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714 Zur Frage nach der Gestalt der Kohlens~uremolekel. Von A. Eueken in Breslau. (Eingegangen am 14. Mai 1926.) Es wird der l~aehweis versueht, daft das ultrarote Spektrum der Kohlens~ure ent~ gegen der Auffassung C1. Sehaefers und B. Philipps' 1), sowie Dennisons 2) mit der Annahme einer vSllig gestreekten Gestalt der Molekel vereinbar ist. Einige weitere Erseheinungen, aus denen sieh Riieksehliisse auf die Gestalt der Kohlensiiuremolekelziehen lassen, werden diskutiert. Insgesamt ergibt sieh ffir die gestreekte Gestalt eine erheblieh h~here Wahrseheinliehkeit als fiir eine gewinkelte. 1. Durch die seh~nen Untersuchungen C1. Schaefers und B. Philipps' iiber das ultrarote Spektrum der Kohlens~ure 1) slnd wir zu der Kenntnis der intramolekularen Eigenschwingungen dleser Substanz in einer Vollsf~ndigkeit gelangt, wie wir sie z. Z. wohl bei keiner anderen drel- atomigen Molekel besitzen. Was die theoretische Deutung der erhaltenen Ergebnisse aulang% so glauben Schaefer und Philipps in (lbereln- stimmung mit einer neueren Untersuchung Dennisons 2) in ihnen einen Beweis fiir eine gewinkelte Gestalt der CO~-Molekel erbllcken zu miissen. Wenn auch der Gedankengang der genannten Autoren viel ~berzeugendes an sich hat, so mSge im folgenden doch versueht werden, zu zeigen, da13 die 5Iessungen anscheinend auch mlt der Annahme einer vSll~g gestreckten Gestalt der C Oa-Molekel vereinbar sind, fiir die ~ch bereits vor einigen Jahren eingetreten war s). Im Anschlul~ hieran sollen noch einige weitere Krlterlen besprochen werden, die sich gleichfalls fiir die Beurteilung der Gestalt der C O~-Molekel Verwerten lassen und die, wie es scheint, auch fiir eine gestreckte Gestalt derselben sprechen. 2. Je gestreckter die C Oi-Molekel ist, desto mehr mul~ offenbar die optlsche Wirksamkeit der einen der drei insgesamt vorhandenen Eigen- frequenzen in den ttintergrund treten; es handelt slch hierbei um die- jenige Frequenz, die durch eine symmetrische Schwingung der O-Atome gegen das C-Atom verursacht wird. Setzt man nun (in (Tbereinstimmung mit unseren gesamten Erfahrungen fiber die Reichweite atomarer KrKfte) voraus, da$ eine merkliche Bindung .nut zwlsehen den O-Atomen und dem C-Atom, nicht aber zwischen den beiden O-Atomen untereinander besteht, so 1KBtsich leicht zeigen, dal3 diese Frequenz wegen der gr~$eren Masse der beiden O-Atome kleiner sein mu$ als die unsymmetrische und 1) ZS. f. Phys. 86, 641, 1926. ~) Phil. Mag. (7) 1, 195, 1926. a) ZS. f. phys. Chem. 100, 159, 1922; vgl. auch Barker, Astrophys. Journ. 55, 391, '1922.

Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

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Page 1: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

714

Z u r F r a g e n a c h d e r G e s t a l t d e r K o h l e n s ~ u r e m o l e k e l .

Von A. Eueken in Breslau.

(Eingegangen am 14. Mai 1926.)

Es wird der l~aehweis versueht, daft das ultrarote Spektrum der Kohlens~ure ent~ gegen der Auffassung C1. Sehaefers und B. Phi l ipps ' 1), sowie Dennisons 2) mit der Annahme einer vSllig gestreekten Gestalt der Molekel vereinbar ist. Einige weitere Erseheinungen, aus denen sieh Riieksehliisse auf die Gestalt der Kohlensiiuremolekel ziehen lassen, werden diskutiert. Insgesamt ergibt sieh ffir die gestreekte Gestalt eine erheblieh h~here Wahrseheinliehkeit als fiir eine gewinkelte.

