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Das Kaufhaus Ganz früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B. Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler Zur Geschichte des Bensheimer Traditionskaufhauses Teil I Nicht korrigiertes Redemanuskript der Veranstaltung vom 22. März 2017 in Bensheim, im Rahmen der Ausstellung in Lorsch mit dem Titel "Legalisierter Raub - der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen und Rheinhessen. Es gilt das gesprochene Wort.

Zur Geschichte des Bensheimer Traditionskaufhauses Teil IQuelle: Himmlers Krieger: Joachim Peiper und die Waffen-SS im Krieg und Nachkriegszeit. Verlag Ferd. Schöningh. 2013 Kaufhaus

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Page 1: Zur Geschichte des Bensheimer Traditionskaufhauses Teil IQuelle: Himmlers Krieger: Joachim Peiper und die Waffen-SS im Krieg und Nachkriegszeit. Verlag Ferd. Schöningh. 2013 Kaufhaus

Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Zur Geschichte des Bensheimer Traditionskaufhauses

Teil I Nicht korrigiertes Redemanuskript der Veranstaltung vom 22. März

2017 in Bensheim, im Rahmen der Ausstellung in Lorsch mit dem Titel

"Legalisierter Raub - der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in

Hessen und Rheinhessen. Es gilt das gesprochene Wort.

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Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Ansicht Kaufhaus Ganz von der Haupstraße 56 aus, um 1948

Quelle: Stadtarchiv Bensheim, Stand 1948, Nachlass

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Kaufhaus Ganz: Werbung 2017 Kaufhaus Ganz: Werbung 1936

“Das Kaufhaus Ganz wurde im Jahr 1936 von Ernst Ganz und Karl Birkenmeier gegründet.” - zu lesen auf der aktuellen Homepage der Firma Ganz. Das hört sich gut an, ist aber falsch!

Quelle: Homepage Kaufhaus Ganz

Richtig ist, dass das Kaufhaus

aus dem Unternehmen Zacharias

Jakoby Bensheim a.d.B.

hervorging, siehe Anzeige unten

Quelle: BA vom 6.4.1936

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Manchmal ist die Wahrheit schwer zu ertragen.

Dies ging wohl auch der Geschäftsführerin des Kaufhauses Ganz,

Frau Tatjana Steinbrenner, Anfang Juni 2016 so.

Sie versuchte die Veröffentlichung einer DGB Pressemitteilung, über

die Arisierung des Kaufhauses, auf Facebook rückgängig zu machen.

Der Inhalt passte nicht zur offiziellen, von der Ganz Geschäftsleitung

verbreiteten Version, über die Kaufhausgründung.

So unterstellte Frau Steinbrenner, dass der auf Facebook verbreitet

Artikel irreführende Informationen enthalten würde.

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Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

• Das Bensheimer Kaufhaus „Ganz & Birkenmeier“ging 1936 aus dem arisierten jüdischen Unternehmen Zacharias Jacoby hervor.

• Die seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit präsentierte Position, die Übernahme des jüdischen Besitzes sei „rechtlich nicht zu beanstanden gewesen“ ist falsch.

• Der Prüfungsausschuss für arisierte Unternehmen stellte fest:

die Firma Ganz & Birkenmeier vormals, Zacharias Jacoby, Bensheim a.d.B. ist als arisiert zu betrachten und es hat eine Sperre zu erfolgen. Der gegenwärtige Eigentümer hat die Firma unter Umständen erworben, die den Rechten und Interessen der früheren nichtarischen Eigentümer abträglich waren. (Quelle: HHStAW, Abt. 519/V Nr. 3131-

556)

• Die Bensheimer Nazis, hatten die Arisierung jüdischer Geschäfte ab 1933 brutal vorantrieben. Davon profitierten auch die Herren Ernst Ganz und Karl Birkenmeier.

• Sie übernahmen von den jüdischen Eigentümerinnen:

– ein Grundstück in Bensheim, an der Raab mit 382m² mit Gebäude und Zubehör für 34.500 RM (der Brandkassenwert betrug 1936: 46.663 RM, der vom Architekt Hübner geschätzte Wert in 1936 betrug 44.000 RM). Die Einrichtung und das Warenlager erhielten sie für 558 RM bzw. 8.513 RM,

– ein Facon- also Firmenwert wurde nicht gezahlt!

Das Kaufhaus Ganz – früher Zacharias Jacoby, Bensheim a.d.B.

