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551.511.3 (Institut ffir Meteorologic und Geophysik der Universitiit Wien) Zum Problem der Gebirgsiiberstriimung mit Beriieksiehtigung der Reibung ~ Von Helmut Pichler (Eingegangen am 15. Juni 1965) Zusammenfassung. Es wird ein besehleunigungsfreier dreidimensionaler Windvektor an der Erdoberfl/iehe bei i)berstr6mung eines Gebirges abge- ]eitet. Dabei wird gezeigt, dab hierzu die Annahme einer station~iren isen- tropen Str6mung nicht notwendig ist. ~Veiters wird dann n~iherungsweise noch die Bodenreibung beriicksichtigt. Summary. The author derives the equations for a three-dimensional, non- accelerated surface wind vector for the overflow over a mountain. He can show that it is not necessary to make the assumption of a stationary isentropic flow. By means of an approximation term the surface friction is also taken into consideration. R~sumg. Dans ce mdmoire, on ~tablit un vecteur h trois dimensions dg- pourvu d'accgl6ration ; ce vecteur dolt representer un vent soufflant au sol par dessus une cha~ne de montagnes. On d~montre alors qu'il n'est pas n~cessaire de faire intervenir l'hypothgse d'un courant isentrope stationnaire. On tient onfin compte du frottcment an sol et eela par approximation. In einer I-Iorizontalebene kann man die Windgeschwindigkeit in erster N/~herung durch den geostrophisehen Wind besehreiben, da H. PHILIPPS [I] naehweisen konnte, dab der geostrophische Wind als N/~herungslSsung der Ilewegungsgleiehungen aufgefaBt werden kann. Ganz anders liegen die Verh/~Itnisse bei einer Gebirgsiiberstr6mung. Hier haben wir keine Horizontalebens , in der die Luft str6mt. Es tritt sine vertikale Geschwin- digkeilskomponente auf, die in der Gr6Benordnung der horizontalen Ge- sehwindigkeitskomponenten liegen kann. Durch den geostrophischen i Diese Arbeit stellt den Beitrag FRP ,,Alpemvetter" Nr. 3/65, eines vom l~sterreichischen Forsehungsrat subventionierten Forschtmgsvorhabens, dar.

Zum Problem der Gebirgsüberströmung mit Berücksichtigung der Reibung

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551.511.3

( I n s t i t u t ffir Meteorologic u n d Geophys ik der Un ive r s i t i i t Wien)

Zum Problem der Gebirgsiiberstriimung mit Beriieksiehtigung der Reibung ~

Von

Helmut Pichler

(Eingegangen am 15. Juni 1965)

Zusammenfassung. Es wird ein beseh leun igungsf re ie r d re id imens iona le r W i n d v e k t o r a n der Erdober f l / i ehe bei i ) b e r s t r 6 m u n g eines Gebirges abge- ]e i t e t . Dabe i wi rd gezeigt, d ab h ie rzu die A n n a h m e einer s tat ion~iren isen- t r o p e n S t r 6 m u n g n i c h t n o t w e n d i g ist. ~Veiters wi rd d a n n n~iherungsweise noch d ie B o d e n r e i b u n g ber i icks ich t ig t .

Summary . The a u t h o r der ives the equa t i ons for a th ree -d imens iona l , non- acce le ra t ed surface w i n d vec to r for the overf low over a m o u n t a i n . He can show t h a t i t is no t necessa ry to m a k e t he a s s u m p t i o n of a s t a t i o n a r y i sen t ropic flow. B y m e a n s of a n a p p r o x i m a t i o n t e r m t he surface f r ic t ion is also t a k e n i n to cons idera t ion .

R~sumg. D a n s ce mdmoire , on ~ tab l i t u n vec t eu r h t rois d imens ions dg- p o u r v u d ' accg l6ra t ion ; ce vec t eu r dol t r ep r e s en t e r u n v e n t souf f lan t au sol pa r dessus une cha~ne de montagnes. On d~montre alors qu'il n'est pas n~cessaire de faire intervenir l'hypothgse d'un courant isentrope stationnaire. On tient onfin compte du frottcment an sol et eela par approximation.