1. Durch die seh~nen Untersuchungen C1. S c h a e f e r s und B. P h i l i p p s ' iiber das ultrarote Spektrum der Kohlens~ure 1) slnd wir zu der Kenntnis der intramolekularen Eigenschwingungen dleser Substanz in einer Vollsf~ndigkeit gelangt, wie wir sie z. Z. wohl bei keiner anderen drel- atomigen Molekel besitzen. Was die theoretische Deutung der erhaltenen Ergebnisse aulang% so glauben S c h a e f e r und P h i l i p p s in (lbereln- stimmung mit einer neueren Untersuchung D e n n i s o n s 2) in ihnen einen Beweis fiir eine gewinkelte Gestalt der CO~-Molekel erbllcken zu miissen. Wenn auch der Gedankengang der genannten Autoren viel ~berzeugendes an sich hat, so mSge im folgenden doch versueht werden, zu zeigen, da13 die 5Iessungen anscheinend auch mlt der Annahme einer vSll~g gestreckten Gestalt der C Oa-Molekel vereinbar sind, fiir die ~ch bereits vor einigen Jahren eingetreten war s). Im Anschlul~ hieran sollen noch einige weitere Krlterlen besprochen werden, die sich gleichfalls fiir die Beurteilung der Gestalt der C O~-Molekel Verwerten lassen und die, wie es scheint, auch fiir eine gestreckte Gestalt derselben sprechen.

2. Je gestreckter die C Oi-Molekel ist, desto mehr mul~ offenbar die optlsche Wirksamkeit der einen der drei insgesamt vorhandenen Eigen- frequenzen in den ttintergrund treten; es handelt slch hierbei um die- jenige Frequenz, die durch eine s y m m e t r i s c h e Schwingung der O-Atome gegen das C-Atom verursacht wird. Setzt man nun (in (Tbereinstimmung mit unseren gesamten Erfahrungen fiber die Reichweite atomarer KrKfte) voraus, da$ eine merkliche Bindung .nut zwlsehen den O-Atomen und dem C-Atom, nicht aber zwischen den beiden O-Atomen untereinander besteht, so 1KBt sich leicht zeigen, dal3 diese Frequenz wegen der gr~$eren Masse der beiden O-Atome kleiner sein mu$ als die unsymmetrische und

1) ZS. f. Phys. 86, 641, 1926. ~) Phil. Mag. (7) 1, 195, 1926. a) ZS. f. phys. Chem. 100, 159, 1922; vgl. auch Barker, Astrophys. Journ.

55, 391, '1922.

Page 2: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

A.'Eucken, Zur Frage naeh der Gestalt der Kohlensauremolekel. 715

daher optisch stark aktive Schwlngung, bei der in erster Linie das

C-At0m gegen die O-Atome schwingt. Auch wenn daher die Molekel,

wie es S c h a e f e r und P h i l i l 0 p s annehmen, nicht vSllig gestreckt ist,

sollte die yon diesen a!s rascheste Grundfrequenz angenommene Bande

(Wellenlange 2,72 9) eine erheblich starkere Absorption zelgen als die

langwelligere unsymmetrische Grundfrequenz (4,25 ~); in Wirklichkeit ist

das Gegenteil der Fa l l 1).

Sieht man dagegen die C 0~-Molekel als vf l l ig gestreckt an, so mul3

die mittlere Grundfrequenz als solche optisch inaktiv sein, doch wird sie

sich innerhalb yon Komblnationsschwlngungen indirekt bemerkbar machen.

