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Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung Von Christoph Ruchardt und Hans-Dieter Beckhaus"] Professor Roy Huisgen zum 60. Geburtstag gewidmet Im vorliegenden Aufsatz wird versucht, die klassische Frage: ,,Wie beeinflussen Zahl und Art von Substituenten die Starke von C-C-Einfachbindungen?" mit dem modernen Instrumenta- rium der physikalischen organischen Chemie zu beantworten. Ausgehend von den Arbeiten Karl Zieglers wurden dazu die Produkte und die Kinetik der Thermolyse einer gro8en Zahl hochverzweigter aliphatischer Kohlenwasserstoffe sowie deren phenyl- oder cyansubstituierten Derivaten untersucht. Bei jeder dieser Verbindungsklassen wurde ein h e a r e r Zusammenhang zwischen der freien Aktivierungsenthalpie der homolytischen Spaltung der schwachsten C- C- Bindung und der Spannungsenthalpie im Grundzustand festgestellt. Damit ist es gelungen, ste- rische und elektronische Effekte bei der Spaltung der C C-Bindung quantitatiu zu trennen. Durch experimentelle Strukturbestimmungen und durch Kraftfeldrechnungen wurde der Ein- flu8 der GruppengroBe auf Bindungswinkel und Bindungslangen sowie auf das konformative Verhalten der Modellverbindungen studiert. Es wurden dabei C-C-Bindungslangen bis 164 pm, Bindungswinkel am tetrakoordinierten Kohlenstoff bis 126" und ungewohnliche eklipti- sche und gauche-Vorzugskonformationen gefunden. 1. Einleitung In den letzten 35 Jahren hat das Studium der Mechanis- men organisch-chemischer Reaktionen eine Bliitezeit erlebt. Sie brachte die Entwicklung neuer experimenteller Metho- den und theoretischer Modelle, mit denen nicht nur die Me- chanismen der meisten dieser Reaktionen geklart, sondern auch zahlreiche neue Reaktionen gefunden werden konnten. Rolf Huisgen ist einer der Wissenschaftler, die maRgebend zu dieser Entwicklung beigetragen haben. 1949 ging Karl Ziegler bei einer Arbeit iiber den dreiwerti- gen Kohlenstofl'] von der folgenden Frage aus: ,,Weshalb ist im Gombergschen Kohlenwasserstoff Hexaphenylethan (1)[21 die zentrale C-C-Bindung so schwach, da8 der Koh- lenwasserstoff in Losung spontan bis zu einem Gleichge- wicht in zwei Triphenylmethylradikale (2) zerfallt?" r] Prof. Dr. Ch. Riichardt. Dr. H.-D. Beckhaus Chemisches Laboratorium der Universital AlbertstrsBe 21, D-7800 Freiburg 92. Jahrgang 1980 Heft 6 Seite 41 7-502 Ziegler bestimmte u. a. die Thermolysegeschwindigkeit ei- ner Reihe Kohlenwasserstoffe (4) und stellte fest, daB deren thermische Stabilitat in der Folge also mit der Gro8e der Gruppe R, stark abnimmt"]. Die hstabilitat von Hexaphenylethan (1) konnte demnach nicht ausschlieRlich durch die elektronische Stabilisierung der 417 Angew. Chem. 92, 417-429 (1980) @ Verlag Chemie, GmbH, 0-6940 Weinheim, 1980 0044-8249/80/0606-0417 $ 02.50/0

Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

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Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

Von Christoph Ruchardt und Hans-Dieter Beckhaus"]

Professor R o y Huisgen zum 60. Geburtstag gewidmet

Im vorliegenden Aufsatz wird versucht, die klassische Frage: ,,Wie beeinflussen Zahl und Art von Substituenten die Starke von C-C-Einfachbindungen?" mit dem modernen Instrumenta- rium der physikalischen organischen Chemie zu beantworten. Ausgehend von den Arbeiten Karl Zieglers wurden dazu die Produkte und die Kinetik der Thermolyse einer gro8en Zahl hochverzweigter aliphatischer Kohlenwasserstoffe sowie deren phenyl- oder cyansubstituierten Derivaten untersucht. Bei jeder dieser Verbindungsklassen wurde ein hearer Zusammenhang zwischen der freien Aktivierungsenthalpie der homolytischen Spaltung der schwachsten C- C- Bindung und der Spannungsenthalpie im Grundzustand festgestellt. Damit ist es gelungen, ste- rische und elektronische Effekte bei der Spaltung der C C-Bindung quantitatiu zu trennen. Durch experimentelle Strukturbestimmungen und durch Kraftfeldrechnungen wurde der Ein- flu8 der GruppengroBe auf Bindungswinkel und Bindungslangen sowie auf das konformative Verhalten der Modellverbindungen studiert. Es wurden dabei C-C-Bindungslangen bis 164 pm, Bindungswinkel am tetrakoordinierten Kohlenstoff bis 126" und ungewohnliche eklipti- sche und gauche-Vorzugskonformationen gefunden.

1. Einleitung

In den letzten 35 Jahren hat das Studium der Mechanis- men organisch-chemischer Reaktionen eine Bliitezeit erlebt. Sie brachte die Entwicklung neuer experimenteller Metho- den und theoretischer Modelle, mit denen nicht nur die Me- chanismen der meisten dieser Reaktionen geklart, sondern auch zahlreiche neue Reaktionen gefunden werden konnten. Rolf Huisgen ist einer der Wissenschaftler, die maRgebend zu dieser Entwicklung beigetragen haben.

1949 ging Karl Ziegler bei einer Arbeit iiber den dreiwerti- gen Kohlenstofl'] von der folgenden Frage aus: ,,Weshalb ist im Gombergschen Kohlenwasserstoff Hexaphenylethan (1)[21 die zentrale C-C-Bindung so schwach, da8 der Koh- lenwasserstoff in Losung spontan bis zu einem Gleichge- wicht in zwei Triphenylmethylradikale (2) zerfallt?"

r] Prof. Dr. Ch. Riichardt. Dr. H.-D. Beckhaus Chemisches Laboratorium der Universital AlbertstrsBe 21, D-7800 Freiburg

92. Jahrgang 1980 Heft 6

Seite 41 7-502

Ziegler bestimmte u. a. die Thermolysegeschwindigkeit ei- ner Reihe Kohlenwasserstoffe (4) und stellte fest, daB deren thermische Stabilitat in der Folge

also mit der Gro8e der Gruppe R, stark abnimmt"].

Die hstabilitat von Hexaphenylethan (1) konnte demnach nicht ausschlieRlich durch die elektronische Stabilisierung der

417 Angew. Chem. 92, 417-429 (1980) @ Verlag Chemie, GmbH, 0-6940 Weinheim, 1980 0044-8249/80/0606-0417 $ 02.50/0

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Triphenylmethylradikale (2) verursacht sein, wie es fruher vermutet wurde, sondern sie muB, wie die Thermolyse von (4) lehrt, auch durch ,,sterische Beschleunigung" zustande k ~ m m e n ~ ~ l . Die Tatsache, daR der Gombergsche Kohlenwas- serstoff nicht das a,a-Dimer (l), sondern das sterisch weni- ger belastete a,p-Dimer (3) &I4], andert im Prinzip nichts an diesem Befund. Entscheidend ist, daB im Dissoziationspro- zeB durch Verlangerung der zentralen C---C-Bindung einer- seits und durch VergroBerung der Winkel an den zentralen tetrakoordinierten C-Atomen andererseits alle abstoBenden Krafte zwischen den Atomen und Atomgruppen in (I), [(3)] oder (4) abnehmen['].

Ziegler hat in der zitierten Arbeit['I durch einfache kineti- sche Experimente und durch Betrachtungen an Kalottenmo- dellen das Prinzip der ,,sterischen Beschleunigung"[61 postu- liert, lange vor der Formulierung praziserer stereochemi- scher Begriffe wie dem Ba~k-Strain- l~.~] und Front-Strain- Konzept[6-81 sowie der sterischen Substituentenk~nstanten[~l oder der Konformationsana1yse~"I. Auch die moderne Me- thodik der exakten Strukturanalyse war seinerzeit nicht ver- fugbar.

Seitdem wurden sterische Effekte bei vielen Reaktionen festgestellti6. l 1 , I 2 l , und insbesondere wurde die Bedeutung sperriger Gruppen fur die Bestandigkeit von Radikalen an vielen Beispielen erkannt[131. So verhindern z. B. die tert-Bu- tylgruppen in den Radikalen (6)-(10) deren Dimerisation, weil die dabei zu iibenvindenden, abstoBenden van-der- Waals-Krafte zu groB sind. Also werden nicht nur bei der

2. Synthese und Thermolyse hochverzweigter Kohlenwasserstoffe

Das Gebiet zwischen diesen beiden extremen Beispielen thermischer Stabilitat war zu Beg@ unserer Arbeit vor zehn Jahren['8' bis auf die Ergebnisse von Ziegler[ll und wenige er- ganzende Unters~chungen[ l~~. b1 kaum erschlossen. Spater wurden Arbeiten uber den Zerfall phenylsubstituierter Alka- riel l9c. dl sowie die Pyrolysekinetik einfacher Alkane in der GaSphaSe[17"-C. 201 veroffentlicht. Seitdem haben wir eine gro- Be Zahl hochverzweigter Kohlenwasserstoffe synthetisiert (siehe Tabelle I), deren thermische Stabilitat zwischen die- sen Extremen liegt. Zur Darstellung wurden meist klassische Dimerisationsreaktionen wie die Wurtz-Synthese und ahnli- che Verfahren verwendet; die Ausbeuten sinken allerdings bei hochverzweigten Verbindungen auf wenige Prozent, und die Gewinnung im Gramm-MaBstab war dann auBerst auf- wendig. Zur Reinheitskontrolle, in einigen Fallen auch zur Isolierung, war die Gaschromatographie unerlaBlich. Auf- bauende Synthesen der stark gespannten Verbindungen in Tabelle 1 waren nur in wenigen Fallen erfolgreich. Die Dar- stellung der cyclohexylsubstituierten Ethane (1%-e) und (14k, m) gelang durch Druckhydrierung der entsprechenden Phenylderivate.

