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Zeitschrift für Thüringische Geschichte Band 68 (2014) Herausgeber Verein für Thüringische Geschichte Historische Kommission für Thüringen PH. C. W. SCHMIDT Neustadt a. d. Aisch 2014

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Zeitschrift fürThüringische Geschichte

Band 68 (2014)

Herausgeber

Verein für Thüringische GeschichteHistorische Kommission für Thüringen

PH. C. W. SCHmidTNeustadt a. d. Aisch 2014

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Zeitschrift für Thüringische Geschichte Band 68 (2014)Begründet 1852 als »Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde«.

Fortgeführt von 1992 bis 2007als »Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte«.

Wissenschaftlicher BeiratEnno Bünz (Leipzig), Hans-Werner Hahn ( Jena), Gunther mai (Erfurt),Johannes mötsch (meiningen), Georg Schmidt ( Jena), Volker Wahl (Weimar),Helmut G. Walther ( Jena), Siegrid Westphal (Osnabrück).

RedaktionFalk Burkhardt ( Jena, Redaktionssekretär), Stefan Gerber ( Jena), Werner Greiling ( Jena), mathias Kälble (dresden), Andreas Klinger ( Jena), Konrad marwinski (Weimar), Steffen Raßloff (Erfurt), Uwe Schirmer ( Jena), matthias Werner ( Jena).

GeschäftsstelleHistorisches institutFriedrich-Schiller-Universität JenaFürstengraben 1307743 Jenawww.vthg.dewww.historische-kommission-fuer-thueringen.de

Für die einzelnen Beiträge zeichnen die Verfasser verantwortlich.

Alle Rechte vorbehalten.(Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags und der Herausgeber ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem oder elektronischem Weg zu vervielfältigen.)

Gedruckt mit Unterstützung des Thüringer ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

© Verein für Thüringische Geschichte und Historische Kommission für Thüringen

Wissenschaftliche Redaktion, Satz und Gestaltung: Falk Burkhardt ( Jena)Korrektorat: Gerhard möller (Schwarzenbek)Gesamtherstellung: VdS VERLAGSdRUCKEREi SCHmidTVerlag: PH. C. W. SCHmidT · 91413 Neustadt an der AischPrinted in Germany

iSSN 1868-2723iSBN 978-3-87707-925-6

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Inhalt

Aufsätze

Ulrike meisterdas Spital St. Nikolaus in Jena im 14. Jahrhundert.Ein Beitrag zur Geschichte des Jenaer Hospitalwesens im späten mittelalter ........7

Kai LehmannHexenverfolgungen in den protestantischen Gebieten Südthüringens.der Fall der Lena Güntzlin aus Benshausen ...............................................................49

Holger KürbisFourierzettel und Fourierbücher für den Gothaer Hof (1664 bis 1756)als Quellen der Hofkulturforschung .............................................................................79

Klaus-dieter HerbstPrintmedien der Frühen Neuzeit.Thüringische Schreibkalender aus der privaten »Sammlung ille« in Langenwetzendorf .....................................................................................................105

Sandra Salomo»... hier gilt der Student alles«Studentisches Schuldenwesen in Jena um 1800 ........................................................141

Hans-Werner HahnGeorg von Werthern als preußischer Gesandter am bayerischen Hof .................167

Timo LeimbachWeder Extrem- noch Sonderfall: Parlamentarismus in Thüringen 1919 bis 1933 .........................................................189

Burkhard Stenzel»Säuberungsrichtlinien« und »Schwarze Listen« im Land Thüringen.Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Literaturpolitik (1932 bis 1934) ............ 221

Boris Böhm»Euthanasie«-Anstalt Pirna-Sonnenstein.die Ermordung Thüringer Patienten in den Jahren 1940/41 und die Erinnerung daran in der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein ............................ 237

Carmen HauseAneignung der NS-Vergangenheit.Nachnutzungen des Konzentrationslagers mittelbau-dora 1945 bis 1947 ........ 263

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Miszellen

Ulrich-dieter Oppitz und Karl ErnstEin Fragment des »meißner Rechtsbuchs« im Stadtarchiv Pößneck ................... 287

immanuel Voigtdas Blinkerdenkmal der Feldsignaltrupps des Ersten Weltkriegs in Jena.Erbe und Erinnerungskultur im dissens ................................................................. 297

Tagungsbericht

Johannes mötsch / Siegrid Westphal / Gunther mai20. Tag der Thüringischen Landesgeschichte 2013.Berichte aus den Sektionen ...........................................................................................313

Rezensionen

i. Allgemeine und epochenübergreifende Schriften .................................. 319

ii. mittelalter ....................................................................................................... 347

iii. Neuzeit ........................................................................................................... 357

iV. Zeitgeschichte ............................................................................................... 414

V. Übersicht rezensierter Schriften ................................................................ 439

Abbildungsnachweise ............................................................................................. 444

Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 445

Autorenverzeichnis ................................................................................................... 448

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Das Blinkerdenkmal der Feldsignaltrupps des Ersten Weltkriegs in Jena

Erbe und Erinnerungskultur im Dissens

Immanuel Voigt

Die Anfänge der optischen Telegrafie und der Signal­Ersatzabteilung in Jena

im Zeitalter der Hochtechnologie, in dem Kriege mit unbemannten drohnen geführt werden, potentielle Ziele mittels GPS (Global Positioning System) genaustens anvisierbar und Truppenbewegungen, kriegswichtige Nachrichten sowie Befehle im Bruchteil einer Sekunde übermittelt sind, erinnert sich kaum jemand mehr an die so genannten Blinker und die Zeit, in der man trotz Funkentelegrafie Nachrichten noch mithilfe der Sonne oder von künstlichem Licht übertrug.

Vor nicht ganz 100 Jahren, am 21. Juni 1915, wurde in Jena die Signal-Ersatzab-teilung aufgestellt, in welcher die so genannten Feldsignaltrupps für ihren Einsatz an den unterschiedlichsten Fronten des Ersten Weltkriegs ausgebildet wurden.1 Jena schien dafür besonders gut geeignet, zum einen, weil das hiesige Zeiss-Werk hoch-wertige Lichtsignalgeräte herstellte, die vom deutschen Heer favorisiert wurden, zum anderen, da die geografische Beschaffenheit Jenas und des Umlandes durch die vielen Erhebungen in der Landschaft die Erprobung der Signalgeräte und vor allem die Ausbildung der Signaltrupps sehr begünstigten. Ein kurzer Abriss über die Geschichte des Lichtsignalwesens soll im Folgenden zeigen, wie es dazu kam, dass mitten im Ersten Weltkrieg in Jena die Signal-Ersatzabteilung aufgestellt wurde. da Literatur zu diesem Thema kaum vorhanden ist, stützen sich die Aus-führungen hauptsächlich auf das Werk des ehemaligen Blinkers E. Fr. müller, der selbst seine Ausbildung bei der Signal-Ersatzabteilung in Jena zwischen Novem-ber 1915 und Januar 1916 durchlaufen hatte und in den 1920er Jahren seine Erin-nerungen in Buchform veröffentlichte. Seine Niederschrift bildet leider die ein-zige größere Publikation, die die Anfänge des Lichtsignalwesens und den Einsatz der Blinker im Ersten Weltkrieg zusammenfasst. darüber hinaus weiß müller auch über die Signal-Ersatzabteilung in Jena einige interessante Fakten zu berich-ten, worauf allerdings später noch genauer eingegangen werden soll.

