15
Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von 1898 von Heinz Friese (Hamburg) Nach der im Jahre 1935 erschienenen Schrift Wolfgang Frankes , Die staatspolitischen Reformversuche K'ang Yu-weis und seiner Schule', ist das 1959 in Moskau herausgekommene Buch von S. Tich winski, Die Reformbewegung in China und K' ang Yu-wei 2 , die einzige ausführ- lichere Arbeit zu diesem Thema in einer westlichen Sprache und verdient besondere Aufmerksamkeit. Denn auch von chinesischer Seite aus findet dieser Gegenstand seit langem große Beachtung und eine große Anzahl von Bearbeitern. Die umfangreiche Literatur dazu beweist es 3 Auch heute ist die Auseinandersetzung mit den philosophischen Grundgedanken K'ang- Yu-wei's in China in vollem Gange. Besonders der chinesische Gelehrte Li Tse-hou 1 2 1 scheint einer der führenden Autoritäten auf diesem Gebiete zu sein. In seinen gesammelten Aufsätzen 4 geht es hauptsächlich darum, 1 MSOS 38 (1935), pp. 1-83. - Das Verdienst, das Abendland mit der Reform- bewegung und ihren Zielen bekannt gemacht zu haben, gebührt Otto Franke (zuerst in: Die wichtigsten chinesischen Reformschriften vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts, in Bulletin de l'Academie Imperiale des Seiences de St. Petersbourg 17,3 (Oct. 1902}, pp. 47-59). Seine beiden Aufsätze: Der Ursprung der Reformbewe- gung in China, und: Zur Beurteilung der Pekinger Vorgänge von 1898, in Ostasia- tische Neubildungen (Hamburg 1911}, pp. 20-25, 72-95, die zum Teil auf persön- lichen Erinnerungen, zum Teil auf chinesischen Aufzeichnungen beruhen, sind be- sonders in einer Beziehung auch heute noch von großer Bedeutung. Die neuere Literatur verleitet leicht den, der sieb heute mit der Reformbewegung besdläftigt, seinen Standort der Betrachtung ganz auf die Seite der Reformatoren zu verlegen und mit ihren Augen zu sehen. In dieser Hinsicht kann die Lektüre der Schriften Otto Franke's zu einem objektiveren Standpunkt verhelfen. Denn Franke erkennt auch die innere Berechtigung des Verhaltens der Gegenpartei an, bricht eine Lanze für Jung-lu und die Kaiserinwitwe und steht den Reformatoren, besonders deren politischen Praktiken, außerordentlich kritisch gegenüber. 2 S. L. Tichwinski, Dwi}enie za reformy w kitaje i K'ang Yu-wei (Die Reform- bewegung in China und K'ang Yu-wei), Moskau 1959. 3 Siehe die Aufstellung der neueren Literatur über die Reformbewegung von Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü (Studies on the Reformation oi 1898 in New China), Töyöshi kenkyü 17,3 (1958), pp. 135-144. K'ang Yu-wei T'an Ssu-t'ung ssu-hsiang yen-chiu, Shanghai, 1958. (2] 7 Oriens Extremus 97

Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von 1898

von Heinz Friese

(Hamburg)

Nach der im Jahre 1935 erschienenen Schrift Wolfgang Frankes , Die staatspolitischen Reformversuche K'ang Yu-weis und seiner Schule', ist das 1959 in Moskau herausgekommene Buch von S. Tich winski, Die Reformbewegung in China und K' ang Yu-wei 2 , die einzige ausführ­lichere Arbeit zu diesem Thema in einer westlichen Sprache und verdient besondere Aufmerksamkeit. Denn auch von chinesischer Seite aus findet dieser Gegenstand seit langem große Beachtung und eine große Anzahl von Bearbeitern. Die umfangreiche Literatur dazu beweist es 3• Auch heute ist die Auseinandersetzung mit den philosophischen Grundgedanken K'ang­Yu-wei's in China in vollem Gange. Besonders der chinesische Gelehrte Li Tse-hou 121 scheint einer der führenden Autoritäten auf diesem Gebiete zu sein. In seinen gesammelten Aufsätzen 4 geht es hauptsächlich darum,

1 MSOS 38 (1935), pp. 1-83. - Das Verdienst, das Abendland mit der Reform­bewegung und ihren Zielen bekannt gemacht zu haben, gebührt Otto Franke (zuerst in: Die wichtigsten chinesischen Reformschriften vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts, in Bulletin de l'Academie Imperiale des Seiences de St. Petersbourg 17,3 (Oct. 1902}, pp. 47-59). Seine beiden Aufsätze: Der Ursprung der Reformbewe­gung in China, und: Zur Beurteilung der Pekinger Vorgänge von 1898, in Ostasia­tische Neubildungen (Hamburg 1911}, pp. 20-25, 72-95, die zum Teil auf persön­lichen Erinnerungen, zum Teil auf chinesischen Aufzeichnungen beruhen, sind be­sonders in einer Beziehung auch heute noch von großer Bedeutung. Die neuere Literatur verleitet leicht den, der sieb heute mit der Reformbewegung besdläftigt, seinen Standort der Betrachtung ganz auf die Seite der Reformatoren zu verlegen und mit ihren Augen zu sehen. In dieser Hinsicht kann die Lektüre der Schriften Otto Franke's zu einem objektiveren Standpunkt verhelfen. Denn Franke erkennt auch die innere Berechtigung des Verhaltens der Gegenpartei an, bricht eine Lanze für Jung-lu und die Kaiserinwitwe und steht den Reformatoren, besonders deren politischen Praktiken, außerordentlich kritisch gegenüber.

2 S. L. Tichwinski, Dwi}enie za reformy w kitaje i K'ang Yu-wei (Die Reform­bewegung in China und K'ang Yu-wei), Moskau 1959.

3 Siehe die Aufstellung der neueren Literatur über die Reformbewegung von Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü (Studies on the Reformation oi 1898 in New China), Töyöshi kenkyü 17,3 (1958), pp. 135-144.

• K'ang Yu-wei T'an Ssu-t'ung ssu-hsiang yen-chiu, Shanghai, 1958.

(2] *~Jf.

7 Oriens Extremus 97

Page 2: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Inhalt und Wesen der Reformideen zu untersuchen. Dagegen kommt es Tichwinski vor allem auf eine Darstellung des sozialpolitischen Hinter­grundes der Reformbewegung an, die im wesentlichen als eine notwendige Folge der katastrophalen Verhältnisse unter den Bauern gesehen wird.

Das 1. Kapitel "Das Ching-Reich am Vorabend des chinesisch-japanischen Krieges" gibt ein anschauliches Bild von der ständig wachsenden Verelen­dung der Bauern, die durch Hungersnöte, Mißernten und besonders durch allzu hohe Steuerbelastung ihre Existenz verlieren und zu Sklaven der Grundbesitzerschicht herabsinken. Als Ausgangspunkt dienen Thesen Lenins, z. B. die, daß die Quelle der feudalen Ausbeutung des chinesischen Bauern dessen Gebundenheit an den Grund und Boden sei. Vielfach wer­den dabei russische Formen der Leibeigenschaft mit allzu großer Selbstver­ständlichkeit auf chinesische Verhältnisse übertragen. Für die fast hoff­nungslose Lage des Staatshaushaltes werden verantwortlich gemacht einmal das mangelnde Interesse der Kaiserin Tz'u-hsi an politischen Fragen und zum anderen das Eindringen des ausländischen Kapitals in China.

