Maßnahmen umsetzen, die nicht nur den nachbehan- delnden Neonatologen die Arbeit erleich- tern, sondern auch die Prognose der Kin- der eindeutig verbessern. Daher stehen auch diese Maßnahmen auf der folgen- den Wunschliste. Kommunikation F Kommunikation, Information, recht- zeitig und umfassend. Welche Infor- mationen braucht der Neonatologe unter welchen Umständen und zu welcher Zeit? F Der Neonatologe braucht insbeson- dere Informationen über Schwangere, bei denen vorhersehbar ist, dass es Probleme beim Kind gibt. F Der Informationsaustausch sollte strukturiert erfolgen, mit regelmä- ßigen täglichen Besprechungen und wöchentlichen Teamsitzungen. Ambulante schwangere  Patientinnen Über Schwangere, die in der Pränatal- ambulanz des Perinatalzentrums betreut werden, möchte der Neonatologe dann informiert sein, wenn sich fetale Beson- derheiten zeigen und zu erwarten steht, dass das Kind nach der Geburt vom Kin- derarzt oder sogar in der Kinderklinik be- handelt werden muss. In vielen dieser Fälle wird der Geburts- helfer ein pränatales Gespräch zusammen mit den werdenden Eltern und dem Kin- derarzt führen. Insbesondere dann, wenn bei seltenen Erkrankungen des Feten oder unklaren Befunden der Kinderarzt bera- tend tätig werden soll – Mitbeurteilung der Ultraschallbefunde, Beratung der Eltern über Prognose, Darstellung des postna- talen Vorgehens – möchte der Kinderarzt gern frühzeitig informiert werden. Nur so hat er Gelegenheit, selbst weitere Informa- tionen einzuholen, bevor er mit den Eltern spricht. Das ist gerade bei seltenen Symp- tomen/Erkrankungen des Feten für eine kompetente Beratung der Eltern wichtig. Stationäre schwangere  Patientinnen Der Neonatologe im Perinatalzentrum sollte über alle schwangeren Patientinnen – zumindest die jenseits von 21 Schwan- gerschaftswochen – auf der geburtshilfli- chen Station informiert sein. Allen Patientinnen sollte ab einem Gestationsalter von 22 Wochen ein Ge- spräch mit dem Kinderarzt angeboten werden. Die Anfrage erfolgt strukturiert mit Angabe aller für den Neonatologen bedeutsamen Fakten. Wichtig für ein sou- veränes Auftreten und ein vertrauensvol- les Verhältnis sind gemeinsame oder gut abgestimmte Gespräche. Geburten Der Neonatologe sollte im Vorfeld über alle anstehenden Geburten informiert wer- den, bei denen seine Anwesenheit geplant ist. Bei unerwarteten Geburten von Früh- oder kranken Neugeborenen müssen die für den Neonatologen wichtigen Informa- tionen so bald als möglich nachgeliefert werden. Dabei sind immer akut wichtig: F Blutungen, F Plazentalösung und F grünes Fruchtwasser bei deprimier- tem Kind, da sich daraus akut Handlungsabläufe er- geben. Leitthema Redaktion K. Vetter, Berlin  D. Berg, Amberg 547 Der Gynäkologe 7 · 2012|

Wünsche von Neonatologen an Geburtshelfer; What neonatogists want from obstetricians;

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Gynäkologe 2012 · 45:547–550DOI 10.1007/s00129-011-2938-9Online publiziert: 16. Juni 2012© Springer-Verlag 2012

C. RollVestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, Datteln

Wünsche von Neonatologen an Geburtshelfer

Was wünscht man sich als Neonato­loge vom Geburtshelfer? Die Frage gebe ich an eine langjährige Kolle­gin weiter, und sofort kommt: „Infor­mation, rechtzeitig und umfassend“ – „Und sonst?“ „Na, das“.

