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Zur Pathologie der myasthenischen Erkrankung

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Page 1: Zur Pathologie der myasthenischen Erkrankung

(Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t zu Breslau [Direktor: Professor Dr. Ft. Henke].)

Zur Pathologie der myasthenischen Erkrankung. Von

Dr. E. Mathias, Assistenten des Instituts.

(Ei~gegangen am 20. Oktober 1920.)

Als O p p e u h e i m 1) 1901 die Kenntnisse yon der sogenannten Erbschen Krankheit, zu der er selbst so hervorragende Beispiele ge- liefert hatte, monographisch zusammenstellte, konnte er fiber die pathologische Anatomie dieses Leidens nur wenig berichten. Die klinische J~hnlichkeit des Leidens mit der Bulbiirparalyse hatte Anla8 gegeben, immer erneut in den beobachteten Fi~llen das Zentralnerven- system zu untersuchen. Die gesamten, sehr sorgfiiltigen Beobachtungen ftihrten, wie zusammenfassend gesagt werden kann, zu einem negai/iven Ergebnis. Einige dabei festgestellte Bildungsfehler des Zentralnerven- systems haben lediglich in~ofern Bedeutung, als sie - - ohne das Wesen der Myasthenie irgendwie zu kl~ren - - im Verein mit zahlreichen anderen Mil~bildungen und Tumoren auf der Grundlage einer Keim- versprengung immer wieder den Hinweis auf eine Dysentogenie ergaben. Zwei ganz heterogene Beobachtungen verdienen es, vielleicht besonders hervorgehoben zu werden:

Einmal die V'erdoppelung der groi~en Zehe, dann die in relativ zahlreichen Fhllen festgestellten Thymus- und Mediastinaltumoren.

Eine Verdoppelung der gro~en Zehe wurde bei der Myasthenie von O p p e n h e i m und O s a n n 2) beobachtet, erw~hnt sei auch das gleich- falls von O p pe n h e i m beschriebene Auftreten yon Polydaktylie im Verein mit Spaltung der Uvula und mit Mikrognathie. Die Verdoppelung der groBen Zehe ist n~mlich noch bei einer anderen, im Wesen recht dunklen Systemerkrankung der Muskulatur gesehen worden, n~mlich bei der sogenannten Myositis ossificans. Hier hat V i r c h o w a) zuerst auf diesen Befund aufmerksam gemacht. Vielleicht liegt in dem Auf- treten dieser Ver~tnderung bei beiden Erkrankungen mehr als ein zu- f~lliger Umstand, der sparer einmal gekl~.rt werden kann.

Hyperplasien und Geschwtilste der Thymus sowie Mediastinal- tumoren wurden in einem so gehhuften Vorkommen yon den ver-

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schiedensten Autoren beschrieben, da[t hier von einem Zufall nicht die Rede sein kann. Der erste Mediastinaltumor wurde von 0 p pe n h e i m, die erste Thymusgesehwulst bei Myasthenie yon C. W e i g e r O ) be- schrieben.

Gleichzeitig stellte dieser aueh eine fiir das Leiden hSchst be- deutsame Muskelver~nderung lest. Dieser Beobachtung schlieitt sich im ni~chsten Jahre G o l d f l a m an. Eine Probeexcision aus einem Muskel ergibt die yon W e i g e r t entdeckte lymphoide Infiltration, aul~erdem finder sich in G o l d f l a m s 5) Fall ein leider nicht mikro- skopisch untersuchter Mediastinaltumor, der makroskopisch als Lympho- sarkom angesprochen wurde. In dieser Arbeit finder sich eine Zeichnung (1. c. S. 105), welche neben der lymphoiden Infiltration noch eine andere wichtige Eigenheit der Myasthenie erkennen l~f~t, die aber damals noch unbekannt war. Sie ist dementsprechend auch dem Autor ent- gangen, w~hrend sie bei der Zeichnung mit objektiver Sicherheit wiedergegeben ist. Es handelt sich um eigentfimliche, mit Eosin nur ganz hell gef~zbte Muskelfasern. Diese wurden erst wesentlich sp~ter, n~mlich 1908 yon K n o b l a u c h G ) , als charakteristisch ftir die my- asthenische Erkrankung erkannt. Wie K n o b la u c h ausftihrt, hat often- bar schon A r n o l d v) 1886 diese Fasern gesehen, ihren Zusammenhang mit der myasthenischen Erkrankung konnte er aber damals noch nicht erkennen.

