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42 Zeitechrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 250. 1942 Zur Kenntnis der niederen Vanadinoxyde Von WILHELM KLEMM und LUDWIG GRIMM Mit 3 Abbildungen im Text Die Untersuchung des Systems Vanadin(111)-oxyd-Vanadin(V)- oxyd durch W. KLENM und E. HOSCHEK~) hatte im Bereich V,O, bis VO, eine sehr starke Ahnlichkeit mit den Verhaltnissen bei den Titanoxyden,) ergeben. Fur einen weiteren Vergleich der beiden Oxydsysteme war die Xenntnis dcr Phasenverhaltnisse bei den niederen Vanadinoxyden erwunscht. Hieruber liegt bereits eine altere Untersuchung von amerikanischen Autoren3) vor. Nach dieser findet sich auch in diesem Gebiet eine weitgehende Ahnlichkeit mit den entsprechenden Titanoxgden : Vanadin veriindert bei der Auf- nahme von Sauerstoff seine Gitterkonst,ante, offensichtlich wird also auch vom Vanadin Sauerstoff geliist,. Weiterhin wurde eine Phase von einem grofieren Homogenitiitsgebiet gefunden, die ebenso wie die TiO-Phase NaC1-Struktur besitxt. Als Gitterkonstante wurde auf der vanadinreichen 8eite 4,04 A, auf der sauerstoffreichen 4,14 .A ge- funden. Daran schlieljt sich dann die V,O,-Phase mit Korundgitte:. an. Weitere Phasen traten nicht in Erscheinung. Obwohl damit die niederen Vanadinoxyde grundsatzlich auf- geklar t er s chienen, war eine Nenun t ersuchung wiinschenswer t , und zwar aus folgenden Grunden: Einmal hatten die amerikanischen Autoren fur den groBten Teil ihrer Versuche ein Vanadin verwendet,, diis mehr als Verunreinigungen, in der Hauptsache Sauerstoff, enthielt. Bum anderen enthielten ihre Diagramme, wie sie selbst zugeben, eine grol3e Zahl von Fremdlinien von erheblicher IntensitBt , die nic,ht indiziert werden konnten. Genauere Angaben uber die l) W. KLEMM u. E. HOSCHEK, Z. anorg. allg. Chem. 226 (1936), 359; 242 (1939), 63. 2, P. EHRLICH, %. Elektroohem. angew. physik. Chem. 45 (1939), 362; 2. anorg. allg. Chem. 947 (19411, 63. C. H. MATHEWSOK, E. SPIRE u. C. H. SAMAKY, Trans. Amer. Soe. Steel Treat. 20 (1932), 357.

Zur Kenntnis der niederen Vanadinoxyde

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42 Zeitechrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 250. 1942

Zur Kenntnis der niederen Vanadinoxyde

Von WILHELM KLEMM und LUDWIG GRIMM

Mit 3 Abbildungen im Text

Die Untersuchung des Systems Vanadin( 111)-oxyd-Vanadin(V)- oxyd durch W. KLENM und E. HOSCHEK~) hatte im Bereich V,O, bis VO, eine sehr starke Ahnlichkeit mit den Verhaltnissen bei den Titanoxyden,) ergeben. Fur einen weiteren Vergleich der beiden Oxydsysteme war die Xenntnis dcr Phasenverhaltnisse bei den niederen Vanadinoxyden erwunscht. Hieruber liegt bereits eine altere Untersuchung von amerikanischen Autoren3) vor. Nach dieser findet sich auch in diesem Gebiet eine weitgehende Ahnlichkeit mit den entsprechenden Titanoxgden : Vanadin veriindert bei der Auf- nahme von Sauerstoff seine Gitterkonst,ante, offensichtlich wird also auch vom Vanadin Sauerstoff geliist,. Weiterhin wurde eine Phase von einem grofieren Homogenitiitsgebiet gefunden, die ebenso wie die TiO-Phase NaC1-Struktur besitxt. Als Gitterkonstante wurde auf der vanadinreichen 8eite 4,04 A, auf der sauerstoffreichen 4,14 .A ge- funden. Daran schlieljt sich dann die V,O,-Phase mit Korundgitte:. an. Weitere Phasen traten nicht in Erscheinung.

Obwohl damit die niederen Vanadinoxyde grundsatzlich auf- geklar t er s chienen, war eine Nenun t ersuc hung wiins chenswer t , und zwar aus folgenden Grunden: Einmal hatten die amerikanischen Autoren fur den groBten Teil ihrer Versuche ein Vanadin verwendet,, diis mehr als Verunreinigungen, in der Hauptsache Sauerstoff, enthielt. Bum anderen enthielten ihre Diagramme, wie sie selbst zugeben, eine grol3e Zahl von Fremdlinien von erheblicher IntensitBt , die nic,ht indiziert werden konnten. Genauere Angaben uber die

l) W. KLEMM u. E. HOSCHEK, Z. anorg. allg. Chem. 226 (1936), 359; 242 (1939), 63.

2, P. EHRLICH, %. Elektroohem. angew. physik. Chem. 45 (1939), 362; 2. anorg. allg. Chem. 947 (19411, 63.

