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 www.freiheit.org I 1 Premierministerin Yingluck Shinawatra bekräftigte in ihrer Regierungserklärung am 23. August ihren Willen zur Fortführung der unter Abhisit Vejjajiva begonnenen Versöhnungspolitik. Als prioritär be- zeichnete Yingluck dabei die Überarbeitung der Verfassung von 2007, die der Feder der damaligen Militärregierung entsprang. Wichtige Themen des Wahlkampfes wie die Anhebung des Mindestlohns und Subventionen für Bauern standen ebenfalls im Vordergrund. Auf heftige Kritik bei der Opposition stieß die Ankündigung, den mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbundenen Kampf gegen Drogen wieder aufzunehmen. Darüber hinaus dürfte die Verfassungsänderung die innenpolitischen Spannungen wieder verstärkt anheizen. Das Regierungsprogramm zeugt insgesamt von einem dirigis- tischen Staatsverständnis. Thailand:  Yinglucks Regierungsprogramm - Populismus und staatlicher Dirigismus Bangkok, 07.09.2011 Bericht aus aktuellem Anlass N° 38/2011 Dr. Sebastian Braun Aktuelle Informationen zur Projektarbeit der Stiftung für die Freiheit finden Sie unter www.freiheit.org Zwei Stunden dauerte das Verlesen der 44- seitigen Regierungserklärung. Danach überließ  Yingluck, die den verbalen Schlagabtausch nicht liebt, fast gänzlich das Feld ihren Stellvertre- tern. Die zweitägige Debatte entbehrte nicht der harschen Kritik von Seiten der Opposition, die in jedem zweiten Satz die Handschrift Thak- sins las. Dem Sprecher des Unterhauses war dieser Fokus nicht genehm, so dass er mit dem Hinweis auf den eigentlichen Sinn der Diskussi- on die ausführliche Besprechung der Person Thaksins untersagte. Weil sich zwei Abgeordne- te der Demokratischen Partei (DP) nicht an die- ses Verbot halten wollten, wurden sie des Saa- les verwiesen. Das führte zu weiteren Protesten auf Seiten der Opposition. Thaksin selbst reiste unterdessen von seinem Exil in Dubai für einen sechstägigen Aufenthalt nach Japan ein, was Regierungserklärung von Yingluck Shinawatra (Foto: Siam Intelligence Unit SIU)

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Premierministerin Yingluck Shinawatra bekräftigte in ihrer Regierungserklärung am 23. August ihren Willen zur Fortführung der unter Abhisit Vejjajiva begonnenen Versöhnungspolitik. Als prioritär be- zeichnete Yingluck dabei die Überarbeitung der Verfassung von 2007, die der Feder der damaligen Militärregierung entsprang. Wichtige Themen des Wahlkampfes wie die Anhebung des Mindestlohns und Subventionen für Bauern standen ebenfalls im Vordergrund. Auf heftige Kritik bei der Opposition stieß die Ankündigung, den mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbundenen Kampf gegen Drogen wieder aufzunehmen. Darüber hinaus dürfte die Verfassungsänderung die innenpolitischen Spannungen wieder verstärkt anheizen. Das Regierungsprogramm zeugt insgesamt von einem dirigis- tischen Staatsverständnis.

Thailand: Yinglucks Regierungsprogramm -

Populismus und staatlicher DirigismusBangkok, 07.09.2011

Bericht aus aktuellem Anlass

N° 38/2011 

Dr. Sebastian Braun 

Aktuelle Informationen zur Projektarbeit der Stiftung für die Freiheit finden Sie unter www.freiheit.org

Zwei Stunden dauerte das Verlesen der 44-seitigen Regierungserklärung. Danach überließ Yingluck, die den verbalen Schlagabtausch nicht

liebt, fast gänzlich das Feld ihren Stellvertre-tern. Die zweitägige Debatte entbehrte nichtder harschen Kritik von Seiten der Opposition,die in jedem zweiten Satz die Handschrift Thak-sins las. Dem Sprecher des Unterhauses wardieser Fokus nicht genehm, so dass er mit demHinweis auf den eigentlichen Sinn der Diskussi-on die ausführliche Besprechung der PersonThaksins untersagte. Weil sich zwei Abgeordne-te der Demokratischen Partei (DP) nicht an die-ses Verbot halten wollten, wurden sie des Saa-

les verwiesen. Das führte zu weiteren Protestenauf Seiten der Opposition. Thaksin selbst reiste

unterdessen von seinem Exil in Dubai für einensechstägigen Aufenthalt nach Japan ein, was

Regierungserklärung von Yingluck Shinawatra(Foto: Siam Intelligence Unit SIU)

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die Emotionen unter den Parlamentariern wohlzusätzlich hochkochen ließ und vermutlich denBlick auf die Regierungserklärung etwas ver-stellte. Überschattet war die Debatte auch vonkleineren Demonstrationen vor dem Unterhaus,bei denen zwei Studenten von Rothemden tät-lich angegriffen wurden.