Die Folgerungen, die K n o b l a u c h seinerzeit an diese Entdeckung kntipfte, sind heute l~ngst abgelehnt; es war ein geistvoller, aber irriger Analogieschluf~, wenn K n o b l a u c h in diesen hellen Zellen einen A t a v i s m u s zu sehen glaubte. Aber es mul~ betont werden, daf~ K n o b l a u c h mit den sogenannten hellen Muskelzellen ein histo- logisches, bedeutsames Kriterium ffir die Myasthenie gefunden hat. Unter Heranziehung yon W e i g e r t s lymphoiden Zellen hat sich dieser Knoblauchsche Befund in diesem Falle - - soweit ich die Literatur zu iibersehen vermag - - zum ersten Male als diagnostisches Hilfsmittel ffir klinische Zwecke bewi~hrt. Merkwtirdig ist es, dal~ sowohl W e i g e r t als auch K n o b l a u c h zwar histologische Kennzeichen der Myasthenie entdeckt haben, daI~ aber beide Autoren in der Deutung ihrer Befunde irrten. So gtaubte W e i g e r t in den lymphoiden Zellen Metastasen eines Thymustumors zu sehen. Wenn auch Thymustumoren bei der myasthenischen Erkrankung des 6ft.eren beobachtet sind, so beweisen doeh die F~lle, in denen die gleiehen Zellformen ohne Thymustumor auftreten, sowie die rein morphologisehen Merkmale dieser Rundzellen, dait es sich um Lymphocyten handelt. K n o b l a u c h s Auffassung der hellen Zellen als Atavismus stfitzte sich auf die Erinnerung an die wei[ten Muskelfasern des Kaninchens. Der Autor hatte die Ansieht, dal] es sieh um ein (~berwiegen jener hellen Fasern handeln kSnnte,

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die zwar schnell auf Willensimpulse reagieren, dafiir aber auch rasch ermfiden. Er glaubte so eine anatomische Erkli~rung ffir das klinisch bedeutsame Symptom der A p o k a m n o s e (Goldflam) gefunden zu haben. Die Ansicht, dab es sich bei K n o b l ~ u c h s Befund lediglich um das Produkt der Hiirtung yon Muskelfasern in verschiedenen Kontraktionszusthnden handclt, diifftc wohl ftir jeden, d.er vielfach Muskulatur histologisch untersucht hat, und der diesen Befund mit dem bei MyasthGnie vergleicht, erledigt sein. TrotzdGm ist mehrfach, zuletzt von R. Koch 9) im Nekrolog auf K nob la uch diese Anschauung vertreten worden.

Die kurzG, aber an Wandlungen reiche Geschichte der myasthenischen Erkrankung l:~tBt gewissermaBen drei Abschnitte erkennen. Sie beginnt mit ihrer Angliederung an die zentralen Erkrankungen. Trotz des negativen Befundes im Zentralnervensystem blieb die Myasthenie sozusagen Eigentum der 5[eurologie und ihre Symptom e veranlaBten O p p e n h e i m noch 1908, sie in seinem bertihmten Lehrbuch 9) den Bulbi~rparalysen in der Reihenfolge anzuschlieBen. - - Durch K n o b - l auchs Forschungen wurde der Sedes morbi in die Muskulatur verlegt. Marb urg 1~ sowie Borghe r in i u) glaubten in den auch yon ihnen beob- achteten Muskelver~nderungen einen degenerativen Vorgang zu sehen.

Auf symptomatische Grtinde stiitzt sich die Auffassung, dab die Myasthenie mit endokrinen StSrungen in Zusammenhang gebracht werden muB. Schon in seiner eingangs genannten Monographie ffihrt O p p e n h e i m die Kombination yon M y a s t h e n i e mi t Basedow- scher K r a n k h e i t an. Von prinzipieller Bedeutung ist ein Fall von S c h u h m a c h e r und Rothl2). Sie beschreiben die Exstirpation einer Thymus von 49 g Gewicht bei einer Kranken mit Basedow und Myasthenie und den Ausgang in Heilung. Die Untersuchung eines Stiickes aus dem M. sternocleidomastoideus hatte ein negatives Er- gebnis, das aber wohi nicht gentigen diirfte, um das Vorhandensein sonstiger Muskelver~nderungen auszuschlieBen. Es sind offenbar nicht alle Muskeln gleichartig erkrankt. F r o b o e s e - T h i e l e und L e s c h c z i n e r la) beobachteten einen Fall von Myasthenie mit Stof5 wechselstSrungen endokrinen Ursprungs. Es war ein Diabetes mit Dyscooamylie und mit Acidose, auBerdem fand sich eine vermehrte Lymphocytenmenge im Blut. Ohne dab mir ein AnschluB an die doch rein spekulativ gewonnenen Ansichten dieser beiden Autoren notwendig erschiene, mSchte ich immerhin an die MSglichkeit einer pluriglandul~ren StSrung, i~hnlich wie auch Markeloff14), glauben. Anatomisch war bei F r o b o e s e - T h i e l e und L e s c h c z i n e r eine persistente Thymus vorhanden. In den Muskeln zeigte sigh stellenweise Gin Fehlen der Querstreifen, die Weigert-Knoblauchschen Verhnderungen wurden jedoch hier nicht beschrieben.

