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Mittwoch, 15. Juni 2016 u neues deutschland Die deutsche Erstaufführung von Maxi Obexers »Illegale Helfer« in Potsdam stellt Menschenrechte über geltende Gesetze Blick in eine verborgene Welt Von Volker Trauth D iese Aufführung hat eine Vorgeschichte. Ein Refe- rendar für Deutsch und Geschichte, der für die AfD in der Potsdamer Stadtverordneten- versammlung sitzt, forderte die Ab- setzung der Premiere, weil er im Stücktext, ohne ihn zu kennen, die Verherrlichung gesetzeswidriger Handlungen vermutete. Intendant Tobias Wellemeyer sah sich in finste- re Zeiten versetzt und verbat sich die Einmischung politischer Parteien in die Spielplangestaltung. Für die Autorin, die in Südtirol ge- borene Maxi Obexer, war ihr Text al- les andere als tagespolitisch. Das Flüchtlingsthema ist vielmehr zu ih- rem »Lebensthema« geworden. In ih- rem 2007 in Jena herausgekomme- nen Stück »Das Geisterschiff« ging es um die Schiffskatastrophe im Mittel- meer, der 283 Menschen zum Opfer gefallen waren. Im Mittelpunkt ihres Erfolgsromans »Wenn die gefährli- chen Hunde lachen« stehen Briefe ei- ner afrikanischen Migrantin über ih- re Erfahrungen mit der Integration von Fremden in Europa – Briefe, die sie an ihre Verwandten in Afrika ge- schickt hatte. Diese Briefe hatte Obexer schon in einer Klanginstallation im Rahmen des Festivals »Manifest 07« in Trentino vorgestellt. Gegenwärtig arbeitet sie zusammen mit dem Regisseur Cle- mens Bechtel an einem Text unter dem Titel »Gehen und Bleiben«, der auf der Grundlage von Gesprächen mit in Potsdam lebenden Migranten ent- steht. Alle diese Beschäftigungen ge- währten ihr nach eigenem Bekennt- nis Einblicke in eine »verborgene Welt der Menschlichkeit«. Auch der Stücktext von »Illegale Helfer« geht auf Recherchen zurück. Die Autorin hat Gespräche mit Men- schen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich geführt, die aus ver- schiedenen Beweggründen Flücht- lingen geholfen haben und ihnen weiterhin helfen. Diese Menschen sind unterschiedlichen Alters – vom 25-jährigen Deutschen Florian bis zum 70-jährigen Österreicher Gen- ner. Manche von ihnen haben ihre berufliche Existenz gefährdet wie der 31-jährige Rechtsanwalt, der es nicht mehr fertigbrachte, seine Unter- schrift unter Abschiebebescheide zu setzen. Als ungeahntes Glück emp- findet er es zudem, eine ältere Mig- rantin zu einem Bahnhof begleitet zu haben, von dem aus sie in das Land ihrer Wünsche reisen kann. Einige waren ihr Leben lang aktiv, andere sind zufällig in die Verant- wortung geworfen worden wie der 45-jährige Deutsch-Schweizer Lukas, der bisher ein sorgloses Leben mit Trompetenunterricht und blühenden Kastanien geführt hat und der Zeuge eines brutalen Polizeieinsatzes gegen Flüchtlinge wird. Beispiele für die Kraft der Schwa- chen werden genannt. Die einen ver- mitteln Adressen von kostenlos ar- beitenden Ärzten, die anderen orga- nisieren Lebensmittelgutscheine und wieder andere Vorbereitungskurse für Anhörungen und Castings zur Er- langung des Asyls und zum Beweis für Hilfsbedürftigkeit. Von der Herzlosigkeit und der Le- bensfremdheit der Ämter ist ebenso die Rede wie von der seelenlosen Ab- schiebung eines jungen Griechen, ob- wohl dessen Eltern gerade einem Sprengstoffanschlag zum Opfer ge- fallen sind. Aber auch Heldentum und Erfindungsreichtum der Flüchtlinge spielen eine Rolle wie die Ge- schichte jenes 31-Jährigen, der sich die Fingerkuppen abhobelt, um nicht Fingerabdrücke machen lassen zu müssen. In einem Epilog verweigert sich eine junge