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VERORTUNG Die Menschen in Nigeria gehören mehr als zweihundert verschiedenen ethnischen Gruppen an, die alle eigene Sprachen, Bräuche und Traditionen pflegen. Eine der größten Gruppen sind die Yoruba. Etwa 10-20 Million Yoruba leben in Nigeria und in Teilen von Benin und Togo. Es bestehen ungefähr 25 verschiedene Gemein- schaften. In Nigeria leben sie meist in den tropischen Wäldern und in den westlichen Hochebenen. Ihre Umwelt ist größtenteils geprägt durch die Savanne oder das Grasland. GESCHICHTE Archäologische Funde zeigen, dass die Yoruba dort bereits in prähistorischer Zeit gelebt haben. Die Yoruba waren jahrhundertelang die dominierende Gruppe in dieser Region Afrikas. Das 18. Jahrhundert war ein besonders schwieriges für sie; es gab Bürgerkriege mit Nachbarstämmen und der Sklavenhandel zerstörte viel vom Reichtum der Yoruba-Gesellschaft. Nach den Bürgerkriegen und dem Beginn des Sklavenhandels verschlechterte sich die Situation aber weiter. Die Briten begannen 1901, das Yoruba-Land zu kolonisieren, was zum Verlust der Herrschaft über ihr eigenes Leben führte. Viele ihrer Traditionen wurden zerstört. Nicht lange danach wurde Nigeria im 20. Jahrhundert wieder unabhängig, aber die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte Krieg und Leid mit sich. Einige politische Führer und berühmte Denker und Autoren wurden in den letzten Jahren getötet. Heute kämpft Nigeria darum, ein demokratischer Staat zu werden, der die Menschenrechte einhält. In vor-kolonialer Zeit waren die Yoruba von allen afrikanischen Völker am städtischsten geprägt; sie bewohnten dicht besiedelte Städte (viele mit über 100.000 Menschen). Der Palast des Königs (Oba) war traditionell der Mittelpunkt dieser Städte. Möglicherweise war die wichtigste dieser Städte Ife, von der man annimmt, dass sie im Jahr 850 gegründet worden ist. Die Yoruba wohnen heute nicht mehr nur in Afrika. Wegen der Migration und des Verkaufs von Sklaven nach Amerika in der Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es Yoruba-Gemeinschaften in der ganzen westlichen Welt, vor allem in der Karibik sowie in Süd- und Nordamerika. Elemente der Yoruba-Kultur sind in Kuba oder in Brasilien auch heute noch sichtbar und lebendig. RELIGION Die traditionelle Yoruba-Religion hat ein Pantheon an Gottheiten, die Orisha genannt werden. Es gibt viele Aus- prägungen der Yoruba-Religion mit jeweils etwa zwischen 400 und 700 Gottheiten. Yoruba-Erwachsene ehren häufig mehrere von ihnen. Einige Götter existierten bereits vor der Welt. Manche Helden aus der Vergangenheit wurden auch erst nach ihrem Tod zu Göttern. Andere Götter sind natürliche Gegenstände in ihrer Umwelt wie Berge, Hügel und Flüsse, die die Leben und die Geschichte der Menschen beeinflusst haben. Wichtig für diese Religion sind das Geschichtenerzählen und die Reise des Lebens, und diese sind mit vielen heiligen Ritualen verbunden. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen christliche Missionare in diese Region und sie begannen, spürbaren Einfluss auf die Yoruba zu haben. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts europäisches Recht in Kraft trat, wurden religiöse Praktiken der Eingeborenen eingeschränkt. Vieles davon wurde verboten, wenn z.B. Gruppen zusammen kamen. So waren die Nachtversammlungen, ein wesentliches Element der Anbetung von Ogun, dem Gott des Eisens und des Krieges, stark eingeschränkt. Aus ihrer Tradition heraus durften die Yoruba auch mehr als eine Person oder enge Verwandte heiraten. Als aber die Kolonialherren die Macht übernahmen, ächteten sie diese Praxis völlig. Auch begruben die Yoruba traditionsgemäß ihre Toten in ihren Häusern, um eine Verbindung zwischen sich und ihren toten Verwandten zu haben. Diesen Brauch schafften die britischen Eroberer ab und zwangen sie, ihre Toten auf Friedhöfen außerhalb des Hauses zu begraben. Parallel zum Einfluss des Kolonialismus wurde seit der Mitte des 20. Jahrhunderts das Christentum zur Hauptreli- gion. Die populärsten Konfessionen sind die Anglikaner, die Methodisten und die amerikanischen Baptisten. Manche Yoruba haben sich dem Islam zugewandt. GESELLSCHAFT, WIRTSCHAFT UND POLITIK Die Yoruba lebten und arbeiteten jahrhundertelang in Städten und ländlichen Gebieten. Einige männliche Yoruba arbeiten heute noch als Landwirte. In der Vergangenheit bauten sie Yamswurzel, Maniok und Mais an, im 20. The Big Myth TM © 2011 Distant Train, inc. (www.distanttrain.com) all rights reserved YORUBA-KULTUR translation for the original English by Patrick Rotter (with special thanks)