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E r w g h n t sei auch, daft vorausgegangene In fek t ionsk rankhe i t eu als die Ursache der Myas then ie herha l ten muftten. GegenSber den fas t kons t an t en Befunden yon StSrungen endokr iner Genese und den so f iberaus hgufigen Bi ldungsfehlern und Tumoren wird abe t die l n f e k t i o n der Vorgeschichte wohl lediglich, ein zufMliges Ereignis bleiben, yon dem man es al lerdings k a u m wird bes t re i ten k6nnen, dal.~ cs im einzelnen Fal le tier E r k r a n k t m g bei e iuem d isponie r ten h l d i v i d u u m auszul6sen vermag. Soweit i i be rhaup t aus der Pa thologie eines Leidens ein der- a r t iger Schlull e r l aub t ist, scheint es berecht ig t , diesen Krankhe i t s - prozel3 den heredodegenera t iven K r a n k h e i t e n hinzuzurechnen. Es muft a l lerdings offengelassen werdem we bei diesen E r k r a n k u n g e a des Muskelsys tems die i ibergeordnete Krankhe i t su r sache lokal is ier t ist. Der Befund yon Vergnderungen in der Musku la tu r sehlieftt es sicherlich keinesfal ls aus, dab diese erst sekundS," bedingt sind.

Wie bere i t s erwghnt , wurde in dem dieser Arbe i t zugrunde l iegenden Fa l l wohl zum ers ten Male auf Grund des Befundes in einer Probe- excision bei uns icheren kl in ischen S y m p t o m e n eine o b j e k t i v sichere Diagnose gestel l t . Aus dem Sekt ionspro tokol l sei bier folgender Auszug

gebracht .

Th. M. 31 Jahre. Magere weibliehe Leiche mit reichlichen TotenfIecken des Rtickens; Totenstarre nur an den Fingern ausgesproehen. Zwerchfellstand rechts 5. gippe, links 6. Rippe. Naeh ErSffnung des Thorax sinken die Lungen zuriick. Rippenfellverwachsungen bestehen an beiden Lungenspitzen, an den Dorsalseiten beider Lungen sowie auch an der Zwerchfellseite der rechten Lunge. Das Zwerchfell ist auffallend schlaff und diinn. Es ist an den meisten Stellen yon glauweiller blasser Farbe, nur stellenweise finden sich Muskelgruppen yon roter Farbe darin. Vonder Thymus ist kein Rest mehr tibrig, an ihrer Stelle liegt ein lockeres Fettgewebe, in welchem einige Driisen von anthrakotischer Schnittfliiche vorhanden sind. Diese Driisen haben 3--5 mm Durehmesser. An beiden Lungen- spitzen werden entsprechend den Adhgsionen narbige Einziehungen und tibr6se Auflagerungen festgestellt. Im Untellappen der rechten Lunge findet sich ein kMkiger Herd yon etwa '~/4 cln Durchmesser. Das Lungengewebe ist von cyano- tisch-dunkelroter Farbe, in den Unterlappen ist es yon reichlicher Blutfiille. Es ist iiberall lufthaltig, gleichzeitig ist es sehr .reichlich ser6s durchtr~inkt. Die Bronchialschleimhaut ist glatt, die Bronchien enthalten schaumige Fliissigkeit. Beiderseits sind die Hilusdrtisen anthrakotiseh, vergr61~ert und mit weiBlichen Herden durchsetzt. Rechts finder sieh in einer Hilusdrtise ein ausgedehnter Ver- kgsungsherd. Das Perikard ist feucht und glatt, es enthiilt die gew6hnliehe Menge Mar serSser Fltissigkeit. Der Herzmuskel ist sehlaff, frischrot und tibelall gleieh- mgl]ig, auch auf dem Flaehschnitt. Klappenappar~tt zart und intakt. Die Intima der grol~en Gefgl~e ist glatt.

