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1926 a 9 ANNALEN DER PEIYSIK VIERTE FOLQE. BBND 80 1. Zur Emtwicklumg der KenlzWb am den Gesc~zaindagk~teverlzcst~ der EathodeasWahZelz in der Naterie; eon P. Lenard Es seien mir als altem Mitsrbeiter der ,,Annalen" ge- legentlich auch einige geschichtliche Bemerkungen gestattet. Der gegenwartige Anla6 dazu ist ein Artikel des Hm. E : . Warburg') zu dem ich mich iiufiern mu5. Er bringt fiicht etwa Richtigstellungen zum sachlichen Inhalt irgendeiner meiner Arbeiten, was dankenswert wlire und vielleicht auch ganz der weiteren Forschung iiberlassen werden konnte, sondern mehr oder weniger offene Verdachtigungen meiner Denkweise, waR dem Versnch gleichkommt, den lnhalt der Qesamtheit meiner Arbeiten zu entwerten (sofern er nidht bereits an seinen Friichten als echt und also nicht entwertbar sich gezeigt hatte und sofern nicht gesundes Urteil der Leser den Versuch vereitelt). Denn dem Naturforscher, (lessen Wahrhaftigkeit irgendwie zweifelhaft ist, ist voller Wert seiner Arbeiten durchaus abzusprechen. - DaE aber Hrn. Warburgs dahin zielender Vermch mifigliickt ist, davon kann das Folgende, das somit nicht meiner Person, sondern dem Vertrauen auf meine veraffentlichten Arbeiten und damit der Wiasenschaft dienen soll, gutwillige Leser iiberzeugen Auch bedsrf die Entwicklung der Kenntnis von den Geschwindigkeitsverlnsten der Kathodenstrahlen liberhrtupt noch einer andern Beleuchtung als Hr. Warburg sie ihr gegeben hat. - 1. Ich bin in der Tat der erstc gewesen (ohne damit etwss besonderes sagen zu wollen), der die Frage einer Ver- andernng der magnetischen Ablenkbarkeit der Kathoden- strahlen bei Dnrchsetznng von Materie (Gasen, Metallschichten) gestellt und in einwandfreien, reinen Verauchen bearbeitet 1) E. Warburg, Zeitschr. f. Phys. 35. 5. 177. 1925. Annalen der Phpik. IV. Folp. 80. 1

Zur Entwicklung der Kenntnis von den Geschwindigkeitsverlusten der Kathodenstrahlen in der Materie

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1926 a 9

ANNALEN DER PEIYSIK VIERTE FOLQE. BBND 80

1. Zur Emtwicklumg der KenlzWb a m den Gesc~za indagk~tever l zc s t~ der EathodeasWahZelz

in der Naterie; eon P. L e n a r d

Es seien mir als altem Mitsrbeiter der ,,Annalen" ge- legentlich auch einige geschichtliche Bemerkungen gestattet. Der gegenwartige Anla6 dazu ist ein Artikel des Hm. E:. Warburg') zu dem ich mich iiufiern mu5. Er bringt fiicht etwa Richtigstellungen zum sachlichen Inhalt irgendeiner meiner Arbeiten, was dankenswert wlire und vielleicht auch ganz der weiteren Forschung iiberlassen werden konnte, sondern mehr oder weniger offene Verdachtigungen meiner Denkweise, waR dem Versnch gleichkommt, den lnhalt der Qesamtheit meiner Arbeiten zu entwerten (sofern er nidht bereits an seinen Friichten als echt und also nicht entwertbar sich gezeigt hatte und sofern nicht gesundes Urteil der Leser den Versuch vereitelt). Denn dem Naturforscher, (lessen Wahrhaftigkeit irgendwie zweifelhaft ist, ist voller Wert seiner Arbeiten durchaus abzusprechen. - DaE aber Hrn. Warburgs dahin zielender Vermch mifigliickt ist, davon kann das Folgende, das somit nicht meiner Person, sondern dem Vertrauen auf meine veraffentlichten Arbeiten und damit der Wiasenschaft dienen soll, gutwillige Leser iiberzeugen Auch bedsrf die Entwicklung der Kenntnis von den Geschwindigkeitsverlnsten der Kathodenstrahlen liberhrtupt noch einer andern Beleuchtung als Hr. W a r b u r g sie ihr gegeben hat. -

1. Ich bin in der Tat der erstc gewesen (ohne damit etwss besonderes sagen zu wollen), der die Frage einer Ver- andernng der magnetischen Ablenkbarkeit der Kathoden- strahlen bei Dnrchsetznng von Materie (Gasen, Metallschichten) gestellt und in einwandfreien, reinen Verauchen bearbeitet

1) E. Warburg, Zeitschr. f. Phys. 35. 5. 177. 1925. Annalen der Phpik. IV. Folp. 80. 1

2 P. Aenard

hat (1894).') Die Beobachtungen, bei welchen die Lagen der das Strahlende bezeichnenden Phosphoreszenzflecke in einer Reihe verschiedener Fillle an Millimeterskalen abgeleeen wurden, zeigten mir, ,,daB die Gr66e der magnetischen Ab- lenkung uberhaupt nicht beeinflu& wird durch das Medium in welchem die Strahlen beobachtet werden; dal3 vielmehr die Ablenkbarkeit einer und derselben Art von Kathodenstrahlen stets unveranderlich die gleiche bleibt, in allen Gasen, bei allen Drucken, bei jeder Intensitlt der Strahlen und auch dann, wenn dieselben eine vorgeschobene Metallwand zu durch- setzen hatten; daB dagegen bei verschiedenen Gasdrucken Kathodenutrahlen verschiedener Art erzeugt werden, welchen Ablenkbarkeit in verschiedenem Grade zukommt.c'2) - Die Ablenkungen betrugen bei den Versuchen, wo die meiste Materie in den Strahlweg geschaltet war (Al-Blatt) und die der Answertnng zu Geschwindigkeitsverlust nach spaterer Keontnis von der Natnr der Strahlen zugiinglich sind, ,,lo mm (f 0,6 mm)." 3,

1) P. L e n a r d , ,,Uber die magnetieche Ablenkung der Kathodenstr." Ann. d. Phys. 11. Chem. 63. S. 23-33. 1894. Es ist dort auch die Be- deutung der Ablenkung ale GeschwindigkeitsmaB fur den Fall, daB Kathodenetrahlen bewegtc negativ geladene Teilchen sein sollten, aus- drticklich hervorgehoben.

