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XV. Band 19-I*. Brauer: StraBenkriimmung bei verAnderlicher Fahrgeschwindigkeit. t9 Zur Frage der Stral enkr/immung bei veriinderlicher Fahrgeschwindigkeit. Von Peter und Elfriede Brauer in Mtinchen. I. Einleitung und Fragestellung. Die Frage nach dem gtinstigsten l~lbergangsbogen bei Straf3erikrfimmungen ist sehon bei Annahme konstanter Fahrgeschwindigkeit, also bei Krtimmungen, die auf freier Strecke liegen, nicht einfach zu beantworten. Dies zeigen die langen zahlreichen Diskussionen der letzten Jahre tiber den genannten Gegenstand (von denen allerdings aueh ein Tell an dem Kern der Sache tiberhaupt vora..berging). Immerhin herrscht wohl tiber das Grundsfitzliche jetzt Einigkeit, dab ein Ubergangsbogen als um so besser angesehe]~ wird, je glatter er ist (wobei der Grad der notwendigen Ann~iherung in der Praxis woh] in verntinftigem Verhiiltnis zum Verwendungszweck stehen soll), d. tl. je kleinere Werte seine fiir Kinematik und Dynamik maBgeblichen Differentialquotienten annehmen. Ahnliehe Uberlegungen waren der Ausgangspunkt ftir die Arbeiten yon R. Petersen z) und G. Schramm ~) ftir Sehienenwege sowie yon L. Oerley 8) ftir Straf3en. Mit allem Naehdruek haben be- sonders Wa. Ostwald 4) und der eine yon uns 5) darauf hingewiesen. Besonders unter- striehen wird dies dutch die Anwendung dieser Gedanken auf die Untersuchung bestehender Stragen, welehe entweder zeichnerisch ~) oder experimentell ~) analysiert wurden. Letzteres, insbesondere das zeichnerische Verfahren, di]rfte auch bei stark quergeneigten und stark fallenden bzw. steigenden StraBen bei Benutzung der yon dem einen yon uns gegebenen r~iumliehen Theorie 8) m6glich sein. Die Annahme ver/inderlicher Fahrgesehwindigkeit macht nun das Problem erheblieh verwiekelter. Im Hinblick auf seine Wiehtigkeit z. B. fti~ AutobahnansehluBstellen erhielt der eine yon uns bereits im Jahre 1938 diesbeztigliche Anregungeng). Die daraufhin begonnenen Untersuchungen konnten jedoeh iiufierer Umstiinde, ins- besondere des Krieges wegen, nicht weitergeftihrt werden, und k6nnen dies in niiehster Zeit auch nieht. Darum und zur Vermeidung yon MiBverstfindnissen soll tiber vor- lfiufige Ergebnisse beriehtet werden, die in der Klarstellung einiger grunds/itzlieher Dinge bestehen. 2. Der Beschleunigungskreis. Die Straflenkrfimmung z~ bei konstanter Geschwin- digkeit'wurde mit Hilfe plausibler Annahmen tiber die Seitenbesehleunigung oder, was in diesem Fall dasselbe ist, fiber die Lenkbewegung aus der Vielzahl der M6glich- keiten ausgewV.hlt, welche blieb, naehdem ein erfahrungsm~Lflig festgelegter Sieherheits- 1) R. Petersen, Die Gest~ltung des Bogens im Eisenbahngleise. Berlin u. Wiesbaden 192o. l) G. Sehramm, Der vollkommene Gleisbogen. Berlin 193t. a) L. Oerley, Der 13bergangsbdgen bei StraBenkrtimmungen. Berlin t937. 4) Wa. Ostwald, Die Strage 7 (t940) S. 144. ") P. Brauer, Die StraBe 7 (1940) S. 352. 6) W. Walther, Untersuchungen der Stetigkeit yon Verkehrswegen nlit Hilfe des Winkel- bildes und tier graphischen Differenzierung in/,Trassierungsgrundlagen tier Reichsautobahnen". Berlin 1943. ~) K.W. Ostwald, Fahrbahnprtifschreiber nach Angaben des Generalinspektors fiir das deutsche StraBenwesen in ,,Trassierungsgrundlagen der ReichsauLobahnen". Berlin ~943. 8) p. Brauer, Ing.-Arch. 13 (1942) S. 9. 9~ Von Herrn Re~-Baurat Heller "beim Generalinsoektor fiir alas Deutsche Stral3enwesen. Hier~.us folgt mit Deu'tlichkeit, dab auch die unter tier Annahme konstanter Geschwind~keit berechneten Obergangsb6gen, die spiLter (1940) yon P. Brauer, Die StraBe 7 (1940) S;.35~-~; mit~eteilt wurden, nicht wie H. Kttsper [Allgem. Vermessungs-Nachrichten 54 (t94:2) S. :2) anglbt, fiir Autobahna:nsehlul3stellen gemeint sein konnten, weswegen iibrigens aueh die yon H. Kasper daran gekntipften Bemerkungen gegenstandslos sind. xo) Es handelt sich im folgenden um ebene Stragen bzw. um die geodAtische Krfimmung bei nicht ebenen. ;t t

Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

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Page 1: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

XV. B a n d 19-I*. Brauer: StraBenkriimmung bei verAnderlicher Fahrgeschwindigkeit. t9

Zur Frage der Stral enkr/immung bei veriinderlicher Fahrgeschwindigkeit.

Von Peter und Elfriede Brauer in Mtinchen.

I. Einleitung und Fragestellung. Die Frage nach dem gtinstigsten l~lbergangsbogen bei Straf3erikrfimmungen ist sehon bei Annahme konstanter Fahrgeschwindigkeit, also bei Krtimmungen, die auf freier Strecke liegen, nicht einfach zu beantworten. Dies zeigen die langen zahlreichen Diskussionen der letzten Jahre tiber den genannten Gegenstand (von denen allerdings aueh ein Tell an dem Kern der Sache tiberhaupt vora..berging). Immerhin herrscht wohl tiber das Grundsfitzliche jetzt Einigkeit, dab

�9 ein Ubergangsbogen als um so besser angesehe]~ wird, je glatter er ist (wobei der Grad der notwendigen Ann~iherung in der Praxis woh] in verntinftigem Verhiiltnis zum Verwendungszweck stehen soll), d. tl. je kleinere Werte seine fiir Kinemat ik und Dynamik maBgeblichen Differentialquotienten annehmen. Ahnliehe Uberlegungen waren der Ausgangspunkt ftir die Arbeiten yon R. Pe te rsen z) und G. Schramm ~) ftir Sehienenwege sowie yon L. Oerley 8) ftir Straf3en. Mit allem Naehdruek h a b e n be- sonders Wa. Ostwald 4) und der eine yon uns 5) darauf hingewiesen. Besonders unter- striehen wird dies dutch die Anwendung dieser Gedanken auf die Untersuchung bestehender Stragen, welehe entweder zeichnerisch ~) oder experimentell ~) analysiert wurden. Letzteres, insbesondere das zeichnerische Verfahren, di]rfte auch bei stark quergeneigten und stark fallenden bzw. steigenden StraBen bei Benutzung der yon dem einen yon uns gegebenen r~iumliehen Theorie 8) m6glich sein.

Die Annahme ver/inderlicher Fahrgesehwindigkeit macht nun das Problem erheblieh verwiekelter. Im Hinblick auf seine Wiehtigkeit z. B. fti~ AutobahnansehluBstellen erhielt der eine yon uns bereits im Jahre 1938 diesbeztigliche Anregungeng). Die daraufhin begonnenen Untersuchungen konnten jedoeh iiufierer Umstiinde, ins- besondere des Krieges wegen, nicht weitergeftihrt werden, und k6nnen dies in niiehster Zeit auch nieht. Darum und zur Vermeidung yon MiBverstfindnissen soll tiber vor- lfiufige Ergebnisse beriehtet werden, die in der Klarstellung einiger grunds/itzlieher Dinge bestehen.

2. Der Beschleunigungskreis. Die Straflenkrfimmung z~ bei konstanter Geschwin- d igkei t 'wurde mit Hilfe plausibler Annahmen tiber die Seitenbesehleunigung oder, was in diesem Fall dasselbe ist, fiber die Lenkbewegung aus der Vielzahl der M6glich- keiten ausgewV.hlt, welche blieb, naehdem ein erfahrungsm~Lflig festgelegter Sieherheits-

1) R. Petersen, Die Gest~ltung des Bogens im Eisenbahngleise. Berlin u. Wiesbaden 192o. l) G. Sehramm, Der vollkommene Gleisbogen. Berlin 193t. a) L. Oerley, Der 13bergangsbdgen bei StraBenkrtimmungen. Berlin t937. 4) Wa. Ostwald, Die Strage 7 (t940) S. 144. ") P. Brauer, Die StraBe 7 (1940) S. 352. 6) W. Walther, Untersuchungen der Stetigkeit yon Verkehrswegen nlit Hilfe des Winkel-

bildes und tier graphischen Differenzierung in/,Trassierungsgrundlagen tier Reichsautobahnen". Berlin 1943.

