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Zur Geschichte der Gallussäure

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R o b i q u e t , iib. GalIussiiure. $8 1

Schwefelstiure und cinen Theil trockner und gepulverfer Citro- nensiiure zu vermischen , urn diese Reaction fast unabhiingig von dem Einflusse der Wiirme hervorzurufen, wenn man in der Schijnen Jahreszeit operirt, und was in nllen Filllen auf eine regelmassige und eine sehr lange Zeit fortdauernde Weise be- stimmt werden kann, wenn man die Nischung bei einer Tem- peratur von 300 bis 400 erhiilf. Diese Reaction und ihre Fol- gen schienen mir wichtig genug, urn sie zum Gegenstande ei- ner besondern Abhandluog zu mschen, die ich spiiter mittheilen werdc,

111. Zur Gescl~ichle d m Gullzcssui'ure.

Von R O B I Q U E T . &)

(Annnl. de Chim. et Phys. tome L W . dvril. S. 395.)

Ich theilte friiher Nachricht iiber einige nene am der GaIlussLure entstehende Producte mit und kiindigte damals an) dass ich spiiter eine Reihe von Bemerkungen fiber den niimli- chen Gegenstand bekannt machen aviirde. Ich erfulle dieses Versprechen , indem ich die erste Abhandlung verbffentliche, worin einige Thatsachen in Ilezug auf die Frage , ob diese Silure in den Galllpfeln zuvor vorhariden sei, aufgefuhrt wer; den. Ich habe miclr hierhei so Iiurz als miiglich gefnsst.

E h e P e l o u z e seine vortreffliche Arbeit uber den Gerbstoff and die Gnllussiiure bekannt machte, ivurde allpemein ange- nommen, dicse Siiure sei schnn ganz gebililet in den Galliipfeln vorhanden, und man mar weit yon der Annnhme dieses jungen Gelehrkn entfernt, dass die G~llussiiure nur ein Product des Gerbstoffes sei. DR ich selbst sclion zuvor dargethan hatte, dass gewisse organische Grundstolk , die, wie man glaubte, schon ganz gebildet vorhanden wiiren , nicht zuvor existirten, so hiitte ich weniger 01s j e i e r Andere iiber dieses merkwiir- dige Resultat erstaunt seln miissen. Ich muss jedoch beliennen, dass ich, um ihm Glauben beizumessen, es fur nuthig fand,

%) Bereik kurz erwiilint Bd. X. 293. Juurn. f. prnBL Cheniie. SI. P, 3 $ %

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diese neuc Urnwandlung selbst zn sehen, nnd mich so wirklich davon zu uberzeugen, sie werde nnr nntcr der Bedingung ei- ner Absorption von Ssuerstoff und einer Erzeognng von Koh- lensiiure bewirkt. Diese Schmierigkeit , mich van der alten Ansicht loszureisscn, beruhte nicht allein auP der Erfahrung, dass gemisse vegetabilische Substanzeo , die sehr wenig Gerh- stoff cothielten, doch vie1 GallussAIlre gaben, mie z. B. die Mangokijrner, welche nauh A v e q u i n (Ann. de Chim. et tlc Fhys. t. XLVII.) deren 2 Unaen 2 Quenlchen auf dss Pfund bci einer blosen Einweichung in Wnsser und unmitlelbarcm Abdampfen gnben ; sondcrn dime Schwierigkeit entsprang aucli darnus, dass bei mir einige praktische Bedenken entstanden, die sich mit der gegebenen Erkliirutrg durchaus nicht vertrugen. so hatte ich seit mehreren Jahren die Gallusdure nicht mehr vermittelst der Fiieltiiss bereitet, und statt die eingeweichten GsllPpfel dem Zutritle der Luft auszusetzeii, verschloss ich sie sorgfgltig in wohlverstopfte Gefiisse, weil ich die Bemerkung gemacht batte, dass die so erzeugte Siiure nicht gefiirbt oder 5um wenigsten leichter m bleichen war, uud doch hahe ich nioht wahrgenommen, dass diese Entziehung der Luft eine grosse Verminderung n r dem Proilucte dieser Operation herbeigefiihrt habe. Da ich jedorh, fiirchtcte, nicht genuq Vorkehrungen ge- troffen m habeq, um jeden Zutritt der Luft zu verhiiidern, so wiederholte ich diesen Versuch metirere RInle, wobei ich iille miiglichc Sorgfidt nnwendctc, urn mit Ue4mmtheit zu wisseo, woran ich mich hinsichtlich diescs Putrctes zu halten habe.

Aus den angestellten Versnchen geht lervor, dms die Gal- lussiiure, sei es nun, dass sie in den Galliipfeln mvor vorhan- den sei oder nicht, sich in selir grosser Dlenge darnus abson- dere, und zwnr unablriingig von jetler Berubrung mit der Luft oder dem SauerstofFe, urrd ohne d i m die Iieactiotr, menn wirk- lieh eine Statt iinden sollle, Gnse ermuge. Uieses angenom- men, limn nun aaraus geschlossen werden, dass nicht der Gerb- stoff die Gallussiiurc erzeuge? Gcwiss nicht j denn Pel0 u z e bat bereits hinreichend dargethibn, dass dieser Kijrper im Zu- stande der Reinheit uiiter gewisseu Bedingungeo mit delu Sauer- stoge in Beriihrung gebrncht, sich ganz oder zum Tbeil in Gallusdure verwmdle. Ich fiige blos hinzu, dass diese Reac- tion nicht so pliitzlich ist, als man glanben liannte. Wirklich

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zeigte dad Resulht der zar Aubliirung dieses Ponctes tlnge- stellten Versuche, dass in Zeit von acht Monaten und bei ei- nem Zusammentreffen gunstiger Umstiinde sich blos die Hilfte des Gerbstoffes in Gallussiiure verwaodelt hatte, wiihrend selbst bei ganzen Galliipfeln ein Monat in der schonen Jahreszeit cu einer vollstiindigen Reaction hinreichend war, tvobei noch das merkwurdig ist, dass die Menge der erhaltenen GalIussGure un- gefiihr das halbe Gewicht des d a m verwendeten Gerbstoffw betrug. Gewiss miisste die Menge griisser sein, wiirde der ganze Gerbstoff in Gallusdure blos mit dem Verluste von 2 Atomeh Kohlenstolf verwarrdelt. (Das Gewicht des Atomes Gerbstoff betrigt 2665,690, das des Kohlenstoffes 76,436.)

Daraus gehb hervor, dass, wenn aich der g a m e Gerhstoff in Gallussiiure vermandelte, der Verlust nicht 10 Procetit iiber- steigen diirfte.

