9
G. BOETTE: l~eaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen 565 Voraussetzungen optimal erffillt werden. -- Eine ffir solch dfffizflen Eingriff gewiB reeht befriedigende Zahl. Die Dauerhaftigkeit der HSr- erfolge wird noch durch die inzwisehen gewonnene, interessante Er- fahrung unterstrichen, dal] zwei Patientinnen nach Stapesplastik eine Graviditi~t und Geburt, eine weitere Patientin zwei Geburten ohne jede GehSrbeeinflussung fiberstanden haben. Zum Schlul] mfissen noch 2 Spi~tschiiden der Innenohrfunktion Erw~hnung finden, die in einem Fall nach 5 Monaten, im anderen nach 18 Monaten akut auftraten. Bei beiden Patienten handelte es sich um zarte, stark vegetativ-labite Personen. Bei beiden bestand ein starker Verdacht auf Tonsillenfoeus, w~hrend die Zi~hne herdfrei waren. W/~h- rend in einem Fall die praktisch einer Ertanbung gleichkommende Aussehaltung der Innenohrfunktion 5 Monate naeh Stapesplastik ohne erkennbaren AnlaB akut mit meni~reartigen Erscheinungen erfolgt war, ersehien sie im anderen durch lange nnd starke Sonnenbestrahlung mit gleiehzeitiger seelischer Erregung (Fu~ballwettspiel-Zusehauer) aus- gelSst worden zu sein. -- Zweifellos dfirften diese Ereignisse kaum mehr mit der sehon lange zurfickliegenden Stapesplastik in ursi~chliehe Ver- bindung zu bringen sein. Sie beleuehten jedoeh die im Laufe der Jahre zunehmende klinische Erfahrung, da9 nicht selten Innenohrh5rsch~den fokaltoxisch ausgelSst werden. Auf diese Zusammenhiinge haben WULLSTEr~ und aueh wir vor etwa 10 Jahren bereits aufmerksam ge- maeht. -- Auch hierffir wird vermutlich die Regel gelten, dal3 ein -- bier durch Otosklerose und Stapesoper~tion -- vorbelastetes GehSrorgan ffir weitere Seh~den besonders anfi~llig ist, so dal~ wir auch dieser Frage bei der Stapeschirurgie erhShte Beachtung sehenken mfissen. Ausffihrliehes Literaturverzeichnis kann vom Verfasser angefordert werden. 47. G. BoETTE-Mfinchen: Zur Reaktion der Fenestra vestibu]i auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment (Mit 3 Textabbildungen)* Die Stapespiastik mit Bindegewebsinterposition als h6rverbessernde Operation bei der Otosklerose ist in ihren guten funktionellen Ergeb- nissen in der ]etzten Zeit yon zahlreichen Autoren in Deutschland best~tigt worden (ZA~G~MmST~ ; BO~_~WI~G~A~S; H~ERMA~ U. a.). Auch unsere Klinik kam bei den Nachuntersuchungen, fiber die Kv~- P~MO~D berichtet hat, zu den gleichen gfinstigen Ergebnissen. So kSnnen wir jetzt die vollst~ndige oder teilweise Entfernung des fixierten Steig- bfigels und seinen Ersatz durch kSrpereigenes Bindegewebe bei der * tterrn Prof. Dr. A. BR~OG~AN~ zum 80. Geburtstag.

Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

G. BOETTE: l~eaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen 565

Voraussetzungen optimal erffillt werden. -- Eine ffir solch dfffizflen Eingriff gewiB reeht befriedigende Zahl. Die Dauerhaftigkeit der HSr- erfolge wird noch durch die inzwisehen gewonnene, interessante Er- fahrung unterstrichen, dal] zwei Patientinnen nach Stapesplastik eine Graviditi~t und Geburt, eine weitere Patientin zwei Geburten ohne jede GehSrbeeinflussung fiberstanden haben.

