Zur Pathogenese des Nephroseödems

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  • Aus der Inneren Abteilung des Allgemeinen Kra~kenhauses, JSnkSping (Sehweden).

    Zur Pathogenese des Nephroseiidenls.

    Von

    Eskil Kylin. ~it 5 Textabbildungen.

    (Eingegangen am 11. VII. 1932.)

    Trotz der eifrigen Forsehung der letzten Jahre konnte die Ursache der krankhaften Fliissigkeitsansammlung im menschlichen Organismus nicht aufgekl~rt werden. Es wurden verschiedene Theorien aufgestellt, aber keine hat allgemeinen Anklang gefunden.

    Wit wissen, dab frfiheren hnschauungen gemhl~ die Ursache des nephritischen ()dems in den Nieren selbst zu suchen ist. Die Nieren- erkrankung, so glaubte man, tuft in diesen Organen Insuffizienz hervor, wodurch die Ausseheidung yon Salzen und Wasser verhindert wird. Eine Folge davon sei Retention dieser Stoffe und Ansammlung yon Wasser im Gewebe, Odementstehung.

    Gewisse Forseher, wie z.B. Vidal, Javal, Aehard, Strauss u.a., hielten die Retention yon Salzen ftir prim~ir und die Wasseransammlung fiir eine Folge dieser prim~ren Salzretention. Andere dagegen, wie v. No o r den, betrachteten die Salzstauung als sekund/ir.

    Diese renale Odemtheorie erwies sick durch die Forschung der letzten Jahre als unhaltbar.

    Erstens findet man bei den typischen F~llen yon Niereninsuffizienz mit Anurie kein r soweit nicht Herzinsuffizienz vorliegt. Wird die Nieren- insuffizienz durch Zerst(Jrungsprozesse in den Nieren verursacht ohne gleich- zeitige allgemeine Herzgef~6sehiidigung, wie z. B. bei Nierentuberkulose, Pyelo- nephritis usw., fehlt gleiehfalls 0dem. Ja, sogar bei F~llen yon Niereninsuffi- zienz auf Grund ehronischer Nephritis Mrd oft (~dem vermigt. Andererseits finder man oft bei renalem (Jdem keine Niereninsuffizienz. Bei der akuten Nephritis mit 0dem ist nicht selten das spezifisehe GeMcht des ttarns some dessen Koehsalzgehalt sehr hoch. Aueh das Wasserausscheidungsverm6gen der Nieren kann gut sein trotz geringer Harnmenge; so ist erwiesen, dal~ bei ]N'e- phrosefallen intraven0s zugefithrtes Wasser gut ausgeschieden wird, auch bei

    Archiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 168. 9

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    Fi~llen, wo sich peroral zugeftihrtes Wasser staut. Die Ursache zu diesem para- doxalen Verhalten liegt darin begrtindet, dal~ peroral zugeftihrtes Wasser im Gewebe gespeichert und den Nieren nieht zugeftihrt wird (Volhar d).

    Gegen die renale Genese des nephritischen 0derns sprechen weiter die Untersuehungen yon Keller und Nonnenbruch. Der erstere hat bei Ne- phrose, der letztere bei Nephritis gezeigt, dal~ wfihrend des Stadiums der 0dementstehung das Blur eingedickt wird. Dies ist so zu erkl~ren, dal~ das Wasser dem Blut entzogen wird. Wfire einc Niereninsuffizienz das Primate, so wtirde eine Hydr~mie vorliegen, ungef~.hr wie es bei der wirkliehen Nieren- insuffizienz der Fall ist.

    Da dam (Jdem bei Nierenerkrankung, wie wit sehen, nicht als renal bedingt angesehen werden kann, mu6 man hier eine extrarenale Genese annehmen.

    Die Faktoren, denen augenblieldieh die grSltte Bedeutung ftir die Entstehung ~'on 0dem zugesehrieben wird, Mind folgende:

    1. Versehiebung der hydrophilen Eigensehaften des Gewebes in wasserbindender Riehtung.

    2. Steigerung des hydrostatisehen Druekes des Blutes in den Kapil- larch.

    3. Senkung des kolloidosmotisehen Druekes (k.o.D.) des Blutes. 4. Xnderung der Besehaffenheit der Kapillaren.

    ad 1. Die Auffassung, das Gewebe selbst sei die Ursache zur (Jdem- entstehung, geht auf Jacques Loeb (1898) zuriick. Im Anfang des 19. Jahr- hunderts stellte dann Fischer seine bekannte 0demtheorie auf. Fischer fa6t das (~dem als ein ko]loidehemisehes Problem auf. Eine erhShte S~ure- konzentration im Gewebe ist nach Fischer die Ursaehe zu seiner erhShten Affinit~t far Wasser. Fisehers 0demtheorie, die augerordentlieh anregend auf die Forsehung gewirkt hat, Melt ]edoeh dem Ansturm yon Kritik nieht stand. So wurde dem z.B. entgegengehalten, dalll Shuregrade, wie sie naeh Fis c her zur Erzeugung yon 0dem erforderlich sind, im Gewebe bei Lebzeiten nicht vorkommen. Weiterhin hat Gollwitzer-Meyer gefunden, dag das 0dem- wasser einen etwas hOheren Alkaligehalt hat als das Blut. Ein wiehtiger Faktor, der nach meiner Meinung stark gegen Fischers Shuretheorie spricht, ist die bekannte Tatsache, dal3 Diabetiker mit hochgradiger Azidose abnorm aus- gedOrrt sin& In solehen F~llen steigt, wie bekannt, der S~uregrad des Blutes, wobei der pie-Weft deutlieh sinken karm. Wiihrend der Alkalibehandlung dieser Krankheit entsteht dagegen eine deutliche Wasserretention, welehe nieht selten zu klinisch nachweisbarem 0dem fiihrt.

    Fis ehers 0demtheorie wurde sphter tells von Elli nger, tells yon Htils e modifiziert. Aueh diese Nodifikationen sind starker Kritik begegnet und scheinen nieht geeignet zu sein, einen annehmbaren Ausgangspunkt far die weitere 0demforsehung zu bilden.