Allerdings kann man dagegen einwenden, dass die Gal- lussiiure cum Theil sich zcrsetze j ich erwiedere aber darauf, dass diese Zcrsetxung hei weitem nicht so rasch erfolgt, als man fiirchten kiinnte, vornehmlich bei Anwesenheit des Gerb- stoffes. Ein genzes Jahr lang uberliess ich 1 Kilogr. Galllpfel der Fiiulniss, wobei ich von Zeit zu Zeit ein wenig Wasser hinzusetzte, und die nach so langcr Einmirkung daraus erhal- tone Shore war hinsichtlich der Menge nicht sebr von cterje- nigen verschieden, die ich in weit kiirzerer Zcit erhalten habe. Ich stellte einen noch bestimmtern Versuch an. Eine aus 0,91 Gallusslure und 100 Grain. Wasser zusammengesetzle Aufiii- sung wurde in einer nicht ganz damit rtngefullteri Flasche anter eine Glocke mit zwci Tubulaturen gebracht. Nach funfzehn Monatcn wurde diese AuCliisung , welche einige Flok- ken Schimrnel enthielt nnd die sich eirr meoig brnun gefiirbt liatte, einer miissigen und gehiirig gelciteten Abdampfung his zur Troekrie unterworfen. Ioh erhielt davon O,f2 braune Gnl- lussiure, die aber gut in Naileln liryslnllisirte und alle ihre characteristischeii Eigenschaften behalten hzitte. Ich bemerke iiber- dies, dass sich nur in der Aufldsung d e s Gerbstoffcs wiihrend des erstcn Monntcs Schimmel xeige, uiid dass diese Aufliisung, welche zu diesem Zeitpuncte filtrirt worden war , die ganze iibrige Zeit hindurch ganz hell blieb. Der Schimmel ist also jieine Ir'olgc von der Zersetzung der Gallussibre, weil nur zu

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einer Zeft, wo sich Iiein Schimmel mehr bildet, Gnlluss~iure erzeugt wird. Ein xnderer zu derselben Zeit angestellter, aber liinger fortpesetzter Versuch bestiitigt dieses Resultat. Ich brachte gleichfalls eine Aufiijsung von 25 Gram. rcineri Gerb- stoff in 600 Gr. Wasser- unter dea nLmlichen Urnstiinden, und setzte 26 Gram. Alkohol hinzu, urn das Schimmeln zu verhu- ten, wovon sich blos Spuren, und zivar erst nach einer sehr langen Zeit zeigten. Nur erst nach ncht bis zelrn Monsten flog sich ein Absatz zu bilden an, und erst nach Verlauf von achtzehn Monaten und bei einer Temperatur unter dern Gerrier- puncte nalim ich dns Filtriren damit vor. Die Fliissigkcit hsttc eine strohgelbe Farbe und einen etwas suerl lichen, durchsus nicht zusammenziehenden Geschmack. Jedoch fiillte sich die Gallertauflosung noch ein wenig. Es erhellt also, dass fast der ganze Gerbstoff zerstijrt war, und dass nur eine schr ge- rihge Menge Gallussiiure in der FIussigkeit zuruckb:ie5, \veil die Temperatur unter dem Gefrier[Juocte war. Dessenungeach- let wurde sie der AbdarnpPung unterworfen, sie gab aber nur 2,4 Gr. AArerseits wog der Absatz nach geharigem Trocknen 12 Gram. W-ir sehen also, drss hier, wie in dem ersten. Valle, die Menge der Gallussiiure oicht leicht die HiiIfte des sum Versuch angemendeten GcrbstotTes iibersteigt. Diese Ueberein- stimmung in den Resultaten macht die Zerstijrung . eines be- thichtlichen Theiles der Gi~llussiiure, die sich unter zwei sehr verschiedeneti Umstiinden emeugte, wenig rvahrscheinlich. Der Gerbstoff in dern einen Falle, der Alkohol in dem andern muss- ten als Priiservativ der gebildeten Gollussiiure dienen.

Diese zwei Versuche scheinen uberzeugcnd genug z11 sein. Wurden jedoch noch andre Beweise gefordert, so will icti nur erwiihneo, dass B r n c o n n o t die Mcnge der Gallussiiurc, wel- che BUS 100 Theilen der FBulniss unterivorfener GalliipTel ge- women wurde, hiichstens z u 20', P e l o u e e aber den in den Galliipfelu enthnltenen reinen GerbstoR' zu 40 p. C. angnb. Es ist also dadurch genugsam bcwiescn, dass bei der Urnwand- lung dea Gerbstoffes in Galtussiiure ein Verlrist von 50 p. C. Statt finde, wii~hrend er nach der jetzigen Theorie nicht 10 p. C. iibersteigen diirfte.

Eins der schlageadsten Resultate dieser Versuche ist das grosse Missverhiiltniss, welches zwischen der zur Urnwandlung

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8 oh i q we t , iib. GallnssPure. 455 des reinen Gerhstoffes in Gallussiiure niithigen Zeit, and rler, welche selbst ganze GalliipTel erfordern, besteht; denn in dem letztern E’alle ist ein Monat i n der schihen Jahreszeit zu einer vollstindigen Rcnction hictreichead. Es mussen also jn den Galliipfeln noch andre Yrincipien vorlianden sein , welche diese Reaction erleichtern untl , eo zu sagen, ah Ferment dienen. Ich glaube wohl, dass die Art Gummi oder vielmebr Schleim, die vcrmittelst Wassers aus dem Ruckslande der durch Aether susgessogencn Galliipfel erhalten wird , diese Stelle vertritt. Aus P e I o u z e’s Versuchen hat sich wirklich ergeben, dass dieser Buckstand , welcher verlnittelst der Fiiulniss durchaus keine Gallussiiure giebt, bcirn Befcuchten mit eirier gehiirigen BIIenge Wasser und beim Zutritt der Lull ruit einer erstauulichen Gc- sohwindigkeit schimmelt.