Quelle: HHStAW, 519/A DA 26635/HHStAW 519/V 3131-556

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

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Die Eigentümerinnen Sophie Jacoby und Else Schwabacher erhielten nur noch 27.931 RM

Nach Abzug der DeGo-Abgabe verblieben ihnen maximal 9.776 RM, wahrscheinlich aber nur 5.300 RM

Begründung – DeGo-Abgabe: “Wollten jüdische Mitbürger Deutschland 1936 auf legalem Weg verlassen,

musste sie Wertpapiere, Verkauserlöse aus Geschäften und Immobilien auf einem Sperrkonto belassen. Wer

von diesem Konto Geld in Devisen umtauschen wollte, musste dies von der Deutschen Golddiskontbank

genehmigen lassen und die sogenannte DeGo-Abgabe zahlen. Diese lag 1934 bei 65% und ab Oktober 1936

bei 81 bis 85% Quellen: Kaufvertrag Zacharias Jacoby Witwe/Ernst Ganz u.Karl Birkenmeier/

Amtsgericht Bensheim Grundbuch von Bensheim Band 41 Bl 2775

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: HHStAW DA 519/A

Rückerstattungsanspruch gegen Ernst Ganz und Karl Birkenmeier

R

Rückerstattunganspruch

Rückertstattungsaspruch

Rückerstattungsanspruch

Rückerstattungsanspruch

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Quelle: HHStAW 519 A/V

Seit 1906 betrieb der Kaufmann Zacharias Jacoby unter dem

Namen Julius Heineberg Nachfolger ein Detailgeschäft. Er

verkaufte dieses 1925 an einen Herrn S. Wertheimer.

Bereits 1926 musste das Geschäft von Herrn Werheimer,

wegen “finaziell ungünstiger Umstände” wieder gelöscht

werden.

Zacharias Jacoby beantragte eine Neueintragung mit dem

Namen Firma Zacharias Jacoby, Bensheim a.d.B. Quelle:

Hess. Industrie und Handelskammer Darmstadt, 13.8.1926/HSt G28

Bensheim R 106

Der Kaufmann Zacharias Jacoby wurde am 28. Januar 1877

geboren. Seine Eltern waren Moses Jacoby und Maria

Jacoby , geb. Flegenheimer. Am 15. März 1909 heiratete er in

Oberingelheim Sophie Kitzinger. Am 4. Januar 1932 starb

Zacharias Jacoby in Heidelberg.

Krankheit und Tod ihres Mannes machten Sophie Jacoby

schwer zu schaffen, was sich auch auf das Geschäft

auswirkte. Ihre Situation wurde zusätzlich durch den

zunehmenden Antisemitismus verschlimmert. Der Umsatz lag

1931 nur bei 14.000 RM. Nach dem Tod ihres Mannes musste

sie die Geschäfte einige Zeit alleine weiterführen. Am 25. Mai

1932 wurde ihre Nichte else Schwabacher gleichberechtigte

Teilhaberin.

Der Boykott jüdischer Geschäfte, verschärfte die Situation für

die beiden Frauen erneut. Am 30. März besetzten in

Bensheim SA- Schlägertrupps jüdische Geschäfte und

verhafteten ihre Besitzer. Trotz allem konnten die beiden

Frauen die Umsätze bis zum Verkauf 1936 kontinuierlich

steigern.

Die Herren Ganz und Birkenmeier übernahmen ein

Unternehmen mit wachsendem Umsatz (nebenstehende

Tabell) und Gewinn (folgende Seite),

Quellen: HHStA Wi 1-519 V 3131-556

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Ernst Ganz

Ernst Ganz (geboren am 2. November 1909,

gestorben 1984, katholisch. Er war von Beruf

Kaufmann und nach eigenen Angaben 1933

stellvertretender Betriebsführer im Kaufhaus

Merkur in Karlsruhe. Ebenso nach eigenen

Angaben sei er Mitglied der NSDAP vom 1. Mai

1933 bis zur Auflösung der Partei gewesen. Nach

Auskunft der örtlichen Militärregierung (Special

Branch) ist er bereits am 1.April 1933 in die

NSDAP eingetreten. An diesem Tag riefen die

Nazis zum Boykot jüdischer Geschäfte auf. Ernst

Ganz gab ebenfalls eine Mitgliedschaft in vier

weiteren nationalsozialistischen Organisationen

an, siehe nebenstehende Aufstellung. Am 3.

Februar 1941 wurde er zur Wehrmacht

eingezogen, in der er den Rang eines

Unteoffiziers erreichte.

