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Zerebrale Fehlbildungen Zerebrale Fehlbildungen sind Folge einer fehlerhaften Zytogenese (Molekül zu Zelle), Histogenese (Zelle zu Gewebe) oder Organogenese (Gewebe zu Organen) (354). Sonographisch lassen sich Störungen in der Zyto- genese nicht darstellen. Demgegenüber führen Ent- wicklungsstörungen der Histogenese und Organoge- nese zu anatomischen Abnormalitäten, die sonogra- phisch erfassbar sind (11, 17–19, 118–122). Defekte in der Histogenese sind die AV-Malforma- tion der V. Galeni magna, das Sturge-Weber-Krabbe- Syndrom, die Neurofibromatose und die tuberöse Hirn- sklerose. Fehler in der Organogenese führen zu einer Viel- zahl morphologisch fassbarer anatomischer Abnormali- täten. Die meisten dieser Fehlbildungen gehen mit ei- nem fehlerhaften Schluss des Neuralrohrs einher und be- inhalten: die gesamten dysrhaphischen Fehlbildungen (Chiari-Malformation) das Dandy-Walker-Syndrom und die Agenesie des Corpus callosum. Störungen in der Organogenese beinhalten: Fehler der Divertikulation (Holoprosenzephalie, septooptikale Dysplasie) Migrationsstörungen (Lissenzephalie, Pachygyrie, Polymikrogyrie und Megaloenzephalie) Myelinisierungsstörungen und destruktive Hirnläsionen (Hydranenzephalie, Porenzephalie). Neuralrohrdefekte Zu den dysrhaphischen Fehlbildungen gehören die Anenzephalie, Enzephalozele, Meningozele oder Me- ningomyelozele (Abb. 1.26a) (118). Die Anenzephalie ist die schwerste dieser Fehlbil- dungen. Sie kann bereits pränatal durch weitgehendes Fehlen des gesamten Hirnschädels diagnostiziert wer- den. Aufgrund der infausten Prognose führt sie in der Regel zur Interruptio. Von einer Enzephalozele spricht man, wenn eine Herniation der Meningen und Gehirnanteile durch ei- nen Defekt in der Schädelkalotte vorliegt (Abb. 1.27a). 70% der Enzephalozelen sind in der Okzipitalregion lo- kalisiert. Diese enthalten häufig Teile der Okzipitallap- pen, des Kleinhirns und des Ventrikelsystems. Sonogra- phisch kann zwischen dem Vorliegen einer reinen Me- ningozele, die nur aus Hirnhäuten und Liquor besteht (Abb. 1.27c) und einer Enzephalozele mit Herniation von Hirngewebe in die Zele unterschieden werden (Abb. 1.27b). Von einer Myelomeningozele spricht man, wenn eine Herniation von Rückenmarkanteile, Nervenwur- zeln und Meningen in eine Spaltbildung der thorakalen oder lumbalen Wirbelsäule vorliegt (Abb. 1.26a). Chiari-Fehlbildungen Drei verschiedene Chiari-Fehlbildungen können vonei- nander abgegrenzt werden (Tabelle 1.2). Allen ist die kaudale Verlagerung des Inhalts der hinteren Schädel- grube gemeinsam (118). Insbesondere sind dabei der Kleinhirnwurm und IV. Ventrikel nach kaudal verlagert und das Kleinhirn mehr oder minder dysplastisch. Beim Typ I liegt eine Kaudalverlagerung der Klein- hirntonsillen und der inferioren Anteile der Klein- hirn-Hemisphären ins Foramen magnum vor. Medulla und IV. Ventrikel lassen sich normal darstellen. Der Typ I ist im Kindesalter sehr selten und wird in der Re- gel erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Im Ge- gensatz zum Typ II und III liegt keine äußerlich sicht- bare okzipitozervikale, thorakale oder lumbale Dys- rhaphie vor. Typ II ist die häufigste Form des Chiari-Syndroms. Er ist vergesellschaftet mit einer spinalen Meningomy- elozele (Abb. 1.26a). Er besteht in der Kaudalverlage- rung der inferioren Kleinhirnanteile und Kleinhirn- tonsillen sowie der Pons, der Medulla und des IV. Ventrikels ins Foramen magnum (Abb.1.26b–d). Synonym für die Chiari-II-Malformation wird im deutschsprachigen Raum auch die Bezeichnung Arnold-Chiari-Syndrom verwendet. Typ III ist immer mit einer okzipitozervikalen Enze- phalozele assoziiert (Abb. 1.27a). Beim Typ III sind Kleinhirnanteile, Medulla, IV. Ventrikel und Menin- gen in die okzipitozervikale Enzephalozele verlagert (Abb. 1.27b, c). Tabelle 1.2 Chiari-Fehlbildungen Typ Fehlbildung(en) I keine dysrhaphische Fehlbildung Kaudalverlagerung der inferioren Kleinhirnanteile ins Foramen magnum II spinale Dysrhaphie (Meningomyelozele) Kaudalverlagerung der inferioren Kleinhirnanteile, Kleinhirntonsillen, Pons, Medulla und IV. Ventrikel ins Foramen magnum III okzipitozervikale Dysrhaphie (Enzephalozele) Verlagerung von Kleinhirn, Medulla und IV. Ventrikel in Enzephalozele Zerebrale Fehlbildungen 1 33 Hofmann, Deeg, Hoyer, Ultraschall in Pädiatrie und Kinderchirurgie (ISBN 3131009535), © 2005 Georg Thieme Verlag

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Zerebrale Fehlbildungen

Zerebrale Fehlbildungen sind Folge einer fehlerhaftenZytogenese (Molekül zu Zelle), Histogenese (Zelle zuGewebe) oder Organogenese (Gewebe zu Organen)(354). Sonographisch lassen sich Störungen in der Zyto-genese nicht darstellen. Demgegenüber führen Ent-wicklungsstörungen der Histogenese und Organoge-nese zu anatomischen Abnormalitäten, die sonogra-phisch erfassbar sind (11, 17–19, 118–122).