C. H. MATHEWSOK, E. SPIRE u. C. H. SAMAKY, Trans. Amer. Soe. Steel Treat. 20 (1932), 357.

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Phasengrenzen Iassen sich aus ihren Diagrammen ebenfalls nicht ent - nehmen, und schliel3lich waren einige ihrer Ergebnisse in einem ge- wissen TiViderspruch zu den von P. EHRLIGH bei den Titanoxyden erhaltenen Resultaten. Wahrend namlich beim Titan die Aufnahme von Sauerstoff zu einer VergroBerung der Gitterkonstanten fuhrt, soll sich nach den amerikanischen hutoren beim Vanadin die Gitter- konstante um mehr als 3O/, verringern. Im Bereieh der TiO-Phase iindert sich die Gitterkonstante nur urn knapp lo/,, wiihrend sich die der TO-Phase nach Angabe der amerikanischen Autoren urn 2,5°/0 andern soll und zwar in Abhangigkeit vom Sauerstoffgehalt, im umgekehrten Sinne.

Aus diesen Grunden haben wir eine erneute Bearbeitung der niederen Vanadinoxyde in Angriff genommen. Diese Untersuchung muI3te aus auBeren Grunden vorzeitig abgebrochen werden, so daB sie in vielem nur den Charakter einer ersten Erkundung tragt. Wir mochten aber trotzdem uber die vorliegenden Ergebnisse berichten, d s wenig Aussicht besteht, die Untersuchung in der niichsten Zeit fortzusetzen.

1. Herstellung und Unfersuchung der Proben Durch die Liebenswurdigkeit von Herrn Professor W. A. ROTH,

Freiburg i. Br., standen uns 2 g eines hochwertigen Vanadins zur Verfugung, das von der amerikanischen Vanadium Corparation her- gestellt worden war, Das Praparat bestand aus kleinen Kugeln, die praktisch frei von Eisen waren. Durchschnittsanalysen davon ergaben einen Gehalt von 99,l 0,lo/,. Nun bestanden die Metallkugelchen aus einem metallischen Kern und einer dunklen Haut. Diese letztere durfteziemlich sauerstoffreich sein; sie 1aBt sich, wiewirnach AbschluB dieserVersuche fanden, mit etwa 10°/,igerFluBs&ure leicht wegatzen, wo- bei metallisch weiBe Kugein zuruckbleiben. Diese diirften somit hoher- prozentisch sein, als der Durchschnittsanalyse entspricht. Es uberrascht daher n icb , da13 die vonuns gefundene Gitterkonstante fiir dieses Vann- din ("61. S. 46) gut mit den besten Literaturwerten ubereinstimmt, ob- wohl der Durchschnittsgehalt deut'lieh unter 100°/, Vanadin liegt.

Die V a n a d i n b t s t im mung erfolgte durch Titration mit Kalium- permanganat und potentiometrischer Indizierung Die Permanganatlosung war sowoh! gegen Natriumoxalat eingestellt als auch gegen ein V,O,-Priiparat, das man durch Zersetzen von NH,VO, und anschlieBendes Erhitzen auf 600° im Sauerstoffstrom hegestellt hatte. Beide Einstellungen stimmten iiberein.

Das erforderliche Vanadin(II1)-oxyd war durch Reduktion von V,O, im Wasserstoffstrom bei etwa 900° gewonnen; seine Zusammen- set zung war anal y t isc h kont r ollier t .

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Die einzelnen P r a p a r a t e wurden dwch Synthese aug Vanadin uud V,O, bzw. sauerstoffiirmeren Oxyden und V,O, in Korundrohr- chen im Vakuum hergestellt.

Das Tempern erfolgte bei den ersten Priiparaten (VO,,, bis VO,,) in einem Chromnickelofen bei 120@-1300°. Hierbei befanden sich die Korundrlihrchen in Quarzrohren, die vor dem Tempern hoch evakuiert und abgesohmolzen worden waren. Diese Priiparate wurden zungchst 12 Stunden getempert, hierauf fein gepulvert und nochmals 12--24Stunden auf etwa 1300O erhitzt. Rei den Prii- paraten VO,,,, bis V0,,4 erfolgte das Tempern zwischen 1450 und 1600O etwa I Stunde lang. Man benutzte hierzu eine Lhnliche Anordnung, wie sie von EHR- LICE^) zur Darstellung der niederen Titanoxyde verwendet worden ist. Bei diesen Versuchen zeigte sich in einigen FiiIIen eine ganz geringe oberflachliche Ver- unreinigung der Priiparate durch eine bliiuliche Haut,; diese war jedoch roengen- miiSig unbedeutend und wurde vor der weiteren Untersuchung der Priiparate entfernt. Es wurde besonders darauf geachtet, daD sich das Gewicht der Proben wiihrend des Temperns nicht hder te , indem sowohl Tiegel plus Substanz als such die Tiegelchen seIbst vor und nach dem Versuch zur Wagung gebrltcht wurden. Es zeigten sich in keinem Falle Unterschiede, die oinige Zehntelmilligramm iiber- schritten. Diese sorgfgltige Kontrolle war erforderlich, da man in Anbetracht der geringen zur Verfiigung stehenden Vanadinmenge die Priiparate zum groDen Teil in einer fortladenden Reihe gewsnn, indem man z. B. aus V0,,2 VO,,, aus diesem VOo,4 herstellte usw.

