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Nachrichten T 266 NACHRICHTEN Zur Erinnorung an Hormanii Schaolor Von S. FALK Am 7. November 1909 verstarb Prof. Dr.-Ing. HERMANN SOHAEFER, Ordinarius fur Mechanik an der TechnischenUni- versitiit Braunschweig, unerwertet an den Folgen eines H e n - inferktes. Wir verloren mit ihm einen namhaften Fomcher und Lehrer, dessen Andenken alle, die ihn selbst oder auch nur sein Werk kannten, in Ehren halten werden. HERMANN SOHAEFER wurde am 10. Juni 1907 in Wupper- td-Elberfeld geboren. Er studied von 1925 bis 1927 an der Technischen Hochschule Danzig Schiffsmaschinenbau und von 1927 bis 1932 Mathematik und Anwendungsgebiete an der Technischen Hochschule Hannover. Bei OTTO FLAOHS- BART horte er Technische Mechanik, bei HORST v. SANDEN Numerische Methoden, reine Mathematik bei GEOW PRANQE, der sein bedeutendster Lehrer war und den er zeit seines Le- bens hoch verehrte. Die Diplom-Hauptpriifung legte er mit Auszeichnung ab; die Diplomarbeit handelte von der Stabili- tiit periodischer Liisungen der MATmEUschen Differential- gleichung. Nach abgeschlossenem Studium folgten vier Jahre Assi- stententiitigkeit, zuniichstarn Lehrstuhl fur PraktischeMathe- matik und Darstellende Geometrie bei Prof. v. SANDEN in Hannover, dann am Institut fur Praktische Mathcmatik bei Prof. WINKELMANN in Jena und schliellich am Lehrstuhl fur Mechanik bei Prof. FLAOHSBART in Hannover. Am 21.12. 1934 wurde ihm die Wurde eines Doktor-Ingenieurn an der Technischen Hochschule Hennover verliehen. Das Thema der Dissertation lautete ,,Ein Beitrag zur Berechnung des kleinsten Eigenwerteseindimensionaler Eigenwertprobleme" . Anfang 1930 trat HERMANN SCHAEFER els berechnender Ingenieur eine Stellung bei der Firma Focke-Wulf A.G. in Bremen an, wo er unter anderem iiber das Flattern von Flug- zeugen arbeitete. Aber schon zwei Jahre spiiter, am 15.2. 1938 wurde er auf den frei gewordenen Zehrstuhl fur Tech- niache Mechanik en der Technischen Hochschule Braun- schweig berufen, zuniichst vertretungsweise. Am 10. 12. 1939 habilitierte er sich mit der Schrift ,,Die RrTz-GALERKINschen Gleichungen" und wurde am 1. 1. 1941 zum ordentlichen Professor berufen; mit 33 Jahren damals einer der jungsten deutschen Professoren uberhaupt. Drei Jahnehnte lang hielt er die groBen Grundvorlesungen uber Technische Mechanik vor Ingenieuren aller Fakultiiten, daneben zahlreiche Sondcr- vorlesungen, so iiber Kinematik und Schwingungslehre, in den letzten Jahren vorwiegend iiber Hohere Elastizitiits- theorie und Analytische Mechanik. Tausende von Studenten haben bei HERMANN SCHAEFER Mechanik gelernt, zahlreiche Promotionen wurden von ihm angeregt und betreut, vier seiner Schiiler wurden als ordentliche Professoren fur Mecha- nik berufen. Ihm verdankt die Technische Hochschule Braunschweig, daD seit dem Jahre 1950 eine spezielle Fach- richtung fur Mechanik existiert, in der beaonders befahigte Diplom-Ingenieure mit weitreichenden theoretischen Kennt- nissen ausgebildet werden. Auf seine Anregung geht auch die Existenz des Mechanik-Zentrums der Technischen Universi- tiit Braunschweig zuriick, das sieben Lehrstiihle verschiede- ner Fakultiiten zusammenschlie0t. Entecheidenden Antnil hatte er an der Grundung des Internationalen Mechanik- Zentruma (CISM) in Udine/Italien, fur das er noch grolle Pliine hatte, deren Verwirklichung er leider nicht mehr er- leben sollte. HERMANN SCHAEFERE Arbeitsgebiet reichte von der Quantentheorie iiber die klassische Mechanik bis zu den tech- nischen Anwendungen einschlieDlich der dam benotigten numeriaohen Methoden. In den letzten Jahren leisteto er Grundlegendes in der Theorie des CossERAT-Kontinuums und der Versetzungstheorie. Etwa dreiDig Veroffentlichungeli zeugen von dem Einfallsreichtum und der Phantasie dieseH Gelehrten und der unbestechtichen Klarheit seiner Gedan- ken, die er in geschliffenem Stil zu Papier brachte. Sein Vor- trag im Homaal war ruhig und ausgewogen, dabei fesselnd und von groBer Ausdruckskraft. Viele Teilnehmer der GAMM-Tegung 1907 in Zurich werden sich seines Huupt- vortragea*) uber das &SSERAT-KOnhUun~ eindrucklich er- innern: HERMANN SCHAEFER war ein Oelehrter alter Schule, der seine Scheffenskraft in den Dienst der Wissenschaft stellte, ohne jemals nach materiellem Gewinn oder iiulerer Aner- kennung zu streben. Managertum und finanzielle Betriebsam- keit waren unvereinbar mit seiner Auffassung vom Lebens- stil eines Hochschullehrers. Die Zeit, die ihm Forschung und Lehre fibrig lielen, opferte er den offentlichen Belangen der Hochschule, wobei er als wacher und kritischer Geist eeinc Ansichten gegeniiber der Studentenschaft ebenso wie vor der Kultusbehorde unerschrocken und offentlich vertret. In einer fuhrenden deutschen Zeitung stand vor einigen Jahren inner- halb einer von ihm verfaaten Kritik der fast klassisch zu nennende Satz : . ,,Ein Kultusminister, der sich nicht mit seinem Finanz- minister anlegen will, ist ein geflihrlicher Dilettant". HERMANN SCHAEFER war ein Kenner und Liebhaber gukr Literatur und Musik, ein geistig ungemein beweglicher Mensclr von geselligem Wesen, dessen humorvollen Plaudereien niuii stundenlang zuhoren konnte, heiter und liebenswurdig uid von ansteckender Frohlichkeit. Br hatte das groBe Uluck, in seiner Wissenschaft die volle Erfiillung seines Lebens EU finden; dies sei uns, seinen Schhlern und Freunden, der bostc Trost. *) ZAMM 47, 485-498 (1907)

