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ZEITSCHRIFT FÜR GERONTOLOGIE UND ETHIK Leben und Wohnen mit Demenz 32012

ZEITSCHRIFT FÜR GERONTOLOGIE UND ETHIK · 2016-08-29 · Inhaltsverzeichnis 7 Editorial Barbara Städtler-Mach Leben und Wohnen mit Demenz 9 WO ICH ZUHAUSE BIN, DA GEHÖRE ICH HIN

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ZEITSCHRIFT FÜR GERONTOLOGIE UND ETHIK Leben und Wohnen mit Demenz 3⏐2012

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Inhaltsverzeichnis

7 Editorial Barbara Städtler-Mach

Leben und Wohnen mit Demenz

9 WO ICH ZUHAUSE BIN, DA GEHÖRE ICH HIN. – Leben und Wohnen mit Demenz Barbara Städtler-Mach

15 DEMENZKRANKEN EIN ZUHAUSE GEBEN Zur Bedeutsamkeit des Wohnens für Menschen mit Demenz Sabine Engel

33 PFLEGEOASEN - EIN ÜBERBLICK Renate Berner

45 DIE VIS-Á-VIS-STUDIE – HINTERGRÜNDE UND ZENTRALE ERGEBNISSE ZUR EVALUATION EINER PFLEGEOASE Iberé Worofka

59 PFLEGEREFUGIUM VIS-À-VIS Pflegeethik in der Schwerstpflege anhand des Modellprojekts Vis-à-Vis Sabine L. Distler, Brigitte Schorr

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72 FÜRSTENZELLER KONZEPT FÜR MENSCHEN MIT DEMENZ Ulrich Becker-Wirkert

79 WOHNEN UND LEBEN MIT DEMENZ“ BETREUUNGSASPEKTE AUS ÖSTERREICHISCHER PERSPEKTIVE: Drei Wohnformen im Haus MARIA RAST Alois Gerner

Aus Forschung und Lehre

83 DIE PFLEGEOASE - EIN RAUM ZUM LEBEN Ausblick auf ein Forschungsvorhaben Kathrin Holthoff

Literatur/ Kultur/ Medien

86 UNTERSTÜTZTE SELBSTHILFEGRUPPEN VON MENSCHEN MIT DEMENZ Eine Rezension von Svenja Heinze

88 Themenvorschau

89 Themenrückschau

90 Autorinnen und Autoren dieses Heftes

92 Impressum

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Diese Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint wieder einmal vorrangig zu einer besonderen Veranstaltung: Am 8. November 2012 findet In Nürnberg im „eckstein. Haus der evangelischen Kirche“ der Pflegefachtag „Wohnen und Leben mit Demenz“ statt. Es ist dies eine Tagung in der Verantwortung des Bayerischen Sozialministeriums, die den Schwerpunkt auf Wohnformen für Menschen mit Demenz legt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie dieser Gruppe von Pflegebedürftigen ein angemessener Wohnraum gestaltet werden kann. Neben verschiedenen grundsätzlichen Beiträgen wird das Ergebnis einer Studie vorgestellt, die in der Verantwortung des Instituts für Gerontologie und Ethik im Seniorenzentrum Rupprechtstegen (Kreis Nürnberger Land) durchgeführt wurde. Es handelt sich um die Wohnform der Pflegeoase, die nach bestimmten Gesichtspunkten der Forschung für Menschen mit Demenz als eine Art Ge-meinschaftswohnraum konzipiert ist. Wir nehmen diese Studie sowie die dahinter stehende Entwicklung in der Frage nach geeigneten Wohnformen für Menschen mit Demenz auf, um mit dem Seniorenzentrum Rupprechtstegen eine Tagung durchzuführen, die sich diesem Thema umfassend widmet. Sämtliche Beiträge in dieser Ausgabe (bis auf die letzten beiden) sind die verschriftlichte Form von Vorträgen und Workshop-Impulsreferaten aus dieser Tagung. Die mit unserer Zeitschrift ver-trauten Leserinnen und Leser werden am Stil mancher Beiträge ersehen, dass sie aus der Praxis stammen und damit einer praxisorientierten Darstellung fol-gen. Wir nehmen das in Kauf, weil diese Ausgabe eben zugleich der Tagungs-band für einen Pflegefachtag darstellt, der vornehmlich für Menschen in der pflegerischen Praxis gedacht ist. Bei aller Praxisbezogenheit freuen wir uns natürlich, wenn durch diesen Tagungsband der eine oder die andere zu regel-mäßigen Lesern unserer Zeitschrift werden. „Leben und Wohnen mit Demenz“ ist ein zentrales Thema der ethisch fun-dierten Beschäftigung mit und der bewussten Verantwortung für Menschen