~) K.W. Ostwald, Fahrbahnprtifschreiber nach Angaben des Generalinspektors fiir das deutsche StraBenwesen in ,,Trassierungsgrundlagen der ReichsauLobahnen". Berlin ~943.

8) p. Brauer, Ing.-Arch. 13 (1942) S. 9. 9~ Von Herrn Re~-Baurat Heller "beim Generalinsoektor fiir alas Deutsche Stral3enwesen.

Hier~.us folgt mit Deu'tlichkeit, dab auch die unter tier Annahme konstanter Geschwind~keit berechneten Obergangsb6gen, die spiLter (1940) yon P. Brauer, Die StraBe 7 (1940) S;.35~-~; mit~eteilt wurden, nicht wie H. Kttsper [Allgem. Vermessungs-Nachrichten 54 (t94:2) S. :2) anglbt, fiir Autobahna:nsehlul3stellen gemeint sein konnten, weswegen iibrigens aueh die yon H. Kasper daran gekntipften Bemerkungen gegenstandslos sind.

xo) Es handelt sich im folgenden um ebene Stragen bzw. um die geodAtische Krfimmung bei nicht ebenen.

;t t

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20 Brauer: Stra/3enkrfimmung bei ver~nderlicher Fahrgeschwindigkeit. htgc, fieur-Archiv

wert die Seitenbeschleunigung nacl] oben hin begrenzte. Wenn wir nun ver~inderliehe Gesehwindigkeit, also Besehleunigungen oder Verz6gerungen zulassen und schrittweise vorgehen, so bemerken wir zun~chst, dab sehon die zuletzt genannte einfache Begrenzungsvorsehrift der Seitenbesehleunigung ihren Sinn verliert. Denn eine an sich zuKissige Seitenbesehleunigung kann z. B. bei gleiehzeitigem Bremsen unzulRssig werden.

Die sich jetzt erhebende Frage lautet: WelChes ist die sinngem~13e Verallgemei- nerung jener Vorsehriften tiber die Seitenbesehleunigung?

Die Antwort ist am leiehtesten zu geben ftir die Sieherl)eitsgrenze. S t a t t vor- zusehreiben, daft die Seitenbeschleunigung einen Gr0fitwert, der gleieh Reibungsbeiwert

der ruhenden Reibung zwisehen Rad und StraBe multipli- ziert mit einem Sieherheitsfaktor ist, ~ sehreiben wir je tzt vor, dab die Gesamtbesehleunigung, die sieh aus Seiten- und Balm- beschleunigung zusammcnsetzt , einen best immten Wert nicht tibeisehreitet , d. h, dab die Pfeilspitze des Vektors der Ge- samtbesehleuniguog innerhalb eines Kreises liegt, dessen

Abb. I. Besehleunigungskreis. Die Halb.messer ein bestimmter, durch einen Sieherheitsfaktor gr6Bte Ruhreibungsbeschleunigung (Rutschbesehleunigung) / ist die festgelegter Bruchteil des Reibungskreishalbmessers 1) ist Resultierende aus Zentritugalbe- schleunigungb und Tangentialbe. (Abb. t). schleunigung(BremsverzOgerung)'~ .Entsprechend gchen wir Weiter vor. So wie wir frtiher Vor-

auf der Bahnkurve B. schriften fiber den Verlauf des Betrages der Seitenbeschleuni-

gung in der Kurvc maehten, was uns zu ihrer natfirlichen Gleichung ftihrte, so schreibe~n wir jetzl: den r~umlichen oder zeitlichen'Verlauf des Betrages der Ge~amt- !~eschleunigung / vor. Gem~it3 Abb. I erhalten wir

/ (t oder s) = ]/b 2 q- ~z. (t)

Hierin bedeutet t die Zeit, die s ta t t des Weges s als unabh~ingige Variable verwendet werden' kann, b ~den Betrag der Seitenbeschleunigung und ~" = d~s /d t ~ die'Tangential- beschleunigung: Den Kreis, dessen Halbmesser / w i r so definiert haben, nennen wir den Beschleunigungskreis. -Hier erkennen wir alsbald einen wescntlichen Untersehied gegenfiber dem frfiheren Sonderfall. Bei den Stra/3enkrtimmungen mit konstanter Geschwindigkeit stellte der angenommene Verlauf der Sditenbesehleunigung fiber dem Weg aufgetragen gleichzeitig bis auf eine belanglose Konstante die natiirliche Gleichung K = K (s) der Kurve dar, wobei K die Kurvenkrf immung bedeutet. Denn cs ist allgemein 2)

