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Zeitschrift fur angewandte Chemie. 1900. Heft 9. Zur Reform des deutschen Patentgesetzes. Von Dr. Julius Ephraim. Unter den verschiedenen Vorschliigen, welche in der letzten Zeit zur Reform des deutschen Patentgesetzes gemacht wurden, nehmen die von Dr. E. Kllipp el (Zeitschrift fiir angewandte Chemie 1900, S. 2) zweifel- 10s die hervorrsgendste Stelle ein. Die em- pfohlenen Abhderungen lassen die Grund- lage des deutschen Patentgesetzes im Wesent- lichen unberiihrt, wenigstens ist dies die deutlich ausgesprochene Absicht des Ver- fassers. Der Inhalt der VorschliLge ist hier- nach derartig, dass sich selbst auf dem Boden des heutigen Gesetzes iiber dieselben discutiren liisst, welchen Vorzug die meisten anderen Vorschliige nicht besitzen. Die Be- deutung der Abiinderungen liegt weiter darin, dass dieselben ein inniges Vertrautsein mit dem Ertheilungsverfahren zeigen, wiihrend die meisten von anderen Seiten herriihrenden Vorschlilge die unerlHssliche Bekanntschaft mit dem Ertheilungsverfahren vermissen lassen. Diese Urnstiinde rechtfertigen eine eingehende Priifung der Vorschlage. Diese Priifung wird allerdings gerade in den wichtigsten und originellen Punkten zu einer Ablehnung der- selben fiihren. Trotzdem muss den Vor- schliigen ein hoher Werth zuerkannt werden, gerade weil sie eine Kliirung iiber Fragen herbeifibren kiinnen, deren Bedeutung fiir die Technik und namentlich fiir die chemische Industrie zweifellos ist. 1. Hauptpatent und Zusatzpatent. Wiihrend nach dem heutigen Patentge- setze auch fiir die Ertheilung von Zusatz- patenten das Vorhandensein einer Erfindung im Vergleich zum Hauptpatente verlangt wird, fordert Kl6ppel durch den von ihm auf- gestellten neuen 5 3 a (1. c. S. S), dass als Zusatzpatent jede neue von demHauptpatente abhangige Verbesserung oder weitere Aus- bildung der durch das Hauptpatent geschiitz- ten Erfindung dem Inhaber des Hauptpatentes zu patentiren sein soll (5 3a, 1. Absatz). Die Zusatzpatente erreichen in allen Fallen gleiehzeitig mit dem zugeh6rigen Hauptpatent ihr Ende ($ 3a, 3. Abs.). Mit dieser Forde- rung entfernt man sich zweifeIlos von der Absicht, welche der Gesetzgeber urspriinglich Ch 1900. bei der Schaffung der Zusatzpatente hatte. Die Einrichtung der Zusatzpatente geschah nicht, um dem ersten Erfinder einen weit- gehenderen Schutz in patentrechtlicher Hin- sicht zu gewiihren. Der Zweck, der mit den Zusatzpatenten erreicht werden sollte, be- stand vielmehr lediglich in der Gewiihrung pecuniker Erleichterungen fiir denjenigen, der eine Erfindung, die sich in der Schaffung neuer Patentrechte, wie sie die Zusatzpatente des geltenden Rechtes darstellen, fruchtbar erwies, geschaffen hat. Der neue Vorschlag bedeutet also nicht eine Fortbildung der Zu- satzpatente in dem heute bestehenden Sinne, vielmehr wiirde durch die neue Bestimmung iiber die Zusatzpatente denselben eine voll- kommen andere Bedeutung wie jetzt beigelegt werden. Es wiirde sich aIso urn eine durch- aus neue Kategorie von Patenten handeln, wenn die gewiinschte Bestimmung iiber Zu- satzpatente eingefiihrt wiirde. Aus diesem Grunde ist beeonders sorgfiiltig zu priifen, ob ein Bedurfniss fiir eine derartige grund- legende Neuerung vorhanden ist, und ob der Einfiihrung derselben nicht wichtige Bedenken entgegenstehen. Die Priifung des Vorschlages iiber die vergnderte Behandlung der Zusatzpatente muss sich zuniichst auf die in der besonderel: Formulirung der aufgestellten Gesetzesande- rungen enthaltenen Bestimmungen beziehen und dann auch den allgemeinen Inhalt der Neuerung, ohne Riicksicht auf die derselben augenblicklich gegebene Form, betreffen. Da fiir Verbesserungen und Erweiterungen, wenn sie von dem Hauptpatente abhiingig sind, van dem Vorhaudensein einer Erfindung abgesehen werden soll, ist die Forderung, die mangelnde Abhangigkeit als Einspruchs- grund einzufiihren (Anderung des 5 24, 1. C. S. la), gerechtfertigt. Es wiirde fiir eine derartige Bestimmung aber eine solche Fas- sung zu wiihlen sein, dass der Mange1 der Abhangigkeit nur dann zur Versagung der Zusatzanmeldung fiihren sol], wenn dieselbe gleichzeitig keine Erfindung darstellt. SO- bald die Zusatzanmeldung eine Erfindung enthiilt, wiirde ein Grund, bei dem Fehlen der Abhiingigkeit das Patent einfach zu ver- sagen, ohne in die Priifung auf das Vorliegen einer Erfindung niiher eineugehen, nicht be- stehen. Wahrscheinlich ist eine derartige 17