    Obwohl uns so keine annehmbare Erkl~rung ffir die 0dempathogenese durch die Theorie Fis chefs und seiner Naehfolger gegeben ist, so kSnnen wit doeh night, wie unter anderem mit Reeht Volhard sagt, die Auffassmig ganz

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    ablehnen, da] Anderungen in den kolloidalen Eigensehaften des Gewebes 5dem- erzeugend wirken. Volhard geht sogar so weir, dal3 er das 0dem Iilr ein kolloid- ehemisehes Problem ansieht. Gewebssehgdigung ist naeh Volhard der ~rund zum 0dem.

    huf diese Fragen komme ich sp~tter zuriick. 2. Steigerung des hydrostatischen Druckes in den Kapillaren hielt

    man seit langem filr die Ursache des kardialen 0dems. Durch den er- hShten Druck gegen die Kapillarw~tnde sollten Wasser und an@re leicht permeable Stoffe durch die Kapillarw~nde wandern und auf diese Weise 0dem hervorrufen. Daf~ dieser hydrostatisehe Druek etwas mit der Odementstehung zu tun hat, beweist wohl am besten das bekannte Ver- halten, dag die kardialen Odeme zuerst und am deutlichsten an den Stellen des KSrpers auftreten, die am tiefsten gelegen sind. Indessen gibt es auch Beobachtungen, die in gewisser Weise einem direkten Einflul] des hydrostatisehen Druckes auf die 0dempathogenese widerspreehen. So fund Cohnheim nach Unterbindung s~mtlicher Ohrvenen beiderseits, dal] 0dem nur auf der Seite entstand, wo tier Halssympathikus durch- schnitten war. Auch Dietr ich vermil3te 0dem naeh Unterbindung der Ohrvenen an Kaninehen. ~[an glaubte deshalb, dal3 alas StauungsOdem minder durch die ErhShung des hydrostatisehen Druekes, als dutch mangelhafte Sauerstoff- und Nahrungszufuhr verursacht war. Fiir diese Ansicht spricht auch folgendes: Wenn man ftir eine Zeit den Blutstrom zum Kaninchenohr verhindert und sodann das Blut wieder frei zirkulieren l~l~t, so schwillt das Ohr und wird 5dematSs (0ohnheim, Klemen- siewicz).

    3. Dem k.o.D, des ]3lutes ist unter den letzten Jahren eine recht gro6e Bedeutung ftir die Entstehung yon 0dem zugemessen worden.

    Der erste, der die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des k.o.D. lenkte, war Starling. Spgter wurde der k.o.D, yon Govaerts sowie Schade und Mitarbeitern ngher erforscht. Diese konnten unabhgngig voneinander feststellen, dag tier k.o.D, bei gesunden Mensehen ungefghr zwisehen 300 und 400 mm HeO liegt und bei gewissen 0demerkrankungen bedeutend unternormal ist. So fanden sic bei Nephrose so niedrige Werte wie 100 und 150 ram. Sehades und Govaerts ' Befund wurde dureh andere Forscher bestgtigt, wie Rasmussen, Rehberg, Krogh, Ky- lin u.a. Die Annahme lag nun nahe, tier k.o.D, habe direkt mit der 0dempathogenese zu tun.

    Rein experimenteU zeigte S e h a d e an Modellkapillaren, dal3 eine ;~hlderung des k.o.D. Einflug auf den Wasseraustauseh dureh die Kapil]arwgnde hat. Bei konstantem hydrostatis~chen Druek in den Kapillaren stieg tier Fliissigkeits-

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    ausstrom dureh die Kapillarwhnde, wenn der k.o.D, gesenkt wurde. Kylin zeigte, dab dasselbe Verhalten aueh fiir den mensehlichen Organismus gilt. Kylin liel~ gewisse Personen auf niiehternen Magen 1 Liter Wassel" in so kurzer Zeit wie mOglich austrinken. }tiernach sank der k.o.D, im Arterienblut. Dutch gleiehzeitige ]3estimmung des k.o.D, im Arterien- und Venenblut konnte Kylin ieststellen, dal~ naeh dem Verzehren yon 1 Liter Wasser eine Blut- eindiekung w~hrend des Passierens der Kapillaren entstand, welche dutch einen Fliissigkeitsstrom veto Blur ins Gewebe erkl~rt wurde. Schades experimen- teller Befund konnte also aueh auf rein k]inisehe Verh~ltnisse angewandt werden.

    Auch die rein klinisehe Forsehung scheint die Sehadesehe Auffas- sung um die Bedeutung des k.o.D. Iiir den intermedi~ren F]iissigkeits- strom zu sttitzen. So konnte Kylin zeigen, dal~ bei akuten schweren Blutungen eine Senkung des k.o.D, der kliniseh nachweisbaren 0dem- entstehung parallel ging.

    Zu dem gleichen l%esultat kam Leiter dureh tierexperimentelle Untersuehungen. Leiter entnahm Versuehstieren eine gewisse Menge Blur, trennte BlutkSrperehen und Serum voneinander und spritzte die in RingerlSsung aufgesehwemmten BlutkSrperehen in die Blutbahnen zu- rttck.' Hierdureh wurde das Blut eiweif~arm und der k.o.D, sank, ohne dal~ das Tier anamisch gemaeht wurde. Bei den so behandelten Tieren traten Odeme auf.

    4. Man hat angenommen, da6 die Gefg6e (Kapillaren) bei gewissen Formen yon 0dem abnorm permeabel fiir Wasser sind, und dal~ das 0dem als eine Folge dieser Gefgf~vergnderung erklgrt werden k6nnte. Rein theoretisch, hebt indessen Oehme hervor, kann eine Knderung der Per- meabilitgtsverhiiltnisse der Kapillaren an und Iiir sieh kein Odem hervor- rufen. Wenn eine semipermeable Membran zwei Flilssigkeiten yon glei- eher osmotiseher Besehaffenheit trennt, so entsteht kein Ausgleich durch die ~Iembran, aueh wenn die PorengrSl~e vergndert wird. Erst wenn der osmotische oder hydrostatisehe Druck auf den versehiedenen Seiten der l~Iembran verandert wird, kommt ein Fliissigkeitsaustauseh zustande. Die Geschwindigkeit fiir den Wasseraustauseh wird dagegen yon der Be- sehaffenheit der Membran beeinflul3t.

    Iqaeh dieser Auffassung sollte also eine Kapillarschgdigung nur a]s ein Faktor Bedeutung gewinnen, der die 0dementstehung begiinstigen kann, wenn die Bedingungen hierfiir dutch an@re Faktoren gegeben sind.

