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Heft 1 1972 49 Aus dem Max-Planck-Institutfiir Verhaltensphysiologie,Vogdwarte Radolfzeli Zum Verhalten des Weiflmaskenbaumhopfes (Phoeniculus boUei) (Bewegungsweise, Nahrungsaufnahme und Sozialverhahen) Von Hans L/ihrl Unter den afrikanischen Baumhopfen (Phoeniculidae) ist diese im dichten Wald leben& Art am wenigsten bekannt. BANNZRMAN (1953), der irn Gegensatz zu CHAPIN (1939), SCHOUTEDEN(1951) und MACKWORTH-1)RAED & GRANT (1970) aul%r der Artbeschreibung und Verbreitungsangaben auch relativ ausfiihrliche Mitteilun- gen fiber die Biologie zu machen pflegt, begrtindet seine fehlenden Angaben zur Lebensweise der Art wie £olgt: "... it is rather a shy bird which keeps to the leafy tree tops...". Er ffihrte welter aus, daher sei dieser Baumhopf nut selten beobach- tet worden. Im Januar 1971 hatte ich Gelegenheit, die Art im Bergwald westlicb des Kivusees (2100 m) unter relativ gfinstigen Bedingungen zu beobachten.*) a) K 1 e t t e r n. Wie es bei den in der Savanne lebenden Arten dieser Familie beschrieben ist (BANNERMAN 1953, BERNDT-MEISE 1962, H6SCH 1933), vermag auch Phoeniculus bollei zu klettern. GewtJhnlich rut er dies an schr~igen, fippig mit Epi- phyten und Flechten bewachsenen Asten in der oberen Baumregion. An steilen, we- nig bewachsenen Ksten nimmt er gelegentlich die Flfigel zu Hilfe. Der lange Schwanz kann, obwohl die Steuerfedern nicht versteift sind, als Stfitze dienen, er berfihrt jedoch nicht dauernd die Unterlage, sondern nur, wenn der Vogel sitzend eine bestimmte Stelle bearbeitet. Im Gebiet der t~iglichen Regenschauer halten sich die Beuteobjekte offenbar bevorzugt an der Unterseite der 7(ste auf. Urn dorthin zu geIangen, hielten sich die Hopfe mit einem Fuf~ auf der Oberseite, mit dem anderen an der Seite eines Astes lest und konnten so mit l-tilt:e des gestreckten Kopfes und des langen Schnabels die Unterseite der Kste erreichen. Der Schwanz war dabei auf der Astoberseite gegen die Unterlage geprel~t, etwa yon der Mitte seiner L~inge ab und gab dem Vogel so zus~tzlichen Halt. Die beobachteten Hopfe h~ingten sich hie frei nach unten, wie das yon anderen Arten dieser Gruppe beschrieben wird. b) Z i r k e 1 n. Bei der Nahrungssuche, die sich offenbar bei allen Baumhopfen an St~immen und ~sten abspielt, wird die Rinde nicht nur mit dem Auge abge- sucht, sondern diese V~Sgel sprengen Rinde, Flechten, Moos usw. dutch Zirkeln yon der Unterlage ab. Wo mehrere solcher Hopfe die Niume absuchen, fallen unentwegt Rinden- und HolzstiJckchen und andere Objekte zu Boden. Als ein Hopf einen mor- schen Ast absuchte und das Holz nicht dutch Zirkeln abzusprengen vermochte, h~im- merte er kurz dagegen, worauf das Absprengen gelang. Aut~er dem Star, wenn er auf einer Wiese Futter sucht, habe ich noch nie einen Vogel gesehen, der so unent- *) Dr. P. KUNIIEL erm/iglichte den Aufenthalt am Institut pour la recherche scientifique en Afr~que centrale (I.R.S.A.C.), Bukavu.