Defekte in der Histogenese sind die AV-Malforma-tion der V. Galeni magna, das Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom, die Neurofibromatose und die tuberöse Hirn-sklerose.

Fehler in der Organogenese führen zu einer Viel-zahl morphologisch fassbarer anatomischer Abnormali-täten. Die meisten dieser Fehlbildungen gehen mit ei-nem fehlerhaften Schluss des Neuralrohrs einher und be-inhalten:g die gesamten dysrhaphischen Fehlbildungen

(Chiari-Malformation)g das Dandy-Walker-Syndrom undg die Agenesie des Corpus callosum.

Störungen in der Organogenese beinhalten:g Fehler der Divertikulation (Holoprosenzephalie,

septooptikale Dysplasie)g Migrationsstörungen (Lissenzephalie, Pachygyrie,

Polymikrogyrie und Megaloenzephalie)g Myelinisierungsstörungen undg destruktive Hirnläsionen (Hydranenzephalie,

Porenzephalie).

Neuralrohrdefekte

Zu den dysrhaphischen Fehlbildungen gehören dieAnenzephalie, Enzephalozele, Meningozele oder Me-ningomyelozele (Abb. 1.26a) (118).

Die Anenzephalie ist die schwerste dieser Fehlbil-dungen. Sie kann bereits pränatal durch weitgehendesFehlen des gesamten Hirnschädels diagnostiziert wer-den. Aufgrund der infausten Prognose führt sie in derRegel zur Interruptio.

Von einer Enzephalozele spricht man, wenn eineHerniation der Meningen und Gehirnanteile durch ei-nen Defekt in der Schädelkalotte vorliegt (Abb. 1.27a).70% der Enzephalozelen sind in der Okzipitalregion lo-kalisiert. Diese enthalten häufig Teile der Okzipitallap-pen, des Kleinhirns und des Ventrikelsystems. Sonogra-phisch kann zwischen dem Vorliegen einer reinen Me-ningozele, die nur aus Hirnhäuten und Liquor besteht(Abb. 1.27c) und einer Enzephalozele mit Herniationvon Hirngewebe in die Zele unterschieden werden(Abb. 1.27b).

Von einer Myelomeningozele spricht man, wenneine Herniation von Rückenmarkanteile, Nervenwur-zeln und Meningen in eine Spaltbildung der thorakalenoder lumbalen Wirbelsäule vorliegt (Abb. 1.26a).

Chiari-Fehlbildungen

Drei verschiedene Chiari-Fehlbildungen können vonei-nander abgegrenzt werden (Tabelle 1.2). Allen ist diekaudale Verlagerung des Inhalts der hinteren Schädel-grube gemeinsam (118). Insbesondere sind dabei derKleinhirnwurm und IV. Ventrikel nach kaudal verlagertund das Kleinhirn mehr oder minder dysplastisch.g Beim Typ I liegt eine Kaudalverlagerung der Klein-

hirntonsillen und der inferioren Anteile der Klein-hirn-Hemisphären ins Foramenmagnumvor.Medullaund IV. Ventrikel lassen sich normal darstellen. DerTyp I ist imKindesalter sehr selten undwird in der Re-gel erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Im Ge-gensatz zum Typ II und III liegt keine äußerlich sicht-bare okzipitozervikale, thorakale oder lumbale Dys-rhaphie vor.

g Typ II ist die häufigste Form des Chiari-Syndroms. Erist vergesellschaftet mit einer spinalen Meningomy-elozele (Abb. 1.26a). Er besteht in der Kaudalverlage-rung der inferioren Kleinhirnanteile und Kleinhirn-tonsillen sowie der Pons, der Medulla und desIV. Ventrikels ins Foramen magnum (Abb. 1.26b–d).Synonym für die Chiari-II-Malformation wird imdeutschsprachigen Raum auch die BezeichnungArnold-Chiari-Syndrom verwendet.

g Typ III ist immer mit einer okzipitozervikalen Enze-phalozele assoziiert (Abb. 1.27a). Beim Typ III sindKleinhirnanteile, Medulla, IV. Ventrikel und Menin-gen in die okzipitozervikale Enzephalozele verlagert(Abb. 1.27b, c).