Zum Schlul] mfissen noch 2 Spi~tschiiden der Innenohrfunktion Erw~hnung finden, die in einem Fall nach 5 Monaten, im anderen nach 18 Monaten akut auftraten. Bei beiden Patienten handelte es sich um zarte, stark vegetativ-labite Personen. Bei beiden bestand ein starker Verdacht auf Tonsillenfoeus, w~hrend die Zi~hne herdfrei waren. W/~h- rend in einem Fall die praktisch einer Ertanbung gleichkommende Aussehaltung der Innenohrfunktion 5 Monate naeh Stapesplastik ohne erkennbaren AnlaB akut mit meni~reartigen Erscheinungen erfolgt war, ersehien sie im anderen durch lange nnd starke Sonnenbestrahlung mit gleiehzeitiger seelischer Erregung (Fu~ballwettspiel-Zusehauer) aus- gelSst worden zu sein. -- Zweifellos dfirften diese Ereignisse kaum mehr mit der sehon lange zurfickliegenden Stapesplastik in ursi~chliehe Ver- bindung zu bringen sein. Sie beleuehten jedoeh die im Laufe der Jahre zunehmende klinische Erfahrung, da9 nicht selten Innenohrh5rsch~den fokaltoxisch ausgelSst werden. Auf diese Zusammenhiinge haben WULLSTEr~ und aueh wir vor etwa 10 Jahren bereits aufmerksam ge- maeht. -- Auch hierffir wird vermutlich die Regel gelten, dal3 ein -- bier durch Otosklerose und Stapesoper~tion -- vorbelastetes GehSrorgan ffir weitere Seh~den besonders anfi~llig ist, so dal~ wir auch dieser Frage bei der Stapeschirurgie erhShte Beachtung sehenken mfissen.

Ausffihrliehes Literaturverzeichnis kann vom Verfasser angefordert werden.

47. G. BoETTE-Mfinchen: Zur Reaktion der Fenestra vestibu]i auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment (Mit 3 Textabbildungen)*

Die Stapespiastik mit Bindegewebsinterposition als h6rverbessernde Operation bei der Otosklerose ist in ihren guten funktionellen Ergeb- nissen in der ]etzten Zeit yon zahlreichen Autoren in Deutschland best~tigt worden (ZA~G~MmST~ ; BO~_~WI~G~A~S ; H~ERMA~ U. a.). Auch unsere Klinik kam bei den Nachuntersuchungen, fiber die Kv~- P~MO~D berichtet hat, zu den gleichen gfinstigen Ergebnissen. So kSnnen wir jetzt die vollst~ndige oder teilweise Entfernung des fixierten Steig- bfigels und seinen Ersatz durch kSrpereigenes Bindegewebe bei der

* tterrn Prof. Dr. A. BR~OG~AN~ zum 80. Geburtstag.

Page 2: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

566 G. BOETTE:

chirurgischen Behandlung der Otosklerose als Methode der Wahl be- zeichnen.

Wir sollten jedoch bei dieser erfreulichen Feststellung nicht die Erkenntnis aul]er Betracht lassen, dal~ die Stapesplastik nur ein Glied in einer Ket te zahlreieher und von ganz versehiedenen Voraussetzungen ausgehender Eingriffe ist, deren Grundlage in physiologiseher und opera- tionsteehniseher Hinsicht vor nunmehr fast 90 Jahren in Deutschland erarbeitet wurden.

Es ist schon aus diesem Grunde zu erwarten, dal~ in dieser kon- tinuierlichen Entwicklung operativer Methoden kein Stillstand eintreten wird. Stellt doeh jede ehirurgisehe Behandlung der Otosklerose so ]ange nur eine symptomatische Therapie dar, solange die kausale Genese nicht bekannt ist.

Entfernt man operativ den schwingungsunf/~higen Steigbiigel und ersetzt ihn dutch Bindegewebe oder ein anderes kSrpereigenes oder kSrperfremdes Material, kann der Sinn eines solehen Vorgehens nur die Wiederherstellung der normalen Ket te sein. In ihr mul~ das Implantat anatomiseh und funktionell die Rolle des Steigbiigels iibernehmen. Wenn ein Erfolg dureh eine Stapesplastik eintreten soll, mul~ man erwarten, dal~ das Implantat sieh organisch an Stelle des entfernten Steigbiigels in die GehSrknSchelehenkette einffigt. Kommt diese Verbindung an einer Stelle, an der Fenestr~ vestibuli oder am Ambol~ nicht zustande, bleiben sowohl die erhaltenen Glieder der Ket te ~ls aueh das implantierte Bindegewebe im Meehanismus der Schalliibertragung nutzlos.