Das 2. Kapitel behandelt den Anfang der Reformtätigkeit K'angs. Wäh­rend des Krieges mit Frankreich wird China von einer "patriotischen Welle" ergriffen, besonders Südchina, wo die chinesische "nationale Bourgeoisie" sich freier bewegen konnte als im Norden. Der hervorragendste Vertreter "der liberalen Bourgeoisie" des Südens war eben K'ang Yu-wei aus Kuang­tung. Es folgt seine Lebensgeschichte mit besonderer Berücksichtigung sei­ner geistigen Entwicklung. In der Hauptsache lassen sich die Reformideen K'ang Yu-wei's auf zwei Komponenten zurückführen: auf die Theorien der Chin-wen-Sdmle und auf sein Ideal der "großen Harmonie" (ta t'ung [31) 5• Bei einem Vertreter der Chin-wen-Schule, Chu Chiu-chiang 141, ging er in die Schule und übernahm von ihm den Lehrsatz, daß ein Verständnis der kon­fuzianisdlen Sdlriften nur möglich sei, wenn man alle späteren Kommen­tare der Han- und Sung-Zeit ausschalte und sich unmittelbar an das Werk wende. Chu vertrat den Grundsatz, die praktische Anwendung sei der Prüf­stein für alles Wissen, ohne praktische Anwendung gäbe es keinen Fort­schritt im Lernen. Er behauptete geradezu, die Tatsache, daß seit den letz­ten hundert Jahren wirkliche Talente so selten geworden seien, sei dar­auf zurückzuführen, daß gerade immer die klügsten und hervorragendsten Literaten sich in der trockenen Bearbeitung von Texten vergraben hätten. K'ang lernte von Chu nun das selbständige Interpretieren der klassischen Schriften. Auf K'ang scheint sein Lehrer einen nachhaltigen Eindruck ge­macht zu haben. Er fühlte sich "wie ein Reisender, der eine Herberge gefun­den, wie ein Blinder, der das Licht erblickt habe". Zwei Jahre, bis 1878, war er Schüler Chu's. Dann kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Schüler

5 Vergl. Otto Franke, Studien zur Geschichte des konfuzianischen Dogmas und der chinesischen Staatsreligion, (Hamburg 1920), pp. 33, 134.

(3) * FPJ

98

Page 3: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

und Lehrer. Anlaß dazu war die Frage der Bedeutung Han Yü's. K'ang lehnte Han Yü wegen seiner angebli<hen gedanklichen Flachheit ab, ob­wohl er wußte daß sein Lehrer diesen außerordentli<h schätzte. Chu sah sich daraufhin genötigt, K'ang für seine Uberheblichkeit zu tadeln. Schon früher war es ihm aufgefallen, daß K'ang einen fast krankhaften Hang zum Originellen hatte. Auch seine Mitschüler sollen häufig über sein arrogantes Verhalten ers<hrock.en gewesen sin. Dazu kam, daß K ang si<h immer inten­siver buddhistis<hen Meditationsübungen hingab. Da sein Lehrer Erkennen durch Meditation und Selbstbetra<htung strengstens verurteilte, mußte K'ang ihn verlassen und kehrte im Frühjahr 1878 in seine Heimat Kuang­tung zurück, wo er si<h ungestört weiteren Studien widmen konnte. Die Eigenwilligkeit, die si<h hier zeigt, kommt auch zum Ausdruck in seinem philosophischen Werk, das in den folgenden Jahren heranzureifen beginnt.

Das 3. Kap., betitelt "Die theoretische Begründung der Notwendigkeit von Reformen durch K'ang Yu-wei", s<hildert den Inhalt der beiden grund­legenden Werke Hsin-hsüeh wei ching k 'ao 151 und K'ung-tzu kai chih k'ao 161. K'ang ging hier in dem Bestreben, seine politischen Umformungs­pläne dur<h die Lehren des Konfuzius zu rechtfertigen, den Spuren der Uber­lieferung der kanonis<hen Texte nach. Er kam dabei auf Grund eines ge­nauen Studiums der ältesten Literatur der Han-Zeit zu dem Ergebnis, daß die Lehren und Auffassungen des Altertums, so wie Konfuzius sie verstan­den wissen wollte, zuerst von Liu Hsin, dem Neuordner des Kanons, zu politischen Zwecken verändert und gefälscht worden seien. Anlaß seien die großen Staatsintrigen gewesen, die den Ubergang von der früheren zur späteren Han-Zeit kennzei<hnen. Liu Hsin habe die Texte und Kommentare in höchst willkürlicher Weise behandelt, vieles beseitigt, was ihm unbe­quem gewesen und manche Kommentare ganz im Dunkel verschwinden lassen. In der Folgezeit seien dann diese Fälschungen immer weiter aus­gebaut und die konfuzianische Lehre immer ärger entstellt worden. Die Folge seien Verderbnis des ganzen Staatsorganismus, Verwahrlosung des Beamtentums, Empörung und Aufstände gewesen. K'ang kommt schließlich zu der Schlußfolgerung, daß in der Lehre des Konfuzius, wenn man sie nur von allen diesen Fälschungen befreie, alle Elemente für eine gesunde Umgestaltung der staatlichen Einrichtungen schon vorhanden seien.

Während der Zeit der Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen seiner Reformideen hatte K'ang sich auch bereits politisch betätigt. 1882 war er nach Peking gekommen. Die zerrütteten Regierungsverhältnisse dort hatten ihn zur Abfassung seiner ersten Denkschrift veranlaßt (1888), worin er die Forderung aufstellte, die bestehende Ordnung zu ändern, alle Fehler der vorangehenden Zeiten zu korrigieren und die Chou- und Han-Zeit dabei zum Vorbild zu nehmen. Uber die praktische Durchführung der geforderten Änderungen ist noch nichts gesagt; es handelt sich größtenteils um Erörte­rungen allgemeiner Art. Die Denkschrift wurde kaum bekannt und auch dem Kaiser nicht vorgelegt.

7• 99

Page 4: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Ein Beamter des Justizministeriums riet ihm sdlließlidl, sidl von der Politik fernzuhalten und den Ansmein zu erwecken, als widme er sich aus­schließlidl dem Studium. Insgeheim aber blieb die Politik sein Hauptan­liegen. Einen Freund und Gleichgesinnten fand er in dem Zensor T'u Jen­shou 171. Bereits vor der Abfassung seiner ersten Denkschrift hatte er in T'u's Namen mehrere Eingaben eingereicht, eine davon mit dem Titel Bitte um Redefreiheit. Die dritte Eingabe, die K'ang im Namen seines Freundes abfaßte und die insbesondere das Einmischen der Eunudlen und der kaiserlichen Verwandten in die Politik verurteilte, stürzte den Zensor ins Unglück; er wurde seines Amtes enthoben. So war der Aufenthalt K'angs in Peking vom Mißgeschick gezeichnet. Bei den Staatsprüfungen war er durchgefallen, seine Denkschrift war zurückgewiesen worden, sein bester Freund, dessen Amt als Zensor ihm den nötigen Rückhalt für seine Kritiken gegeben hatte, war entlassen worden. Wiederum kehrte er in seine Heimat Kuangtung zurück und setzte seine Studien dort fort (Herbst 1889).