Helferin der Helden- verehrung, wenn sie an die Unver- gleichlichkeit ihres Handelns mit den wahren Heldentaten im antifaschis- tischen Widerstand erinnert. In Fragen der szenischen Veran- schaulichung gibt es gravierende Un- terschiede zwischen der Urauffüh- rung am Landestheater Salzburg im Januar und der Deutschen Erstauf- führung in Potsdam. In Salzburg tra- ten neun Darsteller in uniformen Ka- puzenpullovern gemeinsam an die Rampe, postierten sich vor einem gra- fisch gestalteten Hintergrund, der ei- ne verwitterte Bahnhofsgarage zeig- te, nahmen das Publikum ins Visier und lieferten ihre Berichte ab. Die In- szenierung von Yvonne Groneberg in Potsdam sucht ganz auffällig nach szenischen Aktionen und nach schau- spielerischer Individualisierung. Im Wechsel von Chor und Solo werden die amtlichen Definitionen von illegaler Einreise und Durchreise vorgelesen, am Ende platzt dem ös- terreichischen Aktivisten Genner der Kragen, er reißt ein Blatt der Ver- ordnungen heraus, worauf er mit di- cken Klebebändern an einen Stuhl gefesselt und sein Mund mit weißen Verbänden verschlossen wird. Er be- freit sich und schreit seine Wut auf ei- ne rigide Asylpolitik heraus – und da- nach seinen Triumph darüber, dass seine Organisation einen Tschet- schenen vor der Abschiebung be- wahren und für ihn Haftentschädi- gung erzwingen konnte. Wenn er auf seine rassistisch verfolgten Eltern und seine langjährige Mitgliedschaft in der Spartakusjugend verweist, dann scheint so etwas auf wie Klassenbe- wusstsein. Im Dunkel der Nacht kleben junge Akteure mit Papptüten auf dem Kopf Flugblätter mit Gesetzesverordnun- gen an die Wand. Später wird an die- ser Stelle ein junger Schauspieler auf- rührerische Texte an die Wand schreiben und um die Körperformen zweier Schauspielerinnen herum Kreidelinien markieren, die fortan als Silhouetten des stummen Wider- stands im Raum stehen. Der Schauspieler Christoph Hoh- mann wird kleine Triumphe als Be- rater von Flüchtlingen mit einem ak- zentuierten Golfschlag und einem lauen »Piff, Paff« unterstreichen und später in einer fiktiven Lehrstunde Tricks zum Umgang mit Behörden verraten, nicht ohne wie ein gedul- diger Lehrer Teile des Lehrstoffs ab- zufragen. Individuelles Profil ge- winnt auch Andrea Thelemann in der Rolle einer ebenso mutigen wie auf- rührerischen Studienrätin, die täg- lich den Verlust ihres Beamtenstatus’ riskiert und die Beamten des Ju- gendamtes attackiert. Nachdem sie in glaubwürdiger Empathie von einem Flüchtlings- mädchen erzählt, das als einzigen Le- bensraum den Innenhof einer Asyl gewährenden Kirche kennengelernt hat und nur das Wort »Mond« aus- sprechen kann, da wächst die Spiel- weise vom Dokumentarischen ins Po- etische. Die anderen Mitspieler grei- fen das Stichwort »Mond« auf und vereinigen sich zum gemeinsamen Gesang des Liedes vom Mond, der »so stille geht«. In diesen Momenten kommen ei- nem nicht nur die »illegalen Helfer«, sondern auch die von ihnen betreu- ten Flüchtlinge näher. Inszenatori- sche Ungereimtheiten wie die unnö- tigen Zeugenberichte als Leinwand- projektion treten da in den Hinter- grund. Was bleibt, ist der Eindruck engagierter Schauspieler, die uns be- hutsam in den Bereich verborgener Menschlichkeit mitnehmen. Nächste Vorstellungen: 17., 26.6. Im Dunkel der Nacht kleben junge Akteure mit Papptüten auf dem Kopf Flugblätter mit Gesetzesverordnungen an die Wand. Foto: HL Böhme Wenn Genner auf seine verfolgten Eltern und seine Mitgliedschaft in der Spartakusjugend verweist, dann scheint so etwas auf wie Klassenbewusstsein.