Tabelle 1.2 Chiari-Fehlbildungen

Typ Fehlbildung(en)

I keine dysrhaphische FehlbildungKaudalverlagerung der inferioren Kleinhirnanteile insForamen magnum

II spinale Dysrhaphie (Meningomyelozele)Kaudalverlagerung der inferioren Kleinhirnanteile,Kleinhirntonsillen, Pons, Medulla und IV. Ventrikel insForamen magnum

III okzipitozervikale Dysrhaphie (Enzephalozele)Verlagerung von Kleinhirn, Medulla und IV. Ventrikelin Enzephalozele

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a

b

c

Abb. 1.26a–e Arnold-Chiari-Syndrom bei Spina bifida.a Darstellung einer lumbalen Meningomyelozele, die teil-weise häutig verschlossen ist. Im Zentrum der Zele findet sichdie Neuralplatte mit der Neuralrinne.b Kaudalverlagerung von Teilen des Kleinhirnwurms (C) insForamen magnum (Kreuze). III. Ventrikel (3) nach rostral verla-gert und dysplastisch. Massiv erweiterter Seitenventrikel (SV).Aquädukt (A) abgeknickt.c Mittlerer Koronarschnitt durch das erweiterte Ventrikel-system. Deutliche Dilatation der Seitenventrikel-Vorderhörnerbei normal weitem III. Ventrikel und nur geringgradig erweiter-ten Temporalhörnern. Fehlendes Septum pellucidum.

d e

d Medianer Sagittalschnitt: Kaudalverlagerung großer Teiledes Kleinhirnwurms (Kreuze) ins Foramen magnum unterhalbder Ebene des Os occipitale. Der III. (3) und IV. (4) Ventrikelsind nach ventral verlagert, der III. Ventrikel ist dysplastischund weist verplumpte Rezessus auf. Der Seitenventrikel (SV) istmassiv dilatiert.

e Parasagittalschnitt durch den Seitenventrikel: Ausgepräg-ter Hydrocephalus internus bei Chiari-II-Syndrom. Prominenterfrei im Ventrikellumen flottierender Plexus chorioideus ( Œ ).Massive Dilatation des Seitenventrikel-Hinterhorns, deutlicheDilatation des Vorderhorns, nur leichte Erweiterung des Tem-poralhorns.

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Chiari-II-Syndrom (Arnold-Chiari-Syndrom)(Tabelle 1.3)

Die sonographische Darstellung der Verlagerung des In-halts der hinteren Schädelgrube gelingt am besten ineinem medianen Sagittalschnitt durch die Mittellinien-strukturen. Die inferioren Kleinhirnanteile sind dabeiunterhalb der Ebene des Os occipitale und damit im Fo-ramen magnum darstellbar (Abb. 1.26b). Das Kleinhirnist von okzipital durch die Okzipitalschuppe impri-miert. Häufig erscheint das Kleinhirn hypo- bzw. dys-plastisch. Im Gegensatz zu gesunden Kindern ist dieCisterna magna bei Kindern mit Chiari-II-Malformationnicht darstellbar.

Durch die Kaudalverlagerung des Kleinhirns ins Fo-ramen magnum wird der IV. Ventrikel komprimiert undist häufig sonographisch überhaupt nicht darstellbar.Dadurch wird der freie Abfluss des Liquors aus dem IV.Ventrikel über die Foramina Luschkae und Magendiiblockiert, wodurch 90% der Kinder mit Arnold-Chiari-Syndrom einen mehr oder minder ausgeprägten Hy-drocephalus internus entwickeln (87, 88, 118). Hierbeisind die Okzipitalhörner der Seitenventrikel immer amstärksten dilatiert. Auch die Vorderhörner sind häufigdeutlich erweitert; demgegenüber sind die Temporal-hörner oft normal weit oder nur leicht erweitert (Abb.1.26c, e). Der dysplastische III. Ventrikel ist oft nurleicht erweitert und weist deformierte Rezessus auf(Abb. 1.26b, d) (118).

Assoziierte ZNS-Fehlbildungen:g Das Fehlen des Septum pellucidum lässt sich am

besten in einem mittleren Koronarschnitt nachwei-sen (Abb. 1.28c). Hierbei scheint es sich um eine pri-märe Anlagestörung zu handeln. Ein sekundäres Ein-reißen des Septum pellucidum bei progredienterVentrikelerweiterung ist unwahrscheinlich, da an-sonsten Reste des perforierten Septums frei im Ven-trikellumen flottierend nachweisbar sein müssten.

g Die verdickte Massa intermedia lässt sich im mittle-ren Koronarschnitt oder in einem medianen Sagittal-schnitt darstellen (Abb. 1.26b, c). Sie verbindet beideThalamuskerne miteinander und unterteilt den III.Ventrikel im Koronarschnitt in einen kraniellen undkaudalen Anteil.

g Ein prominenter Plexus chorioideus (Abb. 1.26e)wird bei ca. 1⁄3 aller Kinder mit Arnold-Chiari-Syn-drom gefunden (87, 88, 118). Inwieweit der promi-nente Plexus durch eine vermehrte Liquorproduktionzur Entstehung des Hydrozephalus bei Kindern mitChiari-II-Syndrom beiträgt, ist ungeklärt. Die beson-dere klinische Bedeutung des prominenten Plexusliegt darin begründet, dass sich der Plexus nach Liquo-rableitung an die seitlichen Öffnungen des Ventrikel-katheters anlegen und zu einer Shuntinsuffizienz füh-ren kann. Bei Vorliegen eines prominenten Plexuschorioideus sollte die liquorableitende Drainage nichtimHinterhorn des Seitenventrikels platziert werden.