Erst nach dem chinesisch japanischen Krieg 1895 nahm K'ang seine poli­tische Tätigkeit wieder auf. Alle in den folgenden Jahren verfaßten Denk­schriften werden von Tichwinski sehr ausführlich besprochen und kritisiert. Sie sollen hier kurz wiedergegeben werden. Im April 1895 wandte er sich an die in Peking versammelten Prüfungskandidaten und verfaßte in deren Namen eine Denkschrift, die sogenannte "Kollektiv-Denkschrift" Kung-ch'e shang-shu 6 181. In dieser Denkschrift werden der verstärkte Widerstand gegen Japan, die Verlegung der Hauptstadt nach Hsi-an und Reformen im Erzie­hungswesen sowie im Beamtenwesen gefordert. Besonderes Augenmerk wird auf die Schulerziehung gerichtet. Es wird der Vorschlag gemacht, überall technische Akademien zu errichten, in denen Astronomie, Berg­kunde , Medizin, Chemie und andere naturwissenschaftliche Fächer gelehrt werden sollten. Mit fünfzehn Jahren sollten begabte Schüler für diese Akademien ausgewählt werden. Prüfungen sollten als bestanden gelten, wenn die für jede Prüfung vorgeschriebene Anzahl von fünfzig Einheiten erreicht sei. So durchlief der Schüler die Kreis- und Provinz-Akadamie, und bei jedem Wechsel zur nächst höheren Anstalt würde ihm automatisch der Titel hsiu-ts'ai, chü-jen oder chin-shih verliehen. Tichwinski bemerkt dazu, daß diese Vorschläge sehr undeutlich formuliert worden seien, jedenfalls aber den Versuch darstellten, technische Bildung auf gleiche Stufe mit humanistischer Bildung zu stellen 7 •

8 Der Ausdruck kung-ch'e wird vom Verfasser nicht erklärt. Der Ausdruck ist die Bezeichnung für chü-jen, die in die Hauptstadt kommen, um sich der chin-shih-Prü­fung zu unterziehen.

7 Genaueres dazu siehe bei Wolfgang Franke, The End oi the Traditional Chinese Examination System (erscheint demnächst in der East Asian Studies Series, Harvard, University Press) , Kap. 3.

[7] ~t;f [8] 0]j[ J:~

100

Page 5: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Zur Reform des Beamtensystems schlägt K'ang vor, den Ämterkauf zu verbieten, die Kreispräfekten in den vierten Rang zu erheben, die unteren Amtstellen ebenfalls mit Trägern akademischer Grade zu besetzen, die vielen überzähligen Beamten zu entlassen und die gleichzeitige Ausübung mehrerer Ämter zu untersagen. Die wichtigste Forderung in dieser Denk­schrift ist jedoch die nach einem Parlament mit einer gewählten Volks­vertretung. Auch diese Eingabe wurde nicht angenommen.

Die dritte Denkschrift greift zum großen Teil den Inhalt der zweiten wieder auf. Hinzugefügt ist nur die Frage der Rekrutenausbildung, die Aufstellung einer Miliz, die Einrichtung von Offiziersschulen usw. Diese Denkschrift wurde im Juni 1895 angenommen und allen Gouverneuren und Generalgouverneuren der Provinzen zugesandt. Kurz darauf folgte die vierte Denkschrift. Hier scheint K'ang seine Einstellung zur Reform bereits geändert zu haben. Er kommt zu der Erkenntnis, daß die Mißstände der Zeit nur dann beseitigt werden könnten, wenn das Dbel an der Wurzel angepackt werde und die Verhältnisse eine grundlegende Ände­rung erführen. Die fünfte Denkschrift vom Juni 1898 leitete dann schließlich die Herrschaft der Reformpartei ein.

Tichwinskis Beurteilung der in den Denkschriften ausgesprochenen Auf­fassungen K'angs ist für seine allgemeine Einstellung zur Reformbewegung sehr aufschlußreich. Uber die zweite Denkschrift, die sogenannte "Kollek­tiv-Denkschrift", urteilt er z. B. folgendermaßen: sie sei das politische, wirtschaftliche und kulturelle Programm einer neuen Gesellschaftsschicht in China, der Bourgeoisie, die sieb unter außerordentlich komplizierten Bedingungen, unter dem zweifachen Joch des mandschurischen Absolutis­mus und dem des ausländischen Kapitals entwickelt habe (p. 106). Aber schon dieses erste organisierte politische Auftreten der jungen d:linesischen Bourgeoisie sei ein Spiegelbild ihrer Schwäche und Inkonsequenz, deshalb, weil sie ihre sehr engen Bindungen mit der Klasse der feudalen Grund­besitzer nicht zu lösen verstand und bereit war, mit den Feudalmächten Kompromisse zu schließen (p. 112). Der innere Widerspruch dieser Vertre­ter der chinesischen Bourgeoisie läge darin, daß sie sich anmaßten, im Namen des Volkes aufzutreten, zugleich aber das niedere Volk, die Bauern­massen, fürchteten und versuchten, ihre Reformen von oben durchzusetzen (p . 113).

Tichwinski sieht also in der Reformbewegung das geschichtliche Auf­treten eines jungen chinesischen Bürgertums, das sich gegen die Fesseln der Feudalherrschaft aufbäumt. Darin liegt für ihn die große Bedeutung der Bewegung, und er versucht, an Hand ihres Verlaufes allgemeine histo­rische Entwicklungsgesetze der marxistischen Geschichtstheorie zu exem­plifizieren. Aus dieser Sicht erscheint ihm auch das Scheitern der Bewegung als durchaus folgerichtig, denn es gilt als Charakteristikum bourgeoisen Verhaltens, revolutionäre oder reformatorische Bewegungen immer an dem Punkt abzustoppen, wo die eigenen Klasseninteressen bedroht würden. Und eine Einbeziehung der Bauernmassen in die Bewegung hätte ja in der Tat eine derartige Bedrohung dargestellt. Das ist der große Vorwurf, den

101

Page 6: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Tichwinski K'ang Yu-wei macht: er habe nicht den Mut gehabt, das Volk zum aktiven Kampf zu mobilisieren, um mit seiner Hilfe die Ausländer und die Mandschus aus China zu vertreiben. In der französischen Revolution habe. K' ang immer ein abschreckendes Beispiel gesehen und sich bemüht, eine ähnliche Entwicklung in China abzuwenden. Allerdings sei sie ihm ein Mittel zum Zweck gewesen, um den Kaiser Kuang-hsü für seine Reform­pläne zu gewinnen (p.195). K'ang hat nämlich Ludwig XVI. dargestellt als einen humanen, großmütigen, edelherzigen _und bescheidenen König, des­sen Hinrichtung vom ganzen französischen Volk beweint wurde. Ludwig sei in seinem Edelmut so weit gegangen, ein Parlament einzurichten, um die Leiden des hungernden Volkes zu lindern. Sogar eine Verfassung habe er dem Volk geschenkt. Da er aber mit der Durchführung der Reform zu lange gezögert habe, sei er in sein Unglück gerannt. Mit dieser Darstellung habe K' ang versucht - so folgert Tichwinski - den Kaiser zu erschrecken und ihn vor der Gefahr der Volkswut zu warnen. Die vorgeschlagenen Reformen - diese Schlußfolgerung zieht Tichwinski daraus - waren also auch ein Mittel, um eine drohende revolutionäre Erhebung des Volkes zu verhindern. Kaiser Kuang-hsü habe den Reformern nur zugestimmt, um dem Schicksal Ludwigs XVI. zu entgehen.

