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Aus dem Pathologisch-anatomisehen Institut der Universit~it Wien (Vorstand: Prof. Dr. H. Chiari) Zum Syndrom des malignen Diinndarmkarzinoids* Von H. Kahr Mit 4 Textabbildungen Eine besondere Stellung in der Pathologie und Klinik b6sartiger Ge- schw/ilste nehmen die Karzinoide ein, einerseits hinsichtlich ihrer Sympto- matologie und Prognose, andererseits wegen ihres morphologischen Ver- haltens. Seit der Erstbeschreibung dutch Lubarsch 1888 und die Benennung derselben dureh Oberndorfer ist besonders durch die Arbeiten yon Masson und Feyrter ihre Genese gekl~irt worden. Nach dem letzteren Autor sind diese Geschwiilste das Ergebnis endophytischer Aussprossung der gelben Zellen des Darmepithels mit deutlicher Neurotropie -- einer Wucherung der endophytisch wachsenden Zellen in das gewucherte, vegetativ nervSse Endnetz des Plexus submucosus. Dem- zufolge liegen diese Gesehwiilste mit einem kleinen Anteil in der Mukosa, vor allem jedoch in der Submukosa und bestehen aus kleinen, dunklen, polygonalen Zellen, die in Haufen und Str~ingen angeordnet sind und manchmal Ans~it_ze zur driisigen Differenzierung sowie Verwilderung (Selberg) zeigen, wobei es zu einer ausgedehnten Bindegewebsvermehrung in der Nachbarschaft derselben kommt. Mitosen werden selten, Einbrtiche in Blut und Lymphgef~il3e h~iufig angetroffen, welch letztere jedoch fiir das Vorliegen eines malignen Karzinoids nicht beweisend sin& Die Geschwulstzellen sind histochemisch durch ihre Chromierbarkeit (Obern- dorfer), Argentaffinit~it (Masson) und positive Fetff~irbung (Mareseh) sowie dnrch den positiven Ausfall des Phenolnaehweises (Clara) gekennzeiehnet. In neuester Zeit ist dazu noeh der pharmakologisehe Nachweis eines wirksamen Stoffes, des 5-Oxytryptamins, in diesen Karzinoiden durch Ratzenhofer und Lembeck gekommen. Was die H~iufigkeit der malignen Karzinoide aul3erhalb der Appendix be- trifft, finden sich im Schrifttum sehr weehselnde Angaben. Feyrter nennt 1,4%, Selberg 0,49%, Altmann 0,8%, Hopping 0,5%. Die bevorzugte Lokalisation dieser kleinen, harten, iiberall in der Darmzirkum- ferenz anzutreffenden Geschwiilste, deren Sehnittfl~iche einen eigentiimliehen gelblichen Farbton besitzt, ist das untere Ileum, wobei ein multipler Befall des letzteren nieht selten ist. In weitem Abstand folgen dann die Lokalisation im Sigma, Coeeum, Rectum, Magen und Gallenblase (Feyrter, Selberg, Altmann, Ashworth, Hoping, Jones, Raiford und Cooke). * Auszugsweise vorgetragen in der Sitzung der Vereinig. Path. Anat. Wiens, am 26. April 1955. 7*

Zum Syndrom des malignen Dünndarmkarzinoids

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Page 1: Zum Syndrom des malignen Dünndarmkarzinoids

Aus dem Pathologisch-anatomisehen Institut der Universit~it Wien (Vorstand: Prof. Dr. H. Chiari)

Zum Syndrom des malignen Diinndarmkarzinoids* Von

H. Kahr Mit 4 Textabbildungen

Eine besondere Stellung in der Pathologie und Klinik b6sartiger Ge- schw/ilste nehmen die Karzinoide ein, einerseits hinsichtlich ihrer Sympto- matologie und Prognose, andererseits wegen ihres morphologischen Ver- haltens.