0 = v a K (2)

und bei konstanter Gesehwindigkeit v demnaeh b ,~ K. Diese einfachen Verh~itnisse gelten bei ver~inderlieher Gesehwindigkeit nieht mehr. Aus (1) und (2) erhalten wir vielmehr, da noeh v-----ds/dt = k ist

1/12 -- :~ x - --K(t). (3) Nimmt man dic Gesamtbeschleunigung ] als durch /= / (t) oder / -- / (s) gegcben an, so erm0glicht (3) folgertdes. Gibt man ~'= ~" (t), den Brems- oder Beschleunigungs- vorgang vor, so erh~ilt man durch Integration auch ~ (t) und s[t). Durch Elimination yon t aus s (t) und ~ (t) bzw. ~ (t) ergibt sich .~ (s) bzw..~ (s). Erst wcnn wir dies in K einsctzcn, erhaltcn wir

- = K ( , ) , ( 4 )

!) Siehe z. B. WI Kamm, Das Kraftfahrzeug, S. 196. Berlin t936. Es ist klar, dal~ ein v0n der Zeit unabhfmgiger.l~eibungskreis nur eine erste Anngtherung der wirklichen VerhRltnisse sein kann. Bei hSheren Ansprfichen wird man als Polardiagramm keinen Kreis und auch keine zeitlich unveranderliehe Kurve mehr annehmen dfirfen.

2) Bei StraBen ohne Querneigung. Bei Querneigung gilt b = v ~ k K, wo k -~ cos (Quer- neigungswinkel) ist.

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XV. Bana ~944. Brauer: Stral3enkrfimmung bei ver/inderlicher Fahrgeschwindigkeit. 2t

d.h. die natiirliche Gleichung der Kurve. Umgekehrt bekommen wir bei Vorgabe der zeitliehen Abh~ingigkeit der Krfimmung oder der Seitenbeschleunigung, z. B. des Lenkvorgangs, cine Differentialgleiehung fiir die Variablen s und t. Deren L6sung liefert s = s ( t ) , was mit dem jetzt vorgegebenen K = K (t) dutch Elimination von t abermals K = K (s), also die nattirliche Gleiehung der Kurve ergibt.

Die nach dem soeben Gesagten noeh zu bewerkstelligende Vorgabe des Brems- oder Lenkv0rgangs bereitet aber ungleieh gr0Bere Schwierigkeiten als beim Fall kon- stanter Gesehwindigkeit. Liegt doeh dort Anfangs- und Endwert der Seiten- beschleunigung dureh die Anfangs- und Endkrtimmung lest und ist nur noeh die Form einer monoton zu- oder abnehmender L'bergangsfunktion zu w[ihlen. Ganz anders bci ver/inderlieher Gesehwindigkeit; beispielsweise kann us praktiseh vorkommen, daft die Gesamtbeschleunigung trotz anfSnglieh geringer Krtimmung zufolge anf/inglich starker Bremsung mit hohen Werten einsetk.t und dann nieht mehr stark wS.ehst, sondern vielleicl)t abnimmt.

3. Kiirzeste und schneUste Kurve (Okonomiebedingung). Wir werden also versuehen, die Mannigfaltigkeit weiter einzuschr/inken. Hierzu k6nnen .wir die praktiseh- wirtschaftliehe zweite Bedingung verwenden, dab yon allen Ubergangsb6gen, die yon einer Krtimmung K 1 in eine zweite K,, tiberf~ihren, derjenige unter allen, die die Bedingung (t) oder (3) erffillen, votzuziehen ist, d e r die geringste Lgnge hat oder vielleieht aueh, der die geringste Fahrzeit erfordert.

Wir h~itten also et{va / und }" als Potenzreihen von s oder t anzusetzen, z. B.

/ = ao + al s + a., s 2 + . . . . . + a i s i ,

~ ' = c o + c l s + c ~ s 2 + . . . . . + c ~ s k, (5) odor analog f/ir t

/ = a* + a~' t ~ a*,, t 2 + . . . . . + a*~ t ~ ,

+" - c~, + c~' t + c* t~ + . . . . . + d t k, (6)

wo die a, c, a* und c* noch zu bestimmende Konstante w~iren. Durch Einsctzen der Reihen in (4) bek~men wir

~" = K (s, % al, a , , . . , co, % c 2 . . . )

und hieraus dic inverse Funktion

s = s ( /L ao, a l, a . , . . . Co, q , c . , . . . ) .