    Untersuehungen yon ]~Iorawitz u. D eneke haben jedoch gezeigt, dal~ bei 1Nierenerkrankungen die peripheren Gefhf~e yon abnormer Per- meabilitgt sind. Falle von l~ephrose und Amyloidniere zeigten die tief- greifendsten Schaden. Molns sowie auch Yamaguehi best~tigten Mo- rawitz' u. Denekes Resultat.

  • Zur Pathogenese des Nephrose6dems. 125

    Aul~er den hier genannten 5demerzeugenden Faktoren dtirften auch an@re in Frage kommen, wie Gewebsspannung, Lymphabflul~ u. a. Diese Faktoren dfirften indessen yon untergeordneter Bedeutung sein.

    Da, wie wir sehen, die Frage tier 0dempathogenese bei Nieren- erkrankungen gar nicht gelSst ist, sah ich raich veranla~t, die Gesichts- punkte darzulegen, die ich wahrend der Studien fiber die 0demaus- schwemmung in einigen Fgllen yon Nephrose gewonnen habe.

    )Iaterial.

    Das Material, wortiber ich im Augenblick verftige, und mit welchem ich versuchen will die Frage der Pathogenese des Nephrosetidems zu beleuchten, besteht aus sechs Fallen. Von diesen sind vier wi~hrend langer Zeit im Krankenhaus behandelt worden. Zwei yon diesen konnten da- gegen nur kiirzere Zeit yon mir beobachtet werden. Der eine der F~lle, ein 30j~hriger Mann, litt seit mehreren Jahren an tuberkulSser Spondy- litis. An seinem Krankenlager wurde ich konsultiert. Der Mann wies sehr starke 0deme auf, hatte geringe Urinmengen mit einer Eiweif~ausschei- dung yon 16O/o o. Im Urin einzelne Epithelien und vereinzelt Zylinder. Der k.o.D, im Blut war 97 ram H20 bei einem Eiweif~wert yon 4,38%.

    Bei dera anderen Falle handelte es sich um einen Landarbeiter, tier mit au6erordentlich starken 0demen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Eiweil~menge im Urin war 12O/oo . Der k.o.D, war sowohl ira Arterien- als auch ira Venenblut 105 mm HeO, bei einer Eiweil~menge von 4,20%. Der Mann starb gleich nach tier Einlieferung ins Krankenhaus.

    l~ber die vier FNle, die zu beobaehten ieh l~nger Gelegenheit hatte, berichte ich im folgenden. Die drei ersten Fi~lle streife ich nur in Kfirze, da ich schon frfiher an anderer Stelle Gelegenheit hatte, diese eingehend zu behandeln; ich halte es jedoch ffir notwendig, die zugehiirigen Kurven in diesem Zusammenhang zu reproduzieren. Der vierte Fall wird ein- gehend behandelt.

    Fall I. Rune K., 16 Jahre alt, eingeliefert am 14. III. 1929. Heredit~res nichts

    yon Interesse. Ist friiher, ira Jahre 1923--1924, wegen Osteorayelitis in dora hiesigen Krankenhaus gepflegt worden. Wiihrend der letzten Zeit dieser Epoche hatte er Albumen im Ham. -- Seitdera ist er ziemlieh gesund gewesen, hat je- doeh iramer Albumen ira garn gehabt. Seit Dezeraber 1928 wies der Harn grSBere Eiweil3mengen als friiher auL Patient ftihlte sich yon dieser Zeit ab matt und ratide. Die ttarnraenge soll nach Angabe des Patienten normal grog gewesen sein. Wi~hrend der letzten Woehen hat er 0dera an den Beinen und ira Gesicht bekoraraen. Sehr ratide nnd matt w~hrend der letzten Woehen.

    Status am 14. III. 1929.

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    gy, v~/z% ~lg.ei~a,~w d ~OtOlOliU,9

    Allgemeinzustand ziemlich sehlecht. Ist im Gesieht sehr gedunsen. Starke (3deme an den Beinen, im R%ken und an den Dorsalseiten der Fit~e. Im Rachen niehts yon Interesse. Einzelne Z~hne kariiert. Thyreoidea o. B., Lymphdriisen o.B. Lungen: Pleuraexsudate links und rechts. Sonst o.B. Cor: Keine VergrSl~e- rung. t-IerztSne ohne Eebenger~useh. Blutdruek 115. Bauch: Sehr groin, mit Aszites geft~llt. Augenhintergrund o. B. Earn: Albumen 17O/oo . Kein Zucker. Im Sediment: Gro6e ~enge yon Zylin- dern, einzelne wei6e und ein paa:r rote BlutkSrperehen. Blur: Rest-~ 34,2 rag%. K.o.D. 160 mm H20. EiweiB 5,90%. Rote BlutkSrperehen 4,21 lgillionen.

    Der Kranke wurde mit 5~aCl-armer Kost behandelt. Schon yore 2. Tage an bekam er perorale Thyreoideamedikation, und zwar 0,3 g zweimal t~glich. Am 18. II. wurde die Thyreoideadosierung his auf 0,3 g dreimal tgglieh vermehrt. Die Flfissigkeitsmenge wurde zu 700 g be- grenzt. Am 24. III. wurde die Thya'eoidea- medikation ausgesetzt und start deren wurde Urea 15 g tgglich gegeben. Die Ureamedikation wurde am 8. IV. mit Thyreoideatabletten 0,3 g drdmal t~glieh gewechselt. Bis zum 22. V. bekam der Kranke dann Thyreoidea, und zwar 0,3 g dreimal t~glich. In der Zdt yore 12. IV. his 22. V. bekam er noeh 20 g Urea t~g- lieh. Am 22. V. wurde mit a]ler lgedika- tion pausiert bis zum 3. VI., wo er 0,3 g Thyreoidea dreimal t~glieh bekam.