Kommunikation ist eine der wich­tigsten Aufgaben in einem Team, das aus Angehörigen unterschiedli­cher Fachrichtungen, unterschiedli­cher Berufsgruppen und unterschied­licher Einrichtungen besteht und da­bei Schwangere, Mütter, Väter, Neu­geborene und Familien im Auge hat, in einer Situation, in der sich freudige Erwartung und ängstliche Anspan­nung mischen, in der nichts „schief­gehen“ darf. Man weiß aus der Flug­sicherung: In solchen Situationen ist sichere Kommunikation alles, Kom­munikation untereinander und Kom­munikation mit den Patienten, Aus­tausch von klaren Informationen, aber auch persönlichen Einschätzun­gen.

Die Wunschliste der Neonatologen an die Geburtshelfer ist somit zunächst eine Liste dessen, was sicher zu kommunizie-ren ist. Kommunikation ist aber nicht al-les: Insbesondere für Frühgeborene kann der Geburtshelfer einige Maßnahmen umsetzen, die nicht nur den nachbehan-delnden Neonatologen die Arbeit erleich-tern, sondern auch die Prognose der Kin-der eindeutig verbessern. Daher stehen auch diese Maßnahmen auf der folgen-den Wunschliste.

Kommunikation

FKommunikation, Information, recht-zeitig und umfassend. Welche Infor-mationen braucht der Neonatologe unter welchen Umständen und zu welcher Zeit?

FDer Neonatologe braucht insbeson-dere Informationen über Schwangere , bei denen vorhersehbar ist, dass es Probleme beim Kind gibt.

FDer Informationsaustausch sollte strukturiert erfolgen, mit regelmä-ßigen täglichen Besprechungen und wöchentlichen Teamsitzungen.

Ambulante schwangere Patientinnen

Über Schwangere, die in der Pränatal-ambulanz des Perinatalzentrums betreut werden, möchte der Neonatologe dann informiert sein, wenn sich fetale Beson-derheiten zeigen und zu erwarten steht, dass das Kind nach der Geburt vom Kin-derarzt oder sogar in der Kinderklinik be-handelt werden muss.

In vielen dieser Fälle wird der Geburts-helfer ein pränatales Gespräch zusammen mit den werdenden Eltern und dem Kin-derarzt führen. Insbesondere dann, wenn bei seltenen Erkrankungen des Feten oder unklaren Befunden der Kinderarzt bera-tend tätig werden soll – Mitbeurteilung der Ultraschallbefunde, Beratung der Eltern über Prognose, Darstellung des postna-talen Vorgehens – möchte der Kinderarzt gern frühzeitig informiert werden. Nur so hat er Gelegenheit, selbst weitere Informa-

tionen einzuholen, bevor er mit den Eltern spricht. Das ist gerade bei seltenen Symp-tomen/Erkrankungen des Feten für eine kompetente Beratung der Eltern wichtig.

Stationäre schwangere Patientinnen

Der Neonatologe im Perinatalzentrum sollte über alle schwangeren Patientinnen – zumindest die jenseits von 21 Schwan-gerschaftswochen – auf der geburtshilfli-chen Station informiert sein.

Allen Patientinnen sollte ab einem Gestationsalter von 22 Wochen ein Ge-spräch mit dem Kinderarzt angeboten werden. Die Anfrage erfolgt strukturiert mit Angabe aller für den Neonatologen bedeutsamen Fakten. Wichtig für ein sou-veränes Auftreten und ein vertrauensvol-les Verhältnis sind gemeinsame oder gut abgestimmte Gespräche.

Geburten

Der Neonatologe sollte im Vorfeld über alle anstehenden Geburten informiert wer-den, bei denen seine Anwesenheit geplant ist. Bei unerwarteten Geburten von Früh- oder kranken Neugeborenen müssen die für den Neonatologen wichtigen Informa-tionen so bald als möglich nachgeliefert werden. Dabei sind immer akut wichtig: FBlutungen,FPlazentalösung undFgrünes Fruchtwasser bei deprimier-

tem Kind, da sich daraus akut Handlungsabläufe er-geben.

Leitthema

RedaktionK. Vetter, Berlin D. Berg, Amberg

547Der Gynäkologe 7 · 2012  | 

Gesunde Neugeborene auf der Wöchnerinnenstation

Der die Vorsorgeuntersuchungen durch-führende Kinderarzt möchte alle Infor-mationen zur Schwangerschaft, zur müt-terlichen Anamnese und zur Familien-anamnese, die relevant sein könnten, vor der Untersuchung und vor dem Kon-takt mit Mutter und Kind in schriftlicher Form vorgelegt bekommen.