Wir teilen die von uns untersuchten symmetrischen Ethanderivate in zwei Klassen ein, die wir als C,---C,-Reihe [(13) und (15)] bzw. als C,--C,-Reihe [(14) und (16)] be- zeichnen, j e nachdem, ob die beiden zentralen C-Atome ter- tiar oder quartar sind.

Spaltung, sondern auch bei der Bildung von C--C-Bindun- gen sterische Einfliisse wirksam.

Weil die Unterscheidung elektronischer und sterischer Einfliisse bisher nur qualitativ mogiich war, ist die Frage nach der unterschiedlichen Bindungsstarke der C --C-Bin- dungen in verzweigten und substituierten Alkanen nach wie vor sehr aktuell. Zudem sind die Effekte so groB, da8 sie eine quantitative Deutung verlangen: Zwischen den Dissozia- tionsenthalpien H D der C-C-Bindungen in Ethan"'" ' 1 ei- nerseits und im Gomberg-Dimer (3) andererseit~["~l besteht ein Unterschied von 76 kcal. m o l ~ I ! Ethan zerfallt erst bei 690 "C in Methylradikale rnit der Halbwertszeit T ~ , ~ = 1 h, (3) dagegen bereits bei 0 "C rnit gleicher Halbwertszeit.

690 "C CH, CH, - 2CHP HD = 88 kcal . mol - ' '1

(3) A 2(C+,Hc),Co H D z 12 k c a l ~ m o l ~ 1 ~ ~ 7 d ~ 0 "C

Die beiden Dissoziationsreaktionen unterscheiden sich in ih- rer extrapolierten Geschwindigkeit etwa um den Faktor lo3'. Es diirfte kaum eine andere Reaktion geben, deren Ge- schwindigkeit durch Substituenten starker verandert wird.

Daneben wurden auch einige hochverzweigte andersartige Alkane (1 7)-(21) dargestellt und thermolysiert. In der C,-C,- und der C,--C,-Reihe wurden sowohl Alkane [(13) und (14)] als auch Phenylderivate [(15) und (16)] mit R 1 = C6H5 untersucht (siehe Tabelle 1).

Die Thermolyseprodukte einer groBen Zahl typischer Ver- bindungen wurden quantitativ durch Gaschromatographie

sche Spaltung der zentralen C -C-Bindung und bei den an- dersartigen Molekulen (1 7)-(21) die der am hochsten substi- tuierten C-C-Bindung der Hauptweg, meist sogar der aus- schlieBliche Weg des Zerfalls.

Die Kinetik der Thermolyse wurde unter N2 mit der Am- pullentechnik und meist durch gaschromatographische Be- stimmung der Konzentrationsabnahme der Ausgangsverbin- dung gemessen. Fur die Hochtemperaturmessungen wurde ein Thermostat rnit einer Zinnschmelze als Badfliissigkeit entwickelt. Einige kinetische Messungen wurden auch mit anderen Verfahren, z. B. durch Abfangen mit Chloranil[ll oder anderen Radikalfangern, durchgefuhrt. Als Solvens dienten im allgemeinen aromatische Kohlenwasserstoffe wie Ethylbenzol, Tetralin oder Mesitylen, gelegentlich auch De- calin oder n-Alkane rnit zugesetzten Abfangreagentien wie Thiolen. Induzierter Zerfall, der sich durch stark negative Aktivierungsentropien zu erkennen gibt, war unter den von uns gewahlten MeBbedingungen nicht feststellbar'"].

bestimmt123.25.27 30.34.38.391 . I n allen Fallen war die homolyti-

41 8 Angew. Chem. 92, 417-429 (1980)

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Tabelle 1. Thermische Stabilitat und Spannungsenthalpie H,, [a] der Kohlenwasserstoffe vom Typ (11)-(16) sowie ( 1 7)-(21).

R' I

R~ R~ I 1

R'-C-C--R' (11)-('16) ( C H3 ) 3 C T - C ( CH3)3 I 17) - (21) A 3 A 3 R2

Nr. R' R' R' Form T(.r,,'=l h) AG'(3M)"C) AHi AS H,, la1 Lit. ["CI [kcal.mol-'] [kcal.mol- '1 [cal,mol- ' K - '1 [kcal.mol- '1

695 79 lb1 87 14 0 1171 590 69 lbl 78 16 0 1201

C, C,-Alkane (13)

a CHI CH, H 565 68 75 12 2.7 1211 b CH, c-C6HII H mesa 453 59 67.5 15 lcl 9.6 1231 c c-C6HII c-C,H,, H 384 52.2 62.9 18.4 17.0 1241 d c-C6HI, i-C4Hq H D,L 329 46.7 55.5 15 lcl 28.1 1251 e c-C6HII i-C4Hv H meso 285 42.6 53.4 18.9 34.5 1251 f r-C& r-CaHs H 141 29.6 36.4 11.8 51.1 1271

C, a b

d e f g h i k I m n

C

470 424 41 1 329 412 3 84 195 321 412 315 364

meso 250 285

60 lbl 55.3 53.6 47.3 53.9 51.9 33.7 46.1 53.8 45.1 50.2 39.3 42.8

61.4 62.1 57.8 62.2 59.0 60.7 44.0 57.8 58.3 61.2 60.7 52.1 51.0

13 11.9 7.3

26.3 9.0

15.3 11.7 20.4 7.9

27.0 17.5 22.4 14.4

6.9 12.3 11.8 22.4 11.2 17.2 45.3 25.3 12.5 24.5 20.2 34.8 32.6

Phenylsubsiiiuierie C,

a C ~ H S b ChHs c ChHs d C6H<

f 4-CIC,H4 g 4-CIC6H4

e C ~ H S

h CeH,

C,-Alkane (15) ' 3 3 3 H C2H5 H i-C,H, H i-C4H4 H i-C4H, H i-C4HV H i-C4Hq H i-CsH,, H

mesa mesa mesa D , L mesa D,L mesa meso

365 360 335 308 28 I 300 279 258

50.0 49.7 47.4 44.6 42.1 44.0 42.2 40.3

58.1 59.4 57.4 53.5 50.4 50.0 41.2 44.3

14.1 16.9 17.4

14.2 10.4 8.8 6.8

15 Icl

3.6 [d] 4.8 [dl 8.4 [d]

19.3 [dl 22.2 [d] 19.3 [el 22.2 [el 27.0 [q

Phenylsubsiiruierre C, C,-Alkane (16)

a C6H5 CH, CH3 233 37.9 45.7 13.7 18.4 [d] [ I . 341 b ChH5 CH, CzH5 mesa 211 34.9 48.8 24.3 23.7 [d] 1341

d C,H, CH, i-C,H7 mesa 114 26.7 35.1 14.6 40.9 [d] 1f9a1

f CoHs C2Hs C2H5 134 25.4 44.7 33.6 37.1 [d] 1341

I CJ35 n-C4Hs n-C4H9 118 25.1 38.5 22.4 34.6 [d] 1351

c C,H5 CHI n-C3H7 mesa 194 33.3 46.3 22.7 23.2 [d] 1351

e ChHs CH, i-C4H. mesa 156 30.1 40.5 18.2 26.3 [d] 1351

g 4-t-BuC,H4 C2H5 n-C,H7 mesa/D,L 130 21.7 37.8 11.6 36.5 [d] 1351 h CeH, n-C3H7 n-C>H, 119 21.5 34.9 13.0 35.8 [d] 11. 361

Andere Kahlenwassersiafle [ g]

(17 ) H H 502 63.9 74.6 18.9 7.4 1371 (18) CHx H 426 55.8 64.4 15.0 13.9 1371 (19) CH, CHI 350 48.8 58.9 17.8 21.6 1371 (20) H i-C4H9 243 38.6 47.3 15.1 37.1 1381 121) CH, i-C,H, 258 40.1 48.3 14.3 40.1 1391

[a] H,,= AH'/(gas) ~ AH?. Wenn nicht anders vermerkt. wurde die Bildungsenthalpie AH'/(gas) mit dem Kraftfeld MM2 (221 errechnet (Rechenprogramm STRAIN 65 [27a]). Der spezifische Bezugswert AH? wurde aus Gruppeninkrementen erhalten 1401. Korrekturinkremente 1221 fur freie Rotationen urn C C-Bindungen wurden bei ( I ~ u - c ) , (14b-f, h, i) und (17) addiert. (b] Gasphase. [c] Angenommener Wert (siehe (251 und 1261). [d] AH'/(gas) errechnet mit dem Kraftfeld Allinger (71). erganzt mil Phe- nylparametern SET B von Mislow 1311 (siehe 126)). [el Werte der nicht-chlorsubstituierten Verbindungen (15d) und (15e). [!J Durch Verbrennungskalorimetrie bestimmter Wert (siehe 1261). [g] Bei der Thermolyse wird die C-iBu-Bindung gespalten. Bei mehreren gleichwertigen Bindungen wurden die kinetischen Daten statistisch korri- giert.