2) P. L e n a r d , a. a. O., 5. 24. Wenn oberfllchliche Leser falsche Angaben iiber Verijffentlichungen machen, die sie zitieren, wie daa dicser meioer Arbeit widerfahren ist, 80 kann man dafiir den gefrilschten Verfaaser, der, wenn er ehrlich ist, eine Abweichung von der Wahrheit nur iibel empfinden muS, nicht auch noch verantwortlich machen, wie daa Hr. W a r b u r g a. a. 0. tun will. Es hieBe das Billigkeit auf den Kopf stellen. Was verijffentlicht ist, liegt dem wirklich WiEbegierigen auch jederzeit in den Biichereicn vor. Nicht nur von dieaem Gesichts- punkt aus, eondern auch aus Achtung vor wissenschaftlichen Zeitsrhriften habe ich es andauernd unterlaseeu, falsche Zitierungen oder Auelegungen meiner Arbeiten in allen 40 Jahren sofort Bffentlich festzustellen. Ich habe aus gleichem Grunde auch niemale fiirmliche Prioritiitaanspriiche erhoben, auch nicht wo es ganz naheliegend gewesen wiire. Da nun aber, wenn man Hrn. W a r b u r g s Aneicht folgt, der Sachverhalt nm- gedreht sich findet, so sei ee mir gestattet im oben weiter folgenden einiges ausdrficklich richtiganstellen, was auch Hr. W a r b n r g bei Be- nutzung meiner Arbeiten nicht zutreffend aogibt, zumal er auch sein eigenee Irregehen gegen mich zu wenden eucht.

3) P. L e n a r d , a. a. 0. S. 27. Die Fehlergrenze f 0,5 mm ist dort ansdriicklich angegeben.

Ent'nlta'chluny der Kenntnis vow den Oeschwindiykeitsaerlusten 3

Da eine ~eschwindigkeitsanderung der hinderung der magnetiechen Ablenkung, also einer Xnderung jener 10 mm 5 0,5 mm proportional ist, war, nach heutigen Anforderungen (und Maglichkeiten) benrteilt, eine sehr geringe Genauigkeit erreicht, die die Moglichkeit einer gewissen, nicht ganz kleinen Geschwindigkeits~nderung offen lie& Dennoch war die an- gegebene Feststellung ein bedentsames Ergebnis. Denn es war damals die Hypothese von der strahlenden Materie, worunter man gewiihnlich negativ geladene Molekiile sich vor- stellte, noch nicht dsei t ig aufgegeben worden'), und fur ge- schleuderte Molekule waren in den Gasen nnd in Aluminium sehr gobe , stark merkbare Geschwindigkeitsverluste zu er- warten gewesen. Es war somit die Einsicht in die Natur der Strahlen durch die Beobachtungen um einen Schritt weiter gediehen, nnd in dieser Absicht waren die Versuche aus- gesprochenerma6en auch unternommen ; sie wollten einen Bei- trag zu damals wichtigen Fragen der Naturforschung liefern nnd haben das auch getan. Jedoch, mine und quantitative Versuche k6nnen auch weitergehender Verwertung vie1 spiiter noch znganglich sein ; sie werden dnrch inzwischen gewonnene, neue Einsichten nicht entwertet, da sie Naturfestetellungen bedeuten, sondern sie bleiben stets zu neuen SchlUssen bereit. Ich konnte mir daher erlauben, 24 Jahre spater diejenige Geschwindigkeitsanderung in der benutzten 0,005 mm dicken Aluminiumschicht aus den Angaben der alten Veraffentlichung zu berechnen, die, wenn sie vorhanden gewesen ware, meinen damaligen Messungen durchaus nicht hatte entgehen kiinnen. Da die gemessenen Ablenkungen (10 f 0,5) mm waren, ist die gesuchte Andernng der Ablenkung, d.i. dieDifferenz zweier solcher Ablenknngen (10 f 0,5) mm - (10 f 0,5) mm = (0 f 1,0) mm, d. h. es hatte eine h d e r u n g der Ablenkung von f 10 Proz. degewesen sein khnen , ohne bemerkt zu werden, aber keine von Null noch mehr abweichende. Dies ist gar nicht will- kiirlich gerechnet, wie Hr. W a r b u r g meint, sondern es ist das Ergebnis einer ganz gewiihnlichen Subtraktion mit rich- tiger Beriicksichtigung der Bedeutung des Zeichens f bei An-

1) Vgl. die Eialeitung znr zitierten Abhandlung, Annalea 62, S. 33; auch ,,6ber Kathodenstrahlen" Nobelvortrag, 2. And. Ver. wise. Verl. Berlin 1920. S. 26 nnd 76.

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4 P. Lenard

gaben der Cfrenzen moglicher Fehler, und eine solche Angabe waren in der Tat jene f 0,5 mm in der unsprhglichen Ver- offentlichung.

Wer meine Rechnung ,,einigermaSen willkurlich" nennt., hat noch nicht begriffen, wozu die Rechnung dienen sollte: Namlich zur Ermittlung derjenigen Geschwindigkeitsiinderung unterhalb (und sicher nicht oberhalb) welcher die wirkliche Geschwindigkeibsanderung su suchen ist. Diese Angabe war ernstlich erforderlich gewesen, als ich in den Jahren 1915-17 die gesamte Literatur iiber Kathodenstrahlen besrbeitete.')