Information zu Infektionen: HIV, Hepatitis B, CMV, Abstrichergebnisse

Informationen zum durchgeführten HIV-Test und dem Hepatitis-B-Status der Mut-ter sollten bekannt sein und kommuni-ziert werden, da sich daraus akuter Hand-lungsbedarf ergibt.

Bei Frühgeborenen mit einem Gesta-tionsalter unter 32 Wochen bzw. einem Geburtsgewicht unter 1500 g ist die Kenntnis des CMV-Status der Mutter für den Neonatologen wichtig. CMV-IgG-positive Frauen scheiden intermittierend Virus über die Muttermilch aus und kön-nen so das Frühgeborene infizieren [2, 9].

In vielen Zentren wird die Mutter-milch CMV-IgG-positiver Mütter zur Verhinderung einer frühen CMV Infek-tion des Frühgeborenen pasteurisiert [3]. Bei drohender Frühgeburt sollte daher der CMV-Status möglichst bereits zum Zeitpunkt der Geburt bekannt sein. An-sonsten ist eine Bestimmung unmittelbar post partum wichtig. Kolostrum wird üb-licherweise unpasteurisiert verabreicht, sodass ein gewisses Zeitfenster besteht.

Die Resultate bakteriologischer Abstri-che sollten zeitnah im zuständigen Labor erfragt bzw. von diesem übermittelt und unmittelbar an den Neonatologen weiter-gegeben werden. Bei der aktuellen immer kritischer werdenden Situation in unse-ren Kliniken und der schwierigen Resis-tenzlage ist dies für eine Infektionskont-rolle und ggf. adäquate antibiotische Be-handlung essenziell.

Kommunikation an der Grenze der Lebensfähigkeit

Gute Absprachen und Kommunika-tionsabläufe sind besonders dann wich-

tig, wenn eine Geburt an der Grenze der Lebensfähigkeit des Kindes droht. In der Grauzone – nach Leitlinie zwischen 22+0 und 23+6 Wochen – ist eine umfassende Information der Eltern Pflicht, denn hier sind sie gefragt, eine Entscheidung zur Behandlung des Kindes mit zu treffen [13, 18]. Das geht nur dann, wenn diese Gespräche frühzeitig und ggf. mehrfach erfolgen [5]. Der Neonatologe muss alle wichtigen Fakten kennen, die zur Prog-nose der Frühgeborenen beitragen: Ges-tationsalter, geschätztes Gewicht und Ge-schlecht des Feten sowie aktuelle Proble-me und Besonderheiten [20]. Kurz- und Langzeitprognose sollen den Eltern vom erfahrenen Neonatologen dargestellt werden. Er kennt die Daten der eigenen Klinik und nationale wie internationale Ergebnisse. Gesprächsinhalte und Ent-scheidungen sollen möglichst in struk-turierter Form schriftlich fixiert werden. Der Konsens wird gemeinsam getragen – von Geburtshelfern und Neonatologen zusammen mit den Eltern. Sehr wichtig ist es, dass das gesamte Team informiert ist und die Vereinbarungen respektiert und mit trägt. Unangemessene Kom-mentare gegenüber den Eltern hinsicht-lich der getroffenen Entscheidung verun-sichern und verletzen diese und führen zu nachhaltigen Störungen des Vertrau-ensverhältnisses und des Selbstvertrau-ens der Eltern.

Prä­ und perinatale Maßnahmen zur Prognoseverbesserung von Frügeborenen

Fast alle medizinischen Handlungen, die nachgewiesenermaßen das Auftre-ten von Hirnblutungen bei Frühgebore-nen verhindern, unterliegen dem Ein-fluss der Geburtshilfe, nicht dem der Neonatologie: Ein wenig enttäuschend für die Arbeit der Neonatologen, die sich täglich um die kleinen Frühgebo-renen bemühen, eine Herausforderung für die Geburtshelfer, von denen wir Neonatologen uns natürlich wünschen, dass sie die Maßnahmen umsetzen, die den Frühgeborenen nutzen. Diese Maß-nahmen sind der pränatale Transport, die Durchführung der antenatalen Lun-genreifebehandlung und das späte Ab-nabeln.