Zur Reform des deutschen Patentgesetzes

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Zeitschrift fur angewandte Chemie. 1900. Heft 9.

Zur Reform des deutschen Patentgesetzes. Von Dr. Julius Ephraim.

Unter den verschiedenen Vorschliigen, welche in der letzten Zeit zur Reform des deutschen Patentgesetzes gemacht wurden, nehmen die von Dr. E. Kl l ipp e l (Zeitschrift fiir angewandte Chemie 1900, S. 2) zweifel- 10s die hervorrsgendste Stelle ein. Die em- pfohlenen Abhderungen lassen die Grund- lage des deutschen Patentgesetzes im Wesent- lichen unberiihrt, wenigstens ist dies die deutlich ausgesprochene Absicht des Ver- fassers. Der Inhalt der VorschliLge ist hier- nach derartig, dass sich selbst auf dem Boden des heutigen Gesetzes iiber dieselben discutiren liisst, welchen Vorzug die meisten anderen Vorschliige nicht besitzen. Die Be- deutung der Abiinderungen liegt weiter darin, dass dieselben ein inniges Vertrautsein mit dem Ertheilungsverfahren zeigen, wiihrend die meisten von anderen Seiten herriihrenden Vorschlilge die unerlHssliche Bekanntschaft mit dem Ertheilungsverfahren vermissen lassen. Diese Urnstiinde rechtfertigen eine eingehende Priifung der Vorschlage. Diese Priifung wird allerdings gerade in den wichtigsten und originellen Punkten zu einer Ablehnung der- selben fiihren. Trotzdem muss den Vor- schliigen ein hoher Werth zuerkannt werden, gerade weil sie eine Kliirung iiber Fragen herbeifibren kiinnen, deren Bedeutung fiir die Technik und namentlich fiir die chemische Industrie zweifellos ist.

1. H a u p t p a t e n t u n d Z u s a t z p a t e n t . Wiihrend nach dem heutigen Patentge-

setze auch fiir die Ertheilung von Zusatz- patenten das Vorhandensein einer Erfindung im Vergleich zum Hauptpatente verlangt wird, fordert K l 6 p p e l durch den von ihm auf- gestellten neuen 5 3 a (1. c. S. S), dass als Zusatzpatent jede n e u e von demHauptpatente a b h a n g i g e Verbesserung oder weitere Aus- bildung der durch das Hauptpatent geschiitz- ten Erfindung dem Inhaber des Hauptpatentes zu patentiren sein soll ( 5 3a, 1. Absatz). Die Zusatzpatente erreichen in allen Fallen gleiehzeitig mit dem zugeh6rigen Hauptpatent ihr Ende ($ 3a , 3. Abs.). Mit dieser Forde- rung entfernt man sich zweifeIlos von der Absicht, welche der Gesetzgeber urspriinglich

Ch 1900.

bei der Schaffung der Zusatzpatente hatte. Die Einrichtung der Zusatzpatente geschah nicht, um dem ersten Erfinder einen weit- gehenderen Schutz in patentrechtlicher Hin- sicht zu gewiihren. Der Zweck, der mit den Zusatzpatenten erreicht werden sollte, be- stand vielmehr lediglich in der Gewiihrung pecuniker Erleichterungen fiir denjenigen, der eine Erfindung, die sich in der Schaffung neuer Patentrechte, wie sie die Zusatzpatente des geltenden Rechtes darstellen, fruchtbar erwies, geschaffen hat. Der neue Vorschlag bedeutet also nicht eine Fortbildung der Zu- satzpatente in dem heute bestehenden Sinne, vielmehr wiirde durch die neue Bestimmung iiber die Zusatzpatente denselben eine voll- kommen andere Bedeutung wie jetzt beigelegt werden. E s wiirde sich aIso urn eine durch- aus neue Kategorie von Patenten handeln, wenn die gewiinschte Bestimmung iiber Zu- satzpatente eingefiihrt wiirde. Aus diesem Grunde ist beeonders sorgfiiltig zu priifen, ob ein Bedurfniss fiir eine derartige grund- legende Neuerung vorhanden ist, und ob der Einfiihrung derselben nicht wichtige Bedenken entgegenstehen.