Um den kt~rzesten Bogcn, d. 11. s - - Min. zu erhalten, miif3ten wir die partiellen Diffe- rentialquotienten nach den a~ bzw. ck bilden und gleieh null setzen

~ s O s O s ~ s O s cOs cOao = O' ~ a i = O' ' " " a i - - 0 ' cOc~ - - O' ~ T - = O, " " " O c t '

was i + k Gleichungen zur Bestimmung der i + K Konstanten g~ibe.

4. Numerisch experimentelles Verfahren; einfaches Beispiel. Dieses skizzierte allgemeine Verfahren wird nun schon bei Annahme nur ganz weniger Glieder der Potenz- reihen ffir / und 2" sehr unbequem. Wir haben deshalb einen ganz einfachen Fall empirisch-numerisch behandelt. Dieser Fall ist so einfach gew~hlt, daft er nicht be- anspruchen kann, fertige Ubergangsb6gen zu liefern, wenn er auch~ wie wir sehen werden, solche anzugeben gestattet, die dank der eingangs gemachten I)berlegungen unter anderem Klothoiden mit Bremsung, wie sie gelegentlieh vorgeschlagen wurden, wesentlich tiberlegen sind, insofern sie den gleichen Kriimmungsunterschied auf ktirzerem Wege bzw. in kiirzerer.Zeit tiberbrtieken, obgl'eich auf das sie durchfahrende Fahrzeug keine grOBere Gesamtbeschleunigung wirkt. Er gestattet abet doeh sehon die Wirkungsweise unserer beiden gemaehten Begrenzungs- bzw. Auswahlprinzipien zu untersuehen.

Page 4: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

22 Brauer: StraBenkrfinunung bei ver/s Fahrgeschwindigke i t . Ingeuieur-Arehiv

Wir bestimmen in (6) a* ~-- 200 cm sec -2,

c~ ----- -- 200 ctn sec -~,

Abb. 2. Ruhreibungsbeschleunigung /.

K

eO0 . I f ~ - '

150

I00

/

l /7/!

~ / 5'

[ ................ / =============================== k io is ~o

die Konstantcn folgendermaBcn: a~' = a~ . . . . a* - - 0 , (7 a)

c~' - 0 , 0 0 2 . . . 20 cm see-a, c* = .:~ . . . . . c~ = 0 . ( 7b )

~ ' > t~

Abb, 3. Tangentialbesehleunigung (negative Bremsverz6gerung) s'.

0,8 I ~

/

r

. . . . - ' -8

/ .

. ~ - z 0 0 0 ~

I I

i ,,~SeC

Abb. 4. Krammungs-Fahrzeitdarstellung der ~bergangsb6gen mit konstanter Ruhreibungsbeschleunigung / nach Gleichung (8 , l)i Kurven unterscheiden sieh dutch ver~hiedene Werte der Konstanten c~* in Gleichung (8), die bei jeder Kurve eingetragen s rid, AuBerdem sind die Punkte, wo die Gesehwindigkcit den Weft 4000 bzw, 3000 bzw. 2000 bzw. 1000 bzw.. 500 cm/see angenommen hat,

miteinander verbunden.

Der Wert 200 cm scc -* ist ctwa x/5 der. Erdbeschleunigung und entspricht dem bei Autobahnausfahrten/iuBerstenfalls zul~issigen Wcrt der Ruhreibung. Unsere Annahme

Page 5: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

XV.Band t94~. Brauer: Stral3enkriimmung bei ver~tnderlicher Fahrgeschwindigkeit. 2}

(7a) bestcht also darin, dab wir w/ihrend der ganzen Krt immung konstante H6chst- beschleunigung vorschreiben (Abb. 2). Die Annahme (7b) bedeutet, dab wir mit starker Bremsung beginnen, die Bremsung jedoch nach Maflgabe yon el' linear mit der Zeit abnehmen lassen (Abb. 3). Wir nehmen weitet eine Anfangsgeschwindigkeit yon v o = 190 km/h =-: g000 cm sec -1, sowie die Anfangskrt immung K = 0 an. Nach

K~

z'o "qo-s c~ ' o,, V I ' f

75D [J ~ /

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! i ...... s i I . . " ] / "

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�9 - : . . ~ . ! ~oaz

0 20~0 ~0000 80000 ~000

Abb, 5. Darstellung der natiirlJchen Gleichungen rler 0bergangsb6ge~l mi t konstanter Ruhreibungsbeschleunigung /. Die Ilurven unterscbeiden sich durch verschicdeue Werte der Konstauten c~', die bei jcder Kurve eingetragen sind. Auflerdem sind die l~nk te , wo die Geschwindigkeit den Wert 4000 bzw. 3000 bzw. 2000 bzw. ~000 bzw. 300 cm/sec angenommen hat, miteJnander verbufden .

unserer Annahme (7a) (Abb. 2) setzt zwar die Beschleunigung plStzlich mit theoretisch sehr groflem Ruck ein, was dcr wescntliche Grund ftir die unserem einfachen Beispiel anhaftcnden Miingcl ist. Soweit cs sich dabei um die L~ingskomponente des Ruckes handelt, ist die Sache weniger bedenklich und, wenigstens kinematisch, m6glich. Die Querkomponente darf abet einen best immten Wert nicht tiberschreiten, nicht nur aus dynamischen, sondern auch kinematischen GrfindenZ). Hiertiber wird gleich noch etwas zu sagen sein.