Seit der Erstbeschreibung dutch Lubarsch 1888 und die Benennung derselben dureh Oberndorfer ist besonders durch die Arbeiten yon Masson und Feyrter ihre Genese gekl~irt worden. Nach dem letzteren Autor sind diese Geschwiilste das Ergebnis endophytischer Aussprossung der gelben Zellen des Darmepithels mit deutlicher Neurotropie - - einer Wucherung der endophytisch wachsenden Zellen in das gewucherte, vegetativ nervSse Endnetz des Plexus submucosus. Dem- zufolge liegen diese Gesehwiilste mit einem kleinen Anteil in der Mukosa, vor allem jedoch in der Submukosa und bestehen aus kleinen, dunklen, polygonalen Zellen, die in Haufen und Str~ingen angeordnet sind und manchmal Ans~it_ze zur driisigen Differenzierung sowie Verwilderung (Selberg) zeigen, wobei es zu einer ausgedehnten Bindegewebsvermehrung in der Nachbarschaft derselben kommt. Mitosen werden selten, Einbrtiche in Blut und Lymphgef~il3e h~iufig angetroffen, welch letztere jedoch fiir das Vorliegen eines malignen Karzinoids nicht beweisend sin& Die Geschwulstzellen sind histochemisch durch ihre Chromierbarkeit (Obern- dorfer), Argentaffinit~it (Masson) und positive Fetff~irbung (Mareseh) sowie dnrch den positiven Ausfall des Phenolnaehweises (Clara) gekennzeiehnet. In neuester Zeit ist dazu noeh der pharmakologisehe Nachweis eines wirksamen Stoffes, des 5-Oxytryptamins, in diesen Karzinoiden durch Ratzenhofer und Lembeck gekommen.

Was die H~iufigkeit der malignen Karzinoide aul3erhalb der Appendix be- trifft, finden sich im Schrifttum sehr weehselnde Angaben. Feyrter nennt 1,4%, Selberg 0,49%, Altmann 0,8%, Hopping 0,5%.

Die bevorzugte Lokalisation dieser kleinen, harten, iiberall in der Darmzirkum- ferenz anzutreffenden Geschwiilste, deren Sehnittfl~iche einen eigentiimliehen gelblichen Farbton besitzt, ist das untere Ileum, wobei ein multipler Befall des letzteren nieht selten ist. In weitem Abstand folgen dann die Lokalisation im Sigma, Coeeum, Rectum, Magen und Gallenblase (Feyrter, Selberg, Altmann, Ashworth, Hoping, Jones, Raiford und Cooke).

* Auszugsweise vorgetragen in der Sitzung der Vereinig. Path. Anat. Wiens, am 26. April 1955.

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Maligne Karzinoide bevorzugen eine Metastasierung in die regioniren Lymph- knoten, nach Dockerty und Ashburn in der H~il{te der F~ille aueh in die Leber, Ariel gibt das Verhiiltnis yon Lymphknoten zu Lebermetastase mit 8 : 1 und Cooke mit 4 : 5 an. Sehener hingegen ist die Tochtergeschwulstbildung in Pleura und Lunge (M6rl), in der Milz (Selberg) sowie in den Ovarien (Islet und Hedinger). Au_ffallend erscheint {ernerhin das Zusammentreffen yon Karzinoiden mit anderen b6sartigen Tumoren. Selberg hat bei 58 Karzinoidtr~igern el{real ein gleichzeitiges Auftreten b6sartiger Tumoren naehweisen k6nnen, Ein gleiehartiges Zusammen- treffen wird yon Ariel und Bailey geschildert, w~ihrend Lunzenauer auf eine {amilfiire Disposition hinweist.

Auf eine Alters- und GeschIechtsdisposition haben zahlreiehe Autoren hinge- wiesen. So treten Dfinndarmkarzinoide eher in h6herem Alter auf, wobei naeh Feyrter, MSrl, Forbus und Ackermann eine Bevorzugung des weiblichen Ge- sehleehtes, nach dem letzten Autor bis zu 80%, naehweisbar ist. Selberg gibt das Durehsehnittsalter der Karzinoidtriger mit 55 Jahren, Dockerty und Ashburn 58 Jahren und Cooke mit 57,7 Jahren an. Demgegeniiber betrigt das Dureh- schnittsalter der Appendixkarzinoidtr~iger etwa 80 Jahre.