Es liesse sieh viclieiclit annehmen, dass, wenn bei der Verwandlung des reinen GerbstoEes in Galluss5ure so vie1 Schcvicrigkeiten Statt finden, dies von einigen ModXcntionen abhiingt, welche e r durch Behandlung mit Aether erlitten hat, Modilicntionen, die z. B. von der Art sind, dnsd wenn er ein- ma1 vom Aether abgesondcrt wurde, er sich nicht mehr darin aufliisen kann, oder nur in sehr geringer Menge; aber derBe- meis, dass dern niclit also i d , iicgt darin, dass ich, von P e - louze’s Atinahme, der GerbstoU’ sci von allen in Galliipfeln enthaltenen liiirpern am mcisten im Wnsser aufliislich , abge- hend , gcpulverte Galliipfel mit sehr kleinen Mengen kalten Wiissers behandeIle und durch sehr starkes Ausdriicken eine sehr lilebrige und iiusserst msammenziehende Aufliisuiig er- hielt. Xch musste sie dsher als eine Fast reiue Gerbstohuflii- sung betracbten, nnd doch erhiitt sich diese Aufllsung , selbst bei gehijriger Verdiinnung , fast unbestimmte Zeit leng. Dies eririnerte micb an einen zu einem gpz versehiedenen Zwecke angestellten Versuch, welcher e twss xiemlich Merkwurdiges darbietet. Ich behandelte die niiimliche Meoge gepulverter Gall- Bpfel nach einander mit gleichen Theilen kallen ’UYassers uiid versctiloss jede der vier eingeweichten Portionen abgesondert i n giinzlich damit angefullte Plaschen. Diese sctzte Ich dar - auf eine sehr h g e Zeit hindureh einer freiwilligen Reaction aus und machte dabei folgende Hcobaehtungen. Die erste, das hcisst die, welche deli rneislen Gcrbstotf enthiclt, hatte, dem An-

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wheinc nach, keine Vcriinderung erlitten j in dor ziveiten hattc sich nach einigen Monaten ein geringer Absatz gebildet, die dritte enthielt eioen starken Haufen wohl krystallisirter Gallus- & w e und die vierte endlieh einen h u m merklichen Absatz jiulveriger $I’ lure.

Icli will zuerst bernerken, dass sich daraus der anschei- nende Widerspmch vullliommen erkliirt , der zwischen einem der tlnuptresuttate dieser Abbandlung und dem schon vor lan- ger Zeit von C h e v r e u l erhaltenen besteht, dass niimlich der i n hermetisch verstopften Flascheri eingescblossene GnKpfeL aufguss sich unbestimmte Zeit erhalte, wiihrend ich im Gegen- lheil bewiesen habe, dass sich Gallussiiure in sehr betriicht- licher Menge darin abset;.,e. Dieser Unterschied biingt angen- genscheinlieh von der von beidcn Tlieilcn ongeweudeten Menge Wasser, und vielleicht auch von der Temperntur ab; denn, wenn man k d t und rnit einer kleinen Menge Wasser arbeilet, so wird man kaum den GerSstoff auflijsen, der allemal, menn die Aufliisung ein wenig concentrirt und vor dem freien Zn- tritt der Lnft geschiitzt ist, sich unbestimmte Zeit erhiilt; ist aber die Menge Wasser betriichllich genug , um nicht allein die andern nuflijslichen Princip:en der Gall5pfel rufzunehmen, sondern auch den Gerbstoff noch mehr zu vertheilen, so er- zeugt sich alsdnnn Giillussiiure.

Eine andre Bcmerkung uber den zuletzt nngefuhrtcn Ver- such ist die, (lass man darnus vcrmuthen kijnne, die sich in den wiswrigen Einweichungen absondernde .Gallussiiure sei darin zum voraus vorhanden; sie muss a b q auch, nach den weiter oben angefiihrten Versuchen , in grosser Menge prIexi- stiren. Dies stimmt jedoch, mie ioh nicht amltin liarin ZII ge- sfelien, mit den eben SO bestimlnten Versuchen Pe louze’e picht iibcrein, dam niimlidh bei der Behanillung von Gal!iipfeln mit wasserfreiem Acther sich nar sehr wenig Galluss~iiire vorflndet. Wirlilich erhiilt man, wird mit der Bchandlung mit wasser- freiem Aether begonnen, als Riic\kstand der Abdampfung nur ein wenlg Chloropliyll, eine ausserordentlich kleine Menge Gerb- stoff und einigc geringe Vemweigungen von Gallussiiure. LBsst inan auf wasserfreien Aether wnsserhsltigen folgen , so bilden Bieh, nach Y e l o u z e’s Beschreibung, im FaHe die Temperatur giinetig ist, swei Scbichtcn, die cine dichler und weniger gc-

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riirbt, die in einer Mischung von Wasser untl Aether Gerbstoff ad- geliist enthiilt, die andere rcichlicher und leichter, wclche nur eine kleine Mctigc Gcrbstofl’, sehr wetrig Gallussiiure und noch eine gewisse Mcrrgc Cfrlorophyll enthiilt j und doch giebt, wenn man tlnnimint, dass die Gnlliipfel viillig vom Aether ausgezogen wa- rcn , der Ruckstand, wetler vermittelst der Fiiulniss noch auf irgcnd eine andere Weisc Gallussiiure, sondern blos einc Art van Gurnmi oder Schleim, der rnit grosser Ge- schwindigkeit schimxnelt und sich vertnitlelst der Snlpetersiiurc in Oxalsiiure umwandelt. P e l o u z e bewies, i d e m er sich aaC tliese sehr bestimmten Resultate stiitzte , dass, wenn Gallussiiure in den Galliiipfeln zum voraus vorhanden sei. dics nur in sehr gcrirrger Menge sein kiinne. Ich weiss, doss die GnIliipfeJ, wie viele andre organisohe Producte, ihre Zusammensetzung veriindern und unier gewissen Einfliissen Umvatidlungen eriei- den kijnnen; dies liann abcr nur innerhnlb sehr beschriinkter Griinzen wahr sein. Denn ich behandelle sehr hiiufig Gall- iipfel, urn Gerbstoff darnus zu ziehn, und ich arbeite fast jedes- ma1 mit verschiedetien Proben : dessen ungeachtet erhielt ich fast immer die ndmlichen Resultate, sowohl bei AusLietiung des Gerbstoffes (lurch Aether, als aucli bei der Behandlung mit Wasser , urn Gallussiiure zu erlialtcn. Folglich iu ejneui Fnllc giinzliche Abvveseuheit von Gallussiiure, i n dem atidern Abson- tierung einer grossen Mcnge dicser Siiure, unabltiingig von dem frcien Zutritte der L h t .

