10
F. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz Technik des offenen  Bauchaortenersatzes Einleitung Die Ruptur ist die gravierendste Kompli- kation des Aortenaneurysmas, der 2% al- ler Todesfälle der männlichen Bevölke- rung im Alter von >65 Jahren zuzuschrei- ben sind [1]. In großen Screeninguntersu- chungen konnte gezeigt werden, dass die Prävalenz ab der 6. bzw. 7. Lebensdekade auf bis zu 9% deutlich ansteigt und dort wesentlich häufiger Männer als Frauen betrifft (Verhältnis von 9:1; [2]). Abdominelle Aortenaneurysmen (AAA) sind zu etwa 95% infrarenal loka- lisiert, also distal des Abgangs der Nieren- arterien. Bei etwa 5% der AAA sind die Abgänge der Nierenarterien mitbetrof- fen; diese entspringen entweder aus dem Aneurysma (suprarenales AAA), oder das Aneurysma reicht direkt bis an die Nie- renarterienabgänge heran (juxtarenales AAA). Es handelt sich bei den genannten Aneurysmen um wahre Aneurysmen, die alle Wandschichten der Arterien einbezie- hen. Hierbei können fusiforme und sac- ciforme Aneurysmen unterschieden wer- den. Die häufigeren fusiformen Aneu- rysmen betreffen die Aorta spindelför- mig über einen längeren Abschnitt. Sac- ciforme Aneurysmen sind dagegen sel- tener und befallen nur einen relativ um- schriebenen, kleinen Abschnitt der Aorta. Dort kommt es zu einer asymmetrischen irregulären Aussackung. Sacciforme AAA werden als rupturgefährdeter eingestuft und sind damit dringlich behandlungs- bedürftig [3]. Etwa 80% der Patienten weisen kei- ne klinischen Symptome des AAA auf. Hier wird häufig das AAA erst im Rah- men von Routineuntersuchungen we- gen anderer Erkrankungen des Rücken- /Bauchraums diagnostiziert (orthopä- disch/urologisch; [4]). Neu aufgetretene Rücken- oder Bauchschmerzen können auf das Vorliegen eines symptomatischen AAA hinweisen. Beweisend ist in diesem Fall die Druckschmerzhaftigkeit des An- eurysmas, v. a. im kranialen Anteil des Aneurysmas. Die Schmerzen werden auf einen kritischen Anstieg der Wandspan- nung zurückgeführt, die wiederum eine drohende Ruptur bedeuten kann. In die- sen Fällen sollten diese Patienten umge- hend diagnostiziert und bei Diagnosesi- cherung dringlich behandelt werden. Da- rüber hinaus können AAA auch durch periphere Embolisationen von thrombo- tischem Material der Aneurysmawand symptomatisch werden („Trash-foot“- Syndrom; [5]). Oberstes Ziel der Therapie eines AAA ist die Vermeidung der Ruptur, da ruptu- rierte AAA eine schlechte Prognose mit einer Gesamtletalität von 74–90% ha- ben [6]. Das Risiko der Ruptur steigt bei den symptomfreien Patienten mit dem Wachstum des AAA im Querdurchmes- ser an. Bei einem maximalen Querdurch- messer von 5,0–5,9 cm erhöht sich das allgemeine Rupturrisiko auf 10% pro Jahr, sodass ab hier die Indikation zur operati- ven Therapie besteht [7]. Bei Frauen ist al- lerdings das Rupturrisiko zwischen 5- und 6-cm-Querdurchmesser bereits um das 2- bis 3-Fache erhöht, sodass eine operative Therapie bereits ab 4,5 cm indiziert ist [8]. Kommt es zum raschen Aneurysma- wachstum von mehr als 1 cm in 12 Mona- ten („growth spurt“) oder handelt es sich um ein sacciformes Aneurysma, ist die In- dikation zur operativen Therapie auch bei einer Größe <5 cm gegeben [9]. Bei symp- tomatischen Patienten besteht grundsätz- lich die Indikation zur operativen The- rapie des AAA unabhängig vom Durch- messer. Im Jahr 1951 wurde die erste erfolgrei- che Operation eines AAA von Charles Dubost in Paris mithilfe des homologen Gefäßersatzes durchgeführt [10]. Die da- mals etablierte Technik, die als Behand- lungsprinzip den Ersatz des erkrankten Aortenanteils aufweist, wird mit Modifi- kationen noch heute praktiziert. Ziel der Operation ist die Ausschaltung des Aneu- rysmas durch Interposition einer Prothese im gesunden Bereich der Aorta. In spezia- lisierten Zentren liegt die Mortalität nach offener Rohrprothesenimplantation bei 1– 2% [11, 12], in entsprechenden multizentri- schen Studien wie beispielsweise den UK Endovascular aneurysm repair (EVAR) 1 und 2 trials bei 4,3% [13]. Pulmonale und kardiale perioperative Komplikationen reichen von ca. 4–12% [14, 15]. Ein tran- sientes Nierenversagen erleiden 2–10% der Patienten; das Risiko der dauerhaf- ten Dialysepflicht beträgt etwa 3% [11, 12, 13, 14, 15]. Spätkomplikationen wie proxi- male oder distale Anastomosenaneurys- men treten erst im Langzeitverlauf nach über 15 Jahren bei ca. 2–20% der Patien- ten auf [16, 17]. Die gefürchtete Komplika- tion eines Protheseninfekts kann bei 0,3– 6% der Patienten den Langzeitverlauf be- einflussen [18, 19]. Im Folgenden wird die Technik des of- fenen Ersatzes der abdominellen Aorta, wie sie in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsme- dizin Mainz durchgeführt wird, erläutert. Am Beispiel der „klassischen“ Rohrpro- thesenimplantation werden zunächst all- gemeine Prinzipien dargelegt. Besonde- re Techniken (retroperitonealer Zugang, Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 DOI 10.1007/s00398-012-0966-y Eingegangen: 7. September 2012 Angenommen: 18. September 2012 © Springer-Verlag 2012 1 Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012| Operative Techniken

Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

  • Upload
    ngodang

  • View
    224

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

F. Dünschede · C.F. Vahl · B. DorweilerSektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz

Technik des offenen Bauchaortenersatzes

Einleitung

Die Ruptur ist die gravierendste Kompli-kation des Aortenaneurysmas, der 2% al-ler Todesfälle der männlichen Bevölke-rung im Alter von >65 Jahren zuzuschrei-ben sind [1]. In großen Screeninguntersu-chungen konnte gezeigt werden, dass die Prävalenz ab der 6. bzw. 7. Lebensdekade auf bis zu 9% deutlich ansteigt und dort wesentlich häufiger Männer als Frauen betrifft (Verhältnis von 9:1; [2]).