1) ,,Quantitatives iiber Kathodenstrahlen aller Geschwindigkeiten", erschienen 1918, Neuheransgabe 1925 (Verlsg Winter, Heidelberg); im folgenden mit ,,Qu. ii. K.'I bezeichnet. Man sehe dort (S. 54, Note 128) such die ganz eingehend mitgeteilte uberlegung zu obigem. Obgleich Hr. W a r b u r g seine Kritik hauptsiichlich gegen dieses Werk richtet, schaint er es nicht zu kennen, einige herausgerissene SLtze ausgenommen. Gegeniiber den etarken Entstellungen des Inhalt8 d i e m Werkes, wclche Hr. W a r b u r g seinen Lesern bietet, muU ich Zmeifelnde bitten, die him such weiter noch anzugebenden Stellen nachzulesen. Sie werden bei- epielswcise such finden, daE meine alten Meesungen iiber magnetischo Ablenkbarkeit iiberall ganz ausdriicklich nur fur einen ,,Grenzwert" des Geschwindigkeitsverlustes berangezogen sind, nnd mit einem Grenzwert- Zeichen (Grenrlinie mit Pfeilspitze) sind sie auch in die graphische Daretellung Taf. I dort eingetragen. DaE dort die cinzclnen Angsben in zeitlicher Reihenfolge mit Jahreezahlen angefuhrt wurden, dies ergab sich ans der UnmBglichkeit richtiger Beurteilung von Ergebnissen ohne Beriicksichtigung der Entstehnngszeit ; die MeSgenauigkeit schreitet be- kanntlich etetig vor. Ich bin ubrigens bei der Einhaltung der Reihen- folge von Datierungen steta peinlich verfahren, doch konnten der Absicht des Werkes entsprechend in demselben nnr Ver6ffentlichungen beriick- sichtigt werden , die zu kritiseher und quantitativer Verwertung Hand- babe boten. MaEgcbend War dann ihr Eingnngsdatum bei einer Schrift- leitung (bzw. E'akultiit, Akademie) gewesen. Man findet im Sachverzeicbnis von ,,Qu. a. K." eine Anzabl von Gruppen solcher nach Datierung geordneter Vertiffcntlichungen in iibersichtlicher Weise zusammengestellt (z. B. iiber arenzdickenmessungen , SekundHnstrslilungsmessungen usw.), und eben infolge der Gemissenhaftigkeit der Auswahl nnd Anordnnng kann such der ernste Historiker daraus Xutzen ziehen. Insofern er die praktische Brauchbarkeit alic wesentlichen Teil eines Fortschrittes ansieht, findet er die in spLteren Zeiten immer schwerer zu sammelnde (von ihm natiirlich selbst einznsehende) mesentlichc Literatur vollstandig znsammen- geetellt (ein einzelnes ubersehen ausgenommen, woriibcr eine nachfolgende Mitteilung handelt). Eine rein historiscbe, von allgemeinen Gesichts- punkten ausgehende Daretellung eines Teiles der Entwieklung der

Entwicklung deT Kenntnis von den Geschcandigkeilsverlusten 6

Denn es fehlten in der betreffenden Geschwindigkeitsgegend (urn 1/3 Lichtgeschwindigkeit) damals noch immer einwandfreie Angaben iiber die GrSBen der Geschwindigkeitsverluste I), und es muate auBerdem darauf ankommen, siimtliche und vor allem alle einwandfreie , aus reinen Versuchen gesammelte Erfahrung heranzuziehen. Da5 meine damals iiber 20 Jahre alten Versuche hierbei noch dienen konnten, dies dtkfte man ruhig erfreulich finden (statt es zu bemiingeln). Jcdenfalls war es aber notwendig sie heranzuziehen, wenn man moglichst sicher wissen wollte, wie es mit den Geschwindigkeitsverlusten in der besagten Geschwindigkeitsgegend quantitativ steht. Es iet klar, da5 ein ernet zu nehmender, d. i. aus reinen Ver- suchen erhaltener Grenzwert sogar vie1 mehr wert ist als noch so viele in mohr odor weniger unreinen, nicht geniigend reduzierbaren Messungen ,,wirklich beobachtetd' Werte.2) Die so, durch Heranziehung samtlicher Erfahrung, erhaltene Kurve (,,Qu. ii. K.'l, Taf. I), welche die Verluste als Funktion der Geschwindigkeit angibt, hat brauchbare Schltisse (besonders uber die Energieverhaltnisse der Kathodenstrahlen) erlaubt 9, und sie kann auch heate noch fast unverilndert gelten (vgl. 3).

2. Zur Zeit meiner im Vorhergehenden betrachteten Messungen iiber Ablenkbarkeitsanderung der Kathodenstrahlen war die Natur dieser Strahlen erst noch in Aufklarung be- griffen. Vier Jahre spater, 1898, war die Uberzeugung be- griindet 9, da0 die Strahlen mit bestimmter Gleschwindigkeit bewegte, negative Elementtarquanten der Elektrizitat seien.

Kenntnis von den Kathodenstrahlen habe ich an anderer Stelle ge- gel)en (Nobelvortrag ,,nber Kathodenstrahlen", 2. Aufl., Ver. wiss. Verl., Berlin 1920).

I) Die vorhandenen Angaben widersprachen einander teilmeise sognr fast in der GrtiEenordnung der Verluste; die Belege finden sich eingehend in ,,Qua ti. K." S. 49-57. Als Beispiel sei aogefiihrt, daS das VerlustmaE dv/dx betragen hlitte: nach L e i t h a u s e r bei u = 0,26 0,002; nach W h i d d i n g t o n bei v = 0,29 0,009. Also starker Wider- spruch, da sonst Abnahme (nicht starke Zunahme) der Verluste bei steigender Oeschwindigkeit beobachtet war. Man sehe daau die stark zerstreute Lage der' eiuaelnen Beobachtungspunkte in Taf. I Qu. ti. K.

2) Vgl. hierzu iiber ,,Reine Versuche" P. L e n a r d , Nobelvortrag

3) Vgl. ,,Qu. a. K.", S. 165u.ff.

__ . . __ __

2. Aufl., S. 70.

4) Vgl. das Historieche hierzu a. a. 0. (Nobelvortrag), S. 97.

6 P. Jenard

Hiernach erhielt das Suchen nach Veriinderung der mag- netischen Ablenkbarkeit der Strahlen in der Matorie neue Bedeutung und es wurde dementsprechend an mehreren Stellen wieder aufgenommen, wobei man allerdings meist wenig auf reine Dnrchfuhrung bedacht war. Einen ersten positiven Er- folg zeigten die Beobachtungen von E. G e h r c k e an ,,reflek- tierten" Strahlen') insofern, a l s diese an Pt und Mg in ver- schiedener Weise verzogert erschienen, welcher Unterschied durch Stiirungen nicht erklarbar ware und also Zeichen einer Qeschwindigkeitsbeeinflussung durch den Stoff des ,,Reflektors" iat. Dann folgten Hm. L e i t h a n s e r s Messungen an Strahlen, die durch Metallblatter gegangen waren 7 mit positiven, quantitativ allerdings erst nach eingehender Kritik 9 und nur im Sinne von Grenzwerten 4, brauchbar gewordenen Ergebnissen. -

Alle diese Beobachtnngen beziehen sich a d Strahlen mittlerer Geschwindigkeit. Bei langsamsten Elektronen (4 Volt und 8 Volt) habe ich zuerst bei Gelegenheit meiner Ab- sorptionsmessungen sehr starke und uneinheitliche Geschwin- digkeitsverluste nachweisen kiinneaK) Bei etwas groBeren

1) E. G e h r c k e , Berl. Akad. 18. April 1901, S. 461; Dieeertat. Berlin 1901; Ann. d. Phys. 8. 6. 81. 1902. Dort auch Zitate zweier vorher- gegangener Veriiffentlichungen znr Frage der G e s c h w i n d i g k e i t s a n d ~ g mit nicht entscheidenden Ergebnissen (E. M e r r i t 1898, W. C a d y 1900). DaS die ,,Reflexion" keine bloBe Oberfliichenerscheiuung ist wurde erbt spater nachgewiesen (vgl. ,,Qu. u. K.<', S. 194-197).