Würth-Musikpreis Die deutsche Erstaufführung von Maxi ... · string quartet« aus Berlin ... Led Zeppelin Urheberstreit um»Stairway ... rensequenz, die »Stairway to Heaven«einleitet,aufdemInst-

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14 Feuilleton*

Mittwoch, 15. Juni 2016 uneues deutschland

Die deutsche Erstaufführung von Maxi Obexers »Illegale Helfer« in Potsdam stellt Menschenrechte über geltende Gesetze

Blick in eine verborgene WeltVon Volker Trauth

D iese Aufführung hat eineVorgeschichte. Ein Refe-rendar für Deutsch undGeschichte, der für die AfD

in der Potsdamer Stadtverordneten-versammlung sitzt, forderte die Ab-setzung der Premiere, weil er imStücktext, ohne ihn zu kennen, dieVerherrlichung gesetzeswidrigerHandlungen vermutete. IntendantTobias Wellemeyer sah sich in finste-re Zeiten versetzt und verbat sich dieEinmischung politischer Parteien indie Spielplangestaltung.Für die Autorin, die in Südtirol ge-

borene Maxi Obexer, war ihr Text al-les andere als tagespolitisch. DasFlüchtlingsthema ist vielmehr zu ih-rem »Lebensthema« geworden. In ih-rem 2007 in Jena herausgekomme-nen Stück »Das Geisterschiff« ging esum die Schiffskatastrophe im Mittel-meer, der 283 Menschen zum Opfergefallen waren. Im Mittelpunkt ihresErfolgsromans »Wenn die gefährli-chen Hunde lachen« stehen Briefe ei-ner afrikanischen Migrantin über ih-re Erfahrungen mit der Integrationvon Fremden in Europa – Briefe, diesie an ihre Verwandten in Afrika ge-schickt hatte.Diese Briefe hatte Obexer schon in

einerKlanginstallation imRahmendesFestivals »Manifest 07« in Trentinovorgestellt. Gegenwärtig arbeitet siezusammen mit dem Regisseur Cle-mensBechtel an einemText unter demTitel »Gehen und Bleiben«, der auf derGrundlage von Gesprächen mit inPotsdam lebenden Migranten ent-steht. Alle diese Beschäftigungen ge-währten ihr nach eigenem Bekennt-nis Einblicke in eine »verborgene Weltder Menschlichkeit«.Auch der Stücktext von »Illegale

Helfer« geht auf Recherchen zurück.Die Autorin hat Gespräche mit Men-schen aus Deutschland, der Schweizund Österreich geführt, die aus ver-schiedenen Beweggründen Flücht-lingen geholfen haben und ihnenweiterhin helfen. Diese Menschensind unterschiedlichen Alters – vom25-jährigen Deutschen Florian biszum 70-jährigen Österreicher Gen-ner. Manche von ihnen haben ihreberufliche Existenz gefährdet wie der31-jährige Rechtsanwalt, der es nichtmehr fertigbrachte, seine Unter-schrift unter Abschiebebescheide zusetzen. Als ungeahntes Glück emp-findet er es zudem, eine ältere Mig-rantin zu einem Bahnhof begleitet zuhaben, von dem aus sie in das Landihrer Wünsche reisen kann.Einige waren ihr Leben lang aktiv,

andere sind zufällig in die Verant-wortung geworfen worden wie der45-jährige Deutsch-Schweizer Lukas,der bisher ein sorgloses Leben mitTrompetenunterricht und blühendenKastanien geführt hat und der Zeugeeines brutalen Polizeieinsatzes gegenFlüchtlinge wird.Beispiele für die Kraft der Schwa-