Karl Birkenmeier

Karl Birkenmeier wurde am 7. Januar 1910

geboren und wurde 61 Jahre alt. Karl

Birkenmeier war Mitglied der

Reichskulturkammer. Am 31. Dezember 1940

schied er gegen Zahlung einer einmaligen,

Abfindungsumme von 12.600RM aus dem

Unternehmen aus, 1940 betrug das Einkommnen

von Ernst Ganz bereits 30.841 RM

Quelle: HHStAW 529 Nr. 75

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Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: HHStAW 529 Nr. 75

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Das KaufhausGanz – früher Firma Zacharias Jacoby i Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Seit April 2017 hängt über dem Haupteingang des Kaufhauses Ganz ein großer Werbebanner. Auf diesem befinden sich Fotos auf denen die Geschichte des Unternehmens deutlich gemacht werden soll. Eine Aufnahme aus den Jahren 1941/42 zeigt Mitarbeiterinnen die vor dem Kaufhauseingang offensichtlich ihre Mittagspause verrichten. Im Schaufenster befindet sich ein Plakat, dessen Inhalt nicht mehr erkannt werden soll. Zurzeit des Nationalsozialismuss war es im Schaufenster gut zu erkennen. Ebenso 2016, als das Foto mit dem Plakat im Schaufenster auf der Website des Kaufhauses gezeigt wurde. Es geht hierbei um ein Anwerbeplakat der SS mit dem Text

“Auch Du zur LEIBSTANDARTE –SS ADOLF HITLER”

>Die Leibstandarte wurde von Adolf Hitler kurz nach der Machtübernahme am 17. März 1933 aufgestellt. Den Namen erhielt sie im September 1933. Sie mordete gnadenlos im Zweiten Weltkrieg und beging ab September 1939 zahllose Kriegsverbrechen in Polen, Frankreich, Italien, Belgien und der Sowjetunion. Die Kriegsverbrechen waren Ausdruck einer Ideologisierung, die orientiert an Rassismus, Härte, Brutalität, Gehorsam und Opferkult einen Kult des Hasses formte.< Quelle: Himmlers Krieger: Joachim Peiper und die Waffen-SS im Krieg und Nachkriegszeit. Verlag Ferd. Schöningh. 2013

Kaufhaus Ganz: Werbung 1942 und 2017

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Kaufpreis wurde gedrückt: Fakt ist, dass die Herren Ganz und Birkenmeier Interesse am Geschäft der Frauen Jacoby und Schwabacher hatten. Ein Geschäft, dessen Umsätze sich in zwei Jahren verdreifachte – musste für neue “arische”Besitzer bestens geeignet sein. Bevor es zur Unterzeichnung des Kaufvertrages für die Hofreite an der Raab bei Notar Friedrich Lamb kam, gelang es Ernst Ganz und Karl Birkenmeier den Kaufpreis zu drücken bzw. die Kaufbedingungen in ihrem Sinne zu verbessern. Der Kaufpreis wurde von 37.000 RM auf 35. 000 RM gedrückt. Gezahlt wurden am Ende nur noch 34.500 RM Zuvor wurde die GM-Klausel (1/2790 kg Feingold) durch RM ersetzt und der Zinsfuß für die Ratenzahlung von 6% auf 5% reduziert.

Quelle: HHStAW 519/V 3151-556

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: HHStAW, 519/A DA 26635/HHStAW 519/V 3131-55

Rückerstattung und Entschädigung

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

• Grundlage des Entschädigungsverfahrens war eine Entziehung nach Art. 2,3 Rückerstattungsgesetz REG, da die Voreigentümerin des Grundstücks Sophie Jacoby Jüdin war.

• Die Treuhandverwaltung hatte vorsorglich ihren Anspruch auch auf Artikel 4 REG gestützt, weil der Kaufvertrag nach dem 15.9.1935 abgeschlossen wurde, also mit Datum der Einführung der *Nürnberger Gesetze – auch als Nürnberger Rassengesetze bezeichnet.

• *Damit institutionalisierten die Nationalsozialisten ihre antisemitische Ideologie auf juristischer Grundlage. Sie wurden anlässlich des 7. Reichsparteitags der NSDAP, des sogenannten „Reichsparteitags der Freiheit“, am Abend des 15. Septembers 1935 einstimmig vom Reichstag angenommen, der eigens zu diesem Zweck telegrafisch nach Nürnberg einberufen worden war. Sie umfassten das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (RGBl. I S. 1146) – das sogenannte Blutschutzgesetz – und das Reichsbürgergesetz (RGBl. I S. 1146). Neben diesen beiden „Rassengesetzen“ wird heute oft auch das Reichsflaggengesetz (RGBl. I S. 1145) unter dem Sammelbegriff „Nürnberger Gesetze“ gefasst, obwohl es zeitgenössisch nicht zu ihnen gezählt wurde. (*Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Gesetze)

• Das Rückerstattungsgesetz REG Gesetz trat zum 10. November 1947, als Gesetz Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung, unter anderem auch im damaligen Land Hessen, in Kraft.

