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ZAHLUNGSVERKEHR IN EUROPA EIN BLICK AUF DIE ZUKUNFT DER BRANCHE IM PRIVATKUNDEN- UND KMU-GESCHÄFT

ZAHLUNGSVERKEHR IN EUROPA - Oliver Wyman€¦ · zahlungsverkehr in europa ein blick auf die zukunft der branche im privatkunden- und kmu-geschÄft

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ZAHLUNGSVERKEHR IN EUROPA EIN BLICK AUF DIE ZUKUNFT DER BRANCHE IM PRIVATKUNDEN- UND KMU-GESCHÄFT

INHALT

EXECUTIVE SUMMARY 2

GEGENSTAND DER STUDIE 7

ÜBERBLICK ÜBER DEN ZAHLUNGSVERKEHRSMARKT

IM PRIVAT- UND FIRMENKUNDENGESCHÄFT 8

Marktstruktur, Hauptakteure und aktuelle Trends 9

Zahlungsverkehrsmärkte und Marktgrößen in den zurückliegenden Jahren 20

DISRUPTIVE TRENDS 32

Technologische Entwicklungen 35

Rechtsvorschriften 46

Angebotsseite 55

Nachfrageseite 58

Prognosen zu Marktgröße und Ertragspools 61

FAZIT 67

EXECUTIVE SUMMARY

Am Zahlungsverkehrsmarkt vollziehen sich derzeit fundamentale Veränderungen. Die vorliegende Studie

beleuchtet diese Veränderungen, analysiert verschiedene Trends im europäischen Privat- und

Firmenkundensegment des Zahlungsverkehrsmarktes und nimmt eine umfassende Analyse der

Ertragspools vor. Es werden 28 Märkte, von Mitteleuropa inklusive Deutschland und Österreich über

Großbritannien und Irland bis hin zu Skandinavien und den baltischen Ländern detailliert analysiert und

sowohl Trends als auch Herausforderungen identifiziert.

Im Rahmen dieser Studie wurden alle wichtigen Instrumente und unterschiedlichen Formen des Zahlungs-

verkehrs untersucht: Bezahlkarten, Account-to-Account-Zahlungen (A2A), Bar- und Scheckzahlungen, sowohl

im Privatkundensegment (Person-to-Person (P2P) und Person-to-Business (P2B)) als auch im Firmenkunden-

segment (Business-to-Business (B2B) und Business-to-Person (B2P)). Überweisungen, Wholesale-Transfers,

Überweisungen zwischen Banken sowie grenzüberschreitende Zahlungen außerhalb von Europa wurden

nicht berücksichtigt. Die 28 europäischen Länder, die in dieser Untersuchung analysiert wurden, sind nach

Struktur und Reife ihrer Infrastruktur in sechs Zahlungsverkehrsmärkte eingeteilt, darunter Großbritannien

und Irland, Mitteleuropa inklusive Deutschland und Österreich, Frankreich und die Benelux-Länder, Südeuropa,

die skandinavischen Länder und sonstige Länder der Europäischen Union (EU).

Wir gehen davon aus, dass die Ertragspools im europäischen Zahlungsverkehrsmarkt derzeit ein Volumen

von etwa 38 Mrd. Euro haben. Zudem umfassen sie Transaktionen im Wert von insgesamt 190 Bio. Euro,

die über verschiedene Zahlungsmethoden abgewickelt werden (einschließlich Barverkehr und Einnahmen

aus Entgelten über alle Kanäle).

Insgesamt erwarten wir für den Markt bis 2020 eine jährliche Wachstumsrate von rund 7 Prozent. Ein An-

stieg der Volumina im Zahlungsverkehr insgesamt (sowohl in den reifen als auch in den weniger reifen

Märkten) sowie das Wachstum bei neuen Formen des Zahlungsverkehrs, wie A2A, sind die Treiber dieser

Entwicklung. Bei den bestehenden Zahlungsarten werden sehr moderate Margenrückgänge prognostiziert

und eine Ablösung derzeitiger Ertragsströme durch neue Formen des Zahlungsverkehrs, wie dem Debit-

Äquivalent zum A2A-Zahlungsverkehr, erwartet. Des Weiteren weisen die Prognosen auf folgende

Trends hin:

• Die Ertragszuwächse im Acquiring-Geschäft im traditionellen Zahlungsverkehr haben möglicherweise

ihren Zenit erreicht. Dies wird jedoch durch Zuwächse bei Mehrwertdiensten ausgeglichen. Zudem

arbeiten die Acquirer daran, sich neuere Formen des Zahlungsverkehrs zunutze zu machen, einschließlich

der Zuwächse im E-Commerce und der neu hinzukommenden A2A-Transaktionen.

• Bei den Kontogebühren wird eine jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 10 Prozent in den Jahren 2014

bis 2020 erwartet.

• Der A2A-Zahlungsverkehr wird als Treiber für zusätzliche Ertragspools fungieren (etwa 6 Prozent CAGR,

2014-2020), obwohl der entsprechende Ertragspool mit etwa 2 Mrd. Euro erst entsteht. Bislang wurde

nur ein Bruchteil der Einnahmen aus dem Bezahlkartenverkehr erreicht.

• Bei den Bezahlkarten wird das Wachstum weiter anhalten mit 8 Prozent CAGR bei Debitkarten und

4 Prozent CAGR bei Kreditkarten von 2014 bis 2020. Dies dürfte sich allerdings in einigen Märkten

aufgrund der zunehmenden Akzeptanz von A2A-Transaktionen verlangsamen.

• Während in einigen Märkten, zum Beispiel auf der iberischen Halbinsel und in Italien, der Bargeldver-

kehr weiterhin einen signifikanten Anteil am Zahlungsverkehr ausmacht, gewinnen in Großbritannien

2

und Irland sowie in Frankreich und den Benelux-Ländern elektronische Transaktionen (Karten- und

A2A-Zahlungen) zunehmend an Bedeutung. In anderen Märkten, wie in Skandinavien, dürften hin-

gegen A2A-Transaktionen den Bargeldverkehr in gewissem Umfang ablösen.

Der Markt für Zahlungsverkehr entwickelt sich weiterhin mit besonderer Dynamik. Neue Technologien,

neue Akteure wie zum Beispiel Third-Party Payment Service Provider, ein grundlegender Wandel bei den

Rechtsvorschriften sowie Veränderungen auf der Angebots- und der Nachfrageseite bewirken Veränderungen

der Marktmodelle. Wir gehen von folgenden Entwicklungen aus:

• Größere Akteure wie zum Beispiel vertikal integrierte Zahlungsverkehrsunternehmen, die in allen

Bereichen aktiv sind, werden sich gut behaupten.

• Kleinere Nischen-Player, wie neue Unternehmen aus dem FinTech-Segment und Zahlungsverkehrs-

unternehmen, die sich auf den P2P/P2B-Bereich sowie überwiegend auf „On-the Go“-Zahlungen

konzentrieren, werden sich ebenfalls gut behaupten.

• Akteure, die keine spezifischen Mehrwertdienste anbieten und mit geringen Volumina operieren, wie

etwa die Acquiring-Sparten von Banken laufen Gefahr, unter Druck zu geraten und dürften Anteile verlieren.

• Es besteht ein verstärkter Zwang zur Fokussierung. So werden sich beispielsweise Banken, für die der

Zahlungsverkehr keine Kernaktivität darstellt, möglicherweise zwischen einem stärkeren Engagement

oder dem Ausstieg entscheiden müssen.

Die künftigen Veränderungen auf der Angebotsseite dürften Auswirkungen auf den Mix der Zahlungs-

methoden nach sich ziehen, beispielsweise auf das Wachstum im A2A-Zahlungsverkehr und die Ablösung

von Bar- und Kartenzahlungstransaktionen. Neue Anbieter wie Kontoinformationsdienstleister (AISPs)

und Zahlungsauslösedienstleister (PISPs) weisen ein größeres „disruptives Potenzial“ auf. Sie dürften

auch die Innovationstätigkeit vorantreiben.

Veränderungen bei Rechtsvorschriften und im Technologiebereich zwingen die Marktteilnehmer dazu, ihre

strategische Reaktion auf den künftigen Zahlungsverkehrsmarkt zu überdenken. Diese Studie bietet eine

Checkliste für die unterschiedlichen Akteure im Markt, mit Hilfe derer sich überprüfen lässt, ob die eigene

Organisation für den fortwährenden Wandel in diesem Markt gut aufgestellt ist. Diese Checkliste deckt

folgende Aspekte ab:

• Aussagekräftige Informationen über die Auswirkungen der neuen Rechtsvorschriften (vor allem der

Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2)) auf die Organisation

• Eine Strategie für die Beteiligung rund um den A2A-Zahlungsverkehr, beispielsweise eine defensive

oder eine proaktive Strategie

• Das Vermeiden indirekter Disintermediation, die infolge der Einführung neuer Angebote durch

etablierte und neue Akteure hervorgerufen werden dürfte

• Die Anpassung des Geschäftsmodells und den Aufbau von Abonnementdiensten für den Zahlungs-

verkehr, zusätzlich zu den transaktionsabhängigen Erträgen

Insgesamt wird angesichts der Veränderungen bei den Rechtsvorschriften und der zunehmenden Akzeptanz

neuer Technologien bei Kunden und Anbietern erwartet, dass die lebhafte und dynamische Entwicklung des

Zahlungsverkehrsmarkts im Privat- und Firmenkundensegment in den kommenden Jahren anhalten wird.

3

Fokus: Deutschland – Einführung

Der deutsche Markt stellt mit 7,4 Mrd. Euro und ungefähr 19 Prozent einen signifikanten Anteil des euro-

päischen Ertragspools im Bereich Zahlungsverkehr dar. Er ist auf diesem Gebiet der zweitgrößte Markt

nach der iberischen Halbinsel und Italien.

Bargeld ist in Deutschland eine wesentlich gängigere Zahlungsmethode als in vielen anderen europäischen

Ländern. Der durchschnittliche Betrag bei Barabhebungen von 129 Euro ist in Deutschland verglichen mit

den anderen untersuchten Regionen recht hoch. Da in Deutschland im Vergleich auch mehr Bargeld

abgehoben wird, ist die Netzdichte von Geldautomaten mit 11,8 Automaten pro 10.000 Einwohner höher

als im europäischen Durchschnitt.

In Deutschland sind die Visa-Abwicklungsgebühren (Pre-MIF Visa no premium und Pre-MIF Visa

premium) mit 160 Basispunkten (bps) auf dem höchsten Stand von ganz Europa. Aufgrund der geringeren

Verbreitung nutzen die Deutschen Bezahlkarten jedoch auch deutlich seltener. Die Infrastruktur für

die Kartennutzung ist hinsichtlich der geringen Verbreitung von Karten allgemein und am Point-of-Sale

(PoS) ausbaufähig. Die Kreditkartennutzung der Deutschen macht 37 Prozent der Gesamtausgaben mit

Bezahlkarten aus. Dies liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 28 Prozent. Gleichzeitig liegt der

Anteil an den ausgestellten Karten in Deutschland mit 22 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt

von 34 Prozent.

Die Ausgaben via Debit-Karten sind in Deutschland höher als die Kreditkartenausgaben. Ein Grund hier-

für ist auch die lange positive Historie des elektronischen Lastschriftverfahrens. Auf dem deutschen Markt

sind in den letzten vier Jahren die Anzahl der Abhebungen an Geldautomaten um 35 Prozent und die Zahl

der Transaktionen mit Debit-Karten am PoS um 18 Prozent angestiegen. Die anderen Zahlungsarten

blieben weitestgehend konstant.

Trotz dieser Faktoren und der grundsätzlichen Stärke der deutschen Wirtschaft, fällt der deutsche Markt

insbesondere mit Blick auf die Akzeptanz neuer Technologien durch die Konsumenten hinter anderen

Regionen wie Großbritannien zurück.

5

6

GEGENSTAND DER STUDIEIm Zahlungsverkehrsmarkt vollzieht sich derzeit ein rascher Wandel: Neue

Technologien werden eingeführt, neben einer Konsolidierung treten neue

und innovative Akteure auf den Plan, bei den Rechtsvorschriften werden

radikale Änderungen vorgenommen, und die Kunden legen ein verändertes

Zahlungsverhalten an den Tag – der eigentliche Zahlungsvorgang wird

daher zunehmend zum integrierten Produkt.

Für die unterschiedlichen Marktteilnehmer ist es damit unerlässlich, bei

der Ausgestaltung ihrer Strategien das jeweils optimale Geschäftsmodell

zugrunde zu legen, um die neuen Ertragspools nutzen zu können. Die vor-

liegende Studie präsentiert daher einen Überblick über den Zahlungs-

verkehrsmarkt im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden in Europa, ein-

schließlich Trends und Volumenschätzungen sowie strategischen Antworten

aus dem Blickwinkel der unterschiedlichen Akteure.

Um allen relevanten Stakeholdern, wie Banken, Zahlungsdienstleistern,

Technologieunternehmen und auch neuen Akteuren (einschließlich TPPs)

ebenso interessante wie nützliche Informationen zu liefern, konzentriert

sich die vorliegende Studie auf die reinen Zahlungsverkehrsmärkte inner-

halb Europas. Das bedeutet, dass Ertragsströme wie Zinseinnahmen aus

dem Kreditkartengeschäft nicht berücksichtigt werden.

Auf eine Einschätzung der Folgewirkungen des Brexit haben wir in dieser

Studie verzichtet, da über den Zugang Großbritanniens zum Binnenmarkt

noch diskutiert wird und sich über die Auswirkungen auf den Finanzdienst-

leistungssektor noch keine konkreten Aussagen treffen lassen.

7

ÜBERBLICK ÜBER DEN ZAHLUNGSVERKEHRS- MARKT IM PRIVAT- UND FIRMENKUNDENGESCHÄFT

8

MARKTSTRUKTUR, HAUPTAKTEURE UND AKTUELLE TRENDS

Verschiedene Akteure teilen sich das europäische Zahlungsverkehrsnetz im Privatkundengeschäft unter-

einander auf. Einige von ihnen arbeiten mit unterschiedlichen Zahlungsmethoden und sind in verschiedenen

Bereichen der Wertschöpfungskette aktiv. Auch die Wettbewerbslandschaft ist sehr divers. Hieraus ergibt

sich ein komplexer und hochgradig fragmentierter Markt.

9

Um den Überblick zu erleichtern, werden die Marktteilnehmer zur Berechnung der Ertragspools grob in

zwei Gruppen eingeteilt:

Kontoanbieter: Anbieter von direkt an die Verbraucher gerichteten Dienstleistungen wie Girokonto- und

Kreditkartenservices, deren Marken und Dienstleistungsangebote den Kunden von Zahlungstransaktionen

in der Regel vertraut sind.

Acquirer und Netzbetreiber: Anbieter von Dienstleistungen für Händler und Infrastrukturbetreiber. Diese

Gruppe von Anbietern bietet Netzwerkdienstleistungen an und übernimmt die Autorisierung, Weiterleitung

und Verarbeitung der einzelnen Zahlungen. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem Merchant Acquirer,

die Bezahlkartensysteme sowie Stellen, die für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs sorgen.

Abbildung 1: Gesamtrahmen zur Charakterisierung des P2P/P2B-Zahlungsverkehrs

Bargeld

Debitkarten

Kreditkarten

A2A-Überweisungen

A2A-Lastschriften

Scheck

Zah

lun

gsm

itte

l

MARKTSTRUKTUR

BEISPIEL: ZAHLUNGSVERKEHR BEI PRIVAT- UND FIRMENKUNDEN IN DER EU (OHNE ANSPRUCH AUF VOLLSTÄNDIGKEIT)

Bargeld Lloyds BankingGroup, Sparkasse, HSBC, Nordea, Intesa Sanpaolo, Swedbank, Credit Agricole, Banque Populaire, Barclays, Clydesdale Bank, BBVA, Santander, The Royal Bank of Scotland, Commerzbank, Deutsche Bank,ING DiBa,Postbank,Volks- und Raiffeisenbanken

Capital One, JCB, MBNA, Sainsbury’s Bank

Visa, MasterCard, Carte Bancaire, Diners Club, Amercian Express, Pago Bancomat

Debitkarten

Kreditkarten

A2A-Überweisungen

A2A-Lastschriften

Scheck

Zah

lun

gsm

itte

l

Satispay, Bacs, Faster Payments, Pingit, CHAPS, Trustly, Swish

Vocalink, Bacs, Faster Payments, CHAPS

Bacs, DirectDebit, ELV

Cheque & Credit Clearing Company, Iberpay, Banquede France

BACS, DirectDebit, ELV

Cheque & Credit Clearing Company, Iberpay, Banquede France

ABWICKLUNG

EMPFÄNGER

SystemKontoanbieter Emittent AcquirerGateway/

PSP/Terminal

ZAHLER NETZWERK

Kontoanbieter

Lloyds BankingGroup, Sparkasse, HSBC, Nordea, Intesa Sanpaolo, Swedbank, Credit Agricole, Banque Populaire, Barclays, Clydesdale Bank, BBVA, Santander, The Royal Bank of Scotland, Commerzbank, Deutsche Bank,ING DiBa,Postbank,Volks- und Raiffeisenbanken

Elavon, Global Payments, First Data, Nets, Santander, Worldpay, Intesa Sanpaolo, HSBC, BBVA, Concardis,B&S Card Services,EVO Payments

Concardis,B&S Card, Services, Sage Pay, Nets, Verifone, Paypal, Adyen, Ingenico, Worldpay,Ogone

Anmerkung: In einigen europäischen Märkten sind auch Distributoren/ISOs aktiv

Quelle: Oliver Wyman Analyse

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Der folgende Teil der Studie fasst die Funktionen der Marktteilnehmer, die Ertragsströme und die wichtigsten

Trends und ihrer Auswirkungen auf die Marktteilnehmer zusammen. Außerdem enthält dieser Abschnitt

Berechnungen der Ertragspools zurückliegender Jahre, die nach Region und Kategorie gegliedert sind.

Abbildung 1 zeigt einen Überblick der Zahlungsmittel und Zahlungsdienstleistungen, auf die sich die

Studie bezieht. Außerdem werden im Beispiel in Abbildung 1 einige der Dienstleister aufgeführt, die

entlang der Wertschöpfungskette tätig sind.

KONTOANBIETER

Die vorliegende Studie bezieht sich auf zwei Arten von Kontoanbietern:

1. Girokontoanbieter – für Privatkunden und Geschäftskunden

2. Kreditkartenemittenten

Es folgt eine Übersicht über die Rollen, Ertragsströme und wichtigsten Trends für diese Gruppe.

Girokontoanbieter

Die Wirtschaftlichkeit dieses Branchensegments hängt vom Nettozinsertrag (NZE), den monatlichen oder

jährlichen Kontoführungsgebühren, Überziehungszinsen und sonstigen Gebühren ab, die im

Zusammenhang mit dem Kreditrahmen für das jeweilige Konto anfallen. Abbildung 2 zeigt als Fallstudie

die Aufschlüsselung der Erträge aus Geschäftskunden-Girokonten von britischen Anbietern sowie

den Trend über die Jahre 2011 bis 2014.

Abbildung 2: Fallstudie Aufschlüsselung der Erträge aus Geschäftsgirokonten, Großbritannien

IN £ PRO KONTO, 2014

Transaktions-gebühren

Über-ziehung

Interbanken-entgelte

Monatl. Konto-

gebühren

SonstigeGebühren1

Zinsauf-wendungen

Zinsein-nahmen

Nettozins-marge(NZM)

Gesamt

112

192 5 3264 25

356 331

405

Nettozinsertrag (NZE)

Enthaltenin Studie

Trend2011-2014 -19% -21% n.z.2 23% 39% 14% -18% -20% -15%

1. Beinhaltet Occasional, Kontoführungskriterien und Kontoführungsgebühren sowie sonstige Einnahmen von Kontoinhabern und anderen

2. Interbankenentgelte = 0 in 2011

Quelle: CMA Report, Oliver Wyman Analyse

11

Das Girokontogeschäft steht hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit zunehmend unter Druck:

• Bedingt durch das Niedrigzinsumfeld in Europa ist die Nettozinsmarge (NZM) für Kontosalden immer

geringer geworden (siehe Abbildung 3).

• Mit der EU-Verordnung über multilaterale Interbankenentgelte (MIF-Verordnung) wurden Obergrenzen

für Interbankenentgelte sowohl für Debit- als auch für Kreditkartentransaktionen eingeführt (siehe

nähere Angaben unter “MIF-Verordnung”).

• In den reiferen Märkten, insbesondere in Großbritannien, wird vom Gesetzgeber eine einfachere und

für die Kunden transparentere Gestaltung der Preisstrukturen für Girokonten vorangetrieben, unter

anderem durch die Verringerung von Verzugszinsen und sonstigen Einmalzahlungen.

• Onlinebanken versuchen, durch (nahezu) kostenlose Konten und Kreditkarten ihre Marktanteile

zu steigern.

Trotz des Wettbewerbsdrucks durch Onlinebanken sahen sich in ganz Europa viele etablierte Banken

veranlasst, ihre monatlichen oder jährlichen Kontoführungsgebühren anzuheben, um Ertragsausfälle durch

das Niedrigzinsumfeld zu kompensieren.

In den meisten europäischen Märkten stellen die Girokonto-Anbieter ihren Privatkunden keine Gebühren für

Transaktionen auf ihren Konten in Rechnung. Sie übernehmen die dabei entstehenden Kosten, wie beispiels-

weise in den Netzwerken anfallende Verarbeitungsgebühren, selbst. Stattdessen setzen die Kontoanbieter

auf andere Ertragsströme, mit denen sich die Transaktionstätigkeit finanzieren lässt. Zu den Ausnahmen ge-

hören Gebühren für die Bearbeitung von Schecks in Märkten, in denen kaum noch Schecks anfallen, wie in

den skandinavischen Ländern und den Niederlanden. Eine weitere Ausnahme sind A2A-Transfers in einigen

Netzwerken, im Regelfall den Large-Value-Zahlungsverkehrsnetzen, die Real-Time Gross Settlement (RTGS)

in Zentralbankgeld anbieten (z. B. CHAPS-Überweisungen in Großbritannien). In einigen Ländern, darunter

Spanien, werden auch Gebühren für Barabhebungen an Geldautomaten erhoben.

Abbildung 3: Entwicklung der Nettozinsmarge (NZM) – Geschäftsgirokonten

% RÜCKGANG DER NZM, 2008-2015∆NZM NACH LAND (GESCHÄFTSGIROKONTEN)

0,4

1,2

1,6

1,6

1,8

3,3

3,8

2,2

GB

Schweden

Italien

Deutschland

Griechenland

Frankreich

EU

Niederlande

4

0

2

6

-2

8

Spanien

Griechenland

Schweden

Italien

Frankreich

GB

Deutschland

EU

Niederlande

2000 2016201220082004

HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER NETTOZINSMARGE NACH LAND (GESCHÄFTSGIROKONTEN)%, 2000-2015

Anmerkung: NZM-Berechnungen ohne Gebühren für Liquiditätsreserven, jedoch inklusive der Schätzwerte für Finanzierungsprämien. Der NZM wird berechnet aus Zinseinnahmen – Zinsaufwendungen; Zinseinnahmen für BCAs ist approximiert 3M EURIBOR oder ein äquivalenter Wert und die 5-Jahres-Swapsätze.