    Wie wir aus Abb. i ersehen, sank der k.o.D, wie auch der Eiwei~geha!t des Blutserums etwas schon bei der zweiten Bestimmung am 16. III., und sie hielten sich bei diesen gesenl~ten Werten bis zum 27. III., da die Thyreo- ideamedikation mit Urea gewechselt wurde. Sie fingen dann an zu steigen. Das KiSrpergewicht sank w~hrend die-

  • E. KYI,II~: Zur Pat,hogeuese des Nepln'ose6dems. 127

    ser Zeit nieht, sondern stieg im Gegenteil ungef~hr 1,5 kg. Nachdem mit Ureamedikation eingesetzt war, sank dagegen das K0rpergewieht deutlieh. W~hrend der Ureamedikation stieg aueh sowohl der Gehalt des Bhtserums an Eiwei6 wie aueh der k.o.D, deutlieh, obwohl nieht hoehgradig. Am 8. II. wurde wieder Thyreoidea gegeben. W~hrend der n~tehsten Tage stisg wieder das KSrpergewieht etwas, bis zu der Zeit, da Urea wieder am 12. II. eingesetzt wurde. Die 0deme wurden jetzt beinahe vollst~ndig ausge- sehwemmt. Am 16. V. wurde weder Pleurafliissigkeit noeh Aszites mehr gefunden. An den Beinen fanden sieh jetzt nur unbedeutende Odeme. Die Werte ftir den k.o.D, wie aueh far den Eiweil~gehalt sehwankten w~thrend dieser Zeit sehr unbedeutend. Der k.o.D, sehwankte zwisehen 80--114 mm H20, der Eiweiggehalt zwisehen 4,38--5,35%. Eaehdem am 22. III. alle ~{edikation ausgesetzt worden war, stieg wieder das KSrper- gemeht.

    Betraehten wir jetzt naher die Verh~ltnisse, die uns in diesem Zu- sammenhang besonders interessieren, nhmlich das Verhalten des k.o.D. w~hrend der Behandlung dieses Falles yon Nephrose, so ist es bemerkens- weft, dab der k.o.D, nur unbedeutende Schwankungen gezeigt hat. Der k.o.D, sank w~hrend der ersten Thyreoideabehandlung deutlieh, obwohl nieht hoehgradig. Naehdem die Thyreoideabehand]ung ausgesetzt war, stieg er wieder etwas. W~hren d der hussehwemmungsper iode des 0dems anderte sieh der k.o.D, nicht bemerkenswert . Dasselbe Verhal ten gilt ftir die 0demansammlungsze i t . Die Aussehwem- mung oder Ansammlung yon Odem w~hrend der Behandlung dieses Fal les mit Urea oder Thyreo idea kann also nieht dutch ;4nderung des k.o.D, erkl~rt werden. Hier miissen andere Faktoren fiir die Odementstehung und -aussehwemmung mitgewirkt haben.

    Fall II.

    Karl Efraim L., 48 Jahre alt, eingeliefert am 22. I. 1930. Heredit~res nichts yon Interesse. Friiher immer gesund. Im Oktober 1929 ling der Patient an, sieh miide und matt zu ffihlen. Wurde mehr und mehr kurzatmig. Bekam Odeme an den Beinen. Die Symptome versehlimmerten sieh immer mehr, warum sieh der Patient am 10. XII. ins Bert legen mugte. Die Harnmenge ist w~hrend der letzten Zeit immer kleiuer geworden.

    Status am 22. I. 1930. Allgemeinzustand ziemlieh sehleeht. Gesiehtsfarbe sehr bleieh. Etwas

    dyspnSiseh und eyanotiseh. Aul~erordentlieh starke Odeme an den Beinen und am Rfieken. Deut]iehe 0deme im Gesieht und iibrigens fiber den ganzen KSrper. Puls etwas gespannt. Pharynx o. B. Mehrere Z~hne kariiert. Lymph- dr~isen 8. B. Thyreoidea o.B. Cor: Naeh links etwas vergr61~ert. Keine Nebenger~usehe. Keine Arrhythmie. Zweiter Aortenton stark akzentuiert. Blut-

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    druek 195 mm Hg. Lungen: Pteuraexsudat rec.hts und links. Einzelne Ron- chien. Sonst o. B. Baueh: Reiehlieh mit Aszites gefi~llt. Leber: Bis zum Nabel vergrSBert. Ham: Albumen 20%0 . Zueker 0,5%. Im Sediment hyaline Zylin-

    der, rote und weiBe Blutkfrperchen. Gerhard +, Legal --. Blut: Rote Blut- k0rperehen 2,48 Millionen, weil~e Blut- kSrperehen 5000. Rest-N 54 rag%. K.o.D. 165 mm HeO. Eiwei6 4,71%. 0demfliissigkeit: Eiweil~0,55%. K.o.D. 90 mm. Aszitesfliissigkeit: Eiwei6 0,27%. K.o.D. 40 ram. Die Fliissigkeit war yon milchigem Aussehen.

    W~hrend der ersten Tage verlor der Kranke ungef~hr 6 kg an Ge- wieht. Diese Gewichtserniedrigung dfirfte dureh Ableitung yon Aszites und 0demfl~issigkeit erkl~irt werden. Wahrend der n~ehsten 24 Tage nahm er wieder ungefhhr 12 kg an Gewicht zu. W~hrend dieser Zeit wurde mit der Thyreoideabehandlung begonnen. Erst als der Kranke ganz enorme Mengen yon Thyreoidea bekommen hatte (0,3 g zehnmal t~glich), begann die 0demaussehwemmung. Wie wit aus Abb. 2 ersehen, verlor der Kranke ungef~hr 14 kg an Gewicht. Indessen waren die Odeme trotzdem lange nieht versehwunden. Es fanden sich noch starke 0deme.

    Betraehten wir jetzt das Ver- halten des k.o.D, w~hrend der 0dem- ansammlungs- und 0demaussehwem-

    @. ~. ~. a. ~. ~. ~. mungsperiode in diesem Falle, so ~/~.+~/~ linden wir, dal~ dieser Druek keine

    /~/~J~a~x ~nderungen gezeigt hat. Zwar war ~ ~ ~ ~ der Druck bei den ersten ~[essungen

    naeh der EJnlieferung des Patienten etwas hSher (zwischen 165--187) als sparer (zwisehen ungef~hr 125--150), der Unterschied ist indessen zu klein, um ihm irgendeine Bedeutung zu- messen zu kSnnen. Von grfl~ter Bedeutung ist es indessen, dal~

  • Ztu" Pa~hoge~ese des Nephrose~dems. 129

    der k.o.D, sowohl w~hrend der 0demansammlung wie aueh w~th- rend der 0demausschwemmung ~ genau d iese lben Z i f fe rn zeigte.

    Bemerkenswert dilrfte in diesem Falle wie in dem vorigen sein, da8 wahrend der Periode mit Thyreoidea- behandlung die Eiwei6werte etwas nie- driger lagen als vor und nach dieser ~ Periode.