chen werden genannt. Die einen ver-mitteln Adressen von kostenlos ar-

beitenden Ärzten, die anderen orga-nisieren Lebensmittelgutscheine undwieder andere Vorbereitungskursefür Anhörungen und Castings zur Er-langung des Asyls und zumBeweis fürHilfsbedürftigkeit.Von der Herzlosigkeit und der Le-

bensfremdheit der Ämter ist ebensodie Rede wie von der seelenlosen Ab-schiebung eines jungen Griechen, ob-wohl dessen Eltern gerade einemSprengstoffanschlag zum Opfer ge-fallen sind. Aber auchHeldentumundErfindungsreichtum der Flüchtlingespielen eine Rolle – wie die Ge-schichte jenes 31-Jährigen, der sichdie Fingerkuppen abhobelt, um nichtFingerabdrücke machen lassen zumüssen. In einem Epilog verweigertsich eine junge Helferin der Helden-verehrung, wenn sie an die Unver-gleichlichkeit ihres Handelns mit denwahren Heldentaten im antifaschis-tischen Widerstand erinnert.In Fragen der szenischen Veran-

schaulichung gibt es gravierende Un-terschiede zwischen der Urauffüh-rung am Landestheater Salzburg imJanuar und der Deutschen Erstauf-führung in Potsdam. In Salzburg tra-ten neun Darsteller in uniformen Ka-puzenpullovern gemeinsam an dieRampe, postierten sich vor einem gra-

fisch gestalteten Hintergrund, der ei-ne verwitterte Bahnhofsgarage zeig-te, nahmen das Publikum ins Visierund lieferten ihre Berichte ab. Die In-szenierung von Yvonne Groneberg inPotsdam sucht ganz auffällig nachszenischen Aktionen und nach schau-spielerischer Individualisierung.

Im Wechsel von Chor und Solowerden die amtlichen Definitionenvon illegaler Einreise und Durchreisevorgelesen, am Ende platzt dem ös-terreichischen Aktivisten Genner derKragen, er reißt ein Blatt der Ver-ordnungen heraus, worauf er mit di-cken Klebebändern an einen Stuhlgefesselt und sein Mund mit weißen

Verbänden verschlossen wird. Er be-freit sich und schreit seine Wut auf ei-ne rigide Asylpolitik heraus – und da-nach seinen Triumph darüber, dassseine Organisation einen Tschet-schenen vor der Abschiebung be-wahren und für ihn Haftentschädi-gung erzwingen konnte. Wenn er aufseine rassistisch verfolgten Eltern undseine langjährige Mitgliedschaft inder Spartakusjugend verweist, dannscheint so etwas auf wie Klassenbe-wusstsein.Im Dunkel der Nacht kleben junge

Akteure mit Papptüten auf dem KopfFlugblätter mit Gesetzesverordnun-gen an die Wand. Später wird an die-ser Stelle ein junger Schauspieler auf-rührerische Texte an die Wandschreiben und um die Körperformenzweier Schauspielerinnen herumKreidelinien markieren, die fortan alsSilhouetten des stummen Wider-stands im Raum stehen.Der Schauspieler Christoph Hoh-

mann wird kleine Triumphe als Be-rater von Flüchtlingen mit einem ak-zentuierten Golfschlag und einemlauen »Piff, Paff« unterstreichen undspäter in einer fiktiven LehrstundeTricks zum Umgang mit Behördenverraten, nicht ohne wie ein gedul-diger Lehrer Teile des Lehrstoffs ab-

zufragen. Individuelles Profil ge-winnt auch Andrea Thelemann in derRolle einer ebenso mutigen wie auf-rührerischen Studienrätin, die täg-lich den Verlust ihres Beamtenstatus’riskiert und die Beamten des Ju-gendamtes attackiert.Nachdem sie in glaubwürdiger

Empathie von einem Flüchtlings-mädchen erzählt, das als einzigen Le-bensraum den Innenhof einer Asylgewährenden Kirche kennengelernthat und nur das Wort »Mond« aus-sprechen kann, da wächst die Spiel-weise vom Dokumentarischen ins Po-etische. Die anderen Mitspieler grei-fen das Stichwort »Mond« auf undvereinigen sich zum gemeinsamenGesang des Liedes vomMond, der »sostille geht«.In diesen Momenten kommen ei-

nem nicht nur die »illegalen Helfer«,sondern auch die von ihnen betreu-ten Flüchtlinge näher. Inszenatori-sche Ungereimtheiten wie die unnö-tigen Zeugenberichte als Leinwand-projektion treten da in den Hinter-grund. Was bleibt, ist der Eindruckengagierter Schauspieler, die uns be-hutsam in den Bereich verborgenerMenschlichkeit mitnehmen.