Zum Verhalten des Weißmaskenbaumhopfes (Phoeniculus bollei) (Bewegungsweise, Nahrungsaufnahme und Sozialverhalten)

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Page 1: Zum Verhalten des Weißmaskenbaumhopfes (Phoeniculus bollei) (Bewegungsweise, Nahrungsaufnahme und Sozialverhalten)

Heft 1 1972 49

Aus dem Max-Planck-Institut fiir Verhaltensphysiologie, Vogdwarte Radolfzeli

Z u m Verhal ten des Weif lmaskenbaumhopfes (Phoeniculus boUei) (Bewegungsweise, N a h r u n g s a u f n a h m e und Sozialverhahen)

Von Hans L/ihrl

Unter den afrikanischen Baumhopfen (Phoeniculidae) ist diese im dichten Wald leben& Art am wenigsten bekannt. BANNZRMAN (1953), der irn Gegensatz zu CHAPIN (1939), SCHOUTEDEN (1951) und MACKWORTH-1)RAED & GRANT (1970) aul%r der Artbeschreibung und Verbreitungsangaben auch relativ ausfiihrliche Mitteilun- gen fiber die Biologie zu machen pflegt, begrtindet seine fehlenden Angaben zur Lebensweise der Art wie £olgt: " . . . it is rather a shy bird which keeps to the leafy tree tops . . . " . Er ffihrte welter aus, daher sei dieser Baumhopf nut selten beobach- tet worden. Im Januar 1971 hatte ich Gelegenheit, die Art im Bergwald westlicb des Kivusees (2100 m) unter relativ gfinstigen Bedingungen zu beobachten.*)

a) K 1 e t t e r n. Wie es bei den in der Savanne lebenden Arten dieser Familie beschrieben ist (BANNERMAN 1953, BERNDT-MEISE 1962, H6SCH 1933), vermag auch Phoeniculus bollei zu klettern. GewtJhnlich rut er dies an schr~igen, fippig mit Epi- phyten und Flechten bewachsenen Asten in der oberen Baumregion. An steilen, we- nig bewachsenen Ksten nimmt er gelegentlich die Flfigel zu Hilfe. Der lange Schwanz kann, obwohl die Steuerfedern nicht versteift sind, als Stfitze dienen, er berfihrt jedoch nicht dauernd die Unterlage, sondern nur, wenn der Vogel sitzend eine bestimmte Stelle bearbeitet. Im Gebiet der t~iglichen Regenschauer halten sich die Beuteobjekte offenbar bevorzugt an der Unterseite der 7(ste auf. Urn dorthin zu geIangen, hielten sich die Hopfe mit einem Fuf~ auf der Oberseite, mit dem anderen an der Seite eines Astes lest und konnten so mit l-tilt:e des gestreckten Kopfes und des langen Schnabels die Unterseite der Kste erreichen. Der Schwanz war dabei auf der Astoberseite gegen die Unterlage geprel~t, etwa yon der Mitte seiner L~inge ab und gab dem Vogel so zus~tzlichen Halt. Die beobachteten Hopfe h~ingten sich hie frei nach unten, wie das yon anderen Arten dieser Gruppe beschrieben wird.

b) Z i r k e 1 n. Bei der Nahrungssuche, die sich offenbar bei allen Baumhopfen an St~immen und ~sten abspielt, wird die Rinde nicht nur mit dem Auge abge- sucht, sondern diese V~Sgel sprengen Rinde, Flechten, Moos usw. dutch Zirkeln y o n der Unterlage ab. Wo mehrere solcher Hopfe die Niume absuchen, fallen unentwegt Rinden- und HolzstiJckchen und andere Objekte zu Boden. Als ein Hopf einen mor- schen Ast absuchte und das Holz nicht dutch Zirkeln abzusprengen vermochte, h~im- merte er kurz dagegen, worauf das Absprengen gelang. Aut~er dem Star, wenn er auf einer Wiese Futter sucht, habe ich noch nie einen Vogel gesehen, der so unent-

*) Dr. P. KUNIIEL erm/iglichte den Aufenthalt am Institut pour la recherche scientifique en Afr~que centrale (I.R.S.A.C.), Bukavu.

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wegt zirkelt wie dieser Baumhop£ Da auch die tibrigen Hopfe kietternd Nahrung suchen, ist zu vermuten, daf~ sie auch zirkeln, obwotil offenbar noch kein Beobachter darauf geachtet hat."":') Als ich mit meinem Mitarbeiter Dr. LEISLER dartiber sprach, sagte dieser zu meiner I3berraschung, daf~ er das Zirkeln ftir Phoeniculus purpureus bestiitigen k/Snne. Ein solcher Vogel sei einige Zeit in einem Wiener Institut im K~ifig gehahen worden und habe, wenn man die geschlossene Hand vor den K~ifig hiett, sofort zwischen den Fingern gezirkelt.