Die Priifung des Vorschlages iiber die vergnderte Behandlung der Zusatzpatente muss sich zuniichst auf die in der besonderel: Formulirung der aufgestellten Gesetzesande- rungen enthaltenen Bestimmungen beziehen und dann auch den allgemeinen Inhalt der Neuerung, ohne Riicksicht auf die derselben augenblicklich gegebene Form, betreffen. Da fiir Verbesserungen und Erweiterungen, wenn sie von dem Hauptpatente abhiingig sind, van dem Vorhaudensein einer Erfindung abgesehen werden soll, ist die Forderung, die mangelnde Abhangigkeit als Einspruchs- grund einzufiihren (Anderung des 5 24, 1. C.

S. la), gerechtfertigt. Es wiirde fiir eine derartige Bestimmung aber eine solche Fas- sung zu wiihlen sein, dass der Mange1 der Abhangigkeit nur dann zur Versagung der Zusatzanmeldung fiihren sol], wenn dieselbe gleichzeitig keine Erfindung darstellt. SO- bald die Zusatzanmeldung eine Erfindung enthiilt, wiirde ein Grund, bei dem Fehlen der Abhiingigkeit das Patent einfach zu ver- sagen, ohne in die Priifung auf das Vorliegen einer Erfindung niiher eineugehen, nicht be- stehen. Wahrscheinlich ist eine derartige

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Harte auch nicht beabsichtigt, doch kann es nach dem Wortlaute des Vorschlages zweifel- haft sein, ob beim Fehlen des Abhangigkeits- verbliltnisses auch dann im Einspruchsver- fahren eine Zuriickweisung erfolgen muss, wenn in dem falschlicherweise als Zusatz ausgelegten Patente eine Erfindung enthalten ie t , und also der Ertheilung eines selbst- standigen Patentes nichts im Wege stande. Von diesem Gesichtspunkte aus miisste also eine andere Fassung des Vorschlages iiber den Einspruchsgrund vorgenommen werden, damit ein Zweifel dariiber nicht bestehen kann, dass das Fehlen des Zusatzverhflt- nisses nur d a m ein Grund zur volligen Zuriickweisung der Zusatzanmeldung ist, wenn eine Erfindung nicht vorhanden ist. Aller- dings sind auch hierbei noch einige Punkte zu beachten, auf die spater noch eingegangen werden soll.

Auffallend ist es, dass das Fehlen der Abhangigkeit wohl als Einspruchsgrund, nicht aber auch als Nichtigkeitsgrund gelten ~011. Dies kann als eine folgeriehtige Ausgestal- tung der Vorschlage nicht angesehen werden. Wenn fur Zusatzpatente lediglich wegen der bestehenden Abhangigkeit eine mildere Anforderung gestellt werden soll, so muss eine Nacbpriifung iiber das Vorhandensein des Zusatzverhlltnisses mijglich sein, und zwar nicht nur im Einspruche, sondern auch in der Nichtigkeitsklage. Die Nichtigkeits- griinde miissten also ebenso erweitert werden, wie es fiir die Einspruchsgriinde vorgeschlagen wird. Sobald aber die Nichtigkeitsgrunde nach dieser Richtung ausgedehnt werden, i S t der durch die mildere Beurtheilung der Zusatzanmeldung angestrebte Vortheil, n L m lich zeitraubende und kostspielige Feststel- lungs- und Verletzungsklagen zu vermeiden, ziemlich hinfiillig geworden. Wer unter dem jetzigen Gesetze selbst dann, wenn das ausge- iibte Verfahren zweifellos unter einPatent fallt, eine Verletzung begehen wird, wurde sich vor- aussichtlich auch durch das Bestehen eines be- sonderen Zusatzpatentes von einer Patent- verletzung nicht abhalten lassen. I n den- jenigen Fallen, wo ein Zweifel iiber den Schutzumfang des Patentes bestehen kann, wiirde aber auch das Zusatzvethaltniss nicht vollkommen ausser Frage sein. Wer es bei dem jetzigen Gesetze auf eine richterliche Entscheidung einer zweifelhaften Sache an- kommen lasst, wiirde also bei Einfiibrung der Vorschlage eine Nichtigkeitsklage wegen fehl en der A bhangigkeit anstren gen. Der Unter- schied wiirde also nur darin bestehen, dass beute der Patentinhaber eine Klage anzu- strengen hat, wlhrend spater der Concurrent als klagende Partei auftreten wiirde. Der