Schon in der Antike nutzten etwa die Griechen und später auch die Römer, Feuer, Fackeln oder helle metallstücke2 in unterschiedlichen Situationen – im Krieg oder auch zur Grenzsicherung – um Nachrichten zu übermitteln.3 Nachdem im

1 Vgl. Fr. E. MülleR, der Blinker im Weltkrieg. Ein Erinnerungsbuch für ehemalige Blinker und Blinkerfreunde, Weimar 1922, S. 65.2 Es wurden auch Signalhörner oder Fahnen zur Kommunikation verwendet.3 Vgl. matthias eichaRdt, Blinkzeichen auf dem Landgrafen, in: 07 das Stadtmagazin für Jena und Umgebung, Nr. 27 vom Juni 2011, S. 16.

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Immanuel Voigt

16. Jahrhundert das Fernrohr erfunden wurde, erprobten vor allem England, Frankreich und Österreich erste Apparate mit denen optische Signale übermittelt werden konnten. im folgenden Jahrhundert bauten und erprobten die Österreicher erste Feldsignalapparate.4 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzten sich dann zunächst Flaggensignale in den meisten Armeen als Kommunikationsmittel durch, bis diese zum Teil wieder abgelöst wurden, als 1848 die ersten elektrischen Telegrafen aufkamen. dagegen erprobten vor allem England und Frankreich weiter-hin die optische Telegrafie, speziell anhand von sogenannten Heliografen,5 die mittels Sonnenlicht Signale übermitteln konnten. diese bewährten sich insbeson-dere in den afrikanischen Kolonien, da dort die Sonnenscheindauer optimal nutz-bar war, um Nachrichten zu übermitteln.6 Anders in Europa, hier war der Heliograf nur bedingt einsetzbar, da die intensität des Sonnenlichts vielfach nicht ausreichte, beziehungsweise Wolken häufig Störungen verursachten. Dies war einer der Hauptkritikpunkte, weshalb viele militärs der Verwendung von Heliografen skep-tisch bis ablehnend gegenüberstanden.

im deutsche Reich begannen sich erst nach den letzten beiden Einigungskriegen 1866 und 1870/71 technische Truppen herauszubilden. So waren es vor allem die Eisenbahn- und die Telegrafentruppe, die von den Pionierbataillonen abgetrennt und als selbständige Formationen in den Verkehrstruppen zusammengefasst wurden.7 Erste Versuche mit optischen Feldtelegrafen wurden zwischen 1875 und 1880 durchgeführt. dabei kam besonders der oben genannte Kritikpunkt zum Tragen, da bis zu diesem Zeitpunkt keine brauchbaren Lampen vorhanden waren, die an stark bewölkten Tagen die Heliografen ersetzten konnten. Somit regte sich zunächst ein nicht unerheblicher Widerstand gegen den weiteren Ausbau der opti-schen Telegrafie.8 in den folgenden Jahren wurden verschiedene Versuche unter-nommen, mithilfe chemisch erzeugter Flammen hell leuchtende Lichter zu entwi-ckeln, die als Alternative zum Heliografen dienen sollten. die Ergebnisse, die bis zum Ende der 1880er Jahre erzielt wurden, waren allerdings noch keinesfalls befriedigend, da insbesondere die Tragweite des Lichts und die Beweglichkeit der Signaleinheiten äußerst eingeschränkt waren.9 dennoch begann die Resistenz gegen die optische Telegrafie auch im Deutschen Reich langsam zu weichen. Die Oberste Heeresleitung schätzte sie als durchaus nützlich ein. Zudem wurde 1889

4 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 7.5 Vereinfacht ausgedrückt, versteht man darunter einen horizontal beweglichen Spiegel, der auf einem dreibein montiert ist und so eingestellt wird, dass das Sonnenlicht auf einen bestimmte Punkt reflektiert wird.6 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 8 f.7 Vgl. ebenda, S. 3 f.8 Vgl. ebenda, S. 9 f.9 Vgl. ebenda, S. 12.

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Blinkerdenkmal in Jena

festgelegt, dass sich die einheitliche Verwendung des morse-Alphabets am zweck-mäßigsten erwiesen hatte und von nun an standardmäßig in die Ausbildung einge-führt wurde.10 Bis zur Jahrhundertwende erfolgten weitere Erprobungen, die haupt-sächlich unter der Frage standen, wie man kräftigere Lichtquellen schaffen könnte. Um das Jahr 1899 tritt in diesem Zusammenhang zum ersten mal auch die Firma Carl Zeiss aus Jena in Erscheinung. der inspektion der Verkehrstruppen wurde der Auftrag erteilt, die Mängel, die in der optischen Telegrafie bestanden, zu besei-tigen und einen Signaltrupp zu bilden, der in ständiger Aus- und Weiterbildung zu halten wäre.11 daher suchte die inspektion den Kontakt zu Unternehmen, die bis-her im Lichtsignalwesen erfolgreich tätig waren. Neben vielen anderen, auch aus-ländischen Firmen, wandte man sich ebenfalls an Zeiss in Jena. Wie bereits erwähnt, maß man vor allem der Suche nach helleren Lichtquellen eine besondere Bedeutung zu.

Im April 1900 erfand der Chemiker Oskar Knöfler aus Charlottenburg das soge-nannte Knöfler­Licht. das Licht wurde durch ein Gemisch aus Azetylen und Sauer-stoff erzeugt, das sehr hell abbrannte, ohne die bisherigen Nebenwirkungen zu zeigen.12 denn oft bestand das Problem, dass etwa durch das Abbrennen von magnesium oder so genannten Kalklichtern der metallische Spiegel sehr schnell blind oder auch sehr heiß werden konnte, was auf dauer nicht zum Erfolg führte, da die Geräte zu schnell verschlissen. Bis 1912 schritt die Entwicklung nur geringfügig voran. im selben Jahr wurde noch das 03-Gerät entwickelt, das noch einmal ein verbessertes Signalgerät darstellte, da es handlicher und einfacher im Gebrauch war.13 dazu wurden seit 1900 vermehrt Kavallerie-Einheiten14 mit Heliografen ausgestattet und im Umgang mit diesen ausgebildet, allerdings nicht oder nur kaum mit den neueren Lichtsignalapparaten, was sich noch als nachteilig erweisen sollte.15 Als der Krieg 1914 ausbrach, gab es demnach nur sehr wenige männer, die im Umgang mit dem 03-Gerät ausgebildet waren. Vorerst blieb die Nachfrage nach sogenannten Signalisten – den späteren Blinkern – nicht sehr groß, da der Bewegungskrieg kaum Lücken im Nachrichtwesen aufwies.16 Erst als sich im Herbst 1914 der beginnende Stellungskrieg abzeichnete, sollte sich die Situation schlagartig ändern.