Quelle: EZB-Statistik, Oliver Wyman Analyse

12

Die meisten Privatgirokontoanbieter in Europa stellen ihren Kunden moderate jährliche oder monatliche

Gebühren für die Kontoführung in Rechnung. Es gibt allerdings auch Ausnahmen: so würden beispielsweise

Verbraucher in Großbritannien in der Regel keine monatlichen Gebühren für ein Standardgirokonto akzeptieren.

Die Kontogebühren für Geschäftsgirokonten sind meist höher und die Preisstrukturen komplizierter als im

Privatkundengeschäft. Für Transaktionen auf Geschäftskonten werden in aller Regel Gebühren berechnet.

So verlangen beispielsweise die führenden Anbieter von Geschäftsgirokonten in den Niederlanden bei

A2A-Zahlungen eine Transaktionsgebühr zwischen 0,05 Euro und 0,15 Euro.

In den meisten Ländern bieten die großen Banken Kleinunternehmen Staffeltarife an, bei denen bei höheren

monatlichen Grundgebühren entsprechend niedrigere Transaktionsgebühren in Rechnung gestellt werden.

In Großbritannien etwa haben Geschäftskunden bei den großen Banken meist die Wahl zwischen zwei ver-

schiedenen Produktangeboten:

Elektronischer Zahlungsverkehr: Für Unternehmen, die beispielsweise im Onlinehandel tätig sind und die

einen Großteil ihrer Transaktionen im A2A- und sonstigen elektronischen Zahlungsverkehr abwickeln.

Gemischter Zahlungsverkehr: Für Unternehmen wie kleinere Einzelhandelsgeschäfte, bei denen der

Zahlungsverkehr überwiegend in bar oder per Scheck abgewickelt wird.

Solche Regelungen finden sich auch in den meisten anderen EU-Märkten.

Abbildung 4 gibt einen Überblick über die Ertragsströme aus Privat- und Geschäftsgirokonten, die in das

Modell der Kontoanbieter-Ertragspools einbezogen wurden.

Abbildung 4: Ertragsströme aus Privat- und Geschäftsgirokonten und Einbeziehung in die Ertragspools

ERTRAGSSTRÖMEIN ERTRAGSPOOLS ENTHALTEN?

Nettozinsertrag (NZE) auf Kontensalden

Den Kunden in Rechnung gestellte Gebühren

• Regelmäßig (jährlich oder monatlich) in Rechnung gestellte Kontoführungsgebühren

• Cash-Management-Gebühren (z. B. für Bareinzahlungen auf Geschäftsgirokonten)

• Transaktionsgebühren (z. B. für A2A-Zahlungen, Einlösung von Schecks, Barabhebungen an Geldautomaten)

• Karteninhabergebühren

• Interbankenentgelte

• Gebühren für nicht erfolgreich abgeschlossene Transaktionen (z. B. fehlende Kontodeckung)

• Aufschlag für Transaktionen über alternative Kanäle (z. B. Telefonbanking)

• Überziehungszinsen und sonstige Gebühren im Zusammenhang mit dem Kreditrahmen für das jeweilige Konto

• Extragebühren (z. B. für Duplikate von Kontoauszügen) und Nebenkosten für besondere Vorfälle

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Kartenemittenten

Bei vielen Kontoanbietern in Europa erhalten die Kunden eine Debitkarte für ihr Konto. Kreditkarten werden

in den meisten EU Ländern von Banken oder Consumer Finance-Gesellschaften ausgestellt. In dieser Studie

wurden die folgenden Kartenprodukte ebenfalls als Kreditkarten eingestuft: Revolving-Kreditkarten sowie

Chargekarten und „deferred interest“-Debitkarten.

Die Wirtschaftlichkeit der Bezahlkarten hängt wesentlich von der Art der Bezahlkarte und vom Kundensegment

ab. Die meisten Emittenten erhalten jedoch eine Kombination aus unterschiedlichen Zinserträgen. Häufig

erheben sie eine ganze Palette an unterschiedlichen Gebühren, die in Form von Einmalzahlungen und trans-

aktionsgebundenen Gebühren in Rechnung gestellt werden.

Die von den Karteninhabern zu zahlenden Gebühren unterscheiden sich nach Land, Status (Standard, Gold

oder Platin) und Funktionalität des Produkts (Saldenübertrag oder revolvierende Kreditfazilitäten). In der

Vergangenheit gab es auch bei den Interbankenentgelten innerhalb der EU erhebliche Unterschiede, siehe

Abbildung 5.

Allerdings bewirkte die 2015 von der EU eingeführte MIF-Verordnung eine Reduzierung und Harmonisierung

der Interbankenentgelte in Europa. Die Interbankenentgelte für Lastschriften wurden dabei auf 20 Basispunkte

gedeckelt, für Überweisungen auf 30 Basispunkte. Die Kontoanbieter-Ertragspools wurden auf Grundlage

der Interbankenentgelte nach Einführung der MIF-Verordnung berechnet. Die Senkung der Interbankenentgelte

wurde in den Ertragspools für 2014 berücksichtigt.

Abbildung 5: Entwicklung der Interbankenentgelte für Kreditkartentransaktionen

BPSINTERBANKENENTGELTE FÜR KREDITKARTENTRANSAKTIONEN AN PHYSISCHEN POS IN DER EU

50

100

150

200

GB Frankreich Deutschland Spanien Schweden Niederlande Griechenland Italien

0

Pre-MIFMasterCardNon-Premium

Pre-MIF MasterCard Premium

Pre-MIF VisaNon-Premium

Pre-MIF VisaPremium

Post-MIF Gebühr

Pre-MIF Durchschnitt

-60bps

Quelle: Federal Reserve Bank of Kansas City Report 2013, Oliver Wyman Analyse

14

Abbildung 6 gibt einen Überblick über die Kartenemittenten-Ertragsströme, die in das Modell

der Kontoanbieter-Ertragspools einbezogen wurden.

ACQUIRER UND NETZBETREIBER

Diese Studie geht auf drei Arten von Netzwerken ein:

• Bezahlkarten

• Geldautomaten

• Account to Account (A2A)

Die Acquirer- und Netzbetreiber-Ertragspools berücksichtigen verschiedene Akteure, die für die Erbringung

von Dienstleistungen und für die Infrastruktur dieser Zahlungen verantwortlich sind. Der folgende Abschnitt

gibt einen Überblick über die Rolle dieser Akteure, die Ertragsströme und wichtige Entwicklungen der

jüngsten Zeit, die deren Geschäftsmodelle beeinflussen.

Wertschöpfungskette für Bezahlkarten

Über die Wertschöpfungskette werden Infrastruktur und Dienstleistungen für die Erfassung, Autorisierung,

Abwicklung und Abrechnung von Bezahlkartentransaktionen bereitgestellt. In der Regel ist diese Wert-

schöpfungskette auf unterschiedliche Akteure und ihre Rollen aufgeteilt. Abbildung 7 zeigt die Wertschöpfungs-

kette und ihre wichtigsten Akteure.

Die primären Einnahmequellen von Bezahlkartensystemen sind die Mitgliedsbeiträge und die von Karten-

emittenten und Acquirern zu zahlenden volumenabhängigen Systemgebühren. Um ein höheres Volumen

zu erreichen, werden größeren Emittenten und Acquirern häufig Erstattungen und Rabatte gewährt.

Abbildung 6: Kartenemittenten-Ertragsströme und Einbeziehung in die Ertragspools

KARTENEMITTENTEN-ERTRAGSSTRÖMEIN ERTRAGSPOOLS ENTHALTEN?

Jahresgebühren für Karteninhaber

Interbankenentgelte

Sonstige transaktionsabhängige Gebühren

Einmalgebühren (u.a. einschließlich Saldenübertrag, Mahngebühren, Gebühren für Kontoauszüge usw.)

Verzugszinsen

15

In der EU ist das Acquiring-Geschäft hauptsächlich länderspezifisch aufgeteilt, in den einzelnen Ländern sind

unterschiedliche Anbieter tätig. Haupteinnahmequelle für Acquirer ist die Merchant Service Charge (MSC).

Die MSC beinhaltet ein Interbankenentgelt, das vom Acquirer an den Emittenten weitergegeben wird. Inner-

halb Europas bestehen bei den MSCs trotz der Angleichung der Interbankenentgelte erhebliche Unterschiede,

die die wettbewerbsbedingte Dynamik der einzelnen Märkte und die Verhandlungsmacht der Händler in

den einzelnen Ländern widerspiegeln. Auch hinsichtlich der Dynamik des Acquiring-Markts sind deutliche

Unterschiede zwischen dem eher preissensiblen Large Corporate-Segment und dem Segment der kleinen

Händler zu beobachten:

• Durch die starke Verhandlungsposition der Großunternehmen wurden die MSCs gedrückt, so dass die

Margen für die Acquirer gering ausfallen.

• Dem versuchen die Acquirer dadurch zu begegnen, dass sie im Large Corporate-Segment verstärkt

Mehrwertdienste wie Reporting, Lösungen für den integrierten Zahlungsverkehr und Lösungen für

kundennahe Aktivitäten bewerben, für die entsprechende Gebühren anfallen.

• Die Acquirer nutzen das Large Corporate-Segment hauptsächlich dazu, Größenvorteile zu realisieren

und die Grenzkosten zu senken.

• Im Firmenkundensegment werden Gewinne erzielt, da hier die MSCs höher und die Margen größer sind.

Die Acquirer verlangen in diesem Segment auch Gebühren für die Bereitstellung von Gateway-Diensten

und Terminals.

Abbildung 7: Kartennetzwerk – Überblick der wichtigsten Marktteilnehmer

AcquiringServices

Abwicklung

BESCHREIBUNG ERTRAGSSTRÖME

IssuingServices

• Bereitstellung von Händlersoftware für Transaktionserfassung und -routing

• Übermittlung von Transaktionsdaten an den Acquirer

• Anwerbung von Händlern für Kartenzahlungsverkehr

• Systemgebühren

• Merchant Service Charge

• Transaktionsgebühr

• Gateway-Gebühr

• Terminalmiete

• Transaktionsgebühr

• Gateway-Gebühr

• Terminalmiete

Gateway/PaymentService Provider (PSP)Worldpay, Adyen

HändlerAmazon, Galeria Kaufhof

Ausstellende Bank3

MBNA, Credit Agricole

Bezahlkartensystem2

Visa, MasterCard

Acquirer1

Elavon, Intesa Sanpaolo

Acceptance ProviderHandepay

• Halten eine vertragliche Vereinbarung mit dem Karteninhaber

• Tragen Kreditrisiko

• Können außer bilanzwirksamen Aktivitäten alles outsourcen

• Bereitstellung der Plattform, über die Händler mit den Netzwerken der Kartensysteme verbunden sind und der Zahlungsverkehr abgewickelt wird

• Verantwortlich für Erhebung von Transaktionsinformationen und Abrechnung

• Autorisierung von Transaktionen

• Halten von Einlagenkonten für Händler

• Underwriting von Kartentransaktionen and Haftung für Händler

• Bereitstellung des Netzwerks für Transaktionsrouting

• Verbindung und Schaltung von Transaktionen zwischen Merchant Acquirern und Kartenemittenten

• Investitionen in Kartenvermarktung und eigene Marke

• Festlegung von Regeln und Gebühren

• Zinseinnahmen auf Guthaben

• Interbankenentgelte

• Sonstige Gebühren und Provisionen

1. Acquiring Processor bei Outsourcing

2. System Processor bei Outsourcing

3. Issuing Processor bei Outsourcing

Anmerkung: Acceptance Provider sind in einigen EU-Märkten aktiv

Quelle: Oliver Wyman Analyse

16

BEZAHLKARTENNETZE – AKTEURE UND ERTRAGSMODELLE

Kasten 1 zeigt in einer schematischen Darstellung die Akteure in einem Bezahlkartennetz und

die Gebühren, die die Akteure untereinander erheben. Die Geschäftsbeziehungen zwischen den

Akteuren sind nicht sehr transparent und unterscheiden sich von Land zu Land. Für Acquirer und

Netzbetreiber wurde daher ein Gesamt-Ertragspool berechnet.

Im Modell wurden die MSCs (ohne Interbankenentgelte) um Mehrwertdienste und Point-of-Sale-

(PoS-) Terminalgebühren korrigiert, die in die Acquirer- und Netzbetreiber-Ertragspools einbe-

zogen wurden.

Kunde Händler

Card issuerNetto: 51 bps

MerchantAcquirer

Netto: 44 bps

Kartennetz/-systemNetto: 22 bps

Interbankenentgelt58 bps

Systemgebühr18 bps

Systemgebühr15 bps

Merchant Services Charge125 bps

Kunde tätigt Zahlung

Neue Obergrenze für Interbankenentgelte unter PSD2:0,2 % für Debitkarten und 0,3 % für Kreditkarten

Rabatt für größere Emittenten8 bps

Rabatt3 bps

Abwicklungsgebühr8 bps

Acquiring-Processor

Netto: 8 bps

ABWICKLUNGSOUTSOURCING MÖGLICH

51 bps

22 bps

52 bps

125 bps

1 Kartenemittent

2 Kartennetz/-system

3 Merchant Acquirer und Processor

4 Händlergebühr gesamt

Quelle: JPM Payment Processing Economics, Oliver Wyman Analyse

17

A2A-Netzwerke

Ein A2A-Netzwerk ist ein Interbankennetzwerk, das Account-to-Account-Transaktionen (A2A) ermöglicht.

Im A2A-Zahlungsverkehr werden im Wesentlichen zwei Kategorien unterschieden: Lastschriften und Über-

weisungen, hierunter fällt inzwischen auch das SCT Inst-System für Sofortzahlungen. Einige Netzwerke

unterstützen Autorisierung und Abrechnung nahezu in Echtzeit, wie beispielsweise der Faster Payments

Service in Großbritannien. In anderen Netzwerken werden Transaktionen über Nacht verarbeitet und bis zum

Clearing vergehen gelegentlich einige Werktage.

Für Netzwerkmanagement und Transaktionsabwicklung müssen die Banken eigene Stellen einrichten. Häufig

legen sie auch Standards und Prozesse für die gesamte Branche fest und stellen unter Nutzung ihrer Größen-

vorteile eine gemeinsame Infrastruktur für Autorisierung, Clearing und Abrechnung bereit.

Viele dieser Netzwerke in den einzelnen europäischen Märkten befinden sich noch im Eigentum von Groß-

bankenkonsortien und werden auf Not-for-Profit-Basis betrieben, so zum Beispiel Faster Payments (das von

VocaLink betrieben wird, welche ihrerseits von MasterCard übernommen wurde), CHAPs und BACS in Groß-

britannien. Zur Deckung der Betriebskosten werden häufig transaktionsbezogene Gebühren erhoben. Diese

Gebühren sind in den Ertragspools für Acquirer und Netzbetreiber berücksichtigt. Bei denjenigen EU Ländern,

in denen die Gebühren nicht an die Kunden weitergegeben werden, wurden sie von den Kontoanbieter-

Ertragspools abgezogen.

Geldautomatennetze

Geldautomatennetze stellen die physische Geldautomaten-Infrastruktur bereit, über die Karteninhaber

Barabhebungen vornehmen können, und übernehmen die zugehörige Abwicklung.

Die Netzwerke werden entweder von den Banken oder von unabhängigen Unternehmen betrieben. Bei den

Transaktionen wird unterschieden zwischen internen oder „On Us“-Transaktionen (d. h. Terminaleigentümer

und Kartenemittent sind identisch) und externen oder „Off Us“-Transaktionen. „Off Us“-Transaktionen erfolgen

entweder über ein Netzwerk einer anderen Bank oder über Independent ATM Deployers (IADs) oder

Independent Service Operators (ISOs), die unabhängige Terminalnetzwerke unterhalten. Um eine größere

Reichweite der „On Us“-Netzwerke sicher zu stellen, wurden verschiedene Interbankensysteme eingerichtet.

So sind beispielsweise beim britischen Netzwerk die Banken Eigentümer des Netzes, dessen Leitung wurde

jedoch einer Organisation übertragen, die von LINK geführt wird. In Schweden haben sich die großen Banken

zu einem Konsortium zusammengeschlossen und unter dem Namen Bankomat eine eigene Gesellschaft

gegründet, die das Geldautomatennetz betreibt.

Innerhalb Europas sind „On Us“-Transaktionen in der Regel für den Kunden kostenlos, für „Off Us“-Transaktionen

werden je nach Eigentumsmodell Gebühren für die Auszahlung am Terminal, Geldautomaten-Interbanken-

entgelte und/oder Gebühren bei den Kartenemittenten erhoben.

Terminalgebühren sind nur in den Acquirer- und Netzbetreiber-Ertragspools berücksichtigt. Bei den Geld-

automaten-Interbankenentgelten wird davon ausgegangen, dass sich der Betrag auf Systemebene bei null

ausgleicht, daher ist dieser Wert nicht in den Kontoanbieter-Ertragspools enthalten. In Deutschland ist dies

allerdings ein wesentlicher Ertragspool für Banken.

18

ZAHLUNGSVERKEHRSMÄRKTE UND MARKTGRÖSSEN IN DEN ZURÜCKLIEGENDEN JAHREN

ZAHLUNGSVERKEHRSMÄRKTE

Trotz der jüngsten Initiativen zur Vereinheitlichung von Infrastruktur und Regulierung der Zahlungsverkehrs-

märkte in Europa (wie SEPA und PSD1) zeigt sich die Landschaft in diesem Bereich weiterhin komplex

und heterogen.

Um hier einen besseren Überblick zu ermöglichen, sind die 28 Mitgliedstaaten der EU nach folgenden

Kriterien in sechs Zahlungsverkehrsmärkte eingeteilt:

1. Geografische Nähe

2. Struktur und Reife der Branche und der Infrastruktur für den elektronischen Zahlungsverkehr

(d. h. Kreditkarten, Debitkarten, A2A)

3. Historische Akzeptanzraten und Nutzungsverhalten in Bezug auf unterschiedliche Zahlungsmittel

(z. B. Prävalenz von Barzahlungen oder sonstigem beleghaftem Zahlungsverkehr, Durchdringungsgrad

von Debit- und Kreditkarten, bevorzugte Lösung im E-Commerce)

Abbildung 8 zeigt die sechs Zahlungsverkehrsmärkte nach dieser Einteilung im Überblick.

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen Märkte einander gegenübergestellt und interessante

Unterschiede in der Marktstruktur oder der Nutzung unterschiedlicher Zahlungsmittel in den wichtigsten

Regionen näher erläutert.

Abbildung 8: Die Zahlungsverkehrsmärkte in der EU im Überblick

GB & IRLAND FRANKREICH & BENELUX

MITTELEUROPA (GESAMT)

DAVON DEUTSCHLAND

IBERISCHE HALBINSEL & ITALIEN SKANDINAVIEN SONSTIGE EU1

Pro-Kopf-BIP in Tsd. € pro Person

54 34 28 39 23 61 10

Infr

astr

ukt

ur

Filialdichte Gering Mittel Gering Gering Hoch Gering Mittel

Geldautomaten-Netzdichte

Hoch Hoch Medium Hoch Mittel Gering Mittel

Durchdringung PoS Mittel Mittel Gering Gering Mittel Hoch Gering

Durchdringung Bezahlkarten

Hoch Mittel Mittel Mittel Mittel Hoch Gering

Nu

tzu

ng

Nutzung Bargeld und Schecks

Mittel Hoch Mittel Mittel Hoch Gering Hoch

Nutzung Bezahlkarten

Hoch Hoch Gering Gering Gering Hoch Gering

Nutzung A2A Mittel Mittel Hoch Hoch Mittel Medium Mittel

REIFE HOCH/MITTEL MITTEL HOCH/MITTEL HOCH/MITTEL MITTEL/GERING HOCH GERING

1. Baltische Länder, Südosteuropa, Südliches Mitteleuropa

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik (2014), Oxford Economics Daten für 2014, Worldpay Report Nov. 2015, Weltbank, Oliver Wyman Analyse

20

HISTORISCHE TRENDS UND VERGLEICH DER MÄRKTE IN DER EU

Wie das BIP so sind in den letzten Jahren auch die Volumina im Zahlungsverkehr in Europa kontinuierlich

gestiegen. 2014 wurden in Europa rund 113 Milliarden bargeldlose Zahlungstransaktionen vorgenommen.

Die meisten Transaktionen fanden dabei am PoS mit Hilfe von Debitkarten statt.

Das höchste Volumen und zugleich die stärkste Wachstumsrate verzeichnet der bargeldlose Zahlungsverkehr

in den skandinavischen Ländern, Frankreich und den Benelux-Ländern sowie Großbritannien und Irland.

Kennzeichnend für diese Märkte sind reifere Bezahlkartennetze und ein höherer Durchdringungsgrad

für Bezahlkarten. Auch elektronische Zahlungslösungen auf A2A-Basis wurden in diesen Ländern erfolg-

reich eingeführt.

Abbildung 9 zeigt die historischen Zahlungsaktivitäten in Europa nach Zahlungsmitteln und Zahlungs-

verkehrsmarkt.

Barzahlung, Zahlung per Scheck und die zugehörige Infrastruktur

In weiten Teilen der EU ist die Barzahlung weiterhin die gängige Zahlungsart. In Mitteleuropa inklusive

Deutschland wird insgesamt am meisten Bargeld an Geldautomaten abgehoben. Aber auch auf der iberischen

Halbinsel und in Italien, in Großbritannien und Irland sowie in Frankreich und den Benelux-Ländern wird viel

Bargeld auf diesem Weg ausgezahlt. Dies zeigt, dass in vielen europäischen Volkswirtschaften der Bargeld-

verkehr nach wie vor einen bedeutenden Stellenwert hat.

Wie aus Abbildung 10 hervorgeht, bestehen hinsichtlich der Höhe der Barabhebungen an Geldautomaten

erhebliche Unterschiede zwischen den EU-Zahlungsverkehrsmärkten. Ursache hierfür sind Unterschiede

in der Dichte der Geldautomatennetze und bei den Geschäftsmodellen der Geldautomaten-Netzbetreiber.

Abbildung 11 zeigt die Dichte der Geldautomatennetze im Vergleich.