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lurch die Verschiebung des Verhilltnisses 'iir den Patentinhaber erzielte Gewinn ware tewiss so minimal und zweifelhaft, dass sich ieshalb eine Gesetzesanderung wohl kaum ohnen wiirde. Der etwa erreichte Vortheil 'iir den Patentinhaber ist aber auch noch iicht einmal sicher. Unter dem jetzigen Gesetze llisst sich vielleicht Mancher durch ias Odium einer Verletzungsklage von der Benutzung eines Verfahrens, das m6glicher- weise eine Patentverletzung darstellt, ab- balten. Eine Nichtigkeitsklage ist aber be- quemer und leichter zu fiihren, so dass 3er Patentinhaber in seinem Besitze durch- BUS nicht sicherer wie jetzt sein wiirde. Die Vortheile, welche vielleicht die Austragung des Streites durch die Nichtigkeitsklage fiir den Patentinbaber darbietet, kommen auch der Gegenpartei zu Gute, so dass eine Ver- mehrung der Angriffe zu erwarten sein diirfte.

Der Vorschlag, dass mit dem Haupt- patente auch das Zusatzpatent unter allen Urnstanden fallen soll (Vorschlag 5 3a, 3. Absatz), wiirde den Patentinhaber, der nicht nur seine erste Erfindung ausbaut, sondern noch neue Erfindungen an dieselbe schliesst, dazu zwingen, auf die Vortheile der heutigen Zusatzanmeldungen zuverzicbten. Auch wenn das Hauptpatent wegen Nicht- neuheit etc. nicht patentfahig sein wiirde, kann das Zusatzpatent unter beutigen Ver- htiltnissen noch mit Recht aufrecht erhalten werden. Nach dem Vorschlage wiirde dies ausgeschlossen sein, so dass der Patentin- haber gezwungen wiirde, ein selbststiindiges Patent anzumelden, um nicht Gefahr zu laufen, bei der Vernichtung des Haupt- patentes auch sein Zusatzpatent zu verlieren. Der fruchtbare Er6nder wiirde also im Ver- gleich zum heutigen Gesetze schlechter ge- stellt sein.

Uberhaupt kann der Grundsatz, dass mit dem Hauptpatente in allen Fiillen das Zu- satzpatent erloschen muss, in dieser aus- nahmslosen Allgemeinheit selbst vom Stand- punkte der Vorschlage nicht als zutreffend anerkannt werden. Das Hauptpatent kann bekanntlich auch aus anderen Griinden als Nichtpatentfahigkeit und Nichtzablung der Taxen erliischen. Wenn es wegen Nicht- ausiibung nach Ablauf von 3 Jahren seit Bekanntmachung der Patentertheilung auf Grund des 5 11 des Patentgesetzes zuriick- genommen werden und damit erlaschen sollte, so besteht kein Grund, auch das Zusatz- patent erliischen zu lassen, wenn fiir das- selbe die dreijahrige Erist seit Bekannt- machung der Patentertheilung noch nicht verstrichen sein sollte. Mit Riicksicht hierauf miisste der dritte Absatz des neuen 5 3a,

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dass Zusatzpatente in allen Fiillen mit dem zugehiirigen Hauptpatente ihr Ende erreichen. entsprechend geiindert werden.