Wir konnten im Tierexperiment naehweisen, dab es, was auf Grund der guten funktionellen I~esultate zu erwarten war, tats~chlich mSglieh ist, durch an Stelle des Steigbiigels eingebrachte Bindegewebsimplantate die Sehalleitungskette zwisehen Ambo$ und ovalem Fenster wieder- herzustellen. Auch die Untersuchungen yon FALK und MtYS~BECK er- brachten diesen ~aehweis.

Unsere eigenen klinischen Erfolge liegen in einer Beobaehtungszeit von 2 Jahren bei etwa 900/0 (KvMPE~O~D). Diese Zahl besagt, da{] durch die Stapedektomie und die Einftigung eines Bindegewebsimplantats die Sehalleitung fiber die Ket te mit einer grol~en Wahrsehein]iehkeit wiederhergestellt werden kann. Andererseits weisen die Mif~erfolge aber darauf hin, daf~ dieses Ziel trotz ann~hernd gleicher pr/~operativer Voraussetzungen und Anwendung der gleiehen Operationsteehnik manehmal nicht erreieht wurde.

Aus der klinisehen Erfahrung sind uns, wie auch anderen, Verlaufs- formen nach Stapesplastik bekannt, wo es naeh anfs HSr- verbesserung fiir einige Wochen oder Monate dann doch zu einem meist allm/s Absinken des ttSrvermSgens kommt. Der Gedanke liegt

Page 3: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen 567

nahe, dal3 entweder die Ket te an einer Stelle unterbrochen oder das ovale Fenster erneut funktionsuntfichtig geworden ist.

Soweit diese sekund/~ren ttSrverschlechterungen durch Vorg/~nge im Mittelohr beding~ sind, kann, Khnlich wie bei Dislokationen bei Ver- wendung yon KunststoffrShrchen, eine Unterbrechung der Ket te zwisehen langem Ambol~schenkel und Transplantat eingetreten sein. Wir konnten hierfiber eigene Beobachtungen im Tierexperiment am Ka- ninchen maehen.

In Erwartung der in der Einheilungsphase eintretenden Schrumpfung des eingebrachten Gewebes wird man dem nach unseren Erfahrungen im Experiment durch die Wahl der GrSl3e des Implantats und unter Um- st/inden durch eine bessereVerankerung am Proe. lenticularis dutch ein schlaufenfSrmig darfibergelegtes zweites, kleines Gewebsstfick begegnen kSnnen.

Als weitere Ursache ffir spKtere ItSrversehleehterungen oder post- operative Ertaubungen ist an eine Sch~digung des Labyrinths zu denken. Diese ist vor allem bei Verwendung yon Kunststoffprothesen (Poly/~thylen, Stahldraht, Tantaldraht) in einem gewissen Prozentsatz zu erwarten, worfiber vor allem in den USA auf Grund der weiten Ver- breitung der Methode S~EAS berichtet worden ist ( Z S L L ~ ) .

Aber auch bei Abdeckung des ovalen Fensters mit einem Venen- transplantat wurden Seh~digungen des Innenohrs beobachtet, die in fibrotischen Reaktionen bestanden und teilweise zu einer vollst/~ndigen ZerstSrung der ]Basilarmembran geffihrt hatten (BELLUCOI U. WOLFF). Die an Katzen durchgeffihrten Versuche ergaben naeh Meinung der beiden Autoren dann besonders Lasionen der genannten Art, wenn die Ful3platte weitgehend entfernt worden war. Sie waren geringer, wenn das Labyrinth durch einen belassenen Plattenteil geschfitzt und das Venen- transplantat fiber den offenen Tell des Labyrinths mit der Endothelseite innenohrwKrts gelagert war.

Auch die Verwendung yon Schleimhaut-, Bindegewebs- oder Fett- gewebstransplantaten kann zu fibrSsen Reaktionen versehiedener Aus- dehnung ffihren, ja zu vSlligen ZerstSrungen der Innenohrstrukturen, deren Ursaehe yon SCHCK~CECH~, McGE~ u. COL~A~r bei Versuchen an tier Katze in Dislokationen des Transplantats vermutet wurde.