Den Volksaufständen, die in den Jahren 1895-1898 in Shantung (1896}, in Hupeh, Szechuan und Kiangsi (1897) stattfanden, mißt Tichwinski große Bedeutung bei, insofern, als sie der Beweis dafür seien, daß die "werktäti­gen Massen" reif und in der Lage gewesen wären, bei geeigneter Führung eine revolutionäre Umgestaltung der bestehenden politischen und sozialen Ordnung herbeizuführen. Diese Gelegenheit eben habe K'ang versäumt wahrzunehmen. Der Zeitpunkt, die verschiedenen Verschwörergesellschaf­ten, die häufig unter dem Deckmantel religiöser Vereinigungen auftraten, zusammenzufassen, ihnen eine einheitliche Richtung zu geben, sei überaus günstig gewesen. Doch aud:J. das habe K' ang ferngelegen. Im großen und ganzen hätten die Volksaufstände nur die Wirkung gehabt, das liberale Bürgertum sowie die Reformatoren zu Kompromissen mit der "Feudalen Reaktion" geneigt zu machen.

Ohne auf eine grundsätzliche Erörterung der Auffassungen Tichwinskis einzugehen, soll festgestellt werden, daß seine Darstellung aufgebaut ist auf der Annahme, daß mit der Reformbewegung eine neu entstandene bürgerliche Klasse politische Herrschaftsansprüche anzumelden sich an­schickte. Man gewinnt dabei den Eindruck, als werde die Reformbewegung in Analogie zur Revolution von 1905 in Rußland gesehen. Jedenfalls die­nen Thesen Lenins über revolutionäre Praktiken ständig entweder als Ausgangspunkt für das Darzustellende (z. B. p. 113) oder zur Veranschau­lichung des Dargestellten (z. B. p. 144). Dabei erhebt sich die Frage, was man unter dem jungen chinesisch.en Bürgertum, das als schwach und be­schränkt bezeich.net wird, verstehen soll. Diese Frage ist deshalb so wichtig, weil die sozialen und politischen Verhaltensgesetze dieser Klasse nach Tichwinski den Sdllüssel für das Verständnis der Reformbewegung über­haupt zu geben sdleinen. Wir erfahren einerseits, daß dieses Bürgertum

102

Page 7: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

sich gegen die Feudalherrschaft auflehne, daß es der feudalen Grund­besitzerklasse feindlich gegenüber stehe. Andererseits wird immer wieder betont, daß dieses liberale Bürgertum enge Beziehungen zur feudalen Grundbesitzerschicht hätte und deshalb in mancher Hinsicht den Aufgaben, die die Zeit an seine Vertreter stellte, nicht gewachsen gewesen wäre. Logischerweise müßte man daraus folgern, daß es sich um eine bürgerliche Klasse handle, die auf der einen Seite zur Feudalsmicht in Opposition tritt, andererseits aber tief in dieser verwurzelt blieb. Es könnte hier der Versudl vorliegen, jene Schimt, die wir die Literaten- oder Gentryschicht zu nennen pflegen, in zwei miteinander rivalisierende Gruppen aufzu­spalten. In der Tat spaltete sich diese Literatensmicht an der Frage der Reformen in zwei Parteien. Doch das hier der landbesitzende Teil die eine Gruppe bildete und die Literaten ohne Landbesitz die andere, dürfte wohl kaum zu beweisen sein. Oder sollten mit der feudalen Grundbesitzersmimt die Angehörigen der mandschurischen Herrsmerfamilie gemeint sein? Auch das dürfte unwahrscheinlich sein. Denn erstens trat der Kaiser selbst für die Reformen ein und zweitens stand die Beseitigung der Dynastie gar nicht auf dem Programm der Reformbewegung. Auf jeden Fall scheint eine derartige Theorie unhaltbar, audl wenn sie nur als vereinfachende Arbeits­hypothese gedadlt sein sollte.

Trotz aller Vorbehalte behält das Buch seinen Wert, der besonders dar­in liegt, daß zum ersten Male in einer europäischen Sprache der Verlauf und die Ziele der Reformbewegung unter äußerst sorgfältiger Bearbeitung eines umfangreichen Quellenmaterials dargestellt werden. Die zahlreichen Ubersetzungsproben geben dem Leser die Möglichkeit, sich von den Anschau­ungen der Reformatoren ein eigenes Bild zu machen. Auch derjenige, der mit der Interpretation Tidlwinski's nicht einverstanden ist, wird dieses Buch mit Gewinn lesen.

Eine japanisd1e Arbeit von Onogawa Hidemi 191, Die Reformideen

K 'ang Yu-wei's 8 , deckt sich stofflich fast mit der Tichwinski's. Auch in dieser Arbeit bildet die Besprechung der Denkschriften den Hauptteil. Be­sonders kritisiert wird, daß sich darin nur sehr wenige konkrete Vorschläge finden. Onogawa sieht nun aber, ganz anders als Tichwinski, die Ursachen für das Sdleitem der Reformbewegung gerade darin, daß K'ang sich in sei­nen Plänen allzu sehr von den herrschenden Auffassungen entfernte. Bis 1898 war die Bewegung unter den Literaten in Anbetracht der vom Aus­land her drohenden Gefahren einheitlich gewesen. Wohl waren die einen (z. B. Kang-i (lo) und Hsü Ying-k'uei 1111) der Ansicht gewesen, daß nur in der strengen Abschließung gegen das Ausland Chinas Rettung liege, und daß dieses nur seine Kräfte zu sammeln brauche, um dem Ausland wirksam entgegentreten zu können. Eine andere Gruppe dagegen hatte die Meinung

Köyüi no hempöron, in Kindai chügoku kenkyü, 2 (1958), pp. 101-188.