Von diesem Standpunkte aus hat man d ie B a n d e be i 4,25 g a l s k i i r z es te

G r u n d w e 11 e n 1 a n g e anzusehen, doch last sich die Wel lcnlange der I

mi~t]eren (inaktiven) Schwingung bereehnen; sie sollte 1/Mc~ __ 1,91 mal V M c

grii$er sein als die kiirzeste Grundwellenlange (Mco2 ~ - Molgewicht der

C0~, Mc ~ Atomgewicht des C). D ie B a n d e 2 ,72g kann unter diesen

Umstanden nicht mehr als Grundfrequenz angesprochen werden, doch lal~t

sie sich ausgezeichnet in alas gesamte Schema elnordnen, wenn mau sie

a l s S u m m a t i o n s t o n (v 1 + v~) ansieht ~) ~).

i) Um den entgegengesetzten Bcfund mit der Theorie in Einklang bringen zu kSnnen, stfitzen sich D e n n i s o n sowie Schaefer und Ph i l i pps auf das von B j e r r u m (Verh. d. D. Phys. Ges. 16, 739, 1914, Fig. 2) angegebene Molektil- modell der Kohlens~iure, bei dem aber entgegen der heutigen Auffassung fiber die Kettung der Atome in den ~[olekeln eine Bindung der O-Atome untereinander be- steht, die etwa viermal st~irker ist als die Binduag zwischen je einem 0-Atom und dem C-Atom.

2) Fiir die Wahl der Bande 4,25/z an Stelle tier Bande 2,72/z als erste (un- symmetrische) Grundschwingung kann noeh folgendes Argument geltend gemacht werden: Aus den Frequenzen der intraatomaren Schwingungen einer gasfSrmigen Verbindung lassen sieh mit einiger Ann~herung bei zwei-.und dreiatomigen 3folekeln die Bindungsenergien zwisehen den Atomen berechnen (vgl. A. Eue ke n, Lieb. Ann. 440, 111, 1924). Fiir die Abtrennungsarbeit der beiden Sauerstoff- atome aus der C 0~-~olekel ergeben sich auf diese Weise etwa 500kcal pro Mol, wenn man die Bande 4,25/z a ls erstc Grundschwingung ansieht, dagegen 1180 kcal, wenn man daffir die. Bande 2,72 ~ verwendet. Der erstere Wert ist gut mit den sonstigen uns zur Verfiigung stehenden thermischen Daten vereinbar; z.B. erh~lt man ffir die Zer]egung der Kohlens~iure in ihre dampffSrmigen Atome nach dem H e s s e sehen Sa~z den Energiebetrag 68 (Verbrennungsw~rme des festen C) -~ 150 (Verdampfungsw~rme des C)~-250 (Dissoziationsw~irme des 0~) = 468 kea], der befriedigend mit dem oben angegebenen Wert iibereinstimmt, w~hrend der aus der Bande 2,72/z zu gewinnende Wert viel zu hoch liegt. (Betreffs der fiir die Dissoziationswhrme des 0a verwandten Zahl vgl. ZS. f. Elektrochem. 81, 478, 480~ 1925).

3) Allein aus der Tatsache, da~] die Intensitiit der Bande 2,72/~ au die der Banden 4,25 und 14,7/~ grSl]enordnungsm'~lJig herankommt, vermag man wohl

Page 3: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

716 A. Eueken,

Was nun die Zweiteilung dieser Bande und einer Reihe weiterer Banden betrlfft, so kommt die yon D e n n i s o n sowie S c h a e ~ e r uad

P h i l i p p s benutzte Erklarung, die auf der Annahme des u

elnes dritten (kleinen, abet noch endllehen) Trggheitsmomentes beruht,

bei Annahme einer gestreckten Gestalt der C O~-Mo]ekel selbstverstandlich

nieht in Frage. Wie S c h a e f e r und P h i l i p p s selbst bemerken, l ~ t

sieh ia ohnehin gegen diese Bereehnungsart eln reeht sehwerwiegendes

Bedenken geltend m~chen: Warum erseheinen yon dem ganzen, zu dem

dritten (klelnstefi) Tragheltsmomente geh~renden Rotationsspektrum stets

nut zwei Glieder ? Da die maximale Intensitat dieses Rotationsspektrums

nach der normalen (klasslschen) Berechnungsart 1) etwa bet tier Quanten-

zahl n -~- 2 (bzw. 2,5) liegen sollte, ist nieht zu verstehen, warum dieses

Spektrum bet n = 1 (bzw. 1,5) pl~tzlich vollkommen abbrieht.