Der Zweck der Vorschliige van Kl i jppe l ist, fur das Hauptpatent durch die Zusatz- patente einen sichereren Schutz wie heute zu gewinnen. Bei Ubertragung derjetzigen Rechts- anschauungen auf die spiiter etwa eintretenden Verhaltnisse muss es aber auch zweifelhaft erscheinen, ob dies thatsiichlich in allen Fiillen erreicht wird. Auch nach den Vorschlagen muss der Inhalt des Zusatzpatentes ,,neu"sein, das Zusatzpatent wird also etwas bringen miissen, was in dem Hauptpatente noch nicht vollkommen deutlich ausgesprochen ist. Wenn nun Zusatzpatente angemeldet sind, kann das einfache Vorhandensein derselben ein- schriinkend auf die Auslegung des Haupt- patentes mit Riicksicht auf zu dem Zu- satzpatente analoge Neuerungen wirken. Man wiirde aus dem Umstande, dass der Patent- inhaber fur ein Verfahren, welches zu- niichst i n dem Hauptpatente enthalten sein kiinnte, noch die besondere Erkliirung eines Schutzes fiir nothwendig erachtete, den Riick- schluss ziehen, dass iiberhaupt das Haupt- patent in beschrHnktem Sinne auszulegen ist. Eine derartige Gefahr besteht wenigstens unter den heutigen Verhaltnissen. I n der Reichsgerichtsentscbeidung iiber die Aus- legung des Patentes 46 805 ,Neuerung in dem Verfahren zur Herstellung von Schwefel- derivaten der Paradiamine und zur Umwand- lung derselben in schwefelhaltige Farbstoffe", welches die Darstellung von Methylenblau aus Dimethylanilin und Amidodimethylanilin- mercaptansulfosiiure nach Anspruch und Be- schreibung betritrt, wurde das Vorhandensein des Zusatzpatentes 47 345 als fur das Haupt- patent einschriinkend angesehen. ,,Die nach- folgende Anmeldung des Zusatzpatentes 47 345 deutet darauf hin, dass die Beklagte . . . erst spiiter die Gewinnung weiterer Farbstoffe auf dem in dem Patent 46 805 beschriebenen Wege kennen gelernt hat. Auch dieses Zusatzpatent enthiilt keine Hindeutung auf eine generelle Verwendbarkeit des beschriebe- nen Verfahrens . . . ." (Blatt fur Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1896 S. 295). Die in dieser Entscheidung im zweiten an- gefiihrten Satze ausgesprochene Uberlegung wiirde bei den neuen Zusatzpatenten in noch weitergehendem Umfange anwendbar sein, so dass auch nach dieser Richtung die Neuerung zweischneidig wirken kann.

Auch vom Standpunkte der Industrie miissen gegen die abweichende Behandlung der Zusatzpatente ernste Bedenken erhoben werden. Zuniichst kBnnte es allerdings den Anschein haben, dass die Neuerung wirklich

rein formaler Natur ist, wie K l i i p p e l (1. c. s. 7, Spal te l , Zeile9)angiebt. E s kijnnen aber Umstiinde eintreten, wo die Zusatzpatente trotz des bestehenden Abhiingigkeitsverbllt- nisses einen Schutz gewahren sollen, der unzuliissig ist. Ein derartiger Versuch wurde bei dem S chaal'schen Harzsiiureesterpatent gemacht und kann als typisch fiir iihnliche Falle angesehen werden. Das D.R.P. 32083 hatte folgende Anspriiche: 1. Verfahren zur Herstellung von Harzsaureestern, indem man rohe Harzsiiuren zuniichst durch Destilliren oderExtrahiren von fliichtigeren und weicheren Antheilen befreit und die harten Harzsiiure- riickstiinde rnit Alkoholen oder Phenolen durch Erhitzen mit oder ohne Zusatz die Reaction begiinstigender Stoffe zu Estern condensirt, endlich die Harzsiiureester durch Destillation im Vacuum in weichere und hartere harzartige Kiirper iiberfiihrt. 2. Ver- fahren zur Herstellung von Lacken und Fir- nissen aus Earzsiiureestern, indem man die Harzsiiureester nach Art der natiirlichen Harze mit iitherischen oder fetten Olen rnit Kohlenwasserstoffen oder Alkoholen verar- beitet.

Das Zusatzpatent 38 467 hatte den Pa- tentanspruch: Verfahren zur Herstellung von Harzsaureestern, indem man die Harzsiiuren rnit Alkoholen oder Phenolen durch Erhitzen mit oder ohne Druck und mit oder ohne Zusatz die Reaction begiinstigender Stoffe zu Estern condensirt, endlich das erhaltene Gemisch durch die Destillation in weichere und hlrtere Ester und in Slige Theile scheidet.