Aus einem der weiter oben angefiihrten Versnche ergnb sich, dass in vcrschlossenen Gcfiissen die ersten \Vwschutigen der GalliipCel, selbst oacti einer sehr laagen Zeit, nur wenig oder Ireine G;rllusstiure gtlbcri. Ich wiitischie ZU ivissen, bis zu welohem Puncte die Hntziehung diescr ersten LV’aschungcu auf das Gesrmmtprodoct cler bei tier Fiiulniss ertralterren Gal- lussiiure Einfluss hnberi wiirtle. Ich machte dnher drei iihn- liche Mischungen, von denen eine jede BUS einem Kilogramme griiblich gestossener Galliipfel, und s w e i Litreu reinen Wassers bestasd. Nsch vier und zwanzigstiindiger Einweichung wur- den zwei dieser Miscburrgen auf Leinw;irid gobrucht uutl eincr st2irben Prcssutig utilcrwc)rl’cn. lieitlc iiiiclistiide trurtien von Ncuem iu zwci Litren Wasser eingcriihrt , und .den folgcndcn Tag wurdc die niimlichc Operation blos rnit eincrn dcr zivei Ictzten wicderholt , so this5 von cticscrr drei liiloo‘rnemcn Gell-

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iipfeeln das eine unberiihrt in seincr ersten Einmeichung gc- Blieben war, das esweite eine erste Waschulig und dns dritte ewei Wnschungen crlitteu halle. Jede dieser illkchungen wurdc nachhcr der Fiiulniss ausgesetzt, und nach einer hinliingliehen Zeit, dns heisst, so lange bis der Brei fast seine gnnze zu- sammenzichende Kraft verloren hattc, und nur noch einen ge- ringcn zusammenziehenden Geschmacli ncbst einem zuckerigen Nnchgcschmacke besass. Alsdann wurden die. drei RIIschungen sup gleiche Weise ausgelaugt , urid der Ertrag an Gallussiiure mar um so reichticher, ills die GaIliipfel weniger Wasclrungen untermorfen worden waren, was der Vorstellung gans nnge- messen ist, dass der Gerbstoff zur Bildung der Gallussiiure un- erliisslich sei; es bleibt nber eben somohl erwiesen, dass diese Bildung oder Entfernung, wenn man will, unabhiingig von d e a Zusammenkeffen. mit dem Lussern Sauerstoff vor sich gehen kann ; und viellcicht ist es nrch dem Vorhergchenden gestattet, cinige Zweifel iiber das Dasein des GcrbstoITes als einfachen Kijrpers zu hegen. Mir scheint zum wenigsten, dass man Grunil haben kiinne es anzunehmen, 1) mepeii der menigen Gallus- siiurc, dic man unter dem Einnusse des Sauerstoffes und des Wnssers erhfilt; 2) weil man bei der trocknen Destillntion des Gcrbstoffes Brenzgallussiiure erliClt , und auch mcil er nicht lirystallisirbar ist. Denn es gieht nur wcnig mirklich reine Productc, deren Molecule sicli niclit symmetrisch gruppiren.

lndem ich von der ehemals von C h e v r e u I nufgestellten Ansicht ausging, dass der Gerbstoff ein zusammengesetzter %r- per sein kBnnte, wovon die Gallussiiure eins der Elemente wiirc, suchte ich mich theoretisch zu iiberecugen, ob diese Hypothese einigc Wahrscheinliehkeit crhiiltei1 liijnnte, und ich bin so aue Folgendes geleitet worden. P e l o u z e hattc aus seiner Analyse des GerbstaDTes die Formel C,, €I,, 0,, abgeleitet. Spiiter eog L i e b i g : als er bcmerkte, dass diese Analyse sich besser mit C,, €I,, O, , vertrug, letztere Formel vor, da sie leichter zu der UmmanJlung des Gerbstofres iii Gdlussiiure passe. Des- sen ungenchtet behielt P c I o u z c die erstcre Formel bei , und ich hrbe mich ihrer auch bedient, da sie besser zu der neuen Ansicht, von dec ich aasging, passte. Xun passt aber dieseFor-

Ii&e( ?;ii '4 Atomeri krystallisirter Gallusdure und 1 Atow JDCI C,, isis O, , = 2 (C, H, 0 5 f H, 0 ) C,, das

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Kohlenwasserstoff von der niimlichen Zusammensetssung \vie das Benzin.

Die von Ei e b i g angcnommene Formel miirde gleichfalls zu nndern UmwantIIungeri yassen. So findet man, dass drei Atome Gerbstoff 3 (C,, HI, O t z ) = C5, H,, O,, = 6 (C, €I, 0,) f 2 (C, €1, 03), das heisst 6 Atomen Gallus- siiure und 2 Atomen trockner Brenzgallussiure ailuivalent sind ; oder noch besser, wenn man annimmt, dass der GerbstotT 1 Atom Wasser absorbiren liiinne, so wiirde daraus Gallussiiure iind Essigstiure hervorgehen. Wirkiich kann C,, H,, 01, 3. 0 H, = 2 (C, €I, 0 5 ) $. C, H, 0, , das heisst I Afom Gerbstoff iind i Atom Wasser durch 2 Atome Gallussiiure uod 1 Atom Essigssure dargestellt werden.

Ich weiss wohl, bis zu welchem Puncte diese rersohie- denen Hypothesen sich durch die Erfahrung bestiltigen kiinnen ; diese neuen Ansichten merden mir aber als Ausgangsyunct diencn, urn einige andere Versuc'ue zu machen, die vielleicht auf merkwurdige Resultate leiten.

U e b e r d i e W i r k u n g d e r W i i r m e a n f d i e Ga l lus s i iu rc , u n d B e t r a c h t u n g e n i i b e r d i e B r e n z s l u r e n .

B r a c o n n o t entdeclite zucrst , dass die Gallussiiure ver- mittelst der 'Wiirrne eine solche Veranderung erleitle, dass die sublimirte SCure als ein von der gewijhnlichen SIiure gane verschiedenes Product betrachtet werden miisse, und er be- zeiehnete sie mit dern Namen Brenzgallussiiure. P e I o nz e un- tersuchte iiberdies diese Reaction gcnauer, und er gab eine sehr bestimmte Erkliirung davon, die er in folgende Worte zu- samm en fasste :

Wird Gallussiiure, sagt P e l o u a e %), bis zu 215' er- hitzt, so verwandelt sie sich ganz in reirie Kohlensiiure und reine Brenzgdussiiure, und wird sic einer Temperatur yon 250' nnterworfen, so bildet sie noch r ehe Kohlensiiure; aber statt der subliniirten Siiure , trocon nicht die yerinyste Menye erseuyt zuz'rd, zeigt sich Wasser, das an den Wlnden der Ke- torte herabrinnl, und es bleibt i).letagallussiiure auf dern Bode14 des &Passes zuriick.

4:) Sielre Journal "k! pralt. Chemie. Bd. I. S. 27.

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R o b i qu e t , ub. Gallussiiure.

Diese Verwandlungen, setsst P c l o u z e hinzu, sind so dcut- lich, wie die sie darstellenden Gleicliungcu 1) Bei 215O C, H, 0, = C 0, f C, H, 0, ; 2) Bei 230" C, H, 0, = C O , + H , O f C, H4 0,.

Diese Phiinomene , sagt P el o u z e weiter , welcbe die Gallus- siiure darbietet, sind also genau von dcr niimlichen Art, wie die, welche die Meconsiure darbietet, wenu sie, wie die er- stere, dem Einflosse einer miissigen Temperatur unterworferi wird.