Abdominelle Aortenaneurysmen (AAA) sind zu etwa 95% infrarenal loka-lisiert, also distal des Abgangs der Nieren-arterien. Bei etwa 5% der AAA sind die Abgänge der Nierenarterien mitbetrof-fen; diese entspringen entweder aus dem Aneurysma (suprarenales AAA), oder das Aneurysma reicht direkt bis an die Nie-renarterienabgänge heran (juxtarenales AAA). Es handelt sich bei den genannten Aneurysmen um wahre Aneurysmen, die alle Wandschichten der Arterien einbezie-hen. Hierbei können fusiforme und sac-ciforme Aneurysmen unterschieden wer-den. Die häufigeren fusiformen Aneu-rysmen betreffen die Aorta spindelför-mig über einen längeren Abschnitt. Sac-ciforme Aneurysmen sind dagegen sel-tener und befallen nur einen relativ um-schriebenen, kleinen Abschnitt der Aorta. Dort kommt es zu einer asymmetrischen irregulären Aussackung. Sacciforme AAA werden als rupturgefährdeter eingestuft und sind damit dringlich behandlungs-bedürftig [3].

Etwa 80% der Patienten weisen kei-ne klinischen Symptome des AAA auf. Hier wird häufig das AAA erst im Rah-men von Routineuntersuchungen we-gen anderer Erkrankungen des Rücken-

/Bauchraums diagnostiziert (orthopä-disch/urologisch; [4]). Neu aufgetretene Rücken- oder Bauchschmerzen können auf das Vorliegen eines symptomatischen AAA hinweisen. Beweisend ist in diesem Fall die Druckschmerzhaftigkeit des An-eurysmas, v. a. im kranialen Anteil des Aneurysmas. Die Schmerzen werden auf einen kritischen Anstieg der Wandspan-nung zurückgeführt, die wiederum eine drohende Ruptur bedeuten kann. In die-sen Fällen sollten diese Patienten umge-hend diagnostiziert und bei Diagnosesi-cherung dringlich behandelt werden. Da-rüber hinaus können AAA auch durch periphere Embolisationen von thrombo-tischem Material der Aneurysmawand symptomatisch werden („Trash-foot“-Syndrom; [5]).

Oberstes Ziel der Therapie eines AAA ist die Vermeidung der Ruptur, da ruptu-rierte AAA eine schlechte Prognose mit einer Gesamtletalität von 74–90% ha-ben [6]. Das Risiko der Ruptur steigt bei den symptomfreien Patienten mit dem Wachstum des AAA im Querdurchmes-ser an. Bei einem maximalen Querdurch-messer von 5,0–5,9 cm erhöht sich das allgemeine Rupturrisiko auf 10% pro Jahr, sodass ab hier die Indikation zur operati-ven Therapie besteht [7]. Bei Frauen ist al-lerdings das Rupturrisiko zwischen 5- und 6-cm-Querdurchmesser bereits um das 2- bis 3-Fache erhöht, sodass eine operative Therapie bereits ab 4,5 cm indiziert ist [8]. Kommt es zum raschen Aneurysma-wachstum von mehr als 1 cm in 12 Mona-ten („growth spurt“) oder handelt es sich um ein sacciformes Aneurysma, ist die In-dikation zur operativen Therapie auch bei einer Größe <5 cm gegeben [9]. Bei symp-tomatischen Patienten besteht grundsätz-

lich die Indikation zur operativen The-rapie des AAA unabhängig vom Durch-messer.

Im Jahr 1951 wurde die erste erfolgrei-che Operation eines AAA von Charles Dubost in Paris mithilfe des homologen Gefäßersatzes durchgeführt [10]. Die da-mals etablierte Technik, die als Behand-lungsprinzip den Ersatz des erkrankten Aortenanteils aufweist, wird mit Modifi-kationen noch heute praktiziert. Ziel der Operation ist die Ausschaltung des Aneu-rysmas durch Interposition einer Prothese im gesunden Bereich der Aorta. In spezia-lisierten Zentren liegt die Mortalität nach offener Rohrprothesenimplantation bei 1–2% [11, 12], in entsprechenden multizentri-schen Studien wie beispielsweise den UK Endovascular aneurysm repair (EVAR) 1 und 2 trials bei 4,3% [13]. Pulmonale und kardiale perioperative Komplikationen reichen von ca. 4–12% [14, 15]. Ein tran-sientes Nierenversagen erleiden 2–10% der Patienten; das Risiko der dauerhaf-ten Dialysepflicht beträgt etwa 3% [11, 12, 13, 14, 15]. Spätkomplikationen wie proxi-male oder distale Anastomosenaneurys-men treten erst im Langzeitverlauf nach über 15 Jahren bei ca. 2–20% der Patien-ten auf [16, 17]. Die gefürchtete Komplika-tion eines Protheseninfekts kann bei 0,3–6% der Patienten den Langzeitverlauf be-einflussen [18, 19].

Im Folgenden wird die Technik des of-fenen Ersatzes der abdominellen Aorta, wie sie in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsme-dizin Mainz durchgeführt wird, erläutert. Am Beispiel der „klassischen“ Rohrpro-thesenimplantation werden zunächst all-gemeine Prinzipien dargelegt. Besonde-re Techniken (retroperitonealer Zugang,

Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 DOI 10.1007/s00398-012-0966-yEingegangen: 7. September 2012Angenommen: 18. September 2012© Springer-Verlag 2012

1Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012  | 

Operative Techniken

Page 2: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

juxtarenales, inflammatorisches und rup-turiertes AAA) sowie Besonderheiten bei der Implantation einer Bifurkationspro-these werden im zweiten Teil dieses Bei-trags behandelt.

Operative Technik der Rohrprothesenimplantation

Lagerung und Vorbereitung des Patienten

Der Patient befindet sich in Rückenlage auf einer Wärmematte. Der Oberkörper sollte auf Höhe des thorakoabdominel-len Übergangs zwischen Schambein und Xyphoid leicht rekliniert werden, um den Abstand zwischen Beckenkamm und Rip-penbogen zu vergrößern. Üblicherweise wird der rechte Arm aus-, der linke Arm angelagert. Der Patient wird von den Ma-millen bis zur Mitte des Oberschenkels steril abgewaschen und abgedeckt. Pa-rallel dazu erfolgt die „Single-shot“-Gabe eines Antibiotikums. Zur schnellen Re-transfusion des abgesaugten Bluts sollte ein Cell-Saver zur Verfügung stehen.