[10] ~~]~

103

Page 8: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

vertreten, daß man vorn Auslande lernen müsse, um es zu überwinden (Chang Chih-tung 1121, Ch'en Pao-dlen 1131). Doch fast alle waren zu der Ein­sidlt gekommen, daß die Herrschaft der Dynastie nur durdl Reformen auf­redüerhalten werden könne. Sogar Jung-lu 1141, den die Reformatoren als einen Satan in Mensdlengestalt hinstellten 9 , hat sich für Reformen auf militärischem Gebiet ausgesprodlen und eine militärisdle Ausbildung der chinesischen Soldaten nach westlichem Vorbild gefordertl0

• Durch ihr allzu radikales Vorgehen und ihren blinden Kampfeseifer haben sidl die Refor­matoren nun von dieser allgemeinen Bewegung distanziert und eine Geg­nerschaft gegen sidl auf den Plan gerufen, der sie nidlt gewadlsen waren. Onogawa weist in kurzen Andeutungen auf mehrere Beispiele hin. In Er­gänzung dazu sei eines davon etwas näher ausgeführt. Ende Mai 1898 verfaßten die beiden Zensoren Sung Po-lu 1151 und Yang Shen-hsiu 1161, beide engste Vertraute K'angs, eine Anklagesdlrift gegen den Präsidenten des Ritenministeriums Hsü Ying-k'uei 11 • In dieser Sdlrift wird Hsü der Unfähig­keit angeklagt. Der Kaiser hatte kurze Zeit vorher in einem Erlaß verfügt, daß die Zahl der Studierenden staatswissenschaftlidler ( ching-chi 1171) Fächer erhöht werden sollte. Hsü wird bezichtigt, sich öffentlidl diesem kaiser­lichen Befehl widersetzt zu haben, indem er im Ritenministerium verkün­dete, die staatswissenschaftliehen Fächer in den Sdlulen seien nutzlos. Er habe es sogar gewagt, entgegen dem kaiserlichen Erlaß anzuordnen, die Zahl der an den Prüfungen in Wirtschaftsfächern teilnehmenden Studenten herabzusetzen. Außerdem habe er die Prüfungen so erschwert, daß nur wenige überhaupt bestehen konnten. Er sei audl dafür verantwortlich, heißt es, wenn im Ritenministerium ein sidl für praktische Dinge inter­essierender Mensch gehaßt werde wie ein Feind. So sei es zu erklären, daß die meisten kaiserlichen Erlasse, die sich auf Reformen beziehen, im Ritenministerium auf hartnäckigen Widerstand stießen. Ebenso unmöglich benähme sich Hsü in seiner Eigensmatt als Verantwortlicher für die Wah­rung guter diplomatischer Beziehungen mit dem Ausland. Einmal habe er in seiner gewohnten Arroganz wegen einer geringfügigen Angelegenheit mit dem deutschen Gesandten Streit angefangen. Dieser habe ihn nur sdlweigend angestarrt und mit der Hand auf den Tisch gesdllagen. Hsü sei darauf .ganz blaß geworden und habe eiligst das Amt verlassen, worauf der deutsdle Gesandte in ein lautes Gelächter ausgebrochen sein und Witze über ihn gemacht haben soll. Ein solcher Mann, so argumentierten die Ver­fasser, müsse im Interesse des chinesischen Ansehens unbedingt von seinen

g Vergl. Otto Franke, Jung Lu, in Ostasiatische Neubildungen, (Hamburg 1911), pp. 96-99.

10 Si_ehe z. B. Wu-hsü pien-fa tzu-liao (Shanghai 1953), Bd. II, p. 461. 11 D1e Anklageschrift ist enthalten in der Materialsammlung Wu-hsü pien-fa tang­

an shih-Jiao (Peking 1958), p. 5.

[12) ~z~

(13) ~*·~ 104

[141 ~Wr$k

1151 *18 ~

[16) f8i~~

{17] *~~~

Page 9: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

A.mtern entfernt werden. Man müsse endlich ein Exempel statuieren, um all die vielen anderen, die so handelten wie Hsü, abzuschrecken.

Hsü verfaßte darauf eine Anklageschrift gegen K'ang Yu-weP2. Er weist darin Punkt für Punkt nadl, daß die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nidlt haltbar oder zumindesten stark übertrieben seien und bittet dringend darum, China von der Person K' angs zu befreien. Aus der Eingabe geht auch hervor, daß die Feindschaft zwischen ihm und K'ang ausgesprochen persön­liche Gründe hatte. Er und K'ang, so berichtet Hsü, stammten aus dem­selben Gebiet. Schon in seiner Jugend sei K'ang wegen seines schlechten Lebenswandels berüchtigt und mehrere Male in Prozessen verwickelt ge­wesen. Dann habe er sein Glück in der Hauptstadt versucht, ständigen Verkehr mit den Zensoren gepflegt und bei einflußreichen Beamten um Gunst geschmeichelt. Schließlidl habe er mit Hilfe westlicher Wissenschaf­ten die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit auf sich zu lenken gewußt. Im­mer wieder sei er in Hsü's Wohnung gekommen. Dieser aber habe jedes­mal abgelehnt, ihn zu empfangen, da ihm K'angs Wesen zutiefst verhaßt gewesen sei. - Die öffentliche Meinung war damals für Hsü und gegen K'ang, da man die von letzterem gegen Hsü betriebene Hetze als unberech­tigt empfand. Kurz darauf folgte dann die große Anklage des Zensors Wen-t'i [181 gegen K'ang 13 . Er bestätigt die Aussagen Hsü's und wirft K'ang vor, die chinesische Tradition zugunsten westlicher Ideen aufgeben zu wol­len. Wen-t'i wurde daraufhin ebenso wie Hsü entlassen. Dennoch verfehlte diese Anklageschrift nicht ihre Wirkung. Viele liberalgesinnte Literaten wandten sich von K'ang ab, so zum Beispiel der einflußreiche Großsekretär Sun Chia-nai [191.

Wenn Tichwinski K'ang kritisiert, weil er von seiner Sicht her allzu sehr zu Kompromissen geneigt war, so tut es Onogawa, weil er die kom­promißlose und unnachgiebige Haltung K'angs mißbilligt.

Vom gleichen Autor stammt ein Aufsatz Die Provinz Hunan zur Zeit der Reformbewegung von 1898 14 , der eine Forderung Wolfgang Frankes, die Auswirkungen der Reformbewegung in den verschiedenen Gebieten des Reiches zu untersuchen 15 , in gewisser Weise erfüllt. Kurz nach dem dline­sisch japanischen Kriege machten sich in Hunan reformatorische Tenden­zen bemerkbar. Nach Meinung des Verfassers hing das damit zusammen, daß während dieser Zeit die höchsten Stellen der Provinzverwaltung mit Personen besetzt waren, die im Sinne der Reformbewegung tätig waren. Am 7. Juni 1895, also gleich nach Beendigung des Krieges mit Japan, wurde Ch'en Pao-chen vom Präsidenten des Provinzialverwaltungsamtes in Chih-li

12 Wu-hsü pien-fa tzu-liao, Bd. II, p. 480. 13 Ibid., Bd. II, p. 482. 14 Bojutsu hempö zengo no Konansho, Töyöshi kenkyü, 17,3, (1958) , PP · 1-13. 15 Wolfgang Franke, The End of the Traditional Chinese Examination System,

Kap. 3, Anmerkung 85.