• Im Artikel 2 werden Merkmale einer unrechtmäßigen Entziehung aufgeführt. Dies sind Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen oder widerrechtlich oder durch Drohung zustande gekommen sind.

• Nach Artikel 3 REG (Rückerstattungsgesetz) konnte die „Entziehungsvermutung“ widerlegt werden, wenn ein angemessener Kaufpreis bezahlt wurde und der Verkäufer über dieses Geld frei verfügen konnte. Dies war im Fall Ganz-Jacoby nicht der Fall.

• Artikel 4 setzt als Stichtag den 15. September 1935 (Datum der Nürnberger Gesetze), nach dem grundsätzlich alle Rechtsgeschäfte angefochten werden können, da eine Zwangslage der Veräußerer angenommen werden muss. Trifft im Falle Ganz/Jacoby zu.

• Rechtsgeschäfte nach diesem Stichtag sind nur dann als gültig anzusehen, wenn diese auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wären. Die Besitzerinnen Jacoby/Schwabacher hätten ihr Geschäft unter anderen Umständen nie verkauft. Quelle: http://www.linkfang.de/wiki/Milit%C3%A4rregierungsgesetz_Nr._59

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby in Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: HHStAW 519/A DA 26635 Blatt 36

Der Rückerstattungsanspruch gegenüber den Herren Ganz und

Birkenmeier bestand aus:

• Grundstück an der Raab mit Haus und Zubehör

• Facon bzw. Firmenwert

Begründung des Faconwertes durch Prüfungsausschuss für arisierte

Unternehmen:

„Zweifellos war zum Zeitpunkt der Arisierung schon durch die Tatsache, dass

der ursprüngliche Inhaber Zacharias Jacoby bereits verstorben war und die

Witwe das Geschäft lediglich mit zwei Verwandten, also ganz geringem

Personal, weiterführte, das Unternehmen nicht mehr ganz auf der Höhe der

Zeit und dadurch in seinem Faconwert erheblich beeinträchtigt. Trotzdem

ernährte es doch seinen Mann. Der Käufer erklärt selbst in einem

ausführlichen Schreiben vom 30.10.46, dass mit Sicherheit anzunehmen sei,

dass bei den verhältnismäßig geringen Umsätzen der Firma Jacoby das

höchste Jahreseinkommen in der Zeit von 1930 -35 RM 10 – 12 000,--

betragen haben dürfte. Ein Geschäft, dessen Gesamtwarenwert zur Zeit der

Übernahme nur RM 8.500,-- betragen haben, welches noch regelmäßig 10 -

12.000 Mark abwirft, stellt zweifellos einen Wert dar, der höher ist, als der

reine Warenwert.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Käufer versucht hat, für

den zwar nicht sehr hoch zu veranschlagenden, aber doch zweifellos

vorhandenen inneren Wert des Unternehmens ein entsprechendes

Äquivalent zu zahlen. …

Der Käufer selbst hat im ersten Jahr nach der Arisierung bei einem

Gesamtkaufpreis von RM 27 936,33 einen steuerlichen Gewinn von RM 24

510,50 erzielt.

Nach Lage der Dinge dürfte es als erwiesen gelten, dass die Verkäufer für

das Unternehmen, das sie wohl lediglich unter dem Druck der Verhältnisse

verkauft haben, nicht den vollen Gegenwert erzielt haben.“

Quelle: HHStAW 519/V 3131-556

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Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: HHStAW, 519/A DA 26635/HHStAW 519/V 3131-556

Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Da sich die gegnerischen Parteien nicht auf einen

Vergleich einigen konnten, kam es am 23.11. 1951 zu

einem Sühnetermin beim Amt für Vermögenskontrolle.

Dieses machte bezogen auf die Forderungen gegenüber

Ernst Ganz und Karl Birkenmeier folgenden Vorschlag:

• Das Grundstück verbleibt im Eigentum der

Antragsgegner, also Eigentum der Herren Ganz und

Birkenmeier.

• Zum Ausgleich aller gegenseitigen Forderungen aus

dem Rückerstattungsgesetz, wie Grundstück,

Geschäftsunternehmen, Inventar und Firmenwert zahlen

die Gesamtschuldner einen Betrag von

20.000,-- DM

plus 6% Zinsen ab Januar 1952 in Raten von 500,--DM

Die Hessische Treuhand legte gegen diesen Vorschlag

Widerspruch ein und verlangte eine Summe von

25.000DM in Jahresraten von 2.500 DM zu den

sonstigen Bedingungen des Vergleichs.

Letztendlich einigten sich die Parteien auf 22.000 DM.