~) Siehe z. 13. Wa. Ostwald, Die Strafle 7 (1940) S. 144. -- P. Brauer, Die StraBe 7 (t940) S. 352.

Page 6: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

24 Brauer: Stragenkrfimmung bei ver~nderlicher Fahrgeschwindigkdit. lngenieurLArehiv

Auf Grund der. obigen Annahmen schreibt sich (3)

f2oo t - t c* t~ K = K ( t ) = ] , / 2 c ~ (5ooo- -2oot~ ' * a2 (8) :,c, t ) '

wo far c~ die in (7b) genannten Werte eingesetzt zu denken sind. Abb. 4 zeigt die Darstellung der G1. (8), d. h. die zu best immten Fahrzeiten erreiehten Krf immungen ftir bestimmtes c*. Abb. 5 zeigt die Darstellung yon K = IV (s), also der nattirlichen Gleichungen der l~bergangsb0gen, die dureh graphische Elimination der Zeit aus Abb. 4 und einer Darstellung der Wegzeitgcsetze erhalten wurden, welehe sieh mit (7b) bereehnen lassen.

Wie schon erwS~hnt, wird far sehr kleine Werte yon t oder s der Seitenruck unerlaubt groi3. Dieser Seh6nheitsfehler kann dadurch beseitigt werden, dat3 man die Ku.rven etwas abS~ndert, etwa indem man sic ffir sehr kleine Werte yon t und s dureh eine passend geneigte Tangente ersetzt. Dies ist in Abb. 4, 5 und 6 gesehehen. Die d o r t ' gezeiehneten Kurven ftihren bei Verwendung der Tangenten selmn an ihrem linken Ende s ta t t ihrer analytischen, in den Nuilpunkt gekrt immt einlaufenden )kste auch zu keinen unerlaubten Werten des Seitenrueks, dieser bleibt n{imlieh l~ings jeder Kurve unter 40 em see -8.

Wir k6nnen nun ffir eine best immte zu erreichende Endkr t immung mit einem Halbmesser yon beispielsweise 200 m (K --= 50 �9 10 -n cm -a) der Abb. 5 entnehmen, dab

�9 = 0,6 cm sec -s vorliegt, der k f i r z e s t e l)bergangsboger~ bei einer Bremskonstante c x der s e h n e l l s t e hingegen, wie Abb. 4 zeigt, bei c~ = 2 cm sec -3. Die dabei erreiehte Endgeschwindigkeit ist im Falle des kfirzesten ~bergangsbogens 41,67km/ta, wie gleiehfalls Abb. 5 zeigt (v = !!57,6 era/see). Die Lfinge des kfirzesten Bogens (Abb. 5) ist 605 m, die Fahrzeit beim sehnellsten (Abb. 4) t9,2 see.

5. Bemerkungen und Vergleiche. Start Besehleunigungskreis und Qkonomie- bedingung zur Neubereehnung yon Kurven zu benutzen, kann man sie natfirlieh aueh bei der Analyse bereits berechneter oder gebauter Kurven als Kriterium verwenden. Im folgenden werden einige einfaehe, denkbare Annahmen a) untereinander und mit unserem in Absehnitt 4 bereehneten verglichen. Hierzu ist notwendig, dab alle Bei- spiele den gleiehen G~'ad yon ,,GtV~tte" besitzen, da eine strengere Forderung not- .wendigerweise zu l~ingeren Ubergangsb6gen ftihrt. Die ziemlieh umfangreiehe, bisher unverOffentliehte mathematisehe Theorie der drei angeffihrten Kurventypen soll bier nieht entwiekelt werden; wit werden uns aber eines Tells ihrer E.rgebnisse bedienen. Wir gehen so vor, dab wir Oiejenigen ~bergangsb6gen bereehnen, bei denen, wie in obigem Beispiel, die Gr6t3twerte far Seitenruek und Gesamtbeschleunigung gerade nicht fibersehritten werden und suehen bei e i ~ r Anfangsgeschwindigkeit yon v o =