[18] ?X:. ·~

105

Page 10: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

zum Gouverneur von Hunan ernannt. Zwei Jahre später wurde Huang Tsun-hsien l20l zum stellvertretenden Präsidenten des Provinzial-Justizamtes von Hunan berufen 16• Chiang Piao 1211 und Hsü Jen-chu l221 waren nach­einander Schulinspekteure in der gleichen Provinz. Besonders aktiv in dieser Gruppe war Chiang Piao, der in Japan studiert hatte. Ihm ging es vor allem darum, die Verwaltung von Hunan und das Beamtenwesen zu reformieren mit dem Ziel, Hunan zu einer Modellprovinz zu machen.

Ursprünglich war Hunan eine sehr konservative Provinz gewesen 11.

Noch im Jahre 1896 soll ihre Bevölkerung sich feindlich gegen alle frem­den Lehren verhalten haben. Engländer, die ausländische Bücher verkaufen wollten, sind sogar verprügelt worden, neuerrichtete Telegraphenstangen wurden herausgerissen und verbrannt. Chiang Piao gelang es nun, der Ab­neigung gegen alles Fremde dadurdJ. Einhalt zu gebieten, daß er bei den Prüfungen Fragen über allgemein historisdle oder philosophische Probleme einführte. Auf diese Weise zwang er die Kandidaten, sich mit Ubersetz­ungen europäisdler Literatur zu befassen. Die Folge war, daß die Literaten in Hunan "alle Arten von Ubersetzungen als einen wertvollen Schatz be­trachteten, den sie ständig unter dem Kopfkissen liegen hatten".

In der Chiao-ching-Akademie 1241 in Ch'ang-sha führte Chiang Piao als UnterridJ.tsfächer Erdkunde, Mathematik und Englisch ein (April 1897). Un­gefähr zur gleichen Zeit begann er eine ZeitsdJ.rift Hsiang-hsüeh hsin-pao 1251

herauszugeben, in der Aufsätze über Geographie, Mathematik und Ge­schidlte erschienen. Abhandlungen über klassische Themenstellungen wur­den nicht aufgenommen, weil nach Meinung Chiangs der Streit um die Authentizität der klassischen Schriften keinerlei Beziehung zu den Erforder­nissen der Zeit habe und somit nur zeitraubend sei. Dies kann als eine Ab­lehnung der neuartigen Interpretationsversuche K'ang Yu-wei's gedeutet werden. In einer besonders dafür errichteten Sdlule (Hu-nan shih-wu hsüeh-t'ang 1261 wollte Chiang seine modernen Erziehungspläne verwirk­lichen. Nach einer Studienzeit von drei oder vier Jahren sollten die SdJ.üler, deren Zahl auf 120 festgesetzt war, ins Ausland geschickt werden, um Naturwissenschaften oder Handelskunde zu studieren. Für solche Schüler, die die traditionelle Bamtenlaufbahn einschlagen wollten, stand der Weg zu den staatlichen Provinzprüfungen offen. Auch für diese Schule galt das Schlagwort "Ausnutzung westlicher Methoden unter Beibehaltung der chinesischen Substanz~~ (Chung t'i hsi yung (271). Die Leitung der Erziehung an dieser Schule wurde Liang Ch'i-ch'ao übertragen. Auch die anderen Lehrer waren Schüler K'ang Yu-wei's , dessen Reformideen über diese

16 Die Tätigkeit Huang Tsun-hsien's in Hunan ist dargestellt in dem Buch von Mai Jo-p'eng (131 Huang Tsun-hsien chuan, Shanghai, 1957, pp. 73 ff.

17 Ibid. p. 74.

[20] JW~:« (23] ~E IDL~ [26] #itji$.j~~~1it [21] YI~ [24] ~*~ - ~ (27) ~ft.l!!!@Jtj [22] ~t~ (25] ?~~~~

106

Page 11: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Schule in Hunan Eingang fanden. Im August 1897 lief die Amtszeit Chiang Piao's ab. Sein Nachfolger wurde Hsü Jen-chu, der sich ebenfalls zu K'ang bekannte. Daß die Schule das geplante Programm fortsetzen konnte, war in der Hauptsache sein Verdienst. Bald darauf kehrte auch T'an Ssu-t'ung nach Hunan zurück und wurde zusammen mit T'ang Ts'ai-ch'ang [2BJ und Liang Ch'i-ch'ao einer der Führer der Reformbewegung in Hunan. Von Liang stammt auch der Gedanke, Hunan als Provinz unabhängig zu machen, um es vor dem Untergang, dem China geweiht zu sein schien, zu retten und um von hier aus die Erneuerung Chinas vorzunehmen. So weit der ~r ste Teil der Untersuchung, deren Fortsetzung angekündigt ist.

Was von der Untersuchung einzelner Gebiete im Zusammenhang mit der Reformbewegung gilt, das mag ebenfalls auf einzelne an der Bewegung maßgeblich beteiligte Persönlichkeiten zutreffen. Daß es von den großen Führern der Bewegung biographische Darstellungen gibt, erscheint selbst­verständlich. Doch niCht minder wichtig ist es, die Tätigkeit und die An­schauungen von Anhängern der Bewegung zu betrachten, deren Wirkungs­kreis beschränkt war. Zu diesen gehörte Wang K'ang-nien L291, über dessen Leben N aitö Shigenobu 1301 einen kurzen Abriß gibt18• Wie Naitö eingangs bemerkt, ist Wang K'ang-nien selbst kaum den japanischen Spezialisten für moderne chinesisChe Geschichte ein Begriff, so daß einige biographische Notizen gerechtfertigt sind.

1860 in Chekiang geboren, stammte er aus einer Gelehrtenfamilie , deren Stammbaum sich bis zum Ende der Ming-Zeit zurückverfolgen läßt. Sein Vater war Lehrer an einer Kreissdlule. Als K'ang-nien 3 Jahre alt war, siedelte die Familie naCh Kuangtung über, wo sich sein Vater den Posten eines Kreispräfekten kaufte. Da er unbestechlich und ehrlich war, blieb er Zeit seines Lebens arm. Daß er in aller Form bestattet werden konnte , war nur dem 23-jährigen Wang K'ang-nien zu verdanken, der unter großen Opfern die nötigen Gelder beschaffte. Schon zu seiner Studienzeit war er gänzlich auf sich selbst angewiesen gewesen. Wohl hatte ihm sein Vater Bücher aus seiner umfangreichen Bibliothek zur Verfügung gestellt, damit er sie kaufe und mit dem Erlös die Kosten für die Prüfungsvorberei­tungen bestreite. Doch hatte er sich nicht von den Büchern trennen können und lieber ein Hungerdasein auf sich genommen. Als nach dem Tode des Vaters die ganze Familie nach Hang-chou zurückging, mußte er sie mit dem schmalen Gehalt eines Privatlehrers ernähren. Trotz dieser Belastung be­stand er im Jahre 1892 mit 32 Jahren die Chin-shih-Prüfung. Schon 1890 war er einem Rufe Chang Chih-tungs, des Gouverneurs von Hunan, nach Wu-ch'ang gefolgt, um an der "Akademie für Selbstertüchtigung" (Tzu ch'iang shu-yüan (311) zu lehren. 1896 gab er dieses Amt auf, um auch in

18 Okonen denkÖ, Töyöshi kenkyü, 17,3 (1958) , pp. 14- 26.

[28] ~=t'M

[29] 1:E~~

[30] P3!i~$

[31 ) 13 ~~~m

107

Page 12: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

seiner Heimat eine Schule zu gründen, an der die praktischen Wissenschaf­ten den Vorrang haben sollten. Die 1897 eröffnete Lehranstalt nannte er "Akademie zur Erstrebung des Richtigen'' (Ch'iu shih shu-yüan 1321). In den folgenden Jahren erwarb sieb. Wang besondere Verdienste durch die Her­ausgabe der Zeitschrift "Zeitgeschehen" (Shi-wu pao 1331). Einige seiner darin veröffentlichten Aufsätze sind in der Sammlung Wu-hsü pien-fa tzu-liao enthalten. Ergänzend zum Aufsatz Naitö's sollen einzelne davon in großen Zügen wiedergegeben werden.