Im Rahmen unserer eigenen experimentellen Untersuchungen am Mittelohr des Kaninchens hat ten wir Gelegenheit, sekundgre Fenster- versehlfisse und Labyrinthschaden morphologiseh nachzuweisen, auf die man unseres Wissens bisher kaum geaehtet hat. Dies mul3 um so er- staunlicher erscheinen, als ihnen keineswegs auBergewShnhche patholo- giseh-anatomisehe Vorg/~nge zugrunde liegen. Es handelt sich vielmehr ausnahmslos um Erseheinungen, die bei jeder Knochenneubildung zu beobachten sind.

Page 4: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

568 G. BOETTE:

Jeder Eingriff am Steigbrigel auf endauralem Weg erfordert, bedingt durch die anatomischen Gegebenheiten und die GrSBenverh/~ltnisse des Objekts ein hohes MaB an technisehem Gesehick. Dieses mug um so grSBer sein, je konservativer man vorgeht, d. h. je mehr man vom nieht otosklerotisch ver/~nderten Steigbrige] unter Schonung des AmboB- Steigbiigelgelenks, der Stapediussehne und der Sehenkel zu erhalten sueht. Berricksichtigt man weiterhin, dab der bevorzugte Sitz otosklerotischer Herde der vordere Schenkel und die ihm benachbarten Tefle des Fenster- rahmens und der FuBplatte ist, ist zu folgern, dab die Resektion der Plat te im ganzcn zu den seltenen Glrickszuf/s gehSren drirfte.

In zahlreiehen F/~llen wird man die Plat te nur in Fragmenten ent- fernen kSnncn, wobei es h/~ufig zu instrumentellen Berrihrungen des Fensterrandes kommen muB.

Darfiber hinaus erfordert eine ganze Reihe operativer Eingriffe bei der Otosklerose, auf die nicht n/~her eingegangen werden soll, yon vorne- herein die Zerstfiekelung der FuBplatte mit tIilfe yon Bohrer, schnei- denden oder s~genden Instrumenten.

Weiteren Schwierigkeiten sehen wir uns ira Bereich des ovalen Fensters gegenriber, wenn naeh dem Vorschlag HE]~RMAN~S eine Er. weiterung des Fensterrahmens erfolgen soll.

Bei diesen Operationsmodifikationen besteht zwangsl/~ufig die Gefahr, dab cs zum Verlust kleinster Knochensplitter oder aueh yon Teilen der FuBplatte in das Vestibulum labyrinthi oder zu einer Traumati- sierung der Fenstcrrs kommt.

Aueh bei der Stapesplastik mit Bindegewebsinterposition l/~Bt es sich oft nicht vermeiden, bei der Stapedektomie den Steigbrigel in einzelnen Stricken oder bei Teilresektionen die Plat te in Fragmenten zu entfernen. Hierbei wird man ebenfalls mit ZwischenfKllen dcr Art zu rechnen haben, dab kleinc Knochenteilchen in das Vestibulum fallen, deren Entfernung nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht gelingt.

Wenn man bedenkt, dab naeh POI~TMA~N beim Menschen die Ent- fernung zwischen FuBplatte und Cortischen Organ nur 1,06 mm und die zwischen FuBplatte und dem Ansatz der ReiBnersehen Membran nur 0,75 mm im Vertikalschnitt betr/~gt, liegen die Gefahren bleibender Labyrinthsch/s durch direkte instrumentelle Verletzung wichtiger Strukturen auf der Hand.

Aber auch ohne eine direkte Traumatisierung kSnnen durch Mani- pulationen am Rand des ovalen Fensters oder Eindringen yon Knochen- splittern unliebsame Vorg~nge in Gang gebracht werden, die einen funktionellen Erfolg in Frage stellen.