    Fall III. ~ iNils L., 48 Jahre alt, G~rtner. Fa-

    milienanamnese o.B. Frfiher immer ge- ~I sund. Im Mai 1930 Angina tonsillaris mit Fieber w~hrend einiger Tage. Unge- fhhr 1 Monat sparer bemerkte Patient eine Schwellung der Fiil~e, sonst keine ~- - subjektiven Beschwerden. Im ~ August ~< suchte er einen Arzt auf, der EiweiB im ~ Harn feststellte und dem Kranken Milch- ~ =~

    r di~t verordnete. Die 0deme wurden in- ~_ dessen immer grSl]er und Patient mu~te ~- sieh Mitre September ins Bett legen. Am ~- _ 1. XI. 1930 erfolgte seine Einlieferung ins ~- Krankenhaus. Patient war stark 6dema- tSs. In den Tonsillen fanden sick einige EiterpfrSpfchen. Lungen o. B. Herz nicht vergr~l~e~t. Sehwaehes systolisches Ge- r~usch. Ictus nicht palpabel. Blutdruek ~ 135 mm Kg. W~hrend der ersten 2 Wo- ~ :~ chen lag der Blutdruck etwas hoeh, zwi- ~ schen 135--150 mm H20, sank dann und ~ ~ lag w~hrend der ganzen sp~teren Zeit ~ :~ innerhalb normaler Grenzen. Leber und Milz o.B. I-Iarn enthielt 13--20O/oo El- < weir. Im Sediment einzelne rote Blut- kSrperchen, einzelne Zylinder. Augen- hintergrund normal. Rest-N im Blute 33 mg%. De~ Eiwei6gehalt des Blutes war niedrig, wie aueh der k.o.D, des Blutes.

    Epik j hrig rise: Ein 42 ~ er ~fann be- kam naeh Angina tonsillaris 0deme ~ und Albuminurie. Blutdruek und ttarnsediment wurden erst 5 5lonate

    =2 _

    _

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    spater untersueht. Der Blutdruek lag an fangs etwas zu hoeh, sank spgter und lag dann binnen normaler Grenzen. Im Harnsediment fand man einige rote BlutkSrperehen und Zylinder. I)er Sehlu6 diirfte bereehtigt sein, dag der Mann als Folge seiner Angina tonsillaris eine akute diffuse Glomerulonephritis bekommen hatte. Im Ansehlul3 an diese Krankheit entwiekelte sieh eine ehronisehe lgephrose mit kotossalen i)demen und hoehgradiger Albuminurie. Das KonzentrationsvermSgen der Nieren war gut (bis 1024 im Tagesharn). Der Eiweil3gehalt und aueh der k.o.D, des Blutes waren sehr niedrig, wie man es bei den Nephrosen im allgemeinen findet, t%est-N im Blute war normal.

    In der vorstehenden Kurve (Abb. 3) sind alle Daten angegeben, die in diesem Zusammenhang yon Interesse sein kgnnen.

    Wir betraehten die Kurve des k.o.D. Wghrend des 1. 3Ionats be- stimmte ieh den k.o.D, nur im ven6sen Blute, spgter indessen sowohl im venSsen als aueh im arter ie l len Blute. Wie wit aus der Kurve er- sehen, lag der k.o.D, sowohl im arter ie l len als aueh im venSsen Blute bei sehr niedrigen Ziffern. Aueh de r k.o.D, pro Gramm Eiweig lag sehr niedrig.

    Fall IV. Johan Elof Johansson, Landarbeiter, 19 Jahre alt. Der Kranke wurde

    1930 und 1931 in der hiesigen chirurgisehen Abteilung wegen Osteomyelitis femoris sinistra gepflegt, tm Oktober 1931 wurde Exartieulatio femoris sin. vorgenommen. -- Seit mehreren Woehen Albuminurie. Albumen im ttarn ver- mehrte sieh immer stgrker und erreiehte w~hrend der letzten Zeit Werte yon 12~ o. Patient wurde mehr und mehr 5dematOs. Wegen Nephrose wurde er am 5. II. 1932 in das Xrankenhaus eingeliefert.

    Untersuehungsbefund: Bedeutende (Jdeme am ganzen K~rper. Einige Zghne kariiert. Tonsillen o. B. Blntdruek 120 mm tIg. Im ttarn: 12~ o Eiweil~, einzelne weige BlutkSrperehen, keine Zylinder. Etwas Exsudat in beiden Pleuren. Augenhintergrund o.B. Blur: tt~moglobin 64~o, Etythroeyten 4,9 Nillionen, Lenkoeyten 7500. -- Eiweig im Arterienblut 4,88~ k.o.D. 107 mm I-I20, im Venenblut 4,88% bzw. 113 mm tIeO. Rest-N im Blut 29 rag%,. Nut-Ca 10,27 rag%, Blut-Chlor 414 mg%. (Die beiden letzteren Bestimmungen wurden im Arterienblut ansgeftihrt.) Lungen, tterz, Baueh, Leber, Milz und Nerven o. B.

    Wghrend der ngehsten l\{onate wurden KSrpergewieht, Menge und spezifisehes Gewieht des Harns und Fli~ssigkeitszufuhr tgglieh festgestellt. Weiter wurden bestimmt: Eiwei6gehalt sowie k.o.D, des Blutes jede Woehe, und zwar im Arterien- und Venenblut, Rest-lg im Blute zwei- bis dreimal im Monat, Chlorgehalt des Harris teilweise tgglieh.

  • Zur Pathogenese des Nephrose6dems. 131

    Behandlung: Besehr~nkung yon Wasser und Koehsalz; vom 25. II. bis 8. III. Euphyllinmedikation, sphter Thyreoideatabletten in grol~en I)osen. Die Nahrung war sehr eiweigreieh.

    Alle Daten yon Interesse sind zu Kurve 4 (Abb. 4) zusammengestellt. Aus dieser Kurve entnehmen ~ir zun~ehst, da6 der k.o.D, des Blutes w~hrend der 0demausschwemmung sieh bei niedrigen Werten hielt, die- selbe Tatsaehe also, die uns sehon in den ttbrigen drei F~llen begegnet ist. Zwar zeigen die 5Iessungen am 1. III. und 9. III. eine gewisse ErhShung des Bluteiweil]es und des k.o.D., indessen versehwindet diese reeht bald.

    9 ~'~ ss - dszee+e i hL I ~:so ~_ I_ " ' '

    Abb. 4.