Die in Rede stehenden Geschwfilste besitzen eine relativ gute Prognose, sind doch Fiille bekannt, wo eine tJberlebensdauer yon vielen ]ahren nach Entfer- nung des Prim~irtumors beobaehtet werden konnte (Masson, Tailor). Cammaron beziffert die Oberlebensdauer nach 8 ]ahren mit 33%. Terplan beriehtet fiber das Station~irbleiben der Metastasen eines malignen Karzinoids naeh Enffernung des Prim~irtumors und Thorson teilt nach der Entfernung des gleiehen Tumors aus dem D[inndarm das v611ige Sistieren noeh zu bespreehender Symptome mit.

Die klinische Symp~omatologie des malignen Dfinndarmkarzinoids ist eine, angesichts der Seltenheit dieser Gewiiehse, erst in neuerer Zeit ge- nauer bekannt gewordene. So haben 1958 lsler und Hedinger auf einen eigenartigen klinischen Symptomenkomplex vergesellschaftet mit einem malignen Karzinoid des D/inndarmes aufmerksam gemacht, dem ein be- stimmtes pathologisch-anatomisches Substrat an Darm und Herz zugrunde liegt. Thorson und Waldenstr6m erweiterten dies durch den Hinwels an{ eigenartige, klinisch beobachtete Ver inderungen in der Haut.

Ein gleichartiger Fall konnte von uns beobachtet werden, bei dem sich in der allgemeinen Decke auch anatomisch bemerkenswerte, unseres Wissens noch nicht mitgeteilte Bilder fanden, weshalb der Fall im folgenden ge- sehildert werden soil.

Es handelt sich urn einen 70j{ihrigen Mann *, dessen Vater an Tuberkulose, seine .Mutter an Gehirnschlag und ein Bruder an Leberkrebs verstorben ist. Kinderkrankheiten, rheumatisehe Erkrankungen ebenso wie venerisehe In:fektionen sind dem Patienten nicht erinnerlich. 1903 (18jiihrig) aquirierte der Patient eine Lungentuberkulose, die 1919 bereits ausgeheilt war. Seither ist der Patient framer gesund gewesen. Erst seit einem Jahr deutlieher Gewiehtsverlust, starke Mtidig- keit, ferner vor einigen Monaten Auftreten starker Durehf~ille und Sehmerzen im ganzen Abdomen, wobei eine zunehmend briiunliche Verf~irbung der Haut auf- tritt. Zunahme der abdominellen Beschwerden, wobei in letzter Zeit die Stiihle mit Schleim vermengt sind und gelegentlich aueh Blutbeimengungen im Stuhl

* Fiir die ~berlassung der klinisehen Daten sind wir Herrn Prof. Boiler, Vor- stand der Inneren Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien zu beson- derem Dank verpfliehtet.

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bemerkt werden. Appetit herabgesetzt. Am 13. Dezember 1954 Krankenhaus- aufnahme des in sehr schleehtem Allgemeinzustand befindliehen, stark dyspnoischen Patienten. Hautver~nderungen im Sinne eines peUagroiden Zustandsbildes. Herz normal grog, etwas rechtsverbreitert, Tfne dumpf regelm~if3ig, fragliches systo- lisches Geriiusch fiber der Herzspitze. Puls 70, RR 110/90. Das EKG gibt Ver- dacht auf Drueksteigerung im rechten Vorhof und Myoeardsch~idigung. Blut- bild o.B. Blutzucker 84mg%, also eine leiehte Hypoglykgmie. Der Patient hat drei- bis viermal t~iglich starke Durchf~ille, die hellbraun breiig und neutral sind und angedaute Muskelfasern enthalten. Sudan negativ, Benzidin positiv. Wegen An- nahme eines pellagra~ihnlichen Zustandsbildes reichliche Vitamingaben, ferner

Abb. I.