I3ber die Verbreitung des Zirkelns bei den verschiedenen Vogelfamilien hat zu- letzt WINIIEI~ (1968) berichtet. Nach seiner Zusammenstellung wurde diese Verhal- tensweise bei einzelnen Arten yon insgesamt acht Familien der Passeres (Remizidae, Nectariniidae, Meliphagidae, Zosteropidae, Corvidae, Sturnidae, Coerebidae, Icteridae) gefunden, yon den Non-Passeres bis jetzt nur beim Austernfischer (Haematopus) und Steinw~ilzer (Arenaria). Dazu kommen nun noch die Phoeni- culidae.

Von besonderem Interesse diirfte es sein, einmal die Funktion des Zirkelns zu vergleichen, well sie zeigt, da{{ diese Verhaltensweise fib ganz verschiedene Zwecke ,,erfunden" wurde. Stare und St~irlinge zirkeln vor allem im Erdboden und erschlie- i~en sich so W[irmer und Larven; St~irlinge zirkeln auch bei der Gefiederpflege (KRAMER 1930); Saatkr{ihen zirkeln gleichfalls im Boden und finden dadurch Wtir- mer, Insekten und keimendes Getreide. Der Tannenh~iher 5ffnet vor allem die Schuppen yon Zirbelkiefernzapfen, im Boden s&afft er durch Zirkeln L~Scher far seine Verste&e (L6HtL 1970). Beutelmeisen spreizen die Bl~itter yon Schilfhalmen ab (LEISLER miindl, und Verf.), eine andere Art, Cephalopyrus flammiceps, 5ffnet eingerollte Bl~itter und erschlief{t dort verborgene Blattl~iuse (L6HRL 1967). Brillen- vSgel zirkeln offenbar ohne spezielle Besonderheiten bei der Nahrungssuche im Ge- zweig, und sie tun dies auch bei der Gefiederpflege (KUNKEL 1962, WINI{EL 1968). DeE australische Honigfresser Myzantha flavigula zirkelt auf B~iumen, auf dem Boden wendet er dutch Zirkeln trockenen Kuhdung, indem er ihn mit geschlossenem Schnabel durehstSf~t und ihn dabei hochhebt, wobei er den Schnabel iSffnet (GOODWlN 1967). Zu&erv~Sgel (W~NI~EI. 1968) 6ffnen offenbar vor allem geschlossene Bliiten durch Zirkeln. Austernfis&er 5ffnen Muscheln, und Steinwiilzer k/Jnnen dur& Zir- keln sowohl Muscheln 5ffnen, im Sandboden nach Nahrung zirkeln als auch Steine und Muscheln umwerfen (LA>me 1968). Zu diesen vers&iedenartigen Funktionen kommt nun also das Lossprengen yon Rindenstiicken, morschem HolE und Flechten durch Baumhopfe. Inwieweit die Baumhopfe morphologisch an das Zirkeln ange- pagt sind (vgl. LORENZ 1949), konnte ich leider ni&t erkennen.

c) S o z i a l v e r h a l t e n . In der Ruhe, z.B. als sie ans&einend gesgttigt wa- ren, sai~en zwei der Baumhopfe dicht aneinandergeschmiegt und putzten sich aus- giebig. Ich hatte meiner Frau schon ins Protokoll diktiert, dai~ sie soziale Gefieder-

**) Dies gilt nach freundlicher Mitteilung des Herausgebers nicht mehr. WlcliLei~ und SrlBr teilen gleichzeitig in dieser Zeitschrift eine entsprechende Beobachtung an Ph. purpureus mit.

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pflege treiben warden, da kamen mir doch Bedenken, ob ich reich nicht geirrt hatte, da die V/Sgel yon meinern Standort aus etwas schr~ig hintereinander sagen. So mug diese Frage offenbleiben, aber daf~ die V/Sgel auf engen Kontakt sitzen k~Snnen, ist gesichert. Dag Hopfe offenbar sehr sozial sind, geht aus der wiederholt gemachten Beobachtung hervor (z. B. ROWAN 1970), dat~ bei dem h~ufigen Griinbaumhopf Ph. purpureus nicht selten rnehr als zwei Altv~Sgel die Jungen fiitterten.