Pränataler Transport

Seit der Einrichtung von Perinatalzentren sind die frühzeitige Verlegung bei drohen-der Frühgeburt und die Verlegung in ein Zentrum der adäquaten Versorungsstufe selbstverständlich [1, 6, 19]. Die Verlegung einer Schwangeren bei drohender Frühge-burt ins Zentrum sollte bereits vor Errei-chen der Lebensfähigkeit des Kindes er-folgen, um ggf. alle Ressourcen für den Erhalt der Schwangerschaft voll auszu-schöpfen und Zeit für Gespräche mit den Eltern zu haben.

Antenatale Steroide

Dass antenatale Steroide für die Lungen-reifung Frühgeborener wichtig sind, ist lange bekannt [17]. Die Maßnahme wird von Geburtshelfern routinemäßig durch-geführt. Nicht nur Atemnotsyndrom und bronchopulmonale Dysplasie, sondern fast alle typischen Frühgeborenenerkran-kungen – Hirnblutungen, nekrotisierende Enterokolitis, frühe Sepsis – und die Mor-talität werden durch die antenatale Ste-roidgabe signifikant reduziert.

In der aktuellen Diskussion um ne-gative Auswirkungen wiederholter Zyk-len fällt dem Geburtshelfer die oft nicht leichte Entscheidung zu, den richtigen Zeitpunkt für den „einen“ Zyklus zu fin-den.

Spätes Abnabeln

Spätes Abnabeln ist gut für kleine Früh-geborene. Randomisierte Studien haben gezeigt, dass Frühgeborene, die erst nach 30 Sekunden abgenabelt wurden, im Ver-gleich zu sofort abgenabelten weniger Hirnblutungen haben. Außerdem brau-chen sie seltener Transfusionen. Beden-ken bezüglich negativer Auswirkungen – das Frühgeborene könnte kalt werden, die Erstversorgung wird verzögert – auch auf Seiten der Neonatologen wurden nicht bestätigt [11, 12, 14]. Diese sinnvolle , relativ wenig aufwendige Maßnahme sollte so-wohl bei der Spontangeburt als auch beim Kaiserschnitt umgesetzt werden. Wich-tig ist, dass das Frühgeborene unter das Niveau des Uterus gehalten wird. Ist das nicht möglich, ist das 4-malige Ausstrei-chen der Nabelschnur zum Kind hin eine

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Leitthema

Alternative, die machbar ist und gleich gute Auswirkungen auf Hämoglobinwerte des Kindes hat [15]. Um die Maßnahme zu implementieren, empfiehlt es sich, für die eigene Klinik ein Protokoll zu erstellen, dass und wie spätes Abnabeln stattfinden soll. Hierzu kann man sich an Protokollen der entsprechenden Studien orientieren.

Was sonst noch wichtig ist

Geburt vor Infektion des Kindes

Einerseits wünschen wir uns, dass der Ge-burtshelfer die Schwangerschaft erhält, andererseits wünschen wir uns ein Früh-geborenes ohne Infektion: ein Dilemma, das noch immer nicht gut gelöst ist. Mit jedem Tag, den die Schwangerschaft län-ger dauert, steigen die Chancen des Kin-des zu überleben und gesund zu überle-ben. Eine Infektion jedoch hat so negative Auswirkungen auf Mortalität und Ent-wicklung, dass sie unbedingt vermieden werden muss [7, 21, 22].

Daher nicht nur mein Wunsch an die Geburtshelfer: Verwenden Sie all Ihre Forschungsaktivitäten darauf, in der Zu-kunft die Geburt des Kind „einen Tag vor die Infektion“ legen zu können.