In dem Aufsatz Uber die Bedeutung der Maßnahmen der Europäer in Bezug auf Ostasien 19 blickt er voller Neid auf die wirtschaftliche Stärke des Westens und fragt sich, warum die Westmächte China nicht schon längst aufgeschluckt haben. Es werde häufig die Meinung vertreten, daß das nur wegen der Uneinigkeit unter diesen Staaten noch nicht geschehen sei. Er glaube dagegen, daß der Westen lediglich die ungeheuren Kosten einer militärischen Besetzung Chinas scheue und daher versuche, es auf wirtschaftlichem Wege zugrunde zu richten. Die wenigen Stützpunkte der Westmächte in China genügten schon, um ganz China zu beherrschen. Immer seien sie zur Stelle, wenn es gelte, einen Aufstand niederzuschlagen. Das geschähe nur in ihrem eigenen Interesse, da ihnen an der Erhaltung des cb.inesischen Staatsgefüges sehr gelegen sei.

In einem anderen Aufsatz über Methoden zur raschen Planung einer Selbsthilfe des chinesischen Volkes 20 beklagt er, daß niemand begreifen wolle, wie weit China bereits dem Abgrunde nahegerückt sei. Man müsse etwas dagegen tun. Vor allem müsse man den Ausländern selbstbewußter und entsc.h.lossener entgegentreten. Japan, das bereits zu großer Blüte gelangt sei, könne in dieser Hinsicht als Vorbild dienen. Auch die J apaner bedienten sich ausländischer Lehrer, beschäftigten sie aber immer nur so­lange, bis sie alles von ihnen gelernt hätten. Das Auftreten der Japaner dem Westen gegenüber wird an einem Beispiel veranschaulicht. Einige Japanerlernten von englischen Ausbildern moderne Navigationsmethoden. Nach Abschluß ihrer Ausbildung verlangten sie, als Kapitäne eingesetzt zu werden. Die englischen Behörden jedoch erlaubten das nicht mit der Be­gründung, die Versicherungsgesellschaften würden unter diesen Umständen keine Versicherungsverträge abschließen. Darüber waren die J apaner em­pört und sammelten in großer Eile die nötigen Mittel, um eine eigene Ver­sicherungsgesellschaft zu gründen. Den Engländern gaben sie zur Antwort: "Die Schiffe, die von japanischen Kapitänen geführt werden, werden künftig auch von japanischen Versicherungsgesellschaften versichert werden. Wir möchten Sie daher nicht länger bemühen". Eine solche Unnachgiebigkeit verlangt Wang auch von China.

19 Wu-hsü pien-fa tzu-Jiao, Bd. III, p. 142, Kuang-hsü 24; VI, 21, Lun hsi-jen ch'u-chih tung-ya chih i.

20 Ibid. Bd. III, p. 137, Lun hua-min i su ch'ou tzu-hsiang pao-hu chih Ia.

[33] ~~~

108

Page 13: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

Als die wichtigste Schrift Wang's bezeichnet Naitö den Aufsatz Uber den Nutzen einer Beteiligung des Volkes an der Regierung 21• Wang versucht hier, die Einrichtung eines vom Herrscher frei absetzbaren Parlaments durch den Hinweis zu rechtfertigen, daß die Macht des Kaisers dadurch nur ge­festigt werden könne. Der Kaiser habe in Wahrheit gar keine Macht, so argumentiert er. China werde allein durch die Macht der Tradition regiert. Bei den Gesetzen und Verordnungen halte man sich immer an Vorbilder aus früheren Zeiten. Jeder Kaiser habe Angst davor, von diesen ehrwür­digen Vorbildern abzuweichen und trage immer wieder dazu bei, sie den nachfolgenden Generationen so getreu wie möglich zu erhalten. Anderer­seits sei es eine Tatsache, daß der am besten regieren könne, der mit den Verordnungen am vertrautesten sei, und das sei nicht der Herrscher, son­dern der kleine Schreiber, der Sulbaternbeamte, der täglich mit ihnen zu tun habe. Dieser stünde zwischen dem Herrsdler und dem Volk, sozusagen als Mittler. Der Herrscher habe keine Kenntnis von dessen dunklen Machen­sdlaften und keinerlei Handhabe, ihn zu kontrollieren. Die Strafandrohun­gen gegen die Subalternbeamten seien so furchtbar , daß sich einem die Haare sträubten. Doch niemals würden sie in der Praxis angewandt. Wenn man dagegen das Volk am Regieren beteilige, so könne dadurch eine wirk­same Kontrolle über die Schreiber ausgeübt werden, die Erlasse und Ver­ordnungen würden tatsächlich befolgt werden und der Herrscher habe so mehr Macht als vorher. Die Befürchtung, die Beteiligung des Volkes werde chaotische Verhältnisse schaffen, weil jeder seinen Willen durchsetzen wolle, sei gundlos, denn man werde nur befähigte Leute ins Parlament berufen, die sich damit begnügen, zu diskutieren und zu beraten, ohne sich das Recht anzumaßen, ihre Vorschläge als die einzig gültigen hinzustellen. Außerdem solle dem Herrscher das Redlt vorbehalten bleiben, das Par­lament aufzulösen, falls keine Einigung zwischen Parlament und Herrsdler zustande käme. So könne niemals Unordnung entstehen.

Obgleich diese Aufsätze gedanklich kaum von Bedeutung sein dürften, so lassen sie dodl erkennen, welchen Charakter die Zeitschrift hatte. Kei­neswegs handelt es sidl dabei um Reportagen über Tagesereignisse. Es sind vielmehr, soweit es sich aus den wenigen Beispielen, die hier vorliegen, ersehen läßt, allgemeine kritisdle Erörterungen über bestimmte politische Probleme, wobei die Propagierung der Reformideen im Vordergrund steht. Mit dieser Zeitschrift nimmt nach Naitö der Journalismus des modernen China seinen Anfang.