Doca, ACTH, Streptomycin. Hautveriinderungen und die Symptome seitens des Darmes bleiben unvefiindert. Wegen Auftreten eines Deeubitus wird der Patient aus die Wasserbettstation verlegt und verstirbt dort seehs Wochen naeh der Krankenhausaufnahme.

Die Sektion (Prot.-Nr. 257/1955) ergab als unmittelbare Todesursaehe eine, yon dem Deeubitus ausgehende, eitrige Meningitis. Die ~iuBere Deeke des sehr kaehektisehen Patienten fahlgraubr~iunlieh, insbesondere im Bereiehe des Thorax und Abdomens. Auffallend erseheint insbesondere fiber letzterem eine grobfeldrige Runzelung und starke Sehuppung sowie zahlreiehe Naevi plani (Abb. 1).

hn Herzbeutel kein fremder Inhah. Das Herz v o n d e r Basis bis zu der von beiden VentrikeIn gebfldeten Spitze I0 em, im grf/3ten queren Durchmesser 9 em messend. Der reehte Vorhof und Ventrikel ausgeweitet, Trabekel und Papillar- muskel kdiftiger als gewShnlich, etwas abgeplattet. Das Endoeard im Ausstrf- mungsteil der rechten Kammer weil31ieh verdiekt, sonst zart. Auff~illigerweise die Tricuspidalklappe mit sehwielig verdiektem freien Rande und verkfirzten Sehnen- t:~iden, die stellenweise verbacken erseheinen, also eine Trieuspidalinsuffizienz. Aueh die Pulmonalklappen schwielig verdiekt, teilweise an den Kommissuren mit-

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einander verwaehsen, das Ostium nur fiir einen Finger durehg~tngig, also eine Pulmonalstenose. Der linke Vorhof und Ventrikel unauff~illig, ebenso die Mitralis und Aortenklappen mit zartem freiem Rande und verdiekter Basis.

In der Leber zahlreiehe fiber erbsengrol3e, zum Teil weitgehend dureh Blutung zerstSrte, grauweiBliehe Metastasen, ebensolehe im GekrSse.

Im unteren Ileum, im Bereiche der Valvula Bauhini ist der Darm etwa auf eine Strecke von 5 cm auf das Eineinhalbfache verdickt, um knapp vor der Valvula eingeschniirt und im Kaliber verengt zu erscheinen. Der stenosierte Darmteil knapp ftir einen Finger durchg~ingig. An der yon auBen eingezogen erseheinenden Stelle finder sich nun ein 8 cm langer, 1,5 cm im Durchmesser hal- tender, harter Knoten, dessen Oberfliiche nur geringgradig exulziert erscheint, seine Schnittfliiche yon gelblichgrauer Farbe. Dieser Knoten durehsetzt axle Darmwandschichten. Die harten Lymphknoten des Mesenteriums bis nuBgrol3 und am Schnitt von gleichem Farbton wie der Tumor des Darmes. Der iibrige innere Organbefund bis auf eine eitrige Pyelitis rechts und eine Cystitis unauff~illig.

Bei der histotogischen Untersuchung erweist sich der Tumor des Ileums als typisches Karzinoid mit positiver Silberreaktion und doppelbrechendem Fett im Plasma der Geschwulstzellen. Das gleiche histologische Bild zeigen die Meta- stasen in den region~iren Lymphknoten und in der Leber. In Schnitten yon der Hypophyse die Kapselbliitter derselben infolge der bestehenden eitrigen Menin- gitis leukozytiir durchsetzt. Die Kapillaren des Organes weir, strotzend blutgef[illt. Auffallend erscheint die relativ grol3e Menge an eosinophflen Zellen. Neuro- hypophyse unauff~illig. Die Nebennieren boten normales Aussehen, ebenso das Pankreas.