Abbildung 9: Historische Zahlungsaktivitäten in den EU Märkten – Überblick

Skandinavien

GB & Irland

Frankreich & Benelux1

Mitteleuropa(gesamt)

Deutschland

Iber.Halbinsel & Italien

Sonstige EU

Nominales BIP

2010 2011 2012 20142013

300

150

450

2010-2014, Anzahl pro Kopf

ANZAHL DER TRANSAKTIONEN PRO KOPF NACH ZAHLUNGSVERKEHRSMÄRKTEN (OHNE BARGELD)

0PoS-Debitkarten

PoS-Kreditkarten

Schecks

Abhebungen anGeldautomaten

A2A (Lastschriften)

A2A (Überweisungen)

Nominales BIP, EU gesamt

80 12

40 6

120 18

2010 2011 2012 20142013

Billionen €2010-2014, Anz. Mrd.

ANZAHL DER TRANSAKTIONEN NACH ZAHLUNGSMITTEL(OHNE BARGELD)

00

113

9390

10296

Anmerkung: Aufgrund eingeschränkter Datenverfügbarkeit in der EZB Zahlungsverkehrsstatistik sind Zahlenangaben bis 2014 ohne Bezahltransaktionen für Frankreich

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Euromonitor, Weltbank, Oliver Wyman Analyse

21

Großbritannien und Irland verzeichnen hohe Abhebungsraten und niedrige durchschnittliche Auszahlungs-

beträge. Mehrheitlich sind die Geldautomatennetze dem LINK-Verbund angeschlossen, die Nutzung am

Point of Use ist kostenlos. In anderen Märkten existieren ähnliche Interbanken-Geldautomatensysteme.

Das Bancomat Geldautomatennetz in Schweden wird von fünf großen Banken gemeinsam betrieben. Für

die Nutzung des gemeinsamen Geldautomatennetzes werden den Kunden keine Gebühren berechnet.

In anderen Zahlungsverkehrsmärkten in der EU haben sich komplexere Strukturen herausgebildet, bei denen

für die Kunden bei Abhebungen meist Gebühren anfallen. Der durchschnittliche Abhebungsbetrag ist

daher in diesen Märkten meist höher. In Spanien wurden von den großen Banken drei Geldautomatennetze

eingerichtet: 4B, ServiRed und 6000. Kunden, die Bargeld an einem Geldautomaten abheben, der an das

eigene Netz ihrer Bank angeschlossen ist, zahlen für die Auszahlung meist eine moderate Gebühr zwischen

0,50 Euro und 1,80 Euro. Bei Abhebungen über andere Netze sind die Gebühren höher.

Schecks als Zahlungsmittel sind in der EU generell auf dem Rückzug. In einzelnen EU-Märkten werden sie

allerdings im Zahlungsverkehr weiterhin genutzt. Hier sind folgende Trends zu beobachten:

• In Südosteuropa sind Schecks immer noch ein gebräuchliches Zahlungsmittel, insbesondere in

Griechenland und Zypern, wo wertmäßig über 20 Prozent des bargeldlosen Zahlungsverkehrs über

Schecks abgewickelt werden.

• In Spanien und Italien werden bei hohen Zahlungsbeträgen, etwa beim Hauskauf, nach wie vor häufig

Schecks genutzt.

• In den reiferen Märkten, wie z. B. in Großbritannien und Frankreich, werben Wirtschaft und

Regierung mit gezielten Kampagnen1 dafür, modernere elektronische Zahlungsmechanismen,

wie A2A-Überweisungen, zu nutzen und auf Scheckzahlungen nach und nach ganz zu verzichten.

Diese Bemühungen hatten unterschiedlichen Erfolg.

• In mehreren weiteren europäischen Ländern, darunter die Niederlande, Schweden und Estland, sind

Schecks als Zahlungsmittel kaum noch gebräuchlich. Sie werden nur von wenigen Händlern akzeptiert

und die Kontoanbieter verlangen hohe Gebühren für die Einlösung.

1 So gab es beispielsweise 2008 beim britischen Payments Council Überlegungen, den Scheckabrechnungsverkehr bis 2018 ganz einzustellen. Diese Initiative wurde allerdings eingestellt. Trotzdem geht der Zahlungsverkehr per Scheck allmählich zurück, da die Verbraucher schnellere und bequemere Zahlungsmethoden auf A2A-Basis bevorzugen (z. B. FPS in Großbritannien). 2012 wurde vom französischen Finanzministerium das Ziel ausgegeben, binnen fünf Jahren die Zahl der in Frankreich ausgestellten Schecks zu halbieren. Die Entwicklung von Alternativen zu Scheckzahlungen blieb auch 2015 eines der Ziele der nationalen Strategie. Während die Tendenz beim Scheckverkehr insgesamt rückläufig ist, hat diese Form des Zahlungsverkehrs in Frankreich gegenüber vergleichbaren EU-Märkten weiter einen hohen Stellenwert

Abbildung 10: Barabhebungen an Geldautomaten

GB &Irland

3,7

85

Mittel-europa

3,4

127

Deutschland

4,1

129

Österreich

5,3

177

Iber.Halb-insel & Italien

2,7

139

Frankreich &Benelux

2,5

98

Skandinavien

1,8

105

Sonstige EU

2,1

132

DURSCHNITTLICHER UMSATZ BEI BARABHEBUNGENIN €, 2014

UMSATZ BEI BARABHEBUNGEN VON GELDAUTOMATEN PRO KOPF NACH ZAHLUNGSVERKEHRSMARKTIN TSD. €, 2014

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Euromonitor, Oliver Wyman Analyse

22

Bei der Dichte des Filialnetzes bestehen in Europa erhebliche Unterschiede:

• Die höchste Filialdichte pro Kopf verzeichnen die iberische Halbinsel und Italien, wo Barzahlungen und

beleghafter Zahlungsverkehr weiter verbreitet sind.

• Am geringsten ist die Filialdichte in Großbritannien und Irland, in Mitteleuropa und in den skandi-

navischen Ländern. Der hohe Marktdurchdringungsgrad von Bezahlkarten und anderen

elektronischen Zahlungsmitteln gab den Banken in diesen Märkten die Möglichkeit, die Zahl ihrer

Filialen deutlich zu verringern.

Durch den wachsenden Marktdurchdringungsgrad von Bezahlkarten und anderen innovativeren Zahlungs-

mitteln geraten der Barzahlungsverkehr und Schecks als Zahlungsmittel in der EU zunehmend unter Druck.

Zudem wird in einigen Zahlungsverkehrsmärkten der EU der Übergang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr

auch durch politische Maßnahmen gefördert. So führte die spanische Regierung 2012 ein Gesetz ein,

mit dem eine Obergrenze von 2.500 Euro für Bartransaktionen festgesetzt wurde, um Geschäfte im „grauen

Markt“ zu verhindern und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Bezahlkartenmärkte

Die Bezahlkartenmärkte innerhalb Europas unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Dynamik und ihrer Reife.

Ursache hierfür sind im Wesentlichen zwei Faktoren:

Reife der zugehörigen Infrastruktur: Beim Durchdringungsgrad mit PoS-Terminals und bei der Technologie-

ausstattung der PoS (z. B. Bezahlung per Chip und PIN, kontaktlos, mit Magnetstreifen oder Unterschrift)

bestehen erhebliche Unterschiede.

Bezahlkarten-Durchdringungsgrad: Der Durchdringungsgrad reicht hier von 0,5 bis 2,5 Karten pro Kopf.

Auch hinsichtlich der Präferenzen bestehen Unterschiede: Während sich in einigen Märkten Debitkarten

großer Beliebtheit erfreuen, werden in anderen Märkten vor allem Kreditkarten eingesetzt.

Abbildung 12 zeigt den Einfluss dieser beiden Faktoren in den Zahlungsverkehrsmärkten der EU im Vergleich

und stellt den Faktoren Indikatoren für die Nutzung von Bezahlkarten gegenüber.

Unsere wichtigsten Beobachtungen in den relevanten Märkten lauten wie folgt:

• Am höchsten ist der Durchdringungsgrad mit Bezahlkarten in Großbritannien und Irland sowie in den

skandinavischen Ländern. In diesen Märkten verzeichnen die Kartenemittenten auch die höchsten

Gesamttransaktionsumsätze pro Karte – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: hoher durch-

schnittlicher Umsatz pro Transaktion in Großbritannien und Irland, hohe Nutzungsfrequenz bei niedrigem

durchschnittlichem Umsatz pro Transaktion in den skandinavischen Ländern.

• Frankreich und die Benelux-Länder sowie Deutschland und die mitteleuropäischen Länder weisen

einen ähnlich hohen Durchdringungsgrad auf. Allerdings ist die Dichte des PoS-Netzes in Frankreich

und den Benelux-Ländern höher, so dass für die Verbraucher deutlich mehr Gelegenheit besteht, ihre

Bezahlkarten zu nutzen. Folglich ist in Frankreich und den Benelux-Ländern die Transaktionsfrequenz

höher und der durchschnittliche Umsatz pro Transaktion geringer.

• Die iberische Halbinsel und Italien verfügen im Vergleich zu anderen europäischen Märkten über ein

relativ reifes Acquiring-Netzwerk. Jedoch ist in diesen Ländern der Durchdringungsgrad geringer und

die Verbraucher zahlen am PoS bevorzugt bar.

23

Abbildung 11: Dichte der Geldautomaten- und der Filialnetzwerke in den einzelnen Zahlungsverkehrsmärkten

FILIALDICHTEFILIALEN PRO 1.000 EINWOHNER, 20141

GELDAUTOMATEN-NETZDICHTEGELDAUTOMATEN PRO 10.000 EINWOHNER, 20142

<19

<28

>28

>38

<5

<6

>6

>9

GB &Irland

Skandinavien

Frankreich & Benelux

Mittel-europa

Sonstige EU3

Iber.Halbinsel &Italien

GB &Irland

Skandinavien

Frankreich & Benelux

Mittel-europa

Sonstige EU3

Iber.Halbinsel &Italien

1. Deutschland: 14,5 Filialen/1.000 Einwohner, Österreich: 14,9 Filialen/1000 Einwohner

2. Deutschland: 11,8 Geldautomaten/10.000 Einwohner, Österreich: 11,9 Geldautomaten/10.000 Einwohner

3. Baltische Länder, Südosteuropa, Südliches Mitteleuropa

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Weltbank, Oliver Wyman Analyse

Abbildung 12: Reife des Netzes und Nutzung von Bezahlkarten im Vergleich – nach Märkten gegliedert

2,4

1,8

1,2

3,0

0,6

80

60

40

100

20501

3530252015105

Sonstige EU

Skandinavien

Iber.Halbinsel& Italien

Mitteleuropa (gesamt)

180160140120100806040200

POS-TERMINALS PRO 1.000 EINWOHNER ANZAHL TRANSAKTIONEN PRO KARTE

Sonstige EU879

Skandinvavien

Mitteleuropa(gesamt)

1.636

Österreich996

Deutschland1.919

Frankreich & Benelux

GB & Irland

1.0002

ANZAHL KARTEN PRO KOPF (ANZAHL PRO PERSON)REIFE DES BEZAHLKARTENNETZES (2014)

DURCHSCHNITTL. TRANSAKTIONSUMSATZ (€/TRANSAKTION)NUTZUNG VON BEZAHLKARTEN (2014)

197

264

153

41 51

28

GB & Irland

Frankreich & Benelux

Deutschland

Österreich

5.002

3.743

4.727

Iber. Halbinsel & Italien

1.956

4015

1. Kartenzahlungstransaktionen pro Kopf (Anzahl pro Person)

2. Transaktionsumsatz pro Karte (€/Karte)

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Oliver Wyman Analyse

25

Auch hinsichtlich der Präferenz von Debit- bzw. Kreditkarten unterscheiden sich die Zahlungsverkehrsmärkte.

Abbildung 13 zeigt die Anzahl der ausgestellten Bezahlkarten und die Ausgaben ingesamt für die

Zahlungsmärkte, unterteilt nach Kredit- und Debitkarten. In der EU machen Debitkarten etwa zwei Drittel

aller ausgestellten Bezahlkarten aus, über 70 Prozent der Gesamtausgaben mit Bezahlkarten werden mit

Debitkarten getätigt.

Abbildung 13: Marktposition von Debit- bzw. Kreditkarten in den EU Zahlungsverkehrsmärkten

GB & Irland

Deutschland

Frankreich &Benelux

Mitteleuropa(gesamt)

Iber.Halbinsel &Italien

Skandinavien

Durchschnitt EU Kredit

Debit

ANTEIL DER AUSGESTELLTEN BEZAHLKARTEN NACH TYPIN %, 2014

ANTEIL DER AUSGABEN UNTERTEILT NACH KREDIT- UND DEBITKARTENIN %, 2014

Sonstige EU 71 29

80 20

62 38

77 23

63 37

72 28

72 28

63 37

7723

6040

5347

6931

7822

7822

6139

34 66

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Oliver Wyman Analyse

Abbildung 14: Fallstudie – nationale Bezahlkartensysteme in wichtigen EU-Regionen

CARTES BANCAIRES, FRANKREICH PAGOBANCOMAT, ITALIEN DANKORT, DÄNEMARK

Art 4 Parteien 4 Parteien 4 Parteien

Abwicklung für

Debitkarten

Kreditkarten

Umsatz mit Kartentransaktionen in Mrd. € (% vom Gesamtumsatz)1

212 (40%) 57 (23%) 36 (66%)

E-Commerce

Int. Partner Visa, MasterCard Maestro, Visa, V PAY Visa

Bemerkungen • Bankeigen (seit 1967)

• Mitgliedssytem, dem alle großen französischen Banken angehören

• Betreibt nationales Geldautomaten-netz

• Kontaktlose Zahlung und „Chip and PIN“

• Sicherheit: DDA und 3D Secure Autorisierung

• Vom italien. Bankenverband eingerichtetes Debitkarten-zahlungsnetz (seit 1983)

• Neuer Eigentümer: Bancomat- Konsortium

• Mitgliedssytem, dem alle großen italienischen Banken, Finanzmittler und Zahlungsinstitute angehören

• Kontaktlose Zahlung und „Chip and PIN“

• Von einem Bankenkonsortium gegründet (1983)

• 2014 Übernahme des Betreiber-unternehmens Nets durch ein Konsortium unter Führung von Advent International und Bain Capital

• Vor Kurzem Vorbereitung einer IPO (Nets)

• Kontaktlose Zahlung und „Chip and PIN“

1. Marktanteil CB: % der Debit- und Kreditkartentransaktionen in Frankreich; Pagobancomat und Dankort: nur % der Debitkartentransaktionen in Italien bzw. Dänemark

Quelle: Datamonitor Statistik 2014, Unternehmenswebsites, Nachrichtenmeldungen, Oliver Wyman Analyse

26

In den skandinavischen Ländern, Frankreich und den Benelux-Ländern werden – gemessen an der Höhe

der Ausgaben – Debitkarten von den Verbrauchern gegenüber Kreditkarten eindeutig bevorzugt

(über 75 Prozent der Gesamtausgaben mit Bezahlkarten). Bei den Kreditkarten ist der Ausgabenanteil in

Großbritannien und Irland, Deutschland, Mitteleuropa und auf der iberischen Halbinsel am höchsten. Dies ist

einer der wesentlichen Faktoren für den hohen durchschnittlichen Umsatz pro Transaktion in diesen Märkten

(siehe Abbildung 12).

Neben den internationalen Systemen existieren in einigen Ländern auch lokale Bezahlkartensysteme, die

vor allem in einigen großen europäischen Märkten eine signifikante Marktposition einnehmen (siehe

Abbildung 6). Bei diesen lokalen Systemen handelt es sich in der Regel um bankeigene Systeme, die zum

Selbstkostenpreis betrieben werden. Folglich sind die MSCs deutlich niedriger, wodurch diese Systeme für

die Händler attraktiver sind als die internationalen Systeme. Die ausgestellten Karten werden außerdem mit

internationalen Systemen kombiniert (Co-Branding), damit sie von den Kunden auch im Ausland genutzt

werden können.

A2A

Der A2A-Zahlungsverkehr gewinnt in den reiferen Zahlungsverkehrsmärkten in Europa zunehmend

an Bedeutung.

Wie aus Abbildung 15 hervorgeht, sind A2A-Zahlungen vor allem in Frankreich und den Benelux-Ländern,

Deutschland und Mitteleuropa, den skandinavischen Ländern sowie Großbritannien und Irland verbreitet.

In diesen Märkten wurden beträchtliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt (nähere Angaben hierzu

finden sich in Abschnitt „Echtzeit-A2A“). So sind beispielsweise die A2A-Netzwerke in Großbritannien und

Schweden in der Lage, Transaktionen annähernd in Echtzeit zu verarbeiten.

Abbildung 15: A2A-Nutzung in den europäischen Märkten

0,0

1,5

3,0

4,5

6,0

20 40 200120 140 160 18010060 80

Sonstige EU

Skandinavien

Mitteleuropa(gesamt)

Frankreich & Benelux

GB & Irland

Österreich

Deutschland

A2A-TRANSAKTIONEN PRO KOPF(ANZ. PRO PERSON)

(TSD. €/TRANSAKTION)

NUTZUNG A2AUMSATZ PRO A2A-TRANSAKTION

VERHÄLTNIS ÜBERWEISUNGEN ZU LASTSCHRIFTENIN %, 2014, ANZAHL TRANSAKTIONEN

1001 Durchschnitt EU 45 55

GB & Irland

Frankreich &Benelux

Mitteleuropa(gesamt)

Iber.Halbinsel &Italien

Skandinavien

Österreich

Deutschland

Sonstige EU 9 91

20 80

54 46

49 51

59 41

46 54

43 57

48 52

383

551

475177

248

81

682383

316

Lastschriften

Überweisungen

Iber. Halbinsel & Italien

1. A2A-Transaktionsumsatz pro Kopf (in Tsd. € pro Person)

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Oliver Wyman Analyse; Anmerkung: Daten für GB beinhalten CHAPs-Zahlungen mit hohen Umsätzen

27

Überweisungen machen durchschnittlich etwa 45 Prozent des A2A-Zahlungsverkehrs in Europa aus, der

Rest entfällt auf Lastschriften. Bei der Nutzung von A2A-Zahlungen bestehen zwischen den europäischen

Märkten strukturelle Unterschiede:

• Vor allem in den skandinavischen Ländern werden vorwiegend Überweisungen getätigt. Grund hierfür

ist die Existenz von Zahlungsdiensten wie Swish, MobilePay und Vipps, die sich bei den Verbrauchern

großer Beliebtheit erfreuen (nähere Angaben hierzu im Abschnitt „Zahlungsverkehr und mobile

Geldbörse“). Außerdem stellen Banken und Zahlungsnetzbetreiber (wie Nets) in einigen skandinavischen

Ländern Unternehmen Gebühren für die Abwicklung von Lastschriften in Rechnung. Diese Gebühren

werden in der Regel an die Verbraucher weitergegeben. Das Lastschriftverfahren gewährleistet für

Unternehmen einen geregelten Cashflow ohne zusätzliche Kosten. Daher ist dieses Verfahren in den

skandinavischen Ländern weit verbreitet.

• In Deutschland sind durch das Elektronische Lastschriftverfahren (ELV) die Zahlungsvolumina im Last-

schriftverkehr sehr viel höher. Dank dieses Verfahrens können Verbraucher in Deutschland Einzellast-

schriften zur Zahlung von Waren am PoS autorisieren. Dies bietet dem Käufer zusätzliche

Sicherheit, da die Lastschrift bis zu acht Wochen nach der Abrechnung widerrufen und wieder einge-

zogen werden kann.2 Der Händler vermeidet auf diese Weise Gebühren für Kartenzahlungen, geht

allerdings Kredit- und Betrugsrisiken ein. Abbildung 16 zeigt eine schematische Darstellung des

Elektronischen Lastschriftverfahrens (ELV).

Ertragspools 2014

In dieser Studie wurde eine Schätzung der Ertragspools für das Jahr 2014 im Zusammenhang mit

dem Zahlungsverkehr im Privat- und kleineren Firmenkundengeschäft in Europa vorgenommen.

Eine genaue Definition und Abgrenzung ist in Abbildung 19 dargestellt.

Den Schätzungen zufolge beliefen sich diese Ertragspools im Jahr 2014 – auf Basis von Transaktionen im

Wert von fast 190 Bio. Euro einschließlich Barzahlungsverkehr – auf insgesamt 37,8 Mrd. Euro. Abbildung 20

zeigt eine Übersicht der Treiber für diese Ertragspools. Abbildung 18 gibt eine Zusammenfassung der

zugrunde liegenden Transaktionstätigkeit.

Unsere Analyse ermöglicht eine Gliederung des Gesamt-Ertragspools in folgende Bereiche:

• Nach Zahlungsverkehrsmarkt (siehe Beschreibung im Abschnitt „Zahlungsverkehrsmärkte“)

• Nach Art der Akteure (siehe Beschreibung im Abschnitt “Marktstruktur, Hauptakteure und

aktuelle Trends”)

• Nach Zahlungsart

In Abbildung 20 ist diese Aufgliederung in einer Übersicht zusammengefasst.

Hinsichtlich der Dynamiken, die diesen Ertragspools zugrunde liegen, unterscheiden sich die

Zahlungsverkehrsmärkte ganz erheblich. Grundsätzlich lassen sie sich jedoch auf einen oder mehrere der

folgenden Treiber zurückführen:

• Das Volumen der Kartenzahlungen am PoS und die Präferenz von Debit- gegenüber Kreditkarten

• Unterschiede bei Netto-MSCs und Volumina bei großen Corporate-Händlern und

kleinen Firmengeschäfts-Händlern

• Strukturelle Unterschiede bei den Gebührenstrukturen der Privat- und Firmengirokontenanbieter

2 Nach der SEPA-Verordnung

28

Auf die europäischen Kontoanbieter entfielen Erträge von rund 21,7 Mrd. Euro, das sind 57 Prozent des

Ertragspools. Davon hatten Kontogebühren und die von den Karteninhabern zu zahlenden Gebühren

einen Anteil von 16,4 Mrd. Euro. Interbankenentgelte für Kredit- und Debittransaktionen machten

weitere 5,3 Mrd. Euro aus.

Die verbleibenden 16,1 Mrd. Euro entfielen auf die Acquirer und Netzbetreiber. Die MSCs (ohne

Interbankenentgelte) halten hierbei mit insgesamt 9,3 Mrd. Euro den größten Anteil. Die Einnahmen

flossen zunächst an die Acquirer, die sie mit Bezahlkartensystemen und Verarbeitern teilten.