    Wie diese Eih0hung zu erkl~ren ist, ist nicht gaJlz sicher. M6glicherweisc ist sie auf die w~hrend 26. ]I. his 9. III. vorgenommene Euphyllinmedikation zurtickzuftihren. Dutch frt~here Untersuchungen konnte ich nhmlich feststellen, dal~ Euphy]lin den Blut-k.o.D. und Blut-Eiweil~gehalt el"hUht, und zwar sowohl bei gesunden als auch bei entnierten Kaninchen.

    Am 27. IV. konstatieren wir erneut eine ErhShung des k.o.]). Diese ErhShung wurde nut bei einer ~[essung beobachtet und dt~rfte nicht yon grol~er Bedeutung sein.

    Eine an@re Feststellung: Der Kranke wurde sehr eiweil~reich er- n~hrt, trotzdem stieg der E]weil3gehalt und k.o.D, des Blutes nicht. Der Vorschlag Epste ins und Kroghs, die 2~ephrosepatienten eiwei6reich zu ern~hren, urn auf diese Weise den Bluteiweil~gehalt zu erhShen, war also praktisch ohne Erfolg 1.

    Von besonderem ]nteresse sind hier meine Bluttransfusionsversuche. Diese werden sparer eingehend erUrtert.

    i Zur Korrektur: Neulich erschien eine Arbeit yon P. Iversen (Acta med. scand. (Stockh.) 78), der fiber einen Fall yon Nepbrose berichtete. I. be- handelte diesen Fall mit riesengroBer Eiweil~zufuhr, trotzdem stieg der k.o.D. im Blute nicht. (Zwar fand I. eine Stelgerung von 80--110 mm H20 bei dieser Behandlung; diese kleine Anderung des k.o.D, ist indessen zu unbedeutend, urn irgendwelche Bedeutung zugemessen werden zu kt~nnen. Solche kleine Schwan- kungen liegen ja beinahe binnen den Fehlergrenzen der Methode.)

  • 132 E. KY~IN:

    Zusammenstellung and Ergebnisse. Beleuchten wir nun auI der Basis des bier vorliegenden Materials und

    gestiitzt auf die vorliegenden Literaturangaben die Frage um die Ursache zur ()dementstehung bei 5Tephrose, so erscheint es mir geeignet, zuerst ein paar Fragen zu behandeln, die hier von Bedeutung sein kSnnen.

    :[. Die Entstehung yon 5TephroseSdem kann nicht durch eine Er- hShung des hydrostatischen Druckes in den Kapillaren verursacht sein. Bei 5~ephroseerkrankungen ist der arterielle Blutdruck normal. Zeichen fiir Herzinsuffizienz werden vollsti~ndig vermi6t. Das Herz ist weder hypertrophiert noch dilatiert, woraus wit den Schlu~ ziehen kSnnen, da6 eine Uberbelastung des Herzens nicht vorliegt. Herzinsuffizienz hat nichts mit dieser Form yon (~dem zu tun. Ein weiterer Beweis hierfiir ist, dal~ das NephroseSdem nicht besonders an den abhi~ngigen Partien des KSrpers lokalisiert ist.

    Wie ich schon vor fiber 10 Jahren feststellen konnte, ist der kapilli~re Kompressionsdruck bei 5Tephrose normal.

    2. Weiterhin bemerkenswert ist die Beschaffenheit der Kapillar- wi~nde.

    V olhar d hiilt das RegulationsvermSgen fiir Permeabilit~t fiir eine der wichtigsten Funktionen der I~apillarwi~nde. ,,Bei Schiidigung der Kapillarfunktion haben wit sowohl eine geringe Hemmung der Filtration, d. h. Steigerung der Durchliissigkeit, als auch eine Herabsetzung der Re- sorption zu erwarten" sagt Volhard. (~ber diese allgemeine ~u~erung diirfte man wohl mit Vo lhard tibereinstimmen.

    Was die Beschaffenheit der Kapillarwiinde bei Nephrose betrigt, so ist diese Frage keineswegs gekli~rt. Gewisse Forscher, wie Deneke u. Morawitz, )/[olnhr sowie Yamaguchi , konnten eine erhShte Per- meabi l i t~t der Kapillarwhnde bei 5~ephrose feststellen. Dagegen schei- nen Untersuchungen yon anderen Forschern, wie Richel, Ifir eine Herabsetzung der Permeabi l i t i~t der Kapillarwande bei 1Nephrose zu sprechen. Es finden sich also keine einheitlichen Resultate, auf die man sich bei der Beurteilung des Verhaltens der I(apillarwi~nde sttitzen kSnnte, im lolgenden soll jedoch gezeigt werden, dal3 das NephroseSdem auch ohne die Annahme einer Kapillarschiidigung erkli~rt werden kann, weshalb die Fragen, die die Kapillaren angehen, nicht niiher beriihrt worden sind.

    Die Probleme, die durch die hier vorliegenden Untersuchungen am meisten berfihrt werden, betreffen den k.o.D.

    Schon in der Einleitung erwi~hnte ich, dal~ dem k.o.D, yon gewissen Forschern eine au~erordenfliche Bedeutung ffir die (Jdementstehung zu-

  • Zur Pathogenese des NephroseSdems. 133

    gemessen worden ist (Krogh, Koranyi, Govaerts u.a.). F~r die Richtigkeit einer solchen Auffassung kSnnten auch manche Faktoren sprechen. Durch Untersuchungen verschiedener Forscher (S ch a d e, G o - vaerts, Paul Meyer, Iversen, Kylin) wurde eine gewisse Parallelit~t zwisehen Senkung des k.o.D, und Entstehung yon Odem festgestellt. Bei Odem ist der k.o.D, in der Regel unternormal. Bei unternormalem k.o.D. wird oft ()dem angetroffen.

    Von Bedeutung ist jedoch, dal~ dieser Parallelismus in keiner Weise konstant ist. Es sind zahh'eiche und wichtige Ausnahmen besehrieben, die stark gegen die Bedeutung des k.o.D, f~r die Odempathogenese spreehen. So konnte Kylin im akuten Stadium yon Pleuritis exsudativa eine bedeutende Senkung des k.o.D, naehweisen (sogar unter 200 mm) ohne Zeiehen f~r ()dem. Gleich war das Verhalten bei den meisten F~llen yon akuten Blutungen, bei denen ()dem nur ausnahmsweise entstand, trotz bedeutender Senkung des k.o.D. Gleichwohl wiesen Govaerts u. Kylin bei akuter Glomerulonephritis ()dem hath, trotzdem der k.o.D. binnen normaler Grenzen lag. Ein analoges Verhalten wurde bei leichten F~llen yon Herzinsuffizienz gefunden (Iversen u. Nakazawa, Kylin).