Die D e u t u n g de r M a n n i g f a l t i g k e i t de r t a t s a e h l i c h v o r -

h a n d e n e n B a n d e n im S i n n e des g e s t r e e k t e n ~ [ o l e k t i l m o d e l l s

g e l l n g t o h n e b e s o n d e r e S e h w i e r i g k e i t e n , w e n n m a n b e a e h t e t ,

daft d i e S c h w i n g u n g e n n i e h t s t r e n g h a r m o n i s c h s ind , w e n n

m a n d a h e r bel de r B i l d u n g de r 0 b e r s e h w i n g u n g e n und K o m - b i n a t i o n s s e h w i n g u n g e n zu de r e i n f a c h e n F o r m e l

noeh quadratisehe Zusatzglieder hinzunlmmt, wie Sie etwa yon t t e t t n e r 2)

bzw. B o r n und B r o d y ~) angegeben sind, d. h. wean man sich der Formel :

v = ~1 (m~ - - n~) + v~ ( . ~ - - n~) + . . . + v ~ ( ~ - - ~) + vl 2 (ml m2 - - n~ n~) + v~ ~ (m~ - - n2) +- . -

bedient. Einen Vergleich d e r nach dieser Formel (unter u empirisch zu bestimmender Werte fiir v v u g . . . , usw.) zu berechnenden

Frequenzen mit den yon S c h a e l e r und P h i l i p p s angegebenen Messungs- ergebnissen 4) ermiiglicht naehfolgende Tabelle:

keinen wirklich entscheidenden Einwand gegen diese Auffassung herzuleiten. Die Tatsaehe, dall die Sehwingungen der C 02-Molekel offenbar stark anharmonisch sind (siehe weiter unten) diirfte sogar durchaus ftir die MSglichkeit sprechen, daft hier Kombinationsschwingungen verhaltnism~flig stark hervortreten.

1) Dieselbe liefert bet ultraroten Banden, wie das Beispiel des HC1 lehrt, die riehtigen Ergebnisse.

2) ZS. f. Phys. 81, 275, 1925. 8) Ebenda 6, 140, 1921. a) Nut die Bande bet 1,44# konate nicht in das Schema eingeordnet

werden. Nach Phi l ipps (Dissertation Marburg 1925) ist es nieht ausgesehlossen, daft dieselbe yon ether Verunreinigung der verwendeten Kohlensfiure herriihrt.

Page 4: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensiiaremolekel.

U l t r a r o t e B a n d e n der g a s f 6 r m i g e n Kohlens~iure . % --~ 2295, % - - 1223,5, vaq-vaa ~ 672,5,

vi i ~--- 40, Vl~ 7~ 3,0, %9. ~ 51,5.

717

K o m b i n a f i o n

~1 + ~'11 . . . . . . . . . . ~'2 + ~',2,2 . . . . . . . . . .

~'3 + ~'33 . . . . . . . . / �9 2 v l + 4 v l l . . . . . . . . . 2 % + 8 V l l . . . . . . . . . ~+~',2+7/11+~'12+~'22 . . . Vl + V2 + Vl 1 + 2 V12 + 37-'22 . . vl + % + Vl 1 + v3s .2) . . . . . ~ + v3 + v,22 + ~"33 '2 ) . . . . . % +vs+ 3 % 2 + r ~ s,2) . . . .