Abbildung 16: Fallstudie – Beim deutschen ELV werden Debitkartenterminals für die Autorisierung von Lastschriften genutzt

T T

N

o

w

ZAHLUNGSMETHODE – ÜBERSICHT1

nKunde

Kundenbank Händlerbank

Netzbetreiber

Händler

Kartendaten mit händlereigener Sperrdatei abgleichen

Ggf. Rücklastschrift durch Kunde

Händler- Sperrdatei

2

4 5

8 9

3

6

7

1

2 Rücklastschrift veranlassen

1 Kontoinformationen von Debitkarte abfragen

Lastschriftanweisung übermitteln

Lastschrift bei Kundenkonto anfordern und entgegennehmen

Signierte Lastschriftanweisung anfordern und entgegennehmen

Positive Abfrage

Lastschriftanweisung an Bank versenden

ZUSAMMENFASSUNG

• Kontoinformationen können über Magnetstreifen oder „Chip and PIN“ der Debitkarte abgefragt werden

• Kundenidentitätsdaten werden vor Zahlungsabwicklung über Händler an Banken übermittelt

• Viele Händler haben eigene/gemeinsame Sperrdateien eingerichtet, wenn in der Vergangenheit Probleme auftraten durch:− mangelnde Kontodeckung bei

Lastschriften− Lastschriftrückgabe für bestimmte Karten

oder Händler

• Seit Februar 2016 ist das ELV-System fürdie Abwicklung von Lastschriften an das SEPA-System angepasst

VORTEILE

• Mehr Sicherheit für Kunden, da Lastschriften bis zu acht Wochen2 nach Abrechnung widerrufen und zurückgefordert werden können

• Verhindert, dass Überziehungsgebühren/ Kreditkartenforderungen anfallen, da die Abrechnung nur erfolgt, wenn das Kundenkonto ausreichende Deckung aufweist

• Betrugs- und Kreditrisiken trägt der Händler, nicht der Payment Service Provider

• Für Händler fallen keine Kartenzahlungsgebühren an

1. Übernahme mit Änderungen von kartensicherheit.de; verkürzte Darstellung des Rücklastschriftverfahrens; vereinfachte Darstellung des Systems

2. SEPA-Verordnung

Quelle: kartensicherheit.de, Handelsverband Deutschland, Oliver Wyman Analyse

29

Abbildung 17: Aufgliederung der Top-down-Ertragspoolschätzungen für 2014

RBB Ertraggesamt

Netz-Abwicklungs-

gebühren2

MSCs (ohneInterbanken-

entgelte)

Terminal-gebühren

Kontoanbietergesamt

SonstigeNetz-

transaktions-gebühren1

Interbanken-entgelte

NZEKonto- undKarteninhaber-

gebühren

21,7

9,3

3,41,05,3

1,016,4

37,8

Gebühren für Karteninhaber

Kontogebühren

Debit

Kredit

20

30

10

40

ERTRAGSPOOLS IM ZAHLUNGSVERKEHR DES PRIVAT- UND FIRMENKUNDENGESCHÄFTS NACH AKTEUREN UND ZAHLUNGSMITTEL2014, IN MRD. €

0

3,4

PoS-Mietenfür Händler

Acquirer undNetzbetreiber

Konto-anbieter

Debit

KreditGeldautomaten-

Terminalgebührenfür Nutzer

1. Transaktionsgebühren für Privat-/Firmenkunden-Transaktionen ohne damit zusammenhängende Netzabwicklungsgebühren. Die Position beinhaltet Gebühren für Überweisungen und Lastschriften, Scheckeinlösung und Bearbeitungsgebühren für Bartransaktionen

2. Gebühren, die den Banken von den Netzen für die Abwicklung von A2A-Zahlungen und Scheckzahlungen berechnet werden

Quelle: EZB Statistiken, Oliver Wyman Analyse

Abbildung 18: Marktgröße nach Zahlungsmitteln und EU-Zahlungsverkehrsmarkt im Jahr 2014

GB & Irland

Frankreich & Benelux

Mitteleuropa (gesamt)

Deutschland

Österreich

ANZAHL TRANSAKTIONEN NACH ZAHLUNGSMITTEL (OHNE BARTRANSAKTIONEN)IN MRD., 2014

TRANSAKTIONSUMSATZ NACH ZAHLUNGSMITTELIN BIO. €, 2014

2,8

57,7

73,2

53,8

28,5

1,4

20,6

29,1

31,2

24,9

A2A(Lastschriften)

A2A (Überweisungen)

Abhebungen anGeldautomaten

Bar

Schecks

PoS-Kreditkarten

PoS-Debitkarten

Skandinavien

Sonstige EU 5,5

5,5

23,4

4,6

8,5

14,2Iber.Halbinsel

& Italien

Anmerkung: A2A-Überweisungsumsatz für GB ohne Wholesale-Volumina

Quelle: EZB Statistiken, Oliver Wyman Analyse

30

Abbildung 19: Zahlungsverkehr im Privat- und Firmenkundengeschäft – Definition

BargeldGeldsendungen

Wholesale- undBank-to-

Bank-Überweisungen

GrenzüberschreitenderZahlungsverkehr

Debitkarten

Kreditkarten

A2A-Überweisungen

A2A-Lastschriften

Schecks

Zah

lun

gsv

erke

hr p

hys

. PoS

un

d F

ern

zah

lun

gsv

erke

hr

ENTHALTEN NICHT ENTHALTEN

P2B/P2M

1

B2BP2P B2P

1. Ohne Wholesale- und Bank-to-Bank-Überweisungen

Abbildung 20: Übersicht über die Ertragspools im Privat- und Firmenkundengeschäft für das Jahr 2014

ERTRAGSPOOLS IM ZAHLUNGSVERKEHR BEI PRIVATKUNDEN 2014, IN MRD. €

37,8

NACHZAHLUNGSVERKEHRSMARKT

37,8

NACH ART DER AKTEURE

37,8

NACH ZAHLUNGSMITTELPoS-Terminalgebühren

Kontogebühren

NZM

Debitkarten

Kreditkarten

Schecks

Bar

Abhebungen anGeldautomaten

A2A (Lastschriften)

A2A (Überweisungen)

Acquirer und Netzbetreiber

Kontoanbieter

Österreich

Sonstige EU

Übriges Mitteleuropa

Skandinavien

iber. Halbinsel & Italien

Frankreich & Benelux

Deutschland

GB & Irland

Quelle: EZB Statistik, Oliver Wyman Analyse

31

DISRUPTIVE TRENDSDie europäische Zahlungsverkehrslandschaft

zeigt sich dynamischer als je zuvor. Gleichzeitig

führen der technologische Wandel und neue

Rechtsvorschriften zu Veränderungen bei

Angebot und Nachfrage.

32

33

Abbildung 21 zeigt die wichtigsten Treiber der Veränderung und ihre Trends und Entwicklungsstufen auf.

Einige dieser Trends treten vor allem in den reiferen Märkten auf. Ein Beispiel hierfür ist die Akzeptanz von

kontaktlosen Zahlungen mit NFC-fähigen (Near Field Communication) Karten am PoS in Großbritannien.

Weitere aufkeimende Trends weisen ein hochgradig disruptives Potenzial auf.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich auch eine Verlagerung bei den Ownership- und Geschäftsmodellen

wichtiger Akteure im Zahlungsverkehrs-Ökosystem und der zugrunde liegenden Infrastruktur ab.

Auf diese Trends und ihre Auswirkungen gehen wir in den nachfolgenden Abschnitten dieser Studie näher ein.

Abbildung 21: Trends, Reifegrad und disruptives Potenzial

Technologie

Treiber

Rechts-vorschriften

ZUNEHMEND

Angebotsseite

Nachfrageseite

In Mehrzahl der Märkte etabliert Am Horizont

In reifen Märktenaufkommend

In reifen Märktenetabliert

Mobile Zahlungen & Geldbörsen

Datenschutz-VO

PSD2 front running PSD2

MIF (weitere)

NFC und kontaktlos

Geschäftsmodelle und M&A

HochDisruptives Potenzial: Mittel Gering

PSD1

MIF (IC-Verordnung)

Verlagerung zu digitalemZahlungsverkehr

Zuwächse beiE- und M-Commerce

Sicherheit und Autorisierung

Echtzeit-A2A

ERPB/EZB IP Empfehlung

Closed loop

Pseudo-Systeme

APIs und Open Architecture

Blockchain

Akzeptanz neuerTechnologien

Quelle: Oliver Wyman Analyse

34

TECHNOLOGISCHE ENTWICKLUNGEN

MOBILER ZAHLUNGSVERKEHR UND MOBILE GELDBÖRSEN

Der mobile Zahlungsverkehrsmarkt zeigt sich dynamisch und entwickelt sich schnell. Dabei

kommen neue Technologien wie Host Card Emulation (HCE) und Tokenisierung, die von den großen

Technologiekonzernen wie Apple, Google und Samsung vorangetrieben werden, zur Anwendung. Eine

Welle neuer Marktteilnehmer sorgt zudem für ausgeprägte Innovationstätigkeit, führt aber auch zu einer

starken Fragmentierung des Sektors.

Zu den neuen Marktteilnehmern gehören Dienstleistungsanbieter, die in unterschiedlichen

Geschäftsfeldern tätig sind: von FinTech-Acquirern im mobilen Zahlungsverkehr, deren Zielgruppe

Kleinstunternehmen sind, bis hin zu mobilen Geldbörsen („M-Wallets“), die von Technologiekonzernen

wie Apple und Google im Kundensegment gepusht werden. Abbildung 22 zeigt einen Überblick über die

Landschaft im mobilen Zahlungsverkehr.

Abbildung 22: Die Landschaft im mobilen Zahlungsverkehr – Überblick

“Direct carrier billing”BilltoMobile,Fortumo, Bango, Boku, PayOne, Zong, Net-m, Netsize

Mobiler P2P-ZahlungsverkehrMobilePay, Vipps, Swish, Android Pay, Pingit, Paym, Paydirekt

m-Acceptance/m-PoSSquare, Wordline, PayPal, Amazon Local,

iZettle, Elavon, LevelUp

Mobile Geldbörsen (“Wallets”)Android Pay, Masterpass, Apple Pay,

Paydiant, Appetite, PayPal

LANDSCHAFT DES MOBILEN ZAHLUNGSVERKEHRS

1 2

4 3

Quelle: Oliver Wyman Analyse

• Mobile Akzeptanzverfahren wie Square, iZettle oder Sumup mit ihrer kostengünstigen Infrastruktur

und einheitlichen transparenten Preisgestaltung ermöglichen auch Kleinstunternehmen und Selbst-

ständigen die Teilnahme am Kartenzahlungsverkehr.

• Bezahlen per Telefonrechnung („Direct Carrier Billing“), bei dem der Zahlungsverkehr über den Mobil-

funkbetreiber abgewickelt wird, hat sich in unterschiedlichsten Online- und Mobilanwendungen als

alternative Zahlungsmethode zur Kartenzahlung etabliert. 2012 brachten die vier führenden schwedischen

Mobilfunkbetreiber 3, die zusammen 97 Prozent der Mobilfunknutzer erreichen, mit MyWallet einen

NFC-fähigen mobilen Geldbörsendienst an den Start. Die Nutzer können damit Geld direkt an andere

Kunden im Netz überweisen (durch Direct Carrier Billing), M-Commerce-Transaktionen vornehmen

und per SMS bezahlen, so zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr.

3 Telia, Tele2, Telenor und Three

35

• Die großen Technologiekonzerne wie Google (Android), Samsung und Apple haben eigene Anwendungen

im Bereich mobiler Geldbörsen entwickelt. Diese arbeiten zumeist mit Kartenvirtualisierung und

nutzen Tokenisierung als sicheren Mechanismus für die Durchführung von Transaktionen. (Was unter

Tokenisierung zu verstehen ist, wird in Abschnitt „Sicherheit und Authentifizierung“ beschrieben.)

• Auch die Banken drängen auf den mobilen Zahlungsmarkt und setzen mit ihrem Angebot auf

Sicherheit und Bequemlichkeit. Durch die Möglichkeit für die Kunden, ihre Bankkontodaten mit

der Mobiltelefonnummer zu verknüpfen, entfällt die Notwendigkeit für den Austausch sensibler

Informationen, wie Kartennummern, Bankleitzahlen oder Kontoangaben. Die Transaktionen werden

über bankeigene Smartphone-Apps ausgelöst, autorisiert und über A2A-Rails ausgeführt.

• Bankeigene Produkte für den mobilen Zahlungsverkehr wie MobilePay und Vipps erweisen sich eben-

falls als sehr erfolgreich. Derzeit sind sie noch primär auf dem P2P-Markt aktiv, es gibt jedoch Expansions-

bestrebungen in Richtung P2B. Im Dezember 2012 brachte ein aus sechs schwedischen Banken 4

bestehendes Konsortium eine App für den mobilen Zahlungsverkehr namens Swish auf den Markt. Mit

Hilfe dieser App können Kunden mittels einer Mobiltelefonnummer Zahlungen von Konto zu Konto ver-

anlassen. Swish wird hauptsächlich im P2P-Zahlungsverkehr genutzt, zunehmend aber auch für mobile

Zahlungsterminals (mPoS) und eComm. Außerdem führte Swish eine mPoS-Lösung ein, die dem Rivalen

iZettle Konkurrenz machen soll, und kündigte Pläne für den Einstieg in den E-Commerce-Bereich an.

Damit stünde das Konsortium in direkter Konkurrenz zu Klarna.

• Im April 2014 brachte das britische Payments Council das mobile Zahlungssystem Paym auf den

Markt, das hauptsächlich für den P2P-Bereich bestimmt ist. Der Unterschied zu anderen Konzepten

wie Swish besteht darin, dass in Schweden eine App den gesamten Markt abdeckt, während in

Großbritannien jede Bank das Zahlungssystem in ihre bestehenden Apps integriert hat. Die Paym-

Plattform mit bislang über 3 Millionen registrierten Nutzern 5 wird von 17 Banken und Bausparkassen

unterstützt. Allerdings sind die Transaktionszahlen aktuell noch niedrig. Der neueste Akteur auf dem

Markt ist Bizum, das von einem Konsortium spanischer Großbanken getragen wird.

Die Innovationen im mobilen Zahlungsverkehr tragen dazu bei, dass die Nutzererfahrung im P2P-Bereich

und zunehmend auch im P2B-Zahlungsverkehr neu definiert wird.

Zwar verzeichnet der Sektor ein rasantes Wachstum, jedoch sind die Volumina gemessen an den

etablierten Zahlungsmitteln insgesamt noch gering. Mittelfristig wird der mobile Zahlungsverkehr weiter

kontinuierlich zunehmen. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass dies für die etablierten Akteure

einen hochgradig disruptiven Effekt auslösen wird. Die höchsten Transaktionszahlen werden im P2M-

Bereich (Händlerzahlungsverkehr) verzeichnet. Hier sind keine wesentlichen Auswirkungen durch den

mobilen Zahlungsverkehr zu erwarten, solange die von den Banken entwickelten HCE-Lösungen und

die Weiterentwicklung von x Pay Solutions ihr Potenzial noch nicht voll entfalten. Als Wachstumstreiber

erweisen sich auch Nischenbereiche, die von den etablierten Akteuren noch nicht erschlossen wurden,

entweder weil sie nicht profitabel oder zu anspruchsvoll sind oder weil sich der Dienst als Einzelprodukt nur

schwer monetarisieren lässt.

• Während wir beispielsweise erwarten, dass mPoS-Anbieter ihre Marktdurchdringung im

Segment der Kleinstunternehmen verstärken, dürfte es für sie schwieriger werden, etablierte

Acquirer zu verdrängen und sich eine Marktposition im hochprofitablen kleinen und mittleren

Firmenkundensegment zu erschließen.

• Unternehmen im Firmenkundensegment sind in der Regel bereits reifer und tragen mehr

zum Umsatz der etablierten Akteure bei, zum Beispiel durch Mehrwertdienste und eine

zuverlässigere PoS-Infrastruktur.

4 Danske Bank, Handelsbanken, Länsförsäkringer Bank, Nordea, SEB und Swedbank

5 Paym-Website. Juni 2016

36

Der Trend deutet darauf hin, dass Angebote für mobile Geldbörsen unter den Verbrauchern wachsende

Resonanz finden werden. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn es Anbietern von mobilen Geld-

börsen gelingt, erfolgreich ein PISP-Angebot nach Maßgabe der PSD2 einzuführen (siehe Abschnitt “PSD2”).

Die damit verbundenen Ertragsströme dürften weiterhin eine große Anziehungskraft auf die Mobilfunk-

betreiber ausüben. Trotzdem waren Versuche, alternative Kanäle aufzubauen und Zahlungsvolumen

über Direct Carrier Billing zu kanalisieren, bislang nur begrenzt erfolgreich. Zahlreiche Projekte in

reifen Märkten wurden wieder aufgegeben, siehe Abbildung 23. Ferner stellen wir fest, dass der Zahlungs-

verkehr der erfolgreicheren Plattformen für mobile Geldbörsen der Banken und großen Technologiekonzerne

über etablierte Netzwerke und Infrastruktur abgewickelt wird (A2A-Netzwerke oder Bezahlkartennetze).

Die ganz große Akzeptanz von Lösungen für den mobilen Zahlungsverkehr wird wahrscheinlich erst eintreten,

wenn eine Kombination aus P2P, Sofortzahlung von Rechnungen und anderen Mehrwertdiensten (z. B.

Treueprämien) in mobile Geldbörsen integriert ist. Eine derartige „All-in Wallet“-Lösung würde von den

Verbrauchern als echter Mehrwert gegenüber dem Plastikgeld wahrgenommen.

Dieser Fall könnte eintreten, wenn die derzeitigen Akteure am Markt, wie beispielsweise die Technologie-

konzerne, ihre erweiterten „Wallet“-Lösungen auf den Markt bringen. Hierfür wurde unter anderem mit

PSD2 die Grundlage geschaffen. Bei diesem Szenario muss sich der Bankensektor anpassen und ein Kon-

kurrenzangebot auf den Markt bringen, um sichtbar zu bleiben. Eine „All-in Wallet“-Lösung würde auch die

Kundenbindung stärken und Disintermediation verhindern.

Allerdings besteht die Gefahr, dass große Akteure aus dem Tech-Bereich, wie Facebook-Massenger, in den

integrierten Zahlungsverkehr einsteigen und die Marktführerschaft übernehmen.

Abbildung 23: Mobilfunkbetreiber setzen auf unterschiedliche Konzepte für den mobilen Zahlungsverkehr

2011 2012 2013 2014 2015

EE, O2 UK und Vodafone UK starten Weve, ein M-Commerce-Joint Venture inkl. Werbung und Zahlungsfunktionen

Mobile NFC-Zahlungs-plattform von Weve im Sept. 2014 aufgegeben

Start von SmartPass; NFC-Zahlungen von Stored-Value Mobile Wallet. Erfordert NFC-fähiges Android-Smartphone oder Sticker für nicht-NFC-fähige Geräte

Orange und Barclaycard starten QuickTap, einen der ersten Mobile Device-PoS-Dienste

Einstellung von QuickTap nach Start von EEs „Cash on Tap“

Start von O2 Wallet, setzt auf 2009 eingeführter Prepaid-Karte auf

Einstellung von O2 Wallet und Prepaid-Karte; keine weitere Mobile Wallet/Zahlungsplattform

EE startet Stored-Value Mobile Wallet „Cash on Tap“.Erfordert kompatible Geräte (derzeit ~20), NFC-fähige SIM und EE Pay-Monthly-Vertrag

Stand September 2015 kein Angebot für mobilen Zahlungsverkehr

Quelle: Oliver Wyman Analyse

37

KONTAKTLOSER ZAHLUNGSVERKEHR

Viele der reiferen Bezahlkartenmärkte in Europa verfügen bereits über die Infrastruktur für den kontaktlosen

Zahlungsverkehr. Diese Technologie hat das Potenzial, die Nutzung von Bezahlkarten zu revolutionieren.

Das kann geschehen, indem sie Kartenzahlung bei den Verbrauchern als bequeme Möglichkeit für Trans-

aktionen mit geringem Transaktionsumsatz neu positioniert und damit eine vertrauenswürdige digitale

Alternative zur Barzahlung etabliert.

Der kontaktlose Zahlungsverkehr erfolgt über NFC-Chips (Near Field Communication), die meist auf Kredit-

oder Debitkarten integriert sind, zunehmend aber auch in mobilen Geräten wie Smartphones. NFC-Chips

ermöglichen das Auslesen von Informationen und die Autorisierung von Transaktionen an kontaktlosen PoS-

Terminals, ohne dass hierfür eine Authentifizierung per PIN-Nummer erforderlich ist. Für den Transaktions-

umsatz ist in der Regel eine Obergrenze festgelegt, um im Betrugsfall Verluste einzudämmen. Die Obergrenzen

sind von Land zu Land unterschiedlich. In Großbritannien wurden sie im September 2015 auf Beträge

zwischen 20 und 30 Britische Pfund erhöht, in den meisten Ländern der Eurozone liegen sie zwischen

25 und 30 Euro.

Der kontaktlose Zahlungsverkehr erfreut sich bei den Verbrauchern großer Beliebtheit und mit zunehmendem

Ausbau der Infrastruktur steigen auch die Ausgaben der Verbraucher auf diesem Weg. Mit Bezahlkarten von

Visa Europe wurden in den 12 Monaten bis Juli 2015 mehr als eine Milliarde kontaktlose Transaktionen getätigt.

Der Umsatz konnte innerhalb eines vergleichbaren Zeitraums um das Dreifache gesteigert werden.6

Großbritannien ist das Land in Europa, in dem der kontaktlose Zahlungsverkehr am weitesten verbreitet ist.

Auch hier steigen mit dem Ausbau der PoS-Infrastruktur die Ausgaben der Verbraucher rasch weiter an.

Durch die Einführung kontaktloser Zahlungsmöglichkeiten im öffentlichen Nahverkehr in London

(Transport for London – TFL) gewann das Wachstum nochmals an Dynamik: In den ersten 12 Monaten

nach der Einführung im September 2014 wurden 180 Millionen Fahrten kontaktlos bezahlt. Die TFL-

Transaktionen machten in diesem Zeitraum mehr als ein Siebtel aller Transaktionen aus.7 Dadurch sank

der durchschnittliche Umsatz pro Transaktion und gleichzeitig wurde deutlich, dass der kontaktlose

Zahlungsverkehr das Potenzial besitzt, Barzahlungen effektiv zu ersetzen.

Die beiden internationalen Bezahlkartensysteme Visa Europe und MasterCard haben in beträchtlichem Um-

fang in NFC und andere kontaktlose Technologien investiert, um das Umsatzvolumen in ihren Netzwerken

zu schützen und weiter auszubauen. Um seine Marktposition in Großbritannien zu festigen, gewährte Visa

Europe großen Kartenemittenten und Acquirern Zuschüsse für die Neuausgabe von NFC-fähigen Bezahl-

karten und den Ausbau der PoS-Terminalinfrastruktur für kontaktlose Zahlungen. Außerdem wurde im Kontext

der Olympischen Sommerspiele 2012 in London eine Marketingkampagne durchgeführt, um die neue

Technologie unter den Verbrauchern bekannt zu machen.