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mit Demenz. Wie Menschen wohnen – zumal wenn sie kaum mehr Gelegen-heit zu frei gewählten Wegen außerhalb ihres Wohnraums haben -, stellt eine Grundsatzfrage ihrer Würde dar. Deswegen nennen wir Wohnen und Leben in einer Zeile, einem Atemzug. Wie Menschen wohnen, so leben sie auch. Wo ihr Zuhause ist, stellen sich Sicherheit, Geborgenheit und weit gehende Selbst-bestimmtheit ein. Das gilt grundsätzlich auch für Menschen in der besonderen Lebensform Demenz. Gerade weil dies jedoch nicht selbstverständlich ist, be-darf es einer Darstellung: Was Menschenwürde mit Wohnen zu tun hat, wel-che besonderen Herausforderungen das Wohnen bei Menschen mit Demenz mit sich bringt, wie neue Wohnformen sich passgenau an den Bedürfnissen und Fähigkeiten von Menschen mit Demenz orientieren – diese Fragen und noch mehr sind die Themen des Pflegefachtags am 8.November. Wir zeigen als Institut, das sich den ethischen Fragestellungen im Alter widmet, inwiefern Wohnen und Leben sehr konkrete ethische Aspekte in sich tragen. In diesen Tagen, während wir unsere Veranstaltung vorbereiten, mag mancher an die Gedichtzeile von Rainer Maria Rilke denken: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.“ Wir wollen dazu beitragen, dass gerade für die Men-schen mit Demenz Wohnraum und Wohnformen entwickelt und weiter ge-baut werden, die der besonderen Lebensform Rechnung tragen. Wir danken dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales für die Finanzierung dieser Tagung und der Firma Völker Betten, Witten herzlich für die Unterstützung der Drucklegung dieser Ausgabe unserer Zeitschrift. Sie zeigt damit ihr Engagement für Menschen mit Demenz in einer weiten Per-spektive. Barbara Städtler-Mach

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PFLEGEREFUGIUM VIS-À-VIS

Pflegeethik in der Schwerstpflege anhand des Modellprojekts Vis-à-Vis

Sabine L. Distler, Brigitte Schorr

Ganz oben im 4. Stock, in einem eigenen Wohnflügel ist das Zeichen der Lebensblume mit dem Schriftzug „Vis-à-Vis“ an einer Glastür zu sehen. Davor eine Klingel – man hört eine leise Melodie, wenn man sie drückt. Ein dunkelroter Boden, beige bodenlange Paneelvorhänge und Holzmöbel laden ein, den kleinen Vorraum mit einer Schrankwand links und einem großen Bild auf der rechten Seite, zu betreten. „Kommen Sie ins Refu-gium und lassen Sie ruhig die Welt draußen“, hört man eine freundliche Frauenstimme sagen. Man tritt ein und spürt, es ist ein Rückzugsort mit einer ganz eigenen Atmo-sphäre, ein neuer, wunderbarer Raum, ungewöhnlich, der mit Individualität, Wün-schen, Ritualen und Emotionen gefüllt ist. „Keiner ist einfach Maler; alle sind Archäologen, Psychologen, In-Scene-Setzer irgend-welcher Erinnerung oder Theorie. […] Sie lieben eine Form nicht um das, was sie ist, sondern um das, was sie ausdrückt.“ Friedrich Nietzsche

Was ist das Pflegerefugium Vis-à-Vis? Das Modellprojekt „Pflegerefugium Vis-à-Vis“ im Senioren- und Pflegezent-rum Rupprechtstegen (Mittelfranken) entstand mit Unterstützung des Bayeri-schen Sozialministeriums und in einer wissenschaftlichen Kooperation (10/ 2010 – 02/ 2012) mit dem Institut für Gerontologie und Ethik Nürnberg. Die Theo-Wormland Stiftung förderte das Projekt mit einer großzügigen Spende, damit konnte das Person-Raum-Passungskonzept mit innovativen Ausstattun-gen umgesetzt werden. Die Vision war es insbesondere, neben dem personellen Konzept einen Rück-zugsort zu schaffen, in dem die innere Welt ein Zuhause findet, orientiert an den wirklichen Bedürfnissen von Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Es sollte ein Raum werden, der mit gerontologischen und innenarchitektonischen

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Leben und Wohnen mit Demenz

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Aspekten innovativ gestaltet und damit den spezifischen Betreuungskriterien dieser vulnerablen Bewohnergruppe gerecht wird. Als Quintessenz in der bedürfnis- und qualitätsgeleiteten Weiterentwicklung entstand die Begrifflichkeit „Pflegerefugium Vis-à-Vis“ – ein Ort des Schutzes, des Rückzugs und der Geborgenheit. Dieser neu entstandene Lebensraum schuf die Möglichkeit zu einer intensivier-ten Pflegegüte und ethischen Auseinandersetzung, aus der sich ein besonderes Person-Raum-Ethik -Konzept entwickelte. Vier männliche Bewohner und zwei weibliche Bewohnerinnen wechselten am 5.07.2011 den Lebensraum innerhalb der Einrichtung. Folgende Merkmale waren für den Einzug in das Pflegerefugium notwendig:

• Mindestens 6 Monate in der Einrichtung • Einverständnis seitens Angehöriger, Betreuer/in für diese neue Wohn-

form • Pflegestufe 3 • Barthel Index (unter 15 Punkten), MMST <9 Pkt. • H.I.L.D.E. Screening • Vorschlag durch den internen Ethikrat unter Einbeziehung von Er-

krankungen, Biographie und jetzigen Bedürfnissen Diese Einzugskriterien sind auch nach Abschluss des Projekts bindend im Qua-litätshandbuch niedergeschrieben, weiterführend wurden auch Kriterien für den Auszug aus dem Pflegerefugium entwickelt, rückschrittliche Kriterien festgelegt. Vier Pflegende (75 % Fachkraftquote, über 45 Jahre) können durch die ständi-ge Präsenz auf Bedürfnisse nicht nur zeitnah, sondern auch (Perso-nen)individuell eingehen. Durch diesen intensiven Kontakt können sich Pfle-gende und Bewohner/innen auf einer neuen Beziehungsebene kennenlernen, wodurch die Qualität der Pflege und Betreuung bereichert werden. Ein wichtiger Bestandteil der wissenschaftlichen Begleitung war die Erfor-schung der Auswirkungen der Pflegeoase auf die Lebensqualität der dort le-benden Bewohnerinnen und Bewohner (siehe Vis-à-Vis-Studie).

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Warum Vis-à-Vis? Der Name Vis-à-Vis akzentuiert und repräsentiert den Leitgedanken dieser neuen Versorgungsform in mehrfacher Hinsicht:

• Tatsächlich ist immer jemand sichtbar und im direkten Umfeld an-sprechbar.

• Das Leben in der Gemeinschaft bleibt trotz Schwerstpflegebedürftig-keit erhalten.

• Die Förderung einer individuellen und bedürfnisgeleiteten Pflege und Betreuung von Menschen mit fortgeschrittener Demenz ist das Ziel.

• Das Pflegebett Vis-à-Vis (Fa. Völker) erlaubt eine nach vorn offene Sitzposition und damit Mobilisation und Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens.

• Pflegen auf Augenhöhe dient als Leitmotiv. • Pflegebedürftige erleben Bezugspflege in ihrer ursprünglichsten Form.

Die Besonderheit des Pflegerefugiums Vis-à-Vis Pflegeoase – diese besondere Form des Zusammenlebens für Menschen mit fortgeschrittener Demenz – ist oft Kritik ausgesetzt. Kritik, die davon ausgeht, dass nicht sorgsam mit den individuellen Bedürfnissen umgegangen wird, dass zu wenig auf Privatheit, Intimsphäre und dem Recht auf einen eigenen Raum geachtet wird. Allerdings zeigen veränderte Bedürfnisse innerhalb des Krank-heitsverlaufs bei Demenz, dass bestimmte – früher wichtige Dinge in den Hin-tergrund treten und neue Bedürfnisse wie Nähe und Gemeinschaft entstehen – wie bereits Erich Fromm (1979) in Haben oder Sein – die Grundlagen einer neuen Gesellschaft anmerkt: „Das Haben verringern und im Sein wachsen“. Ein Mensch mit einer weit fortgeschrittenen Demenz befindet sich nicht nur in körperlicher Abhängigkeit, sondern ist starken Einbußen der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Kommunikationsvermögens ausgesetzt. Damit oft einhergehende Immobilität heißt jedoch nicht bettlägerig; sprachlos heißt nicht erwünschte Schweigsamkeit; die krankheitsbedingte Konzeptlosigkeit gibt den Pflegenden die Aufgabe, täglich einen neuen Zugang zu dem betreuenden Menschen zu finden. Es ist eine explorative Aufgabe, wenn ein neues Konzept, eine neue Versor-gungsform entstehen soll. Uns waren die Ansätze und die wissenschaftlichen

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Begleitstudien bestehender Pflegeoasen bekannt. Unser Ziel war es, bisheriges Wissen über die Pflege von Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu integ-rieren und darüber hinaus erstmalig zu versuchen, die Phase der sogenannten „Bettlägerigkeit“ durch technische Hilfsmittel und ein entsprechendes Pflege- und Raumkonzept dazu, zu vermeiden. Wir ließen uns lenken durch zentrale Begriffe aus der Milieutherapie wie Sicherheit, Geborgenheit, Privatheit und Teilhabe, stress- und angstfreie Umgebung, Förderung von Fremd- und Selbstwahrnehmung und Orientierung. In jedem Pflegeoasenkonzept steht besonders ein Element im Vordergrund – der soziale Kontakt als Grundbe-dürfnis demenziell Erkrankter. Ebenso soll eine krankheitsbedingte Isolation verhindert werden.