Zur Erinnerung an Hermann Schaefer

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Nachrichten T 266

NACHRICHTEN

Zur Erinnorung an Hormanii Schaolor

Von S. FALK

Am 7. November 1909 verstarb Prof. Dr.-Ing. HERMANN SOHAEFER, Ordinarius fur Mechanik an der Technischen Uni- versitiit Braunschweig, unerwertet an den Folgen eines Hen- inferktes. Wir verloren mit ihm einen namhaften Fomcher und Lehrer, dessen Andenken alle, die ihn selbst oder auch nur sein Werk kannten, in Ehren halten werden.

HERMANN SOHAEFER wurde am 10. Juni 1907 in Wupper- td-Elberfeld geboren. Er s tud ied von 1925 bis 1927 an der Technischen Hochschule Danzig Schiffsmaschinenbau und von 1927 bis 1932 Mathematik und Anwendungsgebiete an der Technischen Hochschule Hannover. Bei OTTO FLAOHS- BART horte er Technische Mechanik, bei HORST v. SANDEN Numerische Methoden, reine Mathematik bei GEOW PRANQE, der sein bedeutendster Lehrer war und den er zeit seines Le- bens hoch verehrte. Die Diplom-Hauptpriifung legte er mit Auszeichnung ab; die Diplomarbeit handelte von der Stabili- tiit periodischer Liisungen der MATmEUschen Differential- gleichung.

Nach abgeschlossenem Studium folgten vier Jahre Assi- stententiitigkeit, zuniichstarn Lehrstuhl fur PraktischeMathe- matik und Darstellende Geometrie bei Prof. v. SANDEN in Hannover, dann am Institut fur Praktische Mathcmatik bei Prof. WINKELMANN in Jena und schliellich am Lehrstuhl fur Mechanik bei Prof. FLAOHSBART in Hannover. Am 21.12. 1934 wurde ihm die Wurde eines Doktor-Ingenieurn an der Technischen Hochschule Hennover verliehen. Das Thema der Dissertation lautete ,,Ein Beitrag zur Berechnung des kleinsten Eigenwertes eindimensionaler Eigenwertprobleme" .