Es giebt nichts Verfiihrerischeres als eine so vollkommene Uebereinstimmung von Thatsachen mit der Theorie, vornehm- lich menn die Rede ist von einem Agens, das so schwer, wie der Wirmestoff, zu leiten ist. So vie1 Ursachen stehen in der That seiner gleichfijrmigen Verlheilung entgegen , dass die voti dem Verfasser angekiindigte Rcgelmiissigkeit sebr selten zu erhalten ist. Auch habe ich die grijsste Muhe auP Wiederho- lung dieses Versuches gewendet ; ich muss aber beketinen, dass ich nicht so gliicltlich gewesen bin, den nimlichen Erfolg EU

erhalfen, ob ich gleich lnir alle Miihe gegeben tinbe, die Urn- stPnde bis ins Unendliche xu verlndern. So wendete icli nicht nur eine langsame, sondern auch eine lebliafte Hitze an, bald tauchk ich die Retorte ganz i n das OelSarl, bald blos eiiicn Theil derselben. Zuweilen unterliielt icb nach und nach meh- rere Secunden lang eine feststehende Temperatur zu 2 OO", nach- her zu 210", EU 220°, BU 290" u. s. w.; welchen Weg ich aber auch dabei einschlng, so k0llAk ich doch die Wirkung der Wiirme in zwei verschiedene Zeitpuncte nicht so trenneu, wie P e l o u x e es sagt, und so wie dies so deutlich bei deu Meconsiiurcn geschieht.

Man kann sich leicht denkcri, dass ich alu Fabrikant be- sonders betheiligt war, die griisstc Mcnge Drenzgallussiiure au[ eine gegebene Menge Gallussiiure %u erzeugen. Auch wendelc ioh alle mir zu Gebote stehenden illittcl an, deu mijglichst ge- ringsten Ruckstand en erhalten ; aber , trotz nller meiner Be- muhungen lionnte ich nicht iiber 20 p. C. erlangen, und eben so wenig war es lnir jeuials miiglich, ubcr 50 p. C. Breun- gallusshre zu sublimircn , und , was viclleiolit nach dem, was ich gesagt habe, in Erstaunen sctzen wird, ich gelarigte nick durch eine gchijrig gcleitetc Auwendung dcs Feuers zu Be-

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sem Maximum, sondern im Gegentheil, wenn ich die Destillation sehr schnell vor sieh gehen liess, das heisst, wenn ich die Er- hijhung der Temperatur beschleunigte und die Retorte unmit- telbar, aber in einer gewissen Entfernung, mit gliihenden Kob- len umgab. Zwar wird slsdann die Brenzgallussiiure nicht mehr in 'der Wij lbung oder in dem Halse der Betorte in schij- nen weissen Schuppen sublimirt j sondern sie fliesst in flussigem Zustande iiber, und erstarrt in dem Recipienten. I n diesem Falle ist sic blos von einem rothen Farbestoffe begleitet, desscn ich bereits andersivo erwiihnt hsbe, und der wegen seiner Un- auflijslichkeit im Wasser leicht entfernt werden kanii. Es ist gleichfalts leicht, die Reiniguug derselben vermittelst ciner zwei- ten schnellen Sublimation zu erlangen.

So glaube ich behaupten zu kijnnen, dass die Wirkong der W'brme auf die Mccon- iind Gallussiiure nur darin mirk- lich verglichen werden kiinne, dass heide als Producte Kohlen- s h e und eine Brenxslure geben; iibrigens aber ist der Gang der beiden gemiissigten Destilintionen wesentlich verschieden, weil es in dem einen Falle xwei sehr verschiedene Zeitpuncte giebt, wiihreod in dem andern die Reactiou fortdauernd ist.

Die Natur des Ruckslandes von der Destillation der Gal- lussjiure ist weit verschiedener, als man denken solite, j e nach der Intensitst und Dauer der angewcndetcn W6rmc. Ich will sogleich in einige Details eingehcn.

Wird die Temperatur nicht iiber 210' gesteigcrt, so ent- wickelt sich seer wenig Kohlensiiure nnd man sammelt kaum einige Flitter Brenzgallussiiure. Hat man die l'ernperatur meh- rere Stunden auf diesern Grade erhalten, und liisst dsnn Erkal- tung eintrelen, SO findet man die Gtillussiiure in eine einzige grauliche , klingende und zikmlich poriise Masse vereinigt. Diese Masse zerfiillt Ieicht im Wasser , bald aber absorbirt sic einen Theil dsuon und wird mit ihm fest. 1st dns Wasser iru Ueberschusse vorhandeti , so liist sich ein betriichtlicher Theil dieses Producles sogar in der JClilte auf, und diese Aut'lusurig ist e twas zusammenziehend. Das Ganze Iiist sich im sieden- den W-asser auf, und man crhilt vcrmittelet der Erkaltung einc schiine, aber etwas riithliche, krystallisirte Gallussiiore.

Wird die Temperatur von 225 bis 230" gesteigert, so kommt dic Siiure in FIuss, man sieht sic in der Retorte liochcn,

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und hat man sie zwei oder drei Stunden auk' diesem Grade er- halten und man hiilt dann mit der Operation an, so findet sich als Ruckstand eine schwiirzliche gldnsende Masse, die in einer kleinen Menge kalten Wassers Past ganz anfliislich ist. Diese Aulliisung ist nach dem Filtriren von einem rMblichen Braun, hat einen dem Catechu iihnliohen Gescbmack, und, was das Merkwurdigste ist , sie schliigt die aufgeliiste dallerte reichlich nieder. Ich wurde bcwogen diese Destillation zu fractionniren, um eine Hipothese L i e b i g s zu bestiitigen, welcber sich so iiussert: ,,Dass mati sich rlio Ballussiiure aIs aus vier Atomen Boblensiiure und vier Atomen Brensgallussiiure gebildet den- ken kiinne, dergostalt, dam, wenn man der Gailussiiure den vierten Theil ihrer Kohlensiiure entziehen kBnnte, man aaf den GerbstotT zuriiclikomrnen mussle." Obgleich ich diese Behaup- tung nur Pur scheinbar hielt, so w8nschte ich doch zu sehen, wns RUS dieser Entziehung eines Theiles der Kohlensiiure her- vorgehen vviirde, und ich war niclit wenig erstaunt, eine gerb- stoifartige Substans dabei wieder zu finden. Ich sage cine gerbstolhrtipe Substaaz, dean sie hat mit dem Gerbstolfe nur dcn swnmmenniehenden Geschmack und die Eigenschsft die thierischc Gullertc niedcrzuschlrgen gemein , sie billlet kcine unnurliidichen Verbindungen init den organisclien Basen u. s. w. Bchon U e r z e l i u s hatte dieses Rcsultat angedeutet, ich wusste es aber nicht, als ich meinen Versuch :iuslellte; er fuhrte es aber nur nls einen Beweis auf, dass die am bestcn gereinigte GnHussCure noch GerbitoK enthnlte, und daas niclits weniger als die Deslillntion nijthig sei, um sie viillig davon zu befrcien, wiihrend es sehr einlcuchtend ist, dnss diese gerbstolfartige Substnnz duroh die Reaction der Wiirme sclbst erzeugt wertie.