1 ' " ~ " " : : " " ' 5000 cm sec- auf einer Gesamtl~inge 3 g des Ubergangsbogens die gr6Bte Endkrf immung K, zu erreichen.

a) E-t..%thoide m i t : . k o n s t a n t e r F a h r z e u g b r e m s u n g . Hierbei n immt die Krt immung K proportional der Fahrzeit zu

K = C t . Die Theorie ergibt

K = c (Vo = - - z g ,) (I) g

Die Bahnbesclileunigung -- g des FahrzeugS ist konstant. Die Theorie besagt, daft der Seitenruek r far t = s = o am. grtSt3ten ist und den Wert

rm.x = C Vo ~ (II)

a) Fall a wurde dem einen yon uns vor einigen Jahren zur ersten Untersuchung vorge- schlagen. Er bildete die erste Anregung zur Hervorbringung der in dieser Arbeit entwiekelten Ergeblfisse. Wir m6chten darum Herrn Reg.-Baurat Heller an dieser Stelle Dank sagen,

Page 7: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

XV. Band t944 Brauer: StraBenkriimmung bei vergnd~rlicher Fa.hrgegchwindigkeit: 25

hat. Aus v o = 5000 cm sec -1 und r,,~x = 40 cm sec -3 berechnet sich als obere Grenze ffir die Konstante C der W~rt C ~ t , 6 0 0 . 1 0 - S c m - l s e c -~.

Wegen der Konstanz der Lgngsbeschleunigung - - g hat die Gesamtbeschleunigung

/= f (m) ihren H6chstwert dort, wo die Seitenbesehleunigung b den ihren hat. Die Theorie sagt aus, daft dies bei

5 Smax - - 18 g vo

der Fall ist, wo b,,~.~= C 4 .

�9 g 27 va ( I V )

ist. Aus (III) und (IV) wiirde sich mit dem oben berechneten Weft ffir C und mit /=- 200 cm sec -= der erlaubte Wert ffir die Verz6gerung bereehnen lassen; es ergeben sieh jedoeh komplexe Werte, was seinen Grund darin hat, daft bei dem gewRhlten Beispiel (s, = 60000 cm, v o -- 5000 cm sec -1, / = 200 cm sec-*) die konstante C dureh den Ruek zu grol3 best immt wurde. Ftir C ~ 1,08 �9 t0 -6 em -~ set-* wird jedoeh reell g < t,4142 �9 t0 ~ cm sec -2, womit nunmehr alle Konstanten der nattirlichen Gleiehung (I) bekannt sind. Wir haben also

K , = 0,765" t0 -8 (5000-- t /5000'-- 2,8284 s) em- ' .

Die Darstellung dieser Kurve finder man in Abb. 6.

b) O b e r g a n g s b o g e n bei k o n s t a n t e r F a h r z e u g v e r z O g e r u n g , d e r a r t , d a b d ie S e i t e n b e s e h l e u n i g u n g b p r o p o r t i o n a l d e m d u r e h f a h r e n e n W e g s is t . Hier ist also

b = A , . (I)

Die Theorie liefert for die nattMiche Gldehung des Obergangsbogens b A s

K = vr = -v~2... 2 g~ - , (II)

Aueh hier ist der Seitenruek r zu Beginn am gr6Bten mit dem Wert

rma x -~- A Vo,

woraus sieh die Konstante A best immt zu A < 0,008 see -2. Dieser H6ehstwert yon A ist aber nieht mit der Bogenl~inge s, -- 60000 em vertrgglieh. Man kommt zum Ziel, wenn man folgende Extremalaufgabe 10st: Fiir welches g i s t bei festgehaltenern s die Endkr t immung K, ein Maximum ? Mit der Reibungskreisbedingung (t) l~iBt sicli~x(*It) sehreiben

v ~ - - 2 g s ~K

und welter ~ =: 0 berechnen. Mit Benutzung der Zahlwerte ( Q = 60000cm,

vo=5000c m/ s e c , / = 2 0 0 c m s e e ~) ergibt die Rechnung gm..-=, t92,Ocmsec ~ .und Am.. -- 9,333' t0 -4 s ec-~" Die Ruckbedingung ist in diesem besonderen Zahlenbeispiel tiberflfissig; wie wir sehen, ist A=.. tats~chlich kleiner als der durch den Ruck bestimmte H6chstwert.