Die Ergebnisse der kinetischen Messungen finden sich in Tabelle 1. Da nur Geschwindigkeitskonstanten verglichen werden konnen, die fur gleiche Temperaturen gelten, die Re- aktionstemperaturen sich aber extrem unterscheiden, sind in Tabelle 1 die nach Eyring erhaltenen Aktivierungsparameter angegeben. In den meisten Fallen wurden sie aus 5-7 MeB- werten der Geschwindigkeitskonstanten berechnet, die iiber einen Bereich von 50 "C bestimmt wurden. Einen anschauli- chen Vergleich der thermischen Stabilitat der Kohlenwasser-

stoffe ermoglichen die Temperaturen, bei denen die Halb- wertszeit T , , ~ = 1 h ist. Die Anwendung des Exner-Tests zeig- te, daB zumindest innerhalb der Reihen vergleichbarer Ver- bindungen isokinetische oder sogar isentropische Beziehun- gen bestehen. Deshalb konnen die Zusammenhange zwi- schen Struktur und Aktivitat anhand der prazise bestimmba- ren freien Aktivierungsenthalpien AG oder der damit line- ar verbundenen Temperaturen fur die Halbwertszeit T , , ~ =

1 h diskutiert ~ e r d e n ' ~ ~ . * ~ . ~ ' ] .

Angew. Chem. 92, 41 7-429 (1980) 41 9

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Die qualitative Sichtung der kinetischen Ergebnisse in Ta- belle 1 bestatigt den Befund von Ziegler[lI: Die thermische Stabilitat der zentralen C ~ - - C-Bindung in substituierten Ethanen wird nicht nur durch radikalstabilisierende a-Phe- nylsubstituenten verringert, sondern insbesondere durch stei- gende GroBe der Alkylseitenketten. Diese sterische Be- schleunigung der homolytischen Bindungsdissoziation wird besonders an der Thermolyse von 3,4-Di-tert-butyl-2,2,5,5- tetramethylhexan (,,Tetra-tert-butylethan") (13fl[271 deutlich. Die Labilitat [ T ( T ~ , ~ = 1 h) = 140 "C] kann nicht auf radikal- stabilisierenden Effekten beruhen, weil (138 in einfache sec- Alkylradikale[5.431 zerfallt. Die C ~-C-Bindung von (138 wird allein durch sterische Beschleunigung rnit etwa gleicher Ge- schwindigkeit gespalten wie die 0 ~ ~O-Bindung in Di-tert- butylperoxid (AH* =37 kcal.mol- I , A S s = 12 cal.mol--' K - I in Cycl~hexen)[~~l .

Die sterische Beschleunigung erkennt man auch daran, dafi die cyclohexylsubstituierten Verbindungen (13d, e)l2'I bei fast gleicher Temperatur wie die entsprechenden phenyl- substituierten Verbindungen (lSd, e)[261 mit einer Halbwerts- zeit von 1 h thermolysieren, obwohl (15d, e) dabei Radikale vom Benzyltyp ergeben. Schliefilich fallt auf, daB die Stabili- tat der Diastereomere (13d) und (13e)[251, (1Sd) und (1Se)[2hl sowie (1.58 und (lSg)132.'31 jeweils erstaunlich verschieden ist. Da bei der Therrnolyse der diastereomeren Kohlenwasser- stoffe die gleichen Radikale entstehen, miissen sich die Bil- dungsenthalpien der diastereomeren Kohlenwasserstoffe selbst stark unterscheiden. Dies ist offenbar dann der Fall, wenn C, +Ethane an beiden C-Atornen mit tert-Butyl- gruppen substituiert sind. Eine Erklarung dafur fanden wir in der besonderen Konformation dieser Ethane (siehe Ab- schnitt 3.2).

Auch der Befund, dal3 sich die Thermolysekonstanten der symmetrischen Verbindungen vom Typ (13)-(16) jeweils gut mit sterischen Substituentenkonstanten oder 9J9d1 korre-

, weist darauf hin, da8 innerhalb jeder dieser Reihen die unterschiedliche Spannung der Koh- lenwasserstoffe irn Grundzustand fur die Reaktivitat ent- scheidend ist.

lieren lieBen[l I . 12.23.26.28.291

2.1. Thermische Stabilitat und Spannungsenthalpie

Urn die sterische Beschleunigung beim Zerfall der Koh- lenwasserstoffe (11)-(21) (siehe Tabelle l) quuntitutiu analy- sieren zu konnen, errechneten wir die Spannungsenthalpien Hsp dieser Verbindungen im Grundzustand. Hsp entspricht definitionsgemafi der Differenz der Standardbildungsenthal- pie fur die Gasphase A#(gas) und der ,,Normalbildungsen- thalpie" AH? die aus Gruppeninkrementen erhalten ~ i r d [ ~ ' I und fur ein als spannungsfrei angesehenes Molekiil gilt. Die Bildungsenthalpien der Kohlenwasserstoffe errechneten wir mit dem empirischen Kraftfeldverfahrenlal, das auch exakte Voraussagen uber die Struktur ermoglicht (s. u.).

Da die verfugbaren Kraftfelder nicht fur hochgespannte Verbindungen parametrisiert ~ i n d l ~ ~ l , rnufite ihre VerlaBlich- keit fur diese Verbindungen anhand experirnenteller Daten gepriift werden. Dies geschah durch Vergleich der berechne- ten Strukturdaten mit Ergebnissen der Rontgen-Struktur- analyse (siehe Abschnitt 3); daruber hinaus bestimmten wir fur einige der am starksten gespannten Verbindungen die Bildungsenthalpie aus experimentellen therrnochemischen Daten, und zwar Verbrennungswarmen, Schmelzwarmen

und Verdampfungswarmen[25 27.301. Die aus den experimen- tell bestimmten Bildungsenthalpien ermittelten Spannungs- enthalpien H,, stimmten fur die am hochsten gespannten Verbindungen 3,4-Di-tert-butyl-2,2,5,5-tetramethylhexan (138 (exp. Hsp = 57 k 4 kcal. mol und 3,4-Dicyclohe- xyl-3,4-dirnethylhexan (14m) (exp. H,, = 35 f 0.5

C,H,-C,H, o a

'\ A 1171 \ \

Abb. I . Zusammenhang zwischen freien Aktivierungsenthalpien A 6 + (300 "C) der Thermolyse und Spannungsenthalpien H,,=AM;(gas) -AH: [40] der Koh- lenwasserstoffe (13)-(21) (siehe Tabelle l ) .

0 (13.-/): AGt=66 .5 ( i 1 . 6 ) - 0 . 6 7 (r0.05) H,, kcal.mol 0 (140-n): AG'=62.4 ( i 0 . 7 ) - 0 . 6 4 (i-0.03) H , , kcal.mol 0 (15a-h): AG+ =51.4 (&0 .4 ) -0 .40 (50.02) H.r kcal.mol W (16~-i); AGC=46 .2 (&2.4)-0.52 (i0.07) H,, kcal.mol A (17)-(2!) (Standardabweichung in Klammern).

' ' ' '

420 Angew. Chem. 92, 417-429 (19x0)

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kcal. mol- ausgezeichnet rnit den Werten iiberein, die man rnit dem Kraftfeld MM2[221 von Allinger errechnet (sie- he Tabelle 1).

Weil andere Kraftfelder die hohe Ubereinstimmung nicht ganz erreichten, verwenden wir fur die Alkane (13), (14) und (I 7)-(21) die MM2-Werte. Fur aromatische Kohlenwasser- stoffe ist dieses Kraftfeld[”I noch nicht parametrisiert; des- halb bedienen wir uns fur die phenylsubstituierten Verbin- dungen (15) und (16) des alteren Kraftfeldes Allinger (71)’”.461 rnit Phenylparametern (SET B) von Andose und M i s l ~ w [ ~ ’ ~ . Diese Wahl der Kraftfelder wird auch durch die Strukturdaten (siehe Abschnitt 3) voll gerechtfertigt.

LaBt sich nun bei den Kohlenwasserstoffen eine Bezie- hung zwischen Spannungsenthalpien und thermischer Stabi- litat herstellen? Tragt man AG’ (300 “C) der Thermolyse von (1 3)-(16) gegen die Spannungsenthalpie Hsp dieser Verbin- dungen auf, so ergibt sich fur jeden der vier Verbindungsty- pen ein weitgehend linearer Zusammenhang (siehe Abb. 1) mit erstaunlich geringer Streubreite. Die Steigungen der Korrelationsgeraden ermoglichen Riickschliisse auf die Empfindlichkeit der Zerfallsgeschwindigkeit von Verbin- dungen einer Klasse gegenuber wachsender Spannung im Grundzustand. Die Abstande zwischen den Geraden weisen auf radikalstabilisierende Substituenteneinfliisse im Uber- gangszustand der Reaktion hinI4’].

Die Korrelationsgeraden der C,- C,-Reihe (13) und der C, -C,-Reihe (14) haben gleiche Steigung, unterscheiden sich aber im Achsenabschnitt um etwa 4 kcal.mo1-I. Diese Differenz wurde fruher bei Verwendung von Rechenergeb- nissen, die rnit dem Engler-Schleyer-Kraftfeld erhalten wur- denl3’1, nicht festgestellt. Experimentelle Daten belegen, daB dieses altere Kraftfeld in der C,-C,-Reihe iiberhohte Span- nungsenthalpien ergibt13’]. Weil aus (13) see- und aus (14) tert-Alkylradikale gebildet werden, ist die kleine Differenz im Achsenabschnitt nun in Einklang rnit der Erwartung [5.431

unterschiedlicher Bindungsstarke am tertiaren und quarta- ren C-Atom. Andererseits zeigt Abbildung 1, da8 fur (13) und (14) diese linearen Beziehungen fur Verbindungen sehr kleiner Spannungsenergie zusammenbrechen, wodurch die Extrapolation zum Achsenabschnitt etwas fragwiirdig wird. Die Punkte der Verbindungen (13a) und (14a) liegen deut- lich iiber den Korrelationsgeraden. Es handelt sich hier aller- dings ausnahmsweise um Werte, die in der Gasphase gemes- sen wurden.