10 Vgl. ebenda, S. 14.11 Vgl. ebenda, S. 18.12 Vgl. ebenda, S. 23.13 Vgl. ebenda, S. 36.14 die Kavallerie übernahm vor der Ära des Flugzeugs zumeist die Aufklärung im Krieg.15 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 30.16 durch den sehr guten Ausbau mit Telegrafenleitungen, die nahezu in jede Stellung gelegt wurden, und durch den schnellen Vormarsch der deutschen Truppen gab es scheinbar kaum Lücken in der Kommunikation und somit vorerst auch so gut wie keine Verwen-dungsmöglichkeiten für die Signalisten, vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 39.

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Immanuel Voigt

Nachfolgend wird kurz erläutert, welchen Einsatzzweck und welche Aufgabe die Signalisten im Ersten Weltkrieg in der deutschen Armee übernommen haben.

Sie waren zunächst damit beauftragt, Nachrichten und meldungen zu übermit-teln, vor allem dann, wenn die herkömmlichen methoden versagten. So zum Beispiel wenn die Fernsprechleitungen durch Granatbeschuss oder durch andere Einflüsse zerstört wurden, aber auch wenn das Gelände das Legen von Leitungen nicht zuließ, beispielsweise im Hochgebirge. Nicht zuletzt sollten die Fernsprechleitun-gen entlastet werden.17 Als nun der Stellungskrieg zunächst an der West- und spä-ter auch an der Ostfront einsetzte, entsann man sich auf deutscher Seite der opti-schen Telegrafie und deren guter Dienste, die vor dem Krieg bei der Erprobung geleistet wurden.18 die Anfänge dieser Spezialtruppe waren noch äußerst primitiv und wirkten sehr improvisiert. Eine Handvoll interessierter Offiziere trug sämtliche vorhandenen 03-Geräte zusammen und bildete einige Trupps an diesen Geräten aus, um sie direkt an die Front zu schicken.19 das 03-Gerät war jedoch längst veral-tet und erwies sich für den Fronteinsatz zumeist als wenig tauglich. Hier kam nun wieder Zeiss aus Jena ins Spiel. dort hatte man bereits an einem verbesserten Gerät gearbeitet, dem Spiegelsignalgerät S. 14, das die ersten wirklich durchschlagenden Erfolge im Felde erzielt hat.20 das Zeiss’sche Gerät erwies sich als überaus fronttaug-lich und wurde nun gegenüber allen anderen Geräten bevorzugt, was darauf zurück zu führen ist, dass Zeiss schon in den Jahren vor dem Krieg kontinuierlich in Zusammenarbeit mit dem militär gestanden hatte.21 die Verbindung nach Jena wurde nun auf Wunsch des Heeres weiter intensiviert. Zunächst sollte noch eine Ausbildung der neuen Mannschaften, die für die optische Telegrafie vorgesehen waren, in Treptow und Schöneberg erfolgen. Bald darauf zeigte sich aber, dass es günstiger war, eine eigene Signal-Ersatzabteilung möglichst in der Nähe des Zeiss-Werkes in Jena aufzustellen.22 dies erfolgte am 21. Juni 1915. die ersten 38 män-ner rückten, von Berlin kommend, unter der musik der Bataillonskapelle des infanterie-Regiments Großherzog von Sachsen (5. Thüringisches) Nr. 94 23 in Jena ein.

17 Vgl. ebenda, S. 6.18 Ein für die deutschen militärs des Ersten Weltkrieges nicht untypisches Verhalten, Spezialtruppenteile erst dann zu fordern, wenn die Umstände des Krieges sie erzwangen, vgl. hierzu etwa die Geringschätzung der Fliegertruppe im Vorfeld und zu Beginn des Krieges, die Aufstellung der Schneeschuhbataillone im Winter 1914/15 oder auch der ersten deutschen Gebirgstruppe, des Alpenkorps, im mai 1915.19 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 40.20 Ebenda, S. 41.21 Vgl. ebenda, S. 44.22 Vgl. ebenda, S. 46 f.23 das 3. Bataillon des genannten Regiments lag seit 1867 in Jena. Während des Ersten Welt-krieges lag das 2. Ersatz-Bataillon des Regiments bis Ende Oktober 1917 in der Jenaer Garnison.

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Blinkerdenkmal in Jena

Wie nahe (räumlich gesehen) die Signal-Ersatzabteilung dem Zeiss-Werk kommen sollte, hatten die mit der Aufstellung betrauten Offiziere sicherlich nicht geahnt. da zunächst kein anderer Platz vorhanden war, räumte die Firma Zeiss im zweiten Stock des Hauptgebäudes ein Zimmer frei, in dem die Schreibstube der Abteilung untergebracht wurde, wobei es wohl so gewesen sein soll, dass die Einrichtung im Zimmer belassen wurde, sodass die Zeissianer immer Zugriff auf die dort gelagerten materialien der Firma hatten.24 dies macht wiederum deutlich, wie improvisiert die Anfänge der Abteilung waren. da die Arbeit und die Aufgaben der Signal-Ersatzabteilung in den folgenden Kriegsmonaten deutlich anstiegen – es wurden immer mehr Feldsignaltrupps für die Front gebraucht – ging man dazu über, weitere Teile des Zeiss-Werkes ›militärisch zu besetzen‹. So war etwa die Verwaltung des Signalgerätebestandes in der Sternwarte auf dem Hauptgebäude untergebracht, weitere Zimmer im zweiten Stock des Hauptgebäudes wurden in Zeichenzimmer umgewandelt. Nicht zuletzt richtete man ein Kompanie-Geschäftszimmer und ein Postzimmer am Carl-Zeiss-Platz 3 ein.25