Die natfirliche Gleichung des Bogens l a u t e t mithin 9,333.10 .4 s

Kb = 25 �9 t0" -- 384 s em-l; sic ist in Abb. 6 dargestellt.

c) l ) b e r g a n g s b o g e n bei k o n s t a n t e r F a h r z e u g v e r z 6 g e r u n g d e r a r t , d a f t d ie S e i t e n b e s c h l e u n i g u n g b p r o p o r t i o n a l de r F a h r z e i t ist: Hi er ist mithin

b = Bt . (I)

Die Theorie ergibt fiir die natfirliche Gleichung des Obergangsbogens

i s B t B v--vo = B v o - - l / v g - - 2 g s (II) (v~--gt) 2 g v ~ ' g v ~ - - 2 g s

Page 8: Zur Frage der Straßenkrümmung bei veränderlicher Fahrgeschwindigkeit

26 Brauer: StraBenkrfimmung l~ei vergnderlicher Fahrgeschwindigkeit. Ingenieur-Arehi'r

db Der Seitenruck r-= dy ergibt sich nach (I) zu

r-=: B. (III)

Der Seitenruek ist also l~ings des ganzen l]bergangsbogens konstant, der hiernaeh dynamiseh weitgehend der Klothoide bei konstanter Fahrgesehwindigkeit entsprieht.

Aus (III) bestimmt sieh, da der Ruek 40 em see --~. nieht zu tibersehreiten hat, die Konstante B zu

B < 40 em see -3. (IV)

Das weitere Voagehen geschieht analog Fall b m i t dem Untersehied dal3 bier bei Bereehnung des Extremwertes yon K, start der Bogenl~inge s, die Fahrzeit t, fest-

OK' gehalten wird, wobei , ~(--b~L= 0 als Bedingung ftir g ergibt

~ /

,o / / / x ,

,o . . . . . . . . . . . J '~" ,

O 20000 ~00o0 80000~

Abb. 6. Vergleich gleichlanger I~bergangsbOgen gleicher Gl~tte. Darstellung der natflrlichen Gleichungen der BOgen. Der neue Bogen Kn erreicht bei gleicher Rutschbeschieunigmag [ die

�9 grOBte Endkrtimm,mg.

(g~ -- 2/") t, + Vo g =--- o. 1)a

t s, = vo t~ -- -2-g t~

ist, kann durch Eliminierung yon t~ aus diesen beiden Gleichungen auf die Bogen- l~inge s, tibergegangen werden. Die hier-

bei entstehende Gleichung vierten Grades in g wurde graphisch-numerisch gel6st; es ergab sich bei Verwendung der gleichen Zahlwerte wie im Fall b)

gm~x --= t7 t , t2 cm sec -2 und weiter

Bm~x -- 6,1074 cm sec -a in IJbereinstimmung mit (IV).

Die in Abb. 6 dargestellte natfirliche Gleichung des t]bergangsbogens lautet dann

6,t074 5000-1/5000~-]24-S Kc = -i~i52 . . . . . . gbi~i---3-&.24s �9

Aus Abb. 6, in weleher naeh dem vorigen unter versehicdencr Annahme berechncte gleiehlange l)bergangsbogen durch Darstellung ihrer nattMichen Gleichungen zu- sammengestellt wurden, erkennen wir, dab die grOflte Krfimmung durch den nach unserer neuen Methode (Absehnitt 4) berechnete l)bergangsbogen K, (Kurve mit c a* = t) erreicht wird. Ihm folgt als n~ichstbester derjenige, bei welchem die Seiten- beschleunigung der Bogenl~inge proportional vorausgesetzt wurde [Fall b)]. Alsdann kommt Fall c), wo die Seitenbeschleunigung der Fahrzeit proportional gesetzt wurde, und sehliefllich als verhS.Itnism~iBig ungfinstig die Klothoide mit Bremsung [Fall a)]. Der auf Grund unserer Bedingungen (1) und (5) berectmete I~'bergangsbogen erweist sich, wie erwartet, den anderen tiberlegen.

6. Zusammenfassung. Es wird fiber zwei Gesichtspunkte -- Besehleunigungskreis und 0konomiebedingung -- berichtet, deren Anwendung bei der Berechnung yon gekrfimmten Fahrbahnen for dureh R~ider angetriebene Fahrzeuge bei Annahme ver- ~nderlieher Gesehwindig~eit geeignet ist. Die unter Beaehtung dieser Gesiehtspunkte l~ereehneten gekrfimmteli Fahrbahnen erweisen sich bei gleicher Sicherheit als ktirzer und schneller als solehe, die ohne sic berechnet wurden. Deshalb sind die beiden Gesiehtspunkte aueh als Kriterium bei der nachtr~igliehen Untersuehung bereits kon- struierter oder gebauter Kurven brauchbar, wie an Beispielen gezeigt wird.

(Eingegangen am 20. Januar t944.)