Welche theoretischen Modelle nahmen Einfluss auf die Konzeptentwick-lung? Bei der Planung und in der Schaffensphase des Pflegerefugiums leiteten uns Fragen aus der ökologischen Gerontologie. Es ist die ökopsychologisch orientierte Sicht der „Lebenswelt“, in der eine Beachtung und Analyse der wechselseiti-gen Beziehungen zwischen Person und räumlich-sozialer Umwelt in Alltagssi-tuationen im Mittelpunkt steht. Hans Werner Wahl (2000) spricht von ökologi-scher Gerontologie in Bezug auf Untersuchungen zur Person-Raum-Beziehung. Es ist möglich, dass Wohnumwelten für Menschen mit Demenz eine kompensatorische Funktion übernehmen können, „[…] was gleichzeitig Rückschlüsse für die Weiterentwicklung von „Pathologietheorien“ zur De-menz erlauben könnte.“ Wahl geht weiter davon aus, dass eine angepasste Umwelt für die Erhaltung von Kompetenzen und Lebensqualität der Betroffe-nen von hoher Bedeutung ist, insbesondere je weiter eine Demenzerkrankung voranschreitet. Die Gestaltung der individuellen räumlichen Umwelt wird noch zu wenig in die Pflegeprozessplanung integriert und als Qualität der Pfle-ge betrachtet. Des Weiteren ging es uns um die Erhaltung der körperlichen Ressourcen und die Einbindung der persönlichen Bedürfnisse der Refugiumbewohner/innen trotz Schwerstpflegebedürftigkeit. Konzeptionell erfüllte dieses Ziel der saluto-genetische Ansatz (Antonowsky, 1997) wenn es um die Entwicklung von ge-

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sundheitsförderlichen Elementen ging. Die Salutogenese relativiert die patho-logische Orientierung der Medizin, sieht den Menschen in seiner Gesamtheit und seiner aktuellen Lebensqualität. Die Erfolge des auf Pathogenese ausgerichteten Krankheitsmodells sind unbe-stritten, erklären jedoch Gesundheit nur ungenügend. Insbesondere ist eine Dichotomisierung von Gesundheit und Krankheit bei schwerstpflegebedürfti-gen Menschen nicht zielführend. Der Medizinsoziologe Antonovsky (1979) benennt es so „Wir sind alle sterblich. Ebenso sind wir alle, solange noch ein Hauch von Leben in uns ist, in einem gewissen Ausmaß gesund.“ Wenn wir also beim Person-Raum-Ethik-Konzept von der salutogenetischen Orientie-rung sprechen, dann meinen wir damit die Auseinandersetzung mit möglichen Stressoren und die Reduktion von Entropien (Störungen) auf den Organismus dieser vulnerablen Personengruppe. Hauptsächlich geht es um die genaue Be-obachtung alltäglicher und chronischer Spannungszustände, deren Auswirkun-gen auch neutral, positiv oder gar heilsam sein können. Mit einer bedürfnisge-leiteten Pflege wird Lebensereignis (z.B. Apoplex, Sturz, Infekte, Abschied) bedingten Stressoren begegnet, damit eine erfolgreiche Bewältigung stattfinden kann. Eine gute Coping-Strategie hat einen gesundheitsförderlichen Effekt, deswegen ist die bedürfnisgeleitete Pflegepräsenz enorm wichtig. Philosophisch-psychiatrischen Einfluss zum Thema „Leib und Lebenswelt“ gab uns der Mediziner, Philosoph und Psychiater Thomas Fuchs (2008). Sein Ansatz ist besonders interessant durch sein Denkmodell, das darauf verweist wie wenig trennbar die Leiblichkeit von seelischen Empfindungen ist. Fuchs geht philo-sophisch (z.B. Kant, Fichte) und anthropologisch (z.B. Hegel) an das Phäno-men menschlicher Würde heran und kommt zu dem Schluss: „ Der Mensch erfährt Würde in unmittelbaren Selbstvollzug, in seiner leiblichen Souveränität, und er erfährt sie an anderen in der Ausstrahlung, der Autorität und Intensität ihrer leiblichen Präsenz. […].So ist der aufrechte Gang ein eminentes Merkmal personaler Souveränität. Durch sie gewinnt der Mensch Abstand zum Boden, freie Beweglichkeit der Hände, Umsicht, Übersicht, Wirkmächtigkeit des Blicks und Spielraum der Freiheit.“ (Fuchs, 2008, 108ff). Der Autor macht deutlich, in welchem Maß der Leib unser Erleben, die gemeinsame Lebenswelt prägt. Das Gedächtnis des Leibes ist die Grundlage für die Vertrautheit in der Welt. Uns inspirierte hierzu vor allem die Auseinandersetzung mit der leibli-