Nächste Vorstellungen: 17., 26.6.

Im Dunkel der Nacht kleben junge Akteure mit Papptüten auf dem Kopf Flugblätter mit Gesetzesverordnungen an die Wand. Foto: HL Böhme

Wenn Genner auf seineverfolgten Eltern undseine Mitgliedschaft inder Spartakusjugendverweist, dann scheintso etwas auf wieKlassenbewusstsein.

Die Feuilleton-EM-Kolumne

Die Welt ist aus den FugenVon Felix Bartels

Fußball ist, wenn 22 Menschengegen einen Ball treten undHolland gewinnt. Wenn Hol-

land nicht gewinnt, war es kein Fuß-ball. Folglich. Und in der Tat ist dieseEM so attraktiv wie ein Losentscheid.Dass sie so wenig rührt, liegt abernicht bloß am Fehlen Oranjes, daseinmal mehr in voller Schönheit anhauseigenen Rhythmusstörungengescheitert ist. Am neuen Modus et-wa, der das Teilnehmerfeld aufblähtund die Auslesefunktion der Vorrun-de abschwächt, was die kleinen unddestruktiv spielenden Mannschaftenbevorteilt. Die bisherigen Spiele wa-ren denn auch danach.Und dann wäre noch das deutsche

Elend, das gemeinerweise gar nichtmehr so elend ist. Es gab eine Zeit, dawar alles in der Ordnung. Mein frühs-

tes Fußballerlebnis ist der 8. Juli 1990.Matthäus hatte neues Schuhwerk undtat uns den Gefallen, wenigstens nichtauch noch das Siegtor zu schießen. Ichwusste damals nicht, dass es einenFußball gibt, den man mit Spannungverfolgt, denderClubs, unddannnochjene Turniere, die man nur schaut,weil man im Sommer allgemein nichtweiß, was man mit der Zeit anfangensoll. Ich sah also übellaunig das ge-samtdeutsche Elend vor Freude überden Rasen torkeln und hielt das Be-gebnis für wichtig. Die Nation ließ sichvon meinem Irrtum anstecken, nurohne Missvergnügen. Sie hatte sichohnehin angewöhnt, den mäßigenVereinsfußball mit dem Erfolg der Na-tionalelf zu kompensieren.Mit den Jahren lernt man, die Din-

ge tiefer zu hängen. UnterhaltsameNiederlagen gegen Dänemark, Bul-garien, Portugal oder Kroation tru-

gen dazu bei. Die selbsternannte Tur-niermannschaft blieb erfolglos. Vonder einen traurigen Ausnahme abge-sehen. Das Finale der EM 96 ver-brachte ich Beischlaf übend in einerPrager Jugendherberge. Weit wegvom nächsten Fernseher. Es war diebeste Entscheidung meines Lebens.1998 begann der Siegeszug des

schönen Spiels. Zunächst über ein de-fensiv gut organisiertes Frankreich,dessen Offensive noch bloß auf indi-vidueller Meisterschaft beruhte. Aufdem Höhepunkt mit dem spanischenFußball, der als ideale Vermittlungindividueller Klasse und taktischerOrganisation gelten kann. Die Inno-vation lag darin, zwischen den be-kannten Alternativen Mann- undRaumdeckung eine dritte zu spielen,die man vielleicht Balldeckung nen-nen kann: Man sichert nicht denRaum, sondern folgt dem Ball, geht

nicht gegen den Spieler, sondern aufdie Passwege. Die Gewohnheit,Spielweisen mittels Formationen (4-3-3 usw.) zu beschreiben, wird damitso sinnvoll wie der Versuch, einenSpielfilm anhand seines erstenFrames zu rezensieren.Die Deutschen hatten traditionell