Die erhaltenen Priiparste waren in keinern Fall geschmolzen; sie stellten graue Pulver dar, die urn so dunkler waren, je hoher der Sauerstoffgehalt wurde.

Bei den priiparativeu Versuchen war etwas Bemerkenswertes nur bei dem P r a p a r a t V0,,2 zu beobachten: Hier zeigte eine Grau- farbung sowohl am oberen Teil des Korundtiegelchens als auch an den Innenmiinden des Quarzrohres, daB das Praparat sich zum Teil ver f lucht ig t hatte. Diese leichte Verfluchtigung bei der genannten Zusammensetzung kann nicht uberraschen, da ERRLICII bei den niederen Titanoxyden bei der Zusammensetzung TiO,,, ebenfalls eine auffiillig Ieichte Verfluchtigbarkeit festgestellt hatte. Die nghere Untersuchung dieser Ersoheinung wird in anderem Zusammenhang erfolgen .

II. Rhtgenuntersuchung Zur Rontgenuntersuchung benutzte man zum Teil Chrom-, zurn

Teil Kupferstrahlung. Bei den sauerstoffarmen Prgparaien erhielt man nur mit Chromstrahlung einigermaoen brauchbare Diagramme. Von etwa VO,, an ergab auch Kupferstrahlung gut vermeBbare Filme, denen man hier den Vorzug gab, da sie linienreicher sind- Allerdings waren die erforderlichen Belichtungszeiten teilweise sehr

’) P.E-cE, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 46 (1939) 362.

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groB; so muSte man 2;. B. beim VO mit einer Kamera, die ehen Radius von 57,3rnm hatte, 12 Stunden lang belichten, wobei der Film mit einer 0,03 mm sfarken Al-Folie bedeckt war.

M Z 0 3 f C g G @ W z A n

V 1 I I. i

Da es sich bei der vorliegenden Untersuchung weniger um eine genaue Feststellung der Gitterkonstanten, als vidmehr um eine Unter-

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46 &itsohrift flir anorganische und allgemeine Chemie. Band 250. 1942

h k Z

0 1 1 1 1 0 0 0 2

1 1 2 0 2 0

1 2 1

suchung der Phasenverhdtnisse bandelt, haben wir davon abgesehen, Aufnahmen mit Eichsubstanz eu machen. Infolgedessen genugen die von uns bestimmten Git.terkonstanten nur bescheideneren Anspruchen. Die erhaltenen Rontgendiagramme sind in Abb. 1 zusammengestellt.

sin2 6 Intensitat

gef. i ber. gef. 1 ber.

3014 3009 1 s t 221 4201 4198 R 0,s 7192 7207 me 496 8585 8572 stst 13,O

__

0,2567 0,2554 1 stst 3,9

6013 6018 m 1,7

I

A. Die Vanadinphase.

Das von uns verwendete Vanadin zeigte eine kubisch-raum- zentrierte Struktur mit a = 3,039f 0,003 A. Dieser Wert stimmt gut mit einer von M. C. NEUBURGER~) durchgefuhrten Priizisions-

a” bestimmung iiberein, der an dem von DORING w und GEILER~) hergestellten Vanadin eine

Gitterkonstante von 3,0338f 0,0003 A fand (vgl. dazu auch S. 43).

Bei den sauerstoffhaltigen Praparaten VOo,l bis VO0,* andern sich die Diagramme,

-?z sie werden linienreicher. Die Aufnahmen lassen 4 sich jetzt nicht mehr kubisch, sondern nur

noch te t ragonal indizieren. Als Beispiel 28

gibt Tabelle 1 die Indizierung von VO,,,. Es Abb.2. Bnderungder

tritt also nicht, wie die amerikanischen Autoren G i t t e r k o nstanten vonvanadin bei der angeben, eine Kontraktion des kubischen * f n a h m e v o n Gitters ein, sondern dieses wird deformiert.

Die a-Achse des tetragonalen Gitters nimmt mit zunehmendem Sauerstoffgehalt ab, wahrend gleichzeitig die e-Achse wachst (vgl. Abb. 2).

-74

k l ~ !

-4 9- -

Mqf Od q’

S a u e r s t o f f

l) M. C. NEUBURGER, Z. Kryst. (A) 93 (1936), 314. a) !~.DOBJNG u. I. GEILER, Z . anorg. allg. Chem. B1 (1934), 56.