H a l s o r g a n e : Die Muskulatur des 8ehlundes und des Oesophagus ist vou ziemlich weil]er Farbe und yon glgnzendem Aussehen. Der Oesophagus ist etwas erweitert und auffallend schlaff. Der Muskelschlauch ist entschieden verdtinnt. Die Zungenfollikel und die Gaumenmandeln sind saftig hyperplastisch. Der Kehlkopf ist blaB, die Trachea desgleichen. Die Schilddrtise ist etwas verglSl3ert, von gelblich rater Farbe und yon gleichm~i~iger Schnittfl~che. Die unteren Pole der Sehilddrtise lassen an Stelle der Glandulae parathyreoideae dunkelrote knotige

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Gebilde erkennen, deren Bedeutung makroskopisch nicht entschieden werden kann (lymphatische KnStchen.)

KopfhShle : Schiideldaeh o. B. Harte Hirnh~ute desgleichen. VenSse Ginus frei, Leptomeningen zart, ttirnsubstanz und Riickenmark lassen makroskopisch kcine Besonderheiten erkennen. Hypophyse makroskopisch o. B. Bei Heraus- nahme des Riickenmarkes zeigt es sich, daft die langen und kurzen Riickenmuskeln zwar durchweg blaB sind, indessen nieht yon jener ausgesprochen weiBen Farbe, wie (lie Schlundmuskulatur. Einzelne normal rote Muskelbiindel werden auch gesehen.

BauchhShle : Bei ErSffnung der BauchhShle zeigt es sich, dab die Bauch- muskeln ohne eigentlich atrophisch zu sein, blaB sind. Die gleiche Beschaffenheit zeigen die Brustmuskeln. Ganz besonders weiB sind beiderseits die Musculi pec- torales und serrati ant. Die Intercostalmuskulatur ist nicht nur blaB, sondern auch atrophisch. Die Lage der Bauchorgane ist normal. Die Milz ist vergrSBert, 9,5 �9 15 �9 7 cm. Sie ist besonders hart, dunkelcyanotisch, yon abnorm deutlicher Follikelzeichnung. Die Nieren liegen in reichliches Fettpolster eingebettet an normaler Stelle, ihre Kapsel ist leicht abziehbar. Die Oberfl/iche ist glatt, das Gewebe ist cyanotisch, seine Zeichnung ist deutlich erkennbar. Nierenbecken und Ureteren sind frei, ebenso die Blase. Die Vagina ist weit und schlaff, der Uterus ist kr/iftig, seine Schleirnhaut ist aufgelockert und mit frischem Blut be- deckt. Beide Tuben sind zart. Im linken Ovarium, welches etwa 6 cm grSl3ten Durchmesser hat, ist ein gelber KSrper vorhanden. Beide Ovarien sind klein- cystisch durehsetzt. Die Nebennieren sind yon gewShnlicher Form und GrSi~e und auf dem Durchschnitt ohne wahrnehmbare Ver/inderungen. Die Lebcr ist yon durchschnittlicher Gestalt, L/ippchenzeichnung verwaschen. Gallenblase und Gallenwege sind frei. Das Pankreas ist von durchschnittlicher Gestalt, L~ppchen- zeichnung deutlich, Papille frei. Die Schleimhaut des Magendarmkanals 1/il3t krankhafte Ver/inderungen nicht erkennen. Appendixgegend frei.

Am Bein zeigt sich in bezug auf die Muskulatur, dab die Farbe sich hier mehr der Norm n/ihert. Ganz blab wird nut der Musculus sartorius gefunden, .w/ihrend der Adductor magnus yon frisch roter Farbe ist. ~ Das Wesentliche des Falles 1/il]t sich dahin zusammenfassen, dab eine fortschreitende degenerative Erkrankung dcr gesamten KSrpermuskulatur bestanden und daB eben diese Erkrankung durch Atmungsl/ihmung den Tod des Individuums verursacht hatte.

Die Muskelver/~nderung war schon makroskopisch sehr auffallend, es l~igt sich immerhin sagen, daB die meistbenutzten Muskeln verhiiltnism/tBig auch am st~rksten erkrankt waren. So waren die respiratorisch beteiligten Muskeln yon fast weiBer Farbe, w/ihrend die mehr geschonten Beinmuskeln weniger stark ver/tndert befunden wurden. Leider war es aus /iuBeren Grtinden unmSglich, die gesamte Muskulatur zu pr//parieren.