Tabelle 1.3 Sonographische Charakteristika des Arnold-Chi-ari-Syndroms (Chiari II)

g Kaudalverlagerung des Kleinhirnwurms ins Foramenmagnum

g Kaudalverlagerung von Pons und Medulla oblongata

g Kaudalverlagerung des IV. Ventrikels

g Schmale hintere Schädelgrube

g Kleinhirnhypoplasie bzw. -dysplasie

g Erweitertes Ventrikelsystem:– massive Erweiterung der Hinterhörner– mäßige Erweiterung der Vorderhörner (Fledermaus-

flügel-Konfiguration im Koronarschnitt)– leicht dilatierte Temporalhörner– normal weiter, dysplastischer III. Ventrikel mit promi-

nenten Rezessus– proximale Erweiterung des Aquädukts– IV. Ventrikel abgeflacht, evtl. nicht darstellbar

g Assoziierte ZNS-Fehlbildungen:– verdickte Massa intermedia (55%)– fehlendes Septum pellucidum (36%)– prominenter Plexus chorioideus (50%)– hypoplastische Falx cerebri– Agenesie des Corpus callosum

Chiari-III-Syndrom

Die sonographische Untersuchung des Chiari-III-Syn-droms erfolgt am besten mit einem hoch auflösendenLinearschallkopf von n 8MHz. Dieser wird direkt überder Zele angelegt (118).

Sonographisch muss dabei eine Meningozele von ei-ner Enzephalozele abgegrenzt werden. Bei Vorliegen ei-ner Meningozele lassen sich einzelne flüssigkeitsge-füllte Hohlräume mit oder ohne Septierungen nachwei-sen (Abb. 1.27c). Enzephalozelen sind durch die Abbil-dung von Hirngewebe in der Zele charakterisiert(Abb. 1.27b). Reine Meningozelen können operativproblemlos abgetragen werden. Demgegenüber sinddie therapeutischen Möglichkeiten bei Vorliegen einerEnzephalozele begrenzt.

Neben der direkten Darstellung des Zeleninhalts istdie sonographische Untersuchung des übrigen Gehirnsbesonders wichtig. Ähnlich wie beim Arnold-Chiari-oder Chiari-II-Syndrom muss nach assoziierten ZNS-Fehlbildungen und einer zusätzlichen Ventrikelerweite-rung gefahndet werden. Lässt sich ein progredienterHydrozephalus nachweisen, so muss eine liquorablei-tende Drainage implantiert werden, die bei 50% allerEnzephalozelen erforderlich ist.

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a

b

c

Abb. 1.27a–c Okzipitale Enzephalozele.a Klinisches Bild.b Darstellung des Zeleninhalts mit einem hoch auflösendenLinearschallkopf. Im linken Bildabschnitt lassen sich die dys-plastischen Kleinhirn-Hemisphären darstellen. Die abgebildeteKleinhirn-Hemisphäre weist eine ca. 2 × 1 cm große Zyste auf.Neben den soliden Anteilen finden sich auch große zystischeAnteile. Eine komplette Abtragung der Zele ist aufgrund derDarstellung des Kleinhirns nicht möglich.c Meningozele. Darstellung von multiplen Zysten die durcheinzelne Septen voneinander abgetrennt sind. Weitere solideAnteile in der Zyste finden sich nicht. Damit ist eine kompletteAbtragung der Meningozele möglich (Abb. von OA Dr. Gassner,Univ.-Kinderklinik Innsbruck).

Dandy-Walker-Syndromsowie Dandy-Walker-Varianten

Die Leitstruktur beim Dandy-Walker-Syndrom und denassoziierten Erkrankungen ist eine große zystischeRaumforderung im Bereich der hinteren Schädelgrubesowie eine mehr oder minder ausgeprägte Kleinhirn-hypoplasie oder -dysplasie (Abb. 1.28 u. 1.29).

Die Erkrankung entsteht um die 5. Gestationswoche.Früher wurde angenommen, dass das Dandy-Walker-Syndrom durch eine Atresie des Foramen Magendii zu-stande kommt. Jedoch ist die Atresie weder charakteris-tisch noch konstant nachzuweisen. Heute glaubt man,dass das Dandy-Walker-Syndrom durch eine Persistenzder anterioren Membran am Dach des IV. Ventrikels

entsteht. Die Membran verschwindet normalerweise,bevor sich das Foramen Magendii öffnet (119).

Die Erkrankung ist immermit einermehr oderminderausgeprägten Kleinhirnwurm-Dysgenesie vergesell-schaftet. Das Dandy-Walker-Syndromumfasst ein Spekt-rum von Erkrankungen, die neben dem IV. Ventrikel unddemKleinhirn auch die Cisternamagna betreffen.

Heute wird folgendermaßen abgegrenzt und unter-teilt (119):

g eigentliches Dandy-Walker-Syndromg Dandy-Walker-Varianteg retrozerebellär lokalisierte Zyste:

– Arachnoidalzyste– Megacisterna magna.