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Die Deutung dieses Verhaltens ist einfach : Vanadinmetall kann ebenso wie Zirkon- und Titanmetall erhebliche Mengen Sauerstoff losen. Hierzu stehen die Gitterlucken zur Verfiigung, die in der kubischen Zelle abgeflachte Oktaeder darstellen mit zwei Diagonalen der Gro8e a * f Z und einer dritten der Gro4e a. Von diesen Okta- edern, deren Mittelpunkte jeweils in der Mitte der Wurfelflachen liegen, wird das in der Grundflache und das in der gegenuberliegenden Deckflache des Wurfels mit Sauerstoff besetztl). Diese beiden Okta- eder werden beim Einbau von Sauerstoffatomen gestreckt, SO daB sie regularen Oktaedern ahnlicher werden. Das Gitter wird damit tetragonal , die c- Achse wird deutlich grofler, die a-Achse etwas kleiner. Es liegt somit dasselbe Verhalten vor wie beim Ubergang von cc-Eisen zum tetragonalen Martensit, Zum Beleg dieser Auffassung wurden die Intensitaten berechnet, die durchweg mit den gefundenen uberein- stimmen (vgl. Tabelle 1 fur VO,,J.

Beziiglich der Raurnverhaltnisse ist folgendes zu sagen: Da der Vanadinatomradius 1,35 A betragt, der Sauerstoffatomradius 0,6 A, so sollten die Diagonalen des Oktaeders die Lange 2 x (1,35 +0,6) = 3,9 d betragen. Die Diagonalen der abgeflachten Oktaeder im Vanadingitter sind jedoch 4,29 A bzw. 3,03 A. Es w k e somit ein Einbau nur in einem tetragonalen Gitter moglich, das mindestens eine c-Achse von 3,9 A besaBe, wahrend die a-Achse bis auf 3,9@ = 2,s h schrumpfen konnte. Tatsiichlich sind die Abweichungen von der kubischen Symmetrie bei niedrigen Sauerstoffgehalten sehr vie1 kleiner. Entweder erfahren also die Sauerstoffatome im Gitter e k e erhebliche Deformation im Sinne eines abgeflachten Rotations- ellipsaides, die um so groBer ist, je niedriger der Sauerstoffgehalt des Gitters ist, oder aber es treten zwar an den Stellen, wo sich tatsiichlich Sauerstoffatome befinden, starke Verschiebungen der Vanadinatome auf, die sich aber auf das Gesamtgitter nur teilweise auswirken.

Uber die Grenze d e r Los l ichkei t von Sauerstoff im Vanadingitter k6nnen wir 2ur Zeit noch nichts Beatimmtes sagen. Zu dieser Bestimmung miissen zwei Vorbedingungen erflillt sein.

1. Da die Loslichkeit sehr wahrscheinlich von der Temperatur abhiingt - einen Hinweis darauf werden wir S. 5Off. kennenlernen - miissen die Tempe- raturen, bei der das Gitter ,,einfriert", genau bekannt sein.

2. Es muB das Gleichgewicht erreicht werden. Bside Bedingungen waren bei unseren Versuchen nicht erfullt. Einmd

wissen wir nichts Genaues uber die Einfriertemperaturen, zum anderen zeigen umere Diagramme deutlich, daB wir das Gleichgewicht noch nicht erreicht hatten.

l) Atomlagen demnach: Vanladin in 0 0 0, l/% lI2; Sauerstoff in 'I2 'I2 0.

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Bei dem PrGparat der Zusammensetzung VOo,3 trat nGmlich nur eine geringe Linienverschiebung gegeniiber dem VO,,,,-Priiparat auf (vgl. die Pfeile in Abb. 2). Das Diagramm zeigte daneben aber einige schwache Linien, die einem sterker geweiteten Gitter entsprechen. Bei dem VO,,,-PrLparat, das achon Linien der VO-Phase enthielt, ergab sich wiederum eine wesentlich stiirkere Aufweitung. Man konnte aus dem Auftreten der Linien der VO-Phase schlieBen, daB hier die Lodichkeitsgrenze erreicht sei. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall, denn spiitere Versuchk (vgl. S. 50ff.) ergaben auf anderem Wege PrGparate mit einem noch gr65eren c-Wert.

Die endgdtige Aufklarung des Gebietes VOo,3 bis zur Grenae der VO-Phase mu13 daher weiteren Versuchen vorbehalten bleiben.

B. Die VO-Phase. Von der Zusammensetzung V0,,5 bis VOo,9 zeigen die Diagramme

im -7esentlichen das Bild eines k u b i s c h- f 1 ache na en t r i e r t e n Gitters mit der Gitterkomtante a = 4,11 A. Es handelt, sich dabei um ein Gitter vom NaCl-Typ, wie aus der Tabelle 2 fur das Praparat VOo,9 hervorgeht. Dies steht in Obereinstimmung mit der Angabe

Tabelle 2 I n d i z i e r u n g von VO,,,

Cu H,-Strahlung, 8-Linien weggelassen. NaC1-Struktur; u, = 4,11,,

h k l

1 1 1 0 2 0 2 2 0 113 2 2 2 040 1 3 3 2 4 0

sinY 8

gef.

0,1049 1403 2808 3858 4201 5609 6661 7002

. ber.

0,1052 1403 2805 3857 4208 5611 6663 7014

Intensit at I gef. 1 ber. I

der amerikanischen Autoren; nur ist die yon ihnen gegebene Gitter- konstante fur die vanadinreiche Phasengrenze (a = 4,04A) mit unseren Ergebnissen unvereinbar.