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chen Souveränität als wichtiges Pflegeziel: im aufrechten Gang, in der sitzen-den Position, in der richtigen Platzierung im Raum und in der Welt. Dies unterstreicht auch die Pflegewissenschaftlerin Angelika Zegelin (2005), die in ihren Untersuchungen zum Phänomen der Bettlägerigkeit von einem Daseins-zustand spricht. Häufig wird es in der Altenpflege oder im Sprachgebrauch mit einer Art „Diagnose“ gleichgesetzt. Zeppelin (2004) erkennt 5 Prozessphasen Instabilität, Ereignis, Immobilität im Raum und Ortsfixierung bis zur Bettläge-rigkeit. Sie nennt auch beeinflussende konstante Faktoren für jede dieser Pha-sen: Liegepathologie, Krankheitsfortschritt, Individualität und Temperament, Situationsbewältigung, Einstellung und Kompetenz. Es geht darum, Bettläge-rigkeit als Prozess zu begreifen und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die damit pathophysiologische Veränderungen im Gesamtorgansystem zu ver-meiden: Veränderung der Atmung und Pneumonierisiko, Wahrnehmungsver-änderung bis zu sensorischer Deprivation, Senkung des Blutdrucks, Abnahme der Magen- und Darmtätigkeit, weitere Reduktion kognitiver Fähigkeiten und Risikosteigerung zu Obstipation, Dekubitus, Muskelschwund, Kontrakturen und Thrombose. Das Konzept der Patientenautonomie und Pflege (Bobbert, 2002), das Pflege-ethik als Bereichsethik und demnach auch als Prinzipienethik konstatiert, hat unsere Gedanken ebenfalls beeinflusst. Die Prinzipien der biomedizinischen Ethik (Schadensvermeidung, Handeln mehr Nutzen als Schaden, Fürsorge, Verpflichtung zu aktiven Handeln, Gerechtigkeit, Zuteilung der Ressourcen, Selbstbestimmtheit (Beauchamp/Childress, 1997) sind in der Pflegeethik inte-griert.

Das Person-Raum-Ethik Konzept

1. Leitsätze. Symbol Lebensblume. 12 Sinne Unsere Leitsätze in der Konzeptentwicklung Person-Raum-Ethik waren:

• Lebensraum schaffen • Lebenswelt erleben • Lebensmomente gestalten

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Das Pflegerefugium Vis-à-Vis hat das stilisierte Symbol der Lebensblume. Im inneren Kreis stehen die 6 primären Sinne (visuell, auditiv, vestibulär, gustato-risch, olfaktorisch, taktil). Den äußeren Kreis schließen die 6 sekundären Sinne (Eigenbewegungssinn, Ich-Sinn, Lebenssinn, Wortsinn, Gedankensinn, Wärmesinn) nach Rudolph Steiner, anthroposophischen 12-Sinneslehre.

2. Pflegeethische Ziele Aus diesen Sinnesverbindungen entwickelten wir ethische Begriffe für die Pflege von Menschen mit hohem Hilfebedarf, Ortsfixierung, starkem Verlust von Kognition und Orientierungsfähigkeit. Begegnung - Harmonie – Sicherheit – Souveränität – Weltwirklichkeit – Würde.

3. Person-Raum-Konzept 3.1. Ökologische Gerontologie Visuelle Wahrnehmung: Klare Strukturen, Symbole und Farben, Medienwand und Medieneinsatz, individuelles Reich, Blick auf Gemeinschaft, Pflegende, Mittendrin sein und auch die Möglichkeit des Rückzugs haben, Ruhepunkt an der Decke, persön-liche Dinge, Stimulation von Aktivitäten durch Lichteinfluss Auditive Wahrnehmung Bekannte Gerüche, Rituale, schalldämmende Materialien, Vermeidung von lauten irritierenden Geräuschen, Bodenbelag dämpft Akkustik und erhöht ein positives Raumgefühl, ruhige Atmosphäre Vestibuläre Wahrnehmung Fester Tritt auf dem Boden, Raumgefühl durch hell/dunkel Kontrast, Erhalt des Gefühls des Sitzens durch Vis-à-Vis Bett, Sitz/Liegeduschstuhl, circadianes Licht, aufrechte Teilnahme am Leben, Blick nach draußen jederzeit möglich, Angebote auch außerhalb des Pflegerefugiums, Ziel ist die Überwindung von Bettlägerigkeit