Am 18. März wurde eine entsprechende

Briefgrundschuld beim Amtsgericht Bensheim Bd. 41 Bl

Nr. 2775 eingetragen.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Obwohl Ernst Ganz vom April 1933 bis 1945, also 12 Jahre lang Mitglied der NSDAP und

weiteren Nationalsozialistischen Organisationen war, wurde er nur als Mitläufer eingestuft.

Ernst Ganz und Karl Birkenmeier haben gezielt nach einem Geschäft jüdischer Eigentümer

gesucht. Die Absicht Juden zu helfen oder gar das Leben zu retten, konnten wir in den

umfangreich vorhandenen Akten der Archive nicht finden.

Im Gegenteil. Die Geringschätzung seiner jüdischen Vertragspartnerinnen Sofie Jacoby und

Else Schwabacher durchzog seinen Schriftverkehr wie ein roter Faden.

Durch die Übernahme der Firma Zacharias Jacoby a.d.B. wurden Ernst Ganz und Karl

Birkenmeier Nutznießer und Profiteure der Arisierung und des Nationalsozialistischen

Systems.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Zur Geschichte des Bensheimer Traditionskaufhauses

Teil II

Nicht korrigiertes Redemanuskript der Veranstaltung vom 22. März 2017 in Bensheim, im Rahmen der Ausstellung in Lorsch mit dem Titel "Legalisierter Raub - der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen und Rheinhessen. Es gilt das gesprochene Wort.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Nichts erinnert mehr in der Bensheimer Fußgängerzone an das jüdische Ehepaar Jacoby. Keine Gedenktafel, kein Stolperstein vor dem Haus in der Hauptstraße 56, wo seit 1912 der jüdische Kaufmann Zacharias Jacoby mit seiner Ehefrau Sophie lebte und ein Detailgeschäft führte. Mit dem Tod des Geschäftsgründers Zacharias Jacoby 1932 endete allerdings nicht die Geschichte des jüdischen Kaufhauses, denn die Witwe Sophie Jacoby führte dieses mit ihrer Nichte Else Schwabacher weiter bis zum Verkauf ihrer Immobilie im Jahre 1936 weiter. Sophie Jacoby hatte am 8.Oktober 1883 im bayrischen Ichenhausen das Licht der Welt erblickt. Nach Fürth war die jüdische Gemeinde im Kreis Günzburg Anfang des 19. Jahrhunderts die zweitgrößte in Bayern. Sophie Kitzinger heiratete Zacharias Jacoby am 15.3.1906 in Ober-Ingelheim am Rhein. Ihre Ehe blieb kinderlos. Ein Teil von Sophies großer und weitverzweigter Familie aus Bayern folgte ihr nach Bensheim. Zu ihren 9 Geschwistern gehörten 4 Brüder und 5 Schwestern: •Emil Kitzinger, 13. Jul. 1873 - Ichenhausen, Bayern, Deutschland; gest. 1935 in Memmingen, Deutschland •Albert Kitzinger, 29.09. 1875 – Ichenhausen; gestorben 1943 in Piaski, Polen •Frida Kitzinger (13.09.1885 – keine weiteren Angaben) • Saly Kitzinger (14.8.78 – verh. mit Joseph Hirsch, 3 Söhne) •Sigmund Kitzinger, 11. Apr. 1877 – Ichenhausen; gest. 22. Sept. 1877 in Ichenhausen, Deutschland •Rosa Kitzinger, geb. und gest. 8.April 1880 in Ichenhausen, Deutschland •Klara Kitzinger, 6. August 1881 – Ichenhausen; gest. 1967 in Peoria, Illinois, USA •(Sophie Kitzinger, geb. 8.10. 1883 Ichenhausen – 17.Juli 1952 in Peoria, Illinois, USA) •Gustav Kitzinger, geb. 17. Okt. 1886 - 18. Dez. 1887 in Ichenhausen, Deutschland •Becha/Berta Kitzinger, geb. 24.09.91 – keine weiteren Angaben, in Ichenhausen Nach Zacharias Tod dauerte es nicht lange bis zur Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 und damit begann der nationalsozialistische Terror - auch in Bensheim. (Quellen: L. Hellriegel „Geschichte der Bensheimer Juden“, Myheritage,)

Bild: Sophie Jacoby - Foto: Familie Jacoby Nachfahren

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Foto: Stadtarchiv Bensheim

Das Leben der jüdischen Bevölkerung war ab 1933 ständig bedroht, heißt es in „Bensheim-Spuren der Geschichte“. Schon vor der Machtergreifung Hitlers gab es in der südhessischen Stadt Bensheim nationalsozialistische Organisationen, die antisemitischen Feindseligkeiten lebten und schürten.