Zugangsweg

Standardzugang zur infrarenalen Aor-ta ist die transperitoneale Eröffnung des Bauchraums über eine mediane Laparoto-mie mit Linksumschneidung des Nabels. Bestehen abdominelle Voroperationen oder liegt eine Adipositas per magna vor, ist der retroperitoneale Zugang von links eine gute Alternative (. Abb. 1).

Nach Laparotomie erfolgen die Revi-sion des Abdomens und das Einrichten

einer selbsthaltenden Hakenvorrichtung zur Retraktion der Wundränder. Das gro-ße Netz und der Dünndarm werden nach rechts eventeriert, sodass die infrarenale Aorta mit Aneurysma zugänglich ist.

Präparation des abdominellen Aortenaneurysmas

Die Inzision des Retroperitoneums mit periaortalem Gewebe erfolgt über dem Aneurysma. Die Präparation geht auf der Adventitia zunächst nach kranial; hier-bei kann in dieser avaskulären Schicht der Aneurysmahals bis zur linken Nie-renvene dargestellt werden. Das Duode-num wird sorgfältig nach rechts verlagert. Die Nierenvene wird zur besseren Über-sicht komplett freipräpariert und mit einem sog. Nierenvenenhaken nach kra-nial weggehalten. Zur Vermeidung eines Ausrisses ist u. U. die Ligatur der V. sper-matica bzw. V. ovarica sinnvoll. Nach Auf-laden der linken Nierenvene auf den Nie-renvenenhaken werden beide Abgänge der Nierenarterien dargestellt, sodass die-se eindeutig lokalisiert werden. In diesem Bereich erfolgt die Präparation der Aorta stumpf bis auf die Wirbelsäule und dient zur Vorbereitung des Aneurysmahalses auf die sagittale Klemmung, die in enger Absprache mit dem Anästhesiologen pro-beweise durchgeführt wird. Ein komplet-tes Umfahren bzw. Anschlingen des An-eurysmahalses ist nach der Erfahrung der Autoren nicht erforderlich und birgt das Risiko der Blutung aus venösen Plexus der Wirbelsäule.

Die Präparation nach distal erfolgt in Richtung Aortenbifurkation. Zur Scho-

nung der Fasern des Plexus hypogastri-cus bzw. zur Verhinderung venöser Blu-tungen sollte die Präparation im Bereich der proximalen Iliakalarterien nur sehr sparsam (ventral semizirkulär) erfolgen. Auf die zirkuläre Freipräparation bzw. das Anschlingen der Iliakalgefäße wird verzichtet.

Abklemmen der Aorta

Nach Abschluss der Präparation ist die Absprache mit den Kollegen der Anästhe-sie für die Narkoseführung in der Klemm-phase wichtig. Der zu erwartende Blut-druckanstieg nach Klemmung der Aor-ta wird durch den Anästhesiologen ent-sprechend medikamentös unter Erhalt eines suffizienten Mitteldrucks einge-stellt. Nach i.v.-Heparin-Gabe (Standard-dosierung 5000 IE bei Normalgewicht) erfolgt die sagittale Klemmung der Aor-ta unmittelbar unterhalb der Nierenarte-rienabgänge mit der geraden Aortenklem-me. Die distale Klemmung der Aorta bzw. der Beckenachse wird entweder ebenfalls mithilfe gerader Klemmen bei nichtver-kalkten Gefäßen, ansonsten endoluminal (z. B. mithilfe eines 10-mm-Blasenkathe-ters) vorgenommen. So lässt sich eine suf-fiziente Blutungskontrolle ohne das Risiko eines Klemmschadens erzielen. Das An-eurysma wird sodann durch einen Längs-schnitt eröffnet. Eine offene A. mesente-rica inferior (AMI) wird zunächst am Ab-gang geklemmt. Thrombotisches Material wird komplett entfernt, und etwaige rück-blutende Lumbalarterien werden mit 3×0 monofilem, nichtresorbierbarem Naht-material übernäht.

transperitoneal

retroperitoneal

Abb. 1 8 Lagerung und Zugangswege

Aorta

KlemmeEnd zu End

komplettdurchtrennte Aorta

Prothese

Abb. 2 8 End-zu-End-Anastomose bei komplett durchtrennter Aorta

2 |  Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012

Operative Techniken

Page 3: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

Implantation der Prothese

Zur Herstellung der proximalen An-astomose wird die Aorta ca. 5 mm dis-tal der Klemme komplett durchtrennt (. Abb. 2). Dies gewährleistet die opti-male Übersichtlichkeit der späteren An-astomose. Nach distal wird die Inzision des Aneurysmasacks bis kurz vor die Bi-furkation T-förmig geführt. Prothesen-material der Wahl ist eine primär dichte gestrickte Dacronrohrprothese (. Abb. 3, 4a). Nach Ausmessen einer geeigneten Rohrprothese (üblicherweise 16–18 mm Durchmesser) erfolgt die Durchführung der proximalen End-zu-End-Anastomo-se mit einem 3×0 monofilen, nichtresor-bierbaren, Teflonpatch-armierten Faden in fortlaufender Nahttechnik. Alternativ kann bei zarter Aortenwand oder klei-ner Aorta auch ein 4×0-Faden verwen-det werden. Nach Testen der Anastomo-se auf Dichtigkeit wird die Aortenklemme gelöst und die Prothese mit einer entspre-chenden armierten Prothesenklemme anastomosennah nach Füllung mit hepa-rinisierter Kochsalzlösung abgeklemmt. Vor Duchführung der distalen Anasto-mose ist darauf zu achten, dass die Pro-these auf korrekte Länge gebracht wird; hier ist u. U. die Reklination des Patienten zu berücksichtigen. Die distale Anasto-mose wird ebenfalls mit einem 3×0 (bzw. 4×0) monofilen, nichtresorbierbaren Fa-den fortlaufend patcharmiert genäht. Vor Knüpfen der Naht wird nacheinander aus der Peripherie und aus der Aorta/Prothe-se geflusht, um ggf. thrombembolisches Material zu entfernen. Nach Fertigstellen der Naht kann nun in Abstimmung mit den Kollegen der Anästhesie schrittweise die Freigabe des Blutflusses in die unte-ren Extremitäten erfolgen. Etwaige Nach-stiche werden grundsätzlich in Form einer an der nativen Aorta teflonarmierten U-Naht vorgenommen. Herrscht Dichtigkeit an der Anastomose, erfolgt die Kontrolle des beidseitigen Leistenpulses. Nach ab-schließender Kontrolle auf Bluttrocken-heit und Dichtigkeit aller Anastomosen wird die „activated clotting time“ (ACT) bestimmt. Zur Erreichung des Zielwerts von etwa 100 s wird eine Antagonisierung der Heparindosis mithilfe einer Protamin-gabe durchgeführt. Auf die Einlage von Drainagen in den Retroperitonealraum