Als besonders dringlich sieht die Regierung  Yinglucks Verfassungsänderungen an. Zunächstsoll Absatz 291 der Verfassung von 2007, wel-cher den Prozess der Verfassungsänderung be-stimmt, überarbeitet werden. Das Ziel sei dieSchaffung eines einschlägigen Gremiums

(constitutional drafting assembly, CDA), dassich insgesamt aus 99 Mitgliedern zusammen-setzen soll, von denen 77 in den 77 Provinzengewählt und 22 aus akademischen und Exper-ten-Kreisen bestimmt werden sollen. Die verfas-sungsgebende Versammlung habe dann dieAufgabe, die einzelnen Verfassungsänderungenzu diskutieren, und würde auch im Falle einesunplanmäßigen Regierungswechsels weiterexistieren. Schließlich würde der von der CDAverabschiedete Verfassungsentwurf dem Volk in

einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt.Anfang nächsten Jahres soll die CDA ihre Arbeitaufnehmen.

  Vize-Premierminister Chalerm Yubamrung wiesdie Kritik Abhisits zurück, wonach die Verfas-sungsänderung lediglich der AmnestierungThaksins diene. Die Verfassungsänderung sollesich an der als fortschrittlich geltenden Verfas-

sung von 1997 orientieren, die allerdings Kriti-kern zufolge wesentlich zum Aufstieg Thaksins

beigetragen hat. Was bei der DemokratischenPartei vor allem für Bedenken sorgt, ist dieÄnderung des Absatzes 309 der Verfassungvon 2007, der die Aktionen und Beschlüsse derdamaligen Militärregierung rechtfertigt undlegitimiert. Der Absatz garantiert den Put-schisten vollumfängliche Straffreiheit undbekräftigt die rechtliche Verfolgung der Thak-sin-Regierung durch das vom Militärrat ge-schaffene Assets Scrutiny Committee (ASC).Die Streichung des Absatzes 309 würde folg-lich alle Beschlüsse der Putschisten sowie desbereits aufgelösten ASCs aufheben, was nichtnur Thaksins vollständige politische Rehabili-

tierung, sondern auch die Beendigung der Im-munität der für den Coup verantwortlichenMilitärs bedeuten würde.

Nicht umsonst hat Oppositionsführer Abhisitbereits vor gravierenden Folgen eines derarti-gen Schrittes gewarnt, womit er erneute Stra-ßenproteste der königstreuen Gelbhemdenmeinte. Die außerparlamentarische Bewegungder People’s Alliance for Democracy (PAD)bewirkte mit ihren fortwährenden Protestakti-

onen von 2005 bis 2006 mittelbar den FallThaksins und würde wohl bei seiner Rückkehrnach Thailand eine massive Renaissance erle-ben. Auch wäre in diesem Fall ein erneuterMilitärcoup nicht auszuschließen.

Nicht weniger kontrovers diskutiert wurdendie Vorhaben der Regierung, den Mindestlohnsowie das Einstiegsgehalt für Uni-Absolventenanzuheben, Reisbauern zu subventionieren,Tablet PCs an Erstklässler zu verteilen, den

Kampf gegen Drogen neu aufzulegen undKompensation für während der politischenUnruhen entstandene Schäden zu zahlen. DieOpposition kritisierte auch den Mangel ankonkreten Maßnahmen zur Verteidigung derMonarchie sowie die partielle Abweichung derPheu Thai von ihren Wahlversprechen.

Die expansive Fiskalpolitik sowie die Anhebungder Löhne werden die Inflation anheizen, so

  Vertreter der Opposition. Unklarheit bestehebezüglich der Mindestlöhne, weil in der Regie-rungserklärung von „Mindesteinkommen“ die

Das thailändische Parlament(Foto: Siam Intelligence Unit SIU)

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Rede sei und nicht mehr von „Mindestlöhnen“,was auch ein diesbezügliches Rückrudern derRegierung signalisiere. Die Tablet-PCs sollennun entgegen des Wahlversprechens nicht mehrin jeder Schule verteilt werden, sondern nur inausgewählten Testschulen. Außerdem sei die Verteilung der PCs willkürlich (nur Erstklässler),nicht an der Bedürftigkeit der Schüler orientiert(alle Erstklässler, egal ob arm oder reich), seiennicht alle Schulen mit drahtlosem Internetzu-gang ausgerüstet und bestünde der Verdacht,dass eine der Regierung nahestehende Firmavon dem Auftrag profitieren würde. Psycholo-gen warnten zudem vor einer Zunahme der

Computerspielsucht. Die Kritik gegenüber dengeplanten Kompensationszahlungen richtetesich ebenfalls gegen deren vermeintliche Will-kür, denn dann müssten auch jene entschädigtwerden, die unter den politischen Unruhen imSüden Thailands leiden (Gleiches gälte für Rot-hemden und Gelbhemden), was wiederum un-bezahlbar wäre.