Nationalsozialistischer Terror ab 1933

1922 gab es Ortgruppen der NSDAP in Bensheim und Auerbach, die frühesten Ortsgruppen im Reich außerhalb Bayerns. Bei der Reichstagswahl 1930 erlangten die Nazis schon 25% der abgegebenen Stimmen und waren damit stärker als der hessische Landesdurchschnitt.

Ein eingefleischter Antisemit war der aus Jugenheim stammende Georg Fischer, die „Seele der Nazibewegung vor 1933“, der zum Ortsgruppenleiter in Bensheim und Mitte 1931 Kreisleiter der Partei aufstieg. Nebenbei: er hatte jahrelang bei der jüdischen Firma Thalheimer gearbeitet. Zahlreiche Kundgebungen, Aufmärsche, Veranstaltungen – insbesondere in Auerbach – propagierten die „neue Zeit“. SA-Standarte 115 und 221, und SS-Verbände machten früh Jagd auf politische Gegner

Viele Geschäfte in der heutigen Fußgängerzone gehörten jüdischen Mitbürgern und waren dem ein oder anderen „arischen“ Mitbürger ein Dorn im Auge. Die Zurückhaltung gegenüber den jüdischen Einwohnerinnen und Einwohnern sollte sich jedoch nach dem 30. Januar 1933 ändern.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: Stadtarchiv Bensheim, BA März 1933

Einen guten Überblick über die Bensheimer Verhältnisse gibt das „Bensheimer Anzeigenblatt“. Es berichtete Anfang 1933 zwar im nationalistisch geprägten Ton über die Tagespolitik, „vermied“ allerdings antisemitische Hetzartikel im Lokalteil. Am 21. Januar 33 eine Anzeige mit Hakenkreuz vom Führer der SA-Standarte 221, unterzeichnet mit (Hans) Eichel. Nach Hitlers Machtantritt änderte sich die Berichterstattung.

Von nun an riefen SA-Verbände, NSDAP-Gruppen und der Kriegerverein regelmäßig zu Versammlungen und Demonstrationen auf. Im Fadenkreuz ihres Hasses standen die politischen Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten. Berichte über Hausdurchsuchungen folgten. Auch Mitglieder der Zentrumspartei gerieten in das Visier der Braunhemden. Juden wurden grundsätzlich als Marxisten eingestuft, auch wenn man ihnen keine KPD-Mitgliedschaft nachweisen konnte, waren sie für Nazis Unterstützer der Roten usw.

1. April 1933 Judenboykott in Bensheim

Ende März deutete sich bereits eine unheilvolle Entwicklung an. Bereits zwei Tage (siehe Foto) vor dem reichsweit angeordneten Boykott waren die jüdischen Geschäfte des Ortes geschlossen und einige Ladeninhaber verhaftet worden: ''Am 30. März 1933 betraten in Bensheim SA-Leute jüdische Geschäfte und befahlen deren Schließung. (...) Von der Schließung betroffen waren unter anderem die Geschäfte und Firmen Adler, Bacherach & Jakob, Bendheim, End, Grünstein, Haas, Zacharias Jakobi, Reiling, Rosenfelder, Schade & Füllgrabe, Sternheim, Thalheimer & Marx und Wolf.'' Quelle: Zitat aus „Geschichte der Bensheimer Juden im 20. Jahrhundert, Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl Schule (S79-80, 2004)“.

Sicherlich waren die beiden jüdischen Geschäftsführerinnen ebenso unter Druck gesetzt worden, womöglich auch inhaftiert. Welche Ängste sie ausgestanden haben, können wir uns heute kaum vorstellen. An diesem Samstag ab 10 Uhr standen auf alle Fälle S.A- und S.S. Posten „vor sämtlichen jüdischen Geschäften, Warenhäusern, Einheitspreisläden und Konsumgeschäften“.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Marktplatz in Bensheim am 30.3.1033 - Foto: Stadtarchiv Bensheim

Am gleichen Tage (30.3.1933) mittags bildete sich ein Demonstrationszug in der Darmstädter Straße am Gymnasium, an „dessen Beteiligung die gesamte national gesinnte Bevölkerung, insbesondere die Bensheimer Geschäftsleute aufgefordert“ wurde. Der Abschluss der antisemitischen Großkundgebung ging bis 4 Uhr nachmittags. Aufgerufen hatte die Kreisleitung Bensheim der NSDAP, Fischer. Die stark antisemitische und gewalttätige Boykottaktion, die dann tags darauf am 1. April 1933 gegen die Warenhäuser und ihre Besitzer gestartet worden war, wurde zwar wegen der Reaktion im Ausland und aus Gründen der Beschäftigungspolitik eingedämmt, aber nicht völlig aufgegeben.