Histologisch muBte nach dem Ergcbnis der Probeexcision der entsprechende Befund in allen Muskeln, wenn auch graduell verschieden, erwartet werden. An F~rbungen wurden bei dem in Formalin fixierten Material die H/imtoxylin-'Eosin- F/~rbung, die van Gieson-F/irbung mit Eisenh/tmatoxylinvorfl~rbung und auch die Carminfarhung benutzt. Untersucht wurden Stticke aus Halsmuskeln, aus der Intercostalmuskulatur, aus dem Zwerchfell und aus verschiedenen Schenkel- muskeln. In s/imtliehen Pr~paraten zeigte sich ein einheithcher, wenn auch gra- d'uell recht verschiedenartiger Befund. Perivascul~r und im Bindegewebe fanden sich einige lymphatische Anh/iufungen. Hier waren unscharf begrenzte ziemlich zelldichte Ansammlungen von Rundzellen vorhanden, welche einen v611ig kreis- runden, stark mit Hamatoxylin gef/~rbten Kern bei verh/tltnism/iBig schmalem Protoplasmasaum aufwiesen. Gegentiber der Probeexcision mSchte ich hier ein

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Zuriicktreten der fibroblastischen Elemente in ihrer Zahl zu den lymphoiden Zellen feststellen. Sehr bemerkenswert ist das Vorhandensein der ,,hellen" Muskel- zellen. Es handelt sich um Muskelfasern, welche in ihrer Farbstoffaufnahme gegeniiber den anderen zurtiekbleiben, die namentlich dort, wo ein sogenanntes Cohnheimsches Feld sichtbar wird, als einzelne oder auch gruppenfSrmig zu- sammenstehende Muskelfascrn hell erscheinen. Im nach van Gieson gei~irbten Pri~parat kommen stellenweise fast schachbrettartige Figuren zustande. Wo die Muskelfasern im Liingsschnitt getroffen sind, zeigt sich in den hellen Zellen ein Undeutliehwerden, beziehungsweise ein Fehlen der Querstreifung, das Proto- plasma bildet hier eine einheitliehe, ungegliederte, nur sehwaeh gefiirbte Masse. Vielfach ist auch der Kern in diesen Muskelfasern nicht mehr zu sehen, h der Dicke zeigen sich auffallende Unterschiede, auch die gut gef~rbten Muskelfasern sind dabei beteiligt, besonders das Auftreten einzelner, ungewShnlich dicker Exem- plare verdient es, hervorgehoben zu werden. - -

Ob diese Muskelver~nderung bei allen Fhllen von sogenannter Myasthenie vorhanden ist, muB nach den vorhandenen Literatur- angaben mit Bezug auf die hellen, oder wie man wohl sagen daft, Knoblauehsehen Fasern dahingestellt bleiben, die lymphoiden Ein- sprengungen, die W e i g e r t irrtfimlich fiir Thymusmetastasen hielt, scheinen ein obligates Vorkommnis zu sein. Was sie hervorruft, l~f~t sich aueh nicht einmal in Form einer gut begrtindeten t Iypothese ausdrticken. Gegen eine chemotaktische Attrakt ion durch ein ver- ~ndertes Gewebe spricht anseheinend die zumeist perivascul~re An- ordnung. Am wichtigsten scheint noeh in dieser Frage das Vorkommen ~thnlieher oder gleicher Infi l trate beim Morbus Basedowii, sowie die mannigfachen, unter anderem aueh von B a u e r 15) gewiirdigten Be- ziehungen der Myasthenie zur Basedowschen Krankheit . - - Auch ein negatives Untersuchungsergebnis sei hier erw~hnt, es wurde bei Priifung des endokrinen Apparates gewonnen. Morphologische Ver~nderungen, die einen Hinweis auf eine Funktionsst6rung gaben, fehlten hier, immer- hin ist damit eine endokrine StSrung keinesfalls auszuschlie6en. Von einer entsprechenden Untersuchung des Zentralnervensystems glaubte ich deshalb absehen zu dtirfen, well mehr als hinl~ngliche Unter- suchungen mit v611ig negativem Ergebnis bekanntlich vorliegen. - - Es war im Rahmen meiner Arbeit im wesentliehen beabsichtigt, die Stellung der Myasthenie als endokrin bedingte, in manchen F~llen vielleieht symptomatische Muskelerkrankung zu stiitzen, nebenher ~vollte ieh auf die auch diagnostisch wichtige Seite der Muskelver- ~inderungen hinweisen.