kann verzichtet werden. Der Aneurysma-sack wird über der Prothese (sog. Inklu-sionstechnik) mithilfe von monofilem re-sorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. Sodann wird das Retroperitoneum unter Ventralisation des Duodenums über dem Aneursymasack verschlossen. Hier ist da-rauf zu achten, dass ausreichend retrope-ritoneales Fettgewebe über der Prothese zu liegen kommt, um gefürchtete Sekun-därkomplikationen wie aortodoudenale bzw. aortointestinale Fisteln, die v. a. im Bereich der proximalen Anastomose auf-treten können, zu vermeiden. Nach Ent-fernen aller Tücher und des Retraktors wird der Dünndarm reponiert und der Bauchdeckenverschluss mit einer fortlau-

fenden Allschichtnaht [“Polydioxanon su-ture“(PDS)-Schlinge] durchgeführt.

Den Abschluss der Operation bildet die Inspektion der peripheren Perfusion (Fußpulse, Kapillarfüllung). Erst dann ist die Operation beendet, und der Patient wird abgedeckt.

Technische Besonderheiten

Retroperitonealer Zugang

Für Patienten mit Adipositas oder mit stattgehabten transperitonealen Opera-tionen ist der retroperitoneale Zugang eine wertvolle Alternative (. Abb. 5). Hierbei befindet sich der Patient eben-

Zusammenfassung · Abstract

Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00398-012-0966-y© Springer-Verlag 2012

F. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler

Technik des offenen Bauchaortenersatzes

ZusammenfassungDas Bauchaortenaneurysma ist eine unter-schätzte Entität, deren Prävalenz in der Risi-kogruppe älterer Männer (>65 Jahre) bis zu 9% betragen kann und die durch Ruptur für etwa 2% der Todesfälle in dieser Gruppe ver-antwortlich ist. Bauchaortenaneurysmen sind in der Mehrzahl der Fälle infrarenal lokali-siert; in ca. 5% erstreckt sich das Aneurysma kranial bis auf Höhe der Nierenarterien (jux-tarenal). Die offen-chirurgische Therapie des Bauchaortenaneurysmas, die bei symptom-freien Patienten ab einem maximalen Quer-durchmesser von 5,5 cm indiziert ist, ist mit einer Mortalität von 1–2% in hochspeziali-sierten Zentren bzw. 4,3% in randomisier-ten multizentrischen Studien vergesellschaf-tet. Das Operationsprinzip besteht im Ersatz

des aneurysmatischen Gefäßabschnitts durch prothetisches Material. Die Möglichkeiten des Ersatzes orientieren sich an der Ausdeh-nung des Aneurysmas und umfassen die Im-plantation einer Rohr- bzw. Bifurkationspro-these. Technische Besonderheiten wie etwa beim retroperitonealen Zugang, zur Rekons-truktion der Iliakalbifurkation und zum Vor-gehen bei juxtarenalem, inflammatorischem und rupturiertem Aneurysma werden im fol-genden Beitrag detailliert dargestellt.

SchlüsselwörterBauchaortenaneurysma · Gefäßchirurgische Techniken · Ruptur · Inflammation · Iliakalarterienaneurysma

Technique of open abdominal aortic replacement

AbstractAbdominal aortic aneurysms have a preva-lence of up to 9% in the subgroup of elderly (>65 years) men and are responsible for ap-proximately 2% of deaths in this group due to aneurysm rupture. Abdominal aortic aneu-rysms are most frequently confined to the in-frarenal aorta; however, in 5% of cases they may extend proximally to the renal arteries (juxtarenal aneurysms). Open surgery for ab-dominal aortic aneurysms is indicated at a di-ameter over 5.5 cm in asymptomatic patients and is accompanied by mortality between 1 and 2% in specialized centres and 4.3% in randomized multicentre studies. The princi-

ple of surgical therapy is replacement of the diseased aorta by implantation of a prosthet-ic graft. Depending on the extent of the an-eurysm, tube grafts or bifurcated grafts can be utilized. In this article operative details of the implantation of tube and bifurcated grafts as well as additional techniques for the treatment of juxtarenal, inflammatory and ruptured aneurysms will be presented.

KeywordsAbdominal aortic aneurysm · Vascular surgical procedures · Rupture · Inflammation · Iliac artery aneurysm

3Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012  | 

Page 4: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

falls in Rückenlage mit leichter Seitenla-ge nach rechts und Reklination des tho-rakoabdominellen Übergangs. Der lin-ke Arm kann zusätzlich in der Armscha-le gelagert werden, um die Rotation des Oberkörpers (ca. 60° nach links) zu er-möglichen. Die Schnittführung erfolgt je nach erforderlicher Höhe der Exposition schräg von den Fortsätzen der 11./12. Rip-pe in Richtung Nabel und endet vor der Mittellinie (. Abb. 1). Nach Inzision der Externusaponeurose wird die Bauchwand an der Grenze des M. obliquus internus zur Rektusscheide vorsichtig durchtrennt und der Retroperitonealraum eröffnet. Nach Abdrängen des Peritonealsacks er-folgt die komplette Durchtrennung der Bauchwand nach lateral. Sodann wird ein Selbsthaltesystem eingesetzt und der Pe-ritonealsack vorsichtig nach rechtslate-ral verlagert. Im retroperitonealen Fettge-webe kann nun stumpf in Richtung Aor-ta präpariert werden. Ureter und linke Niere werden üblicherweise nicht mobili-siert und verbleiben links retroperitoneal. Es wird dann die Aorta von der Bifurka-tion bis zu den Nierenarterien freipräpa-riert. Die weiteren operativen Schritte lau-fen, wie oben beschrieben, ab.