Die Ankündigung der Regierung, den Kampf gegen Drogen wieder verstärkt zu betreiben, rief 

Erinnerungen an die unter Thaksin verübtenmassiven Menschenrechtsverletzungen wach.Damals forderte diese Politik mehr als 2500Todesopfer. In Bezug auf die Preiskontrollen fürReis sind dem Regierungsprogramm zufolgestaatliche Garantien für Hypotheken von Reis-bauern das Ziel und nicht mehr wie im Wahl-kampf direkte Preiskontrollen. Die Senkung desBenzinpreises schade den Produzenten des(höchst unpopulären) Ethanol-Benzinkraftstoffsund komme vor allem der PKW-besitzendenMittelklasse zugute.

Reaktionen aus der Wirtschaft

Hohe Vertreter der Wirtschaft, wie der Vorsit-zende des thailändischen Industrieverbandes(FTI), Payungsak Chartsutthipol, zeigten sichverhalten optimistisch bezüglich der geplantenRegierungsmaßnahmen und wollen YinglucksKabinett eine Probezeit von sechs Monateneinräumen. Die Regierung solle allerdings klei-nen und mittelständischen Unternehmen mehr

Unterstützung zukommen lassen, so Payung-sak. Sommart Khunset, ein Generalsekretär desFTI, äußerte Bedenken in Bezug auf Großpro-

  jekte. Die Regierung müsse darauf achten,dass es zu keiner Veruntreuung öffentlicherGelder kommt und neben der parlamentari-schen Opposition auch die Medien in der Lagesind, den öffentlichen Haushalt zu überwa-chen.

Den gleichen Ton schlug der stellvertretende  Vorsitzende der Thailändischen Handelskam-mer, Chatchai Boonyarat, an. Das Hauptprob-lem sei die staatliche Korruption. In Bezug auf 

die Mindestlöhne sei die Wirtschaft zur Ko-operation mit der Regierung bereit. Um dienegativen Folgen dieser Maßnahme abzufe-dern, müsse Yingluck aber die Unternehmens-steuer reduzieren und Weiterbildungspro-gramme für zu teuer gewordene Arbeitnehmeranbieten. Dem Direktor des Zentrums für Wirt-schafts- und Unternehmensprognosen an derUniversität der Thailändischen Handelskam-mer, Att Pisarnvanich, zufolge reduzieren diefinanziellen Hilfen für Reisfarmer den Anreiz

für Innovationen und somit die Wettbewerbs-fähigkeit in diesem strategisch wichtigen Ag-rarsektor. 

Bewertung

Premierministerin Yingluck Shinawatra hat mitihrer Regierungserklärung ein zutiefst populis-tisches und dirigistisches Staatsverständnisoffenbart. Wahlgeschenke wie kostenlose PCs

für Schüler oder Subventionen für bestimmeWählergruppen mögen populär sein, sie sind

  jedoch ebenso willkürlich, mit immensen fi-nanziellen Kosten verbunden, setzen ökonomi-sche Fehlanreize, haben nur kurzfristige Wir-kung und fördern die in Thailand ohnehin be-reits hohe Korruptionsanfälligkeit von staatli-chen Akteuren. Allerdings scheint die PheuThai Partei bereits von einigen ihrer großzügi-gen Wahlversprechen zumindest partiell abzu-rücken, was sowohl der mangelnden Finan-zierbarkeit als auch der rein populistischen

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Natur der Wahlversprechen als Mittel zurMacht geschuldet sein dürfte.

Staatlicher Dirigismus führt zu einer Interventi-

onsspirale (Mindestlohn erfordert Hilfen fürkleinere Unternehmen etc.) und verstärkt Prob-leme, die er zu beseitigen vorgibt. Nicht um-sonst äußern sich große thailändische Konglo-merate wie die CP-Gruppe positiv zum geplan-ten Mindestlohn. Dieser schaltet die Konkurrenzdurch kleinere Unternehmen, die sich höhereLöhne nicht leisten können, aus. Die Folgen sindein verzerrter Wettbewerb und die Benachteili-gung der Arbeitnehmer, welche für den Min-

destlohn zu gering qualifiziert sind, also derSchwächsten der Schwachen. Soziale Intentio-nen lassen sich auf diese Weise nicht verwirkli-chen. Die internationale Korrelation zwischenwirtschaftlicher Freiheit und breitem Wohlstandhat auch für Thailand Gültigkeit.

Zudem verstellt dieser politische Aktionismusden Blick auf notwendige institutionelle Refor-men, welche zu echtem, breitem sowie nach-haltigem Wachstum beitragen würden. Rechts-

staatlichkeit, das Primat der Politik über demMilitär sowie die Verwirklichung der Menschen-rechte sind nach wie vor defizitär bzw. uner-reicht.

Thaksins Einreise nach Japan hat die innenpoli-tischen Spannungen wieder verschärft. Die Op-position wirft der Regierung Unterstützungeines Kriminellen vor und möchte den Außen-minister seines Amtes entheben. Derweil hobein Revisionsgericht das Urteil gegen Thaksins

Ex-Ehefrau wegen Steuerhinterziehung auf. Eineindeutiges Zeichen für die Notwendigkeit voninstitutionellen Reformen und für die Beschrän-kung der staatlichen Macht.

Dr. Sebastian Braun ist als freier Mitarbeiter für das Regionalbüro Südost- und Ostasien in Bangkok tä- tig. 

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