In Schnitten vom Herzmuskel erscheinen die Herzmuskelfasern leicht hyper- trophisch, nirgends aber Anhahspunkte fiir rheumatische Ver~nderungen. Wohl abet war eine kleine Vene mit Tumorzellen vollgestopft.

In Sehnitten aus der Bauchhaut erweisen sich die geschilderten Naevi als kleine papfll~ire Epitheliome, Naevuszellhaufen liegen nirgends vor. Die Epi- dermis teils breit, mit stark abschilferndem Stratum corneum, an anderen Stellen die Epidermis verdiinnt, hier dann der PapillarkSrper abgeplattet und das sub- papfll~ire Bindegewebe eigentiimlich homogenisiert, wie verquollen. Das Corium- bindegewebe grobfasrig. Im PapillarkSrper, abet aueh bis an das angrenzende Co- riumbindegewebe reichend, eine betriichtliche, vorwiegend lymphozytiire Dureh- setzung erkennbar, die kapillaren GefN3e ausgesprochen welt, blutgefiillt (Abb. 2).

Bei Silberimpr~ignierung nach Masson finden sich sehr zahlreiche melanotische PigmentkSrnchen, vor allem im Stratum basale der Epidermis, jedoch auch viel- fach in welter gegen die Oberfliiche gelegenen Zellen. Im PapillarkSrper jedoch nur spiirliehe Melanophoren. Bei Giesonf~irbung fiirbt sich das Bindegewebe der Papillen rot und scheint aus dieht gelagerten feinen kollagenen Fibrillen auf- gebaut. Zwischen diesen finden sich reichlich elastische Fiiserchen. Im Corium sind diese plump. Die Anhangsgebilde der Haut unauff~illig.

Ein iiberraschendes Bild demgegen(iber bietet die Haut bei Silberfiirbung nach Yabonero. Hier sieht man innerhalb des PapillarkSrpers zahlreiehe mit Silber impriignierbare Zellen (Abb. 8), die viele sieh ungemein verzweigende, spinnen- artige, dendritische Forts~itze zeigen. Diese Zellen iibersteigen die Zahl der hier befindlichen Chromatophoren um ein vielfaches. H~iufig lassen sich diese Fort- s~itze in Form zarter, feinster, geknickt verlaufender F~iserchen auf weite Streeken verfolgen, wobei sie hier unmittelbar an die EpidelTnis heranreiehen. Diese Fort- s~itze treten mit gleichen, solehen benachbarter Zellen in Verbindung, bilden aIso ein Netzwerk. AuBerdem zeigen sie Auftreibungen und stellenweise K6rnchen- bildung. Die Keme dieser Zellen zum Teil spindelig, zum Teil rund und dann

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Abb. 2

Abb. 8. Z: neurohormonale Zelle einer Kapillare dieht angelagert.

kleiner. Derartige Zellen vielfach der Wand der Kapillaren (Abb. 8, Z) angelagert. Bei noch st/irkerer Vergr6gerung ist diese K~Srnehenbildung und Sehlingen an den Ausl~iufern noch wesentlich deutlicher zu sehen (Abb. 4). Bei F~irbung nach Gomori erscheinen diese KOrnchen blau, w~ihrend sie bei nach Nissel in der

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DahlOnschen Modifikation gef~irbten Schnitten rot erscheinen, jedoeh in viel ge- ringerer Menge als sie dutch die labonerosche Methode zur Ansieht gebracht werden.

Es entsprechen diese Zellen jenen, wie sie von Wiedmann als ,,neuro- hormonale Zellen'" der Haut gekennzeichnet worden sind. Die ganz auBer- gewShnlich groBe Anzahl derselben, bei dem in Rede stehenden Fall, stellt unseres Erachtens nach einen bemerkenswerten, soweit wir das Schrifttum iibersehen, noch nicht erhobenen Befund dar.

Abb. 4.