Bei einer noch etwas hiihcrn Tem!ieraLur bleibt ein be- triichtlicher Theil tles Rucltstandes iin Wasser unaufliislich, lijst sich aber sehr gilt In den Allinlien auf. Dies ist Pc- I o u z e's Metngnllussiiure.

Endlich j s t der durch eine schuelle uud bei freiem Feuer angestellte Destillation erhaltcne liiiclistand nur Iiohle, \vie ea leicht vorauszusehen war.

Ich werde jetzt , weil siuh die Gelegenheit di1;r.U darbielet, bci den Brenzsiiurcn vcrweilen und einige Ansichtcn nufslel-

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len, die sich mir, w:ibrend ich mich dieser Art von Unfersu- chungen widmete, darboten.

Ich weiss, dnss man sich von den zahlreichen VcrLnde- rnngen Rechenschaft giebt, indem man s sg t , dass, wenn die Operation uicht immer die Regelmiissigkeit und Einfachheit der diirch die Formeln angekiindigten Producte darbietet, dies von der ungleichen Verth~i lung der Wiirme abhiinge, die, in- dem sie sich in gewissen Puncten mehr als in andern antiiiuft, eine weiter vorgeruckte Zersetzung bestimmt und folglich neue Producte erxeugt. Ich m i s s aber auch, dnss Behnuptungen, wie diese, iiicht immer mahr sjnd, und ich furchtc sehr, dass inan sich vielmehr durch die verfiihrerische Einfttchheit der Formeln hinreissen, als durch wirldiche Thatsache leiten Iasse. Ilier z. B., obgleich durch die Analyse bewiesen w i d , dass sich die Urenxgallussiiure von der Gallussiiure nur durch 1 Atom Iiohlensiiure unterscheide , ist e s doch nicht meniger gewiss, dass dies nicht die einxigen durch die frockne Destil- lation der Gallussiiure dargebotenen Producte sind , wie g e m i i s sigt auch immer, und wie regelmiissig diesclbe sei. Znm we- nigsten habe ich mich der Einfachheit dieser Resultate niemals niiliern kijntien. Immer benierkte ich, dass sich z u allen Zeit- punctcn der Destilldion Wasser entwickele; eine so geringe Menge es auch war, immer sah ich auch, dnss die gerbstoff- nrtige Substanz, die ich erwiihnt hnbe, und die, wie ich glaube, selbst ein zusammenpesetxtes Product ist, sich zusammen 'mit der Brenzgallussiiure bilde, und dies ist nicht, wie marl glau- ben Itiinnte, das Resulht einer theilwcieen iind weiter vorge- ruckten Reaction der U-iirme, sondern im Gegentheil eine mit ihr zusamrnenfallende oder ilir sogar vorausgehende. Uavon kann mau sich leicht uberxeugen, w s n n man im rechten Zeitpuncle mit der Operation aufliiirt, das heisst dann, menn nur noch eine sehr geringe Menge Brenzgallussiiure als Product vorhnn- den ist; denn von dieeern Zeifprincte an findet man, d w s die Galli~siiurc schon viillig ilire Xatur gciindcrt hat, weil sicli der Ruckstand in einer Iileinen Menge keltcn Wassers giinzlich suflust, dass er rothbrniiri gefiiirbt ist, dass er niir noch in lilei- nen Kiirnern ohne regelmiissige Formen krystallisirt , mil dass die Auflijsung die Eigenschaft hat, die Gallerte niederxuschla- gen , wahrend dass ,. wenn die Destiilation fortgesetzt morden

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wiire, eino bctriicbtlicherc Menge Brenzgallussiinre, Wasser and Bohlcnsiiure, nachher ein im Wasser nnliidicher, in den Al- kalien aber liislicher Riiekstand erhalten worden wiire, nnd dies Alles, ohne die Temperatur von 250' zu iiberscbreiten.

Ich glaube daher nicht, dass man annehmen kiinne, die Eerscteung sei go einfach, so deutlich, wie man-- behanptet; nnd, mciner RIeinung nach bilden sich andre Producte, nichk zufiillig, sondern nothwendig, als die durch die Formeln ange- zeigten. Daraus, dass ein Atom Gallussiiure genau durch ein Atom Rohlens5ure und ein Atom Brenzgallussaure dargestellt wird, ist man, meiner Meiaung nach , ebeu so wenig berech- tiget daraus zu schliessea, dass diese beiden Producte die ein- eigen sein wiirden, welche sich bilden, wenn die Operation ge- biirig geleitct wiirde, als man bei der niimlichen Voraussetzuog za der Annahme berechtigt wiire, dsss die trorkne Destillalioo des oxnlsauren Ammoniaks nur Wasser nnd Oxamid dnrbieten miisse , weil diese beiden Kiirpcr vereinigt das urspriinglich oxalsaure Ammonink darstellen , weil ey allge'mein bekannt ist, dass bei dieser Destillation die E r z e u g m g des kohlensauren Ammoniaks sich nicht vermeiden 18sst.

Zu allen Zeiten haben sich die Chemiker vie1 mit der Wir- kung der 'CViirme anf die organischen Produete heuchsftigt ; aber nur erst seit cinigen Jahren hat man dik Wirkungen der- selben besscr zu wurdigen gesucht. Icti glanbe ciner der er- sten gewesen zu sein, die auP die Nothmendigkeit, dies za thun , hingewiesen hahcn. Zum wenigsten iiusserte ich mich im Jahre 1822 in dcm Dictionnaire de Technologie unter dem Artikel Rain -Marie fol~entlermaassen dariiber : ,,Bk jctzt ist nicht genug Aufmerksamkeit der Nothwendiglieit gcwidmet worden, die Tempcmtur der Kiirper gehijrig constant zu ma- chen, deren Verhalter; in der Wiirme mail. untersuchen will. Grosses Erstaunen wiirde der grosse Unterschied erregen , welchen iliese Regelmiissigkcit in dcn Resultaten herbeifiihren nurde," ivoroul ich ein Beispiel anfiitirte.