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Taktil-haptische Wahrnehmung Handtuchwärmer verschafft wohliges Gefühl, "alte" Materialien, Einsatz von emotionalen Gegenständen, Kinästhetische Elemente, Unruhe durch Präsenz leiten, demenzgerechtes Material z.B. Ilses weite Welt, Essen am Tisch, "Fin-gerfood" möglich, Hand-, Arm und Fußmassagen /Bäder stimulieren Olfaktorische Wahrnehmung Aromatherapie, individuell oder breitwirkende Aromen, Lebensqualität durch angenehme Düfte, tagesstrukturierende Begebenheiten sind unmittelbar spür-bar, Appetitanregung durch Düfte Gustatorische Wahrnehmung eigene Küche direkt am Gemeinschaftstisch, Küchendüfte geben Assoziationen frei, konsistenzdefiniertes Essen und Fingerfood, spezielle Kostform, individu-elle Gewohnheiten, freie Zeiteinteilung, Essen nach Bedarf, kleine Gemein-schaft am Esstisch, "Ich esse, wie ich will", Besucher beim Kaffeeklatsch 3.2. Salutogenetische Orientierung Ich-Sinn Kompensation des einseitig eingeschränkten Ich-Sinns durch ständige Präsenz und Hilfsangebote, das Gegenüber ist das wichtigste bei der Pflege von Men-schen mit Demenz, das eigene "Ich" ist durch die Krankheit bedroht und wird immer schwächer, die Wahrnehmung des anderen bleibt erhalten, gute Öko-logie stärkt den Ich-Sinn Gedankensinn Wahrnehmungsorgan für die Gedanken anderer ist alles, was in unserem physi-schen Organismus vorhanden ist Dadurch wird die Komplexität reduziert und es tritt eine neue Basis der Kommunikation hervor, Menschen mit Demenz erkennen die Pflegenden, Pflegende entwickeln individuellen Zugang. Eigenbewegungssinn Tiefensensibilität, Wahrnehmung der eigenen Körperbewegung und -lage im Raum möglich, Propriozeption fördern durch Mobilisation , durch erhöhte

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Aufmerksamkeit, höhere Frequenz von Lagerungen, Hilfen, Kraft und Bewe-gungsanregung durch zusätzliche Therapie. Lebenssinn Der Nozizeption wird mehr Bedeutung geschenkt durch vermehrte Kon-takthäufigkeit und bedürfnisgeleiteter Pflege, Förderung der inneren vitalen Verfassung durch den Erhalt normaler Bewegungsabläufe trotz schwindender Ressourcen z.B. vertikale Sitzhaltung. Wortsinn Gesprochene und geschriebene Worte werden wahrgenommen, Wortsinn kann auch bei Sprachlosigkeit gefördert werden, er bleibt lange erhalten über Namen, Langzeitwissen, biographische Gegebenheiten, durch die Gemein-schaft und Gespräche wird er weiter aktiviert- Wärmesinn Die Thermozeption wird durch das Raumkonzept angeregt und durch ständi-ge Präsenz beobachtet, die Raumtemperatur wird geprüft, Zugluft und Hitze werden vermieden, Schwitzen oder Frieren fallen durch Personalkonzept schnell auf, Aromawaschungen stimulieren. 3.3. Pflegeethische Ziele Begegnung Werden die Begriffe Begegnung und Ethik zusammengeführt, so geht man von Berührung aus, die nicht zwangsläufig durch körperlichen Kontakt herge-stellt werden muss. Auch Blicke, Gesten, Wörter können dies bewirken. Eben-so die Möglichkeit, den Gegenüber zu beobachten und sich im Beobachteten wiederzufinden, auch ohne Sprache „gehört“ zu werden. Durch die Gemein-schaft berühre ich und werde berührt. „Das pflegerische Handeln ist charakte-risiert durch das Eingebundensein in die psychische und physische Erlebniswelt des zu Pflegenden“ (Remmers 2003). Als Ziel steht die Gemeinschaft im Vor-dergrund, das Begreifen des Menschen als soziales Wesen und die Möglichkeit unmittelbar den Bedürfnissen zu begegnen. Souveränität