2) E. L e i t h a u s e r , Dissertation Berlin, 31. Juli 1903; Ann. d. Phys. 16. S. 299. 1904; vorliiufigo Mitteilung von E. W a r b u r g in der Bed. Akad. 1902. S. 267.

Hr. W a r b u r g nennt einen Hanptteil dieeer Kritik ,,unbegriindet". Wollte man Hm. W a r b u r g folgen, so wiirde man in jene oben erwiihntc, sehon so zu- treffend beseitigte vollstlindige Unsicherheit tiber die CfriiBe der Ge- schwindigkeitsverluste wiader zurtickfallen (vgl. Fu6note 2 auf S. 5, und Absatz 3); auch andere quantitative Kenntnis tiber die Kathodcn- strahlen wiirde wieder in die ungcklarten Widerspriiche kommen, die vor 1918 so hinderlich waren (vgl. ,,Qu. ii. K.", S. 18-34). Ich gehe daher im oben weiter folgenden (3) noch besonders hierauf ein.

4) Hrn. L e i t h a u s e r s Beobachtungspunkte geben, enteprechend der erwahnten Kritik, untere Grenzwerte der Cfeachwindigkeitsverluste; sie liegen bei den groSten Cfeschwindigkeiten vie1 zu niedrig (vgl. ,,QU.

ii. K.", Taf. I).

3) Vgl. dieae in ,,Qu. ii. K.", S. 20-22, 26, 55.

5 ) P. L c n s r d , Ann. d. Phys. 12. S. 727. 30. Juli 1903.

flntwicklung der Kennhzis von den Geschwindigkeitsverlusten 7

Geschwindigkeiten (1600 Volt) zeigten sich zuerst bei f i n . Bes te lmeyers elm-Bestimmung Erscheinungen von Qe- schwindigkeitsverlust. l)

Fur grofite Geschwindigkeiten wurden Verluste zuerst von Hrii. W. Wi l son festgestellt.a) Es sind dies zugleich auch die ersten reinen und ganz eingehenden Geschwindigkeitsverlust- messungen iiberhaupt (191 l), wobei allerdings zu bemerken ist, daS die fur grofite Geschwindigkeiten benutzbaren radio- aktiven Strahlenquellen sehr vie1 leichter reine, Yon ungewollten elektrischen Kraften nicht gestorte Versuche gestatten, ale die EntladungsrGhren.

3. Kermit konnte das Statthaben von Geschwindigkeits- verlusten in allen Geschwindigkeitsgebieten als festgestellt gelten. Gesicherte quantitative Kenntnis ergab sich aber erst nach kritischem Stndium auch der weiterhin bis 1918 hinzu- gekommenen Messungen 3), nach Einfiihrung einer scharfen Defiuition des VerlustmaBes ') und bei Vergleichung mit aller ubrigen Erfahrung an Kathodenstrahlen (Sekundiirstrahlung, Energieverhhltltnisse, Diffusion6), wie es in ,,Qu. li. K." durch- gefiihrt ist. Man erkennt das Zutreffen dieser Behauptung am besten bei Einsicht der sehr zerstreuten Lage der vielen Beobachtungspunkte, verglichen mit der Kurve Taf. I dort. Diese Kurve, welche das scharf dehier te VerlustmaB als Funktion der Geschwindigkeit angibt, ist dann dnrch die seither hinzugekommenen teilweise schon sehr verfeinerten Messungen 6, auch so gut best'htigt worden, als zu erwarten war.?)

Da Hr. War bu rg besonders gegen diese meine znsammen- fassende Kenntnisdarstellung in ,,Qu. a. K." in leicht irre-

1) A . B e s t e l m e y e r , Ann. d. Phys. 36. S. 92ff. 1911. 2) W. Wilson, Proc. Roy. SOC 84. 6.141. 1911. 3) Baxmann 1911, v. B a e y e r 1912, W h i d d i n g t o n 1912,

4) ,,Qua ii. K.", S. 49. 5) Vgl. dam ,,Qua ii. K.", besonders S. 40 und 41. 6) 0. Eisenhnt , Die#. Heidelberg 1921; vgl. auch A. B e c k e r ,

Ann. d. Phys. 76. S. 435. 1934; H. M.Terri11, Phys. Rev. 22. S. 101. 1923; A. Beckor , Ann. d. Phys. 78. 5. 209. 1925; 0. Klemperer , ZeitHchr. f. Phys. 34. S. 552.1925. Dieee Messungen weisen der Kurve einen im Verhilltnis zu frfiherer Unsicherheit nur sehr weuig veranderten Lauf zu.

Daiiysz 1913; vgl. ,,Qu. ii. K.", S. 50-56.

7) Ober die Erwartung vgl. ,,Qu. ii. K.", S. 41 und 42.

8 P. Lenard

fuhrender Weiee sich wendet, sei hier noch das Folgende bemerkt:

Hr. Warburg beanstandet meine Kritik der ,,im Berliner physikalischen Institut in den Jahren 1901-1 904 ausgefiihrten Untersuchungen uber Kathodenstrahlen"; er nennt sie ,,un- begriindet". Man kann aber die Begriindung in ,,Qu. u. K.'< jederzeit nachlesen') und sie iet sogar sehr ausfuhrlich. Sie geht einerseits im einzelnen auf die Verftthrungsweisen bei den Versuchen ein und weist deren leicht auffindbare Miingel als einflu6reich nach2); andrerseits hebt sie auch die starken Unstimmigkeiten in den Ergebnissen, gegeiiiiber eiuwandfreien oder besser durchgefiihrten Messungen, hervor und zeigt sie als offenbare Folgen der ersichtlich gemachten Dadurch war Klarheit geschnEen, wo friiher Unsicherheit hernchte; gesichertes Wissen war gefirdert worden und eben dazu war die Kritik notwendig. Wen das so wenig interessiert, wie allem Anschein nach Hrn. Warbnrg , der auf alles dies nicht eingeht, wodurch eben seine Beanstanduug unbegriindet wird'), dem kommt es iiberhaupt niclit auf die Sacho

1) ,,Qu. u. K.", S. 20, 21, mit den zugehlirigen FuUnoten; S. 22, 26 mit Note 46; auSerdem an mchreren anderen, mittels des Autorenregisters leicht auffindbaren Stellen.