In einer I-Iorizontalebene kann man die Windgeschwindigkeit in erster N/~herung durch den geostrophisehen Wind besehreiben, da H. PHILIPPS [I] naehweisen konnte, dab der geostrophische Wind als N/~herungslSsung der Ilewegungsgleiehungen aufgefaBt werden kann. Ganz anders liegen die Verh/~Itnisse bei einer Gebirgsiiberstr6mung. Hier haben wir keine Horizontalebens , in der die Luft str6mt. Es tritt sine vertikale Geschwin- digkeilskomponente auf, die in der Gr6Benordnung der horizontalen Ge- sehwindigkeitskomponenten liegen kann. Durch den geostrophischen

i Diese Arbeit stellt den Beitrag FRP ,,Alpemvetter" Nr. 3/65, eines vom l~sterreichischen Forsehungsrat subventionierten Forschtmgsvorhabens, dar.

H. PICttLER: Gebirgsfiberstr6mung mit Beriicksichtigung tier Reibung 27

Wind kann bei einer Gebirgstiberstr6mung eine besehleunigungsfreie Be- wegung nicht mehr beschrieben werden. Den ReibungseinfluB kann man in der Horizontalen in erster Ngherung durch einen Ansatz, den Th. HES- SELSERG [2] gegeben hat, beriieksiehtigen. Doeh bei einer Gebirgsiiber- str5mung versagt aueh dieser Ansatz.

Fiir unsere Uberlegungen wo]len wir zung~chst yon der allgemeinen Bewegungsgleichung auf einer rotierenden Erde in der Form

d v 1 ' l-- d iv S (1) - - - - v • 2 ~ = - - g k - - - g r a d p T dt p p

ausgehen. Darin bedeuten:

v = Dreidimensionaler Gesehwindigkeitsvektor s = Drehvektor der Erdrotat ion g = Erdbeschleunigung k = Einheitsvektor in der Vertikalen

= Luftdichte 19 - - Luftdruck

= Navier-Stokes'scher Reibungstensor

Analog zum geostrophischen Wind, wollen wir nun eine dreidimensionale beschleunigungsfreie Bewegung beschreiben; dann degeneriert GI. (1) zu

p (v • 2 ~2) ~- p g k d- g r a d p - - d i v ~. (2)

Wenn div ~ r 0 ist, miissen ~dr stillsehweigend voraussetzen, daft die Energieverluste, die durch die Reibung verursacht werden, kontinuierlich yon auften her ersetzt werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist ein Gleiehgewiehtszustand, wie er in GI. (2) zum Ausdruck kommt, m6glich.

Fiir div ~ ~ 0 haben zun~chst H. FOI~TAK [3] (ftir ~quatoriale Breiten) und sps auch H. I~UT]S~ nnd H. P Ic~ In~ [4] (mit Beriicksichtigung der Orographie) gezeigt, daft die Vektorgleichung (2) unter der Annahme

dO ~@ einer stationaren isentropen StrSmung - ~ / -- ~ -- v. grad 0 = 0; wobei

0 die potentielle Temperatur bedeutet) nach dem Impulsdichtevektor 9 v !

auflSsbar ist. Demnach muBte zur LSsung yon G1. (2) zusatzlieh noch eine physikalische Bedingung vorgegebe n werden.

Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, sich yon dieser einschneidenden Annahme zu befreien. Man kann n~mlich zeigen, daft G1. (2) nach ~ v auf- 15sbar ist, wenn die Topographie, in der die Luftteilchen strSmen, bekannt ist. Normalerweise wissen wir fiber diese nieht Bescheid. I m Fall einer GebirgsiiberstSmung mul3 aber an der Erdoberfl~che der Geschwindig- keitsvektor in der Topographic derselben liegen, da nach der kinemati- schen Grenzbedingung immer

v . V F = 0 (3)

28 HELN[UT PICKLE1%:

sein mug, wenn wir unter F (x, y, z) -- 0 die Topographie der Erdober- flgehe verstehen.