Wie bekannt, gelang es Ratzenhofer und Lembeck in Karzinoiden einen ehemiseh wirksamen Stoff, 5-Oxytryptamin, nachzuweisen. Wir haben diesen Naehweis gleiehfalls versueht.

Zu diesem Zweek wurden Tumoranteile gleieh naeh der Entnahme im Eissehrank bei - -400 C aufbewahrt und dann zum Naehweis von Phenolen mit der von Roulet angegebenen Methode mit ,,Rotsalz Ciba V"* gef~irbt. Die Tumorzellen erschienen leuehtend braunrot, gaben also eine positive Ileaktion, dagegen f~irbte sich das Bindegewebe zart diffusgelblieh.

Anteile des Tumors und die Metastase des Mesenteriums wurden an das pharmakologisehe Universit~itsinstitut (Vorstand: Prof. Dr. F. Briicke) zum Naehweis organwirksamer Substanzen iibersandt. Dr. Hornykiewicz k0nnte das Vorhandensein von 5-Oxytryptamin im Tumor des Darmes und der Metastase, sowohl dureh die biologische Testung am isolierten Ratten-

Fiir die iJberlassung des Farbstoffes sind wir der Ciba AG, Basel, zu Dank verpfliehtet.

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uterus und Meerschweinehenileum, als aueh dureh die sehr verl~il31iehe analytiseh-chemisehe Methode der Papierehromatographie nachweisen. Die Menge der aus dem Tumor extrahierten wirksamen Substanz entsprach etwa 1,55 mg Oxytryptamin pro Gramm feuehten Gewebes, war also sehr be- triiehtlich.

Dies das klinisch-anatomische Bild unseres Falles zusammen mit dem sowohl histoehemisch, als auch pharmakologiseh gelungenen Nachweis des Oxytryptamins.

Bei Durehsicht der sieh auf maligne Karzinoide des Diinndarms be- ziehenden Arbeiten im Sehrifttum ergiht sieh im Zusammenhalt mit unserem Fall ein recht wohl umrissenes klinisches Krankheitsbild.

Es zeigt sich ein mehr oder weniger schwerer, fiber lahre sich erstrecken- der Krankheitsverlau[. Im Vordergrund stehen dabei die abdominellen Sym- ptome, die yon wechselnd starken vegetativen Erscheinungen begleitet sein kSnnen. Porges hat schon vor Jahrzehnten ohne Kenntnis der Bedeutung eines malignen Karzinoids dieses Syndrom als eigenartige ehronisehe Ente- ritis bezeiehnet. Bohn besehreibt diese Zustandsbilder seitens des Darmes als nervSs bedingte Enteropathie, die in leiehten Graden in einer motorisehen StSrung der Darmfunktion zum Ausdruek kommt, in sehweren einer Ente- ritis und in sehwerstem Ausmal3 der einheimisehen Sprue gleieht. Dabei besteht eine vermehrte Anspreehbarkeit des Darmes auf Aeetyleholin, Pilo- karpin und Nikotin, sowie eine Besehleunigung der Darmpassage in der R6ntgenkontrolle (Feyrter und Unna). Beitter, LeipoId und Coronini konn- ten gleiehe Beobaehtungen maehen und spreehen von vegetativ-neurotisehen Stfrungen.

Als Symptome seitens des vegetativen Nervensystems werden Hitze- gefiihl, Blutandrang, Ohnmachten, Schwindel und Heii3hunger geschildert: ebenso k5nnen auch hypoglykiimische Zustandsbilder auftreten, wie auch in unserem Fall der Blutzuckerwert nur 84 mg~ betrug. Feyrter konnte in mehr als der Hiilfte seines Materials yon Karzinoidtr~igern auch allergische Symptome, Ekzeme, Heuschnupfen und Asthma nachweisen.