Angabe und Einhaltung der geplanten E-E-Zeit

Die Frage an einen Freund und Neo-natologen, was er sich vom Geburtshelfer wünscht. „Die Angabe und Einhaltung der geplanten E-E-Zeit bei der geplanten Sectio eines Frühgeborenen.“ „Wie soll ich das verstehen?“ „Kennst Du das nicht?“: Die Entscheidung zur Sectio bei noch sehr unreifem Kind ist gut begründet gefallen, es eilt jedoch nicht. Wann wird die Sec-tio nun stattfinden? Für den Neonato-logen und sein Team ist es wichtig, sich auf einen Zeitpunkt einzustellen und sich dann auch auf die Vereinbarungen verlas-sen zu können. Andernfalls werden an-dere Aktivitäten auf der Intensivstation aufgeschoben oder abgesagt, die Warte-zeit zieht sich über Stunden hin. Die Sec-tio sollte also nicht „ans Ende des Ope-rationsprogramms“ geplant oder aus an-deren nicht triftigen Gründen aufgescho-ben werden. Für das neonatologische Team beginnt die eigentliche Arbeit dann,

wenn der Geburtshelfer fertig ist. Sie soll-te nicht unnötig auf den Abend oder die Nacht verlegt werden. Eine gute zeitliche Absprache und Planung sowie deren Ein-haltung – das wünschen sich Neonatolo-gen vom Geburtshelfer für alle Fälle, die planbar sind.

Vermeidung von Geburtstraumata

Der Neonatologe wünscht sich, dass bei einem sehr kleinen Frühgeborenen derje-nige den Kaiserschnitt oder die Spontan-geburt leitet, der es am besten kann. Frü-her dachte ich, für die Erstversorgung des Frühgeborenes sei es wichtig, dass sie ein sehr guter Neonatologe durchführt bzw. bei der Geburt dabei ist, die Sectio, die kann jeder Geburtshelfer. Doch ich lernte , dass der Geburtshelfer genauso wichtig ist: Wie ein kleines Frühgeborenes zur Welt kommt und wie leicht es zu entwi-ckeln ist, hängt von vielen Faktoren ab, die Sie viel besser kennen als ich. Es hängt je-doch auch ganz wesentlich vom Geburts-helfer ab. Geben Sie Ihr Wissen und Ihre Kenntnisse weiter und unterrichten Sie intensiv praktisch und theoretisch, damit alle, die den Kaiserschnitt bei einem ext-rem kleinen Frühgeborenen durchführen, davon profitieren − nicht zuletzt die Kin-der. Gleiches gilt natürlich auch für ope-rative vaginale Entbindungen reifer Neu-geborener.

Wärme

Kreißsaal und Sectio-Operationssaal sol-len, wenn ein Frühgeborenes zur Welt kommt, mindestens eine Temperatur von 26°C haben. Das steht seit 2010 auch in internationalen Leitlinien zum The-ma Erstversorgung und Reanimation des Neugeborenen [8, 16]. Für den aktiven Ge-burtshelfer, die Hebamme, ggf. das Anäs-thesie- und das Operationsteam ist es, ins-besondere wenn sie für den Kaiserschnitt eingekleidet sind, nicht angenehm, diese Temperaturen zu ertragen. Für das Neu- und insbesondere das Frühgeborene ist es sehr wichtig, dass die Umgebungstempe-ratur hoch ist, um Wärmeverluste zu ver-meiden. Es ist lange belegt, dass eine nied-rige Körpertemperatur bei der Aufnahme auf die Intensivstation mit einer schlech-teren Langzeitprognose Frühgeborener

Zusammenfassung · Abstract

assoziiert ist. Auch reife oder fast reife Neugeborene haben Vorteile von einer warmen Umgebung: Ein Temperaturver-lust führt zu erhöhtem Energieverbrauch

Gynäkologe 2012 · 45:547–550DOI 10.1007/s00129-011-2938-9© Springer-Verlag 2012

C. Roll

Wünsche von Neonatologen an Geburtshelfer

ZusammenfassungWesentlich für eine gute Zusammenarbeit zwischen den Teams der Geburtshilfe und der Neonatologie sind eine guter Informations-austausch und eine Kommunikationsstruk-tur, die diesen trägt. Durch zeitige Verlegung in ein Perinatalzentrum der entsprechenden Versorgungsstufe, Gabe von antenatalen Ste-roiden und durch spätes Abnabeln kann der Geburtshelfer wesentlich zur Prognosever-besserung kleiner Frühgeborener beitragen. Auch für intensivpflichtige Neugeborene und kleine Frühgeborene sollte es gemeinsame Konzepte für ein frühes Bonding geben. Phy-sikalische und menschliche Wärme in Kreiß-saal, Sectio-Operationssaal und Erstversor-gungsraum sind dafür unabdingbare Voraus-setzungen.