Dal~ endokrine StSrungen vorhanden waren, mul~ auch aus der pathologischen Physiologie des ~'alles, vor allem aus der Sklerodermie, deren Bedeutung yon P a t r z e k eingehend gewiirdigt ist, geschlosse~ werden. Wir wissen es beim Basedow und beim Diabetes, dab schwere Krankheitsformen auftreten k6nnen, ohne dab histologisch Ver- 5nderungen in der Schilddriise oder dem Pankreas nachweisbar w~ren.

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Hier wird ohne weiteres eine jener endokrinen StSrungen angenommen, ftir die ein Substrat mit den jetzigen Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar ist.

Die oben geschilderten Muskelveri~nderungen entsprechen durchaus dem yon K n o b la u c h beschriebenen Bild, nur in der Deutung der hel]en Zellen, die ich als das Produkt einer Degeneration auffasse, weiche ich grundsi~tzlich von diesem Autor ab. Der Befund der hellen Zellen gehSrt zu den Tatsachen, bei welehen es zweckmi~Biger erscheint, sic bis zum Auffinden eines erkli~renden Umstandes einfach zu registrieren, als den Versuch irgendeiner hypothetischen Erkli~rung zu machen.

Wie bei anderen Systemerkrankungen der Muskulatur ist offenbar eine endokrine StSrung fibergeordnet. Hier handelt es sieh um einen zusammenh~ngenden Komplex klinisch und auch im Wesen verwandter heredodegenerativer StSrungen. Mit de r Einreihung in diese groBe Krankheitsgruppe ist aber nur eine Klassifikation, nicht eine tiefere Erkli~rung gegeben.

Am SchluB noch einige Worte fiber die Nomenklatur. 0 p p e n h e i m sehreibt in seiner Monographie, naehdem er die zahlreichen Synonyma aufgez~hlt hat: . . . . . aus dieser Vielheit geht hervor, dab ich keine der yon mir gebrauehten Krankheitsnamen ffir einen reeht treffenden und alles Wesentliche bezeichnenden halte. Diesen zu linden, bleibt der Zukunft vorbehalten."

Ieh habe an anderer Stelle 16) versucht, im AnschluB an A s c h o f f und G.B. G r u b e r 17) eine einheitliche Bezeichnungsform ffir die Systemerkrankungen der Muskulatur zu schaffen. Hinter den Sammel- begriff Myopathia wird durch hinzugefiigte Eigenschaftswerte, welche anatomisch deskriptiv gewi~hlt sind, eine kurze Beschreibung der vorhandenen Veri~nderungen gebracht. Auf diese Weise erscheint es mSglich, kliniseh kennzeichnende und vor allem auch didaktisch brauch- bare Namen zu schaffen, die dabei niehts pri~judizieren. Dieser Ge- sichtspunkt li~Bt mich ffir die Myasthenie folgenden Namen in Vor- sehlag bringen :

, , M y o p a t h i a a l b a l y m p h o i d e s ( a s t h e n i c a ) . "

Ich darf daran erinnern, dal~ ffir die Myositis ossifieans mit Recht von G.B. G r u b e r die Bezeichnung M y o p a t h i a e h r o n i c a os t eo - pl a s t ic a vorgeschlagen ist, ferner dab ich gemeinsam mit S e he n k den Versuch gemacht babe, den Krankheitsbegriff der M y o p a t h i a f i b r o s a r e t r a h e n s und den der M y o p a t h i a d y s t r o p h i e a ad i posa zu schaffen. Ffir die Kliniker dfirfte es bei dem guten Ausbau der Symptomatologie im allgemeinen leicht sein, in der Diagnose so weit vorzudringen, dai~ anatomische Bezeichnungen gew~hlt werden kSnnen. Wenn aber einzelne Fi~lle zweifelhaft bleiben, dann wird

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. LXIII . ] 2

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die P r o b e e x c i s i o n in ih re l~ech te t r e t e n , z u m a l da be i ih r n i c h t j e n e

u n a n g e n e h m e n Zwischen fh l l e d rohen , wie sie bei e l e k t r o d i a g n o s t i s c h e n

U n t e r s u c h u n g e n ge l egen t l i ch v o r k o m m e n .

Literaturverzeichnis.

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