Vl-- ~2 + v11--~2, 2 . . . . . . v l - - v , 2 + v 1 1 + v 1 2 - - 3 ~ , 2 2 . . . P l + 2 ?~'2 + V l l + 2 V12 + 4 7 / 2 , 2 2 r l +V,2 + 4 V l : + 2 v 1 2 + v ~ 2 2 Vl + v s + 4 v~1+4#122+ 3 v..2 22 2 vl+2' ~ +8 Vll+ 3 2,1~+ v~22

v (Wellem, 2 (u) l] zahl) bet. bet.

~. (u) herb.

4,25 inaktiv 14,87 2,092 2,043" 2,768 2,685 3,277

- - I I - - 4,880 ~

9,425 i 10,42 1,996

1~9 1,002

m l ~1 ~7t2 r qn3 I n3 [

1 0 - - 0')

1 0 2 1

1 0 2 1 0 1 1 2 2 0 1 0 2 1 1 0

Wie bei S c h a e f e r und P h i l i p p s werden einige Banden als Di f fe renzschwingungen gedeutet , was zur Vorausse tzung hat, da]] berei ts

bei Z immer t empera tu r bei einer Anzah l yon ~ o l e k e l n eine der Schwin-

gungen sich auf e inem gegeni iber dem Normalzus t and erhShten Energ ie -

n iveau befinden mu~. Durch eine ]Sberschlagsrechnung l~l~t sieh le icht

zeigen, da~ diese Vorausse tzung bei der i nak t iven Bande % sicher, wahr -

seheinlieh aueh noch in ausre lchendem Mal]e bei der Bande 4,25 tt

erfiiHt seln wird. Unwahrsche in l i eh is t dies dagegen bei der yon

S e h a e f e r und P h i l i p p s als erste Grundsehwingung angenommenen Bande

bei 2,72/L; die merk] iche thermische E r r e g u n g der l e tz te ren kann erst we l t

oberhalb Z immer t empera tu r e intreten.

Beaeh tung verd ien t vo r a l lem die Tatsaehe, dal] das Verha l tn i s der

Grundsehwingungen v 1 und v 2 im Verha] tnis 1 : 1,88 steht, also dem oben

geforder ten Verha l tn i s in der T a t sehr nahe kommt.

Die Oberschwingung ] v 1 (als diese sprechen S c h a e f e r und P h i l i p p s diese Bande an) fiillt bei Beriicksichtigung des quadratisehen Gliedes nahe mit der Wasser- dampfbande 1,37 ~ zusammen.

1) Aullerdem ist noeh das Vorhandensein der Spriinge 1 - + 2, 2 - * 3 usw. anzunehmen; die Bereehnung wird hierdureh kaum wesentlich ge~ndert. Die Bande 14,87/z konnte bisher noch nieht geniigend aufgelSst warden, um diese Feinheitan erkennen zu kSnnen.

.2) Bei ffer Berechnung dieser Banden sind die Glieder mit %3 bzw. r,2 a fortgelassen worden, indem angenommen wurde, daft diese Gr5flen ebenso wie %.2 sehr klein sind. Sahriebe man ihnen einen grSlleren Wart zu, so lieflr siah die ~bereinstimmung zwisahen Beobachtung und Bereahnung noah verbesserno

Page 5: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

718 A. Eucken,

Wie die Tabelle zeigt, ist die Wiedergabe der insgesamt 13 Banden

mit seehs Konstanten, yon denen eine (v 1 ~) kaum ins Gewieht fallt, recht

befriedigend. Bemerkenswert ist ferner, dal~ Oberschwlngungen der

Frequenz v~ nicht auftreten; dieses steht im besten Einklang mit tier

dureh die Einfiihrung des geradlinigen Modells bedingten Annahme, dal]

diese eine Kreisschwingung (Rotation) darstellt, die nach dem Korre- spondenzprinzip keine Oberschwingungen besitzt 2).