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Um die Souveränität der Bewohner/innen im Pflegerefugium zu gewährleisten war ein Perspektivenwechsel der pflegenden Mitarbeiterinnen notwendig. In der medizinischen Ethik ist das Fürsorgeprinzip häufig durch paternalistisches Handeln geleitet. Diese Prägung ist auch bei Pflegenden noch verwurzelt. Pflegerisches Versorgen sollte gewandelt werden in – wir verbringen gemeinsam den Tag, leben Miteinander. Zur Souveränität gehört auch die Akzeptanz dessen, dass das Pflegerefugium kein öffentlicher Raum, sondern der Lebensraum der Bewohner/innen ist. Daher wurde bereits vor dem Einzug der Bewohner/innen ein Besucherkodex formuliert um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten. Externe Besuche erfolgen nur nach telefonischer Vorinformation, es betreten nie mehr als drei Personen den Raum, davon immer ein/e Mitarbeiter/in der Leitungsebene. Während des Besuches werden keine Erläuterungen gegeben, die Bewoh-ner/innen und Mitarbeiterinnen werden in die Kommunikation einbezogen. Zur Selbstbestimmtheit gehört auch ein Entgegenwirken von Bettlägerigkeit um einer Reduktion von persönlichen Kontakten und der Abnahme persönli-cher Aktivitäten zu vermeiden. Nach dem Prinzip einer gelebten Gemeinschaft soll die Teilnahme an der Hausgemeinschaft weiterhin ermöglicht werden. Sicherheit Zu den Fragen, der Sicherheitsethik gehören:

• Welches Maß und welche Art von Sicherheit ist für uns als Individuen wünschenswert?

• Auf welche Weise soll diese hergestellt werden? • Welcher Preis – an Geld, an Freiheit, an Gerechtigkeit oder an Privat-

heit – ist dafür angemessen? Auch hier wird ein paternalistischer Ansatz vermieden. Sicherheit geben ein geschützter Raum, in dem Unbefugten der Zutritt untersagt ist (procul este frofani), die Anwesenheit der Pflegenden und die bestehende Vertrautheit mit ihnen und den Mitbewohner/innen. Weltwirklichkeit Da bei den Bewohner/innen des Pflegerefugiums auf Grund Ihrer Erkrankung eine verbale Willensäußerung nicht mehr möglich ist, erfolgt die Zustimmung

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zum Einzug durch Angehörige/Betreuer. Impulsgebend für die Auswahl sind sowohl die Wohngruppen als auch die Mitarbeiterinnen des Pflegerefugiums. Bei einem geplanten Umzug wird durch eine prinzipienorientierte ethische Fallkonferenz der Nutzen/ Nichtschaden diskutiert. Die Mitarbeiter/innen der Wohngruppe und des Pflegerefugiums haben ein Mitspracherecht. Der/die Bewohner/in besucht im Vorfeld an mehreren Tagen für einige Stunden das Pflegerefugium. Unabhängig von den validen Parametern wird durch Be-obachten von Mimik und Gestik versucht das Befinden und eine Akzeptanz des/der Bewohnerin zu eruieren. Nach erfolgtem Umzug besucht die ehema-lige Wohngruppe für mehrere Wochen den/die Bewohnerin um den Wechsel der Bezugspflegepersonen schonend zu vollziehen. Für den Fall, dass sich ein/e Bewohner/in im Pflegerefugium nicht wohl fühlt, bzw. sich nicht integrieren kann und dies wiederholt verbal bzw. nonverbal äußert, kann diese/r Bewohner/in selbstverständlich wieder in den ursprüngli-chen Wohnbereich zurückkehren. Dies gilt ebenfalls bei Einwänden von An-gehörigen oder Betreuern. Bei Infektionskrankheiten ist ein vorübergehender Auszug vorgesehen. Bei zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten die sich stö-rend auf die anderen Bewohner/innen auswirken, ist als letzte Option ebenfalls über einen Auszug zu diskutieren. Da es bei verschiedenen Erkrankungen immer wieder zu einer starken Geruchsentwicklung kommen kann, kann in diesem Fall ein Klimagerät eingesetzt werden, das dieser Geruchsentwicklung entgegen wirkt. Sollte sich trotzdem eine Belastung für die anderen Bewoh-ner/innen ergeben, ist über einen vorübergehenden Auszug nachzudenken. Da die Bewohner/innen sich in der Endphase ihrer Erkrankungen befinden, war auch über den Umgang mit Sterben und Tod zu reflektieren. Auf Grund der räumlichen Möglichkeiten des völligen Rückzugs über Vorhänge, soll der/die Sterbende die Möglichkeit haben, in seiner/ ihrer gewohnten Umge-bung zu bleiben. Sollte ein Sterben in anderer Umgebung gewünscht sein, besteht die Möglichkeit hierzu Harmonie Nach Konfuzius ist die Entwicklung des Ichs nur in der Harmonie möglich. Um diese Entwicklung zu ermöglichen wurde das Raum-Ethik-Konzept ent-wickelt.