Beide Bezahlkartensysteme werden weiter in kontaktlose Zahlungstechnologien investieren, vor allem auch

in den weniger reifen Bezahlkartenmärkten, in denen überwiegend noch bar bezahlt wird. Dies könnte ein

hochgradig disruptiver Trend werden, der die Transaktionsvolumina insgesamt und die Höhe der Ausgaben

pro Karte bei Kredit- und vor allem auch Debitkarten stark ansteigen lassen wird. Für Transaktionen im

niedrigeren Umsatzbereich wird zudem eine verstärkte Ablösung von Bargeld durch Debitkartenzahlungen

prognostiziert. Dadurch werden die Debittransaktionsvolumina ansteigen und der durchschnittliche

Umsatz pro Transaktion abnehmen.

6 Quelle: Visa Europe-Schätzung vom Juli 2015

7 Quelle: Transport for London Pressemitteilung, September 2015

38

SICHERHEIT UND AUTHENTIFIZIERUNGNetzwerke und Acquirer investieren, um Kartenzahlungen sicherer zu machen und ihre betrugsbedingten

Verluste zu reduzieren.

In den meisten europäischen Märkten wurde die „Chip and PIN“-Technologie eingeführt, die erfolgreich dazu

beiträgt, Betrug und Fälschung im PoS-Bereich zu bekämpfen. So schätzt beispielsweise die UK Cards Asso-

ciation, dass diese Technologie seit 2004 in Großbritannien dazu beigetragen hat, den Betrug mit gefälschten

Karten um 63 Prozent zu verringern, den Betrug mit verlorenen und gestohlenen Karten um 48 Prozent zu

reduzieren und den Betrug mit nicht an den Empfänger zugestellten Karten um 86 Prozent einzudämmen.8

Biometrische Verfahren werden als nächste Stufe im Kampf gegen Betrug wahrgenommen. So hat

beispielsweise Worldpay einen Pilotversuch mit dem Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zur

Identitätsüberprüfung am PoS angekündigt. Außerdem beschäftigt sich Worldpay mit der Einbindung

von Gesichtserkennungsverfahren in Online-Zahlungssysteme via Webcam. Die Einführung dieser

biometrischen Verfahren steht allerdings noch ziemlich am Anfang. Fortschritte zeichnen sich erst

langsam ab, und ein Verfahren, das als deutlicher Sieger oder eindeutiger Favorit der Verbraucher aus

dieser Phase hervorgehen könnte, ist noch nicht in Sicht.

Zunehmende Verbreitung findet auch die „Tokenisierung“ als sicheres Datenübertragungsverfahren. Zum

einen erhöht das Verfahren die Transaktionssicherheit und zum anderen das Vertrauen der Verbraucher in den

mobilen Zahlungsverkehr und in den Einsatz von Bezahlkarten bei Online-Zahlungen. Bei der Tokenisierung

müssen Kunden ihre Karten- oder Kontodaten nicht mehr an den Einzelhändler weitergeben. Stattdessen

wird ein Token generiert, der bei der Abwicklung der Transaktion ausgetauscht wird. Außerdem dient der

Token den Banken zur Verifizierung und Autorisierung der Transaktion. Auf diese Weise werden während der

eigentlichen Transaktion keine sensiblen Daten ausgetauscht oder vom Händler oder Acquirer verarbeitet.

Hacker könnten daher mit eventuell abgefangenen Tokens nichts anfangen.

Biometrische Verfahren und Tokenisierung sind zwei Beispiele dafür, wie die Bezahlkartenbranche in neue Tech-

nologien investiert, um die Sicherheit zu verbessern und das Vertrauen der Verbraucher zu erhöhen. Diese Inves-

titionen werden mit wachsendem Bekanntheitsgrad der Technologie dazu beitragen, dass die Akzeptanz von

Online-Kartenzahlungen unter den Verbrauchern zunimmt und dass der mobile Zahlungsverkehr weiter wächst.

8 UK Cards Association – 10 Years of Chip & Pin: 2006-2016

Abbildung 24: Durchdringungsgrad kontaktloser Bezahlkarten und Ausgabenentwicklung (Fallstudie Großbritannien)

KontaktloseDebitkarten

Nicht kontaktloseDebitkarten

GeschätzteDaten

80

60

40

20

100

ANZAHL KONTAKTLOSER DEBITKARTEN IN GBMIO.

0

DURCHSCHN. UMSATZ, £ ANZ. ZAHLUNGEN, MIO.

50 160

120

46

48

80

44 40

52 200

42 0

AnzahlkontaktloserZahlungen

DurchschnittlicherTransaktionsumsatzmit Bezahlkarten

Mär

z-16

Sep

-15

Mär

z-15

Sep

-14

Mär

z-14

Dez

-15

Ap

r-15

Au

g-1

4

Dez

-13

Ap

r-13

Au

g-1

2

Dez

-11

Ap

r-11

Au

g-1

0

Dez

-09

Ap

r-0

9

StartkontaktloserZahlungsverkehrbei TFL

DURCHSCHNITTLICHE UMSÄTZE IM KARTENZAHLUNGSVERKEHR IN GB VS. ANZAHL DER KONTAKLOSEN ZAHLUNGSVORGÄNGE

1. Kontaktlose und nicht kontaktlose Bezahlkarten

Quelle: UK Cards Association Card Expenditure, Debit Card and Contactless Statistics, Oliver Wyman Analyse

39

ECHTZEIT-A2A

Konto-zu-Konto-Zahlungen (A2A) sind immer häufiger möglich und unter den Kunden in den reiferen

Zahlungsverkehrsmärkten zunehmend beliebt. Die Gründe hierfür sind in der starken Verbreitung von

Online- und Mobile Banking und verstärkten Investitionen in die Infrastruktur für den Echtzeit-Interbanken-

A2A-Verkehr zu sehen.

In ganz Europa geht das Bestreben dahin, alle Konten für Sofortzahlungen erreichbar zu machen. Der ent-

sprechende Ausbau der Infrastruktur läuft bereits. Dadurch dürfte die volle Erreichbarkeit für Sofortzahlungen

zumindest auf der Empfängerseite gewährleistet sein. Anbieter wie Nets in Dänemark haben bereits eine

Infrastruktur für den Echtzeit-Zahlungsverkehr aufgebaut. Bankgirot hat in Schweden eine Plattform für

Echtzeitzahlungen eingerichtet und Sia arbeitet an der Entwicklung eines europaweiten Netzwerks für Echt-

zeitzahlungen. Die Beispiele dieser Unternehmen zeigen, welch hohen Stellenwert der Echtzeit-Zahlungs-

verkehr mittlerweile einnimmt.

Der 2008 in Großbritannien eingeführte Faster Payments Service bietet Kunden die Möglichkeit, an sieben

Tagen die Woche rund um die Uhr Einmalzahlungen von ihrem Online-Banking Account oder über mobile

Apps vorzunehmen. Transaktionen werden nahezu in Echtzeit abgewickelt. Innerhalb von 15 Sekunden

wird eine Bestätigung gesendet und die Beträge gehen im Regelfall innerhalb von zwei Stunden auf dem

Konto des Empfängers ein. Dieser Service erfreut sich bei den Kunden großer Beliebtheit. Im Zeitraum von

2012 bis 2015 stiegen die Transaktionsvolumina mit der Einführung von Einmal-Sofortzahlungen (Single

Immediate Payments – SIPs) um durchschnittlich 15 Prozent jährlich an. Dieser Erfolg ist allerdings auch auf

die Ablösung von BACS und der mit BACS-Zahlungen verbundenen langen Verarbeitungszeiten von bis zu

drei Bankarbeitstagen zurückzuführen.

Abbildung 25: Fallstudie Großbritannien – Akzeptanz von Faster Payments

Daueraufträge

Rückzahlungen

Einmal-Sofortzahlungen

Terminzahlungen

Daueraufträge

Terminzahlungen

Rückzahlungen

Einmal-Sofortzahlungen

CAGR

30%

45%

44%

36%

CAGR

55%

52%

61%

51%

Nach der Anhebung der Zahlungsobergrenze pro Transaktion auf 250.000 £ im November 2015 erwartenwir einen weiteren Zuwachs bei der Nutzung von Faster Payments

FASTER PAYMENTS – TRANSAKTIONSUMSATZMRD. £

FASTER PAYMENTS – TRANSAKTIONSVOLUMINAMIO.

2008 2009 2010 20122011 2013 20152014 2008 2009 2009 20122010 2013 20152014

1.200

400

1.200

800

400

1.600

618

10649

235164

1.023904

800

1.600

00

811

124

525426

1.221

968+18%

+15%

771

1.101

295

Quelle: Faster Payments Statistik Mai 2008 bis September 2015, bei fehlenden Monatsstatistiken wurden Daten auf das Jahr umgerechnet; Oliver Wyman Analyse

40

Im Ökosystem der Echtzeit-A2A-Zahlungsverkehrsinfrastruktur spielen auch FinTechs eine Rolle. Dwolla hat

ein A2A-Netzwerk aufgebaut, das US-Banken und Credit Unions verbindet und sichere Transfers in Echtzeit

zwischen den Instituten ermöglicht. Über die API-Infrastruktur von Dwolla können Unternehmen und Ent-

wickler zudem auf das Netzwerk zugreifen und A2A-Zahlungen in ihre eigenen Plattformen integrieren. Mit

Bizum unternahmen spanische Banken den Versuch, eine Lösung für den mobilen Echtzeit-Zahlungsverkehr

auf A2A-Basis zu entwickeln. Weitere erwähnenswerte Beispiele in Europa sind Trustly und SOFORT für den

Bereich des E-Commerce-Zahlungsverkehrs auf A2A-Basis.

Überall in Europa befinden sich derzeit zahlreiche Infrastrukturlösungen im Aufbau, unter anderem bei EBA,

STET, SIBS und NL. Jedoch investieren die Banken nicht in allen Märkten gleichermaßen in die Aufrüstung

ihrer eigenen internen Systeme. Durch entsprechende Investitionen würde die Ausführung von Sofort-

zahlungen (Instant Payment, IP) unterstützt und die Banken in die Lage versetzt, ihre Marktstellung auszu-

nutzen und neue Alleinstellungsmerkmale auf IP-Basis für ihre Kunden zu entwickeln. Die Erfolge von Faster

Payments und Swish zeigen, dass Interbankeninitiativen bei den Kunden sehr erfolgreich sein können. Ohne

derartige Investitionen laufen die Banken Gefahr, dass sich FinTechs im IP-Bereich bei Unternehmen, Händlern

und Privatkunden eine bessere Marktposition erarbeiten.

Wir sehen im A2A-Zahlungsverkehr mit der Einführung von Echtzeit-Zahlungsmöglichkeiten und zunehmender

Reife von Infrastruktur und Umfeld einen wachsenden disruptiven Trend. In Märkten, in denen eine ent-

sprechende Infrastruktur existiert, wie Schweden und Großbritannien, wächst die Akzeptanz rasch. In diesen

Märkten sorgt der A2A-Zahlungsverkehr bereits dafür, dass Scheckzahlungen gar keine Rolle mehr spielen.

Dieser Trend dürfte sich fortsetzen und insbesondere auf Großbritannien zutreffen, wenn die Obergrenzen für

den Faster Payments Service angehoben werden. Ähnliche Entwicklungen sind mit der Einführung Echtzeit-

naher A2A-Zahlungsdienstleistungen in anderen EU Märkten zu erwarten.

Abbildung 26: E-Commerce-Lösungen auf A2A-Basis im Vergleich

MOBILEPAY TRUSTLY SOFORT

Transaktionen ~90 Mio. p.a. ~12 Mio. p.a. ~24 Mio. p.a.

Eigentümer Bank Privat Privat (Klarna Group)

Länder Dänemark EU-weit (20 Länder) Alle wichtigen Regionen der EU

Kanal Online/Mobil/Physisch Online/Mobil Online/Mobil

P2P

B2C

Merchant Pricing-Modell

• Nicht veröffentlicht • Pro Transaktion (%) • Einrichtungsgebühren pro Transaktion (% + €)

Features • Bezahlung im Geschäft mit MobilePay

• Nutzung bankeigener Online Banking Security und Autorisierungs-Protokolle

• Kein Rückbelastungsrisiko

• Entgegennahme und Speicherung von Belegen direkt in App (papierlose Belege)

• Nutzung bankeigener Online Banking Security und Autorisierungs-Protokolle

• Kein Rückbelastungsrisiko

• Einzelvereinbarungen mit Händlern, integrierte Kontenabstimmung, mobile ready

• Wiedereinziehung von Transaktionen abhängig von Kredit- oder Debit-Obergrenzen

• Kein virtuelles Konto, keine Registrierung erforderlich (Nutzung eigener Online Banking-Informationen)

• Nutzung bankeigener Online Banking Security and Autorisierungs-Protokolle

• Bank übermittelt Bestätigungscode

• Echtzeit-Bestätigung an Händler

• Kein Rückbelastungsrisiko

Quelle: Unternehmenswebsites, Oliver Wyman Analyse

41

Der disruptive Effekt dürfte sich beschleunigen, wenn durch das zeitliche Zusammentreffen von Regulierungs-

maßnahmen und technologische Initiativen rund um APIs und Open Architecture die “Open Banking Vision“

in Großbritannien allmählich konkrete Gestalt annimmt. Eine entsprechende Initiative wurde von der

Competition and Markets Authority (CMA) bereits in die Wege geleitet. Diese spricht sich für eine Implemen-

tierungsstelle aus, die die Marktdurchdringung des sogenannten Open Banking vorantreiben soll. Damit

würden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Infrastruktur für den Echtzeit-A2A-Zahlungsverkehr

ein Ökosystem von Marktteilnehmern (FinTechs, Technologiekonzerne, im Zahlungsverkehr tätige Unter-

nehmen, Banken etc.) unterstützt, die alternative P2P- und P2B-Zahlungslösungen anbieten und mit den

Bezahlkartensystemen in Konkurrenz treten. Sollte dieser Fall eintreten, hätte dies insbesondere Auswirkungen

auf das Volumen des Bargeld- und Debitkartenverkehrs.

Nicht zuletzt dürfte Instant Payment (IP) Folgen für die internationalen Bezahlkartensysteme haben und

Bezahlkarten überflüssig machen. Visa und MasterCard versuchen daher, sich in diesem Segment zu

positionieren. MasterCard hat vor Kurzem VocaLink übernommen und kann damit A2A-Transaktionen

anbieten. Visa dagegen entwickelt eigene Dienste wie VisaDirect. Diese Schritte sind Teil der

übergreifenden Strategie beider Unternehmen, sich als digitale Marken zu etablieren.

BLOCKCHAIN

Die Blockchain-Technologie dient als Grundlage für eine ganze Reihe neuer digitaler Währungen oder Krypto-

währungen, von denen Bitcoin die bekannteste ist. Bitcoin wurde 2008 von dem geheimnisumwobenen

Satoshi Nakamoto als digitales Peer-to-Peer-Währungssystem erfunden. In der traditionellen

Finanzbranche ist jedoch die Blockchain-Technologie in den Mittelpunkt des Interesses gerückt und stellt

einen Fokusbereich für Investitionen dar. Dabei hat sie Bitcoin weitestgehend verdrängt.

Blockchain ist speziell dafür ausgelegt, zwischen zwei Parteien kryptografisch abgesicherte („trustless“)

elektronische Transaktionen zu ermöglichen, ohne dass für die Verifizierung eine zentrale Instanz erforderlich

ist. Die Technologie stützt sich auf starke Kryptografie, eine verteilte Netzwerkarchitektur und ein als „Proof

of Work“ bezeichnetes Konzept, das die fast sofortige Authentifizierung von Transaktionen ermöglicht. Die

Technologie verspricht kostengünstige Finanztransaktionen und Abrechnung nahezu in Echtzeit. Abbildung

27 zeigt in einer schematischen Darstellung, wie die Technologie funktioniert.

Die Blockchain-Technologie stößt zwar auf ein immenses Interesse, doch erscheint es unwahrscheinlich, dass

sie im Privatkunden-Zahlungsverkehr in Europa in näherer Zukunft eine wesentliche Rolle spielen wird. Die

meisten Vorteile, die digitale Währungen wie Bitcoin oder die zugrunde liegende Blockchain-Technologie

angeblich oder tatsächlich bieten, sind für die derzeitige Zahlungsverkehrslandschaft entweder nicht von

Belang oder irrelevant.

Abbildung 27: Blockchain – Funktionsweise

BlockchainBestätigungNeuer BlockTransaktionen

Transaktionsan-forderungen mit Verschlüsselungscodes zur Generierung einer digitalen Signatur

Anschließend Zusammenstellung der Transaktionen in einem neuen Block

Ausführung eineskomplexenkryptografischen Algorithmus zurBestätigung des Transaktionsblocks

Nach Bestätigung wird der neue Block als neues Glied einer Transaktionskette (Blockchain) hinzugefügt

In der Blockchain sind alle Transaktionen in einem ö�entlichen verteilten Journal in unveränderlicher und transparenter Form erfasst

Transaktionsanforderungen(Privater Code,Öffentl. Code)

Quelle: Oliver Wyman Analyse

42

Tatsächlich ist zu beobachten, dass Blockchain-Start-ups, die von Beginn an dabei waren, ihr Angebot um-

gestellt haben und sich nun weniger auf die Blockchain-Technologie als vielmehr auf die Lösung branchen-

spezifischer Probleme konzentrieren (zum Beispiel bei Ripple die Verlagerung hin zu Standardisierung und

Enrichment von Cross-Border Payment Messages). Internationale Transaktionen außerhalb Europas scheinen

sich als besonders attraktiver Anwendungsfall herauszukristallisieren, da diese Transaktionen bisher noch

relativ zeitaufwendig sind. Sie erfordern aufwendiges Correspondent Banking oder die Abwicklung über inter-

nationale Geldtransferunternehmen und sind mit hohen Gebühren verbunden. Eine bankeigene Lösung

auf Blockchain-Basis mit entsprechender Genehmigung könnte dazu beitragen, die Kosten zu senken, und

würde den Prozess deutlich vereinfachen und die Ausführungsdauer verkürzen. Die Banken könnten ihren

Unternehmens- und Privatkunden entsprechende Dienstleistungen anbieten und dabei gleich die Währungs-

umrechnung integrieren (von virtuellen Währungen zu Fiatgeld).

Der andere Bereich, auf den sich die Blockchain-Technologie mittel- bis langfristig wahrscheinlich auswirken

wird, ist der Clearing- und Settlement-Bereich. Aktuell funktionieren die CSM-Infrastrukturen einwandfrei,

sie unterstützen die Ausführung von Milliarden von Transaktionen, und viele davon ermöglichen inzwischen

bereits Sofortzahlungen. Zudem arbeiten sie überwiegend kosteneffektiv. Allerdings könnten künftige Inves-

titionen, vor allem zur Umsetzung internationaler Transaktionen, auf der Blockchain-Technologie basieren.

Das wäre kostengünstiger als die derzeitigen Plattformen und einfacher zu implementieren.

OPEN APIs

Bei APIs, also Application Programming Interfaces oder Schnittstellen zur Anwendungsprogrammierung,

handelt es sich um Routinen, Protokolle und Tools, die definieren, wie die Kommunikation zwischen System-

anwendungen abläuft. APIs gibt es schon lange. Sie ermöglichen unter anderem den automatischen Daten-

austausch ohne menschliches Eingreifen und die direkte Kommunikation zwischen Anwendungen. In der

Vergangenheit wurden APIs hauptsächlich für die Vernetzung interner Systeme eingesetzt, sprich für die

Kommunikation zwischen Systemen in einer Organisation, beispielsweise APIs für die Kommunikation zwischen

einer Auszahlungsfunktion und dem Kernbankensystem. In jüngster Zeit haben sich APIs allerdings zum

Standard für den Datenaustausch zwischen Unternehmen und nicht nur wie bisher innerhalb von Unternehmen

entwickelt. Durch das Konzept der Open APIs ist es möglich geworden, dass Organisationen mit großen

Datenmengen als Plattformen für Drittpartei-Innovationen fungieren, woraus völlig neue Geschäftsmodelle

VORTEIL BEURTEILUNGAUSWIRKUNGEN AUF DEN PRIVATKUNDEN-ZAHLUNGSVERKEHR IN EUROPA

Echtzeit Automatische Abwicklung des Zahlungsverkehrs nahezu in Echtzeit (~10 Minuten) ist bei Bitcoin Standard

Bei derzeitigen Umsetzungen wurden zwar Verbesserungen erzielt, die die Abwicklung beschleunigen, aber Nachteile bei anderen Features mit sich bringen (z. B. Dezentralisierung)

In einigen europäischen Märkten wird bereits eine Instant Payments-Infrastruktur aufgebaut

Gering

Dezentral Die Technologie ist speziell darauf ausgerichtet, eine Zentralaufsicht und einen „Schiedsrichter“ für Finanztransaktionen überflüssig zu machen (daher auch die Bezeichnung „verteiltes“ Journal)

Während die Meinungen darüber, ob digitale Währungen zugelassen werden sollten, weit auseinandergehen, sind sich die nationalen Aufsichtsbehörden darin einig, dass eine enge Überwachung und Kontrolle unerlässlich ist

Gering

Transparent Im verteilten Blockchain-Journal sind alle Transaktionen sichtbar; somit ist die Transparenz aller Zahlungsströme gewährleistet

Die volle Transparenz aller Zahlungsströme würde die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus mit Sicherheit erleichtern

Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die vollständige Einsehbarkeit und Transparenz des gesamten Zahlungsverkehrs von den Nutzern akzeptiert würde

Mittel

Vereinfachung gegenüber Legacy-Systemen

Die Blockchain-Technologie ist mutmaßlich deutlich einfacher und flexibler als die bestehende Zahlungsverkehr-Infrastruktur

Die meisten Zahlungssysteme sind bereits vollständig abgeschrieben, daher sind kaum finanzielle Vorteile zu erwarten, die die aktuellen Marktteilnehmer zu einem Wechsel veranlassen könnten

Gering

44

in unterschiedlichen Branchen hervorgegangen sind. APIs bieten eine ganze Reihe von Vorteilen. Dadurch,

dass Open APIs zur Verfügung gestellt werden und Drittpartei-Anbieter („Third Party Provider“) Zugang

zu Kerndaten und –systemen erhalten, können Organisationen Forschung und Entwicklung an externe,

beweglichere Organisationen auslagern, die Innovationen schneller umsetzen. Eine potenzielle Monetarisierung

lässt sich auf verschiedenen Wegen realisieren: Die Ankopplung an Drittpartei-Vertriebskanäle bietet

Unternehmen die Möglichkeit, ihren Vertriebsradius zu erweitern. Alternativ können sie für die Nutzung

ihrer APIs Gebühren verlangen. Gleichzeitig wird durch die Einführung eines Standard-Integrationsmodells

die Komplexität der internen Systeme verringert, so dass eine hochgradig skalierbare Plattform für neue

Dienstleistungen entsteht.