Juxtarenales abdominelles Aortenaneurysma

Bei juxta-/suprarenalen Aneurysmen wird zur Herstellung der proximalen An-astomose eine suprarenale Klemmung der Aorta erforderlich (. Abb. 4, 6). Hierbei ist die komplette Mobilisation der lin-ken Nierenvene anzuraten: Die V. ova-rica/V. spermatica wird in diesen Fällen ligiert und die linke Nierenvene ange-schlungen („vessel loop“), um sie so nach kranial bzw. kaudal weghalten zu können. Eine Durchtrennung der linken Nieren-vene mit späterer Reanastomosierung ist möglich, jedoch nach Ansicht der Autoren nur in Ausnahmefällen notwendig. Vor allem in dieser Situation ist für die Ana-stomosierung die bereits oben beschriebe-ne Durchtrennung der Aorta vorteilhaft, da diese eine exakte und schnelle Platzie-rung der Anastomosennaht in unmittel-barer Nähe zu den Abgängen der Nieren-arterien ermöglicht. Durch die suprarena-le Klemmung steigt das Risiko eines isch-ämischen Nierenschadens. Bisher gibt es

Abb. 3 9 Rohrprothe-se mit transperitonea-lem Zugang. a Präope-rative CT-Angiographie einer Patientin mit inf-rarenalem abdominel-lem Aortenaneurysma (maximaler Durchmes-ser 4,7 cm) mit stark gewinkeltem Aneurys-mahals (90°) und links-seitiger Einzelniere; b,c intraoperativer Si-tus bei transperitonea-ler Implantation einer 16-mm-Dacron-Rohr-prothese; d postope-rative CT-Angiogra-phie. Die Erstellung der 2D/3D-Rekonstruktio-nen in allen Abbildun-gen erfolgte mithil-fe der OSIRIX Imaging-Software (v.4.0 64-bit, Pixmeo SARL, Genf, Schweiz)

Aorta

Y-Prothese

AIE

AII AII

AIEAIC

Aorta

a b

Rohrprothese

Reinserierte AMI

Abb. 4 8 Schematische Darstellung einer implantierten Rohrprothese mit Reinsertion der A. mesen-terica inferior (a) und einer aortobiiliakalen Y-Prothese (b). AIC A. iliaca communis, AIE A. iliaca externa, AII A. iliaca interna, AMI A. mesenterica inferior

4 |  Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012

Operative Techniken

Page 5: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

allerdings keine einheitliche Empfehlung zur Nierenprotektion während der Isch-ämie. Bei zu erwartender unkomplizier-ter Anastomose akzeptieren die Autoren eine warme Ischämie bis 30 min und füh-ren keine protektiven Maßnahmen durch

[20, 21]. Bei zu erwartender Ischämiezeit >30 min (z. B. Reimplantation/Bypassver-sorgung von Nierenarterien) wird eine „Flush“-Perfusion mit jeweils 500 ml kal-ter Ringer-Lösung (mit Heparin-/Prosta-vasinzusatz) durchgeführt.

Y-Prothese

Bei zusätzlich bestehenden lliakalaneu-rysmen oder Verschlussprozessen der proximalen Beckenachse (. Abb. 4b, . Abb. 7) wird die Inzision des Retrope-

Abb. 5 9 Rohrprothese mit retroperitonealem Zugang. a,b Präoperative CT-An-giographie eines Patienten mit infrarenalem abdomi-nellem Aortenaneurysma (maximaler Durchmesser 5,2 cm) bei Adipositas per magna (Body-Mass-Index 37 kg/m2); c–e intraopera-tiver Situs zeigt Positionie-rung des Retraktorsystems zur retroperitonealen Im-plantation einer 16 mm-Dacron-Rohrprothese; f postoperative CT-Angiogra-phie nach Rohrprothesen-implantation; g postope-rativer Befund mit linkssei-tigem Flankenschnitt (Ent-lassung am 6. postoperati-ven Tag)

Abb. 6 9 Juxtarenales ab-dominelles Aortenaneurys-ma (maximaler Durchmes-ser 10,1 cm). a–c Präope-rative CT-Angiographie; d postoperative CT-Angio-graphie nach Implantation einer aortobiiliakalen Y-Pro-these (Dacron 20×10 mm) und Reimplantation der A. mesenterica inferior in den linken Prothesenschen-kel (Pfeil)

5Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012  | 

Page 6: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

ritoneums mit Freilegen der Iliakalgefä-ße so weit wie nötig nach distal erweitert. Hierbei sind die Fasern des Plexus hypo-gastricus zu beachten, die im Retroperi-toneum an der Aortenbifurkation vorbei über die proximale A. iliaca communis nach kaudal ziehen. Diese sind durch eine sparsame Präparation zu schonen. Alter-nativ kann auch eine peritoneale Brücke belassen werden. Die Prothesenschenkel können dann später endoluminal in der nativen Achse nach distal geführt werden.

Zu beachten sind außerdem bei der Prä-peration die beidseitigen Ureteren, die die A. iliaca communis proximal der Iliakal-bifurkation überkreuzen. Das Retroperi-toneum wird unter einen Haken genom-men, um teils stumpf, teils scharf ventral auf der A. iliaca communis nach distal zu präperieren. Dabei ist es ausreichend, die ventrale Hälfte der Zirkumferenz freizu-legen. Auf diese Weise ist eine Klemmung der Beckenachse durchführbar, ohne ein größeres Blutungsrisiko aus den Becken-

venen einzugehen. Bei Verschlussprozes-sen ist die Klemmung der Beckenstrom-bahn u. U. nicht suffizient. In diesen Fäl-len ist die intraluminale Blockade mit einem 8- oder 10-mm-Blasenkatheter hilfreich. Zur Darstellung der linken Ilia-kalbifurkation empfehlen sich das Auslö-sen des Sigmas aus seinen retroperitonea-len Verklebungen und die Präparation der Gefäße lateral des Mesosigmoideums.