2) Vgl. die w. u. (4) genannten drei Beispielc. 3) Dies ist nicht nur in betreff der Geschwindigkeitsverluste durch-

gefuhrt, sonderu gane allgemein, durch alle 7 Ahschnitte des ,,Speziellen Teils" von ,,Qu. ii. K ", wodurch auch ersichtlich ist, daB die Kritik nicht etwa den Arbeiten eines bestimmten Institutes galt.

4) Unbegriindet, nlimlich ohne weiteree hingestellt, war auch schou Hm. W a r b u r g s 14 Jahre vor Erscheinen von ,,Qu. ti. K." ausgesprocheue, d a m ofter wiederholte Verdlichtigung dee (von mir mehrfach benutzten) Induktoriums zur Erzeugung (ganz geniigend) homogener Kathodenstrahlen (Zitate vgl. i n ,,Qu. ii. K.", S. 20). Man vgl. dazu ,,Qu. ii K.", S. 24. Es war dabei statt vorsichtiger Benuteungsweise des Induktoriums. nn- geechickte Benutzung voransgeeetrt worden. Hcute ist durch die gute obey- einstimmung der mit dem Induktorium (an der Aluminium-Fensterrohre) ansgefiilirten Messnngen verschiedener Art mit sonstiger Kenntnis langst erwiesen (vgl. z. B. ,,Qu. ti. K.", S. 86, Note 220 und Taf. 111), daS das In- duktorium zudenerfolgreicbsten,reinsten und in allerletzterZeit,mit Ausbau der schon von Anfang eingeftihrteii Benut~zungamaSregeln (vgl. ,,Qii. ii. K.", 8. 86, Note 219) sogar such eu den feinst durchgefiihrten quantitativen Untersuchungen uber Kathodenstrahlen festbestirnmter Geschwindigkeit gedient hat (vgl. beeonders A. B e c k e r , S u n . d. I'hys. 76. S. 211. 1925).

Eritwicklung der Kenntnis von den GescAwindigReitsver~usten 9

an.l) Mir dagegen war es vor allem um E'iirderung der Sach- kenntnis zu tun gewesen, sonst wLre mir iiffentliche Kritik ganz fern gelegen; ich habe sie in ,,Qu. ii. I(.(( iiberhaupt erst unternommen ale die verwirrenden ?&angels) schon fast 10 .Jahre hindurch zu merken waren, als sie meiner eigenen A1 beit und der meiner Umgebung 3, unangenehm hinderlich geworden waren und als Abhilfe von anderer Seitc doch fort- dauernd ausgeblieben war.

4. Die Influenzmaschine zur Kathodenstrahlerzeugung be- treffend weist Hr. Warburg auf eine vermeintliche Ablehnung dieser Spannungsquelle nieinerseits hin. Ich habe mich jedoch nicht mit der Ablehnung von Apparaten befasst4); wohl aber war ich genbtigt, um der Heraussuchung und kthftigen Sicherung einwandfreier Meseungen willcn mit demjenigen, zu sorglosem G'elrauch der Influenzmaschine mich zu befassen , der unter anderen die vie1 zu niedrig ausgefallenen Geschwindig- keitsmessungen zur Folge hatte (3 Beispiele w. u.), und ich habe dies mit aller wunschenswerten Griindlichkeit getan.6) -

1) Oder er ist zufrieden n i t zwei ganz vcrschiedenen Aussagen uber Dasselbe, dic doch beide richtig scin sollcn, obgleioh sie eiuander widersprechen (wie ,,spezielle" und ,,sIlgemeine" Relativitats,,tbeorie"). Wann wird man bemerkcn, daB dicse schon fast hermhend gewordene Goistesrichtung das Ende gediegcner Naturforschung bedeutet?

2) Wer dieser nun schon liinger zuruckliegenden Msngel sich niclit erione! t , mag ihre Chakterisierung iu Beispielen in ,,Qu. 11. K." nach- leuen: nbcr Absorptionsangaben S. 98 (vorletzter Absatz); iiber Ge- schwindigkeitsverlustangaben S 50 (erster Absatz) und S. 53 (Note 121); iil)er den iiblich gewcseiieu Gebrauch undefinierter Begriffe, wodurch Ztrhlenangaben uberhaupt mertlos wurden, S. 15 (Note 8).

3) Vgl. die Tiitigkcihberichte des Radiolog. Tnstituts (Zitate in ,,($ti. ii. E.", S. 13):

4) Man lese die betreffenden Ausfiibrungcn in ,,Qu. il. K ", S. 20- 28. 5) Man vgl. auch die hauptstichlich der Aufkliirung halber unter-

nommenen Experimentaluntereuchongen von 0. D e v i k (Ann. d. Phgs. 45. S. 941. 1914; dazu ,,Qu. ii. K.", S. 21, 23, 195) und 0. E i s e n h u t (Dise. Heidelberg 1921; auch A. B e c k e r , Ann. d. Phys. 76. 8. 435. 1924, dtrzu ,,Qu. u. K.", Neuherausgabe 1925, S. X, XI), die allerdings auch noch Anderes forderten. Die erstere Arbeit weist besonders nach, daB elektrische Schwingungen die Ursache der Messuogsfilschungen sind. Die zweite zcigt dies auch eogar noch durch Wiederholnng einee Teils der Le i thauserschen Vereuche; sie eeigt aulerdem, deB die Stiirungen bei Anwcndung von Gliilielektroden leicht ganz fern zu halten eind.