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Zur Herstellung dieser Harmonie gehören Freundlichkeit, Freundschaft, An-teilnahme, Gerechtigkeit, Weisheit und Fürsorglichkeit. Würde Zur Wahrung der Würde gehört für die Pflegenden, den privaten Bereich der Bewohner/innen zu beachten, die Intimsphäre herzustellen, kulturelle Beson-derheiten und religiöse Zugehörigkeiten zu achten. Dies beinhaltet das Entwickeln/Einhalten einer Begrüßungs- und Ab-schiedskultur, die sowohl den Einzug und Auszug als auch das tägliche Kom-men und Gehen prägt.

Literatur: ARNDT, M. (2007). Ethik denken. Stuttgart, Thieme Verlag

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Die Graue Edition [c/o] Prof. Dr. Alfred-Schmid-Stiftung.

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STEINER,R. (2004). Anthroposophie. Basel, Rudolf Steiner Verlag

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Sabine L. Distler, Brigitte Schorr

ZGE 3⏐2012 71

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Themenvorschau

Die nächste Ausgabe der

ZEITSCHRIFT FÜR GERONTOLOGIE UND ETHIK

erscheint mit dem Thema:

„Gesammelte Werke 2012 - Eine Nachlese“ Für nähere Informationen besuchen Sie unsere Homepage: www.i-ge.de Oder kontaktieren Sie uns unter: [email protected]

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Themenrückschau

2011 erschienen die Themen:

„Anti-Aging? - Zufriedenes Altern?“ „Soziales Ehrenamt im Alter“ „Demenz und Sterben“ „Als Mann und Frau im Alter leben“

2012 erschien bislang:

„Mit dem Alter kommt der Psalter?“ „Demenz und christliches Menschenbild“

Jederzeit können Einzelhefte der bisherigen Ausgaben per Post oder per Mail bestellt werden.

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Autorinnen und Autoren dieses Heft

Ulrich Becker-Wirkert AZURIT – Seniorenzentrum Abundus

Wieningerstraße 4, 94081 Fürstenzell

[email protected]

Diplom-Pflegewirt (FH), Hausleitung

Renate Berner

Demenz Support Stuttgart gGmbH

Hölderlinstraße 4, 70174 Stuttgart

[email protected]

Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Demenz Support Stuttgart gGmbH,

Diplom-Pflegewirtin (FH) und Krankenschwester

Sabine L. Distler

Senioren- und Pflegezentrum Rupprechtstegen

Mühlenweg 5, 91235 Rupprechtstegen

[email protected]

Dipl. Psy.Gerontologin univ., Heimleitung

Prof. Dr. Sabine Engel

Institut für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg

Nägelsbachstr. 25 , 91052 Erlangen

[email protected]

Professur für Psychogerontologische Intervention

Alois Gerner MARIA RAST Alten- und Pflegeheim der Franziskanerinnen von Vöcklabruck GmbH

A-5241 Maria Schmolln 16

[email protected]

Heimleiter

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Svenja Heinze Evangelische Hochschule Nürnberg

Bärenschanzstr. 4, 90249 Nürnberg

[email protected]

Studentin im Studiengang Pflege Dual BA

Kathrin Holthoff Institut für Gerontologie und Ethik

Jamnitzerstr. 10, 90429 Nürnberg

[email protected]

Gesundheits- und Pflegepädagogin BA, Wiss. Mitarbeiterin des Instituts für Gerontologie und Ethik

Brigitte Schorr Senioren- und Pflegezentrum Rupprechtstegen

Mühlenweg 5, 91235 Rupprechtstegen

[email protected]

Beraterin für Ethik im Gesundheitswesen, Pflegedienstleitung

Prof. PD Dr. Barbara Städtler-Mach

Evangelische Hochschule Nürnberg,

Institut für Gerontologie und Ethik

Bärenschanzstr. 4, D – 90429 Nürnberg

[email protected]

Vizepräsidentin, Leiterin des Instituts für Gerontologie und Ethik

Iberé Worofka

Institut für Gerontologie und Ethik

Alberichstraße 6, 90461 Nürnberg

[email protected]

Pflegemanagerin BA, MScN, Wiss. Mitarbeiterin des Instituts für Gerontologie und Ethik

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Impressum ZEITSCHRIFT FÜR GERONTOLOGIE UND ETHIK Heft 3 – 2012

Herausgeberin:

Prof. Dr. Barbara Städtler-Mach

Institut für Gerontologie und Ethik e.V.

Schriftleiterin:

Kathrin Holthoff

Abonnentenbetreuung:

Iberé Worofka

Anschrift:

Bärenschanzstraße 4

90429 Nürnberg

Telefon: +49 (0) 9 11 / 272 53-890

Fax: +49 (0) 9 11 / 272 53-799

www.i-ge.de

[email protected]

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