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a b

c d

Abb. 1.28a–d Dandy-Walker-Syndrom.a Medianer Sagittalschnitt. Große retrozerebellär lokali-sierte Zyste (Z), die mit dem dilatierten IV. Ventrikel (4) kom-muniziert. Hypoplasie und Dysplasie des Kleinhirnwurms.Gleichzeitig besteht eine Balkenagenesie, die zu einem dys-plastischen nach kranial verlagerten III. Ventrikel (3) geführthat. Fehlende Abbildung des Gyrus und Sulcus cinguli. RadiäreAnordnung der Sulci und Gyri um den dilatierten und dysplasti-schen III. Ventrikel als Zeichen der Balkenagenesie.b Hinterer Koronarschnitt durch die Kleinhirn-Hemisphären.Hypoplastische Kleinhirn-Hemisphären (C). Retrozerebellär lo-kalisierte Zyste (Z), die mit dem IV. Ventrikel (4) kommuniziert.Dilatierte Seitenventrikel (SV). Nach kranial verlagerter dilatier-

ter und dysplastischer III. Ventrikel (3) aufgrund einer gleichzei-tig bestehenden Balkenagenesie.c Weit nach okzipital geneigter Koronarschnitt. Oberhalbder dysplastischen Kleinhirn-Hemisphären zeigt sich einegroße retrozerebellär lokalisierte Zyste, die in dieser Schnitt-ebene die gesamte hintere Schädelgrube ausfüllt. DilatierteSeitenventrikel, die nach okzipital divergieren aufgrund dergleichzeitig bestehenden Balkenagenesie.d Parasagittalschnitt durch den Seitenventrikel. Abnorm ho-her Tentoriumansatz (TC). Dadurch wirkt der erweiterteSeitenventrikel nach ventral abgekippt. Große retrozerebellärlokalisierte Zyste (Z), hypoplastische Kleinhirn-Hemisphären(C), die am Unterrand des Tentoriums cerebelli (TC) nachweis-bar sind.

Es wird postuliert, dass dieMegacisternamagna auf einenInsult, der vorwiegend den sich entwickelnden IV. Ventri-kel betrifft, zurückzuführen ist. Demgegenüber soll dieDandy-Walker-Variante durch eine Schädigung entstehen,die vorwiegend die sich entwickelnden Kleinhirn-Hemi-sphären betrifft. Das voll ausgeprägte Dandy-Walker-Syn-drom ist durch eine Schädigung sowohl der Kleinhirn-He-misphären als auch des IV. Ventrikels bedingt (119).

Die Prognose der Erkrankungen aus dem Dandy-Walker-Symptomenkomplex wird im Wesentlichendurch die Schwere der assoziierten ZNS-Fehlbildungenbestimmt. Die klinischen Leitsymptome sind in der Re-gel eine Makrozephalie mit Ventrikelerweiterung sowiemehr oder minder ausgeprägte zerebelläre Dysfunktio-nen und Entwicklungsverzögerungen.

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b

c

Abb. 1.29a–c Dandy-Walker-Syndrom (Abbildungen von OADr. Gassner, Univ.-Kinderklinik Innsbruck).a Medianer Sagittalschnitt. Zystische Raumforderung (Z), diedie gesamte hintere Schädelgrube ausfüllt und mit dem dila-tierten IV. Ventrikel (4) kommuniziert. Dysplastische Kleinhirn-Hemisphären (C). Dilatierter III. Ventrikel, Aquädukt und Sei-tenventrikel. Angehobenes Tentorium cerebelli.b Axiale Schnittebene durch die hintere Seitenfontanelle. Dar-stellung der dysplastischen Kleinhirn-Hemisphären (C). Kom-munikation zwischen dem IV. Ventrikel (4) und der großen re-trozerebellären Zyste (Z), die pathognomonisch für das Dandy-Walker-Syndrom ist.c Nach okzipital geneigter Koronarschnitt. Darstellung einerriesigen zystischen Raumforderung der hinteren Schädelgrube(Z) mit angehobenem Tentorium cerebelli (T). Dilatierte, nachhinten divergierende Seitenventrikel (SV).

Tabelle 1.4 Sonographische Charakteristika des Dandy-Wal-ker-Syndroms

g Große retrozerebellär lokalisierte Zyste, die mit demdilatierten IV. Ventrikel kommuniziert

g Agenesie des Kleinhirnwurms

g Hypoplasie der Kleinhirnhemisphären

g Hoher Tentoriumansatz

g Assoziierter Hydrocephalus internus (75%)

g Seitenventrikel okzipital angehoben durch hohen Ten-toriumansatz

g Divergenz der Seitenventrikel-Hinterhörner im hinterenKoronarschnitt

g Assoziierte ZNS-Fehlbildungen (68%):– Dysgenesie des Corpus callosum (20–25%)– Migrationsstörungen (5–10%)– okzipitale Enzephalozelen (5%)– extrakranielle Fehlbildungen (25–30%)

Dandy-Walker-Syndrom (Tabelle 1.4)

Das Dandy-Walker-Syndrom besteht aus einer vergrö-ßerten hinteren Schädelgrube mit hohem Ansatz desTentoriums (Abb. 1.28c, d u. 1.29a, c), einer Dysgenesieoder Agenesie des Kleinhirnwurms (Abb. 1.28a, b u.1.29a, b) sowie einer zystischen Dilatation des IV. Vent-rikels, die nahezu die gesamte hintere Schädelgrubeausfüllt (Abb. 1.28a, b, c, d u. 1.29a–c).