Prothesenmaterial der Wahl ist auch hier die primär dichte gestrickte Dacron-

Abb. 7 8 Y-Prothese bei Iliakaaneurysma. a–c Präoperative CT-Angiographie eines Patienten mit augedehntem aortobiilia-kalem Aneurysma (maximale Durchmesser: aortal 4,6 cm, linksiliakal (A. iliaca communis) 5,5 cm, rechtsiliakal (A. iliaca inter-na) 5,0 cm); d intraoperativer Situs nach Implantation einer aortobifemoralen Y-Prothese (Dacron 20×10 mm) mit selektiver Revaskularisation der rechtsseitigen A. iliaca interna (Dacron 7 mm) sowie Reimplantation der A. mesenterica inferior in den proximalen linken Prothesenschenkel (Pfeil); e postoperative CT-Angiographie (Pfeil: A. mesenterica inferior); f präoperative CT-Angiographie einer Patientin mit Postdissektionsaneurysma der aortolinksiliakalen Achse (maximaler Durchmesser iliakal 3,2 cm) und Knickstenose der rechtsseitigen A. iliaca externa; g postoperative CT-Angiographie nach Implantation einer arto-biiliakalen Y-Prothese (Dacron 16×8 mm) mit linksseitigem Anschluss auf die A. iliaca externa und Reimplantation der A. iliaca interna in den distalen Prothesenschenkel (Pfeil). Rechtsseitig erfolgte der Anschluss des Prothesenschenkels auf die Iliakalbi-furkation. Zusätzlich wurde eine Verkürzung mit Reanastomosierung der rechten A. iliaca externa. zur Korrektur der Knickste-nose vorgenommen

6 |  Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012

Operative Techniken

Page 7: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

prothese. Der Körper der Y-Prothese wird möglichst kurz gehalten, um ein späte-res Knicken der Schenkel zu vermeiden (. Abb. 4b). Nach Fertigstellung der pro-ximalen Anastomose, die in Analogie zur Rohrprothese in End-zu-End-Technik durchgeführt wird, wird diese zunächst auf Dichtigkeit geprüft. Bei Dichtigkeit wird die Aortenklemme gelöst, und die proximalen Prothesenschenkel werden nach Füllen des Prothesenkörpers mit he-parinisierter Kochsalzlösung mit einer ar-mierten Klemme okkludiert. Der Iliaka-lanschluss richtet sich nach der vorliegen-den pathologischen Veränderung. Hier-bei gilt die Wiederherstellung der anato-mischen Verhältnisse mit Revaskularisa-tion der A. iliaca externa et interna. Zuvor werden die Prothesenschenkel entweder transluminal oder entlang des anatomi-schen Verlaufs geführt. Hierbei ist unbe-dingt ein „Einklemmen“ des Ureters zwi-schen Prothese und Arterie zu vermeiden.

Bei Anastomosierung der A. iliaca communis wird die Hinterwand nach T-förmigem Einschneiden belassen und in

fortlaufender Nahttechnik mit 4×0 mono-filem, nichtresorbierbarem Nahtmaterial anastomosiert. Falls eine Rekonstruktion der Iliakalbifurkation erforderlich wird, wird die A. iliaca externa in End-zu-End-Technik mit dem Prothesenschenkel ana-stomosiert (. Abb. 7g, . Abb. 8a) und die A. iliaca interna nach Mobilisation in die Prothese reinseriert. Darüber hinaus besteht vice versa die Möglichkeit einer End-zu-End-Anastomose auf die A. ilia-ca interna mit Reinsertion der A. iliaca ex-terna (. Abb. 8b) oder die Anlage einer Neoiliakalbifurkation mit Interponat vom Prothesenschenkel auf die A. iliaca interna (. Abb. 7d,e, . Abb. 8c). Auch hier werden jeweils einen 4×0 (ggf. 5×0) monofile, nichtresorbierbare Faden in fortlaufender Nahttechnik verwendet.

Bei langstreckiger Aneurysmose bzw. arterieller Verschlusskrankheit (AVK) des Beckens wird die distale Anastomo-se auf die A. femoralis communis (AFC) bzw. auf die A. profunda femoris (APF) durchgeführt. Dies geschieht in End-zu-Seit- (bzw. End-zu-End)-Technik mit

5×0 oder 6×0 monofilem, nichtresor-bierbarem Nahtmaterial und ggf. Über-nähung des proximalen Gefäßstumpfes. Nach Leistenfreilegung erfolgen zuvor das stumpfe Tunnelieren mit den Zeige-fingern auf der nativen Beckenachse von proximal und auf der nativen AFC von distal mit Unterfahren des Leistenbands sowie das Durchziehen der Prothesen-schenkel mit der Kornzange. Hier ist auf eine Schonung der Ureteren und v. a. des Dickdarms zu achten.

Reimplantation von A. mesenterica inferior und atypischen Nierenarterien

Die Reimplantation der AMI (. Abb. 8a) sollte vorgenommen werden:

- wenn sich in der Klemmphase eine Kolonischämie einstellt,

- bei schwachem Rückstrom aus der AMI,

- bei kaliberkräftigem Gefäß,- bei Stenosen bzw. Verschlüssen von

Mesenterialarterien bzw. der A. iliaca in-terna.

Zusätzlich kann eine Objektivierung durch Messung des Stumpfdrucks der AMI erfolgen (Ziel mindestens halbsys-temisch, [22]). Die Autoren verfolgen das Prinzip der obligaten Reimplantation bei offenem Gefäß mit ausreichendem Kali-ber (. Abb. 7d,e, . Abb. 9). Die Anas-tomose kann in Form eines aus der Aor-tenwand exzidierten Aorten-Patch durch-geführt werden (. Abb. 10a). Möglich ist auch die proximale Durchtrennung der AMI mit Spatulieren des Gefäßes (. Abb. 10b). Die Prothese wird zuvor mit einer Cooley- oder Satinsky-Klem-me lateral tangential ausgeklemmt und ein ovaläres Fenster exzidiert. Die Naht erfolgt mit einem 6–0 monofilen, nicht-resorbierbarem Material in fortlaufender Technik.

Liegen kaliberkräftige Polarterien der Nieren bzw. akzessorische Nierenarterien vor (. Abb. 9), werden diese ebenfalls in oben genannter Technik in die Prothe-se reinseriert, um einen Parenchymver-lust mit möglicher Funktionseinschrän-kung der Nieren zu verhindern. Zu beach-ten ist jeweils, dass das reinserierte Gefäß (v. a. die AMI) nach Lösen des Zugs der Hakenvorrichtung abknicken kann. Dies

Prothese

AIE

AII

Prothese

AIE

AIE

AII

Prothese

a

b

c

AII

Abb. 8 9 Möglichkei-ten zur Rekonstruktion der Iliakalbifurkation mit End-zu-End-Anas-tomose zwischen Pro-these und A. iliaca ex-terna (AIE) sowie Rein-sertion der A. iliaca in-terna (AII) in die Pro-these (a), vice versa mit Anastomosierung der Prothese auf die AII und Reimplanta-tion der AIE in die Pro-these (b), Anlage einer Neoiliakalbifurkation mit End-zu-End-Anas-tomose auf die AIE und separatem Prothese-ninterponat zur AII (c)

7Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012  | 

Page 8: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

muss entsprechend bei Konfiguration der Anastomose berücksichtigt werden.