    Besonders die k.o.D.-Untersuchungen w~hrend der ()demaussehwem- mung sind geeignet, Aufsehlul] ~ber das Verh~ltnis zwischen k.o.D, des Blutes und Entstehung yon NephroseSdem zu geben. Kylin konnte zeigen, da~ die Aussehwemmnng yon sowohl kardialem, glomerulo- nephritischem als aueh nephrotischem ()dem bei unternormalen Werten vor sieh ging, ja sogar bei sehr niedrigen k.o.I).-Werten. Weiterhin land Kylin bedeutende momentane Drucksenkungen im Zeitpunkt der kr~tf- tigsten ()demausschwemmung. Paul Meyer best~tigt vollkommen diese Angaben Kylins. Dieses Verhalten seheint bestimmt gegen die Bedeu- tung der Senkung des k.o.D, ffir die 0dementstehung zu sprechen.

    Die oben beschriebenen F~lle unterst~tzen weiterhin das hier Gesagte. D er k.o.D, lag in s~mtlichen dieser F~lle konstant sehr niedrig, variierend zwischen 80--140mm Wasser. Bei diesen niedrigen Werten wurde in allen vier F~llen, wo der Druek l~ngere Zeit verfolgt wurde, das Odem prakt isch genommen vollst~n- dig ausgeschwemmt, und die Pat ienten hielten sieh aueh 5dem- frei trotz der konstant niedrigen Werte des k.o.D.1.

    1 Zur Kor rektur : In einer eben erschienenen Arbeit heben Labb~ Boul in und Drey fus hervor, dal] Odeme und Eiwei~formel des Blutes voneinander unab- h~ingige Ver~inderungen bei der Nephrose sind. Diese Autoren fanden, dal] die 0deme durch salzfreie Kost zurfickgingen ohne entsprechende Ver~nderungen des Albumin-Globulin-Quotienten, der sogar abnahm. Ihre Ergebnisse entsprechen also vollst~ndig den meinigen.

  • 134 E. KYLIN:

    Der erniedr igte k.o.D, reieht also an und fiir sieh nieht aus, um Odem hervorzurufen. Aueh wenn der k.o.D., wie Sehade experi- mentell und Kyl in kliniseh gezeigt hat, zweifellos eine gewisse Bedeutung ftir die Riehtung der Wasserstr0mung zwisehen Blur und Gewebe hat, so kommt ibm doeh durehaus nieht die Bedeutung ftir die klinisehe 0dem- entstehung zu, die ibm unter anderen Krogh, Koranyi und Govaerts beimessen. Unsere Auffassung stimmt so mit der Auffassung tiberein, die V o lh a r d yon rein theoretisehem St andpunkt als riehtig angesehen hat.

    Von besonderer Bedeutung seheinen mir die experimentellen Unter- suehungen an Fall IV zu sein. Es gilt bier einen Nephrosepatienten, der seit langem mit Thyreoidea behandelt und hierdureh so gut wie i)demfrei wurde. Wasserzufuhr und Diurese standen im Gleiehgewieht miteinander. Die Zufuhr yon Fltissigkeit war auf 500 ecru pro Tag besehrankt, und die Urinmenge variierte zwisehen 300 und 500 ecru.

    2V. V ~. Zg 3g g 10 g 20 25. 3g 5 70 +~ 20. 25.

    ~7 +~'0 ~ S / ' I . . . . I . . . . . ~ . . . . . I I . . . . . ~ / , L./~.Q r , I , I . . . . I . . . . I ' '

    +,5 ++0 ~.s2 - - ' - - - - I - . . . . . . . D l _,,.~_~ .~--'~"'~Z~,. ~ ~

    ~-~ ,~ ~ ~z,~-'-r - -~ '~ _YD~I I I L "d I I , ,N . . . .

    D ,. NNft tl1| NHHNN Abb. 5. ~] Wasserzufuhr pro Tag. [ ] Harnmenge lore Tag. I~arnehlor ist sls NaC1 berechnet.

    Naehdem der Patient so in vollkommenes WassergMchgewieht ge- kommen war, wurden ihm ab 27. IV. pro Tag 5 g Koehsalz mehr zuge- fiihrt. Dies hatte, wie aus tier Kurve 5 ersiehtlieh ist, weder auf Gewieht noeh Diurese Einflul~. Die erhiShte Salzzufuhr wirkte also nieht 5dem- erzeugend. Der Koehsalzversueh wurde am 16. V. abgesehlossen. Ab 17. V. wurde die Fliissigkeitszufuhr auf 1200 eem pro Tag erh6ht und ab 20. V. auf 1500 ecru. Die Kurve zeigt, dab die Diurese trotz der erh~hten Fltissigkeitszufuhr fortwghrend zwisehen 300 und 500 eem sehwankte. Gewieht und iJdeme nahmen zu. Der Patient kann offensiehtlieh der er- htihten Wasserzufuhr nieht Herr werden.

    Am 24. V. wurde dann ein Experiment vorgenommen, was mir yon Bedeutung ftir die 0dempathogenesefrage erseheint. Dureh Transfusion wurde dem Patienten 800 ecru Blur yon einem gesunden Verwandten gleiehen Bluttyps zugeftihrt. Wir entnehmen aus tier Kurve, da6 der Eiweigwert sowie k.o.D., wenn aueh nieht hoehgradig, so doeh deutlieh stieg; weiterhin nahm die Diurese sehlagart ig um beinahe das Doppel te zu, yon 300--500 ecru pro Tag stieg die Harnmenge auf 700

  • Zttr Pa~hogenese des Neplu'ose6dems. 135

    bis 1000 eem. Am 27. V. wurde erneut eine Bluttransfusion yon 550 corn vorgenommen. Die N ierenfunkt ionsprobe vor den B lu t t rans - fusionen ergab eine Ausseheidungsmenge yon 185 eem inner- halb 4 Stunden, naeh den Transfus ionen bet rug die Aussehei- dungsmenge in derselben Zeit 600 eem (zugefghrte Flfissigkeits- menge in beiden F/fllen 1000 ecru).