Diese Patentanspriiche, welche ein all- gemeines Verfahren deckten , wurden durch das Reichsgericht am 27. Juni 1891 be- schriinkt. Es hatte sich niimlich gezeigt, dass nicht alle Alkohole rnit den Harzsiiuren Ester zu bilden verm6gen. Manche Alkohole Iiefern Ester, andere dagegen nicht. Infolge dessen wurde das Patent auf die wenigen Beispiele beschriinkt, welche in der Patent- beschreibung angefiihrt waren. I n einem Zusatzpatente No. 75 126, welches am 5. De- :ember 1891 angemeldet wurde, gab der Patentinhaber weitere Harzsiiuren an, aus 3enen Ester hergestellt werden kijnnen und machte auch weitere Alkohole namhaft. Das Zusatzpatent enthielt also thatsiichlich Ver- Fahren, die in den beschrankten Anspriichen ies Hauptpatentes nicht einzeln angefIihrt waren und lediglich Analogien zu den Hethoden des Hauptpatentes darstellen. Das Kriterium der ,,Neuheit" und des Zu- iatzverhiil tnisses war vorhanden, dagegen ronnte in dem Zusatzpatente keine Erfindung ?rblickt werden, weshalb es durch eine spatere Reichsgerichtsentscheidung vernichtet wurde.

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Der Zweck der Anmeldung des Zusatz- patentes 75 126 war augenscheinlich, den Schutz des in der Nichtigkeitsklage einge- schrlnkten Patentes wiederum auszudehnen, wie auch in der Entscheidung iiber das D.R.P. 75 126 ausgesprochen ist. Die Anmeldung geschah erst nach dem Erlasse des Reichs- gerichtserkenntnisses , welches das Haupt- patent theilweise vernichtete. Ware das Zusatzpatent aufrecht erhalten worden, so wiirde die Wirkung des Nichtigkeitsurtheiles hinfiillig geworden seio. Bei der Annahme der neuen Vorschliige wiirde aber das Zusatz- patent nicht zu bekampfen gewesen sein und der durch dasselbe erzielte Schutz hiitte respectirt werden miissen. Ein Zweifel, dass die Erweiterung der Rechtssphtre des be- schrankten Hauptpatentes durch das Zusatz- patent eine Ungerechtigkeit gewescn wfre, kann wohl kaum bestehen. Die theilweise Nichtigkeitserklfrung des Hauptpatentes be- deutet die Feststellung, dass der urspriing- lich weite Schutz zu Unrecht ertheilt war. Die eingetretene Richtigstellung des bei der Patentertheilung begangenen Irrthums wird aber durch das Zusatzpatent wieder ausge- @;lichen, so dass der urspriingliche Zustand von Neuem eintritt. Man kann auch nicht geltend machen, dass die zu weitgehende Anmeldung nur die Folge der jetzt geltenden Bestimmungen iiber die Zusatzpatente war. Durch die in der Nichtigkeitsklage gemachten Feststellungen wurde erst gezeigt, in welchen Fallen das Verfahren anwendbar i s t und wann n i c k Die Zusatzpatente stellten im Grunde eine Einschrankung des Hauptpatentes dar, das auf Dinge Bescblag legte, die dem Anmelder nicht mehr zukamen. Der Nich- tigkeitsklager hat in diesem Falle eigentlich die Durcharbeitung des Gebietes iibernommen oder angeregt, wahrend der Inhaber von den Un tersuchungen, die der Nichtigkeitsklager mittelbar oder unmittelbar veranlasste, fiir eine Sicherstellung des gefahrdeten Schutzes durch das Zusatzpatent Nutzen ziehen wollte.

Sobald die Vorschlage eingefiihrt wiirden, miisste sich der Fa l l der Schaal’schen Pa- tente iifters ereignen. Wenn ein Verfahren auf- gefunden ist, das allgemeiner Anwendung zu- ganglich zu sein scheint, wird man, unbekiim- mert, ob die Ausdehnbarkeit thatsachlich vor- handen ist, die Anmeldung in allgemeiner Form bewirken und ein Gebiet occupiren, dessen Besitz thatsachlich nicht zukommt. Wenn wirklich das Verfahren allgemeiner Natur ware, wiirde der allgemeine Schutz auch unter heutigen Verhlltnissen gerecht- fertigt sein. 1st aber das Verfahren nicht ein allgemeines, so wiirde nach dem heutigen Gesetze eine Einschrankung durch die Nich-

[ Zeitsehrift nlr Ephxaim: Reform des deutschen Patentgeeetzca. angewandte Chemie.

bigkeitsklage zu befiirchten sein. Die Schrecken h e r derartigen Beschrlnkung haben aber h e Furchtbarkeit durch die Miiglichkeit, Zusatzpatente anzumelden , viillig verloren. Im Gegentheil kann die Nichtigkeitsklage Fiir den Patentinhaber nur aufklarend und belehrend wirken, so dass sie im gewissen Sinne von Nutzen sein muss. Derartige Ver- hiiltnisse wiirden aber der jetzigen Werth- schatzung der deutschen Patente nur Abbruch thun kiinnen.