Open APIs haben bereits in zahlreichen Märkten disruptive Entwicklungen ausgelöst. Das Expedia Affiliate

Network generiert rund 90 Prozent seiner Einnahmen mit Open APIs, bei Salesforce.com sind es 40 Prozent.

IBM hat sein Watson-Ökosystem auf 350 Partner erweitert und arbeitet derzeit an der Kommerzialisierung

von Produkten und Dienstleistungen aus Watson Open APIs. Der US-Drogeriemarktkette Walgreens ist es

dank API-Implementierung gelungen, das Mobilsegment ihres Online-Verkehrs von 1 Prozent im Jahr 2009

auf 60 Prozent im Jahr 2014 auszubauen. Die Fidor Bank richtete eine Open API-Plattform ein, durch die Größen-

vorteile nutzbar und Banking-Dienstleistungen zu einem Bruchteil der IT Kosten traditioneller Banken reali-

siert werden können. Ähnlich disruptive Trends erwarten wir für den Payments- und Bankingsektor. Sie

dürften drei Kategorien zuzuordnen sein:

• Neue Produkte und Dienstleistungen: Der problemlose Zugang zu Kundendaten wird traditionelle

Finanzdienstleistungsanbieter und FinTechs zu Innovationen anspornen und zum Entstehen neuer

Produkte und Dienstleistungen führen, wie beispielsweise Produktvergleichsportale der nächsten

Generation. Dadurch entstehen den Banken neue Einnahmequellen, etwa durch die kommerzielle

Nutzung bankeninterner Sicherheitssysteme.

• Mehr Wettbewerb: Durch die verstärkte Nutzung von Aggregatoren und vermehrte Customer Value-

Transparenz wird der Preiswettbewerb zunehmen. Niedrigere Einstiegsbarrieren und neue Dienstleistungs-

anbieter, die keiner Regulierung unterliegen, dürften die Zahl der Marktteilnehmer steigen lassen.

Durch zunehmende Nutzung von Vergleichsportalen und Aggregatoren wird die Disintermediation in

der Beziehung der Banken zu ihren Kunden weiter vorangetrieben. Besser informierten und beweg-

licheren Kunden dürfte es künftig leichter fallen, ihren Anbieter zu wechseln.

• Kostensenkungen: Die automatisierte Datensammlung mittels APIs schafft die Voraussetzungen für

eine weitreichende E2E- (End-to-End-) Prozessautomatisierung bei den Banken. Durch standardisierte

Datenframeworks und Interaktionen könnte Outsourcing im Bankengeschäft einfacher und wirtschaft-

licher werden.

Akzeptanz und Übernahme von APIs und einheitlichen Standards dürften die grundlegenden Voraus-

setzungen für die Umsetzung der PSD2 und der darin vorgesehenen Zahlungsauslösungs- und Konten-

zusammenfassungsdienste schaffen.

Abbildung 28: Open APIs

Open APIBackend- Systeme Kundengerichtete Apps Internet- Anwendung

Neue interne Systeme

Eine offene API bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Datenzugang nicht kontrolliert werden kann!

Interne Entwickler

Partner-Entwickler

Third-Party-Entwickler-Community

Quelle: Oliver Wyman Analyse

45

RECHTSVORSCHRIFTEN

Bei den für den Zahlungsverkehr in Europa maßgeblichen Rechtsvorschriften vollzieht sich derzeit ein radi-

kaler Wandel, mit dem die Regulierungsbehörden der EU ihr langfristiges Ziel von einem einheitlichen

europäischen Zahlungsverkehrsraum (SEPA) unterstützen wollen.

Das Ziel ist es, einen stärker integrierten Markt zu schaffen, in dem Privatpersonen, Unternehmen und

Behörden unabhängig von ihrem Standort zu grundsätzlich gleichen Konditionen Zahlungen veranlassen

und entgegennehmen können. Die PSD1, die MIF-Verordnung und die unlängst verabschiedete PSD2 bilden

wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Verwirklichung dieses langfristigen Ziels.

Mit Initiativen wie der Datenschutz-Grundverordnung bemüht sich die EU zudem um eine Harmonisierung

von Standards und Protokollen für den Datenaustausch. Dadurch soll ein offeneres Datenumfeld geschaffen

und einige der Wettbewerbshindernisse für neue Marktteilnehmer beseitigt werden.

Im Kontext und vor dem Hintergrund von PSD2 und der Datenschutz-Grundverordnung fanden sich das

britische Finanzministerium und die Finanzdienstleistungsbranche (alle großen Banken) in Großbritannien

zu einer Open Banking Working Group (OBWG) zusammen. Hier erarbeiteten sie ein eigenes visionäres

Bild für das Open Banking in Großbritannien. Parallel hierzu führte die Competition and Markets Authority

(CMA) eine Analyse des Privat- und Firmenkundenbanken-Marktes durch und brachte einige Initiativen auf

den Weg, mit denen die Schwachpunkte des Markts beseitigt werden sollen. Unter anderem fordert die

CMA in diesem Zusammenhang die Banken auf, die Open Banking-Initiative umzusetzen.

Mit dieser Regulierungsagenda werden vier übergreifende Ziele verfolgt, von denen erhebliche Auswirkungen

auf den Zahlungsverkehrsmarkt zu erwarten sind:

1. Mehr Wettbewerb – durch die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen auf der Grundlage

einheitlicher offener Standards ohne territoriale Diskriminierung.

2. Innovationsanreize – indem auf Basis der Durchsetzung transparenter und fairer Preisgestaltungs-

praktiken der Markteintritt effizienterer Akteure gefördert und den Innovationsgewinnern die

Möglichkeit verschafft wird, in einem größeren integrierten Markt Erfolge einzufahren.

3. Mehr Wahlmöglichkeiten und größere Transparenz für die Verbraucher – indem sichergestellt

wird, dass die Kunden unter verschiedenen Zahlungsoptionen wählen können und dass die damit

verbunden Kosten klar ersichtlich sind.

4. Größere Zahlungssicherheit und größeres Kundenvertrauen – indem durch die Förderung der

Entwicklung sicherer und besser geschützter Fernzahlungstechnologien die Zahlungsverkehrs-

sicherheit am PoS verbessert wird.

Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über die wichtigsten Rechtsvorschriften, deren

Auswirkungen auf die Branche und die Dynamik des Wettbewerbs.

46

DIE WICHTIGSTEN EU RECHTSVORSCHIFTEN ZUM ZAHLUNGSVERKEHR – ÜBERBLICK

MIF-VERORDNUNG

EINHEITLICHER EUROPÄISCHER ZAHLUNGSVERKEHRSRAUM (SEPA)

ZAHLUNGSDIENSTLEISTER-RICHTLINIE 2 (PSD2)

DATENSCHUTZ-

OPEN DATA

GRUNDVERORDUNG

Kontext

Wichtigste Vorschriften

Timelines

Beseitigung von Problemem bei der Umsetzung der Datenschutzrichtlinievon 1995

• April 2016: Annahme im EP

• Vollständige Umsetzung bis Mai 2018

Update der geltenden Richtlinie zur Berücksichtigung neuer, innovativer Zahlungsdienste

• Okt. 2015: Annahme im EP

• Voraussichtliche Umsetzung ~2017

• März 2015: Annahme im EP

• Obergrenzen werden 6 Monate nach Inkrafttreten der VO wirksam

32

• Neue Vorschriften für den Zugang zu Kunden-Zahlungskonten durch Zahlungsauslösedienstleister

• Vorschriften für die eindeutige Haftungszuweisung für Transaktionen mit mehreren PSPs

• Zusätzliche Transparenzanforderungen

• Strengere Vorschriften für die Kundenauthentifizierung

• Obergrenze: 0,2% für Debit -und 0,3% für Kreditkartentransaktionen (nicht für Geschäftskarten und Drittparteien-Systeme)

• Trennung von System und Abwicklung

• Verbot territorialer Diskriminierung bei Ausgabe/Acquiring innerhalb der EU

• HCAR nur für Karten, die unter die Verordnung fallen

1Beseitigung wettbewerbs-beeinträchtigender Auswirkungen von Interbankenentgelten und bestimmten anderen Praktiken

• Update der EU-Verordnung

• Umsetzung der neuen Verordnung bis Mai 2018

• Update der Datenschutzverordnung− Einfacher Datenzugang− Recht auf Datenübertragbarkeit− Data Protection by Design/by Default

• Gilt für alle Einrichtungen, die Daten von EU-Bürgern verarbeiten

• Eine einzige Aufsichtsbehörde

• Vereinheitlichung der Anforderungen ermöglicht Kosteneinsparungen und Ortswechsel

• Geldbußen bis 4% des weltweiten Umsatzes bei Nichteinhaltung

• EU-Initiative zur Integration des europäischen Privatkunden-Zahlungsverkehrsmarktes mit Schwerpunkt auf dem elektronischen Zahlungsverkehr − Weitgehend verwirklicht für Lastschriften und Überweisungen

(Frist 2014 abgelaufen)− SEPA für Bezahlkarten – „Any Card at Any Terminal“ erfordert noch erhebliche

Anstrengungen (keine Frist vorgegeben)

47

MIF-VERORDNUNG

Die EU-Verordnung über multilaterale Interbankenentgelte (MIF-Verordnung) trat im März 2015 in Kraft. Mit

der Verordnung wurden Obergrenzen für Vier-Parteien-Kartenzahlverfahren, für die Interbankenentgelte

für Debitkartentransaktionen (20 bps) und Kreditkartentransaktionen (30 bps) eingeführt. Bis zum Jahr 2018

soll die Regelung auf Drei-Parteien-Verfahren ausgeweitet werden.

Durch diese Deckelung der Interbankenentgelte soll der Kundennutzen maximiert werden. Die Regulierungs-

behörden erwarten, dass die Senkung der Entgelte in Form von Senkungen der MSCs an die Händler

weitergegeben wird. Dadurch entstünde auch ein vermehrter Wettbewerb unter den Acquirern. Angestrebt

wird, dass sich die Senkung der Kosten im Zahlungsverkehr auch bei den Endverbrauchern bemerkbar macht.

Die MIF-Verordnung enthält außerdem Geschäftsregeln, durch die die Dominanz der beiden großen inter-

nationalen Bezahlkartensysteme (Visa Europe und MasterCard) gebrochen und der Wettbewerb intensiviert

werden soll.

Diese Geschäftsregeln sehen unter anderem Folgendes vor:

• Trennung von Kartenzahlverfahren und abwickelnden Stellen: Management und Governance

müssen von der Abwicklung der Zahlungsvorgänge getrennt sein.

• Abschaffung der Verpflichtung zur Akzeptanz aller Produkte/Karten („Honour all Products/Cards“):

Den Händlern wird freigestellt, nur diejenigen Kartenverfahren und/oder Marken zu akzeptieren,

die ihren Bedürfnissen entsprechen.

• Recht auf Co-Branding: Die Kontoanbieter erhalten das Recht, mehrere Zahlungssysteme/Marken

auf einer Karte aufzunehmen. Die Verbraucher haben damit am PoS die Wahl zwischen mehreren Marken.

• Keine territoriale Diskriminierung: Keine territoriale Beschränkung in Lizenzvereinbarungen

für die Ausgabe von Bezahlkarten und die Annahme und Abrechnung von kartengebundenen

Zahlungsvorgängen in der EU.

Nach ihrer vollständigen Umsetzung dürfte die MIF-Verordnung weitreichende Auswirkungen auf den

Zahlungsverkehrsmarkt haben. Außerdem dürfte der wirtschaftliche Druck auf die Emittenten zunehmen

und der Wettbewerb zwischen internationalen und nationalen Bezahlkartensystemen dürfte sich verschärfen.

Als erste Auswirkung wird die Einführung von Jahresgebühren erwartet, vor allem für Kreditkarten und Non-

Franchise-Kunden, da die Emittenten bestrebt sein werden, entgangene Einnahmen zu ersetzen. Die Kunden

werden daraufhin wahrscheinlich die gängigsten Bezahlkarten behalten und nicht benötigte oder selten

benutzte Karten kündigen. Dadurch wird der Marktdurchdringungsgrad bei den Bezahlkarten insgesamt

geringer werden.

Wir gehen davon aus, dass die Kombination aus niedrigerer Obergrenze für das Interbankenentgelt bei Debit-

karten und Abschaffung der „Honour all Cards“-Verpflichtung dazu führen wird, dass sich durch die geringere

Akzeptanz am PoS die Verlagerung der Zahlungsvolumina von Kredit- hin zu Debitkarten beschleunigt. Durch

diese Entwicklung werden die Einnahmen aus dem Interbankenverkehr für die Kreditkartenemittenten

weiter sinken, wodurch die Wirtschaftlichkeit von Kreditkarten zusätzlich unter Druck gerät.

48

Die Auswirkungen dieses Verlusts an Erträgen werden sich vor allem bei den „Premium“-Kreditkarten be-

merkbar machen. Bonusprogramme, die bisher aus den Einnahmen aus Interbankenentgelten subventio-

niert wurden, dürften zurückgefahren werden. Längerfristig müssen die „Premium“-Marken wahrscheinlich

über eine Umstrukturierung ihres Angebots nachdenken, weg vom herkömmlichen transaktionsgetriebenen

und von den Emittenten getragenen „Rewards for Spend“-Modell.

Es ist zu erwarten, dass derartige Modelle durch von den Händlern finanzierte Bonusprogramme abgelöst

werden. Stattdessen werden kundenzentrierte Angebote fokussiert, die darauf abzielen, die Kunden-

beziehungen zu stärken. Die Trennung von Kartenzahlverfahren und abwickelnden Einheiten wird sich in

zweierlei Hinsicht auf den Markt auswirken. Zum einen wird der Wettbewerb im Abwicklungsgeschäft zu-

nehmen, wodurch wiederum die Kosten sinken dürften. Allerdings gehen wir davon aus, dass diese Ent-

wicklung nur minimalen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Systems insgesamt haben wird, da die Margen

der abwickelnden Stellen ohnehin bereits gering sind. Stattdessen erwarten wir eine Konsolidierung auf

der Abwicklungsebene, da die Akteure bestrebt sein werden, größenbedingte Kostenvorteile zu nutzen.

Zum anderen wird eine stärkere Preistransparenz entstehen und die Systeme werden hinsichtlich ihrer Ge-

bühren unter verstärkten Rechtfertigungsdruck geraten. Wir gehen davon aus, dass die Systeme daraufhin

neue Mehrwertdienste einführen werden, um ihre Margen zu rechtfertigen. Zudem werden internationale

und nationale Bezahlkartensysteme darum konkurrieren, als einzige Marke am PoS akzeptiert zu werden.

Daneben könnte die MIF-Verordnung auch einige nicht beabsichtigte Konsequenzen nach sich ziehen.

Durch die Reduzierung der Interbankenentgelte (die über die MSCs weitergegeben wird) wächst

die Wettbewerbsfähigkeit der Kartenzahlungssysteme im Hinblick auf die Kosten. Dadurch wird für

die Händler der Anreiz geringer, zu alternativen Zahlungssystemen zu wechseln, was sich wiederum

negativ auf die Akzeptanzraten dieser neuen Technologien auswirken könnte. In gewissem, wenngleich

moderatem Umfang könnten auch die Investitionen in die Infrastruktur für den Kartenzahlungsverkehr

zurückgehen. Sollte dieser Fall eintreten, wird sich dies zuerst auf den weniger reifen europäischen

Bezahlkartenmärkten bemerkbar machen.

PSD2

Mit der PSD2 nimmt die EU eine Erneuerung der derzeit gültigen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD1) vor, in der

sie neuen Technologien, Zahlungsdiensten und Akteuren mit innovativen Geschäftsmodellen Rechnung trägt.

Mit der PSD2 werden folgende Zielsetzungen verfolgt:

• Die Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften voranzutreiben, um einen besser integrierten

Markt zu schaffen.

• Einheitliche Rahmenbedingungen für die Dienstleistungsanbieter zu erreichen und hierbei auch neue

Akteure zu berücksichtigen.

• Den Zahlungsverkehr für die Kunden sicherer und schneller zu machen und einen besseren Schutz der

Kunden herbeizuführen.

• Niedrigere Preise im Zahlungsverkehr herbeizuführen.

• Die Herausbildung einheitlicher technischer Standards und Interoperabilität zu fördern.

49

In Kasten 3 vermitteln wir einen Überblick über die wichtigsten Bestimmungen der PSD2.

Es wird erwartet, dass die PSD2 drastische Auswirkungen auf die Zahlungsverkehrsbranche haben wird.

Ein wesentliches Element der PSD2 betrifft neue Vorschriften, die den Zugang von Drittanbietern zu

Zahlungsinformationen regeln. Mit der PSD2 wird der Third-Party Payment Service Provider (TPP) als eine

neue Kategorie beaufsichtigter Unternehmen eingeführt.

Es gibt zwei Arten von TPPs.

DIE WICHTIGSTEN BESTIMMUNGEN DER PSD2 IM ÜBERBLICK

ZUGANG ZUKUNDENKONTENA

• Für Zahlungsdienstnutzer ist die Kenntnis der tatsächlichen Kosten und Entgelte für Zahlungsdienstleistungen unerlässlich, um in Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können

• PSPs informieren die Zahlungsdienstnutzer über alle Entgelte, die sie zu entrichten haben, ggf. mit Aufschlüsselung

• Information von Zahler und Zahlungsempfänger vor Ausführung eines Zahlungsvorgangs

B C FESTLEGUNG DER HAFTUNGSPFLICHTEND

• PSPs sollten eine starke Kundenauthentifizierung verlangen, wenn der Zahler− online auf sein

Zahlungskonto zugreift − einen elektronischen

Zahlungsvorgang auslöst − über einen Fernzugang

eine Handlung vornimmt

• Starke Kundenauthentifizierung: eine Authentifizierung unter Heranziehung von mindestens zwei Elementen der Kategorien Wissen, Besitz oder Inhärenz, die voneinander unabängig sind

MEHR TRANSPARENZ BEI ENTGELTEN UND ZAHLUNGSVORGÄNGEN

BESSERE AUTHENTIFIZIERUNG

• Der Zahlungsdienstnutzer hat das Recht, Dienstleistungen zu nutzen, die den Zugang zu Zahlungskontoinformation ermöglichen

• Keine Diskriminierung in der Behandlung von TPPs durch die PSPs und keine Beschränkungen beim Kontozugang zu Informationszwecken

• Zahler haben das Recht auf Nutzung von Zahlungsauslöse-dienstleistern (PISP)

• PSPs sollten keine zusätzlichen Entgelte für von PISPs ausgelöste Zahlungen erheben oder diese mit niedrigerer Priorität behandeln

• Im Wesentlichen teilen sich die PSPs von Zahler und Zahlungsempfänger die Haftung, wobei jeder jeweils für seinen Teil der Transaktion haftet

• Der Nutzer sollte nur für einen begrenzten Betrag selbst haften, es sei denn, er hat in betrügerischer Absicht oder grob fahrlässig gehandelt

• Es besteht nur eine sehr geringe Haftung des Zahlers infolge der Nutzung eines verlorenen oder gestohlenen Zahlungsinstruments oder missbräuchlicher Verwendung eines Zahlungsinstruments

5050

Abbildung 29: Arten von TPPs

TPP BESCHREIBUNG

Kontoinformationsdienst-leister (Account Information Service Provider – AISP)

• Online-Aggregatoren oder andere Drittpartei-Dienstleistungsanbieter, die auf Zahlungsinformationen eines oder mehrerer Zahlungskonten zugreifen und diese Informationen dem Kunden bereitstellen, z. B. Yodlee und Mint

• Weitere potenzielle Anbieter: Online-Preisvergleichswebsites, z. B. MoneySupermarket.com

Zahlungsauslösedienst-leister (Payment Initiation Service Provider – PISP)

• Drittanbieter, der ein „Online-Portal“ oder eine „Softwarebrücke“ zwischen dem Zahler und dem Zahlungsdienstleister (Payment Services Provider – PSP) oder dem kontoführenden Zahlungsdienstleister (Account Servicing Payment Service Provider – ASPSP) des Zahlers bereitstellt

• PISPs sind berechtigt, für den Zahler und auf Antrag des Zahlers Zahlungsdienstleistungen auszulösen, indem sie dem PSP/ASPSP des Zahlers einen Auftrag erteilen

Nach Einführung der PSD2 sind die Banken verpflichtet, Drittpartei-Dienstleistungsanbietern Zugang zu

den Kontoinformationen ihrer Kunden zu gewähren. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kunde ausdrücklich

seine Zustimmung erteilt hat. Außerdem werden PISPs in der Lage sein, Zahlungsaufträge zu erteilen, die

vom kontoführenden Zahlungsdienstleister ohne Diskriminierung und ohne zusätzliches Entgelt ausgeführt

werden müssen.

Darüber hinaus sieht die PSD2 größere Transparenz hinsichtlich der Kosten und Entgelte für unterschiedliche

Zahlungsinstrumente vor. Entsprechende Informationen werden vor Auslösung einer Transaktion an den

Kunden weitergegeben, so dass der Kunde in Kenntnis der Sachlage und der anfallenden Kosten entscheiden

kann, welches Zahlungsinstrument er verwenden möchte.

Die PISP-Angebote könnten eine potenziell hochgradig disruptive Wirkung haben und tiefgreifende Folgen

für sämtliche Akteure der Zahlungsverkehrsbranche bewirken.

• PISPs bieten den Kunden eine attraktive Möglichkeit, auf alle ihre Konten zuzugreifen und ihre

Transaktionsaktivitäten über ein einziges Portal zu verwalten. Das PISP-Ökosystem besitzt das

Potenzial zur Erweiterung über den Finanzdienstleistungsbereich hinaus auf Kundenkonten

bei Versorgungsunternehmen (Gas-, Wasser- und Stromversorgung), lokalen Behörden

(Gemeindesteuern) und großen Händlern.

• PISPs stellen für die Banken eine ernsthafte Bedrohung dar, da sie sich als Vermittler zwischen

die Banken und ihre Kunden schieben. PISPs haben das Potenzial, sich zur zentralen Anlaufstelle

der Kunden für Finanzdienstleistungen zu entwickeln und den Banken einen Großteil der

Kundenbeziehungen abzunehmen und ihr Geschäft mit Privat- und Firmenkundengirokonten

auf die Funktion eines Dienstleistungsanbieters zurückzustufen.

• Durch die Einführung von PISPs (oder AISPs) könnte auch ein erheblicher Wettbewerbsdruck im

Kreditkartenmarkt entstehen. Die PISPs erhalten Zugang zu einem vollständigeren Bild des Ausgaben-

und Transaktionsverhaltens der Kunden. Außerdem werden sie in der Lage sein, diese Informationen

auf Anweisung des Kunden als Entscheidungshilfe bei Kreditvergaben an andere Kreditgeber

weiterzugeben. Erleichtert wird dies durch die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung

zum Recht auf Übertragbarkeit (siehe Abschnitt “Datenschutz-Grundverordnung”).