Die sonographische Darstellung erfolgt im media-nen Sagittalschnitt sowie in einem nach okzipital ge-neigten Koronarschnitt (119):g Leitsymptom beim Dandy-Walker-Syndrom ist eine

große retrozerebellär lokalisierte Zyste, die mit demIV. Ventrikel kommuniziert (Abb. 1.28a, b u. 1.29a, b).Sie ist sowohl im Koronar- als auch Sagittalschnittnachweisbar.

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a

bAbb. 1.30a, ba Megacisterna magna bei einem Neugeborenen mit Mikro-zephalus und konnatalem Hydrozephalus. Im medianen Sagit-talschnitt zeigt sich eine große retrozerebellär lokalisierteZyste (Z) sowie ein hypoplastischer Kleinhirnwurm (C). Es be-steht keine Kommunikation zwischen dem IV. Ventrikel (4) undder Zyste, sodass die Abgrenzung vom Dandy-Walker-Syndrommöglich ist (3, 4 = III., IV. Ventrikel).b Dandy-Walker-Variante. Große zystische Raumforderungretrozerebellär (Z). Hypoplastischer Kleinhirnwurm. KeineKommunikation zwischen dem IV. Ventrikel (4) und der Zyste.Dysplastischer, vergrößerter III. Ventrikel (3) bei gleichzeitigbestehender Balkenagenesie.

g Die Kleinhirn-Hemisphären sind nach rostral und la-teral verdrängt. Sie lassen sich als kugelige oderhalbkugelige Areale erhöhter Echogenität unterhalbdes echogenen Tentoriums nachweisen (Abb. 1.28du. 1.29a).

g Weiterhin liegen eine Hypoplasie oder Aplasie desKleinhirnwurms sowie eine mehr oder minder aus-geprägte Hypoplasie der Kleinhirn-Hemisphären vor(Abb. 1.28a–d u. 1.29a, b).

g Durch die Kommunikation des IV. Ventrikels mitder retrozerebellär lokalisierten Zyste sowie derAgenesie des Kleinhirnwurms fehlt die Verschmel-zung der Kleinhirn-Hemisphären in der Mittellinie(Abb. 1.28b u. 1.29b).

g Das Tentorium cerebelli ist angehoben und nachrostral verlagert (Abb. 1.28c, d u. 1.29c).

g Häufig entwickelt sich ein mehr oder minder ausge-prägter Hydrocephalus internus, der bei Geburt nochnicht nachweisbar sein muss, sich jedoch im Altervon 3 Monaten bei ca. 75% der Kinder darstellenlässt (19, 119).

g Durch die zystische Dilatation des IV. Ventrikels undden hohen Tentoriumansatz ist das Ventrikelsystemokzipital angehoben und wirkt nach ventral abge-kippt (Abb. 1.28d).

g Im nach hinten geneigten Koronarschnitt divergie-ren die beiden Seitenventrikel bedingt durch die re-trozerebelläre Zyste (Abb. 1.28c u. 1.29c).

g Assoziierte ZNS-Fehlbildungen sind eine Agenesiedes Corpus callosum in 20–25% der Fälle (Abb. 1.28a,b) sowie okzipitale Enzephalozelen und bei einer ge-ringen Zahl von Patienten auch eine Holoprosenze-phalie. Migrationsstörungen wie die Polymikrogyrieund kortikale Heterotopien werden bei 5–10% derPatienten gefunden, lassen sich sonographisch je-doch nur schwer erfassen (19, 119).

Dandy-Walker-Variante

Die Dandy-Walker-Variante besteht aus:g einer Kleinhirnwurmdysgenesieg einer zystischen Dilatation des IV. Ventrikels ohne

Vergrößerung der hinteren Schädelgrube.

Eine Dandy-Walker-Variante kann vermutet werden,wenn weder die Kriterien des voll ausgeprägten Dandy-Walker-Syndroms noch die Kriterien der retrozerebel-lären Zyste oder Megacisterna magna erfüllt werden.

Retrozerebelläre Arachnoidalzyste

g Bei der retrozerebellären Arachnoidalzyste lässt sichein großer zystischer Hohlraum nachweisen, der dasKleinhirn von okzipital komprimiert und nach vornverlagert.

g Die hintere Schädelgrube ist ebenfalls vergrößert.g Der Kleinhirnwurm und der IV. Ventrikel sind jedoch

intakt.

Megacisterna magna

g Im Gegensatz zur retrozerebellären Arachnoidal-zyste lässt sich hinter dem Kleinhirn eine großeZyste nachweisen, die jedoch zu keiner Kompressiondes Kleinhirns führt (Abb. 1.30a, b).

g Meist liegt gleichzeitig eine mehr oder minder aus-geprägte Kleinhirnhypoplasie vor.

Kleinhirnhypoplasie

Die Kleinhirnhypoplasie tritt meist im Zusammenhangmit dem Dandy-Walker-Syndrom bzw. der Dandy-Wal-ker-Varianten und retrozerebellären Arachnoidalzystenauf. In diesem Zusammenhang wurde bereits auf dasAuftreten einer Kleinhirnhypoplasie hingewiesen.