Inflammatorisches abdominelles Aortenaneurysma

Eine Sonderform des AAA stellt das inflam-matorische abdominelle Aortenaneurysma (iAAA) dar. Es beschränkt sich vornehm-lich auf die infrarenale Aorta und ist mit ca. 5% der diagnostizierten Bauchaortenaneu-rysmen selten [23]. Hierbei handelt es sich um eine sterile (abakterielle) inflammatori-sche Reaktion der Gefäßwand und des Re-troperitoneums bzw. um eine retroperito-neale Fibrose. Häufig sind Nachbarstruktu-

ren wie Ureteren, Dünndarm, Kolon oder V. cava bzw. linke Nierenvene mitbetroffen. Bezüglich Rupturgefahr und Indikations-stellung gelten die gleichen Richtwerte wie beim normalen AAA. Bildmorphologisch zeigt sich typischerweise in der Computerto-mographie(CT)-/Magnetresonanztomogra-phie(MRT)-Untersuchung eine ausgeprägte Pannusbildung um den betroffenen Teil der Aorta mit Kontrastmittelaufnahme („Ko-kardenphänomen“, . Abb. 11). Die Präpa-ration des iAAA kann aus oben genannten Gründen erheblich erschwert sein. Die Prä-paration des Aneurymsasacks von links bzw. die Verwendung des retroperitonealen Zu-gangs ist empfehlenswert, um Verletzungen

des Duodenums zu vermeiden. Unter Um-ständen ist die vorherige Implantation von Doppel-J-Kathetern in die Ureteren zur bes-seren intraoperativen Identifikation sinnvoll. Dessen ungeachtet sollte die Präparation der Ureteren im Fall eines iAAA unterbleiben. Das weitere operative Vorgehen geschieht in Analogie zum oben geschilderten Verfahren.

Rupturiertes abdominelles Aortenaneurysma

Rupturiert das Aneurysma frei in die Bauchhöhle, erreichen die Patienten in der Regel das Krankenhaus nicht mehr le-bend. Liegt eine gedeckte Ruptur ins Ret-roperitoneum vor, die durch Tamponade den Blutaustritt limitiert, besteht die Chan-ce, das Leben des Patienten zu retten. Die-ser Zusammenhang erklärt die hohe Leta-lität von 80% [6]. Das innerklinische Vor-gehen ist durch eine frühe Weichenstel-lung im Schockraum zwischen unverzüg-licher Operation (bei instabilem Patien-ten) und weiterer Diagnostik (CT-Angio-graphie) bei hypotensiven, aber noch stabi-

Abb. 9 9 Abdominelles Aortenaneurysma (AAA) mit atopen Nierenarte-rien. a Präoperative CT-An-giographie eines Patienten mit AAA (maximaler Durch-messer 6,3 cm) und 2 ato-pen unteren Nierenpolar-terien, die aus dem kauda-len Aneurysma abgehen (weiße Pfeile); b,c intraope-rativer Situs nach Implan-tation einer aortobifemo-ralen Y-Prothese (Dacron 18×9 mm) bei begleitender Becken-AVK mit Reimplan-tation der atopen Polarte-rien in die Prothese (wei-ße Pfeile) und zusätzlicher Reimplatation der A. me-senterica inferior (schwar-zer Pfeil); d,e die postope-rative CT-Angiographie (14 Monate postoperativ) zeigt alle reimplantierten Gefäße offen (weiße Pfeile: Polarterien, schwarzer Pfeil: A. mesenterica inferior)

a b

Abb. 10 8 Technik der Reinsertion von A. mesenterica inferior oder Nieren-polarterien mit Aorten-Patch (a) oder spatulierter Arterie (b)

8 |  Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012

Operative Techniken

Page 9: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

len Kreislaufverhältnissen gekennzeichnet. Die Prinzipien der limitierten Flüssigkeits-substitution und der permissiven Hypo-tension sollten umgesetzt werden. Die offe-ne Operation des rupturierten AAA erfor-dert die enge Koordination zwischen An-ästhesist und Gefäßchirurg. In der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Mainz wird der Pa-tient wach steril abgewaschen und abge-deckt; der Hautschnitt zur medianen La-parotomie (s. Abschn. „Zugangsweg“) er-folgt nach Absprache mit dem Anästhesis-ten direkt bei der Intubation. Die mediane Laparotomie ermöglicht den raschen Zu-gang zur Aorta; hierbei ist das oberste Ziel zunächst die Klemmung der Aorta zur Sta-bilisierung des Patienten (. Abb. 4). Die-se kann auf Höhe des Zwerchfells durch stumpfes Präperieren der Aorta mit Mittel- und Zeigefinger zwischen den Zwerchfell-schenkeln und nachfolgendes Klemmen erfolgen. Nach weiterer Präparation kann dann auf suprarenal oder infrarenal umge-klemmt bzw. auch primär bei übersichtli-chen anatomischen Verhältnissen eine su-pra- oder infrarenale Klemmung durchge-führt werden (. Abb. 12). Alternativ kann die Aorta endoluminal mit einem Aorten-okklusionsballon, der durch eine Stichinzi-sion des Aneurysmasacks eingeführt wird, blockiert werden. Ist die Aorta geklemmt bzw. okkludiert, erfolgt als Nächstes die distale Kontrolle. Sodann wird der Patient hämodynamisch stabilisiert (transfun-diert) und die Heparindosis/Proteasenin-hibition (Tranexamsäure) verabreicht. Das weitere Vorgehen geschieht in Analogie zum Elektivfall. Je nach Ausdehnung des retroperitonealen Hämatoms legen die Au-toren beim rupturierten AAA ggf. eine re-troperitoneale Drainage („easy-flow“) ein.

Fazit für die Praxis

F  Bauchaortenaneurysmen weisen eine nicht zu unterschätzende Prävalenz und Rupturmorta-lität in der Risikogruppe älterer Männer auf.

F  Eine Behandlungsindikation wird der-zeit ab einem maximalen Querdurch-messer von 5,5 cm bei symptomfreien Patienten gesehen.