Der Trend zu hoherer Stabilitat als sie allein durch die Spannungsenthalpie zu verstehen ist, zeigt sich besonders deutlich, wenn auch Ethan (11) und Butan (12) in die Be- trachtung einbezogen werden. Die hohe Stabilitat ihrer C--- -C-Bindungen ist bisher noch nicht befriedigend erklart worden; sie kann nur teilweise auf einer geringeren elektro- nischen Stabilisierung der entstehenden Methyl- bzw. Ethyl- radikale beruhen. Es diirfte sich ebenfalls um ein Grundzu- standsphanomen handeln[5.1’. 12.43.481 . D iese leichten Abwei- chungen stellen aber nicht die gesamte Korrelation in Frage, die andererseits sicher nicht streng linear sein muR. Deshalb lassen sich noch weitere Erkenntnisse ableiten: Aus den Ach- senabschnitten bei AG’ = 63 bzw. 66 kcal. mol - ’ erhalt man Bindungsdissoziationsenthalpien H D = 71.6 [C,~--C,-Alkane (1411 bzw. 74.6 [C,--C,-Alkane (13)] fur die ungespannten Prototypen, durchaus in Einklang rnit den Erwart~ngen[~~I. Besonders eindrucksvoll ist, da8 sich auch die Thermolyse- daten der Alkane (1 7)-(21) im allgemeinen zwanglos in Ab-

bildung 1 einordnen lassen. Dabei muBte die freie Aktivie- rungsenthalpie der Thermolyse fur die Anzahl gleichartiger Bindungen statistisch korrigiert und der Bindungstyp be- riicksichtigt werden [C, C,: (19), (21); C, C,: (18), (20); C, -C,: (1 7) (s = sekundar)].

Besonderes Interesse verdient, daB die Korrelationsgera- den sowohl fur C,-C,- als auch fur C,-C,-Alkane eine Steigung von ca. 0.65 haben. Eine Erhohung der Grundzu- standsspannung wirkt sich demnach nur zu etwa 65% in ei- ner Erniedrigung der Aktivierungsenthalpie der C- -C-Spal- tung aus; etwa 35% Restspannung miissen im Ubergangszu- stand der Thermolyse erhalten bleiben. Es ist interessant, da8 diese Regel offenbar unabhangig von der Gesamtspan- nung der Verbindungen gilt. Nach dem Prinzip der mikro- skopischen Reversibilitat miiRte auch im Ubergangszustand der Rekombination von zwei Alkylradikalen demnach be- reits eine Spannung auftreten, die etwa 35% der Spannung der Dimere entspricht. Wenn man annimmt, da8 Alkylradi- kale selbst ungespannt oder wesentlich weniger gespannt sind als die Dimere[27.’x1, so erhalt man das Reaktionsdia- gramm in Abbildung 2.

R - R spannungstrei

Reaktionskoordinate - Abb. 2. Reaktionsdiagramm der thermischen C C-Spaltung.

Die Dissoziationsenthalpie HE der ungespannten Verbin- dung, die Spannungsenthalpie Hsp sowie A H $ sind experi- mentell oder rechnerisch zuganglich. Durch Differenzbil- dung erhalt man A H $ , die Aktivierungsenthalpie der Re- kombination der Radikale Ra, sowie H D , die thermodyna- mische Bindungsenthalpie. AH 2 verringert sich natiirlich um eine eventuell vorhandene restliche Spannungsenthalpie der Radikale ~elbst~”~’*~.

Im Gegensatz zu kleinen Alkylradikalen, deren Rekombi- nationsgeschwindigkeit diffusionskontrolliert sollten sperrige Radikale demnach zur Dimerisation eine Aktivie- rungsschwelle iiberwinden miissen. Dies ist mit der nicht feststellbaren Dimerisation der sperrigen Radikale (6)-(10) in Einklang. Derzeit wird versucht, die Rekombinationsge- schwindigkeit geeigneter mittelgro8er Radikale ESR-spek- troskopisch zu mes~en[~’]. Zur unabhangigen Priifung dieser Fragen sollten sich auch die Diastereomerenpaare (13d, e), (15d, e) und (1SJ g) eignen, deren unterschiedliche Thermo- lysegeschwindigkeiten durch unterschiedliche Spannungsen- thalpien verursacht sind. Nach Abbildung 2 erwartet man, da8 die Bildung der meso- und der D,L-Diastereomere durch Radikalrekombination iiber unterschiedliche Aktivierungs-

Angew. Chem. 92, 41 7-429 (1980) 421

Page 6: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

barrieren verlauft. Die Diastereomere sollten daher nicht, wie bei Rekombinationen kleinerer Radikale iiblich, im Ver- haltnis 1 : 1 entstehen. Die Feststellung, daB 1-p-Chlorphe- nyl-neopentyl-Radikale (22) bei der Dimerisation bevorzugt das stabilere D,L-Dimer (15f) vor (1.5g) bilden, schien in Ein- klang rnit einer Aktivierungsbarriere der Dimerisation der Radikale zu ~ e i n [ ~ ~ ] .

Das Ausbeuteverhaltnis (15f) : (15g) = 1.66 wurde aber un- abhangig von der Temperatur zwischen - 30 und + 140 "C g e f ~ n d e n ' ~ ~ ] . Es kann sich daher nicht um einen Effekt han- deln, der durch die unterschiedlichen Aktivierungsenthal- pien der Dimerisation zu den beiden verschieden stark ge- spannten Diastereomeren verursacht wird. Zur Deutung der Diastereoselektivitat miissen daher andere Modelle gepriift ~erden[ '~I .

22. EinfluB von Phenylsubstituenten

Die Korrelationsgeraden der phenylsubstituierten Verbin- dungen (15) und (16) (Abb. 1) ahneln in vieler Hinsicht de- nen fur die Alkane (13) und (14). So unterscheiden sich die Korrelationsgeraden fur (15) (C,- -C,-Reihe) und (16) (C, C,-Reihe) im Achsenabschnitt ebenfalls um etwa 4 kcal. mol- '; die Steigungen (0.40 bzw. 0.52) sind allerdings signifikant kleiner als bei den Korrelationsgeraden der Alka- ne (0.67 bzw. 0.64). Sicher spielt dabei eine wichtige Rolle, daB bei der Thermolyse von (15) und (16) resonanzstabili- sierte a-substituierte Benzylradikale entstehen. Dies ist auch der Grund, warum die Korrelationsgeraden der phenylsub- stituierten Verbindungen (15) und (16) in Abbildung 1 tiefer liegen als die der Alkane (13) und (14). AG+ wird durch die im Ubergangszustand wirksame Resonanzenergie der entste- henden Radikale erniedrigt. Diese laBt sich aus Abbildung 1 sogar abschatzen. Nach dem Obengesagten kann man aber nur bei der Thermolyse ungespannter Kohlenwasserstoffe si- cher sein, da8 der Ubergangszustand energetisch auf dem Niveau der entstehenden Radikale liegt (siehe Abb. 2). Bei der Dissoziation gespannter Kohlenwasserstoffe sollte der Ubergangszustand vor der vollstandigen Dissoziation er- reicht werden (siehe Abb. 2), so da8 auch nicht die volle Benzylresonanz auf den Ubergangszustand stabilisierend wirken kann. Daher vergleichen wir zur Abschatzung der Benzylmesomerie der Radikale den Achsenabschnitt (H,,=O) der Korrelationsgeraden fur die Alkane und die entsprechenden Phenylderivate. Fur die C, C,-Reihe [ (13) und (15)] ergibt sich als Differenz AAGZ = 15.1 (k1.7)

kcal.mol-', fur die C,--C,-Reihe [(14) und (16)] A A G t = 16.2 (k2.5) kcal.mol-'. Dabei ist allerdings zu berucksichti- gen, daB fur die Alkane (13) und (14) und die Phenylderivate (15) und (16) zwei verschiedene Kraftfelder verwendet wur- den. Die hierdurch bedingte Unsicherheit ist sicher nicht groB, weil auch bei Verwendung des Engler-Schleyer-Kraft- felde~['~] fur (13) eine Differenz der Achsenabschnitte von (1 3) und (1 5) von 16 kcal . mol - ' gefunden wurde[261. Hieraus ergibt sich eine Resonanzenergie von ca. 8 kcal . mol - ' pro Benzylradikal, in guter Ubereinstimmung rnit dem neuesten Literaturwert (10 f 2 kcal.mol-'['41). Die qualitative Ab- schatzung der thermischen Stabilitat von Kohlenwasserstof- fen aus der Radikalstabilisierung und der Grundzustands- spannung, wie sie von Ziegler vorgenommen wurde, hat da- mit eine quantitative Basis erhalten.