Anfänglich wurden in der Abteilung vor allem diejenigen Soldaten, die bereits Vor-kenntnisse, sei es in technischen Belangen oder im morsen aufwiesen, ausgebildet. da diese mannschaften nach und nach zur Front abgingen, mussten schließlich auch Soldaten ohne Vorkenntnisse zu Signalisten ausgebildet werden. daher wuchs die mannschaftsstärke der Abteilung innerhalb kurzer Zeit auf bis zu 1.000 mann. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die mannschaften zunächst bei Privatleuten in Jena untergekommen waren, da keine Kaserne für die Ersatzabteilung zur Verfügung stand.26 da der mannschaftsstand immer weiter stieg, wich man nun in Massenquartiere, zumeist Gasthöfe, aus, etwa die Schubertsburg, das Paradies, den Grünen Kranz oder auch die Papiermühle.27 die eigentliche Kaserne der Abteilung bildete, nachdem man die Massenquartiere aufgegeben hatte, weil diese ebenfalls zu wenig Platz boten, das Volkshaus, was Zeiss wiederum zur Verfügung stellte. Dort fanden dann die Ausbildung der Mannschaften sowie deren Verpflegung statt.28 durch die immer größer werdenden Aufgaben dehnte sich die Abteilung noch weiter in Jena aus. So wurde etwa das Geschäftszimmer in eine Parterre-Wohnung am Ernst-Haeckel-Platz 5 verlegt, die man eigens angemietet hatte. Auch das Kranken-revier der Abteilung war zu klein geworden und wurde in die Goethestraße verlegt.29

24 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 48.25 Vgl. ebenda, S. 51 f.26 Vgl. ebenda, S. 64.27 Vgl. ebenda, S. 52.28 Vgl. ebenda, S. 52, 69 und 75; vgl. auch Frank döBeRt, Gedenken an Gefallene, in: Ostthüringer Zeitung vom 18. November 2013, der entgegen müller die Ausbildungsstätte am Steiger vermutet.29 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 52.

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müller berichtet auch über das gute Leben, welches die Soldaten in Jena geführt haben sollen.30 Er ist dabei stets voll des Lobes für die Bürgerschaft und für das Zeiss-Werk, das die Signal-Ersatzabteilung maßgeblich unterstützte.31 Ob diese ›Eintracht‹ zwischen der Bevölkerung und den Soldaten wirklich immer so bestanden hat, wie müller es schildert, kann aus heutiger Sicht wohl kaum mehr nachvollzogen werden, da die Quellengrundlage hierzu (bislang) fehlt. die Signalisten beziehungs-weise Blinker wurden im Volksmund kurzerhand zu Funkern gemacht, allen Beleh-rungen und Einwendungen zum Trotz.32 müller spricht zudem davon, dass die feschen Blinker vor allem bei der Jenenser damenwelt sehr gefragt waren, zumal ja auch die junge, lebensfrohe Studentenschaft, die im Frieden das Interesse der Jenaischen Mädchen vollauf in Anspruch nahm, fast vollzählig abwesend war, zerstreut auf allen Kriegsschauplätzen. Da war die Hoffnung auf einen gewissen Ersatz – der nicht nur Hoffnung blieb – mehr als verzeihlich.33

die Ausbildung erfolgte in Jena und in der unmittelbaren Umgebung. So wurden nicht nur der Landgrafenberg, auf dem nach dem Krieg das denkmal für die gefallenen Blinker errichtet wurde, sondern auch der Jenzig, der Hausberg, der Forst, die Kernberge, der Bismarckturm, die Sonnenberge und andere Gelände-erhöhungen als Signalpunkte genutzt.34 Selbst auf der Leuchtenburg bei Kahla hatten sich die Blinker einquartiert. Aber auch die nähere Umgebung wurde genutzt, so etwa der Turm der Kirche von Vierzehnheiligen. den zentralen Signal-punkt bildete dabei stets die Sternwarte beziehungsweise das dach des Hauptge-bäudes des Zeiss-Werks.

die Übungen der Abteilung sind von der Bevölkerung interessiert aufgenommen worden und scheinen gar zu ›Volksfesten‹ geraten zu sein. müller weiß davon zu berichten, dass der Herr Pfarrer [eine] Schar Schuljungens zu einer Signalübung mit-brachte, da die Jungen das morsen gelernt hatten und nun ihre Fähigkeiten über-prüfen wollten. insbesondere in den Abendstunden sollen wahre Völkerwanderungen in Richtung Signalberg unterwegs gewesen sein. Vor Ort gab sich die Burschen- und Jung frauenschaft der verschiedenen Orte [...] ein willkommenes Stelldichein. das Spektakel wurde mit heißem Grog oder Tee [und] dem dazugehörigen Imbiß beobachtet. Sehr zum Leidwesen der Blinker, da sie um ihre wertvolle Ausrüstung fürchteten und nicht selten bei ihren Übungen gestört wurden. Allerdings, so müllers Resümee, seien die männer dann durch Zigarettenspenden und die mitgebrachten Liebesgaben wieder besänftigt worden.35

30 Vor allem die Üppigkeit der vorhandenen Lebensmittel schien wohl eine entschei-dende Rolle zu spielen.31 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 63 f. und S. 82.32 Ebenda, S. 63.33 Vgl. ebenda.34 Vgl. ebenda, S. 64.35 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 80.

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Blinkerdenkmal in Jena

die Ausbildungszeit für die neuen Rekruten ohne Vorkenntnisse betrug mindestens sechs bis acht Wochen. danach wurden die männer in Feldsignaltrupps zusammen-gefasst und von Jena aus an die Front geschickt. Ein solcher Trupp umfasste sechs Mann. Der Truppführer war meist ein Unteroffizier, dazu kamen ein Stellvertreter, ein Gefreiter, und nicht zuletzt vier Signalisten.36

die Aushebung der Rekruten für die Signal-Ersatzabteilung erfolgte vorwiegend aus den thüringischen Kleinstaaten und den angrenzenden Gebieten, so vor allem aus Jena selbst, aber auch aus Weimar, Apolda, ilmenau, Erfurt, Gera, Greiz, Eisenach, Suhl bis hin nach Kassel. Berücksichtigt wurde eine gewisse technische Eignung oder Vorbildung.37 dies hatte auch zur Folge, dass laut müller halb Jena morsen lernte, vor allem diejenigen, denen baldige Einziehung drohte, um möglichst als Rekrut der Ersatz-abteilung aufgenommen zu werden.38

Ein gutes Jahr nach der Aufstellung der Signal-Ersatzabteilung wurde diese mitte August 1916 von Jena nach Königswusterhausen bei Berlin verlegt. dort war eine ehemalige Funkerkaserne frei geworden, was wiederum bessere möglich-keiten für die Ausbildung bot.39 Wehmütig beklagt müller, dass der Abschied nicht

36 Vgl. ebenda, S. 68 f.37 Vgl. ebenda, S. 74.38 Vgl. ebenda, S. 65.39 Vgl. ebenda, S. 85.

Abb. 1Ein Feldsignaltrupp an der Vogesenfront im Mai 1917.

Rechts ist das ›Spiegelsignalgerät S. 14‹ der Firma Zeiss zu sehen, in der Mitte ein Heliograf und links ein Fernrohr zur Beobachtung der ankommenden Zeichen.