SchlüsselwörterKommunikation · Antenatale Steroide · Spätes Abnabeln · Pränataler Transport · Bonding

What neonatologists want from obstetricians

AbstractSuccessful cooperation between obstet-rics and neonatology is based on a continu-ous flow of information and infrastructures to support this. Obstetric actions to improve the outcome of very preterm infants include timely transfer of women with high-risk preg-nancies to high-volume perinatal centers, fe-tal lung maturation by antenatal steroid ad-ministration and late cord clamping to re-duce the rate and severity of intraventricular hemorrhage. Early bonding is possible and can be promoted also with tiny preterm in-fants and sick newborns admitted to inten-sive care. This requires both emotional and physical warmth in the delivery room, the op-erating theatre and the place where neonatal resuscitative measures are carried out.

KeywordsCommunication · Antenatal steroids · Late cord clamping · Prenatal transport · Bonding

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und kann Hypoglykämien und respirato-rische Anpassungsstörungen begünstigen.

Essenziell ist Wärme in dem Raum, in dem das Frühgeborene nach der Geburt vom Neonatologen erstversorgt wird. Neben der Raumtemperatur wird hier Wärme über die Wärmeeinheit zugeführt.

Ein warmer Kreißsaal und ein war-mer Sectio-Operationssaal sind auch des-halb wichtig, weil alle Neugeborenen und möglichst auch Frühgeborenen so bald wie möglich den ersten Kontakt zur Mut-ter haben sollen – im Kreißsaal oder im Sectio-Operationssaal.

Kinderärzte wünschen sich, was Heb-ammen und Geburtshelfer schon lange wünschen: Früher Kontakt zwischen Mutter und Kind, frühes Bonding auch dann, wenn das Kind kritisch krank oder ein unreifes Frühgeborenes ist.

Es ist wichtig, dass die strukturellen Voraussetzungen so gestaltet sind, dass dieser frühe Kontakt zwischen Mutter und Kind ermöglicht wird. Das erfordert gemeinsame Planung des zeitlichen Ab-laufes, der Wege und der Verantwortlich-keiten. Es sollte immer möglich sein, die Mutter nach der Geburt im Bett in den Erstversorgungsraum oder das Kind auf der Erstversorgungseinheit zur Mutter zu bringen. Flure und Zimmer auf der neo-natologischen Intensivstation sollen so gestaltet sein, dass die Mutter im Bett zu ihrem Kind gebracht werden kann. Die Arbeitsgruppe von Angela Kribs in Köln konnte zeigen, dass die Mutter-Kind-Bin-dung bei extrem unreifen Frühgeborenen, die so frühen Mutter-Kind-Kontakt hat-ten, im Alter von zwei Jahren signifikant besser war [10].

Natürlich soll auch den Vätern mög-lichst früh die Gelegenheit gegeben wer-den, bei ihrem Kind zu sein [4]. Je nach Zustand des Kindes können Väter auch in die Erstversorgung des Kindes einbe-zogen werden.

Fazit für die Praxis

Wunschliste der Neonatologe an die Ge-burtshelfer:FKommunikation und Informations-

austauschFPränataler Transport ins Zentrum

FAntenatale Steroide bei drohender Frühgeburt

FSpätabnabeln bei kleinen Frühgebo-renen

FGeburt vor Infektion des KindesFWärme in Kreißsaal, Sectio-Operati-

onssaal und ErstversorgungsraumFÜbermittlung von Daten zum Infek-

tionsstatus1Hepatitis-B-Status der Mutter1HIV-Test der Mutter1CMV-Status der Mutter (bei Frühge-

borenen <32 Wochen oder <1500 g)1Abstrichergebnisse mit Resisto-

grammen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C. RollVestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/HerdeckeDr.-Friedrich-Steiner-Str. 5, 45711 [email protected]

Interessenkonflikt.  Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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