DaB die Korrelationsgeraden der Phenylderivate in Abbil- dung 1 kleinere Steigungen als die Korrelationsgeraden der entsprechenden Alkane haben, wird vermutlich durch die Resonanzenergie der entstehenden Radikale verursacht. Mit steigender Spannung der Kohlenwasserstoffe wird der Uber- gangszustand der Thermolyse friiher auf der Reaktionskoor- dinate erreicht (siehe Abb. 2), d. h. bei nicht vollstandiger Bindungsspaltung und daher auch nur partieller Freisetzung der Delokalisierungsenergie der Benzylradikale. Der Ab- stand zwischen den Korrelationsgeraden der Alkane und der Phenylderivate sollte daher im Bereich hoherer Spannung HbP abnehmen; dies wird auch beobachtet. Aus dem Befund, daB der Effekt in der C, --C,-Reihe kleiner ist als in der C,- -C,-Reihe, mochten wir keine SchluBfolgerungen ziehen, bevor nicht die Spannungsenthalpien der phenylsubstituier- ten Verbindungen rnit dem Kraftfeld MM2 berechnet sind und insbesondere dieses Kraftfeld auch in dieser Reihe durch experimentelle thermochemische Daten gepriift wur- de.

Die hier beschriebenen Befunde zur Abgrenzung steri- scher und elektronischer Effekte haben den Einblick in die GesetzmaBigkeiten der C -C-Bindungsspaltung wesentlich vertieft und zum Studium der Umkehrreaktion - der Radi- kalrekombination unter Bildung gespannter Kohlenwasser- stoffe - angeregt. Die Ergebnisse besitzen aber auch empi- risch zur Voraussage der thermischen Stabilitat von Kohlen- wasserstoffen Bedeutung. Durch einfache Kraftfeldrechnun- gen sind aus Abbildung 1 Voraussagen rnit beachtlicher Pra- zision moglich. Die Feststellung, daB auch die Thermolyse- geschwindigkeit der ,,nichtsymmetrischen" Verbindungen (1 7)-(21) den Erwartungen entspricht, ist dabei besonders wichtig. Dariiber hinaus ist es bemerkenswert, daB offenbar auch homolytische Spaltungsreaktionen, die mit der Aufhe- bung von Ringspannung - und nicht von F-Strain["] wie in unseren Beispielen - verbunden sind, qualitativ mit den Kor- relationen in Abbildung 1 in Einklang sind. So lassen sich AG+ und Hsp fur die uber Homolyse-Rekombination formu- lierte Racemisierung von ( - )-Methyl-[2.2]paracyclophan-4- carboxylat (-)-(23) (AG+ -38 kcal.mol-'; H,,=31.3

U lo lo U (+) -1231 ( - ) - (23) R = COOCH,

kcal. m o l ~ ' ) 1 5 ' ] auf der Korrelationsgerade der Verbindungs- klasse (15) in Abbildung 1 eintragen. Das gleiche gilt fur

422 Angew. Chem. 92, 417-429 (1980)

Page 7: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

AG* und Hsp der cis-trans-Isomerisierung von cis-l,2-Diphe- nyl-cyclopropan (24) [AG' (300 "C) = 38.4 kcal. m o l ~ 1][561 oder der Racemisierung der optisch aktiven trans-Verbin- dung (25) [AG+ (300 OC)=40.2 kcal.mol-']1571, wenn man eine Ringspannung von ca. 27 kcal . mol - zugrundelegt.

Weniger gut, aber immer noch in dem nach Abbildung 1 erwarteten Bereich, liegen die Aktivierungsenergien der Ringoffnung von Cyclopropan [AG' = 56.4 kcal. mol- 1][591,

Methylcyclopropan [AG+ = 54.5 kcal . mol- und 1,2- Dialkylcyclopropanen [AG4 = 53-54 kcal.mo1- fur 27 kcal . mol ' Spann~ngsenthalpiel~~~ sowie von Cyclobutan [AGS = 56 kcal. mol - und Methylcyclobutanen [AG * = 55 kcal . mol - bei ca. 26 kcal . mol - Spannungs- entha1piel5*1 (Tjeweils 300 "C).

2.3. Weitere Substituenteneffekte

Auch die stabilisierende Wirkung anderer Substituenten als der Phenylgruppen auf ein benachbartes Radikalzentrum und damit die thermische Stabilitat substituierter Alkane sollte sich auf dem hier fur die Kohlenwasserstoffe beschrie- benen Weg priifen lassen. Orientierende Versuche mit der ersten a-Vinyl-substituierten Verbindung meso-3,4-Di-( 1 -cy- clohexenyl)-2,2,5,5-tetramethylhexan (26)1641 zeigten, daB auch die Allylmesomerie der bei der Thermolyse entstehen- den Radikale (27) die thermische Stabilitat verringert (7 ( /2= 1 h bei 210 0C)1641.

Die weitere Untersuchung dieser Verbindungen verdient vor allem deshalb Interesse, weil sie sich prinzipiell auch zur Cope-Umlagerung eignen. Lassen sich die beiden Reaktions- moglichkeiten voneinander unterscheiden?

Mehr kinetische Daten sind in der Reihe der tetraalkylier- ten Bernsteinsauredinitrile (28)1651 bekannt (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2. Therrnische Stabilitat tetraalkylierter Bernsteinsauredinitrile (28) 1651.

R' R2 I I

NC-C-C-CN (28) 8 1 8 2

Da Spannungsenthalpien fur diese Nitrile noch nicht experi- mentell bestimmt wurden und auch rnit den verfugbaren Kraftfeldern noch nicht berechnet werden konnen[441, wurde in Tabelle 2 fur jede Verbindung die Spannungsenthalpie Hsp aufgefuhrt, die sich mit dem Kraftfeld MM2Iz2] fur den entsprechenden Kohlenwasserstoff (CN & CH3) errechnet. In Abbildung 3 erkennt man, daB wieder eine ausgezeichnete lineare Beziehung zwischen der Stabilitat und dieser Span- nungsenthalpie besteht, die der Gleichung

AG* (300 "C) = 52.5 ( f 0.5) - 0.48 ( + 0.03) H,,

gehorcht. Die Differenz zwischen dem Achsenabschnitt dieser Gera-

den (52.5 kcal.mo1-I) und dem der C,----C,-Alkane (14) in Abbildung 1 (62.4 kcal.mol-I) wird durch die Resonanz-

10 20 30 H,, [kcal . mol-'l -

Abb. 3. Beziehung zwischen der freien Aktivierungsenthalpie AG+ (300 "C) der Therrnolyse tetraalkylierter Bernsteinsauredinitrile (28) aus Tabelle 2 und den mi1 dern Kraftfeld MM2 1221 berechneten Spannungsenthalpien H,, der Kohlen- wasserstoffe H3C CR'R2 CR'R' CHI.

energie der a-Cyanalkylradikale verursacht. Mit der Ein- schrankung, daB die Spannungsenthalpie Hbp der Bernstein- sauredinitrile nur modellmaBig (berechnet fur CN 2 CH3) bekannt ist, ergibt sich fur die Resonanzstabilisierung von (Y-

Cyanalkylradikalen 5 kcal . m o l ~ I . Dieser Wert stimmt uner- wartet gut rnit den Literaturwerten (5-7 kcal. mol- I ) iiber-

Die weitere Absicherung dieser SchluBfolgerung durch thermochemische Messungen muR zeigen, ob sich das hier

ein166.671.

a CH3 CHI 367 b CHI C2Hs 332 C CHx n-C& 325 d CzHs C2Hs 297 e CH3 I'-C>H, 270 f i-C4H9 i-C4H9 209

49.4 46.8 46.3 43.7 41.3 36.1

50.8 2.4 51.7 8.5 54.2 13.8 52.4 15.2 47.0 9.9 40.7 8.0

6.9 12.3 11 .8 20.2 22.4 34.4

[a] Spannungsenthalpie des entsprechenden Kohlenwasserstoffs (CH, statt CN) rnit Kraftfeld MM2 berechnet; siehe Tabelle 1, FuBnote [a]

Angew. Chem. 92, 417-429 (1980) 423

Page 8: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

entwickelte Verfahren generell zur quantitativen Interpreta- tion und Voraussage der thermischen Stabilitat anderer sub- stituierter Kohlenstoffskelette und zur Abschatzung von Re- sonanzenergien a-substituierter Alkylradikale eignet.

3. Struktur und Spannung hochverzweigter Kohlenwasserstoffe

Es war zu erwarten, da8 Spannungsenthalpien bis zu 57 kcal. mol- I , wie sie bei den Verbindungen in Tabelle 1 ge- funden wurden, auch Konsequenzen fur die Strukturen die- ser Verbindungen haben. Wie wirkt sich die Verringerung der Dissoziationsenthalpien auf die Bindungslange aus? Wieweit weichen die Kohlenwasserstoffe dem sterischen Druck durch Winkeldeformation aus? Welche Folgen erge- ben sich fur die Konformation? Zur Beantwortung dieser Fragen haben H. J. Lindner et al. und W. Littke et al. Ront- gen-Strukturanalysen typischer C,--C,-Verbindungen [(13~)[’~’, (13d, e)[251, (ISd, e)[hX1] und C, ~ C,-Verbindungen [(14m)[3”1, (16i)[691] durchgefuhrt. Die Ubertragbarkeit der gefundenen Konformationen auf den gelosten Zustand wur- de durch NMR-Untersuchungen belegt. Tabelle 3 enthalt die Strukturdaten dieser Ethane sowie die der Literatur ent- nommenen Strukturdaten fur ( l 3 ~ ) [ ’ ~ ] und ( 1 4 ~ ) [ ’ ~ ] , die in der Gasphase durch Elektronenbeugung bestimmt wurden. Den experimentell erhaltenen Strukturdaten sind die rnit dem Kraftfeld MM2 errechneten Werte gegeniibergestellt. Der Vergleich mu8 zeigen, ob das Rechenverfahren verla8li- che Voraussagen auch fur solche Strukturen ermoglicht, die au8erhalb des durch einfachere Testverbindungen abge- steckten Parametrisierungsbereiches des jeweiligen Kraftfel- des liegen[441. Die Anwendung des MM2-Kraf t fe lde~~~~I auf hochverzweigte Alkane wird durch die recht prazise Uber-

einstimmung von Experiment und Rechnung in Tabelle 3 ebenso gerechtfertigt wie durch den oben diskutierten Ver- gleich experimenteller Bildungsenthalpien mit Rechenwer- ten[”]. Die weniger verlaBlichen Rechenergebnisse des alte- ren Allinger-Kraftfelde~[~’.~.~~I, auf das bei den Diphenyl- ethanen (15) und (16) zuriickgegriffen werden muDte, geben rnit Sicherheit wenigstens den Trend der durch Spannung hervorgerufenen Deformationen der Molekiile richtig wieder [vgl. (15d, e) und (16i) in Tabelle 31.