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leicht gefallen wäre, vor allem da man in der neuen Garnison vollkommen andere Bedingungen vorgefunden hätte als in Jena. Dies galt speziell für die geografische Beschaffenheit der Landschaft.40 Am 14. August 1916 wurden die männer mit Blumen und durch die musik der Regimentskapelle des infanterie-Regiments Nr. 94 ver-abschiedet.41 Somit endete hier vorerst die Tätigkeit der Signal-Ersatzabteilung in Jena. Ungeachtet dessen, blieb die Stadt dennoch der mittelpunkt für das Lichtsignal-wesen, da Zeiss auch weiterhin die Signalgeräte für das Heer lieferte und wartete.42 die Signal-Ersatzabteilung bestand danach noch bis Juli 1917, dann wurde sie auf-gelöst und die Blinker in die Telegrafentruppe eingegliedert. im gesamten Zeit-raum des Bestehens der Abteilung wurden 661 Feldsignaltrupps und 54 Festungs-signaltrupps für den Frontdienst ausgebildet.43 die Entwicklung und Verbesserung der verwendeten Signalgeräte schritt dabei kontinuierlich fort.

Das Blinkerdenkmal und der schwierige Umgang mit dem »Erbe«

Nach dem Ersten Weltkrieg schlossen sich auch die überlebenden Signalisten zu einem Veteranenverein zusammen, dem Bund ehemaliger Blinker. Leider ist sehr wenig über diesen Verein bekannt. Aus müllers Ausführungen ist allerdings zu erfahren, dass es auch eine Zeitschrift gab, die wohl regelmäßig für die mitglieder erschien, die Blinkerzeitung.44 Ferner organisierte sich der Bund in verschiedenen Ortsgruppen. Sogar ein Fonds für die Hinterbliebenen gefallener Blinker wurde eingerichtet.45

dass die ehemaligen Blinker ihre alte Garnison Jena nicht vergessen hatten, zeigt sich in der initiative, dort zwei Jahre nach Kriegsende den gefallenen Kameraden ein denkmal zu setzen. Erste Verhandlungen mit der Stadt über den Bau scheint es wohl schon im Sommer 1920 gegeben zu haben. Zumindest lassen die wenigen Archivalien, die im Stadtarchiv Jena dazu überliefert sind, diesen Schluss zu. der Gemeinderat Jenas beschloss am 3. September 1920 den Bau des denkmals mehr-heitlich mit einer Gegenstimme. Fünf Tage später wurde des Weiteren beschlos-sen, den Baugrund auf dem Landgrafen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.46 die Grundsteinlegung erfolgte bereits einige Tage später am 12. September 1920. der Entwurf der Rede des Jenaer Oberbürgermeisters dr. Fuchs zu diesem Anlass ist ebenfalls im Stadtarchiv Jena überliefert. mit pathetischen Worten, die dem Ton

40 Vgl. ebenda.41 Vgl. ebenda, S. 89.42 Vgl. ebenda, S. 99.43 Vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 149.44 Vgl. ebenda, S. 154.45 Vgl. Jenaische Zeitung, Nr. 123 vom 30. mai 1921, hier ist die Rede von einer Orts-gruppe Jena. der Fonds für die Hinterbliebenen betrug 1921 rund 3.000 mark.46 Vgl. StA Jena, B Viid Nr. 62, Blinkerdenkmal.

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Blinkerdenkmal in Jena

der Zeit entsprachen, spricht Fuchs davon, dass die Verwaltung der Stadt Jena auch das künftige Denkmal pflegen und der ferneren Nachkommenschaft treu überliefern sollte.47 den-noch bemerkt Fuchs auch, dass es eben nicht gerade der Zeitrichtung entsprechend [wäre], der kriegerischen Jahre, die hinter uns liegen, [...] zu gedenken. Die Wunden, die der Krieg [...] in die deutschen Herzen gerissen hat, gestatten keine Berührung, sodass wir es verstehen, dass die Gegenwart sich abwendet von dem, was hinter uns liegt.48 daher wäre es gerade wichtig, das Andenken an die grossen und unvergeßlichen Geschehnisse der Jahre 1914–18 unserer Nachkommen-schaft zu bewahren, damit die Heldentaten der deutschen Söhne nicht in Vergessenheit gerieten. Und weiter meinte Fuchs, dass die Grundsteinlegung des denkmals erst der erste Schritt sei, das treue Andenken an die Blinker, die sich einen Platz in den Herzen der Jenaer Bevölkerung erworben hätten, aufrecht zu erhalten.49

Aus heutiger Sicht, sozialisiert in einem friedlichen Europa und erzogen mit einem tief verwurzelten demokratieverständnis, sind diese Worte schwer nachzu-vollziehen. Um sie zu verstehen, muss der Text aus ›seiner‹ Zeit und ›seinem‹ Kontext heraus betrachtet werden: Groß war die Enttäuschung über den verlorenen Krieg, der doch bis zum November 1918 scheinbar zu gewinnen war – so versuchte es zumindest die Propaganda den deutschen Soldaten einzureden. Ebenso wurde der für viele menschen als ›ungerecht‹ wirkende ›Schandfriede‹ von Versailles als reine Siegerjustiz empfunden. All diese Faktoren spielten eine gewichtige Rolle in der Sinnsuche, die nach dem Ersten Weltkrieg in deutschland einsetzte und die vieler Orts apologetisch verklärt wurde, um dem verlorenen Krieg und den millionen-opfern dennoch eine Legitimation zu verleihen, damit die Söhne, Väter und Ehe-männer nicht umsonst für ihr Vaterland gefallen waren. Unter diesen Umständen der ersten Nachkriegszeit kam schließlich auch der Bau des Blinkerdenkmals zu Stande. Viele der heimgekehrten deutschen Soldaten, insbesondere Offiziere, konnten die Niederlage von 1918 nur schwer überwinden. demnach versuchte man sich im ›Kleinen‹ der ›ruhmreichen Heldentaten‹ des Weltkrieges zu erinnern und den verlorenen Krieg damit dennoch auf eine ganz eigene Art und Weise als ›siegreich‹ zu verklären. dies äußerte sich nicht nur in denkmälern, die nach dem Krieg errichtet wurden, sondern beispielsweise auch in der überaus zahlreich erschienenen und zumeist von ehemaligen Soldaten oder Offizieren verfassten Weltkriegsliteratur, die bis auf einige wenige Werke, meist einen apologetischen Charakter besitzt.50

47 Vgl. ebenda.48 Ebenda.49 Vgl. StA Jena, B Viid Nr. 62, Blinkerdenkmal.50 die bekanntesten Beispiele sind etwa Erich maria Remarques Im Westen nichts Neues als Vertreter der Anti-Kriegsliteratur und Hans Zöberleins Der Glaube an Deutschland als Bei-spiel für einen unreflektierten Umgang mit Krieg.