Es soll nieht geleugnet werden, dal} auch die bier vorgesehlagene

Berechnungsart einzelne Harten bedingt; z. B. ware nach ihr ffir die

Bande 2,092 te elne h~here Intensitat zu erwarten als fiir die Bande 2,043,

wahrend das Umgekehrte der Fall ist. Aueh ist nicht ohne weiteres

verstandlieh, warum bei tier Kombinatioa u 2 -~ u s die erste Schwingung

nieht beobachtet werden konnte, sondern nur die zweite. Indessen sind

die gegenwartigen Kenntnisse iiber die tntensitat yon Kombinations-

sehwingungen wohl noeh nicht welt genug entwiekelt, um hieriiber etwas

endgiiltiges sagen zu kSnnen; in dem Au~treten elnzelner derartiger, yon

vornherein nieht zu erwartender Unregelmal]igkeiten kann daher offenbar

kein entseheidendes Moment gegen die vorgeschlagene Berechnungsart

erbliekt werden.

3. Von K e e s o m und de S m e d t ~) wurde durch RSntgenphotographie

die Tatsaehe festgestellt und yon M a r k ~) bestatigt, dal~ die Molekel im

f e s t e n Z u s t a n d tatsaehlieh vollkommen gestreekt ist. S c h a e f e r und

P h i l i p p s miissen daher, um ihre Auffassung yon der gewinkelten Gestalt

tier gasfSrmigen Molekel aufrecht erhalten zu kSnnen, annehmen, da(] die

Molekel bei der Verdampfung ihre Gestalt verandere. Wenn aueh zu-

zugeben ist, da~ ein biindiger Beweis des Gegenteils zurzeit noch aus-

steht, so scheint eine derartige Annahme doeh aus folgendem Grunde zum mindesten sehr unwahrseheinlieh.

Falls die CO~-Molekel im gasfSrmigen Zustand, etwa wie die tI20-Molekel , eine gewinkelte Gestalt besal]e, so ware dieselbe offenbar

nur dureh das Vorhandensein entweder einer gerichteten Kraft (sogenannten

Valenzkraft) oder einer direkten (und zwar sehr kraft]gen) Bindung

1) A. Eucken, 1. c. Im Gegensatz hierzu siad S c h a e f e r und P h i l i p p s bei Annahme eines gewinkelten Modells zwar berechtigt, das Vorhandensein yon 0berschwingungen von r 3 vorauszusetzen, doch fehlt, wie sie selbst bemerken, dann gerade 2r3, w~hrend die beobachtete Bande 4,88tt yon ihnen als 3 r~ an- gesprochen wird.

3) Vers[. Amsterdam 38, Nr. 4, 1924. 3) ZS. f. Elektroehem. 31, 523, 1925.

Page 6: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

Zur Frage nach der Gestalt de~ Kohlens~uremolekel. 719

zwischen den O-Atomen zu erkl~ren, da an sich (ira Sinne K o s s e l s) die

gleichartige elektrische Ladung der 0-Atome auf eine gestreckte Gestalt

hinwirkt 1). Da nun bei tier festen Kohlens~ure ein ausgesprochenes Molekiilgltter vorllegt, bel dem der Zusammenhalt der eigentllchen Gitter- bestandteile, der Molekeln, grt~]enordnungsm~l~ig sehr Yiel geringer ist, als die Krafte zwischen den Atomen der Molekel, die ja auch ffir die Gestalt mal~gebend sind, ist nicht einzusehen, warnm elne eln[ache ~nde- rung des Aggregatzustands eine Gestalts~nderung der M.olekel naeh sieh ziehen sollte, d. h. die Molekel mfil]te aueh im festen Znstand gewln_kelt

bleiben. Sahe man aber umgekehrt die gerudlinige Gestalt der Molekel im Gaszustand als gegeben an, so ~olgte hieraus nicht unbedingt die gleiche Gestalt tfir den ~esten Zustand, denn in diesem Falle kSnnte man

die intraatomaren Kr~fte als Zentralkrafte auffassen, undes w~re wohl denkbar, daft eine so]ehe Mo]ekel durch relativ schwache Krafte, wie sie

bei der Kondensation wirkbar sind, merldich eingekniekt wird. Is t aber die Molekel berelts im festen Zustand vSllig gestreekt, so mu~ sie es nach dieser Uber]egnng a ~ortiori aueh im Gasznstand sein, wenn man Yon den geringffigigen De~ormationen info]ge der Zentrifugalkraft absieht.