• PISP-Lösungen könnten auch eine Reihe unterschiedlicher Zahlungsinstrumente unterstützen, was

in Kombination mit den Bestimmungen der PSD2 zur Transparenz von Preisgestaltung und Entgelten

den Wettbewerbsdruck auf die Bezahlkartennetze erhöhen würde.

51

Abbildung 30: Umgehung der herkömmlichen Kartenzahlungsschienen durch PISPs

Die wichtigsten Änderungen

• Ausstellende Banken müssen autorisierten PISPs und AISPs Zugang gewähren

• Starke Authentifizierung

• Händler können als PISPs fungieren und direkt auf Kundenkonten zugreifen

Darüber hinaus dürften einheitliche technische Standards für PISPs den Wettbewerb für europaweite statt regionaler Positionierung ö�nen

T

wnKarteninhaber

MerchantAcq.

Händler

PISP/AISP

Issuingprocessor

ee e

Autorisierung

KKartensystem

PISP

1

3

2

Acquiringprocessor

Entgelte

Gelder

Informationen

TAusstellende

Bank

e

PISPs werden für Clearing und

Abwicklung ihrer Zahlungsvorgänge wahrscheinlich die

vorhandene Infrastruktur der Banken nutzen

1

2

3

Mit Einführung der PSD2 könnten die herkömmlichen Kartenzahlungsschienen umgangen werden, wenn

sich die Kunden der PISP-Stelle dafür entscheiden, ihre Zahlungen über preisgünstigere A2A-Netzwerke

zu leiten, wodurch Kartenzahlungssysteme und Merchant Acquirer das Nachsehen hätten. Abbildung 30

veranschaulicht dieses Szenario.

Diese Entwicklung könnte sich auf das Volumen des Kartenzahlungsverkehrs auswirken, da in manchen

Fällen Zahlungstransaktionen per Karte (hauptsächlich Debitkarten) durch A2A-Transaktionen abgelöst

werden. Durch die Bequemlichkeit, die umfassende PISP-Lösungen bieten, dürften auch A2A-Zahlungen zu

einer attraktiveren Option für den Online-Zahlungsverkehr werden, wodurch das Volumen im E-Commerce

für Kartenzahlungssysteme abnimmt. Entscheidend für die breite Akzeptanz und damit den vermehrten

Einsatz dieser Transaktionen ist die Preisgestaltung.

Zudem dürfte die größere Auswahl an Zahlungsinstrumenten und die Transparenz bei den Entgelten, die

durch die PISPs möglich werden, die Margen der Acquirer unter Druck setzen. Nach unserer Einschätzung

wird dies zu einer moderaten Senkung der MSCs für Debit- und Kreditkartenzahlungen führen. Ferner

erwarten wir, dass die Acquirer ihre Tätigkeit auf weitere Zahlungsinstrumente ausweiten, um die MSCs zu

schützen, und dem Händler am physischen PoS mehr Zahlungsoptionen anzubieten (einschließlich A2A).

Dies wird dazu führen, dass das Wachstum der Kartenzahlungsvolumina weiter nachlässt.

Die Banken sind strategisch gut dafür aufgestellt, die Rolle der PISPs zu übernehmen, sofern dies im Rahmen

einer Plattform mit breiter angelegten Finanzdienstleistungen geschieht, die Kreditvereinbarungen, Spar-

und Investitionsportfolios einschließt. Dies erfordert allerdings beträchtliche Investitionen in entsprechende

Technologien und in die Bedienoberfläche, um den Kunden das gewünschte „Erlebnis“ bieten zu können.

Zu den potenziellen Konkurrenten um die Rolle der PISPs gehören Anbieter von mobilen Geldbörsen und

Technologiekonzerne (wie Apple und Samsung), FinTechs, große Händler und Händlerkonsortien sowie die

Banken selbst.

Die Akteure werden mittelfristig PISP-artige Angebote einführen, um sich am Markt zu positionieren und die

Einführung der PSD2 vorwegzunehmen. Außerdem werden sie mit der Übernahme der Bestimmungen der

PSD2 in die nationalen Rechtsvorschriften zusätzliche Funktionalitäten einführen.

52

DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG

Die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU wurde im Dezember 2015 verabschiedet und verfolgt die

nachfolgenden Zielsetzungen:

• Bessere Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten

• Harmonisierung von Datenstandards und Datenverwaltungsprozessen in der gesamten EU

• Stärkung des Vertrauens der Verbraucher durch Einführung von Sicherheiten beim Austausch

von Daten

Datenschutz-Grundverordnung und PSD2 zusammen schaffen den Rahmen für eine Ära des Open Banking

und damit für ein höheres Maß an Datenübertragbarkeit und Interoperabilität zwischen unterschiedlichen

Marktteilnehmern. Die Umsetzung beider Rechtsvorschriften soll bis 2020 abgeschlossen sein. Abbildung

31 gibt einen Überblick über Zeitrahmen und Meilensteine für die Umsetzung.

Zu den wichtigsten Aspekten der Datenschutz-Grundverordnung gehört das Recht auf Datenübertragbarkeit.

In dem betreffenden Artikel ist festgelegt, dass jede Person das Recht hat, personenbezogene Daten von

einem Dienstleister zum anderen mitzunehmen. Dies gilt auch für Start-ups und kleinere Akteure, so dass

der Wettbewerb gefördert wird. Um die Übertragbarkeit zu unterstützen, müssen die Daten in einem

strukturierten, gängigen elektronischen Format bereitgestellt werden.

Durch diese Vorschrift wird die mit der PSD2 eingeführte Pflicht für die Banken, ihre Kundendaten mit TPPs

zu teilen, weiter verschärft. Die Entwicklung von PISP-Angeboten durch bankenexterne Akteure, wie

Anbieter von mobilen Geldbörsen, wird vorangetrieben und so der Wettbewerb in diesem Markt gefördert.

Abbildung 31: Durch die neuen EU-Rechtsvorschriften vorgegebene Zeitleiste im „Open Banking“ – Überblick

2015 2016 2017 2018 2019

DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG

• 01/2012: Erste Vorschläg der Europ. Kommission

• 04/2016: Verabschiedung in EK

• Inkrafttreten voraussichtlich Ende Mai 2016

RELEVANTE MEILENSTEINE IN RECHTSVORSCHRIFTEN

PSD2

Q1 2017: Erwartete Annahme von Standards für Authentifiziung und Sicherheit durch EK

PSD2

01/2018: Umsetzungder PSD2 in nationale Rechtsvorschriften

PSD2

Q4 2018-Q1 2019: Vollständige Umsetzung von APIs auf Grundlage technischer Regulierungsstandards1

DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG

05/2018: Vollständige Umsetzung der Anforderungen einschl. Datenübertragbarkeit

PSD2

• 06/2013: Erste Vorschläge an EK

• 12/2015: Verabschiedung in EK

• 12.1.2016: Inkrafttreten

PSD2

Q2 2016: ErsterEntwurf Starke Authentifizierungund sichere Kommunikation mit techn. Regulierungs-standards für APIs1

1. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde muss die technischen Regulierungsstandards für starke Authentifizierung und sichere Kommunikation binnen 12 Monaten nach Infrakttreten der PSD2 ausarbeiten. Die Durchführungsstandards treten 18 Monate nach ihrer Annahme durch die Europäische Kommission in Kraft

Quelle: EBA

5353

ANGEBOTSSEITE

PSEUDO-SYSTEME

Die Fortschritte bei der Zahlungsverkehrsinfrastruktur zeigen sich in zunehmender Akzeptanz des mobilen

Zahlungsverkehrs, Abrechnung und Clearing in Echtzeit sowie der vermehrten Digitalisierung verbundener

Dienstleistungen, wie der Rechnungserstellung. Diese Fortschritte in Kombination mit den Ermüdungs-

erscheinungen im Hinblick auf die bestehenden Marktstrukturen sowie die Änderungen bei den Rechtsvor-

schriften haben zur Entstehung von „Pseudo-Systemen“ beigetragen.

Pseudo-Systeme sind nach unserer Definition alternative Zahlungssysteme. Diese werden entweder mit der

vorhandenen Infrastruktur als weitere Instanz in der Wertschöpfungskette betrieben, mit den entsprechenden

Gebührenstrukturen (wie ApplePay), oder aber als neue End-to-End-Systeme mit einer in sich geschlossenen

Teilnehmergruppe bzw. in einem in sich geschlossenen Segment. MCX in den USA ist ein Beispiel hierfür

oder aber Zapp in Großbritannien, das zwar nie wirklich an den Start ging, jedoch nach der Übernahme von

VocaLink durch MasterCard wiederbelebt werden könnte.

Die Senkung der Interbankenentgelte, hohe bestehende MSCs und die anhaltende Entwicklung im Bereich

des europäischen Echtzeit-Sofortzahlungsverkehrs würden die Voraussetzungen für die Entwicklung von

Geschäftsmodellen für diese Systeme bieten. Hiervon würden Händler und Verbraucher unter Kosten-Nutzen-

Gesichtspunkten und unter dem Erlebnisaspekt profitieren.

Abbildung 32: Schematische Darstellung der Dynamik auf der Angebotsseite

SystemVisa, MasterCard, Zapp

EmittentNordea, BBVA, Barclays, Starbucks1, Yoyo

HändlerCarrefour, Instacart, Uber, Starbucks1

AcquirerElavon, Wordpay,

WerbungGoogle, Amazon, Alibaba

Angebote und PrämienAmazon Prime, Nectar, Avios

WERTSCHÖPFUNGSKETTE IM ZAHLUNGSVERKEHR

Kauf und ZahlungSucheGoogle

Neue Bezahlplattformen, die die traditionelle Wertschöpfungskette abdecken

Apple Pay, Android Pay, Alipay, PayPal, Klarna, Paym

Händler, die über die gesamte Wertschöpfungskette aktiv sind

Instacart, Uber

1. Closed Loop- Zahlungssystem

Quelle: Oliver Wyman Analyse

55

Bislang sind in Europa auf der Angebotsseite allerdings noch keine signifikanten Veränderungen in diesem

Bereich zu verzeichnen. Ein erfolgreiches Modell, das in der Lage ist, nennenswerte Volumina aus dem

Zahlungsverkehrssystem abzuzweigen, muss sich erst noch herausbilden. Doch mit der Öffnung des Daten-

und Kontoinformationsbereichs, dem parallelen Aufbau einer europäischen Infrastruktur für den Echtzeit-

Zahlungsverkehr und der Verlagerung hin zum A2A-Zahlungsverkehr zeichnet sich hier eine Entwicklung

ab, die es im Auge zu behalten gilt.

GESCHLOSSENE SYSTEME

Geschlossene oder „Closed Loop“-Systeme sind Zahlungslösungen, die von einem Händler oder Dritten

angeboten werden, der Kartendaten von Kunden für Zahlungen an bestimmte Händler erfasst. Hierzu

kann zum Beispiel ein Guthaben in die Anwendung geladen werden, das je nach Bedarf erhöht werden

kann oder der Nutzer wählt für eine separate Transaktion eine Karte aus, von der abgebucht wird.

Geschlossene Systeme bieten den Kunden bestimmte Anreize, wie zum Beispiel die Einbindung in attraktive

Merchant Loyalty-Systeme. Für Händler stellen diese Systeme eine Konkurrenz zu ApplePay und ähnlichen

Angeboten dar, deren Pseudo-Systemmodell die von den Händlern je Transaktion zu zahlende Gebühr in

die Höhe treibt.

Starbucks hat das bislang erfolgreichste geschlossene System entwickelt, in dem über 10 Millionen aktive

Nutzer Woche für Woche 9 Millionen mobile Zahlungen tätigen. Daraufhin wandten sich andere Unter-

nehmen mit White-Labelling-Anfragen an Starbucks. Neben der angestrebten Reduzierung der Zahlungs-

verkehrskosten erreichte Starbucks auf diese Weise eine Steigerung von Kundenloyalität und Brand Awareness.

Weitere Beispiele aus diesem Bereich sind YoYo Wallet in Großbritannien und WalmartPay in den USA. Trotz

der genannten Erfolgsbeispiele gehen wir nicht von einem signifikanten Einfluss der Closed Loop-Systeme

auf die Gesamtdynamik im Zahlungsverkehrsmarkt aus.

Neben den herkömmlichen Konzepten auf Kartenbasis bietet Klarna eine Alternative, bei der Endkunden

zwischen zwei unterschiedlichen Zahlungsarten wählen können, nämlich Ratenzahlung oder Zahlung auf

Rechnung. Der Händler erhält unterdessen den vollständigen Rechnungsbetrag in einer Zahlung. Diese

Lösung erfordert keine Kartenzahlungsinfrastruktur und könnte somit als „Closed Loop-System“

gelten. Daneben bietet Klarna eine Checkout-Lösung, bei der Klarna als Gateway/PSP fungiert und

Privatkundenzahlungen über Debit-/Kreditkarten ermöglicht.

56

GESCHÄFTSMODELLE UND M&A

Bei Eigentumsverhältnissen und Geschäftsmodellen zeichnen sich Veränderungen ab, durch die sich bei

der Zahlungsverkehrsinfrastruktur ein Wandel von der Not-for-Profit-Einrichtung in gemeinschaftlichem

Besitz hin zu einer privaten Infrastruktur mit dem Ziel der Gewinnerwirtschaftung ergibt.

Im Privatkunden-Zahlungsverkehr war die Infrastruktur traditionell entweder Eigentum der Banken und

wurde von den Banken selbst betrieben oder aber von Not-for-Profit-Einrichtungen, die im Auftrag eines

Zusammenschlusses lokaler Akteure tätig waren.

Allerdings steht der In-house-Zahlungsverkehr bei den Banken zunehmend auf dem Prüfstand, da die Banken

bestrebt sind, ihren Geschäftsmodellen schärfere Konturen zu verleihen und ihre Fixkostenbasis zu redu-

zieren. Durch vermehrte Veräußerungen, Übernahmen und Abgänge geht das Eigentum von dieser Infra-

struktur zunehmend an private Investoren über, die damit Gewinne erwirtschaften wollen.

Ein Beispiel hierfür bietet die Herauslösung des Merchant Acquiring Business der RBS und die anschließende

Platzierung als WorldPay. In ähnlicher Weise beteiligen sich Private Equity-Gruppen an Zahlungsdienst-

leistern wie dem skandinavischen Zahlungsverkehrsabwickler und Acquirer Nets sowie dem italienischen

Zahlungsdienstleister ICBPI, der Setefi und ISP Card von Intesa Sanpaolo übernahm und daraus ISP

Processing formte.

Weitere markante Beispiele für diesen Trend zur Konsolidierung sind die Fusion von Worldline und Equens

sowie der Buy-out von VocaLink durch MasterCard (vorbehaltlich der Genehmigung durch die Behörden).

Dieser letztgenannte Deal ist nicht nur unter dem Aspekt der Konsolidierung bemerkenswert, sondern

ermöglicht zudem MasterCard einen wichtigen Schritt von der Welt des Plastikgeldes in die digitale Welt.

Damit ist MasterCard zum Infrastrukturanbieter für Faster Payments geworden und könnte dies als Sprung-

brett für den Ausbau des A2A-Zahlungsverkehrs in Europa nutzen. MasterCard hat sich somit auch im

traditionell von Visa beherrschten britischen Markt gut positioniert. Insgesamt gesehen scheint durch

diesen Buy-out das Duopol von Visa und MasterCard in Europa gestärkt zu werden. Dies ist eine Situation,

die dem Bestreben der europäischen Regulierungsbehörden zuwiderläuft, mehr Wettbewerb unter den

Akteuren des Zahlungsverkehrsmarktes in Europa zu schaffen.

Dieser Trend wird vorausichtlich anhalten und die Konsolidierung in diesem Ökosystem mittelfristig

weiter vorantreiben. An die Herausbildung von Großkonzernen im europäischen Zahlungsverkehrsmarkt

wird sich eine Welle von M&A-Aktivitäten anschließen. Dadurch werden diese neuen Akteure versuchen, ihre

Marktposition zu festigen und ihre größenbedingten Kostenvorteile zu nutzen. Folglich werden die Banken

ihre eigenen Beziehungen zu diesen Akteuren überdenken müssen. Einige werden sich von Partnern

zu Wettbewerbern entwickeln und die Banken werden zusehen müssen, wie sie mit diesem noch stärker

ausgeprägten Wettbewerb zurechtkommen.

57

NACHFRAGESEITE

Die Bereitschaft der Verbraucher, neue und innovative Zahlungstechnologien zu nutzen, wächst allmählich.

Einer der Schlüsselfaktoren dabei ist das Alter der Kunden. Während jüngere Verbraucher, insbesondere

die „Millennials“ meist eher bereit sind, neue Technologien auszuprobieren, geben sich ältere Kunden

zurückhaltender.

Abbildung 33 unten zeigt den prozentualen Anteil der Umfrageteilnehmer, die im zurückliegenden Monat

mindestens eine mobile Zahlungstransaktion getätigt haben. Dabei wird deutlich, dass die Akzeptanz

mobiler Zahlungsmethoden in den jüngeren Altersgruppen höher ist.

Abbildung 33: Mobiler Zahlungsverkehr – Akzeptanz nach Altersgruppen

18-25 26-34 35-44 45-54 55-64 65 und älter

63

56

40

27

21

13

% DER UMFRAGETEILNEHMER, DIE IM ZURÜCKLIEGENDEN MONAT MIND. EINE MOBILE ZAHLUNGSTRANSAKTION GETÄTIGT HABEN1

Q2 2014

1. Alle Umfrageteilnehmer waren sowohl Smartphone-Nutzer als auch Bankkunden

Quelle: Goldman Sachs WorldpayReport November 2015, Oliver Wyman Analyse

58

Als Hauptgründe, weshalb neue Zahlungsmethoden nicht genutzt werden, wurden mangelndes Vertrauen,

Sicherheitsbedenken, fehlende Kenntnisse über die Technologie und deren Funktionsweise sowie fehlende

technische Voraussetzungen entweder aufseiten der Verbraucher oder der Händler angegeben. Wir gehen

allerdings davon aus, dass die Verbraucher neuen Technologien und Zahlungsmethoden aufgeschlossener

gegenüberstehen, wenn sich deren Handhabung als einfach und problemlos erweist. Dies gilt auch für eine

möglichst einfache Authentifizierung. Die PSD2 könnte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass standar-

disierte Authentifizierungs- und Sicherheitsmaßnahmen in das Konsumerlebnis integriert werden. Dies

wiederum könnte sich auf die Akzeptanz mobiler Zahlungsangebote auswirken.

Abbildung 34 unten zeigt die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Einwohnern in Großbritannien, aus der

hervorgeht, dass die Nutzung kontaktloser Kartenzahlungsmethoden mit zunehmendem Alter abnimmt. Als

häufigster Grund, weshalb die Möglichkeit zur kontaktlosen Zahlung nicht genutzt wird, wurde mangelndes

Vertrauen angegeben. Unter älteren Umfrageteilnehmern wurde diese Antwort deutlich häufiger angegeben,

als in den jüngeren Altersgruppen.

Abbildung 34: Faktoren, die die Nutzung kontaktloser Zahlungsmethoden beeinflussen

%NUTZUNG KONTAKTLOSER ZAHLUNGSMETHODEN1

%

Unter 35

59

41

35-54

63

37

Über 55

72

28

Unter 35

25

8

29

37

35-54

21

8

22

49

Über 55

18

8

14

60

Unkenntnis: „Weiß nicht, ob ich konktaktlos bezahlen kann“

PoS-Technologie: „Kenne keinGeschäft, daskontaktloseBezahlung anbietet“

Kartentechnologie: „Funktion nichtaktiviert“

Nicht-Nutzer

Nutzer

ANGEGEBENE EINSCHRÄNKENDE FAKTOREN FÜR VERZICHT AUF DIE NUTZUNG KONTAKTLOSER ZAHLUNGSMETHODEN1

Vertrauen: „Habekein Vertrauen“

1. Antworten von über 2.300 Teilnehmern einer Online-Umfrage in GB; „Nutzer“ = Nutzer, die höheres Zahlungslimit befürworten, und Nutzer, die 30 £-Limit für ausreichend halten

Quelle: FutureThinking and Toluna Contactless Poll April 2016, Oliver Wyman Analyse

59

Banken und andere etablierte Finanzdienstleister scheinen am ehesten in der Lage zu sein, diese Bedenken

der Verbraucher zu zerstreuen. Laut einer Umfrage in Großbritannien haben die Verbraucher am ehesten

Vertrauen in herkömmliche Finanzdienstleistungsunternehmen, die eigene Mobile Payment Apps anbieten,

siehe Abbildung 35. Durch dieses vergleichsweise hohe Vertrauen der Verbraucher befinden sich die

Banken in einer guten Position, um die Bestimmungen der PSD2 für sich zu nutzen und die Verbraucher

durch attraktive PSIP-Angebote an sich zu binden.

Eine durchaus realistische Bedrohung für die Finanzdienstleister geht allerdings von den großen Technologie-

konzernen wie Apple, Google, Samsung, AliPay und PayPal aus. Sie haben wiederholt unter Beweis gestellt,

dass sie in der Lage sind, die Verbraucher mit attraktiven Angeboten zu überzeugen. Sie können außerdem

häufig mit hohen Kundenzufriedenheitsraten punkten. Zudem zeigen sie sich bei der Entwicklung neuer

Produkte meist flexibler und sind bestrebt, als Erstes weitere innovative Angebote an den Start zu bringen,

um sich möglichst frühzeitig am Markt zu positionieren.

Wir gehen davon aus, dass die Kundenakzeptanzraten für neue Zahlungstechnologien kontinuierlich an-

steigen werden. Die Faktoren, die bisher die Akzeptanz einschränken, dürften in dem Maß weiter abnehmen,

in dem die Verbraucher mit den neuen Technologien vertrauter werden und in dem die Branche die Bedenken

der Verbraucher aufgreift und in Sicherheit und Authentifizierungsmethoden investiert. Die Banken

scheinen zunächst gut positioniert, sich in diesem Bereich die Stellung als „naheliegende“ Anbieter zu

sichern, doch müssen sie dafür vermutlich schnell handeln, um branchenfremden Anbietern zuvorzukommen.

Abbildung 35: Vertrauen in die Anbieter von Mobile Payment Apps

VERTRAUEN IN DIE ANBIETER VON MOBILEN ZAHLUNGS-APPS1

%

Bank/primäresFinanzinstitut

Zahlungs-kartensystem

Mobilfunk-geräte-

hersteller

OnlineGroßhändler

StationäreEinzel-

händler

Mobilfunk-netzbetreiber

Mobilfunkgeräte-betriebssystem

62

18

11

3 2 2 2

Potenz.Anbieter

Beispiele Barclays,HSBC, etc.

Visa,MasterCard,

AmericanExpress, etc.

Apple,Nokia,

Samsung, etc.

Amazon,Ebay, etc.

M&S,Boots, etc.