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der Entwurf für den Gedenkstein stammte von dem bekannten Jenaer Architektur-büro Schreiter & Schlag.51 Einer der beiden Architekten, Johannes Schreiter, war im Krieg selbst Blinker gewesen.52 Wie aus seiner Entwurfszeichnung, die im Stadt-archiv Jena aufbewahrt ist, hervorgeht, wurde sein modell bis auf ein detail im Bau so ausgeführt, wie es von ihm vorgesehen war. der geplante Piper,53 der um den Stahlhelm, der das denkmal nach oben hin abschließt, geschnallt werden sollte, wurde in der Endausführung nicht realisiert. Warum dieses detail später nicht umgesetzt wurde, ist nicht bekannt.54 mit dem Bau des denkmals betraute man ebenfalls einen ehemaligen Blinker aus Jena, den maurermeister Carl Gretscher.55 der Bau wurde darüber hinaus einzig durch die mittel des Bundes ehemaliger Blinker finanziert.56

Anlässlich der Einweihung des denkmals waren eigens 160 ehemalige Blinker aus allen Gauen [...] sogar aus dem besetzten Gebiet57 nach Jena gereist.58 Bereits am 28. mai 1921, einen Tag vor der Weihe, titelt die Jenaische Zeitung Willkommen deutsche Blinker! und schreibt weiter äußerst pathetisch – ganz im Stil der Zeit: Den braven Kameraden, die das grausame Geschick von Eurer Seite riß, habt Ihr nun das schöne Denkmal errichtet als ein Wahrzeichen, daß treue Kameradschaft nie diejenigen vergisst, die im Kreise in Not und Tod beieinander gestanden haben. Ihr ehrt die Gefallenen durch diese hochherzige Tat und die Tat ehrt Euch und Eure Gesinnung.59 So wurde dann auch einen Tag vor dem Festakt ein Blinkerabend in der ehemaligen Kaserne, dem Volkshaus, abgehalten. Neben patriotischen Reden und dem Gedenken an die gefallenen Kameraden gab es auch ein kulturelles Programm, das durch Kammermusik und Gesang begleitet wurde.60

51 Von diesen Architekten wurde in Jena unter anderem auch das Capitol und das Zeiss-Planetarium entworfen.52 müller bezeichnet ihn als Kamerad, vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 154. Johannes Schreiter war zudem Vorsitzender der Ortsgruppe Jena des Bundes ehemaliger Blinker, vgl. Jenaische Zeitung, Nr. 123 vom 30. mai 1921.53 Ein Lichtsignalgerät, das vorn am Stahlhelm befestigt wurde.54 Vgl. StA Jena, B Viid Nr. 62, Blinkerdenkmal.55 Vgl. denkmal ohne Gedenken. Ein rätselhaftes Bauwerk auf dem Weg zu Napoleon, in: Allgemeiner Anzeiger Jena vom 8. märz 2006; vgl. MülleR, Blinker (wie Anm. 1), S. 154, Gretscher wird ebenfalls als Kamerad bezeichnet. Er hatte sein Geschäft wohl in der Sophienstraße 7, wo heute noch eine Tafel Maurermeister Carl Gretscher an der Außenfassade des Hauses zu sehen ist.56 Vgl. eichaRdt, Blinkzeichen (wie Anm. 3), S. 17.57 Jenaische Zeitung Nr. 123 vom 30. mai 1921.58 Vgl. eichaRdt, Blinkzeichen (wie Anm. 3), S. 17.59 Jenaische Zeitung Nr. 122 vom 28. mai 1921. 60 Vgl. Jenaische Zeitung Nr. 123 vom 30. mai 1921.

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Blinkerdenkmal in Jena

die Weihe des denkmals erfolgte dann am 29. mai 1921, Punkt 10 Uhr, wie die Jenaische Zeitung vom 30. mai vermerkte. Pfarrer Ludwig aus Jena hielt in pathe-tischen und kernigen Worten die Weiherede, die er wie folgt schloss: So lasst uns weihen dieses Mal aus Stein; ein Denkstein und ein Markstein soll es sein. Treu wollen der Vergangenheit wir denken und fest den Schritt in deutsche Zukunft lenken! Gott schirme dich in aller Fährlich-keit und führe unser Volk durch diese dunkle Zeit.61 Nach dieser Rede folgten weitere kurze Ansprachen, unter anderem durch den 1. Vorsitzenden des Bundes ehemaliger Blinker und durch Vertreter der Stadt Jena. Als Abschluss erfolgte eine Kranznie-derlegung durch Vertreter des Reichswehrministeriums, durch Offiziere der Reichswehr und nicht zuletzt durch den Bund ehemaliger Blinker selbst. Sogar ein durch einen Flieger vom Rumplerflugzeug abgeworfener Kranz wurde am denkmal niedergelegt. Begleitet wurde die Festivität zudem durch den Jenaer männerge-sangsverein. der Tag fand später auf dem marktplatz in Jena mit einem Konzert und anschließendem Feuerwerk seinen Abschluss.62

61 Ebenda.62 Vgl. Jenaische Zeitung Nr. 123 vom 30. mai 1921. Rumpler war eine der vielen deut-schen Flugzeugfirmen, die vor und während des Ersten Weltkrieges die deutschen Luft-streitkräfte mit ihren maschinen belieferte.

Abb. 2Das Blinkerdenkmal auf dem Landgrafen in seiner ursprünglichen Form von 1921

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Lange Zeit blieb es nun um das Blinkerdenkmal ruhig. Nachdem deutschland auch im Zweiten Weltkrieg unterlegen war und die beiden deutschen Staaten gegründet worden waren, besann man sich in Jena wieder des denkmals auf dem Landgrafen. Scheinbar sah die ddR als ›Arbeiter- und Bauernstaat‹ in ihm ein Symbol für Kriegs-verherrlichung und vermeintlich ›falsches‹ Heldentum, sodass man das Blinker-denkmal ›entmilitarisierte‹ und es somit sein ursprüngliches Aussehen verlor: der Stahlhelm, der auf dem denkmal als oberer Abschluss saß, wurde zu einer halb-runden ›Schüssel‹ zurückgebaut. Beide inschriften am Gedenkstein 1914 Unseren Helden 1918 und Die Deutschen Blinker wurden entfernt. das Eichenlaub aus den Ecken des Eisernen Kreuzes verschwand und letzteres wurde ebenfalls begradigt, sodass die einstige charakteristische Form verloren ging.63 Wann diese ›Entmilitarisierung‹ vorgenommen wurde, ist nicht überliefert. Auch über ihre genauen Gründe ist nichts bekannt, daher kann hierüber nur spekuliert werden. Eine gewisse Rolle mag etwa die relative Nähe zum sowjetischen Truppenübungsplatz, der sich ober-halb des Landgrafen auf den ehemaligen Schlachtfeldern befand, gespielt haben.64