4. Ein wichtiges Argument zugunsten der gestreckten C O~-Molekel bildet die Mo]warme Cv- Bereits die sei~ einiger Zelt vorliegenden

Messungen dieser GrSl~e liel~en deutlich erkennen, dal~ C v bei tiefen Tem- peraturen nieht auf den Wert dreiatomiger gewinkelter ~Iolekeln 5,955,

sondern au~ den Weft 4,96 konvergiert, wie er bei v~llig gestreekten Mo]ekela zu erwarten ist2). u kurzem wurden nun Yon E. D o n a t h 3) Pr~zisionsmessungen der Verdampfungswarme der ~esten CO~ zwlsehen 135 und 1750 abs. uusgeffihr~, aus denen im Verein mit Daten tier Mo]- warme tier festen C0~ die des Gases mi~ elniger Sieherheit ermittelt werden konnte. Es ergab sieh bei 155 ~ Cv ~ 5,02___~ 0,4 eal, ein Wert ,

der nunmehr wohl alle Zweifel fiber den Grenzwer~, dem die Molwarme der C O~ bei tiefen Temperaturen zustrebt, beseitigen diirfte. Die folgende Tabelle enth~ilt in der dritten Spalte eine Anzahl neuer ]~[essungen tier

1) Dagegen spricht umgekehrt die auf Grund sonstiger Erfahrungen immerhin wahrscheinliehe Annahme des Vorhandenseins gerichteter Valenzbindungen bei der Kohlens~uremolekel keineswegs gegen eine gestreckte Gestalt derselben. Wie n~mlich H. ) I a rk (ZS. f. Elektrochem. 31, 534, 1925) gelegentlich bemerkte, hat man sich in diesem FaUe vorzustellen, da~ die einzelnen Sauerstoffatome durch je zwei Einzelbinduugen (eine sogenannte Kantenbindung) an das Kohlenstoffatom ge- kettet werden.

2) A. Eucken, 1. c., S. 166. 8) Vortrag auf der Tagung der Deutsch. Bunseagesellschaft zu Stuttgart 1926.

Page 7: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

720 A. Eueken,

Molwarmen der CO s zusammengestellt, sowie zum Vergleich hiermit in

der vierten Spalte die nach der Formel :

berechneten Werte , wobei 9 (@/T) die P l a n e k - E i n s t e i n s e h e Funkt ion

bedeutet und die Zahlenwerte der Parameter @ unmit te lbar aus den oben

benutzten Grlmdfrequenzen: v 1 ~ 2295, v~ ~ 122B,5, v~ ~ 67B ge-

wonnen wurden. Es handel t slch somit um eine absolute Berechnung;

~[olw~rme C v der g a s f S r m i g e n Koh lensEure (cal pro g).

Beobachter T C v beob.

Donath . . . . . . . . . Heuse . . . . . . . . . . Dixon . . . . . . . . . . Lummer und P r i n g s h e i m . Trau tz und Hebbe l . . . . t teuse . . . . . . . . . . .