    ?/[it der Harnmenge stieg naeh tier Transfusion aueh tier Harn- koehsalzgehalt . Vor tier B]uttransfusion (und zwar aueh w/~hrend der erhShten Koehsalzgabe) war die NaC]-Menge konstant bei ungef/~hr 1,2 g; nach der Transfusion stieg dana die Ausseheidung bis zu 5,7 g t/~glieh. Aueh der prozentuelle t(oehsalzgehalt war deutlieh gestiegen (yon 0,09 his 0,30% bis zu 1,13%).

    Wiehtig ist weiterhin, dab tier Patient alas ()dem, was er in den Tagen vor tier Bluttransfusion retiniert hatte, w/~hrend tier ngehsten 7 Tage ausschwemmte.

    Welche Sehltisse kSnnen wir aus diesem Versueh ziehen. Zun/ichst seheint mir folgendes bemerkenswert: Der Versueh zeigt,

    dab das WasserausscheidungsvermSgen der Niere nicht so gering war, wie man aus der vorherigen Funktionsprobe h/~tte sehlieBen kSnnen.

    Als der Kranke w/~hrend der Zeit vom 17.--24. V. mit einer Wasser- menge von 1200--1500 ecru belastet wurde, sehied er nur 300--500 ecru Harn aus. Die iibrige F]ilssigkeitsmenge samme]te der Patient in Form yon ()dem. Man kSnnte nun vermuten, wie aueh friiher viele Forsoher an- genommen haben, die Ursaehe zur mangelhaften Diurese sei in dem Un- vermSgen der I~iere zur Wasserausseheidung begriindet.

    Dureh die beiden Infusionen, wodureh dem Kranken insgesamt 1350 ecru Blur zugef~hrt wurden, stieg die Diurese pl6tzlieh auf 700 bis 1000 ecru tgglieh. Es ist nieht m6glieh, die Zunahme tier Diurese auf eine Vergnderung oder Verbesserung des Zustandes tier Niere zugiekzuffihren.

    Gleiehfalls ist es kaum denkbar, daB die kolloidalen Verhgltnisse des Gewebes sieh dutch die Transfusion vergndert h/~tten.

    Man mu6 also annehmen, dab die ver/~nderte Diurese im Zusammen- hang mit den ver/~nderten Verh~!tnissen im Blute steht.

    Man kSnnte nun geneigt sein, die vermehrte Diurese auf die Er- hShung des k.o.D, im Blute zurgekzufghren. Fiir denjenigen, tier die An- sieht vertritt, die Senkung des k.o.D, ruft ()dem hervor, d~rfte mein Experiment eine willkommene Stiitze fiir die Richtigkeit dieser Auffas- sung sein. Indessen haben, wie ieh sohon erwahnte, frahere Unter- suehungen erwiesen, dab reeht niedrige k.o.D.-Werte nieht 5demerzeugend zll wirken brauehen, ja sogar nieht ()demaussehwemmung aussehlieBen.

  • 136 E. KYLI~:

    Es erseheint mir notwendig, hier einen anderen Faktor zu suehen, der die gtinstige Wirkung der Bluttransfusion erklgren kann.

    Bevor wir hier fortsetzen, diirRe es vielleicht bereehtigt sein, im An- sehlul~ an mein Experiment wieder das klassisehe Experiment von L eite r zu erwghnen. L eit e r nahm an Experimenttieren Aderlal~ vor, befreite die Blutkgrperehen vom Serum und injizierte die BlutkSrperehen, in L o ck e- LSsung aufgeschwemmt, in die Blutbahnen des Experimenttieres zurt[ek. Dutch wiederholte solche Blutentnahmen mit naehfolgender BlutkSrper- eheninfusion wurden die Tiere hoehgradig hypoalbumingmisch und deut- ]ich und hoehgradig 5demat6s. Das Odem entstand im allgemeinen, wenn tier Eiweiggehalt des Blutes unter 3--4% sank.

    Leiters experimentelle Untersuchungen seheinen geeignet, meine eigenen Untersuchungen zu erggnzem Verlust von Bluteiwei6 wirkte an Experimenttieren 5demerzeugend; Zufuhr von Blur wirkte bei meinem Patient 5demausschwemmend. Es seheint mir nieht unwahrseheinlich, den Effekt in meinem Falle auf die Vermehrung des Bluteiweil]es zuriick- zufiihren. Unwahrseheinlieh seheint mir dagegen, dag hier die B]utkSrper- ehen als solehe zur ErhShung der Diurese oder zur

  • Zm Pathogenese des NephroseSden:s. 137

    samen Forsehung fiber die Ausseheidung yon gewissen intravenSs zuge- ftihrten kolloidalen Farbemitteln. Er konnte zeigen, da6 einige yon ihnen an das Bluteiweil3 gebunden werden, um dann in Leber oder Niere vom Eiweil~ befreit und aus dem KSrper ausgestogen zu werden. Dieses Ab- spaltungsvermSgen yon Fremdstoffen, die in das Blut geraten sind, soll naeh Bennho ld eine der Funktionen der Leber und Niere sein. Das Bluteiweil3 soll unter anderem die Aufgabe haben, solehe Stoffe zu binden uncl so ihre freie Zirkulation im Blut zu verhindern. ])as Bluteiweil3 soll also gewissermal3en eine Transportfunktion zu erftillen haben. Die ver- sehiedenen Eiweii~fraktionen sollen hierbei versehiedene Funktionen haben. So soll z. B. Globulin besonders Cholesterin und Albumin beson- ders Bilirubin binden.

    Vielleieht finden wir die LSsung des NephroseSdems dureh weitere Forsehung innerhalb des Gebietes Bluteiwei6.

    Zusammenfassung.

    1. [m Ansehlul3 an seehs Falle von Nephrose wurde die Frage der Entstehung des NephroseSdems ergrtert.

    2. Der k.o.D, des Blutes war in s~tmtliehen Fallen hoehgradig ge- senkt (bis zu Werten zwisehen 80 und 150 mm BI20 ).

    3. Es wird abgelehnt, dal~ das NephroseSdem ats Folge der Senkung des k.o.D, entsteht, da sowohl 0demaussehwemmungs- wie 5demfreier Zustand bei diesen niedrigen k.o.D.-Werten bestand.

    4. In einem Falle wurde dureh Bluttransfusion t350 eem Nut dem Kranken zugeftihrt. Hierauf stieg die Harnausseheidung sehlagartig und der Patient wurde 5demfrei.

    5. Die Bedeutung der Vehikelfunktion (B e nn h old) des Bluteiweilaes far die 0dempathogenese wird erSrtert.

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