Seiner identität beraubt, fristete das einstige denkmal als ›namenloser Steinklotz‹ in den folgenden Jahrzehnten sein dasein auf dem Landgrafen. die Natur holte sich nach und nach den Raum, auf dem das denkmal steht, zurück, sodass es immer mehr verwahrloste. Es sollte bis zum Jahr 2004 dauern, ehe man sich von Seiten des Kulturamtes Jena dazu entschloss, etwas gegen den endgültigen Verfall zu unternehmen.65 dabei standen drei Varianten der Sanierung zur diskussion: die erste Variante sah eine Sanierung des damaligen Zustandes vor, mit Anbrin-gung einer informationstafel, die auf das einstige denkmal verweisen sollte. die zweite Variante bestand aus der Sanierung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes von 1921. die dritte Variante schließlich kam einem Vorschlag eines Jenensers nach, das denkmal umzuwidmen als Erinnerung an die doppelschlacht bei Jena und Auerstedt von 1806. Schon damals wurde von JenaKultur die erste Variante favorisiert und schließlich wenige Jahre später auch umgesetzt.66 dennoch sollte es noch bis zum Frühjahr 2009 dauern, ehe mit der Sanierung begonnen werden konnte. Bezeichnend für das Vergessen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Denkmal scheinbar bis 2009 nicht auf der offiziellen Denkmalliste der Stadt geführt wurde und erst in jenem Jahr als pflegewürdiges, stadtgeschichtlich relevantes und kulturhistorisches Merkzeichen eingestuft wurde.67 Einen weiteren Anstoß für die Sanierung des Blinkerdenkmals lieferte die Reservistenkameradschaft Jena, die sich bei

63 Vgl. denkmal ohne Gedenken (wie Anm. 55). 64 Vgl. michael gRoß, Hilfe für Baukunst im Wald. Erster Arbeitseinsatz am Blinker-denkmal auf dem Landgrafen, in: Ostthüringer Zeitung vom 16. märz 2009.65 Vgl. denkmal ohne Gedenken (wie Anm. 55).66 Vgl. ebenda.67 Vgl. Blinker-denkmal wurde saniert, in: Ostthüringer Zeitung vom 18. November 2009.

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Blinkerdenkmal in Jena

der Stadtverwaltung um ein Pflegeobjekt bewarb. In mehreren Arbeitseinsätzen, bei denen auch der Jugendarbeitskreis des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge mithalf, wurde das denkmal durch die Reservistenkameradschaft Jena saniert. dabei wurde jene Variante des Sanierungskonzeptes umgesetzt, die den Zustand nach der ›Ent-militarisierung‹ wiederherstellte. Einziger Kompromiss, der hierbei eingegangen wurde, war die Wiederanbringung der inschrift Die Deutschen Blinker.68 im Herbst 2009 konnte der sanierte Gedenkstein schließlich ein zweites mal eingeweiht werden und für den die Reservistenkameradschaft Jena nunmehr auch die Patenschaft über-nahm.69 Unmittelbar neben dem denkmal wurde eine informationstafel aufgestellt, die in sehr knappen Sätzen und Stichpunkten die Bedeutung des Steines erklärt und ihm damit auch seine ›Identität‹ wiedergibt. Eine Fotografie einer alten Ansicht zeigt zudem den ursprünglichen Zustand des denkmals von 1921. Weiterführende informationen aber zur regionalen Bedeutung der Blinker und des denkmals fehlen hingegen. Gerade Fragen, weshalb es in Jena überhaupt ein solches monument gibt und was die Blinker während des Ersten Weltkrieges mit Jena in Verbindung bringt, bleiben damit unbeantwortet.

Trotz dieser Sanierung scheint das Blinkerdenkmal auch heute kein einfaches ›Erbe‹ zu sein. das zeigt etwa die lebendige diskussion zwischen dem Professor für Philosophie Prof. dr. Klaus m. Kodalle und dem Historiker Prof. dr. Jürgen John, die 2010 in der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) nachzulesen war. den Anstoß zu dieser debatte lieferte Kodalle in einem Leserbrief vom 6. April 2010. Er sprach sich dafür aus, dass es besser gewesen wäre, hätte man das denkmal in seinen ursprünglichen Zustand wiederhergestellt, da die jetzige Variante eher einer geschickt verschleierten Form der Erinnerung dienen würde. Ein solcher Umgang mit der deutschen Geschichte schien dem Philosophen unzulänglich. denn gerade das durchaus groß proportionierte denkmal mache in seiner sanierten Form durch sichtbar blei-bende Spuren der Auslöschungsvorgänge auch denjenigen, der bisher noch nichts über die Blinker wüsste, auf diesen Umstand aufmerksam. Schließlich würde sich der Wille des Gedenkens und der Erinnerung an die Gefallenen auch darin äußern, dass das denkmal saniert und von der Jenaer Reservistenkameradschaft betreut würde.70

der Historiker John kontert daraufhin in einem in der TLZ am 13. April 2010 veröffentlichten Leserbrief: ihm erschien die Sanierung sinnvoll und erinnerungs-kulturell vernünftig durchgeführt. die Nichtwiederherstellung des ursprünglichen Zustandes hielt er für eine kluge Entscheidung, da das denkmal nun die Verbindung zwischen dem Gedenken an die Kriegstoten und dem Respekt für die Gedenkkultur herstellt. dadurch würde man sich der komplizierten Geschichte des 20. Jahrhunderts [...]

68 Vgl. eichaRdt, Blinkzeichen (wie Anm. 3), S. 17.69 Vgl. Blinker-denkmal wurde saniert (wie Anm. 67).70 Vgl. Klaus m. kodalle, Ahistorische Geschichte. Blinker – Gedanken eines Spazier-gängers, in: Thüringische Landeszeitung vom 6. April 2010.