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Hofmann, Deeg, Hoyer, Ultraschall in Pädiatrie und Kinderchirurgie (ISBN 3131009535), © 2005 Georg Thieme Verlag

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Tabelle 1.5 Sonographische Cha-rakteristika der Balkenagenesie

g Fehlende Darstellbarkeit des Balkens

g Fehlende Darstellbarkeit von Gyrus und Sulcus cinguli

g Radiäre Anordnung der Gyri und Sulci um den dysplastischen III. Ventrikel

g Stierkopfkonfiguration des III. Ventrikels und der Seitenventrikel im Koronarschnitt

g Lateralisation der Seitenventrikel

g Dilatation der Seitenventrikel-Hinterhörner (Kolpozephalie)

g Dysplastischer, nach kranial verlagerter III. Ventrikel

g Konkave mediale Begrenzung der Seitenventrikel durch die längs verlaufenden Bal-kenfasern (Probst-Bündel)

g Schmale Vorderhörner

g Elongation der Foramina Monroi

g Assoziierte ZNS-Fehlbildungen:– in der Mittellinie lokalisierte interhemisphärische Zyste (30%)– Arachnoidalzysten– Dandy-Walker-Syndrom– Chiari-II-Syndrom– Zephalozelen– septooptikale Dysplasie– Holoprosenzephalie

Während die Abgrenzung des Dandy-Walker-Syn-droms in der Regel keine Schwierigkeiten bereitet, istdie Differenzierung zwischen einer raumfordernden re-trozerebellären Arachnoidalzyste, die das Kleinhirn vonokzipital komprimiert und nach ventral verlagert, undeiner Megacisterna magna ohne raumfordernde Wir-kung im Einzelfall schwierig (Abb. 1.30).

Zur Feststellung einer Kleinhirnhypoplasie werdendie Kleinhirn-Hemisphären und der Kleinhirnwurm imhinteren Koronarschnitt und im medianen Sagittal-schnitt morphometrisch erfasst. Bei Vorliegen einerKleinhirnhypoplasie ist die Relation von Kleinhirn zurCisterna magna zuungunsten des Kleinhirns verschoben(Abb. 1.30). Im Einzelfall kann man planimetrische Un-tersuchungen der Schnittfläche des Kleinhirnwurms immedianen Sagittalschnitt durchführen.

Da jedoch keine Normalwerte vorliegen, sind nurausgeprägte Hypoplasien eindeutig abgrenzbar. Beizweifelhaften Befunden kann man die Querschnittsflä-che des Kleinhirns eines Patienten mit der eines gesun-den gleichaltrigen Kindes vergleichen. Die Untersu-chung im medianen Sagittalschnitt ist gut reproduzier-bar, während planimetrische Messungen in einem nachhinten geneigten Koronarschnitt nicht reproduzierbar,damit unzuverlässig sind und somit vermieden werdensollten.

Die Kleinhirnhypoplasie entspricht der weiter obenbesprochenen Megacisterna magna. Ein hypoplas-tisches Kleinhirn kann als isolierte Fehlbildung auftre-ten. Weiterhin sind Chromosomenstörungen, wie z.B.dem Edwards-Syndrom und der Lissenzephalie Typ II(Walker-Warburg-Syndrom) mit einer Kleinhirnhypo-plasie assoziiert.

Dysgenesie des Corpus callosum (Tabelle 1.5)

Der Balken ist die wichtigste Mittellinienkommissur,die die beiden Hemisphären miteinander verbindet.Entwicklungsgeschichtlich entsteht er zwischen der 7.und 10. Woche. Die Entwicklung des Balkens erfolgt vonvorn nach hinten, wobei sich zunächst das Genu, an-schließend Korpus und Splenium entwickeln. Sie ist mitder 20. Woche abgeschlossen.

Bei einer partiellen Agenesie fehlen vor allem diehinteren Balkenanteile (Korpus und/oder Splenium).Bei einer sekundären Zerstörung eines bereits angeleg-ten Balkens können jedoch auch Genu und Korpus feh-len, während das Splenium intakt ist. Eine Balken-agenesie kann isoliert, jedoch auch assoziiert mit einerVielzahl anderer Fehlbildungen auftreten, so z.B. beimChiari-II-Syndrom, dem Dandy-Walker-Syndrom, derseptooptikalen Dysplasie, der Holoprosenzephalie, demAndermann-Syndrom und dem Aicardi-Syndrom.

In einer MRT-Studie von Barkovich (17) an Kindernmit zerebralen Fehlbildungen konnte bei 47% der Patien-ten eine assoziierte Balkenanomalie gefundenwerden.

Balkenfehlbildungen sind ein wichtiger Indikator fürassoziierte ZNS-Fehlbildungen. Bei Diagnose einer Bal-kendysgenesie sollte gezielt nach weiteren zerebralenFehlbildungen gesucht werden (29).

Syndrome, die obligat oder fakultativ mit einer Bal-kenagenesie vergesellschaftet sind, sind in Tabelle 1.6zusammengefasst. Weiterhin gehen mehrere Stoff-wechselstörungen mit einer Balkendysgenesie einher(vgl. Tabelle 1.7).

Sonographischmuss differenziert werden zwischen:g kompletter Balkenagenesieg partieller Balkendysgenesie.