Erw~ihnt sei noch, dag die V/Sgel nicht scheu waren und eine Ann~iherung au~ etwa 10 m ohne weiteres duldeten. Erst als wir uns einem Vogel noch mehr n~iherten, lieg er seine Stirnme, ein tiefes Quarren, h~Sren und flog zum n~ichsten Baum.

Zusammenfassung Pboeniculus bollei klettert wie andere Arten der Familie; an glatten StS-mmen nimmt er die

Fltigel zu Hilfe. Der Schwanz dient weniger beim Klettern als beim Sitzen als Stiitze. Bei der Nahrungssuclae werden Rinde und Flechten durch Zirkeln mit dem langen, ieicht gebogenen Schnabel losgesprengt. Die bisher bekannt gewordenen Funktionen des Zirkelns werden be- sprochen. Phoeniculus bollei ist sozial, in Ruhe sitzen die V/Sgei auf Kontakt.

Summary' 0 Behaviour of the Buff-headed Wood-Hoopoe Phoeniculus bolIei

The Buff-headed Wood-Hoopoe climbs, like other members of its family, on smooth trunks using its wings to help. The tail is less important in climbing than as a support when sitting. When searching for food, bark and lichen are opened up by gaping (= Zirkeln) with the long, curved beak. The various functions of Zirkeln known hitherto are reviewed. This Wood- Hoopoe is social and rests in contact with others.

Literatur BANNERMAN, D. A. (1953) : The Birds of West and Equatorial Africa, Bd. I.

BeI~NDT, R., und W. MEISE (1962): Naturgeschichte der V~Sgei. Bd. 2 Stuttgart.

CttArlN, J. P. (1939): The birds of the Belgian Congo. Bull. Am. Mus. Nat. Hist. Vol. II, New York.

GOODWlN, D. (1967): Notes on behaviour of some Australian birds. Emu 66: 237--251.

H6sctt, W. (1933): Brutbiologische Beobachtungen am Sichelhopf. Orn. Monatsber. 41: 33--37.

KRAMr*<, G. (t930): Bewegungsstudien an V6geln des Berliner Zoologischen Gartens. J. Orn. 78: 257--268.

KUNKEL, P. (1962): Bewegungsformen, Sozialverhalten, BaIz und Nestbau des Gangesbrillen- vogels (Zosterops paipebrosa Temm.). Z. Tierpsychol. 19: 559--576.

LANGE, G. (1968) : r3ber Nahrung, Nahrungsaufnahme und Verdauungstrakt mitteleurop~iischer Limicolen. Beitr. z. Vogelk. 13: 225--334.

L6H•L, H. (1967): Zur verwandtschaftiichen SteIIung yon Cephalopyrus flamrniceps auf Grund des VerhaItens. Bonn. Zooh Beitr. 18: 127--138.

*) Dr. J. M. CULL~N (Oxford) verdanke ich die rObersetzung.

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LOHRL, H. (1970): Der TannenhS.her (Nucifraga caryocatactes) beim Sammeln und Kna&en yon Niit~chen der Zirbelkiefer (Pinus cerebra). Anz. orn. Ges. Bayern 9: 185--196.

LORENZ, K. (1949): Die Beziehung zwischen Kopfform und Zirkelbewegung bei Sturniden und Ikteriden. In: Ornithologie als biologlsche Wissenschaft (Festschrift Stresemann), Heidelberg, 153--157.

MACKWORTH-PRAED~ C. W, and C. H. B. GRANT (1970): African Handbook of Birds. Ser. 3: Birds of West Central & Western Africa. Bd. I. London.

ROWAN, M. K. (1970): Communal Nesting in Redbilled Woodhoopoes. Ostrich 41: 257--258.

SCHO~JTEDeN, H. (1951): De Vogels van Belgisch Congo en van Ruanda-Urundi. Annal. van her Museum van Belg. Congo Tervuren. - - Bd. 4.

WINKEL, W. (1968): Zirkeln bei Zu&ervogel-Arten (Coerebidae). Z. f. Tierpsychol. 25:533 bls 536.

Anschrift des Verfassers: Vogelwarte Radolfzell, 7761 MSggingen, Schlotgberg.