10 P. Zenard

Wer Interesee an Sachkenntnis hat wird das immer nur be- griiI3en. Das Wesentliche, fiir kiinftige Anwendung der Inflnenz- maschine mit gewijhnlicher Entladungsrohre nutzliche Ergebnis ist dieses, daI3 mindestens bei Strahlgeschwindigkeiten uber 0,2 Lichtg. eine gewisse, in den zuletzt zitierten Arbeiten ein- gehend erorterte Voreicht gegeniiber Schwingungsvorgiingen im Leitersystem notig ist (die nicht beachtet worden war, da man die Influenzmaschine ebenso ohne rueiteres fiir einwandfrei hielt, wie das Induktorium ohne weiteres fur untauglich er- Irl'it worden war).l) Die Geschwindigkeitsgrenze 0,2 Lichtg. kann dabei natiirlich nicht fiir alle Falle gelten; doch ist nach dem aufgedeckten Ursprung der Stiirungen einzusehen, daB dieselben stet8 urn so weniger zu befiirchten sind, je kleiner die Spannungen sind, mi t denen man arbeitet,.2) Es ist daher gar nichts Neues, und nimmt sicb nur sonderbar BUS, wenn jemand hervorhebt auch einmal ohne Stijrungen mit der Influenzmaschine gearbeitet zu haben, worauf Hr. War b u r g Gewicht legt Jeder Experimentator weiI3, daB es weniger auf die Apparate ankommt, die man benutzt, als vielmehr a d die Beachtung dessen, was bei der Benutzung vor eich goht, und die Versauumnis des letzteren in gewissen Fallen ist der springende Punkt.

Folgendes sind zur besonderen Verdeutlichung 3 an den unten angegebenen Stellen gut nachgewiesene Beispiele wesent- lich zu gering gemessener Strahlgeschwindigkeiten, offenbar infolge der nachgewiesenermaBen bei haheren Spannungen leicht auftretenden Schwingungen, derer Scheitelspannung die Entladung bewirkt (mie Leim Induktorium), wiihrend die MeB- instrumente nur die (fiir konstant gehaltene) geringere, mittlere Spannung der InAuenzmaschinenleitung angeben: 1. bei Qe- schwindigkeitsverlustmessungen "); 2. bei Absorptionsmeseu~gen~);

1) Vgl. ,,Qu. ii. KScr, S. 26 oben, wo auch Taf. I dort sitiert ist, aus der daa starke Anwachscn der Storung iiber 0,2 Lichtg. unmittelbar deutlich ersichtlich ist (zu tiefc Lage der Punkte QOn Leithauaer; zu- gehorige Texbatelle S. 55 dort).

2) Vgl. ,,Qu. ii. K.", S. 21. 3) Man sehe ,,Qu. u. K.", Taf. I, Punhte von Leithiiuser und

vgl. dazu den Text 8. 55 dort. 4) Man sehe ,,Qu. ii. K.", S. 21 mit Note 25a rmd S. 98 (4. Abaatz)

(Absorptionsmeesungen von Leith &user).

XntwicAImzg der Kenninis von den Geschwindigkeitsverbsten 11

3. bei Messungen von Riickdiffusion. l) Dab die Qeschwindig- keit einheitlich sein kann (was beim Induktorium auch nahezu der Fall ist) hat damit nichta zu tun; sie war eben doch der Schwingungsstornngen halber falsch gemessen , und diese Storungen beeinflussen auI3erdem durch ihre Wellenkrafte auch sonst die Er8cheinungen.B)

5. Es sind noch die Abweichungen von den mittleren Qeschwindigkeitsverlusten bei einheitlicher Anfangsgeschwindig- keit zu betrachten. Meine Angabe ,,die Qeschwindigkeits- verluste in der Materie sind (bei Strahldurchgang in ursprung- liclier Richtung) nahe einheitlichii3 wird von Hrn. War bu rg ebenfalls a h ,,unbegriindet" bezeichnet. Dies mi6achtet aber Tatsachen3 und ist auch wohl nur wegen .einer Hypothese oder Theorie (des Strahldurchgangs durch Mdetalle) geschehen, welche auf wesentlich und stet8 sehr starke Uneinheitlichkeit der Qeschwindigkeitsverluste gegriindet war.$) Ich hatte, in der Meinung, da6 es vor allem auf Tatsachen ankomme, samtliche bis 19 18 bekannte, oinwandfrei festgestellte hicrher- gehorige Tatsachen in ,,Qu. ti. K." zusammengestellt 6), und daraus znnlchst den SchluS gezogen (S. 27 dort), daB man ,,bei Strahldurchgang in urspriinglicher Richtung in erster Annaherung mit mittleren Qeschwindigkeitsverlusten pro Weg- einheit, d v l d x, als Funktion der Qeschwindigkeit rechnen daf", wozu dann d v l d x noch ausdriicklich als ,,maximal vertretene" Geschwindigkeitsanderung definiert wird, unter be- sonderem Hinweis auf die Nichteinheitlichkeit, aber auch auf

1) Man sehe ,,Qu. u. R.", S. 196 u. 197 (VII, B 2b mit Note 557)

2) Beeonders Beschleunigung fast niemals fehlender Sekundar-

3) Absatziiberschrift in ,,Qu. ii. K.", S. 25. 4) Wcr ,,Qu. u. K." aufscblagt, wird sich uber das ,,unbegriindet"

auch nur wundern k6nnen; denn der Satz ist oberschrift langerer Aus- ffihrungen (S. 25-27), die nichts weiter enthalten, ala ehen die Be- piindung nnd zwar eine, die auch heute noeh zutrifft. Was noch tibrig bliobe, wLre liicherlicher Streit urn dae Wort ,,nuhe", dessen Bedeutung im einzelnen ubrigens aus ,,Qu. U. K.'. ebenfalle zu ersehen iat (vgl. w. u.).

5) Hr. W a r b u r g Gitiert eelbst seine betreffende Abhandlung vou 1904.

6) Einleitend an der angegebenen Stelle und weiter eingehend im beeonderen Abschnitt fiber Oeechwindigkeitsverluste S. 49-62.

(Riickdiffusionsmessungen von War b u r g und W i l liama).

etrahlung kommt hier in Betracht (vgl. ,,Qu. ii. K.", S. 22, 23).

12 P. Lenard

die ZweckmaBigkeit vou deren Beiseitesetzung, wenn eine urn- fassende, vereinfachte Behandlung des Qesamtgebietes aller Elektroncngeschwindigkeiten in erster Annaherung erreicht werden 8011.') Das Letztere ist auch befriedigend gelungen. Die Rechnung mit mittleren (maximal vertretenen) Qeschwindig- keitsverlusten hat sich a h sehr brauchbare Grundlage gezeigt, besonders auch bei Beurteilung der Energieverhaltnisse 3, und sie ist auch erweiterungsfahig; man kann die Nichteinheitlich- keit, wo es niitig ware, noch mit in Rechnung setzen.