In Erg/~nzung frriherer Untersuchungen ]iefern auch unsere neueren experimentellen Ergebnisse den Nachweis, dab solche bei der Operation am Menschen durchaus m5gliche Zwischenf/~lle oder Modifikationen der

Page 5: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen 569

Stapedektomie keineswegs als vSllig harmlos bezeichnet werden kSnnen. Die am Kaninchen gefundenen Gewebsreaktionen dfirften vielmehr geeignet sein, manehe bisher nicht recht verstandlichen Fehlschl~ge hinsichtlich ihrer morphologisehen Grundlage zu erkl~ren, soweit bei diesen Fragen fiberhaupt das Tierexperiment herangezogen werden kann.

Beim Tier sind ja bis jetzt keine morphologisehen Ver~nderungen bekannt, die denen der Otosklerose behn Menschen ohne weiteres ver- gleiehbar sind. So mfissen zwangsl~ufig alle experimentellen Unter- suehungen fiber die MSglichkeiten operativer Eingriffe bei der Oto- sklerose am nicht otosklerosekranken Tier durchgeffihrt werden. Ledig- lich eine Stapesankylose hat man bisher experimentell erzeugen kSnnen (BELLUOC~ U. WOLFF; POI~TMANN). Insofern haben auch unsere Ergebnisse nur einen bedingten Aussagewert, da Beobaehtungen fiber den Ablauf der Otosklerose, insbesondere fiber die Reaktion ihrer Herde auf das chirurgisehe Trauma am oder hn Herd bisher nicht gemaeht werden konnten.

Trotzdem dfirfte aber die Diskussion der alten Streitfrage, ob ein Otoskleroseherd fiberhaupt chirurgiseh angegangen werden soll, erneut angeregt werden.

Um die Frage zu beantworten, mit welehen l~eaktionen man nach einer Traumatisierung im Bereich der Fenestra ovalis reehnen muB, setzten wir nach vollsti~ndiger Stapedektomie am Unterrand des ovalen Fensters mit einem abgebogenen, hakenartigen, feinen Instrument kleine Lasionen am Periost. Wir vermieden dabei Ver~nderungen der makro- skopischen Struktur, die einer VergrSl~erung des eigentliehen Fenster- rahmens beim operativen Vorgehen beim Mensehen entsprochen hi~tten. Hiermit wurden naeh MSgliehkeit Verletzungen der feineren Innenohr- strukturen ausgesehlossen.

Das weitere Vorgehen entsprach dem der Bindegewebsinterposition. Das ovale Fenster wurde mit einem kleinen Bindegewebspfropf ver- schlossen, auf den der tempor/ir verlagerte lange AmboBfortsatz dureh feste Auflage in Kontakt gebracht wurde.

Die Beobaehtung der Versuchstiere nach dem Eingriff ergab einen ungestSrten postoperativen Verlauf. Zeichen einer Labyrinthreizung traten nicht anti Die spi~tere mikroskopische Untersuchung yon Serien- schnitten lieI] die Unversehrtheit der nervSsen Elemente des Innenohrs erkennen.

Das interponierte Bindegewebsstfickehen heilte unter aseptisehen, entzfindlichen Vorgi~ngen ein, wobei die aus frfiheren Versuehen be- kannte rasch einsetzende Epithe]isierung regelmal3ig beobaehtet wurde und ein im Sinn einer funktionellen Anpassung geriehteter Ver]auf der kollagenen Faserbfinde] innerhalb des Implantats das Endresultat war.

Page 6: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

570 G. BOETTE:

cq

.<

O ~ ' d

~ r.D ~

o = ~

Page 7: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen 571

Die ffir unsere Fragestellung wesen~lichen Ver/~nderungen waren aber im Bereich des ovalen Fensters an den Stellen zu beobachten, an 4enen die Mikrotraumen gesetzt waren.

I t ier ist 2 Wochen nach dem Eingriff an der Verletzungsstelle am unteren Fensterrand die Unterbrechung der Periostlage sichtbar, yon wo aus bereits die 2qeubildung yon Knochengewebe in Form eines Callus eingesetzt hat (Abb. 1). Die Proliferation schreitet im weiteren Verlauf

Abb.3. Verletzungsstelle am unteren Fensterrand, 2 3/Ionate nach Bindegewebsinterposition, mit deutlicher Grenze zWischen altem und neugebildetem Knochen

fort (Abb. 2). Das neugebfldete Knochengewebe wuchert mit seinen Aus- l~ufern in das lockere Bindegewebe des anliegenden Implan ta t s ein und fiihrt zu VcrknScherungszonen innerhalb des ovalen Fensters (Abb. 3).