Spiiter zeigte ich bei Untersnchung dcr Meconsiiure, dass cine blose Aufliisung dieser merkwurdigen Siiure in WaSser, selbst unter dem Siedepuncte , eine solche Reaction erlitte, dass awei verschiedcne 'Zusammcnset~ungen erzeugt wurden , niim- lictr Kohlendure cincs Tlicils, uad andern Theila cine ncuc

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&inre, die ilcn Namen Metameconsiiure erhielt , welche sich wcscntlich von der ersten unterscheide. Ich bewies auch, dass die niimliche Urnwandlung ohne das ZusammcntretTen mit Was- ser bewirkt werden kiinne, aber bei einer vie1 hiihern Tempe- ratur und niernals unter 2200. Ich bemerkte noch , dass, menn diese Temperatur constant erfialten wiirde, die Reaction nach VerlauC einer gewissen Zeit ganz aufburen wiirde, und dass eine Untcrbrechung Stalt FSnde, wiihrend welcher die Elemente deg neuen Productes der trennenden Wirliung des Wirmestoffes vollkommen widerstinden j dass aber dieser Widerstand seine Grlnze hiitte , die nicht iiber 300 hinausgehe, und dass, wiirde die Temperatur des Marienbades fortgehend bis ungefiihr 2500 erhijhet, eine neue Reaction sich zeigte vermittelst einer betriichtlichen Entmicklung von Eohlensiinre, und der Verfliieh- tigung eincs neuen zussmmengesetzten Kijrpers, der fast neutral sei und eins bedeutende Auflijslichkeit besitze, das heisst Cha- raktere kesitze, gana vcrschieden von der in der ersten Periode crzeugten Siiure. Ich betrachtete diese Thatsache als die erstc dieser Art, die deutlich ausgesprochen worden wt'ire, ond ich hielt sie fCir wichtig genug, urn die Aufmerksamkeit zn erre- gen. Indessert sie blieb gana unbeaehtet. Obne Zweifel l ag die Schuld an mir, wabrscheirrlich hatte ich sie nicht p t dar- gcstellt. Wie dem auch sei, einer unserer jiingsten aod ge- schiclitesten Chemilier hatte e t n w spiiter bei Untersochung der GallussBure Gelegenheit , iihnlictie Beobachtungen zu machen, und da neue Beispielc z u dcn vorhergehenden hinzugekommen waren, glaubte er daraus i'oolgcildes nllgemeine Gesetz ableitem zu kiintren:

Dass jede Brenzdure plus einer gewissen Menge Wasser und Kohlenshe , oder blos einer von diesen beiden biniiren Zu- saurmenseli.,ungen, immer die Zusnmmensetzung der Slure, mel- che dieselbe erzeugt hat, reprlsentire.

l ch weiss nicht, bis zu welchem Puncte dieses Gesetz, das , mie mir scheint, sich aicht bloa auf die Siiuren beziehen sollte , in seiner ganzert Allgemeinheit diirch die Erf:ihrungBest:i- tigung erhalten wird j ich glaube aber von jelzt an behaupten zu kiinnen, dass die Producte, welche Brenzsiiuren genannt werden, nicht alle in die niimliche Reihe der Busammensetzungen gestellt werderi kiinnen j dean es giebt deren mehrere, die, wie mir scheint,

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unter die sscnannten indirerenten Kiirper gereihet merden miis- sen, und die, von dem neuen Gesichtspuncte aus untersucht, n-ahrscbeinlich eine VerzFnderung in unseren Vorstellungen in dieser Hinsicht veranlassen wiirden.

D u m a s hat hieriiber eine Meinung sufgestellt, die er our beliannt marht, urn sie zu bekiimpfen , die mir jedoch AuCmerk- samkeit zu verdienen scheint, ,,\Venn man," sagt D u m a s (Trait6 de Chimie, t. V, p6 IlL), ,,Wasser oder Kohlenssure mit sn grosser Leichtigkeit Bus either organischen Bubstanz sich entmickeln sieht, die sich in cine andere vollkommen reine ver- wandelt, so ist man geneigt zu glaubeu, dass dieses Wasser oder diese Siiure zum voraus vorhnnden wiiren und sie durch die Wiirme abgesondert wiirdcn. Ich glaube niche ;' getzt D u- rn a s h inzu , , , L ] R s s dies richtig sei, sondern im Gegentheil, dass diese Kijrper Bus der gegenseitigen Wirkung der beiden in der Sub- stanz eum voraus vorhandenen Zr~sammensetzungeu entstehen, melche auf einander gewirkt haben, ebenso mie die Oxalsiiure und das Ainmoniak bei der Erzeugung des 0xamides.C'

,,Wenn es z. B.," fiihrt D u m a s meiter fort, ,,zu Gunsten der Priiexistenz der Kohlensiiure sich sagen liisst , dass die Me- consiiure beim Verlusle eines A tomes Kohleusiiure gennu die EWfte ihrer Siittigungscspacitiit verliert, so findet man in d e r niimlichen Rcihe einen Beweis fiir die Xicbtigkeit dieses Grun- des. Beim Verluste zweier Atome Kohlensiiure miisste die Meconsiiure einen neutralen oder weniger sauren hiirper , sls der vorhergeltende ist, iiefern j dagegen giebt sie eine zmeimal stiirkere Siiure."

Ohne Zweikl hatte D u m a s seine guten Griinde, warurn er sich SO iiusscrte; ich muss aber bekennen, dnss ich bei dem Studium dieser Slurc eine ganz verschiedenc Vorstellung davon gefasst habe. Man wird daruber nnch folgender Stelle einer Abhandlung urtheilen , worin ich meine Beobaclitungen nieder- gelegt habe (Ann. de Chim. et de Pbys. t. LI, p. 256.).

,,Die Sittiguci,bscagncitiit dieser Siiure C der Breuzmecon- sSure), die aus itirer Analyse und aus der Zusammensetzung dcs brenzmeconsauren Bleies abgeleitet wurde, ist ziemlich be- deutend befunden worden, obwohl sie geringer ist, als die der beiden anderen. Wenn man jedoch gleiche Gemichte dieser drei Siiuren mit einer und derselben slkolischeo Aufliisung siit-

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tigt, so ergiebt sich zwischen den Mengen des absorbirten Al- kali ein ungehenrer Unterschied. Die Brenzsiiure erfordert nur den funften Theil der beiden antleren UIR eine alkalische Re- action zu aeigen, und, was besonders i n Verwunderung setzt, die sich in dieser alkalischen Flussigkeit biidenden Krystalle sind fast reine Siiure. Es kijnnte scheinen, dass diese beiden Xijrper sich wohl vermiltelst ihrer Beriihrung verbihden Bonnen, wenigstens bei der gemohnlichen Temperatur."