Die Daten in Tabelle 3 und weitere Strukturdaten zeigen, da8 sich der sterische Druck der Substituenten in den Koh- lenwasserstoffen auf viele interne Koordinaten verteilt. Die Spannung fuhrt nicht nur zur Dehnung der zentralen C C- Bindungen, sondern auch benachbarte Bindungen werden verlangert und insbesondere werden Bindungswinkel stark verandert. Die Analyse aller Strukturparameter der Kohlen- wasserstoffe (13)-(21), die durch die Kraftfeldrechnungen zuganglich sind, 1aBt zwei allgemeine Regeln fur den Zusam- menhang zwischen Spannung und Struktur erkennen: 1. Deformationen von Bindungswinkeln und -1angen finden

vor allem an den C-Atomen der schwachsten, d. h. der am hochsten substituierten Bindung (C,) statt und weniger ausgepragt an den dazu benachbarten C-Atomen (CJ.

2. Hochverzweigte Alkane weichen den van-der-Waals-Ab- stoflungen bevorzugt durch Aufweitung von CCC-Win- keln bei gleichzeitiger Verkleinerung von HCH- oder HCC-Winkeln am selben Zentrum aus. Erst nachrangig werden Bindungen gedehnt. Regel 2 ist verstandlich, weil die Kraftkonstanten bei Win-

keldeformation kleiner als bei Bindungsdehnung sind. Aus dieser Regel folgt auch, da8 eine starkere Aufweitung von CCC-Winkeln nur an sekundaren (C,) und tertiaren Zentren (C,) moglich ist, weil sie an quartaren Zentren (C,) rnit der Kompression eines anderen CCC-Winkels verbunden ware.

Tabelle 3. Experimentell erhaltene [a] und nach der EFF-Methode [b] berechnete Strukturparameter einiger hochsubstituierter Ethane (13)-(16) (e in C, bedeutet Ethan).

R’ R’ Form Methode Punkt- d(C, C,) d(C, R”) [a. bl g r w e Ipml

(/-la) CH,

( 1 3 ~ ) c-C,H,,

(13d) c-C,H,,

(13e) c-C,H,,

( / # a ) CH,

(14m) CH,

(1Sd) C,>H,

(1%) Ct.H,

(16i) C,H5

EB 1701 EFF-MM2

R 1241 EFF-MMZ

R 1251 EFF-MMZ

ILL

meso [251 EFF-MM2 EB (701 EFF-MM2

R 1301 EFF-MM2

meso

meso [681 EFF-AM

R I691 EFF-AM

154.6 154.9 157.7 158.1

158.9 158.0 160.2 158.4

158.2 157.2 162.6 163.0 158.9 157.2 157.3 157.7 163.8 159.5

153.9 154.0 156.1/158.0 156.6 156.2/154.8 157.5 I58.9/159.4 158.4/157.9 154.2 154.8

160.2 159.2

158.3/156.9 156.9 158.2 157.5 158.2 157.5

n P Y X “‘1 Icl

- ::::; 109.2 -

I 112.1 115.2 117.5 111.9 115.0 114.0 113.9 119.5 120.9 115.9 119.4 119.3

123.5 117.7 121.3 123.8 119.8 118.2 111.0 ~

-

112.1 106.8 --

112.1 110.5 117.5 112.3 110.6 1174

116.2 113.1 114.4 120.1 114.0 114.0 116.8 110.3 113.9 122.1 109.2 114.1

111.9 109.8 119.1 114.5 108.6 124.9

[a] Experimentelle Strukturbestimmung durch Elektronenbeugung (EB) in der Gasphase oder Ronlgen-Strukturanalyse (R) im Kristall. [b] Berechnungen fur die Gaspha- se mit dem Allinger-MM2-Kraftfeld [22] (EFF-MM2) oder dem Allinger-Mislow-Kraftfeld (31. 461 (EFF-AM). [c] Jeweils maximaler Wert, zentrales C-Atom 1st immer vierbindig. Der Winkel y entspricht dem Winkel fi in Abb. 4.

424 Angew. Chem. 92. 41 7-429 (1980)

Page 9: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

3.1. Bindungswinkel und Bindungslangen

Um einen Uberblick zu vermitteln, wurden in Abbildung 4 die groRten CCC- Winkel a an den zentralen, bei der Ther- molyse gespaltenen Bindungen der Kohlenwasserstoffe aus Tabelle 1 als uolle Zeichen eingetragen. An quartaren C-Ato- men ( 0 ) ist a mit zwei Ausnahmen (14g, n) nur wenig aufge- weitet (a = 112-1 14"). An tertiaren C-Atomen ( ) findet man bereits bei einer wenig gespannten Verbindung wie 2,3- Dimethylbutan (13u) mit Hsp= 2.7 kcal.mol-' einen Wert von a= 114". Mit steigender Spannung erhoht sich a am te- trakoordinierten C-Atom der C, --C,-Reihe sogar auf 120"

/

121

1 -121 L - Y u u a,

ll!

111

/ \

A I171

a1

A IlChl

113el / m

/

113tl

10 20 30 LO 50 60 H,,[kcal- mo1-'3 -

bl

/ : 115d

10 20 30 60 50 It [ kcal. rnol-'l -

w,

Ahh. 4. CCC-Bindungswinkel a ) in den Alkanen (13). (14) und (17) und b) in den Diphenylethanen (15) und (16). aufgetragen gegen die Spannungsenthalpie H,, (siehe Tabelle I ) . Die Werte in a) hzw. b) wurden mit dem Kraftfeld MM2 1221 bzw. dem Kraftfeld von Allinger-Mislow 131. 46) errechnet. Volle Zeichen: groRter Winkel a an einem zentralen C,-Atom; Offene Zeichen: Winkel p am benachharten C,,-Atom. 0 Winkel an einem quartaren C-Atom; W, 0 Winkel an einem tertiaren C-Atom: A,, A Winkel an einem sekundaren C-Atom. Der Winkel p entspricht dem Winkel y in Tabelle 3.

und dariiber [vgl. (13e , j ) und (15d, e) ] . Die groRte Aufwei- tung von a - auf 125"! - findet man in 2,2,4,4-Tetramethyl- pentan (I 7) an einem sekundaren C-Atom ( A ) trotz der ver- gleichsweise geringen Spannungsenthalpie H,, = 7 kcal . moi - ' dieser Verbindung.

Ein ahnliches Bild ergibt sich fur die in Abbildung 4 als offene Zeichen eingetragenen Winkel p an P-C-Atomen zur zentralen Bindung. Diese Winkel sind durchweg am stark- sten aufgeweitet, wenn es sich bei C,, um sekundare oder ter- tiare C-Atome handelt: In der Neopentylseitenkette von (14h) (Hs,=25.3 kcal.mol-') betragt /3 126.5"! Ob diese be- trachtlichen Abweichungen vom Tetraedenvinkel(109") mit einer Umhybridisierung der C-Atome einhergehen oder ob gebogene Bindungen (,,bent bonds"[721) vorliegen, laBt sich noch nicht entscheiden["].

164

162

t - 5 1 6 0

u'

i P

I - I -

158

156

154

Abb. 5. Langen der zentralen C C-Bindungen in den Alkanen (13) und (14). aufgetragen gegen die Spannungsenthalpie H,, der Alkane (mil Kraftfeld MM2 berechnet) [22]. C, C,-Reihe (13); 0 C, C,-Reihe (14).

Die Molekiile weichen der Grundzustandsspannung aber auch durch Bindungsdehnung aus. Dies ist in Abbildung 5 zu erkennen, in der die Lange der zentralen schwachen C-C-Bindungen in (13) und (14) gegen die Spannungsen- thalpien H,,, aufgetragen sind. Die C,--C,-Alkane (14) ( 0 )

haben deutlich langere Bindungen als die C, - C,-Alkane (13) ( ). Weil in der C, C,-Reihe Winkeldeformationen an den zentralen C-Atomen kaum moglich sind, wird die zentrale C-C-Bindung auch mit steigender Spannung we- sentlich starker gedehnt als in der C,-C,-Reihe. Dies auBert sich in der unterschiedlichen Steigung der beiden Geraden in Abbildung 5. Die Bindungen in (14n) (163.0 pm)l3'I und (14g) (164.1 pm) gehoren zu den langsten bekannten C C- Einfachbindungen in nicht cyclischen Kohlenstoffskelet- ten[74]. Qualitativ ahnliche Beziehungen zwischen H,p, Bin- dungswinkeln und Bindungslangen wie in Abbildung 4 und 5 findet man auch fur die phenylsubstituierten Verbindun- gen (15) und (16)135.6x3.