Von besonderem Interesse scheinen uns die Hautveriinderungen zu sein, da sie oft, ebenso wie die Symptome seitens des Darmes, isoliert vor- kommen kSnnen und dann der einzige Hinweis auf das Vorliegen der seltenen, in Rede stehenden Erkrankung sin&

WaldenstrSm beschreibt die Hautveriinderungen als flfichtige, anfalls- weise auftretende plStzliche purpurrote Verf~irbung der Haut, welche naeh kSrperlicher Anstrengung und auch spontan auftreten kann und yon starkem Hitzegeffihl, Tachykardie und ansehliel3ender Schw~iche gelegent- lich begleitet wird. Er gebraucht den Ausdruck ,,phenomenal flushing". Diese Ver~inderungen sind vornehmlich im Gesicht sowie fiber der Brust und den Oberarmen sichtbar. Neben der gesehilderten purpurroten Ver- fiirbung treten auch kleine ziegelrote Flecke und Pfinktchen auf. Meist be- ginnen diese anfallsartigen Ver~inderungen im Gesicht (Stadium I), um dann dort abzublassen oder auf Brust und obere Extremitiiten tiberzugreifen (Stadium II), kSnnen aber auch am Oft ihrer Entstehung verweilen, wobei die anfangs heIIen Flecke sieh nunmehr auffallend deutlich gegen die urn-

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liegende, weiBe, unver~inderte Haut abgrenzen (Stadinm III), w~ihrend in darauffolgenden Phasen ein Cyanotiseh-werden der anfangs purpurroten Areale erfolgt (Stadium IV). Diese Ver~inderungen nehmen mit Dauer der Krankheit an Intensit~it zu, wobei bis 24 soleher Anf/ille pro Tag beobaehtet werden konnten. Von der Herzspitze w~hrend der anfallsweisen Haut- r6tung abgeleitete Phonogramme zeigten das Deutliehwerden eines pr/i- systolisehen und systolischen Ger/iusehes.

AuBer derartigen, nur anfallsweise und voriibergehenden Hautver~inde- rungen, die offensichtlich vaskul/ir bedingt sind, besehrieb jedoch Thorson in einem seiner F/ille besonders an den Unterarmen die Haut als dauernd eher troeken und allm~ihlieh atrophiseh werdend, so dab sie sehlieBlich ein peUagraiihnliches Aussehen, wie in unserem Falle in so ausgesproehenem Mal3e, zeigte. Von ihm wurden diese Ver/inderungen als Folgezust~inde der Dysfunktion des Verdauungstraktes im Ansehlul3 an die langdauernden Diarrhoen gedeutet, vor allem als Zeichen einer B2-Avitaminose.

Sehr h~iuflg sind welters die Ver~inderungen des Herzens. Sie sind be- sonders dadureh auffallend, dab eine sehwielige Verdickung der Trieus- pidalis und der Pulmonalisklappen angetroffen wird, also gerade Klappen betroffen werden, die fiir gewShnlieh nieht Sitz derartiger Ver~inderungen sind. Diese Klappenver~inderungen des rechten Herzens sind offensichtlieh erst wfihrend des Lebens entstanden, und zwar anseheinend symptomlos. Ihre Ursaehe ist, soweit wir das Sehrifttum iibersehen, unbekannt. Am wahrseheinliehsten erseheint es uns, sie als Folge der dureh das venSse Blut ja zun/iehst dem reehten Herzen zugef/ihrten, ehemiseh wirksamen Stoffe des Tumors anzusehen, die dann zu diesen eigenartigen, ausschlieBlich im reehten Herzen gelegenen Klappenver~inderungen AnlaB geben.

iJber die Frequenz der angefiihrten Ver~inderungen und Symptome gibt die naehfolgende, insgesamt 19 F/ille umfassende Tabelle Ausknnft.

Aus dieser ~)bersieht ergibt sieh, dab das konstanteste Symptom die Enteropathie ist, ihr ist in gleieher Frequenz das Symptom des ,,pheno- menal flushing" in der Haut anzureihen, und fast ebenso h~iufig sind die Ver~nderungen an den Klappen des rechten Herzens beobaehtet worden, mit Ger~iuschen fiber demselben und Odemen. AsthmaanfiiIle wurden sechs- real vermerkt und trotz der hohen Frequenz des ,,phenomenal flushing" der Haut nur zweimal pellagraartige Hautver~nderungen bei den Patienten be- merkt. Charakteristische Blutdruck~inderungen liel3en sich nieht feststellen.