Bei der Bindegewebsinterposition kann es also durchaus zu sekun- d~ren Ossifikationen im Bereich der Fenestra ovalis kommen. Hierfth" ist die durch Verletzungen des Periostes in Gang gebrachte Callusbildung nm" eine MSglichkeit. Uber eine andere Ursache sekund~rer Fenster- verschlfisse, Ossifikationen auf bindewebiger Grundlage nach Zurfick-

Arch. Ohr.-, 2qas.-, u. Kehlk.-l~eilk., Bd. 180 (Kongre/]bericht 1962) 37

Page 8: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

572 G. Bo]~T~E: Reaktion der Fenestra vestibuli auf ehirurgische Mikrotraumen

bleiben auch kleinster Knochen- oder Knorpelteilchen konnten wir an anderer Stelle berichten.

Der Nachweis einer sekund~ren Knochenneubfldung im Tier- experiment ist sicher nicht ohne weiteres auf den Menschen iibertragbar. Wir mfissen jedoch damit rechnen, dal~ auch bei mikroskopischen Ein- griffen im Mittelohr des Menschen Gewebsreaktionen eintreten und ablaufen, die uns aus der allgemeinen Pathologic bekannt sind.

Insofern kann nach Stapedektomie und Bindegewebsinterposition der erwartete Erfolg eines solchen Vorgehens durch eine seknnd~re teilweise oder vSllige 0ssifikation der Fenestra vestibuli in Frage gestel]t werden. Die Ursache hierffir kann auch eine instrumentelle Verletzung des Fensterrandes sein.

Der experimentelle Nachweis einer mSglichen sekundaren 0ssifikation unter best immten Umstiinden bei der Einbringung yon Bindegewebs- implantaten in das Mittelohr soll keineswegs den Wert der Stapesplastik bei der chirurgischen Behandlung der Otosklerose schmglern. Auch wir haben die guten funktionellen Ergebnisse dieser Methode best~tigen kSnnen.

Fiir unser klinisches Handeln ergibt sich jedoch die Forderung, sich im Einzelfall immer wieder die Frage zu stellen, was operativ-technisch im tIinbHck auf die angestrebte HSrverbesserung erreicht werden kann, und was an re~ktiven Folgeerscheinungen zu erwarten ist.

Jedes instrumentelle Vorgehen am ovalen Fenster sollte das Opera- t ionstrauma an sich auf das in Beziehung zum angestrebten funktionellen Erfolg notwendige Mindestmal~ beschranken. Anderenfalls kSnnen Reparationsvorgange ausgelSst werden, die den Zweck des Eingriffes, die HSrverbesserung, vSllig in Frage stellen.

In Anbetracht einer mSglichen sekund/~ren Ossifikation schon bei L~sionen des normalen Labyrinthknochens mul~ jedes chirurgische Angehen eines otosklerotischen Herdes als nicht unbedenklich angesehen werden.

Literatur

B]~LL~ccI, R. J., and D. WOLFF: Repair and consequences of surgical trauma to the ossicles and oval window of experimental animals. Ann. Otol. (St. Louis) 67, 400 (1958).

BELLVCCI, R. J., and ]).Wo~,~F: Experimentally induced ankylosis of the stapes. Laryngoscope (St. Louis) 69, 229 (1959).

BELLVCCI, R. J., and D. WOLF~: Tissue reaction following reconstruction of the oval window in experimental animals. Ann. Otol. (St. Louis) 69, 517 (1969).

BO~ING]tAVS, I-]. G. : Erfahrungen mit der Stapesl0lastik nach ZA~G]~EIST~. Z. Laryng. Rhinol. 40, 41 (1961).

BOET~E, G. : Experimentelle Untersuchungen fiber Mil~criblge bei der Steigbfigel- chirurgie. HNO, Tagungsbericht (ira Druck) (1962).

FALK, P., u. K. I~Ii)SE]3ECX : Histologische Untersuchungen fiber die expcrimentelle Stapesplastik mit Weichteiltransplantaten. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 179, 159 (1961).