Zum Abschluß sei noch etwas über die neueste chinesische Literatur zum Thema gesagt. 0 n o bemerkt, in China werde heute die These vertreten, die Reformbewegung deute auf das Entstehen einer neuen, um politische Anerkennung ringenden Kapitalistenschicht hin. Als repräsentativ dafür bezeichnet er die Arbeiten T' ang Chih-chün's 134122• In dessen Buch Eine

!l Ibid., p . 147 Lun chung-kuo ts'an-yung min-ch'üan chih li-i . 22 Siehe S. 0 n o, op. cit. (Anmerkung 3}, p . 136.

(34) ~~~

109

Page 14: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

historische Betrachtung der Reformbewegung von 1898 28 wird die Bewe­gung jedoch durchaus in traditioneller Weise unter dem Gesichtspunkt der Auseinandersetzung zweier großer Parteien, der Partei der Anhänger des Kaisers und der Anhänger der Kaiserinwitwe, dargestellt 24• Zwar wird im Vorwort angedeutet, daß die Bedeutung der Reformbewegung in der Hin­wendung der Beamten- und Grundbesitzerschicht zu Formen kapitalistischen Denkens liege. Doch dieserGedanke wird in keinerWeise weiter verfolgt ; die Darstellung lehnt sich in vieler Hinsicht an traditionelle Betrachtungs­weisen an. Als Vergleich dienen mag eine im Jahre 1939 erschienene Ar­beit Ch ' en Ch'iao's l85l Die politischen Auffassungen der Reformgegner zur Zeit der Reformbewegung von 1898 25

• Dem Verfasser geht es hier dar­um, die Motive zu untersuchen, die die Beamtenschaft veranlaßten, für oder gegen die Reformbewegung zu sein. Diese Motive waren sehr unterschied­licher Natur, ebenso wie der Grad der Ablehnung oder Zustimmung bei den einzelnen sehr verschieden war. Nicht weltanschaulich.e Fragen waren dabei ausschlaggebend, sondern lediglich ganz persönliche Interessen. Selbst Führer der Reaktion wie Hsü Ying-k'uei, Jung-lu oder Wen-t'i befürworte­ten Reformen, soweit nid:lt die Gefahr einer Verwestlich.ung Chinas damit verbunden war. Hsü T'ungl36l, der geistige Führer der sogenannten Nord­partei, wurde ein erbitterter Gegner Kangs und des Kaisers, weil der Kaiser eine Abneigung gegen Hsü's verschlossenes Wesen gehabt und ihn inner­halb von 10 Jahren nur ein einziges Mal zur Audienz empfangen hatte. Nur dem Einfluß der Kaiserinwitwe hatte er es zu verdanken, daß er seines Amtes nicht enthoben wurde. So wird die Reformbewegung dargestellt als ein Interessenkonflikt zwischen den verschiedensten Gruppierungen inner­halb der Bamtenschicht. Etwas anderes tut T'ang Chih-chün im Grunde genommen auch nicht, obgleich er seine Terminologie den Forderungen der modernen chinesischen Geschich.tsbetrachtung angepaßt hat. Trotzdem wäre es eine interessante Aufgabe, zu verfolgen, wie sich die Auffassun­gen der heutigen chinesischen Historiker über die Bewegung im Vergleich zur früheren Zeit gewandelt haben. Zum Beispiel wird die Rolle Weng T'ung-ho's l37l heute ganz anders beurteilt als etwa vor zwanzig Jahren. Ch'en Ch'iao sieht in ihm einen überzeugten Gegner K'angs und seiner Reformen. Er kann sich dabei auf Wengs Tagebuch. berufen, in dem sich - davon kann sich jeder leicht überzeugen - viele abfällige Bemerkun-

23 Wu-hsü pien-fa shih-Jun (Shanghai 1955). 24 Die Auffassung, daß es bei der Reformbewegung nicht so sehr um den Gegen­

satz zwischen Reform und Reaktion ging, sondern um den zwischen Kaiser und Kaiserin-Witwe, hat sich auch in der europäisChen Literatur durchgesetzt. Siehe z. B. Wolfgang Franke, Das Jahrhundert der chinesischen Revolution, (München 1957), p . 74 .

25 Wu-hsü cheng-pien shih fan pien-fa jen-wu ssu-hsiang, YCHP 25, 1939, PP· 60-106.

(35] ~t~ [36] ~;ffPJ [37] ~~~

110

Page 15: Zu einigen neueren Arbeiten über die Reformbewegung von …oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-7-8.pdf · Ono Shinimi Pl: Shin chükoku ni okeru bojutsu hempö kenkyü

gen über K'ang befinden 26• Auch stellt Ch'en in Abrede, daß Weng es gewesen sei, der K'ang den Zutritt zum Kaiser verschafft habe. Er führt Zeugenaussagen an, aus denen hervorgeht, daß Weng von Anfang an K'ang wegen seines unaufrichtigen Charakters veramtet und den Kaiser vor ihm gewarnt habe. Die Legende, Weng habe die Reformatoren unter­stützt, sei später von K'ang yu-wei und Liang Ch'i-dl'ao erfunden worden. Dieser Auffassung tritt T'ang Chih-dlün energisch entgegen und behauptet, Weng habe durmaus auf der Seite der Reformatoren gestanden. Um diese Behauptung aufrechterhalten zu können, muß er sich mit dem Tagebuch auseinandersetzen. Er kommt dabei zu dem Schluß, daß alle Stellen im Tagebuch, die sich auf K'ang beziehen, später gefälscht worden seien, um Weng vor der Reaktion zu schützen. Eine ähnliche Meinung vertritt auch Hsiao Kung-ch'üan l411 in seiner hervorragenden Studie Weng T'ung-ho and the Reform Movement of 189827 .

Die Zahl der in europäischer Sprache erschienenen Arbeiten über die Reformbewegung steht im krassen Gegensatz zur Bedeutung des Gegen­standes. Besonders die deutsche Sinologie hat schon seit Jahrzehnten nichts mehr zu diesem Thema beigetragen. Deshalb wäre es an der Zeit, auf­zunehmen, was Otto Franke schon vor 60 Jahren angeregt hat.

28 Ausschnitte aus dem Tagebuch Weng's (Weng Wen-kung kung jih-chi [SSJJ sind in der Materialsammlung Wu-hsü pien-fa tzu-Jiao Bd. I, pp. 507-527, enthalten. Bemerkungen über K'ang befinden sich z. B. p. 507 (Kuang-hsü 14; X, 13) oder p. 520 (Kuang-hsü 24; I, 3). Bei der ersten Stelle heißt es.: , .

40 " . .... Ein gemeiner Mann aus dem Volk (pu-1 .(391) namens K ang Tsu-d I au~ Nan-hai schickte einen Brief an mich und bat um eme Unterredung. Ich lehnte ab. An der zweiten Stelle berichtet Weng von einer Zusammenkunft mit K'ang, bei der dieser über seine Pläne über die Reformen, die neuen Regierungsorgane, über den Bau von Eisenbahnen ~sw. sprach. Weng bemerkt dazu, das alles sei vollkommen hirnverbrannt, er sei außerordentlich zornig geworden darüber.

27 CHHP, N. S. 1,2 (1957), pp. 109-254.

r381 ~ 9:..$0 s ßc (39) fti?I

l401 J3Ji 111 cit (41) lf0"!1

111