Multipliziert man G1. (2) vektorie]l mit V F, so folgt sofort ffir den Impulsdichtevektor an der Erdoberflgche

] p v - - 2 ~ . V F V F • (gpk+gradp--div~) . (4)

Zun~chst wollen wir den einfacheren Fall div g = 0 untersuchen. Unter dieser Annahme folgt aus GI. (4) :

p v - - 2 ~ . V F V F • (gpk+gradp) . (5)

Setzt man ffir die Topographie der Erdoberfliiehe F (x, y, z ) = z - - - - h (x, y) = 0 und ist / = 2 ~/sin ~ und I = 2 g/cos ~ (~ = geographi- sche Breite), so erhalten wir in Komponentendarstel lung

1 8p p u - - / 0y

1 (~P vh ~Ptg(p) p v -- (6)

~y

pw-- 1 ( S p Sh Sp Sh)

~y

wenn man beachtet, dab

0y / g p +/Vz (7)

ist. In G1. (6') bedeuten u, v, w die Geschwindigkeitskomponenten des Vektors v in der x-, y-, z-Richtung. Zun/ichst ist aus G1. (5) ersichtlich, dab der dreidimensionale beschleunigungsfreie Windvektor eine singuli~re Stelle besitzt, falls der Drehvektor der Erdrotat ion senkrecht auf V F steht; oder mit anderen Worten, wenn ~ in die Topographie der Erdober- fl~che fgllt. Dies ist dann der Fall, wenn die Neigung der Erdoberfl/~ehe gegenfiber der HerizontMebene (xy-Ebene) gleich der geographischen Breite ist. Ferner erkennt man, dab bei einer beschleunigungsfreien Str6- mung fiber ein Gebirge die geostrophische Komponente in der x-Richtung unver/~ndert bleibt, in der y-Richtung aber modifiziert wird. Ffir eine stations isentrope Str6mung wurden diese SchluBfolgerungen bereits yon H. FO~TAK [3] bzw. yon H. REUTE= und H. PIC~L~a [4] gezogen.

Problem der Gebirgsiiberstr6mung mit Beriieksiehtigung der Reibung 29

0h ~h Nimmt man t in cinfaehcs Gebirgsmodcll ?x = 0 und ~yy-~ tg ~ an

(siehe [4]), was einem west-6stlich orienticrtcn Gcbirge mit cincr kon- s tanten Hangneigung a cntsprieht, so folgt aus G1. (6)

t ~p 9 u - - 2 ~ sin ~ 0x

cos ~ ~p P v = 2 ~ s i n ( ~ - - ~ ) ~x (8)

sin ~ 91o Pw = 2 ~ s i n (q~--~) ~x"

Fiir g = 0 geht G1. (8) in die gcostrophischc Windrelation fiber. Sctzen wit eine station~re isentropc StrSmung voraus und sind die Richtungs- cosinusse yon grad (D durch (o, -sin c~, cos ~) gegeben, so gelangt man rein formal fiir eine solche StrSmung zu dcnselben Geschwindigkeitskomponen- ten wie in G1. (8). Bei der Anwendung anf eine Gebirgsiiberstr6mung mug dann allerdings die isentrope Flg.chc mit dcr Topographic dcr Erdobcr- fliiche zusammenfallen (siehe [4]). Wir haben uns hier yon cincr solchen Einschri~nkung befrcit. Der in GI. (8) auftrctende Winkel ~ ist der Nei- gungswinkcl dcr Topographic der Erdoberfl/~chc (nach unserer Modell- annahmc) gegcnfiber der Horizontalcn. Dieser Winkcl braucht aber keincs- wcgs mit dem Ncigungswinkcl der iscntropen Flb;chc zusammenfallen.

Im weiteren soll nun auch die Bodenreibung bcriicksichtigt wcrden. Wir wollcn dabei das Problem ctwas vcreinfaehen und annehmcn, dab der Vektor dcr Rcibungskraft in der Topographic der Erdoberfliiche liege und mit dcm beschlcunigungsfrcien und rcibungsfreien (fiktivcn) Windvcktor den Winkel ~ cinschlicI3e. Diesc Annahmen ffihrcn zu

d i v i ~ = R und R . V F = 0 , (9) und ferner zu

R �9 v0 = R V0 cos ~, (10)

wobei t R I ~ R und i v0 I = V0 sein soil. I m folgenden vcrstehcn wir unter v0 den dreidimensionalen besehlcunigungs- und reibungsfreien Windvektor und unter vr den dreidimensionalen besehleunigungsfreien Windvektor unter Beriicksichtigung der Reibung. Wit wollen nochmals bet onen, dab bcidc Windvektorcn auf die Erdoberfl~che bezogen sind. Unter diesen Voraussetzungen folgt aus G1. (4) :

p V r = 2 ~ ' V F V F • ( g p k + g r a d p - - R ) . (11)