Will man diese aus allgemeiner Erfahrung geschijpfte Grundlage zugunsten der von Hm. W a r b u r g berechneteu speziellen Hypothese verlassen, so steht man wieder so ratlos, bestenfalls auf verwickelte Rechnungen angewiesen, einer - wenn auch nur angenaherten - quantitativen Beherrschung der Erscheinungen gegeniiber, wie vor 30 Jahren. Man darf aber au6erdem nicht vergessen, da6 Hrn. Warburgs Rech- nungen unreine Versuche zur Grundlage hatten iind zwar einschlie6lich doren ganz besonders fragwiirdiger qusntitativer Ein~elheiten.~) Die Rechnungen setzen zu groBe Uneinheitlichkeit der Geschwindigkeitsverluste voraus, als dab sie, auBer Tiel- leicht bei sehr langsamen Strahlen, eine brauchbare Annaherung an die Wirklichkeit bieten kiinnton.

1) Dies findct sich an hervorragender Stclle, am Eingang tles Hauptabschnittcs iiber Geschwindigkeiteverlust, mit norh weiteren m- gehorigen ErlButerungen (S. 49 mit Note loo), und der Hinweis auf die Nichteinheitlichkeit, die allerdiugs nicht so stark eei 81s gewohnlich angenommen, iet in einer Zusammenfaasung noch wiedcrholt (S. 59, I. 13 3). Der Extremfall allerlangssmeter Elektronen, wo d v / d z definitionsgemaB seine Bedeutung ver!iert (,,&a u. K.", S. 57, I. A. 4) ist an dort ange- gebenen Stellen gcsondert behandelt (S. 68 und 185).

, 2) ,,Qu. ti. K.", S. 165-189. 5) Man sehe hierzu die eingehende Ersrterung ,,Qu, u. B."' S. Y 6 ,

Note 46 (vgl. auch Note 47). Die Rerethnung YOU Geschwindigkcits- verteilnngen mittcls Kurven dcr Pbosphoreszenahelligkeit, dercn Miiligcl durch Weglassung jedee MaEstabcs und sogar dea Nullpnnktea cicr Koordinaten der Kurven vcrdeckt eind, hiitte Hr. W a r b u r g wohl (.in ,,g(indich unzulassigee Verfahrcn" nenncn daden. Ea kommen sber noch die StSrnngen durch die Wellenkrafte der Schwingungen hinzu, deren Vorhandensein durch dee Nichtzutreffen der Hauptgeechwindigkuit verraten iat (vgl. 4); wie sehr groS diese Storungen sein k6nnen, ist an einem verwandten Fall gezeigt (,,Qu. u. K.", Y. 82).

Entwicklung der Kenntnis von den Oeschwinnigkcitsuer~u~~t~ 13

Es sollte daher mein Hinweis in ,,Qu. ii. I(-(( auf die ,,nahe Einheitlichkeit" der Geschwindigkeitsverloste in der Tat eine Ablehnung der grundsiitzlichen und vohtandigen Zuriick- fllhrung des Absorptionsvorganges ,auf sehr nneinheitlichen Geschwindigkeitsverlust bedeuten , zugunsten der zuniichst weiter zu priifenden Vorstellung von der grundsiitzlichen Verschiedenheit der beiden Vorgiinge: Absorption und Ge- schwindigkeitsverlust. Diese letztere Vorstellung, bei welcher die Uneinheitlichkeit der Geschwindigkeitsverluste nnr eine nebensiichliche Rolle spielt, hat sich aber auch, mindeetene als erste Annaherung bei kleinsten, wie mittleren und gro6ten Geschwindigkeiten, gut bewahrt l), indem die ihr entsprechende gesonderte Untersnchung der beiden Vorglnge quantitativ durchgefiihrt werden konnte; sie bildet auch wesentlichen Teil des von mir in guter erster Annaberung durchgefiihrten ein- fachen Systems der Beherrschung der verwickelten Elektronen- bewegung in Materie.

Man hat aber auch ganz unmittelbaren Anla6, die Un- einheitlichkeit der Geschwindigkeitsverluste als nebensiichlich besondere auch fur die Absorption zu betrachten, wenn man z. B. sieht, da6 Kathodenstrahlen von 0,52 Lichtg. (also von mittlerer, nicht etwa einen Extremfdl bedeutender Geschwindig- keit!, welche eine Al.Schicht von 0,0135 mm Dicke dnrchsetxt haben (wobei jedes durchgegangene Elektron mit mehr als 45 000 A1-Atomen 2, zusammengetroflen ist), doch keine nennens- wsrten Geschwindigkeitsverschiedenheiten, sondern nur einen sehr nahe einheitlichen Abfall der Geschwindigkeit von 0,52 auf 0,49 Lichtg. aufweisen3), wahrend andererseits rnnd die Halfte der Elektronen in der Schicht bleibt (absorbiert ist), also gar keine in Strahlrichtung geordnete Geschwindigkeit mehr iibrig hat. Dies macht unmittelbar dentlich, daS die

1) Vgl. dazu im einzelnen such meine folgende Mitteilung iiber Sekundiirstrahlung uud Absorption in diesen Aunalen.

2) Soviele Atome liigen auf dem kiirzesten Weg durch die Schicht. 3) Das Beispiel findet sich eingehend durchgefiihrt, mit gnten

Abbildungen bti A. Becker, Ann. d. Pbye. 78. 5. 209. 1925 (vgl. Taf. 111, Abb. 4 dort); aber anch meine alten Unterauchungen von 1894 hattcn sehon das, morauf es in der Haupteachc hier ankommt, aufe Deutlichete gezeigt (vgl. ,,Qu. u. K.': 8. 25); ebenso A. Beckcr , Heidelberg Akad. 1917, A 13, was aber offenbar alles nicht geeehen werden will.

14 P. €enard

nur so wenig verlaugsamte eine Hiilfte der Strahlelektronen einer ganz andern Art von Wechselwirkung mit den Al-Atomen unterworfen gewesen sein muS (Geschwindigkeitsvarlust) als die andere Halfte, die aUe geordnete Qeschwindigkeit verloren hat (Absorption), wahrend zwischenliegende Wirkungen (SUE- trittsgeschwindigkeiten weeentlich unterhalb 0,49 Lichtg. er- gebend) uberhaupt kaum merklich werden. In VoltmaS ware tler angegebene Gevchwindigkeitsverlust von 0,52 auf 0,45 Licbtg. et.wa 12000 Volt, so da6 auf jedes einzelne Zusammentreffen mit einem Atom weniger als 0,27 Volt Geschwindigkeitsverlust kamen. Da man wei8, daS der Energieaustausch mit den Atomen in so kleinen Stufen nicht stattfindet'), ist zu s c h l i e h , da6 viele Atomdurchquerungen ganz ohne Geschwindigkeits- verlust stattgefunden haben.a)

Die Uneinheitlichkeit der Verlnste, welche man beobachtet, ist ds Folge der for die verschiedenen Elektronen des Strdils nicht ganz gleichen Zahl der wirksamen Durchquerungen an- znsehen, wegen Umwegverschiedenheiten im Medium; die Var- schiedenheiten der Einzeldnrchquerungen miissen im End- ergebnis wegen der gro6en Amah1 wohl ganz herausfallen. s) Daraus iet auch verstandlich, da6 die Uneinheitlichkeit bei den kleineren Geschwindigkeiten groBer ist, weil die Elektronen- bahnen gekriimmter und daher die Umwegverschiedenheiten groSer werden.