Anfang 1930 trat HERMANN SCHAEFER els berechnender Ingenieur eine Stellung bei der Firma Focke-Wulf A.G. in Bremen an, wo er unter anderem iiber das Flattern von Flug- zeugen arbeitete. Aber schon zwei Jahre spiiter, am 15.2. 1938 wurde er auf den frei gewordenen Zehrstuhl fur Tech- niache Mechanik en der Technischen Hochschule Braun- schweig berufen, zuniichst vertretungsweise. Am 10. 12. 1939 habilitierte er sich mit der Schrift ,,Die RrTz-GALERKINschen Gleichungen" und wurde am 1. 1. 1941 zum ordentlichen Professor berufen; mit 33 Jahren damals einer der jungsten deutschen Professoren uberhaupt. Drei Jahnehnte lang hielt er die groBen Grundvorlesungen uber Technische Mechanik vor Ingenieuren aller Fakultiiten, daneben zahlreiche Sondcr- vorlesungen, so iiber Kinematik und Schwingungslehre, in den letzten Jahren vorwiegend iiber Hohere Elastizitiits- theorie und Analytische Mechanik. Tausende von Studenten haben bei HERMANN SCHAEFER Mechanik gelernt, zahlreiche Promotionen wurden von ihm angeregt und betreut, vier seiner Schiiler wurden als ordentliche Professoren fur Mecha- nik berufen. Ihm verdankt die Technische Hochschule Braunschweig, daD seit dem Jahre 1950 eine spezielle Fach-

richtung fur Mechanik existiert, in der beaonders befahigte Diplom-Ingenieure mit weitreichenden theoretischen Kennt- nissen ausgebildet werden. Auf seine Anregung geht auch die Existenz des Mechanik-Zentrums der Technischen Universi- tiit Braunschweig zuriick, das sieben Lehrstiihle verschiede- ner Fakultiiten zusammenschlie0t. Entecheidenden Antnil hatte er an der Grundung des Internationalen Mechanik- Zentruma (CISM) in Udine/Italien, fur das er noch grolle Pliine hatte, deren Verwirklichung er leider nicht mehr er- leben sollte.

HERMANN SCHAEFERE Arbeitsgebiet reichte von der Quantentheorie iiber die klassische Mechanik bis zu den tech- nischen Anwendungen einschlieDlich der dam benotigten numeriaohen Methoden. In den letzten Jahren leisteto er Grundlegendes in der Theorie des CossERAT-Kontinuums und der Versetzungstheorie. Etwa dreiDig Veroffentlichungeli zeugen von dem Einfallsreichtum und der Phantasie dieseH Gelehrten und der unbestechtichen Klarheit seiner Gedan- ken, die er in geschliffenem Stil zu Papier brachte. Sein Vor- trag im Homaal war ruhig und ausgewogen, dabei fesselnd und von groBer Ausdruckskraft. Viele Teilnehmer der GAMM-Tegung 1907 in Zurich werden sich seines Huupt- vortragea*) uber das &SSERAT-KOnhUun~ eindrucklich er- innern:

HERMANN SCHAEFER war ein Oelehrter alter Schule, der seine Scheffenskraft in den Dienst der Wissenschaft stellte, ohne jemals nach materiellem Gewinn oder iiulerer Aner- kennung zu streben. Managertum und finanzielle Betriebsam- keit waren unvereinbar mit seiner Auffassung vom Lebens- stil eines Hochschullehrers. Die Zeit, die ihm Forschung und Lehre fibrig lielen, opferte er den offentlichen Belangen der Hochschule, wobei er als wacher und kritischer Geist eeinc Ansichten gegeniiber der Studentenschaft ebenso wie vor der Kultusbehorde unerschrocken und offentlich vertret. In einer fuhrenden deutschen Zeitung stand vor einigen Jahren inner- halb einer von ihm verfaaten Kritik der fast klassisch zu nennende Satz : . ,,Ein Kultusminister, der sich nicht mit seinem Finanz- minister anlegen will, ist ein geflihrlicher Dilettant".

HERMANN SCHAEFER war ein Kenner und Liebhaber g u k r Literatur und Musik, ein geistig ungemein beweglicher Mensclr von geselligem Wesen, dessen humorvollen Plaudereien niuii stundenlang zuhoren konnte, heiter und liebenswurdig u i d von ansteckender Frohlichkeit. Br hatte das groBe Uluck, in seiner Wissenschaft die volle Erfiillung seines Lebens EU finden; dies sei uns, seinen Schhlern und Freunden, der bostc Trost.

*) ZAMM 47, 485-498 (1907)