Die Diagramme der Priiparate VOo,s bis VO0,* zeigen neben den Linien des NaC1-Typs noch einige schwache Linien, die wir noch nicht identifizieren konnten (vgl. dam oben). Vermutlich handelt es sich urn Linien der nach niedrigeren Sauerstoffgehalten hin anschlietienden Phase, deren Diagramm noch nioht be- kannt ist, da, wie betont, bei dem PrHparat VOo,4 die Grenze der

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W. Klemm u. L. Grimrn. Zur Kenntnis der niederen Venadinoxyde 49

VO-Phase noch nicht erreicht sein durftel). Immerhin wird das Diagramm dieser Grenzphase nach Abb. 1 von dem VO,,,-Diagramm nicht dlzu verschieden sein; zur endgiiltigen Kllirung dieser Frage sind eingehende Versuche im Gebiet VO,,, bis V0,,6 erforderlich. Vermutlich fiingt die VO-Phase erst awischen VO,,, und VOo,9 an; damit ware am einfaohsten erkllrt, warum sich die Gitterkonstante zwischen VO,,* und V0,,9 nicht LnderP).

Das flichenzentrierte VO-Gitter fanden wir noch bei folgenden Priiparaten: Zunachst trat es bei einem Prliparat der Zusammensetzung VO,,, auf. Es durfte von geringer Bedeutung sein, daB wir diesees Praparat nicht mit reinem Vanadin hergestellt hatten, sondern mit einem technischen Vanadin, das auBer 1,7*/, SiO, bzw. einer ent- sprechenden Menge Si noch etwas uber 2% Eisen enthielt. Wir ver- danken dieses Vanadin der Vanadium-Gesellschaft m. b. H. Berlin. Dieses VO,,,-Priiparat aeigte ebenfalIs die Gitterkonstante a; = 4,ll A. AuBerdem trat das NaCI- Gitter bei einem Priiparat der Zusammen- setzung VOl,3 auf, das wiederum aus reinem Vanadin hergeetellt war. Dieses Priiparat hatte eine etwas niedrigere Gitterkonstante, niimlich a=4,10b. Bei der Zusammensetaung VO,, trat d a m schon das V,Oa- Gitter (Korundt_y_p) auf.

Durch diese Feststellungen ist das Ergebnis der amerika- nischen Autoren bestiitigt, daB das VO mit NaC1-Struktur uber eine weite Zusammensetzung hin, namlich sicher zwischen VOo,9 und VOl,3 existieren kann. Allerdings fanden wir nicht den von den Amerikanern festgest ellt en st arken Gang der Git t erkonst ant en. Dieser variiert vielmehr zwischen V0,,9 und V0,,3.nur um 0,Ol A, also noch vie1 weniger als bei der TiO-Phase. Die Anderung erfolgt aber in dem gleichen Sinne, indem die sauerstoffreicherez, Praparate die kleinere Gitterkonstante besitzen3).

C. Die Disproportionierung der VO-Phase. Auffallig wax, daB im Gegensatz zu den oben erwlhnten

Ergebnissen bei anderen Praparaten der Zusammensetzung VOl ,o

l) Mijglichenveise gibt es auch noch eine Zwischenphsse. ") Dieser SchluD ist jedoch nioht sioher, da im Bereich VOo,B bis vo,,,

die hierung der Gitterkonstanten auch nur sehr gering ist (vgl. dam unten). a) Es wird von groJ3em Interesse sein, Dichtemessungen dieser Stoffe

durchzuftihren, um festzustellen, wie weit anch hier eine Iuckenhafte Besetzung des Gitters vorhanden ist wie beim TiO. Die bisher vorliegenden Messungen (H. FENDITTS, Dissertation, Hannover 1030: d = 5,23; MATHEWSON, SPIRE u. SAMANS: d = 6,6) sind an zu wenig definiertem Material durchgefuhrt, als daB sie fur den vorliegenden Zweck verwendet werden konnten.

-

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(aus reinem Vanadin hergestellt) und V0,,3, sowie bei den Priiparaten VO,,, und V0,,2 andere Diaeamme auftraten. Das Diagramm von VO, ,o ist sehr einfach, die Diagramme von VO, ,, und VO,,z sind linienreicher, stehen aber offensichtlich in engem ZU- sammenhang mit dem VO,,,,-Diagramm. V0,,3 schlieBlich zeigt pin wesentlich anderes Diagramm.