YORUBA CULTURE DE - THE BIG · PDF fileJahrhundert ist es hauptsächlich Kakao, der in andere Länder verkauft wird. Andere Männer arbeiten als fachkun-dige Händler oder Handwerker

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Page 1: YORUBA CULTURE DE - THE BIG · PDF fileJahrhundert ist es hauptsächlich Kakao, der in andere Länder verkauft wird. Andere Männer arbeiten als fachkun-dige Händler oder Handwerker

VERORTUNGDie Menschen in Nigeria gehören mehr als zweihundert verschiedenen ethnischen Gruppen an, die alle eigene Sprachen, Bräuche und Traditionen pflegen. Eine der größten Gruppen sind die Yoruba. Etwa 10-20 Million Yoruba leben in Nigeria und in Teilen von Benin und Togo. Es bestehen ungefähr 25 verschiedene Gemein-schaften. In Nigeria leben sie meist in den tropischen Wäldern und in den westlichen Hochebenen. Ihre Umwelt ist größtenteils geprägt durch die Savanne oder das Grasland.

GESCHICHTEArchäologische Funde zeigen, dass die Yoruba dort bereits in prähistorischer Zeit gelebt haben. Die Yoruba waren jahrhundertelang die dominierende Gruppe in dieser Region Afrikas. Das 18. Jahrhundert war ein besonders schwieriges für sie; es gab Bürgerkriege mit Nachbarstämmen und der Sklavenhandel zerstörte viel vom Reichtum der Yoruba-Gesellschaft.

Nach den Bürgerkriegen und dem Beginn des Sklavenhandels verschlechterte sich die Situation aber weiter. Die Briten begannen 1901, das Yoruba-Land zu kolonisieren, was zum Verlust der Herrschaft über ihr eigenes Leben führte. Viele ihrer Traditionen wurden zerstört. Nicht lange danach wurde Nigeria im 20. Jahrhundert wieder unabhängig, aber die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte Krieg und Leid mit sich. Einige politische Führer und berühmte Denker und Autoren wurden in den letzten Jahren getötet. Heute kämpft Nigeria darum, ein demokratischer Staat zu werden, der die Menschenrechte einhält.

In vor-kolonialer Zeit waren die Yoruba von allen afrikanischen Völker am städtischsten geprägt; sie bewohnten dicht besiedelte Städte (viele mit über 100.000 Menschen). Der Palast des Königs (Oba) war traditionell der Mittelpunkt dieser Städte. Möglicherweise war die wichtigste dieser Städte Ife, von der man annimmt, dass sie im Jahr 850 gegründet worden ist.

Die Yoruba wohnen heute nicht mehr nur in Afrika. Wegen der Migration und des Verkaufs von Sklaven nach Amerika in der Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es Yoruba-Gemeinschaften in der ganzen westlichen Welt, vor allem in der Karibik sowie in Süd- und Nordamerika. Elemente der Yoruba-Kultur sind in Kuba oder in Brasilien auch heute noch sichtbar und lebendig.

RELIGIONDie traditionelle Yoruba-Religion hat ein Pantheon an Gottheiten, die Orisha genannt werden. Es gibt viele Aus-prägungen der Yoruba-Religion mit jeweils etwa zwischen 400 und 700 Gottheiten. Yoruba-Erwachsene ehren häufig mehrere von ihnen. Einige Götter existierten bereits vor der Welt. Manche Helden aus der Vergangenheit wurden auch erst nach ihrem Tod zu Göttern. Andere Götter sind natürliche Gegenstände in ihrer Umwelt wie Berge, Hügel und Flüsse, die die Leben und die Geschichte der Menschen beeinflusst haben. Wichtig für diese Religion sind das Geschichtenerzählen und die Reise des Lebens, und diese sind mit vielen heiligen Ritualen verbunden.

Zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen christliche Missionare in diese Region und sie begannen, spürbaren Einfluss auf die Yoruba zu haben. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts europäisches Recht in Kraft trat, wurden religiöse Praktiken der Eingeborenen eingeschränkt. Vieles davon wurde verboten, wenn z.B. Gruppen zusammen kamen. So waren die Nachtversammlungen, ein wesentliches Element der Anbetung von Ogun, dem Gott des Eisens und des Krieges, stark eingeschränkt. Aus ihrer Tradition heraus durften die Yoruba auch mehr als eine Person oder enge Verwandte heiraten. Als aber die Kolonialherren die Macht übernahmen, ächteten sie diese Praxis völlig. Auch begruben die Yoruba traditionsgemäß ihre Toten in ihren Häusern, um eine Verbindung zwischen sich und ihren toten Verwandten zu haben. Diesen Brauch schafften die britischen Eroberer ab und zwangen sie, ihre Toten auf Friedhöfen außerhalb des Hauses zu begraben.

Parallel zum Einfluss des Kolonialismus wurde seit der Mitte des 20. Jahrhunderts das Christentum zur Hauptreli-gion. Die populärsten Konfessionen sind die Anglikaner, die Methodisten und die amerikanischen Baptisten. Manche Yoruba haben sich dem Islam zugewandt.

GESELLSCHAFT, WIRTSCHAFT UND POLITIKDie Yoruba lebten und arbeiteten jahrhundertelang in Städten und ländlichen Gebieten. Einige männliche Yoruba arbeiten heute noch als Landwirte. In der Vergangenheit bauten sie Yamswurzel, Maniok und Mais an, im 20.

The Big MythTM © 2011 Distant Train, inc. (www.distanttrain.com) all rights reserved

YORUBA-KULTURtranslation for the original English by Patrick Rotter (with special thanks)

Page 2: YORUBA CULTURE DE - THE BIG · PDF fileJahrhundert ist es hauptsächlich Kakao, der in andere Länder verkauft wird. Andere Männer arbeiten als fachkun-dige Händler oder Handwerker

Jahrhundert ist es hauptsächlich Kakao, der in andere Länder verkauft wird. Andere Männer arbeiten als fachkun-dige Händler oder Handwerker. Die meisten kombinieren aber die Stadt- und Bauernhofarbeit und sind nur saisonal auf den Feldern. Die Frauen der Yoruba sind nicht in der Landwirtschaft tätig. Aber sie kontrollieren den Großteil des Marktes. Die Position einer Frau in der Gesellschaft wird meist durch ihre eigene Arbeit und nicht durch die Position ihres Ehemanns festgelegt.

Weil sie glauben, dass eine höhere Ausbildung der Weg ist, die Gesellschaft zu beeinflussen und voranzubrin-gen, waren die in der Lage, die öffentlichen und privaten Bereiche in Nigeria zu beherrschen. Viele Richter, Politiker und Geschäftsleute sind Yoruba.

Trotz der vielen Stadtstaaten in der Yoruba-Region gibt es einige wichtige Faktoren, die sie fast alle teilen: Zum Beispiel sehen die Yoruba die Stadt Ife als heilig an. Sie verehren auch das gleiche Pantheon der Götter oder suchen Führung bei speziellen Priestern.

KULTUREs gibt viele Arten von Kunst bei den Yoruba. Viele Gegenstände werden auf Schreine gesetzt, um Götter und Vorfahren zu ehren. Es gibt schöne Skulpturen, die aus Holz und Messing gemacht sind. Andere wichtige Kunst-formen sind Masken, Töpferwaren, Webereien oder Metallarbeiten. Musikalisch sind die Yoruba weithin bekannt für ihr Trommeln.

Traditionsgemäß war das Schreiben nicht die wichtigste Art der Yoruba, über ihre Geschichte und über Erfahrun-gen zu sprechen. Stattdessen werden Geschichte und Geschichten von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Historische und mythische Legenden, Fabeln, Poesie und Märchen sind sehr wichtig. Obgleich das Geschichtenerzählen auch heute noch eine Lieblingstätigkeit bei den Yoruba ist, wurde das Schreiben zu einem wichtigen Teil der Kultur: Viele berühmte und mit Preisen ausgezeichnete afrikanische Autoren sind Yoruba.

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