Es wiirde hieroach unvermeidlich sein, dass eine Bestimmung iiber den Zeitpunkt, bis zu welchem die Anmeldung von Zusatz- patenten zuliissig sein wiirde, getroffen wird. Wenn nicht sehr ernste Missstande, welehe der Industrie hohe Schiidigungen zufiigen kiinnen, eintreten sollen, darf nicht dem Patentinhaber wiihrend der ganzen Zeit der Patentdauer die Anmeldung von Zusatzpa- tenten freistehen. Falls aber eine Zeitbe- schrankung fiir die Anmeldung von Zusatz- patenten eingefiihrt werden sollte, wird das- jenige, was die Vorschlage in ihrem Sinne bezwecken, thatsPchlich nicht erreicht. So- bald die etwa gestellte Frist abgelaufen sein wiirde, miissten genau die gleichen Verhalt- nisse, wie sie heute bestehen, eintreten. Die Bemessung der Frist wiirde aber sehr grosse Schwierigkeiten bereiten. Eine Zeitschatzung, wann beispielsweise durchechnittlich die Auf- findung neuer Homologen fiir Ausgangsmate- rialien, deren Anwendung geschiitzt ist, statt- zufinden pflegt, lasst sich gewiss nicht aus- fiihren. Sehr lang diirfte die etwa zu ge- wahrende Frist auch nicht sein, wie j a auch die Gesetzgebungen anderer Liinder, nach denen fur einen gewissen Zeitraum am- schliesslich dem ersten Patentinhaber das Recht, Verbesserungen an dem geschiitzten Verfahren anzumelden, zusteht, nur eine ganz kurze Zeit diese Vergiinstigung gewahren. Beispielsweise ha t nach 5 23 des italienischen Patentgesetzes fur die ersten 6 Monate nach der Patentertheilung nur der Patentinbaber das Recht, Verbesserungen anzumelden. Diesen Vorsprung gewahrt aber auch im ge- wissen Sinne das deutsche Patentgesetz durch die Zeit, die bei der Vorpriifung zu vergehen pflegt und durch die Mcglichkeit, die Aus- lage zu verziigern. K l i i p p e l erkennt aber selbst an, dass die Ubelstande, die er zu beseitigen beabsichtigt, erst nach der Druck- legung der Patentschrift, also nachdem bei- spielsweise die von dem italieniscben Gesetze vorgesehene Zeit meist verstrichen ist, ein- zutreten pflegen. Es wird also sehr schwer halten, zwischen den Rechten des Erfinders und der Allgemeinheit bier gerecht abzu- wagen.

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Eine grosse Schwierigkeit muss der Ein- spruchsgrund (und eventuelle Nichtigkeits- grund) wegen mangelnder Abhiingigkeit be- reiten. Zu den Griinden, welche ein Ab- hiingigkeitsverhiiltniss zwischen zwei Erfin- dungen auszuschliessen vermiigen, gehiirt der Umstand, dass die zweite Erfindung infolge der erreichten neuen Wirkung aus dem Schutzbereiche des friiheren Patentes fallen kanu. Die Miiglichkeit eines derartigen Verhiiltnisses ist i n der Reichsgerichtsent- scheiduug vom 29. Februar 1896 (Blatt f i r Patent-, Muster- u. Zeichenwesen 1897 S.291) ausgesprochen. Venn n u n bei der Paten- tirung von Zusatzanmeldungen von dem Vor- liegen des technischen Effectes ganzlich ab- gesehen wird, so kann das Vorhandensein desselben auch nicht fur die Frage der Nichtabhiingigkeit herangezogen werden. Der Anmelder des Zusatzpatentes wird die Frage gewiss nicht beriihren, denn ihm ist es natiirlich i n erster Linie um die Erlangung des Patentes zu thun. Das Patentamt da- gegen wird fiir sich auch nicht in die Lage kommen , durch eigene Ermittelungen , die ohne Mithiilfe des Anmelders ausgefiihrt wer- den miissten, die Frage zu liisen, ob etwa ein derartig bedeutender technischer Effect vorliegt, dass aus diesem Grunde das Vor- handensein des Abhiingigkeitsverhaltnisses zu verneinen ist. Die fragliche Erfindung wiirde also als Zusatzanmeldung zuniichst zur Auslage kommen. Sol1 nun der Ein- sprechende den technischen Effect nachweisen und hiermit miiglicherweise erst den An- melder auf Vortheile aufmerksam machen, die demselben vorher vielleicht unbekannt waren? Ein derartiges Vorgehen wiirde die Industrie zwingen, eine game Reihe von Zusatzverfahren vom technischen Standpunkt griindlich durchzuarbeiten , wozu schon, ab- gesehen von allem Anderen, die fiir die Ein- legung des Einspruches zur Verfiigung stehende Zeit nicht hinreichen wiirde. Wenn nun aber wirklich der Nachweis erbracht werden sollte, dass aus irgend einem Grunde die Abhiingigkeit nicht vorliegt, was sol1 dann mit der Anmeldung weiter geschehen? Eine einfache Ertheilung wiirde unzuliissig sein, da j a auf Vorliegen einer Erfindung nicht gepriift worden ist. Es musste also zuniichst eine neue Priifung mit nochmaliger Auslage stattfinden. Rierbei wiirde aber noch zu beachten sein, dass die Zuliissigkeit einer derartigen Priifung, die eventuell spater zur Patentertheilung fuhren kiinnte, auch nicht viillig zweifelsfrei sein kann. Durch eine game Reihe von Reichsgerichtsentschei- dungen ist wiederholt ausgesprochen worden, dass Vorziige, die nicht in der Patentbe-