Wir haben zunkhst geglaubt, d& daa VO,,a-Diagram.m eium andereu Form dieses Vanadinoxydes entspriiche und haben eine ganze Reihe von Moglichkeiten durchgerechnet. NaCl-, CsCI-, ZnS- und NiAs-Struktur scheiden aus, da der Verlauf der Intensitibten mit diesen Annahmen unvereinbar ist. Es bleibt nach den Intensitaten nur die Moglichkeit eines k u b i s o h - r a u m z e n t r i e r t e n Gitters aus Vanadinatomen, in dem die Sauerstoffatome statistisch uber die Pliichen- mitten verteilt sein mii0ten. Aber auch gegen diese Annahme sprechen erhebliche Bedenken. Einmal muBte dann namlich die Resetzung des Vanadinteilgitters liickenhaft sein, da nach den vorliegenden Dichtemessungen (vgl. S.49, Anm. 3) mit einem Molvolumen des VO von 12-13 cm3 zu rechnen ist, wiihrend die gefundene Gitterkonstante 3,04 des raumzentrierten Gitters bei voller Besetzung der Vanadin- pliitze zu einem Molekularvolumen von niir 8,5 cm3 fiihren wiirde. Somit wurden 3@--40°/,, der Vanadinpliltze nicht besetzt sein; das ist zwar grundsatzlich moglich, aber unwahrscheinlich. Ferner ergibt eine einfache Betrschtung der Radien, daB fur die Sauerstoffatome kein ausreichender Platz vorhanden ist, es sei denn, daB sie durch die liickenhafte Besetzung des Vanadinteilgitters in stark verzerrter Form bzw. unter teilweiser Verschiebung der Vanadinatome nach den Qitter- liicken bin untergebracht wiirden. Damit konnte iibereinstimmen, d8B das VO,,,- Dhgramm sehr verbreiterte Interferenzen zeigte. Am wenigsten aber ware folgen- des zu verstehen: VO,,, und VO1,* sind t e t r a g o n a l raumzentrierte Gitter, die zum VOl,o in ganz dem gleichen VerhEltnis stehea wie die VOo,l-, VO,,,- usw. Diagramme zum Vanadindiagramm. EB ist nicht einzusehen, warum ein VO- Cfittet der geschitderten Art durch die Aufnahme von weiterem Sauerstoff tetra- gonal deformiert werden sollte; denn an aich ware in einem solchen Gitter bis zur ~usemmensetzung vo,,5 eine geniigende Zahl von Platzen fur den Sauerstoff vor6anden.

Wir glauben daher, daB die eben geschilderte Auffassung iiicht zutrifft, sondern daB die Erkliirung auf einem anderen Wege zu suchen ist, auf den uns zuerst Herr Professor HERTEL aufmerksam machte: Das VO,,,-Diagramm ist gar nicht einem Oxyd zuzuordnen, sondern es ruhrt von metaliischem Vanadin her. Wie die Abb. 1 zeigt, entspricht in der Tat das VO-Diagramm genau dem Vansdin- diagramm selbst, und die Diagramme von VO,,, bzw. VO,,z zeigen eine starke AMichkeit mit den Diagrammen, bei denen Sauerstoff in das Vanadingittter eingelagert ist. Diese Auffassung fdnt also zu der Annahme, da13 die VO-Phase bei diesen P r a p a r a t e n in Vanadin und ein hoheres Oxyd zerfallen ist. Solch eine Disproportio- nierung ist wohlbekannt vom FeO, der Wiistit-Phase, die bekannt- lich bei tiefen Temperaturen in metallisches Eisen und Fe,O, zerfWllt.

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Es ware daher gar nicht besonders verwunderlich, wenn beim VO &was Ahnliches erfolgte.

Wenn die amerikanischen Autoren diesen Zerfall nicht beobachtet haben, so ist das aus ihren Versuchsbedingungen leicht zu erkliiren: Sie haben niimlich ihre Proben im I n d u k t i o n s o f e n getempert und somit wahrscheinlich sehr schnell abgekiihlt ; unsere Proben dagegen wurden im T=WMA”.Ofen erhitzt, der immerhin eine erhebliche SViirmekapazitat besitzt und daher langsamer abkuhlt. Es ist durchaus rerstiindlich, daB somit bei uns Umwandlungen in festem Zustande aufgetreten sind, die bei dem Vorgehen der amerikanischen Autoren ausblieben.

Wir geben zunachst in Tabelle 3 eine Auswertung unserer Dia- gramme fur VO,,,, VOl,l und VOl,2 einschliel3lich der Intensitats- berechnung, die folgendes ergibt :

Beim VO,,, entsprechen die Intensitliten einem raumzentriert- kubischenGitter, wie es auch beimvanadinauftritt. Die Gitterkonstante kann infolge des diffusen Charakters des Diagramms nicht sehr genau bestimmt, werden. Der erhaltene Wert Q = 3,04 A entspricht jedoch so genau dem des Vanadins selbst, daI3 kaum ein Zweifel sein kann, daB auch hier ein praktisch sauerstoffreies Vanadin vorliegt.

Die Diagramme fiir VO,,l und VOl,2 waren wesentlich schkfer und gut zu vermessen. Sie lieBen sich awanglos unter der Annahme von tetragonalen Gittern indizieren. Die Intensitaten stimmen mit der Annahme: Vanadin in 0 0 0, l ja 1j2, Sauerstoff in If2 If2 0 uber- ein. Somit entspricht das Verhalten dem durch Sauerstoffaufnahme geweiteten Vanadin. Vergleicht man die hier gefundenen Gitter- konstanten mit denen der Abb. 2, so erkennt man, daB bei der Zu- sammensetzung VO,,l etwa das Diagramm von V0,,2 vorliegt, bei VO,,, das von TOo,41).