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Tabelle 1.6 Mit der Balkenagenesie vergesellschafteteSyndrome

Syndrom Assoziation

Aicardi-Syndrom obligat

Shapiro-Syndrom obligat

Andermann-Syndrom obligat

Orofaziodigitales Syndrom fakultativ

Dandy-Walker-Syndrom sporadisch

Lissenzephalie sporadisch

Apert-Syndrom sporadisch

Trisomie 8, 13, 14, 15 sporadisch

Meckel-Syndrom sporadisch

Di-George-Syndrom sporadisch

Goldenhar-Syndrom sporadisch

Tabelle 1.7 Stoffwechselstörungen, die mit einer Agenesiedes Corpus callosum einhergehen können

Zellweger-Syndrom

Nichtketotische Hyperglyzinämie

Neonatale Leukodystrophie

Kinky-Hair-Disease

Pyruvatdehydrogenase-Mangel

Glutarazidurie Typ I

Komplette Agenesie

Bei Vorliegen einer kompletten Balkenagenesie habendie Balkenfasern die Mittellinie nicht überschritten.Stattdessen erstrecken sie sich als dickes Faserbündelparallel zur Mittellinie. Diese paramedianen, von vornenach hinten verlaufenden Balkenfasern werden alsProbst-Bündel bezeichnet. Sie formen damit das Dachdes entsprechenden Seitenventrikels, das von medialund kranial imprimiert wird und nach lateral verlagertist.g Bei der kompletten Balkenagenesie kann das Corpus

callosum im Koronar- und Sagittalschnitt nicht dar-gestellt werden (Abb. 1.31a–c).

g Im mittleren Koronarschnitt bilden die Seitenventri-kel und der III. Ventrikel die typische Leitstruktur ei-nes Stierkopfs (Abb. 1.31a, b), wobei der III. Ventrikeldem Kopf und die Seitenventrikel den Hörnern desStierkopfes entsprechen (64, 192).

g Die Frontalhörner sind durch die längs verlaufendenProbst-Bündel nach lateral verlagert und spitz aus-gezogen (Abb. 1.31a, b) (210).

g Weiterhin werden sie von kranial und medial impri-miert (Abb. 1.31a, b).

g Der III. Ventrikel ist durch das Fehlen des Balkensnach kranial zwischen die beiden Seitenventrikel

verlagert und bildet zusammen mit diesen die typi-sche Stierkopfkonfiguration (Abb. 1.31a–c) (91, 121).

g Durch das Fehlen des Balkens kann die freie Kommu-nikation des Interhemisphärenspalts mit dem III.Ventrikel nachgewiesen werden (Abb. 1.31a–c).

g Sulcus und Gyrus cinguli sind nicht nachweisbar(Abb. 1.31d) (91, 121). Dies ist vor allem zur Diagnoseder partiellen Balkendysgenesie wichtig.

g Statt des Gyrus und Sulcus cinguli sind die Sulci undGyri im medianen Sagittalschnitt radiär um dennach kranial verlagerten dysplastischen III. Ventrikelangeordnet (Abb. 1.31d) (91, 121, 270).

g Im nach hinten geneigten Koronarschnitt lässt sichdie weite Separation beider Seitenventrikel, die nachlateral verlagert sind, darstellen (121, 294). Der pa-rallele Verlauf, der weit voneinander getrennt ver-laufenden Seitenventrikel ist bereits pränatal ver-dächtig auf das Vorliegen einer Balkenagenesie(294).

g Häufig liegt gleichzeitig eine Dilatation der Seiten-ventrikel-Hinterhörner (Kolpozephalie) vor, dieebenfalls zur pränatalen sonographischen Diagnoseherangezogen werden kann (294). Im Gegensatzdazu sind die Vorderhörner häufig schmal.

Anhand der typischen Ventrikelkonfiguration mit dennach lateral verlagerten Seitenventrikeln, den dispro-portional weiten Hinterhörnern und einem dilatiertenkranial verlagerten III. Ventrikel kann die Diagnose auchpränatal gestellt werden (29, 294).

In 30% der Fälle ist die Balkenagenesie mit einer imInterhemisphärenspalt in der Mittellinie lokalisiertenZyste vergesellschaftet (Abb. 1.32). Seltener werden iso-lierte Arachnoidalzysten oder kommunizierende por-enzephale Zysten gefunden (121). Weitere assoziierteZNS-Fehlbildungen sind Migrationsstörungen, Hetero-topien und Zephalozelen. Für die klinischen Symptomeund die weitere Prognose sind in der Regel die assozi-ierten Fehlbildungen verantwortlich.

Partielle Dysgenesie

Während der Nachweis der kompletten Agenesie desCorpus callosum sonographisch in der Regel keineSchwierigkeiten bereitet, erfordert die Diagnose einerpartiellen Agenesie die sorgfältige Untersuchung derMittellinienstrukturen. Da sich der Balken von rostralnach okzipital entwickelt, fehlen bei der partiellen Bal-kendysgenesie in der Regel das Splenium und eventuellauch der Korpus des Balkens.g Im mittleren Sagittalschnitt lassen sich die hinteren

Balkenanteile oft nicht sicher darstellen.g Indirekte Hinweise auf eine partielle Balkenagenesie

sind:– der fehlende Nachweis des Sulcus und Gyrus cin-

guli im Okzipitalbereich sowie– die radiäre Anordnung der Sulci und Gyri, die bis

zum etwas dysplastisch wirkenden III. Ventrikelreichen.

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