DaB die Nichteinheitlichkeit der Geschwindigkeitsverluste, sobald sie iiberhaupt merklich wird, Einseitigkeit erkennen laBt - Uberwiegen der Abweichungen von der maximal ver- tretenen Geschwindigkeit nach der Seite der geringeren Ge- schwindigkeiten hin -, dies ist die Folge davon, dab die uber Mittel verlangsamten Elektronen groBeren weiteren Geschwin- digkeitaverlusten ausgesetzt sind, weil die Verluste in gleichen Schichtdicken, d v l d x , mit sinkender Geschwindigkeit ansteigen. Uneinheitlichkeit und Einseitigkeit treten dementsprechend

1) Die mittlere Stufe iat bei 0,5 Lichtg. etwa 14 Volt (sch8tzuiip- weise in Luft), vgl. ,,Qu. 8. K.", S. 186 nnd Tab. 13.

2) Die8 iet bereite eingehend untereucht in ,,Qu. U. K." (S. 183). Bei Binkender Qeschwindigkeit werden mebr Durchquerungen wirksum; daher (und wegen des eteigenden Umwegfaktors) die eteigenden Ge- echwindigkeiteverluste d o / d a.

3) Vgl. ,,Qu. ti. K.'I S. 49 (Note 100).

Entrdcklung der Xenntnis von den Oeschtoindigkeitsverlusten 15

stets mit gesteigerter Schichtdicke in zunehmendem Ma6e hervor. I) Anch ist einzusehen, da6 diese Eracheinnngen am meisten bei den kleinsten Qeschwindigkeiten hervortreten mussen, weil gegen diese hi, d v / d x als Funktion der Ge- scliwindigkeit in besonders etark zunehmendem MaSe an- steigt. ?

Es sind somit auch die Uneinheitlichkeiten der Qeschwin- digkeitsverluste, d v / d x , als Funktion der Qeschwindigkeit vollkommen verstiindlich, soweit sie iiberhaupt beobachtet sind, wodurch es nur wieder gerechtfertigt sich zeigt, von vornherein auf die maximal vertretenen Verluste das Haupt- angenmerk gerichtet zu haben. Die Zusammenfassnng der bisherigen Kenntnis von der Uneinheitlichkeit der Verluste in Abhangigkeit von der Geschwindigkeit, la6t sich aus Beob- achtnngen an 81-Schichten, die jeweils 4 bia 6 Proz. der Lineargeschwindigkeit vernichten 7, ungefahr wie folgt dar- stellen: Es ist ,,nahe einheitlich" ftir alle groBen Geschwindig- keiten (etwa von 0,ci Lichtg. aufwarts) als ,,so gut wie ganz einheitlich" zu deuten4), fiir mittlere Geschwindigkeiten (etwa 0,3 bis 0,6 Lichtg.) ala ,,sehr auffallend nahe einheitlich"5j, fiLr geringere Qeschwindigkeiten (etwa 0,16 Lichtg. bis 0,3 Lichtg.) als ,,immerhin soweit einheitlich, da6 eine maximal vertretene Geschwindigkeit gut hervortritt.i'6) Unterhalb 0,15 Lichtg. sind die Geschwindigkeitsverluste noch nicht gut ver-

1) Man sieht dies fur mittlere Geschwindigkeiten bei A. B e c k e r , Ann. d. Pbys. 78. Taf. 111, 1925, fur kleinere Geschwindigkeiten bei 0. K l e m p e r e r , %. f. Phys. 34. Abb. 4. S. 542. 1925.

-

2) Vgl. die Kurvendarstellung Taf. 1. in ,,Qu. ti. K.". 3) Ee waren dies jeweile die dicksten Schichten, welcho bei den

eogleich zu nennenden Verlustmessnngen in den verschiedenen Ge- schwindigkeitagebieten benutzt murden, ausgenommen bei 0. K l e m - p e r e r , wo auch Scbichten vorkommen, die bis iiber 20 Pros. maximal vertretenen Verlust geben, mit dementsprechend sehr verstiirkter Un- einheitlichkeit.

4) Messungen von Danyez und v. B a e y e r (,,Qu. ii. K'' S 26, Note 47).

5) Meine alten Beobachtnngen mit guten Abbildungen (,,Qu. a. R." S. 25); v. B a e y e r (,,Qu. fi. K." S. 26, Note 47); A. B e c k e r (,,Qu. ii. K." S. 27, Note 48 nnd neuerdings Ann. d. Phys. 78. S. 209. 1925, mit ganz besonders dentlichen Abbildungen).

6) 0. R l e m p e r e r , Z. f. Phys. 34. S. 532. 1925, mit Abbildungen.

16 P. Lenard. Enhaickl. d. Kenntnis v. d. GescAzoindiykeitsverl. USW.

folgt l), und fur allerkleinste Geschwindigkeiten verliert das VerlustmaB d v l d 2, zu dessen Einfuhrung die ,,nahe Einheit- lichkeit'l uberhaupt ins Auge gefa8t worden war, seine Be- deutung. a)

Ich denke nun nicht mehr auf ahnliche Herausforde- rungen einzugehen, wie die des Hrn. W a r b u r g , sondern ver- weise fur solche Falle von vornherein auf meine, besonders Kathodenstrahlen betreffend sehr leicht zuganglichen, schon gedruckten Veroffentlichungen. Das Beispiel wird auch ge- zeigt haben, \vie sehr notig es fur treffendes Urteil in histo- rischer wie auch in sachlicher Beziehuiig ist, stets selbst Originalveroffentlichungen einzusehen.

Heide lberg , 15. Marz 1926.

1) Vgl. ,,Qu. ii. K." Taf. I und die Erlluternngen dam S. 42. 2) ,,Qu. u. K." S. 57.

(Eingcgangen 10. April 1926)