Wir wollen nun ffir unser Gebirgsmodell ~zz = 0 und ~yy = tg ~ die

Komponenten des Vektors R bcrechnen. Bildet man das Vektorprodukt

30 I-IEL~IUT PIC]-ILER :

v0 • R so ist zungchst der Betrag dieses Produktes gegeben durch:

jVo • R J = V o R s i n ~ . (12)

Die Richtung dieses Vektors ist durch die I~ichtungscosinusse yon V F gegeben. Daraus folgt, wenn man beachtet, dab w = v tg ~ und Rz = Ry tg e ist mittels (10) und (12)

R Rx = Voo (uo cos ~ - - Vo sin ~ sec e)

R Ry = ~ (Vo cos ~ ~- Uo sin ~ cos ~) (13)

R Rz = V o (WoCOS ~ -k uosin ~ sin~).

Fiir ~ = 0 gelangt man formal zu denselben l~eibungskomponent.en, die TH. HESSELBERG [2] abgeleitet hat. Nur ist bei HESSELBV, nG ~ als der Winkel definiert, der yon der negat iven v 1 Riehtung und yon R einge- sehlossen wird.

Beriieksichfigt man ferner, da.13

l 8p 1 ~P + g ~ - - -I- ~ + R z (14} Oz ] 3y 1 Ry

ist, so erhMten wit fiir unser Gebirgsmodell aus G1. (11)

p Ur -- 2 E2 sin

cos~ ( 0 p ) ~r 2 f~ ~ i ~ ; - - ~) - - Rx 05 )

.x) Hierbei fgllt auf, dai3 in der x-I~iehtung By, in der y- und z-Riehtm~g Rx die Gesehwindigkeitskomponenten reduzieren.

t ' i ihrt man nun gl. (13) in G1. (15) ein, so erhglt man :

p Ur = 2 f~ sin ~ ~ y

cos e [ 0 p p Vr - - 2f2 sin (9 - - ~ ) / ~ x

sin cr [ 5p

R (Vo cos ~ -}- Uo sin ~ cos ~)] Vo J

R (uo cos ,~ - - vo sin ~ see ~)! Vo J

R ~ - - ,~ see ~)] Vo (Uo cos Vo sin J .

(16}

1 Besehleunigter zweidimensionaler Wind mit Einschlug der ge ibung.

Problem der GebirgsiiberstrSmung mit Beriicksichtigung der Reibung 31

Fiir unser Gebirgsmodell lassen sieh somit dureh plausible Annahmen yon ~ und R/Vo (diese beiden Parameter hi~ngen natfirlieh yon der Bo- denbeschaffenheit ab) die Komponenten des Impulsdichtevektors @ vr an der Erdoberfli~ehe bereehnen, da bei vorgegebenen Druekgradienten uo und v0 mit Hilfe yon G1. (8) bestimmbar ist.

Fiir Diskussionsbemerkungen habe ich Herrn Professor Dr. H. REUTER ZU danken.

Literatur

1. P~IILIPPS, H.: Die Abweichungen veto geostrophisehen Wind. Meteor. Z. S6, 460 (1939).

2. HESSELBERG, TIt.: lJber eine Beziehung zwischen Druckgradient, Wind und Gradient~nderungen. VerSff. Geophys. Inst. Leipzig 2, Ser. 1, 207 (1915).

3. FO~TAK, H. : Uber beschleunigungsfreie Luftbewegungen in ~quatorialer~ Breiten. Geol. pur. appl. 38, 141 (1957).

J. REUTER, I-I., und H. PICHLER: Zur Stromfeldtheorie auf orographisch modifizierten Fl/iehen. Beitr. Phys. d. ALto. 37, 212 (1964).

Ansehrift des Verfassers: Dozent Dr. HELMUT PICI~ILEI~, Institut fiir Meteorologie und Geophysik der Universit~it, I-Iohe Warte 38, Wien NIX, 0sterreieh.