Angew. Chem. 92, 417-429 (1980) 425

Page 10: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

3.2. Konformationen A' R'

R'- l H - i H - R' 1131

Die Aufweitung von Bindungswinkeln hat Konsequenzen fur die Konformationen hochsubstituierter Ethane. An der zentralen C C-Bindung liegen in der Regel im Energiemi- nimum gestaffelte Konformationen mit Torsionswinkeln von 60" v ~ r ( ~ ' ~ . Newman-Projektionen der Ethanbindung (siehe Abb. 6) zeigen, daR eine VergroRerung der Bindungswinkel R'CR2 auch zu einer starken Veranderung der Torsionswin- kel fuhrt. Dies kann groRen EinfluR auf Konformations- gleichgewichte h a b e r ~ [ ~ ~ ] .

C,-Reihe [(14) und (16)] findet man selbst bei gespannten Verbindungen nur geringe Anderungen der C, C , C,$- und der C,, C, C,+-Winkel (siehe Abb. 4)[2x.351, d. h. die Verbindungen dieser Reihe haben normale gestaffelte Konformationen mit Torsionswinkeln zwischen 40 und 80". Die Rotamere mit den groBten Seitenketten in anti-Stellung besitzen ahnliche Energie wie solche mit gau- che-standigen Gruppen, mit Ausnahme des nur in anti-Kon- formation auftretenden Extremfalls (14g)[2x1. meso- und D,L-

Diastereomere sind ebenfalls fast energiegleich ( A A H s 2 kcal . mol ~ ').

In der C,

H H

mesounti meso-gauche

H R'

H H H

anti D,L-gauche-1 D,L-gauche-2

Abb. 6. Alternierende Konformationen der Ethanbindung in (13) und (15)

Vollig anders ist die konformative Situation in der Reihe der C, C,-Alkane (13) wegen der haufig stark aufgeweiteten geminalen Bindungswinkel. Prinzipiell kann man alternie- rende (FB)3-Konformere[771 mit den H-Atomen in anti- oder in gauche-Stellung erwarten. Bei einer meso-Konfiguration (R' # R2) sind dies die beiden Rotamere meso-anti und meso- gauche. Fur die D,L-Konfiguration existieren eine anti- und zwei gauche-Konformationen (siehe Abb. 6). Bei normalen Torsionswinkeln wurde man nach aller Erfahrung jeweils die anti-Rotamere fur die stabilsten halten, weil sie nur zwei Wechselwirkungen zwischen Alkylgruppen aufweisen und nicht drei wie die gauche-Rotamere. AuRerdem schreibt man gewohnlich der meso-Form hohere Stabilitat zu, weil in ihr die beiden gofiten Cruppen (R' oder R2) anti-standig sind. Diese herkommliche Vorstellung trifft in der C, C,-Reihe (13) uberhaupt nicht zu: 1 . Alle Tetraalkylethane (1 3) bevorzugen die gauche- gegen-

uber der anti-Konformation. Die Energiedifferenz zwi- schen diesen beiden Konformationen betragt bei 2,3-Di- methylbutan (134 nur 0.1 kcal.mol- nimmt aber mit zunehmender GroRe der Substituenten stark zu, wie es schematisch in Abbildung 7 dargestellt ist.

2. Wenn unterschiedliche Konfigurationen existieren (d. h. R ' =/= R2), so ist stets die D,L-Form stabiler als die meso- Form.

0': C H 3 R 2 = CH,

p 2.7

CH3 t - C'Hg

meso D,L

129.4

0 22.2 - 1 9 . 3 - 12.2

c2 15L.2

16L.1 I

-3L.5

= 28.1

f - CbHg

f-CLHg

Z- 198.61

- 5 7 . 7

Abb. I . Spannungsenthalpien H,, [kcal.mol '1 fur mehrere Konformationen der C, C,-Alkane (13) (siehe Abb. 6) nach Rechnungen mil dem Kraftfeld MM2 [22]. W H. R' gauche, 0 H anti. (Gestrichelt eingezeichnete Konformere sind keine Minima, sondern Ubergangszustande bei der Bindungsrotation.)

Diese beiden unerwarteten Befunde folgen unmittelbar aus der Aufweitung des geminalen Winkels R 1 C, R2 in den C, C,-Alkanen (siehe Abb. 4).

Die NMR- und EFF-Analyse der Konformation von 3,4- Di-tert-butyl-2,2,5,5-tetramethylhexan (13f), dem Extremfall der Reihe, laBt dies deutlich erkenne111~~1.

tBu+i:z tBu - tBu

tBu H

FB E2-( I 3 f ) anti-(l3f)

Die starke Aufweitung des Winkels zwischen den gemina- len tert-Butylgruppen fuhrt in der anti-Konformation zu ei- ner drastischen Zunahme an Spannung wegen der Annahe- rung der vicinalen tert-Butylgruppen. Daher wird die anti- Konformation von (138 sogar zu einem Sattelpunkt auf der Energiehyperfla~he[~~'I, dessen Energie uber der des Uber- gangszustandes der Thermolyse von (13f) liegt. Im gauche- ahnlichen FBE2-Minimum[771 von (13f)'271 haben die vier tert-Butylgruppen den groBten Abstand voneinander. Zwei dieser Gruppen konnen dabei in die durch die vicinalen H- Atome verursachten ,,sterischen Lucken" ausweichen.

Ahnliche Konformationen wurden durch Rontgen-Struk- turanalyse fur die beiden Diastereomere meso- und ~ , ~ - 3 , 4 - Dicyclohexyl-2,2,5,5-tetramethylhexan (13d. e) g e f ~ n d e n ~ ~ ~ ' . Die um AAH",= 6.4 kcal.molF ' hohere Stabilitat des D,L- Diastereomers resultiert daraus, daB in seiner gauche-I-Kon- formation (siehe Abb. 6) beide tert-Butylgruppen (R2 = fert- Butyl) diese sterisch bevorzugte Position gegenuber dem vi- cinalen H-Atom einnehmen konnen. Im gauche-Konformer

426 Angew. Chem. 92. 4 / 7 - 4 3 (1980)

Page 11: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

der meso-Form ist dies nur einer der groBen tert-Butylgrup- pen und einer der kleineren Cyclohexylgruppen moglich. Deshalb ist die meso-Form weniger stabil als die D,L-Form. Auch (13c), Tetracyclohexylethan, liegt ausschlieBlich in der gauche-Konformation v0r1~~3, wahrend bei 2,3-Dimethylbu- tan (13a) gauche- und anti-Konformation p o p ~ l i e r t [ ~ * ~ sind. Offenbar gilt demnach das Obengesagte abgemildert sogar fur Ethane (13) mit kleinen Substituenten. Auch in diesen Verbindungen sind die Torsionswinkel AO(RC,C,H) < 60".

SchlieBlich laBt sich noch ableiten, daB nicht alternierende Konformati~nen''~l als Energieminima nur an vierfach sub- stituierten Ethanen mit besonders groBen geminalen Bin- dungswinkeln, d. h. bei starker AbstoBung zwischen den ge- minalen Gruppen, zu erwarten sind, oder bei besonders klei- nen geminalen Bindungswinkeln wie bei Bicyclopropyl'x"l.

Die Wirkung unterschiedlich starker AbstoRung zwischen geminalen Gruppen auf Konformationsgleichgewichte laBt sich auch an 1,2-Dialkyl-l,2-diphenylalkanen (1s) studieren. Die mit dem Allinger-Mi~low-Kraftfeld~~'.~~~ errechneten Energien der Konformere fur die meso- und die D,L-Konfi- guration mehrerer Verbindungen vom Typ (15) sind in Ab- bildung 8 aufgetragen.

meso-( 15) -anti D,L( 15) -anti

Die Diphenylalkane (15) rnit primaren und sekundaren Alkylgruppen R (ISa-c) verhalten sich ,,normal", d. h. an- ders als die Tetraalkylethane (13) bevorzugen sie die anti- Konformation. Ursache ist die flache Scheibenform der Phe-

CzHs meso O,L

7.0

ea 14.4

10.6

u a . 4 ;:;

PUd 3 0 . 4

I 2L.2 24.5

0 22.2

- 1 9 . 3

Abb. 8. Spannungsenthalpien H,, [kcal.mol '1 fur mehrere Konformationen der Dialkyl-diphenylethane (IS) (sie:he Abb. 6 ) nacb Rechnungen mil dern Allin- ger-Mislow-Kraftfeld 131. 46). H, R gauche (oder gauche-I). H. Ph gauche, 0 H onfi.

nylgruppen und deren geringer Raumanspruch. Methyl-, Ethyl- oder Isopropylgruppen R konnen sich in (1.5) uber der Ebene der geminalen Phenylgruppe anordnen und erzeugen dabei nur geringe AbstoBung. Die D,L-(1.5)-anti-Konforma- tion wird zusatzlich durch das ,,Stapeln''[79' der beiden vici- nalen Phenylgruppen vorteilhaft. Aus diesen Griinden findet man in den anti-Konformationen dieser Verbindungen keine aufgeweiteten geminalen Bindungswinkel und daher auch normale Torsionswinkel von ca. 60". Die herkommlichen Regeln iiber die relative Stabilitat der Konformationen (anti > gauche) bleiben gultig.

Selbst meso-2,2,5,5-Tetramethyl-3,4-diphenylhexan (1Se) bevorzugt noch die meso-(l5)-anti-Konformation vor der meso-gauche-Anordnung. In der anti-Konformation errei- chen die sperrigen vicinalen tert-Butylgruppen die groBte Entfernung, wahrend in der meso-gauche-Anordnung (siehe Abb. 6, R ' = C6H5, R Z = tert-Butyl) nur eine tert-Butylgruppe den bevorzugten Platz gauche zu einem H-Atom einnehmen kann. Anders im D,L-Diastereomer (1Sd): Beide tert-Butyl- gruppen nehmen in gauche-I -Stellung den sterisch bevorzug- ten Platz vicinal zu einem H-Atom ein. Die Torsion um die zentrale C--C-Bindung unter Bildung der gauche-I -Konfor- mation (siehe Abb. 6, R ' =C6HS, RZ=tert-Butyl) ist dem- nach rnit einem Energiegewinn verbunden. Zudem erreichen dabei die vicinalen tert-Butylgruppen groBere Entfernung.