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stellen, weil so der nötige Abstand zu einem Helden- und Totenkult geschaffen würde, der heute nicht mehr zeitgemäß erscheine. John argumentiert weiterhin, dass es mehr als bedenklich sei, ein denkmal in seiner ursprünglichen Form wiederherzustellen, das an einen Krieg erinnert, in dem die Soldaten nicht für deutschland starben, sondern einzig für die annexionistischen deutschen Kriegsziele, für die deren idea-lismus missbraucht wurde. Ferner bemerkte John, dass das Nachkriegsgedenken vielfach gerade nicht im Zeichen des Verlustes, Leides und Schmerzes, nicht im pazifistischen Geiste der Völkerversöhnung gestanden habe, sondern vielmehr Heldenverehrung und Revanchegedanken im Vordergrund standen. der Historiker schloss mit der Fest-stellung: Vor diesem Hintergrund zu fordern, man solle wie einst der für ›Deutschland Gefallenen‹ öffentlich gedenken, wirkt zumindest naiv, wenn nicht befremdlich und beunruhigend.71

Es folgten Repliken unter Bezugnahme auf den anderen Standpunkt. der Philo-soph Kodalle betonte erneut, dass die Gedächtniskultur des Volkes und die Wissenschaft von der Geschichte zwei verschiedene dinge seien. Erstere würdigt, dass das Sterben im Krieg keine Privatangelegenheit sei. demnach starben auch diese jungen männer, die damals in den Krieg zogen, für deutschland, ungeachtet der hegemonialen und imperialistischen Kriegsziele, die die deutsche Führung im Ersten Weltkrieg ver-folgte. Kodalle versuchte des Weiteren den Bezug zur Gegenwart herzustellen, indem er das Heldengedenken für die Toten des Ersten Weltkrieges in Beziehung mit dem deutschen Afghanistaneinsatz setzte und die Frage aufwarf, ob die im Auslandseinsatz gefallen Soldaten der Bundeswehr nicht auch für die Bundesrepub-lik ihr Leben ließen. der Philosoph stellte dabei die hypothetische Frage, ob nicht irgendwann auch diese Gefallenen der Erinnerung entzogen würden, falls man in Deutschland offiziell feststellte, dass der Afghanistaneinsatz ein Fehler gewesen sei. Abschließend verdeutlichte Kodalle nochmals, dass das Blinkerdenkmal in seiner jetzigen Form nur ungenügend über die dahinter steckende Geschichte informiere.72

der Historiker John konterte daraufhin ein letztes mal mit einer Entgegnung, in der er hervorhob, dass es ihm nicht um eine Bereinigung der Jenaer Gedenkkultur gehe, wie dies Kodalle ihm vorgeworfen hätte. Vielmehr habe er sich dafür ausgesprochen, dass die Sanierung des denkmals ohne die Wiederherstellung der ursprünglichen Form eine kluge Entscheidung aufklärender Geschichtskultur gewesen sei. John verwies nochmals auf die Problematik der Erinnerungskultur nach dem Ersten Weltkrieg und bemerkte zugleich, dass Kodalle nicht auf seine Argumente eingegangen sei.73

71 Vgl. Jürgen JohN, Historiker-meinung zum restaurierten Blinkerdenkmal und zu einem TLZ-Artikel, in: Thüringische Landeszeitung vom 13. April 2010.72 Vgl. Klaus m. kodalle, Schwieriges Gedenken, in: Thüringische Landeszeitung vom 16. April 2010.73 Vgl. Jürgen JohN, Aufklärende Geschichtskultur, in: Thüringische Landeszeitung vom 27. April 2010.

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Blinkerdenkmal in Jena

So endete die öffentlich geführte diskussion zwischen den beiden Professoren aus Jena und zeigt dennoch exemplarisch, wie unterschiedlich das Blinkerdenkmal heute empfunden wird. Bemerkenswert erscheint der Gedanke von Jürgen John, dass ein öffentliches Gedenken der gefallenen Soldaten wie einst befremdlich, ja sogar beunruhigend anmute. Somit scheint dieser Umgang mit der eigenen Ver-gangenheit ein spezifisch deutsches Problem zu sein. Blickt man im Gedenkjahr 2014 zu den europäischen Nachbarn, etwa nach Frankreich oder nach Groß-britannien, so werden trotz noch immer nicht überwundener Finanzkrise und knapper Kassen das ›Jubiläum‹ und der Sieg pompös gefeiert. Allein Großbritannien will für die Feierlichkeiten rund 55 millionen Pfund ausgeben.74 Etwas derartiges ist in deutschland undenkbar, was sich auch in der Tatsache widerspiegelt, dass es in diesem Jahr keine zentrale Gedenkveranstaltung zum 100jährigen Ausbruch des Ersten Weltkrieges geben wird. Hierin wie auch in der obigen Aussage von John zeigt sich der noch immer schwierige Umgang mit der deutschen Vergangen-heit, der insbesondere durch die Ereignisse der nationalsozialistischen Herrschaft in deutschland und des Zweiten Weltkrieges geprägt wurde und gerade deshalb bis heute einer reflektierten Erinnerung bedarf.

74 Vgl. Christoph scheueRMaNN, Gewärmt vom Triumph der Vergangenheit, in: der Spiegel, Nr. 3 vom 13. Januar 2014, S. 46.

Abb. 3Das Blinkerdenkmal in seiner jetzigen sanierten Form, Sommer 2013

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das Blinkerdenkmal scheint auf den ersten Blick als ein weiteres mahnmal für die ›Helden des Weltkrieges‹ zu stehen. Allerdings wird durch das denkmal zwar kein Revanchismus bedient, aber eben auch keine Völkerversöhnung, wie Jürgen John kritisierte. dennoch kann es vielleicht als ein sinnstiftendes mahnmal für die menschen der damaligen Zeit gesehen werden, die trotz des verlorenen Krieges nach einer Form des Gedenkens, vor allem an vermeintlich bessere Zeiten, suchten. Ob eine solche Form des Erinnerns auch mit dem Hintergedanken an einen neuen Krieg verbunden war, erscheint jedoch mehr als fraglich. dies zeigt sich auch in den letzten Worten des Jenaer Oberbürgermeisters Fuchs, die er für seine Rede bei der Grundsteinlegung des Blinkerdenkmals wählte: Hoffen wir, dass auch die Zukunft eine Wende und zwar auf friedlichem Wege bringe zum Aufstieg unseres deutschen Volkes.75

dieser Beitrag soll keiner Verharmlosung einer Gedenkkultur dienen, die uns heute weitestgehend fremd erscheint und auf ›aktivem Vergessen‹ und ›Selektion‹ beruhte. Es ist wichtig und richtig, diese Art des Gedenkens kritisch zu hinterfragen. Aber genauso sollten auch die Entstehungszusammenhänge dieser Erinnerungs-kultur reflektiert werden. Das Interesse am Blinkerdenkmal auf dem Landgrafen scheint jedenfalls in den letzten Jahren gestiegen zu sein.76 Es bleibt also abzuwarten, wie sich der diskurs um diesen Erinnerungsstein in den nächsten Jahren entwickeln wird.

75 StA Jena, B Viid Nr. 62, Blinkerdenkmal.76 Vgl. Lutz pRageR, Farbanschlag aufs Blinkerdenkmal, in: Ostthüringer Zeitung vom 23. November 2012; Frank döBeRt, Gedenken an Gefallene, in: Ostthüringer Zeitung vom 18. November 2013; Ehrendes Gedenken: Am Volkstrauertag wurde am Blinker-denkmal den Gefallenen gedacht, in: JenaTv, Sendung vom 18. November 2013.