In wenigen FLllen sind die gefundenen Intensitiiten einzelner Linien etW88

zu groB (in der Abb. 1 mit x bezeichnet); aul3erdem lassen sich einiie schwache Linien nicht indizieren. I n diesen Fiillen liegen entweder Linien des Diagramms VO,,, (vgl. dazu spiiter) bzw. der NaC1-Phase oder Koinzidenzen mit diesen Linien vor.

Damit wken die Produkte erkannt, die sich beim Zerfall der VO-Phase auf der Vanadinseite bilden. Uber das Ausscheidungs- produkt auf der sauerstoffreicheren Seite liiBt sich bis jetzt wenig sagen, da dieses Produkt offensichtlich schwieriger kristalli- siert und daher z. B. bei dem VOl,o-Priiparat anscheinend amorph ausgeschieden wurde. Man konnte daran denken, daB diese sauerstoff - reichere ,,X-Phase“ die V20,-Phase mit Korundgitter ist, da ja bei hoheren Temperaturen die NaC1-Phase direkt in die Korundphase

1) Diese Annahme liegt auch der Intensitiitsberechnung zugrunde. 4*

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52 Zeitachrift fiir a n o r g a h h e und allgemeine Chemie. Band 250. 1942

Tabelle 3

Indiz ie rung d e r Diagramme VO,,, bis VO,,, Cu K,-Strahlung; 8-Linien weggelassen

I -1 8 0 h k l ____- ' Remerkungen

gef. 1 ber. 1 gef. 1 ber. 1 VO,,, raumzentriert; a = 3,04

I i 21,o 26,l 30,5 45,8 53,2

18,5 20,05 21,65 22,l 26,3 31,4

35,2 38,6 43.15

I

011 0 0 2 1 1 2 0 2 2 013

- 011 110

0 0 2 0 2 0

1 1 2 1 2 1 0 2 2

-

013 2 2 0

0 3 1 1 3 0

0,1284 2576 3841 5140 6412

0,1282 2564 3846 5128 6410

stst m st m st-

- 0,1176

1361

1963 2715

3323 3892 4677

-

- -

6595 6857

- 0,1170

1357

1962 2715

3319 3884 4677

I

5094 5429

6599 6786

5 stst a t m

st S

m stst m-

m- m

VO,,, a = 2,8&; c -= 3,98 I 19.35 1 0 1 1 I 0.1099 I 0,1101

- 110 0 0 2

0 2 0 1 1 2

-

-

- 1454 1496

2902 2950

-

-

41.5 I 0 2 2 4391 1 4403

st 8

I st

} stst

I st

S

m S

5s

Diagramm ziem- lich verwaschen und nicht sehr genau verme0- bar

VO-Phase

VO-Phase

Koinzidenz X-Phase

Wegen Unter- grundschw&rzung sind diese Linien nicht sicher zu erkennen und zu vermessen

X-Phsse

X-Phase

Page 12: Zur Kenntnis der niederen Vanadinoxyde

W. Klemm u . L. Grimm. Zur Kenntnis der niederen Vanadinoxyde 53

ubergeht. D a m mul3te aber das Priiparat V01,3, das ja im wesent- lichen diese X-Phase enthalten diirfte, ebenfalls Korundlinien zeigen, was jedoch nicht der Fall ist.

Nach der Analogie mit dem Fe-0-System wiirde man annehmen, dal3 es sich bei dieser ,,X-Phase" um V30, handelt. Wir mussen jedoch diese Frage vorl5ufig offenlassen, da die Indizierung des V0,,3-Diagrammes bisher noch nicht moglich war. Zu bedenken ist, daB sich, wie MA SING^) kurzlich betonte, bei derartigen Zerfalls- prozessen im festen Zustande aunlchst instabile Phasen bilden konnen, die erst bei weiterer 64 Warmebehandlung in den T O

stabilen Zustand iibergehen. Die Versuchsergebnisse

fuhren demnach au einem Zu s t a n d s d i agr a mm, wie es in Abb. 3 schematisch dargelegt ist, wobei der MaBstab der Temperaturachse vorlaufig offen bleiben mu13. Dieses Diagramm wiirde folgende Erscheinungen er- klaren :

sammense t zung VO,,, zer- S c h ern8 t i s c h e s Zu B t and edi agr amm fd1t uberhaupt nicht, da sein V-V,O,. Ober die MaBstab der Temperatur- Existemgebiet sich nach so achse 1iZBt eich z. Zt. Bestimmtes noch nicht

sagen tiefenTemperaturen erstreckt , daB die Zerfallsgeschwindigkeit sehr gering ist und im allgemeinen fiir einen nachweisbaren Zerfall nicht ausreicben wirdz).

Bei der Zusamrnensetzung VO,,, wiirde die untere Grenze der VO-Phase schon etwas hoher liegen. Infolgedessen wird die Zerfallsgeschwindigkeit etwas groljer sein, so daB unter unseren Be- dingungen zwar ein Praparat unzerfallen blieb, bei dem anderen dagegen der Zerfall eintrat. Dab4 bildet sich neben der ,,X-Phase" reines Vanadin, weil in diesem Temperaturgebiet die Loslichkeit

Das Praparat der Zu- Abb. 3.