Swann . . . . . . . . . . {

f Holborn und Henn ing . . ~ /

155 197 273 284,5 287,5 293 293 323 374

473--273 873--273

1273--273

5,02 + 0,4 5,83 6,608 6,785 6,92 6,86 6,84 7,21 7,75 7,66 8,81 9,35

~ C v ber. II

5,27 6,11 5,72 6,32 6,68 6,73 6,81 6,79 6,84 6,80

6,90 6,82

7,25 6,96 7,75 7,29 7,68 7,13 9,00 7~64

10,00 8,11

trotzdem ist die ~Tbereinstimmung beider Zahlenreihen so weitgehend,

wie es die Genauigkeit der Versuehsergebnisse erwarten last . 2qur bei

den hSchsten Temperaturen (oberhalb 1000~ divergieren die beob-

achteten und bereehneten Zahlen. Ein Versueh, zu entseheiden, ob dies

durch systematische Versuehsfehler oder durch eine Ungenaulgkeit der Be-

reehnung bedingt ist, is t zurzeit woht noeh verfrtiht. Es w~re keines-

wegs undenkbar, dab bei den intraatomaren Schwlngungen der Gas-

molekeln, ahnlich wie bei festen Kiirpern 1), im Gebiet hoher Temperaturen

die Abweiehungen der atomaren Sehwingungen yon der streng sinus-

fSrmigen Gestal t bereits merklieh ins Gewicht Yallen und daher bei ge-

nauen Bereehnungen beriieksichtigt werden miissen.

Zum u sind in der letzten Spal~e der Tabelle noch die]enlgen

Wer te fiir Cv angegeben, wie sie unter Zugrundelegung des ftir ein ge-

winkeltes Modell anzunehmenden Grenzwertes 3/~, sowie der yon

1) M. Born und E. B r o d y , ZS. f. Phys. 6, 132, 1921; 8, 205, 1922; E. S c h r S d i n g e r , ebenda 11, 170, 1922. Vgl. aueh ~ i a g n u s , ebenda 7, 141, 1921; ZS. f. phys. Chem. 110, 188, 1924.

Page 8: Zur Frage nach der Gestalt der Kohlensäuremolekel

Zur Frage naeh der Gestalt der Kohlensiiuremolekel. 721

S c h a e f e r und P h i 1 ip p s angenommenen Grundfrequenzen zu erwarten

waren (II). 5. Das einzige Argument, welches zurzeit noch entsehieden zu-

gunsten eines gewinkelten Molekiilmodells der Kohlensaure spricht, ist

die iibereinstimmende Angabe verschiedener Autorenl), dal] die CO 2- Molekel ein zwar kleines, abet noch endliches elektrisches Moment be- sitze. Die fraglichen Angaben beruhen ant Messungen des Temperatur- koeffizienten der I)ielektrizitatskonstanten (~), die an sich sehon hohe Anforderungen an die Mel]genauigkeit stellen.

Die Berechnung des elektrischen Moments ant Grund einer yon D e b y e abgeleiteten Formel, hat nun abet zur Voraussetzung, dal] der Ausdruck (~ - - 1)9" sich streng linear mit der Temperatur andert. In

Wirkliehkeit zeigt die fragliehe Kurve bei einer Reihe yon Gasen bei tiefen Temperaturen eine auf~allende Kriimmung, die sich aber nach hohen

Temperaturen mehr und mehr verliert. Die Kriimmung tritt am so mehr

hervor, ie hSher der Siedepunkt der betreffenden Substanz liegt. Noch beim NH~ ist sie nieht zu iibersehen, doch scheint kein Grtmd vorzu- liegen, da~ sle im Prinzip aueh hei der nut um etwa 400 tiefer siedenden

Kohlensaure vorhanden sei. In der Tat liegen die yon J ona ange-

gebenen Einzelwerte nicht genau auf einer Geraden, sondern zeigen noch einen Rest einer Kriimmung, doch fallt dieselbe hier wohl noch in das Bereic.h der Versuehsfehler. Unter diesen Verh~ltnissen dare vorlaufig der Wert Null des elektrischen ~[oments der Kohlensaure noch als mit den vorliegenden Messungen der Dielektrizit~tskonstanten vereinbar an- gesehen werden. Eine endgiiltige Entseheidung dieses prinzipiell wich- tigen Punktes kiinnen nur neue, miigllchst exakte und bei miigliehst

hohen Temperaturen ausgeftihrte Messungen der Dielektrizitatskonstanten der Kohlens~ure erbringen.

1) ~I. Jona , Phys. ZS. 20, 14, 1919i Weight , ebenda 22, 643, 1921.

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