Liegen die geschilderten Ver~inderungen und Symptome nicht in ihrer Gesamtheit vor, so wird besonders ftir den Kliniker die Differentialdiagnose zu Enteropathien anderer Genese sehwierig, etwa wie sie einerseits yon Scherf bei Erkrankungen des Herzens und andererseits von Lauda und auch yon Alexander als ,,nervSse Diarrhoen im engeren Sinne" besehrieben wor- den sind, wobei fiir diese die Wurzel in ein ,,psyehosomatisehes Gesehehen" verlegt wird.

Der Naehweis von 5-Oxytryptamin im Tumormaterial, sei es histoehemisch (Ratzenhofer), sei es pharmakologiseh (Lembeck), der auch in unserem Falle im Gewebe gelang und dureh Hornykiewicz auch pharmakologisch erbracht werden konnte, riiekt die Bedeutung dieses Stoffes fiir die zu beobaehten-

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den funktionellen St6rungen an erste Stelle. Auch in diagnostiseher Hinsieht insoferne, als die gleiehe Substanz aus dem Ham eines Patienten w~ihrend eines Anfalles von ,,phenomenal flushing" dureh Pernow (Waldenstrfm) naehgewiesen werden konnte.

Die Wirksamkeit dieser Substanz auf den Darm erseheint ohne weiteres verst~indlieh. Aber aueh die sieh in der Haut abspielenden Anf~ille von ,,phenomenal flushing" k6nnen damit in Zusammenhang gebraeht werden, indem es sieh hier offensichtlich um eine Beeinflussung der Oef~iBe handelt. Besonders bemerkenswert erseheint uns aber die unseres Wissens erstmalig bei derartigen Fgllen aufgedeekte, ungewShnlieh groBe ZaM der yon Wied- mann in der Haut bekannt gemaehten ,neurohormonalen Zellen". Die von diesem Autor betonte enge Beziehung dieser Zellen aueh zu GefaBen kSnnte die im ,,phenomenal flushing" sich ausdriickende funktionelle StS- rung aueh in das Bliekfeld des Morphologen riieken.

Unter Berfieksiehtigung aller der angefiihrten Umst~inde kSnnte man dieses ftir die malignen Karzinoide des Dfinndarms kennzeiehnende Syn- drom als Entero-dermato-cardiopathie bezeichnen.

Zusammenfassung An Hand des Obduktionsbefundes eines an einem malignen Karzinoid des

Dfinndarmes verstorbenen 70j~ihrigen Mannes wird das bei dieser Gesehwulst aug tretende Syndrom besproehen, welches pathologisch-anatomisch aus einem mali- gnen Karzinoid mit Metastasen (Lymphknoten und Leber) sowie einer Endoearditis der Trieuspidalis und einer Pulmonalstenose, generalisierten Odemen und eigen- tfimlichen Hautver~inderungen hesteht, deren mikroskopisehes Bild erstmalig ge- sehfldert wird. Klinisch manifestiert sieh die Erkrankung in langdauernden Diar- rhSen, dem Auftreten generalisierter Odeme, pathologisehen Herzger~iusehen sowie typisehen Hautver~inderungen, insbesondere anfallsartigen Hyper~imien (,,pheno- menal flushing"). Als ffir dieses Syndrom besonders kennzeiehnend wird die Be- zeiehnung Entero-dermato-cardiopathie vorgesehlagen.

Literatur Alexander, F., Psychosomattsehe Medizin, Berlin, Verlag Walter de. Gruiter~ 1951,

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Anschrift des Verfassers: Dr. H. Kahr, Pathologisch-anatomisches Institut der Universit~t, Wien IX, Spitalgasse 4.