Das Studium der Strukturen hochverzweigter Kohlenwas- serstoffe hat gezeigt, daB steigender Spannung bevorzugt durch VergroBerung geminaler Bindungswinkel begegnet wird und daB diese wiederum oft eine Anderung der relati- ven Stabilitat von Rotameren verursacht. Sind Aufweitun- gen geminaler Winkel nicht oder nur in geringem MaRe moglich wie in der C,-C,-Reihe [(14) und (16)], so stellt man rnit steigender Grundzustandsspannung vor allem eine starke Bindungsdehnung fest, von der insbesondere die zen- trale C-C-Bindung betroffen ist.

4. Ausblick

Die hier besprochenen Befunde haben den Grundsatz be- statigt, daB quantitative Untersuchungen lohnend sind und schlieBlich auch zu qualitativ neuartigen Informationen fuh- ren: Zwischen Stabilitat, Spannung und Struktur von Koh- lenwasserstoffen bestehen einfache Zusammenhange. Nur durch die Verfugbarkeit neuer experimenteller Methoden und neuer theoretischer Modelle konnten diese Resultate er- halten werden. Es bleibt die Aufgabe, die an den einfachen Modellverbindungen - den Kohlenwasserstoffen - gewonne- nen Erfahrungen auf andere Verbindungsklassen zu iibertra- gen. Hierzu ist weitere methodische Entwicklung erforder- lich, insbesondere auch die Entwicklung geeigneter Kraftfel- der.

Den an unseren Arbeiten beteiligten Mitarbeitern Dr. G. Hellmann, DipL-Chem. G. Kratt, Dr. R. Winiker, Dip1.-Chem. S. Weiner, DipL-Chem. W. Barbe, Frau J. Geiselmann und Frau K. Lay danken wir fur experimentelle Mitarbeit, standige kritische Diskussionen und viele Anregungen. Pro$ H. J. Lind- ner, Dr. W. Littke und Pro$ H. Fritz gilt unser Dank fur enge Kooperation bei der Bearbeitung der Strukturprobleme. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Fonds der Chemi- schen Industrie und der Otto-Rohm-Gedachtnisstiftung danken wir fur finanzielle Forderung und dem Rechenzentrum der

Angew. Chem. 92, 41 7-429 (1980) 427

Page 12: Zur Kenntnis der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung

Universitat Freiburg fur groazugige Bereitsfellung von Rechen- zeit.

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[a] Zur Berechnung der Normalbildungsenthalpien AH’: wurden folgende Gruppeninkremente verwendet: CH1 - 10.05; CH2 -5.13: CH -2.16, C -0.30 (nach [41]): C6H,: CA,,~(-H) 3.28; CArYl(-C) 5.62 kcal.mol ’ (sie- he [26]).

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144) N. L. Allinger. Adv. Phys. Org. Chem. 13. l(l976). 1451 Dieser Wert ergibt sich aus der Verbrennungswarme [27a] und der von M.

Mdnsson, G. Cranrz (Lund) gemessenen Sublimationswarme AH:,,,= (17.7510.13) kcal.mol I.

1461 N. L. Allinger, M. T. Tribble. M. A . Miller. D. H. Wertz. 1. Am. Chem. SOC Y3. 1637 (1971).

[47] Weil fur die Alkane ( / / ) - ( I41 und (17)-(21) einerseits und fur die Diphenyl- alkane (15) und (16) andererseits verschiedene Kraftfelder verwendet wur- den, sind Vergleiche der Spannungsenthalpien zwischen beiden Stoflklas- sen etwas weniger verlaRlich als innerhalb einer Gruppe.

H-Bindungsener- gien spricht fur diese Annahme. Siehe hierzu D. C. McKean. Chem. Soc. Rev. 7, 399 (1978).

1491 Fur die zentrale Bindung von 23Dimethylbutan (H,,=2.7 kcal.mol ’ ) wurde die Dissoziationsenergie D=78.2 kcai.mol ’ bestimmt: K. W. Eg- ger, A. T. Cooks, Helv. Chim. Acta 56. 1516. 1537 (1973).

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5-tetramethylhexan ( I $ ) [O(C, C, C,,)= I I9.5”] spricht die nicht unnormale Kopplungskonstante ‘’J,,, ‘)= 123 Hz [27a].

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428 Angew. Chem. Y2, 417-429 (19x0)

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[SO] Bicyclopropyl liegt nach Elektronenbeugung [XI] und EFF-Rechnung be- vonugt in einer Konformation mi! gauche-H-Atomen (AH,,I der anti- Form=0.5 kcal'mol ' ) vor. Wegen der kleineren Bindungswinkel im Cy-

clopropan handelt es sich um eine nichtalternierende FBF2B2-Struktur: vgl. H. Braun. W. Lutfke, J. Mol. Struct. 31, 97 (1976).

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Die Rolle von Pyridoxalphosphat bei der Katalyse der Glykogen-Phosphorylasen

Von Ernst J. M. Helmreich und Helmut W. Kleid''

Professor Otto H. Wieland zum 60. Geburtstag gewidmet

Glykogen-Phosphorylasen katalysieren den Abbau von Glykogen durch Phosphat (oder Arse- nat) zu Glucose-I-phosphat (bzw. Glucose + Arsenat). Alle Glykogen-Phosphorylasen enthal- ten Pyridoxal-5'-phosphat, ein Vitamin-B,-Derivat, als Cofaktor. Es ist im Enzym durch eine Doppelbindung mit der e-Aminogruppe eines Lysinrestes verbunden. Wird der Cofaktor vom Enzymprotein abgetrennt, erhalt man inaktives Apoenzym. Das Enzym bleibt jedoch aktiv, wenn man die Doppelbindung mit NaBH4 reduziert. Sollte daher Pyridoxalphosphat an der Katalyse der Glykogen-Phosphorylasen beteiligt sein, so miiRte es eine andere Funktion als in allen anderen ,,klassischen" Pyridoxalphosphat-abhangigen Enzymen haben, denn diese wer- den durch Reduktion inaktiviert. Die "P-NMR-Spektroskopie hat gezeigt, daB die Phosphat- gruppe von Pyridoxalphosphat in den katalytisch aktiven Formen der Glykogen-Phosphoryla- sen als Dianion in einer hydrophoben Umgebung vorliegt. Die kovalente und allosterische Ak- tivierung der Muskel-Glykogen-Phosphorylasen wird von der Umwandlung der monoproto- nierten Form der Phosphatgruppe des Cofaktors in die dianionische Form begleitet. Wir fan- den nun derartige Ionisierungsanderungen auch bei den nichtregulierten aktiven Kartoffel- und E. -coli-Maltodextrin-Phosphorylasen, und zwar bei der Bindung von Glucose und Oligo- sacchariden sowie bei katalytischem Umsatz, d. h. Arsenolyse der a-1,4-glykosidischen Bin- dungen. (Maltodextrin-Phosphorylasen gehoren wie Glykogen-Phosphorylasen zur Klasse der a-Glucan-Phosphorylasen.) Versuche unserer Gruppe sowie neuere Befunde iiber die Raum- struktur der kristallinen Muskel-Glykogen-Phosphorylase legen es nahe, die dianionische Phosphatgruppe als Protonenacceptor beim Glucosyltransfer vom und zum Glucosylacceptor anzusehen. Wenn dies auch nicht die einzige Erklarung der Befunde sein mag, so kann doch nicht mehr daran gezweifelt werden, daR die dianionische Phosphatgruppe des Cofaktors der Glykogen-Phosphorylasen eine katalytische Funktion ausiibt.

1. Einleitung

1.1. Eigenschaften der Phosphorylase

Glykogen ist ein stark verzweigtes, aus a-I,4-~-Glucosere- sten aufgebautes tierisches Reservekohlenhydrat. Glykogen- Phosphorylasen (EC 2.4.1 .I) katalysieren den phosphorolyti- schen Abbau von Glykogen; er beginnt am nichtreduzieren- den Ende des Molekiils und fuhrt zu Glucose-I-phosphat [Gl. (l)]. AuRerdem katalysieren die Glykogen-Phosphoryla- sen die Bildung von a-l,4-glykosidischen Bindungen beim Aufbau von Glykogen.

Glykogen + P,=(Glucose),- I + Glucose-I-phosphat (1) P, = anorganisches Phosphat

Die Reaktion ist in vitro reversibel (Keq = [Pi]/[Glucose-I- phosphat] = 3.6 bei pH=6.8). In der lebenden Zelle kataly- sieren die Phosphorylasen nur den Glykogenabbau; hier be- stimmen die geringe Konzentration an Glucose-I -phosphat und die hohe Konzentration an Phosphat (1 : 300) den Reak- tionsablauf"'.

[*I Prof. Dr. E. J. M. Helmreich, Dr. H. W. Klein Physiologixh-chemixhes Institut der Universitat Koellikerstraae 2, D-8700 Wiirzburg

Alle bisher untersuchten Glykogen-Phosphorylasen ent- halten kovalent gebundenes Pyridoxal-5'-phosphat ( I ) , ein

Angew. Chem. 92, 429-444 (1980) 0 Verlag Chemie, GmbH. 0-6940 Weinheim, I980 0044-8249/80/0606-0429 $ 02.50/0 429