Nicht nur in Bensheim, sondern im ganzen Reichsgebiet hatten die Nazis gegen die angebliche „Greuel-Propaganda und Boykottbewegung des internationalen Weltjudentums im Auslande“ protestiert.

Auch in Karlsruhe, wo ein ehrgeiziger Ernst Ganz, ziemlich am Anfang seiner Berufskarriere stand, war es zu schlimmen Auseinandersetzungen gekommen. War es ein Zufall, dass der 27jährige Ernst Ganz ausgerechnet am 1.April 1933 in die NSDAP eintrat?

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Else (Elsie) Schwabacher zweite von links, Sophie Jacoby vierte von links – Foto: Familie Schwabacher

Sophie Jacoby, geborene Kitzinger Sophie Jacoby muss eine starke Frau gewesen sein. Kurz nach dem Tod ihres Mannes musste sie nicht nur für die Einnahmen sorgen, den geschäftlichen Handel aufrechterhalten, für ein großes Haus sorgen, sondern sah sich tagtäglich an Leib und Leben bedroht. Die kinderlose Witwe hat es gut verstanden, viele Jahre eng mit einem großen Teil ihrer Familie Kontakt zu halten – und das unter sehr schwierigen Bedingungen. Ihr Haus in der heutigen Hauptstraße 56 bot dafür eine günstige Voraussetzung. Sogar ihre Mutter, Peggy Kitzinger, war hochbetagt aus Bayern nach Bensheim gekommen, um nach dem Tod ihres Mannes einige Zeit hier zu verbringen. Laut Meldekarte war Sofie Jacobys ledige Nichte Else Schwabacher bereits am 9.Juli 1922 in die Hauptstraße 56, eingezogen. Gemeldet war diese als Haustochter. Sehr wahrscheinlich war sie Sophies engste Vertraute, da Else Schwabacher kurz nach Zacharias Tod als gleichberechtigte Partnerin in das kleine Unternehmen einstieg. (Die beiden Frauen lebten auch in Illinois, USA, zusammen – bis Sophie Jacobys Tod.) Der Neffe Leopold Schwabacher war am 17.05.32 ebenso bei ihr eingezogen, ein Jahr später nach der Machtergreifung (am 24.5.33) nach Kaiserslautern umgezogen. Er kam kurze Zeit später wieder zurück, um wahrscheinlich seine Auswanderung/Flucht nach Frankreich Anfang 1934 vorzubereiten. Am gleichen Tag seines Auszugs, zogen das Ehepaar Schwabacher mit ihrer Tochter Berta ein. Auch Paula Schwabacher lebte bereits bei ihrer Tante Sophie und war ebenso als Haustochter angegeben. Wir vermuten, dass Else, Paula und Berta als Verkäuferinnen in dem Detailgeschäft tätig waren und ihrer Tante in der schwierigen Zeit unterstützten. Karl Birkenmeier, Dekorateur, zog am 14.4.1936 – am gleichen Tag der Geschäftsübergabe ein. (Quelle: Stadtarchiv Bensheim, Meldekarte)

Vielleicht hatte er die Wohnräume von Sophie Jacoby bezogen? Was war mit ihren Möbeln geworden?

Der ganze familiäre Zusammenhalt reichte aber nicht aus angesichts der zunehmenden aggressiven Stimmung im deutschen Reich, angesichts der antisemitischen Aktivitäten der nationalsozialistischen Volksgenossen in Bensheim. Die beiden Frauen beschäftigten sich offensichtlich früh mit Ausreisegedanken. Else Schwabacher hatte sich schon am 21.August 1933 beim Kreisamt Bensheim einen neuen Reisepass ausstellen lassen, Sofie Jacoby am 10. April 1934. Wie in Pressemitteilungen anlässlich verschiedener Jubiläen des heutigen Kaufhauses zu lesen war, suchte der Karlsruher Kaufmann Ernst Ganz und sein Partner zu dieser Zeit bereits ein geeignetes Geschäft. Die Zeit war günstig. Wann zum ersten Mal mit den beiden Geschäftsfrauen verhandelt wurde, wissen wir nicht

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle: BA April 1936

Dass Verkaufsverhandlungen mit den Interessenten Ernst Ganz und Karl Birkenmeier stattgefunden haben, belegt ein Schreiben eines Nürnberger Anwalts vom 20. Dezember 1935. So schreibt Dr. Max Friedmann im Namen von Else Schwabacher an Ernst Ganz:

„Frau Jakobi und ihren Nichten muss daran gelegen sein, das Haus baldmöglichst zu verkaufen, damit sie das zum Transfer erforderliche Geld flüssig machen kann.“ HHStA 519-V 556 – 042/043

und im selben Schreiben an Ganz und Birkenmeier :

„Ich wäre Ihnen vielmehr dankbar, wenn Sie entweder Frau Jacobi oder mir zunächst baldmöglichst mitteilen würden, ob Übernahme des Geschäfts zusammen mit dem Haus durch Sie in Frage kommt. Fräulein Schwabacher hat mir erklärt, dass Sie mit anderen Interessenten, die für eine solche Übernahme in Frage kämen, erst verhandeln möchte wenn entschieden ist, ob eine solche Reglung für sie in Frage kommt oder nicht. Allerdings kann die Sache nicht verzögert werden, da ernsthafte andere Interessenten vorhanden sind und ich darf Sie daher um Ihren baldmöglichsten umgehenden Bescheid bitte.“ (Wiederholung) Ernst Ganz bezeichnete dieses Schreiben später im Entschädigungsverfahren als Druckmittel. Quelle: HHStA 519-V 556 – 042/043

Deutlich werden in diesem Schreiben die absolute Notlage und die Dringlichkeit, Deutschland zu entkommen. Baldmöglichst. Und dazu brauchten sie Geld. Wir wissen, dass die Reichsfluchtsteuer ein Teil einforderte. Mit jedem Tag konnte sich die Situation erheblich verschlechtern. Zur Erinnerung: Mit dem Gesetz über die „Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ und den „Nürnberger Gesetzen“ hatte sich der NS-Staat ein Instrument geschaffen, mit dem er die jüdische Bevölkerung heimatlos, rechtlos und mittellos machen konnte.“Sie waren juristisch aus der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen.*“ *Zur Ausbürgerung vgl. Michael Hepp (Hg.), Die Ausbürgerung deutscher Angehöriger 1933 – 1945 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. München 1985.

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Das Kaufhaus Ganz –

früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Flucht nach Amerika

Am 29. Juni 1941 geht sie mit ihrer Schwester Klara und Schwager David Schwabacher in Lissabon an Bord des Passagierschiffes „Excambion“, das sie sicher nach Ellis Island in NY bringt. Zuletzt wohnten die drei ehemaligen Bensheimer in Limoges, Frankreich, laut Passagierpapiere. Vielleicht hat der Neffe Leopold entsprechende Vorkehrungen getroffen, um die Familienmitglieder nach Frankreich holen zu können. Wir wissen es nicht. In Amerika angekommen, lassen sich die Schwabachers mit Sophie Jacoby in Peoria, Illinois, nieder. 1956 stirbt Sophie Jacoby im Alter von 73 Jahren. Else oder auch Elsie Schwabacher, die ihr in die USA folgen konnte, heiratet dort und kommt als Elsie Wolf 1992 auf Einladung der Stadt mit anderen ehemaligen jüdischen Einwohnern ein letztes Mal nach Bensheim. Im hohen Alter von fast hundert Jahren stirbt sie 2008.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby in Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quelle/Foto: Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl Bensheim

Else oder auch Elsie

Schwabacher, die ihr in die

USA folgen konnte, heiratet

dort und kommt als Elsie Wolf

1992 auf Einladung der Stadt

Bensheim mit anderen

ehemaligen jüdischen

Einwohnern ein letztes Mal

nach Bensheim. Im hohen

Alter von fast hundert Jahren

stirbt sie 2008. Die Fotos

stammen von ihrem einzigen

Sohn, den wir ausfindig

machen und die Geschichte

seiner Mutter übermitteln

konnten.

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Das Kaufhaus Ganz – früher Firma Zacharias Jacoby Bensheim a.d.B.

Vortrag von Jutta Mussong-Löffler und Günter Löffler

Quellen:

Staatsarchiv Darmstadt

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl, Geschichte der Bensheimer Juden im 20. Jahrhundert

Manfred Berg – Rainer Maas (Hrsg.), Bensheim Spuren der Geschichte

Stadtarchiv Bensheim

Bergsträßer Anzeiger

Martin Hellriegel: Geschichte der Bensheimer Juden

Deutsches Historisches Museum Berlin

Stadtarchiv & Historisches Museum Karlsruhe

Wir bedanken uns für die Hilfe und Unterstützung:

Carina Schmidt, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Antinazi-Koordination Bergstraße

Klaus Dürsch, Deutsch Israelischer Freundeskreis Ingelheim e.V.

Manfred Berg und Claudia Sosniak, Stadtarchiv Bensheim

Aubrey Pomerance, Leo Baeck Institude New York, Berlin