G . M ~ s m a , Naturwiss. 30 (1942), 157. 2, In den Diagrammen von VOo,6, VOo,ll und VO,,, ist iibrigena die stiirkste

Vanadinlinie ganz schwach vorhanden. ,Hier konnte ein geringer zerfall ein- getreten sein.

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54 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 250. 1942

des Sauerstoffs im Vanadin bereits praktisch Null ist. Der Zerfall erfolgt hier trotz der tiefen Temperatur verh5ltnismaLiig leicht , da sich ein hochsymmetrisches Gitter bildet. Andererseits ist die Tempe- ratur aber auch schon so niedrig, daI3 das Gitter nicht besonders gut ausgebildet ist. Die Linien des Diagramms sind dementsprechend diffusl). Die Linien der ,,X-Phase" treten uberhaupt nicht auf, da sich diese bei diesen tiefen Temperaturen amorph ausscheidet.

Bei der Zusammensetzung VO,,l wird nach dem schematischen Diagramm das Existenzgebiet der VO-Phase schon bei einer wesent- lich hoheren Temperatur uberschritten; dementsprechend scheidet sich jefzt neben der ,,X-Phase" nicht mehr reines Vanadin, sondern V0,,2 aus. Da die Ausscheidung bei hoherer Temperatur erfolgt , sind die Linien scharfer. Andererseits wird aber die Kristallisations- geschwindigkeit eines tetragonalen Gitters geringer sein als die des kubischen Gitters; daher ist der Zerfall nicht gans vollstandig und einige starke Linien der VO-Phase sind noch zu erkennen. Kleine Unstimmig- keiten der Intensitaten sind am einfachsten so zu erklllren, da13 schon schwache Linien der ,,X-Phase" auftreten; dcnn auch die ,,X-Phase" wiirde ja bei der hoheren Temperatur schon besser kristallisieren.

Bei der Zusammensetzung VOl,2 diirfte der Zerfall bei noch hoheren Temperaturen vor sich gehen. Dementsprechend ist das Vanadingitter noch starker verzerrt und entspricht ungefahr der Zusammensetzung VO,,, . Linien der VO-Phase konnten hier nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden, sie mussen aber auch schwer zu erkennen sein, da sie durchweg rnit Linien des VO,,,-Dia- gramms koimidieren wurden ; kleine Unatimmigkeiten bei der Inten- sitatsberechnung lassen sich zwanglos auf Koinzidenzen mit Linien der X-Phase zuriickfiihren, der auch drei nicht indizierbare Linien zukommen durften.

Sehr charakteristisch ist, dal3 wir bei der Zusammensetzung V0,,3 in einem Falle ein Diagramm der VO-Phase erhalten haben. Obwohl hier das Existenzgebiet der VO-Phase schon bei hohen Temperaturen uberschritten werden diirfte, scheint doch der Zerfall der VO-Phase deshalb schwer einzutreten, weil hier nur wenig von der die Zerfallsgeschwindigkeit in erster Linie bestimrnenden vanadin- reichen Phase gebildet wird.

~~ ~

l) Dieser diffuse Charakter konnte iibrigens such damit zusammenhiingen, daB das Vanadin ganz sohwach tetragons1 verzent ist, also cine ganz geringe Menge Sauerstoff gelost enthklt.

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Aus dern Vorsteheuden ergibt sich somit, daB sich die beob- achteten Erscheinungen unter der Annahme eines Zerfalls der VO- Phase zwanglos deuten lassen. Aufgabe weiterer Versuohe wird es vor allem sein, die Struktur und Zusammengetzung der ,,X-Phase'' zu beshimmen. Daruber wird zu gegebener Zeit berichtet werden.

Bei der Auswertung der vorliegenden Ergebnisse hat uns Herr Professor Dr. HERTEL mehrfach in liebenswurdiger Weise mit seinem Rat unterstutzt. Wir mochten dafur auch an dieser Stelle danken.

Zusammenfassung

1. Bei der Losung von Sauerstoff im Vanadingitter wird das kubisch-raumzentrierte Gitter tetragonal deformiert. Es liegen die- selben Verhsiltnisse vor wie bei der Auflosung von Kohlenstoff im Eisen im tetragonalen Martensit. Bei der Zusammensetzung V0,,2 zeigt sich eine besonders leichte Verfluchtigbarkeit.

2. Bei hoheo Temperaturen existiert eine VO-Phase mit NaC1- Struktur, deren Existenzbereich sich etwa von VO,,, bis V0,,3 er- streckt. Die Gitterkonstante variiert zwischen 4,11 und 4,lO A.

3. Bei tieferen Temperaturen zerfallt dicw VO-Phase in Vanadin baw. eine Losung von Sauerstoff in Vanadin und ein hoheres Oxyd, dessen Struktur noch nicht aufgekliirt ist. Es liegen also sihnliche Verhiiltnisse wie beim FeO vor.

4. Von V0,,3, an bildet sich die V,O,-Phase mit Korundgitter.

Dalnx4g -Larcgfichr, Technische Hochs&uk, Institut f iir an- organisclte Chemk.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. April 1942.