weder das taktische Feintuning nochdie technische Brillanz, an erwähnterSchönheit teilzuhaben. Unter Löwaber wurden bald sämtliche Ele-mente des modernen Fußballs auf-genommen: intelligentes, gut orga-nisiertes Pressing, Zirkulation oderschnelles Umschalten. Das furcht-barste, was sich über den WM-Sieg2014 sagen lässt, ist, dass er verdientwar. Seitdem ist die Welt aus den Fu-gen, und es wird schwer, die einge-übte Abneigung gegen diese Elfdurchzuhalten.Schwer, aber nicht unmöglich.

Kopfball

dasnd.de/kopfballFoto: imago/Contrast

Würth-Musikpreis

Auszeichnungfür BerlinerQuartettDie vier Streicher des »vision

string quartet« aus Berlinsind in ihrer Heimatstadt mit demWürth-Preis des musikalischenJugendverbandes Jeunesses Mu-sicales Deutschland (JMD) aus-gezeichnet worden. Die Preisträ-ger verkörperten eine »moderne,zeitgerchte und lebensnahe« De-finition des Begriffs Streichquar-tett, hieß es.Das »vision string quartet«

spielt nicht nur Werke der klas-sischen Literatur. Stilübergrei-fend hat das Quartett Eigenkom-positionen und Arrangements ausden Bereichen Jazz, Pop und Rockim Repertoire.Der von der Stiftung des Un-

ternehmers Reinhold Würth(Künzelsau) gestiftete Preis wirdseit 1991 vergeben. Er ist mit15 000 Euro verbunden. Die JMDist die deutsche Sektion der Jeu-nesses Musicales International(JMI), die während des ZweitenWeltkriegs gegründet wurde, umBegegnungen junger Musiker zufördern. Die JMI ist von derUnesco als die größte musikali-sche Jugend-Kulturorganisationder Welt anerkannt und in über50 Ländern aktiv. dpa/nd

Südwestrundfunk

Journalistinwechselt zurRegierungDer Intendant des Südwest-

rundfunks (SWR), PeterBoudgoust, hält den Wechsel derSWR-Journalistin Andrea Bähnerin die Mainzer Staatskanzlei alsneue rheinland-pfälzische Re-gierungssprecherin für legitim.»Regierungssprecher rekrutiertman meistens aus politischenJournalisten«, sagte Boudgoustam Dienstag in Mainz. »Wichtigist nur, dass man beides striktvoneinander trennt.« Der Wegzurück in eine ähnliche Positiondürfe dann nicht mehr möglichsein.Die bisherige Leiterin des SWR-

Politikmagazins »Zur Sache!Rheinland-Pfalz« startet zum 1.Juli als neue Regierungsspreche-rin. Die Junge Union Rheinland-Pfalz hatte kritisiert, dass mitAndrea Bähr ausgerechnet dieVerantwortliche für die Bericht-erstattung des Landtagswahl-kampfes 2016 in die Staatskanz-lei wechselt. dpa/nd

Led Zeppelin

Urheberstreitum »Stairwayto Heaven«Über einen der berühmtestenSongs der Rockgeschichte

wird seit Dienstag vor einem Ge-richt in Los Angeles verhandelt.Die legendäre britische Band LedZeppelin sieht sich wegen ihresKlassikers »Stairway to Heaven«von 1970 mit Plagiatsvorwürfenkonfrontiert. Die kalifornischeBand »Spirit« führt an, die Kolle-gen hätten für den Song bei ihrabgekupfert.Nach Auffassung der Kläger

beruht die melancholische Gitar-rensequenz, die »Stairway toHeaven« einleitet, auf dem Inst-rumentalstück »Taurus« von Spi-rit. Led Zeppelin bestreitet dies.Die Briten erklären, sie hätten sichdie Musik von Spirit nie ange-hört. Zum Auftakt des Prozesseswerden der Sänger von Led Zep-pelin, Robert Plant, und Leadgi-tarrist Jimmy Page erwartet.AFP/nd