EE, O2, etc. Android,Microsoft, etc.

1. Antworten aus einer Umfrage unter 525 Einwohnern (alle Smartphonebesitzer) auf die Frage „Bei welchem Anbieter von Mobile Payment-Apps würden Sie am ehesten darauf vertrauen, dass Ihre personenbezognen Daten und Finanzdaten sicher sind?“

Quelle: TSYS 2015 UK Consumer Mobile Payment Study, Oliver Wyman Analyse

60

Abbildung 36: Szenario-Narrative

1. GERINGES DISRUPTIVES POTENZIAL 2. HOHES DISRUPTIVES POTENZIAL

• Wachsende Akzeptanz von Mobilen Geldbörsen und anderen A2A-fähigen PSPs (z. B. SWISH)

• Starke Zuwächse bei A2A, insbesondere in reiferen Kartenzahlungsmärkten

− Von A2A-PSPs ausgelöste Einzelzahlungen als Treiber

− Zuwachs bei P2B-Volumina am PoS

− Daueraufträge und andere Terminzahlungsmechanismen weitgehend konstant

• Zuwächse bei Bezahlkarten, allerdings unterschiedlich stark in Europa

− In reifen Märkten:

− Moderates Wachstum bei Durchdringungsraten

− Mittleres/starkes Wachstum bei Debitkarten (insbesondere Ausgaben am physischen PoS)

− Investitionen in PoS-Technologie und Sicherheit um Volumina zu schützen

− Investitionen internationaler Kartensysteme in weniger reife Märkte, um höhere Durchdringungsraten und Ausgaben zu erreichen (insbesondere Debitkarten)

• Zuwächse bei Barzahlungsvolumina, aber rückläufiger Anteil gegenüber anderen Zahlungsmechanismen

• Rückgang bei Scheckzahlungsvolumina (Substitution durch A2A)

• An der Spitze für A2A-Sofortzahlungen ausgelegte PISP-Angebote, die hohe Akzeptanz finden

• Zunehmende Konkurrenz durch A2A-PSPs an zwei Fronten:

− Start von A2A-Pseudo-Systemen, die P2B-Volumina hochtreiben und die Zuwächse bei den Kartenzahlungsvolumina an physischen PoS (insbesondere Debitkarten) kannibalisieren

− Höhere Umsätze im P2P-Zahlungsverkehr (löst Scheckzahlungen ab)

• Rückgang der Volumina an PoS durch zunehmende Verbreitung von Closed Loop-Netzen-Netzen bei großen Händlern

PROGNOSEN ZU MARKTGRÖSSE UND ERTRAGSPOOLS

Wir haben die Folgen der disruptiven Trends untersucht und Top-down-Prognosen für Zahlungsvolumina

und Ertragspools bis 2020 erstellt.

Hierfür wurden zwei Szenarios zugrunde gelegt:

1. Geringes disruptives Potenzial: Ein Szenario, bei dem die beschriebenen Trends eine gewisse Vorlauf-

zeit bis zur breiten Akzeptanz haben (bei dem beispielsweise erst nach 2020 eine höhere Akzeptanz-

rate erreicht wird).

2. Hohes disruptives Potenzial: Die Beteiligten der Wertschöpfungskette tätigen Investitionen in beträcht-

lichem Umfang, um alternative Zahlungsmethoden wie A2A voranzutreiben. Außerdem erfolgt ein

rascher Ausbau der technologischen und sonstigen Infrastruktur für den Zahlungsverkehr, um den Vor-

gaben der neuen Rechtsvorschriften gerecht zu werden und die Akzeptanz des elektronischen

Zahlungsverkehrs insgesamt zu fördern.

Abbildung 36 zeigt einen Überblick über die hypothetischen Narrative für beide potenziellen Szenarien.

Am stärksten dürften sich die beschriebenen disruptiven Trends beim Mix der Zahlungsverkehrsvolumina

in den einzelnen Märkten bemerkbar machen.

61

Bei beiden Szenarien und in allen Märkten gehen wir davon aus, dass der Einsatz elektronischer Zahlungs-

mittel zunehmen wird, während der Bargeld- und Scheckverkehr im Verhältnis dazu an Bedeutung verliert.

Debitkarten und A2A-Zahlungen dürften am PoS Bargeldzahlungen weitgehend ablösen, Scheckzahlungen

dürften damit bald endgültig der Vergangenheit angehören.

Die Volumina im Zahlungsverkehr mit Kredit- und Debitkarten werden insgesamt weiter wachsen. Allerdings

werden die Zuwachsraten in den weiter entwickelten Märkten zurückgehen, wenn bei den Netzwerken für

den kontaktlosen Zahlungsverkehr allmählich eine Sättigung eintritt und die Marktdurchdringung bei den

Bezahlkarten ihr Plateau erreicht. Die Marktteilnehmer werden voraussichtlich zunehmend in die weniger

reifen Märkte investieren, um ihre Marktposition zu festigen und neue Kapazitäten zu erschließen. Insbe-

sondere ist davon auszugehen, dass die Volumina im Zahlungsverkehr mit Debitkarten in diesen Märkten

größer werden.

A2A-basierte Lösungen dürften in der Zahlungsverkehrs-Landschaft für Privatkunden zunehmend an Be-

deutung gewinnen, wobei das Wachstum zunächst durch die Volumina im P2P-Zahlungsverkehr vorange-

trieben wird. Doch auch Technologien und Pseudo-Systeme für den P2P-Zahlungsverkehr werden zunehmend

zur Verfügung stehen. Wie die Entwicklung tatsächlich verläuft, wird auch davon abhängen, ob die erforder-

liche Acceptance-Infrastruktur bereitsteht. In den reiferen Bezahlkartenmärkten, in denen die Marktteil-

nehmer, wie zum Beispiel die Betreiber von Zahlungsverkehrsnetzen, in jüngster Zeit in Plattformen für den

Echtzeit-Zahlungsverkehr investiert haben (wie in Skandinavien, Großbritannien und Irland) ist von einem

besonders hohen Wettbewerbsdruck auszugehen.

Im Szenario mit hohem disruptivem Potenzial werden die Debitkartenzahlungen zunehmend von A2A-

Zahlungen abgelöst. In diesem Szenario wird es in den reiferen Märkten gar keine Scheckzahlungen mehr

geben. An ihre Stelle treten wiederum A2A- und Debitkartenzahlungen.

Abbildung 37 zeigt einen Überblick über die Volumenveränderungen in den einzelnen Märkten für beide

Szenarien. Bei den Margen ist im Zeitraum 2014 bis 2020 keine vergleichbar dramatische Entwicklung

zu erwarten.

62

Abbildung 37: Folgenabschätzung mit Blick auf die Zahlungsvolumina

VOLUMENTRENDS (ANZAHL DER TRANSAKTIONEN) 2015-2020 % CAGR

1. GERINGES DISRUPTIVES POTENZIAL 2. HOHES DISRUPTIVES POTENZIAL

GB

& Ir

lan

d

Fran

krei

ch &

B

enel

ux

Mit

tele

uro

pa

(ges

amt)

Deu

tsch

and

Öst

erre

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isch

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Ital

ien

Skan

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n

Son

stig

e

GB

& Ir

lan

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krei

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B

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din

avie

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stig

e

A2A

Barausgaben & Abhebungen an Geldautomaten

Schecks

PoS- Kreditkarten

PoS- Debitkarten

BIP-Wachstum

+5-10%+10% +0-5% 0% -0–15% <–15%

Quelle: Oliver Wyman Analyse

63

In den reiferen Bezahlkartenmärkten ist durch den Wettbewerbsdruck, der durch A2A-basierte

Zahlungslösungen im Firmenkundensegment verstärkt wird, allerdings mit einer sehr moderaten

Verringerung der MSCs zu rechnen. Die Acquirer werden auf diese Bedrohung reagieren, indem sie ihre

Beteiligung auf den A2A-Zahlungsverkehr ausweiten, um die MSCs zu schützen und auf diese Weise weiter-

hin relevant zu bleiben. Die Verarbeitungsentgelte dürften mit der Konsolidierung des Sektors ebenfalls

moderat sinken, wenn die Akteure ihre größenbedingten Kostenvorteile realisieren. Diese Einsparungen

könnten allerdings auch bei den Verarbeitern verbleiben, wenn weiterhin privates Kapital in den Sektor

fließt, von dem sich die Kapitalgeber eine Rendite erwarten.

Die Kontogebühren werden steigen, weil die Banken nach Möglichkeiten suchen, bei Konten eine höhere

Wirtschaftlichkeit zu erzielen, indem sie Einnahmeausfälle aus Depotzinsen ersetzen und für Transaktions-

aktivitäten anfallende Kosten zurückfordern. Infolge der MIF-Verordnung werden die Gebühren für Karten-

inhaber voraussichtlich ebenfalls steigen.

Insgesamt prognostizieren wir für die betrachteten Ertragspools im Szenario mit geringem disruptivem

Potenzial eine jährliche Wachstumsrate (CAGR) von rund 7 Prozent, ausgehend von etwa 38 Mrd. Euro im

Jahr 2014 auf 55 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020.

Als Wachstumstreiber fungieren dabei:

• Der Anstieg der Kontogebühren, von dem ausschließlich die Kontoanbieter profitieren.

• Zuwächse bei den Ausgaben in Form von Debit- und Kreditkartenzahlungen, die höhere

MSC-Einnahmen für Acquirer und Netzbetreiber und einen Anstieg der Einnahmen durch

Interbankenentgelte für die Kontoanbieter zur Folge hat.

Im Szenario mit hohem disruptivem Potenzial erwarten wir für die Ertragspools insgesamt bis 2020

ein Volumen von etwa 58 Mrd. Euro. Allerdings dürfte hier der Großteil bei den Kontoanbietern verbleiben.

Grund dafür ist, dass die heutigen Volumina im Scheckverkehr und die damit verbundenen hohen Abwicklungs-

kosten (0,70 Euro bis 1,30 Euro pro Transaktion) zunehmend durch A2A-Zahlungen mit vergleichsweise

geringen Kosten abgelöst werden.

64

Abbildung 38: Ertragspoolprognosen

NACH ZAHLUNGSVERKEHRSMARKT NACH ART DER AKTEURE NACH ZAHLUNGSMITTEL

ERTRAGSPOOLS IM PRIVATKUNDEN-ZAHLUNGSVERKEHR2014 UND 2020, IN MRD. €

+7,2%+6,4%

CAGR

57,554,9

37,8

PoS-Terminalgeb.

Kontogebühren

NZM

Debitkarten

Kreditkarten

Schecks

Bar

Abhebungen anGeldautomaten

A2A

37.8 37.8

Österreich

Sonstige EU

Übriges Mitteleurop.

Skandinavien

Iber. Halbinsel & Italien

Deutschland

Frankr.& Benelux

GB & Irland

2014 2020(Gering

disruptiv)

2020(Hoch

disruptiv)

2014 2020(Gering

disruptiv)

2020(Hoch

disruptiv)

2014 2020(Gering

disruptiv)

2020(Hoch

disruptiv)

+7,2%+6,4%

CAGR

57,554,9

37,8

+7,2%+6,4%

CAGR

57,554,9

37,8

Kontoanbieter

Acquirer und Netzbetreiber

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Oliver Wyman Analyse

65

66

FAZIT

DIE SACHLAGE

Der Paradigmenwechsel wird wohl für alle Teilnehmer am Zahlungsverkehrs-

markt mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen, aber auch Chancen,

verbunden sein. Der europäische Zahlungsverkehrsmarkt der Zukunft könnte

damit gänzlich anders aussehen als der heutige Markt und beispielsweise

geprägt sein von:

• Neuen und ganz anderen Akteuren (wie TPPs, großen

Einzelhändlern, Technologiekonzernen).

• Zahlungsinstrumenten mit hoher Verbreitung, darunter verschiedene

Varianten mobiler Zahlungsmethoden (wie virtualisierte Karten, Anbieter-

App-basierte Transaktionen) und Universalterminals, an denen Zahlungen

mit allen Arten von Zahlungsinstrumenten möglich sind.

• Smart Routing von Transaktionen über herkömmliche Kartenzahlungs-

und A2A-Zahlungskanälen.

• Zunehmende Nutzung des Zahlungsverkehrs zur Unterstützung

breiter angelegter strategischer Initiativen der Marktakteure

(Einzelhändler, App-Entwickler), unter anderem durch die Verbesserung

des Kundenerlebnisses (zum Beispiel „On the Go“-Checkout

in Einzelhandelsgeschäften).

• Neudefinitionen von Customer Ownership und Kundenbeziehungen,

bedingt durch die zunehmende Unschärfe der Rollen der einzelnen

Beteiligten. Dies könnte zu einer großen Herausforderung werden.

Die etablierten Akteure (Banken, Zahlungsunternehmen, Infrastrukturanbieter

und große Technologiekonzerne) verfügen über eine tragfähige Plattform, auf

der sie aufbauen können. Sie sehen sich aber auch erheblichen Bedrohungen

durch Disintermediation, Einnahmeverluste und abnehmende Kundenbindung

ausgesetzt. Die agilen Tech-Unternehmen haben bereits unter Beweis gestellt,

dass sie in der Lage sind, die Kunden durch innovative Lösungen zu überzeugen,

die eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Zahlungsverkehrsinfrastruktur

und –prozesse darstellen.

Dennoch werden sich in den verschiedenen Märkten in beträchtlichem Umfang

neue Perspektiven eröffnen und es wird für alle Akteure – etablierte wie neue –

Chancen geben. Bei der Definition einer neuen Strategie sollten einige zentrale

strategische Fragen beantwortet werden, um Bedrohungen abzuwehren und

Chancen nutzen zu können.

67

STRATEGISCHE ANTWORTEN

Unternehmerische Vision und Zukunftsfähigkeit von Organisationen werden durch die Entwicklung der

Zahlungsverkehrsmärkte auf die Probe gestellt. Unabhängig von der Kategorie der Akteure, gilt es einige

Imperative und Vorgehensweisen näher zu beleuchten:

• Erträge sichern, weiter steigern und maximieren.

• Lösungen am Bedarf der Nachfrageseite ausrichten.

• Mit innovativen und disruptiven Konzepten Veränderungen auf der Angebotsseite umsetzen.

• Die Beziehungen zu den Kunden ausbauen (nicht nur Endnutzer als Kunden, sondern auch andere

Akteure wie Unternehmen, Händler, PSPs und TPPs).

Die Marktteilnehmer der einzelnen Kategorien müssen einige zentrale Entscheidungen treffen, bei denen

gewisse Gemeinsamkeiten bestehen.

Abbildung 39: Strategische Antworten – Checkliste

AKTEUREGEMEINSAME REAKTIONSBEREICHE

SPEZIFISCHE REAKTIONSBEREICHE (OHNE ANSPRUCH AUF VOLLSTÄNDIGKEIT)

Emittent/PSP • Bewusstsein für bestehende Chancen und Risiken

• Aussehen des zukünftigen Marktes (denkbare Szenarien)

• Business Units, die am besten aufgestellt sind, um Chancen zu nutzen

• Größenordnung und Art der gefährdeten Erträge

• Organische/anorganische Strategie zum Schutz und zur Verbesserung der Marktposition

• Kannibalisierung vs. Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle

• Grad der Beteiligung an der Entwicklung des Marktes (A2A-Infrastruktur/ Sicherheit & Authentifizierung/kontaktlose Zahlung)

• Partnerschaftsmodelle, TPP-Engagement-Modelle (einschließlich Haftungsmanagement)

• Tech- und Balance Sheet-Provider für TPPs vs. Core Player

Acquirer • Am PoS (physisch/virtuell) relevant bleiben – Acceptance-Lösungen/VAS/ Partnerschaften und Kooperationen

• Preisgestaltung, Infrastrukturinvestitionen, Enablement neuer Zahlungsarten

TPPs (AISP/PISP) • Vorhandene Ertragsmodelle und künftige Beteiligung an der Wertschöpfungskette

• Einfache Integration in Systeme von externen Parteien – Verbesserungen der Customer Journey

Zahlungsunternehmen und Infrastruktur-betreiber

• Value at Risk-Analysen und Ausweitung von Produkten und Lösungen

• Kannibalisierung bestehender Ertragsströme durch neue Zahlungsmethoden

Systemeigentümer • Identifizierung von Kernkundengruppen und entsprechender Strategie

• Engagement bei Bezahlkarten vs. A2A; Markt-Incentivierungsmodelle

• Endnutzer-Relevanz (Erlebnis/einfache Anwendung/Akzeptanz)

Technologiekonzerne • Entscheidung für bestimmte Märkte und Segmente

• „Ersetzen“ bisheriger Marktentscheidungen (PSPs /TPPs/Zahlungsmethoden)

Neue Tech-Player • Sorgfalt bei der Partnerwahl und ausgewogenes Verhältnis Eigentümer- Kunden zu Servicekunden

• Umstellung auf Endkunden-Marke vs. Konzept mit Vermittlung

68

FOCUS: DEUTSCHLAND – FAZIT

Der gesamte deutsche Zahlungsverkehrsmarkt könnte bis 2020 pro Jahr um 7–9 Prozent wachsen, siehe

Abbildung 40. Mehr Transaktionen werden elektronisch durchgeführt werden und es wird neue Zahlungs-

weisen geben. Die Ersetzung von Bargeld wird sich beschleunigen und neue Transaktionswege werden

Umsätze generieren.

Abbildung 40: Wachstumsprognose für den deutschen Privatkunden-Zahlungsverkehr

ERTRÄGE IM DEUTSCHEN PRIVATKUNDEN-ZAHLUNGSVERKEHR2014 UND 2020, IN MRD. €

2014 2020Gering disruptiv

2020 Hoch disruptiv

+9,1%+7,0%

CAGR

12,4

11,1

7,4

1. Netto-MSCs (ohne Interbankenentgelte, einschl. Kartensystem- und Abwicklungsgebühren)

2. Netzabwicklungsgebühren für Schecks und A2A, die von den Netzen bei den Kontoanbietern erhoben werden

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Euromonitor, Bankenwebsites, WorldPay Reports, Oliver Wyman Analyse

AUSBLICK AUF DEN DEUTSCHEN MARKT BIS 2020

Bis zum Jahr 2020 wird die Entwicklung des deutschen Markt für Zahlungsverkehr wie folgt prognostiziert

und durch vielfältige Faktoren beeinflusst:

• Der deutsche Ertragspool wird bis 2020 auf 11,1 – 12,4 Mrd. Euro anwachsen, dies wird vor allem durch

Kontogebühren und MSC begünstigt.

• Aufgrund hoher Volumina und steigender Gebühren für Privat- und Firmengirokonten, zum Beispiel

~50 Euro für Privat- und ~170 Euro für Firmengirokonten, sind Kontogebühren der wichtigste

Einflussfaktor auf den Ertragspool in Deutschland. Sie haben einen Anteil von ca. 46 Prozent.

• Bezahlkarten sind ebenfalls ein signifikanter Ertragstreiber. Kreditkarten haben trotz niedriger

Volumina aufgrund von hohen MSCs und Gebühren für Karteninhaber einen Anteil von ca. 26 Prozent

am Ertragspool. Debitkarten machen aufgrund ihrer relative hohen MSCs und großen Volumina ca.

18 Prozent des Ertragspools aus.

• Es wird einen Zuwachs bei den Kontogebühren hauptsächlich durch Volumenzuwächse bei Konten

und durch hohe Anfangsgebühren geben. Außerdem werden die Interbankenentgelte durch

Volumenzuwächse bei Kartenzahlungen am PoS insbesondere bei Debitkarten ansteigen.

69

• Zuwächse bei MSCs (ohne Interbankenentgelte) und NZE-Gebühren werden aufgrund von großen

Volumensteigerungen bei Kredit- und Debitkarten erwartet.

• Bei hoher disruptiver Aktivität ist von einer gewissen Kannibalisierung beim Volumenzuwachs

bei Debitkarten auszugehen und als Folge von einer Verringerung der Ertragspools

der Interbankenentgelte. Im Szenario mit hohem disruptivem Potenzial werden

Netzabwicklungsgebühren durch signifikante Substitution der Volumina im Scheckverkehr durch

A2A zurückgehen.

• Im Falle einer starken Markt-Disruption wird erwartet, dass A2A-Transaktionen in Deutschland auf

13,2 Bio. Euro ansteigen. Die Erträge werden auf 71,3 Bio. Euro anwachsen und die Ursache hierfür

sind voraussichtlich steigende MSC-Erträge.

Abbildung 41: Ausblick auf den deutschen Zahlungsverkehrsmarkt bis 2020

2,1

7,4

0,1

0,3

0,3

0,0

0,0

0,0

0,9

11,1

0,4

<0,1

<0,1

<0,1

0,1

13,2

0,1

71,3

57,7

A2A(Lastschriften)

Bar

Abhebungenan Geldautomaten

PoS-Kreditkarten

Schecks

2020

2014

A2A(Überweisungen)

PoS-Debitkarten

ERWARTUNG

2014

Kontogebühren

Gebühren für Karteninhaber

NZE

Netzabwicklungs-gebühren3

Interbanken-entgelte

Sonstige Transaktions-gebühren

Terminal-gebühren

MSCs (ohne Inter-bankenentgelte)2

2020

ERWARTUNGHOCH DISRUPTIV1 HOCH DISRUPTIV1

VERÄNDERUNG BEIM TRANSAKTIONSUMSATZ2014-2020F, IN BILLIONEN €

VERÄNDERUNG BEI ERTRAGSPOOLS2014-2020F, IN MRD. €

1. Pfeil zeigt Wachstumsdynamik, d.h. Anstieg gegenüber Erwartung

2. Netto-MSCs (ohne Interbankenentgelte, einschl. Kartensystem- und Abwicklungsgebühren)

3. Netzabwicklungsgebühren für Schecks und A2A, die von den Netzen bei den Kontoanbietern erhoben werden

Quelle: EZB Zahlungsverkehrsstatistik, Euromonitor, Bankenwebsites, WorldPay Reports, Oliver Wyman Analyse

70

Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung.

Die Inhalte dieser Studie enthalten die Beiträge vieler Mitarbeiter von Oliver Wyman. Die Hauptautoren der Studie sind Matthew Sebag-Montefiore, Kunal Jhanji und Mark Barrie sowie für die deutsche Ausgabe Gökhan Öztürk und René Fischer. Besonderer Dank gilt Beth Costa, Chris McMillan, Martina Weimert, Sean Cory und Simon Low für ihre Ideen, ihren Rat und ihre Unterstützung bei der Erstellung der Studie sowie Tatiana Rubtsova.

AUTOREN

MATTHEW SEBAG-MONTEFIORE

Partner [email protected]

KUNAL JHANJI

Principal [email protected]

MARK BARRIE

Engagement Manager [email protected]

LOKALE AUTOREN

GÖKHAN ÖZTÜRK

Partner [email protected]

DR. RENÉ FISCHER

Partner [email protected]

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