Weiter nnten sagte ich noch: ,,Wenn man s 8 eine Reihe von Kijrpern sieht, die auseinander zu entstehen scheinen, so ist der erste Gedanke , welcher Rich darbietet , dass diese Kiir- per eiuen gemcinschaftlichen Typus haben, der mehr ode€ we- niger durch die frernden Snbstanzen modificirt wird; wen? diew %her fiir den gegenwiirtigen Fall glilte, so wiirde die SLtti- gungscapacitiit immer annehmen , je nachdem man sich der Reinheit melir niiherte ; und dann musste unsere Brenzsiiwe die beiden anderen ubertreffen; und gerade dtis Gegentheil geschiebl. Wenn wir jedoch bemerkea, driss die drei Meconsiiuren bei allen diesen Stiirungen eine Eigenschaft behalten, die gleichsam der Typus der Battung ist, so mussen wir das Dasein eines unveriinderlichen Radicals annehmen, das iiberali seinen we- sentlichen Charakter beibehiilt."

Es ist also einleucbtend, dass ich damals, den Ansichten jenes Zeitpunctes entgegen, die Priiexistenz einer Art von RR- tlical in den Meconsiiuren annahm, das nichl flhip ist, mit den Alkalien in Verbindung zu treten, und ich muss noch hinm- fiigen, dass, ds ich dies nicht mit cfer geringen sauren Be- schaffenheit des Brennproductes vereinigen konnte , ich vijllig geneigt war, dieselbe einer fremden Siure beizurnessen , w. R. der Essigsiiure, die, wie ieh .rvusste, sich xu der niimlichen Zeit bildet. Ich kiindigte tlahec an, dass es mein Vorsatz wiire, die Brenzmeconsiure in dieser Bv~ichung von Neuem zu on- tersuchen , und blos die Unmiiglichkeit, mir c2ieses Prwdrlct ztl verschaRen, konnte diese Unlersuchung verzogern. Was die aus dem brenzmeconsauren Bleioxyde abgeleitete Ssttigungsca- pacitlt betrifft, so ist die ganze Schwierigkeib bekannt, diesc Art von Verbindungen in einetn viillig *reinen Zustandc zu erhalten, und wie leicht man sich hierbei irren kann.

Was ich von der IndiBcrena' der Brenzmeconsiiure gesagt

Joicin. f. pmkt. Ciieiuic. XI. 8. 32

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habe, ist, meiner Meinung i m h , noch leichter f'iir die Brenz- gallussaure annunehmen , denn diese, seitdem sie nuerst erhal- ten wurde, &icirt das Lackmus nicht merlilich, und Berze - l i u s erknnnte diess schon vor langer Zeit.

Ich suchte vergleichungsweise die Menge KaIi zu be- stimmen, welche niithig ist, urn gleiche Gewichte von Gallus- sHure ond Brenzgallusdure zu siittiaen. Letztere war durch eine zweimalige Sublimation gereinigt worden. Ich nahm I Grm. yon jeder dgrselbeo, die ich in gleichen Volumen reinen Was- eers auflijste. Die Gnllussiiure erforilerte 4,51 alkalische -4uf- losong zu ihrer volligen Siiltigung ; die nriilere maclite gleich bei dem ersten Tropfen lLnli dns Lnckmus wieder blau. Es schien mir daber zicmlich einleuchtend, dnss die Folgerung, zu der D u m a s gelangt, bei der Hypothese, nach welcher die Kohlensiiure als zom Voraus vorhanden betrachtet werden kiinne, weit enlfernt durch die Thatsachen widerlegt zu wer- den, im Gegentheil durch dieseiben sebr gestutzt werde, und weil man meint, data viele Producte, die wir aus gutem Grunde fiir wasserfrei halten , wegen ihrer grossen StabilitIt bei hohen Tomperaturen, weil man meint, sage ich, dass diese Riirper dessenungeachtet fertig gebildetes Wasser enthalten? von dem sie sich nicht trennen durch Verhindung mit Eewissen Riirpern, so diirfle man es nicht mehr scllwierig fintlen, anxunehmen, dass die Kohlensiiure oder ihre Elemente die Ursache ihrer sauren Bescbaffenheit werden , weil ihre Sltti~un,aacapacitiit ab- aimmt, j e naohdem man dieselbe entfernt. Diess ist eitie That- sache, welche ich bereits bei einigen sndern OrgaDiSCheU Sau- ren bestiitigt gePunden habe, besonders bei der Weinsteinshre. Erhitzt man rliese Siiure blos hinreichend, um das zu erhaltcn, was B r a con n o t modificirte Weinsleinciure nannte, so ergiebt sich , dass letztere, mit der urspriinglichen Siiure verglichen, schon ein Driltel ungefiihr yon ibrcr Siittigungscayacitlt verlo- reu habe.

M a n kiinnte also bis auP eirien gewissen Punct diese Siia- ren nls Arten kohlensaurer Salze betmchlen, bei deneri die an- gcblichen Brennsiiuren die Basen wlren, und wenn man von demselberi Geuiehtspuncte ausgiogc , so wiirden d3s Oleon, Margaron, Stenron, Aceton, Succinon u. s. w. die Basen ihrer rcspectiven $iiurcn bilden , dcren mure Bcschaffenhcit gleich-

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falIs von der Kohlensfiure berkommeo wiirde, und ieh zweifle nicht, dass sich viele organische Siiuren in dem nsmlichen PalIe belinden.

EY wiirden neue Untersucbungen nothig sein, urn uns hier- iiber AufBliirung xu verschatFen, und uns dariiber in Gowiss- heit EU sctzen, ob nicht ICohlens5ure dabei sei in Beziehung nue die orgnnischen Siiuren , wie Ammoniak in Beziehung auP die organischen Basen , deren ~~ittigungrscapacit~it, wo nicht vom Ammonisk selbst, \vie ich Anfangs angenommen hatte, aum wenigsten von dessen Elementen herlrommt, wie diess L i e b i g kiirzlich angenommen hat.

Uebrigens zeigcn uns diese Betrachtungen deutlich, dass bei gewissen Zusammensetzungen eine Art des Seins ibrer Elemente bestehe, die tins giinzlich nnbe1;nnnt ist. Man kiinnte ilaher gewissermaassen sagen , dnss dieyes Wasser , diese Koh- IensSure, dieses Ammoniak da sei und nicht sei. lhre Elc- mente sind anwesend und gewissermaassen disponibel, ich be- trachte sie als gan% bereit, sich in der oder jener Ordnung, in dem oder jenem Verhiiltnisse, nach dcm Einflusse des Augen- hlicks , zu vereinigen , und das ist es , was es eben so schwie- rig macht, fur mich menigstens, a n diese biniiren Verbindun- gen zu glanben, deren Priiexistenx i n den meisten organischen Zusammensetzungen rnit solcher Bestimmtheit behauptel wird. Ihre Elementc befinden sich o h n c Bweifel darin; aber diese niimlichen Elementc liiinnen auch anderc Verbindubgen aus- rnachen, welche dann als wirklich e u m Vorarrs vorhanden bc- trachtet mcrdcn mussten. Ich glaube nicht, dass diese Frage so bald mit Bestimmtheit entschieden werdeii mird.