Page 9: Zur Reaktion der Fenestra vestibuli auf chirurgische Mikrotraumen im Tierexperiment

ST]~NGER: Schalleitungsbedingter ttochtonverlust nach der Stapesplastik 573

FErnAnDEZ, C., G. W. A~L]~x and J. R. LINDSAu Experimental studies in fixation of the stapes and fenestra ovalis. Laryngoscope (St. Louis) 68, 1881 (1958).

HA~Is, A. J. : Experimental findings followhlg the stapes replacement. Larnygo- scope (St. Louis) 71, 131 (1961).

HEEI~MA~, H. : /(ann die Ful~plattenplastik die Bogengangsfensterung ersetzen? Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-tteilk. 175, 502 (1959).

HE~R~A~, ~ . : Vergleichende Ergebnisse der Steigbfigelmobilisierung und FuS- plattenplastik. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 176, 659 (1960).

KU~PEmVlO~D, A.: Ergebnisse der Interposition bei der 0tosklerose an unserer Kliaik. HNO, Tagungsbericht (im Druck) (1962).

~USE]~ECK, K., U. P. FALK: Druckstrukturen im Transplantat bei der experimen- tellen Stap~splastik. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 178, 390 (1961).

MYE]%S, D., S.D. E]~ULKAS, W. D. SCttLOSS]~R, L. ~~ and R. A. WInCHEStER: Experiences with the fenestra ovalis technique of S ~ . Ann. 0tel. (St. Louis) 68, 996 (1959).

I ~ O ~ T ~ , G., 1VL PO~T~.~N~ et G. C/~VE~]~: La chirurgie de la surdit~. Paris: Librairie Arnette 1959.

SCHVK~]~C~T, H. F., T. M~I~O~D MCG]~E and B. H. C o ~ : Stapedectomy. Ann. Otol. (St. Louis) 68, 996 (1959).

ZANGEMEISTER, ]~. E. : Stapesplastik zwecks Funktionserhaltung der Schalleitungs- kette nach ErSffnung des ovalen Feasters bei nicht gelungener Mobflisation. Arch. Ohr.-, 1Nas.-, u. Kehlk.-tteilk. 173, 404 (1958).

Z b L L ~ , F. : Technik der Formung einer Columella aus Knochen. Z. Laryng. l~hinol. 39, 536 (1960).

48. H.H. STE~GElC-G5ttingen: ~ber den schalleitungsbedingfen Hoch- tonverlust nach der Stapesplastik (Mi~ 2 Textabbfldungen)

Betrachte~ m a n die Audiogramme yon Pat ientea , bei denen eine Stapespl~stik durchgefiihrt wurde, so f~llt auf, dab zuers~ die tiefen Frequenzen angehoben werden, w~hrend in den h6heren Frequenzen noch ein schalleitungsbedingter Hb'rverlust besteht, der gelegentlich sogar fiber das MaB dos pr~operat iven H6rverlustes hinausgehen kann und der nach einigen Wochen oder Monaten zurfickzagehen pflegt. Ers t dann n~her~ sich aach in den hohen Frequenzen die Luft le i tungskurve der Knochenlei tungskurve. Dieser anfi~ngliche ,,Hochtonverlust" ist offenbar Folge einer operabiv gesetzten Impedanz~nderung.

Wir fanden folgende Werte (Abb. 1): Bei 30 Pa t ien ten ergab die Erstun~ersuchung 7- -14 Tage nach dem Eingriff eine Mit telwertkurve ffir Luft lei tung, die in den tiefen Frequenzea bis 1000 t tz zwisehen 17 dB and 12 dB unterhalb der als Nullinie gesetzten Knochenleitung lag nnd d a n a bei 2000 Hz einen Verlust yon 30 dB and bei 4000 Hz von 42 dB aufwies. Die senkrechtea Striehe zeigen den Bereich der St reuung an.

I m Verlaaf von Woehen und Monaten ging der Sehalleitungsverlast aaf die gemit te l ten Wer~e der oberen Kurve zuriick, wobei der Aasgleieh des Hochtonver las tes besonders deutlieh wird.

37*