F  Die offen-chirurgische Therapie des Bauchaortenaneurysmas ist eine effekti-ve Therapie mit ausgezeichnetem Lang-

Abb. 11 8 Inflammatorisches abdominelles Aortenaneurysma (iAAA). Präoperative CT-Angiographie (a) und MRT-Angiographie (b) zeigen den typischen Befund des iAAA (maximaler Durchmesser 6 cm) mit kontrastmittelaufnehmender periaortaler Weichteilvermehrung (b); c intraoperativer Situs nach Implantation einer 18-mm-Dacron-Rohrprothese mit deutlich verdickter Aneurysmawand (Pfeil); d postoperative CT-Angiographie nach Rohrprothesenimplantation

Aorta

Position: Klemmediaphragmal

Position: Klemmesuprarenal

Position: Klemmeinfrarenal

Zwerchfell

Nieren

Ballonokklusion

Abb. 12 9 Möglich-keiten zur Klemmung der Aorta

9Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012  | 

Page 10: Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2012 F. Dünschede · C.F. Vahl ... · PDF fileF. Dünschede · C.F. Vahl · B. Dorweiler Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie,

zeitergebnis, deren perioperative Mortali-tät bei 1–2% (spezialisierte Zentren) bzw. 4,3% (multizentrische Studien) liegt.

F  Essenziell für den Erfolg der chirur-gischen Therapie ist die vollständige Ausschaltung der aneurysmatischen Aortenwandanteile. Dazu stehen ent-sprechende Techniken wie beispiel-weise suprarenale Klemmung und Re-konstruktion der Iliakalbifurkation zur Verfügung.

F  Additive Verfahren zur Senkung der Morbidität umfassen beispielswei-se den retroperitonealen Zugang und schonende Techniken zur Blutungskon-trolle (endoluminale Ballonokklusion).

Korrespondenzadresse

PD Dr. B. DorweilerSektion Gefäßchirurgie, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsmedizin MainzLangenbeckstr. 1, 55131 Mainzbernhard.dorweiler@ unimedizin-mainz.de

PD Dr. Dorweiler. studierte Medizin an der Uni-versität Mainz. Auslandsaufenthalte: Harvard Medi-cal School, Boston, Baylor College of Medicine, Hous-ton, Columbia University, New York. Nach seiner Aus-bildung zum Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirur-gie übernahm Dorweiler 2010 die Leitung der Sektion Gefäßchirurgie, Klinik für HTG-Chirurgie, Universitäts-medizin Mainz. Besonderes Interesse: Aortenchirurgie. Dorweiler leitet ein DFG-Projekts zur Untersuchung der Pathomechanismen der Atherosklerose.

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

1. Ashton AH, Buxton MJ, Day NE et al (2002) The multicentre aneurysm screening study (MASS) into the effect of aortic abdominal aneurysm screening on mortality in men: a randomised controlled trial. Lancet 360:1531–1539

2. Singh K, Bonaa KH, Jacobsen BK, Bjork L et al (2001) Prevalence and risk factors for abdominal aortic aneurysms in a population-based study. The Tromso Study. Am J Epidemiol 154:236–244

3. Debus ES, Kölbel T, Böckler D, Eckstein HH (2010) Abdominelle Aortenaneurysmen. Gefasschirurgie 15:154–168

4. Gordon JR, Wahls T, Carlos RC et al (2009) Failure to recognize newly identified aortic dilations in a he-alth care system with an advanced electronic me-dical record. Ann Intern Med 151:21

5. Torsello G, Can A, Schumacher S (2005) Das Bauch-aortenaneurysma. Gefasschirurgie 10:139–153

6. Anjum A, Allmen R von, Greenhalgh R, Powell JT (2012) Explaining the decrease in mortality from abdominal aortic aneurysm rupture. Br J Surg 99:637–645

7. Moll FL, Powell JT, Fraedrich G et al (2011) Ma-nagement of abdominal aortic aneurysms – cli-nical practice guidelines of the European Socie-ty for Vascular Surgery. Eur J Vasc Endovasc Sur (Suppl1)41:1–58

8. Powell JT, Greenhalgh RM (2003) Clinical practice. Small abdominal aortic aneurysms. N Engl J Med 348:1895–1901

9. The United Kingdom Small Aneurysm Trial Partici-pants (2002) Long-term outcomes of immediate repair compared with surveillance for small abdo-minal aortic aneurysms. N Engl J Med 346:1445–1452

10. Dubost C, Allary M, Oeconomos N (1951) Treat-ment of aortic aneurysms. Removal of the aneu-rysm. Re-establishment of continuity by grafts of preserved human aorta. Mem Acad Chir (Paris) 77:381–383

11. Hertzer NR, Mascha EJ, Karafa MT et al (2002) Open infrarenal abdominal aortic aneurysm repair: the Cleveland clinic experience from 1989 to 1998. J Vasc Surg 25:277–284

12. Pfeiffer T, Reiher L, Sandmann W et al (2000) Re-sults of conventional surgical therapy of abdomi-nal aortic aneurysms since the beginning of the endovascular era. Chirurg 71:72–79

13. Brown LC, Powell JT, Thompson SG et al (2012) The UK Endovascular aneurysm repair (EVAR) trials: randomized trials of EVAR versus standard therapy. Health Technol Assess 16:1–218

14. The Danish Vascular Registry Report (2001) http://www.karbase.dk

15. Umscheid T, Eckstein HH, Noppeney T et al (2001) Qualitätsmanagement Bauchaortenaneurysma der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG)-Ergebnisse. Gefasschirurgie 6:194–200

16. Allen RC, Schneider J, Longenecker L et al (1993) Paraanastomotic aneurysms of the abdominal aor-ta. J Vasc Surg 18:424–431

17. Wenk H, Meyer H (2002) Late complications in the aorta and iliac artery following open aortic surge-ry. Zentralbl Chir 127:95–98

18. O’Brien T, Collin J (1992) Prosthetic vascular graft infection. Br J Surg 79:1262–1267

19. Lehnert T, Gruber HE, Allenberg JR et al (1993) Ma-nagement of primary aortic graft infection by ex-tra-anatomic bypass reconstruction. Eur J Vasc En-dovasc Surg 7:301–307

20. Johnston KW (1989) Multicenter prospective study of nonruptured abdominal aortic aneurysm. Part II. Variables predicting morbidity and mortality J Vasc Surg 9:437–447

21. Knott AW, Kalra M, Duncan AA et al (2008) Open repair of juxtarenal aortic aneurysms (JAA) re-mains a safe option in the era of fenestrated endo-grafts. J Vasc Surg 47:695–701

22. Shortell CK, Johansson M, Green RM et al (2003) Optimal operative strategies in repair of juxtare-nal abdominal aortic aneurysms. Ann Vasc Surg 17:60–65

23. Kniemeyer HW, Kolvenbach R, Sandmann W et al (1990) Das inflammatorische Aneurysma der Aor-ta. Diagnose, Therapie, Ergebnisse. Chirurg 61:27–31

10 |  Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2012

Operative Techniken