schreibung ausgesprochen sind, fiir die Patent- fahigkeit nicht geltend gemacht werden kiinnen. Die i n Frage kommenden Wirkungen sind aber ohne Zweifel nicht in der Patent- beschreibung angefiihrt, da sie ja in der Vorpriifung sonst zur Verneinung der Ab- hiingigkeit hiitten fiihren miissen. Noch schwieriger gestalten sich aber die Verhiilt- nisse, wenn es sich um ein bereits ertheiltes Patent handelt. Falls hier die Abhangigkeit verneint werden sollte, und etwa dieser Um- stand nicht allein zur viilligen Vernichtung des Patentes als geniigend erachtet wiirde, sondern nur die Aufhebung des Zusatzver- hiltnisses herbeifiihrte, wiirde ein selbst- stiindiges Patent vorliegen, das ohne Priifung auf Erfindung ertheilt worden ware. Trotz- dem hatte dieses Patent alle Rechte eines anderen Patentes, das in dem fiir selbststiin- dige Anmeldungen vorgeschriebenen gesetz- lichen Wege ertheilt wurde. Besonders ist aber zu beachten, dass diese neuen selbst- stiindigen Patente auf Grund eines Umstandes aufrecht erhalten wiirden, dcr nicht aus der Patentschrift als neue Wirkung ersehen wer- den kann. Es wiirde also Bier die Nicht- beachtung eines fest begriindeten Rechts- grundsatzes vorliegen. Gerade bei der all- gemein anerkannten Wichtigkeit desprincipes, um das es sich handelt, wiirde die Ver- letzung desselben von hiichster Bedeutung sein. 1st schon der erwahnte Ausnahme- zustand ungepriifter selbststiindiger Patente iiberhaupt zu bekiimpfen, so miisste dies um so mehr der Fall sein, weil die Patentschrift eine solche Beschaffenheit hat , dass schon deshalb die Aufrechterhaltung des Patentes nicht zu rechtfertigen wiire.

Man kann auch nicht etwa geltend machen, dass einerseits der Patentinhaber die fiir ihn eintretenden Schwierigkeiten durch einfache Anmeldung des Patentes in selbststlndiger Form vermeiden kann und auf der einen Seite die Industrie kein Interesse an der Ertheilung eines Patentes in ab- hiingiger oder anderer Form hat. Der Fall des Auerpatentes zeigt die Unrichtigkeit dieser Anschauung. Das erste Patent A u e r ’ s bezog sich auf Verwendung bestimmter Mischungsverhaltnisse seltener Erden fiir Gliihkiirper fiir Gasgliihlicht. Spiiter fand Auer , dass praktische Resultate nur unter Verwendung eines viillig anderen Mischungs- verhiiltnissee, das durch einen geringen Cer- zusatz zu Thorium gekennzeichnet ist, zu xzielen sind. Der Patentanmeldung auf i a s neue Verfahren wurde die friiher ver- Bffentlichte erste Patentschrift entgegenge- balten, weshalb A u e r diesen wichtigen Theil aeiner Anmeldung fallen liess. Nach den

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neuen Vorschlagen wiirde wahrscheinlich eine Zusatzanmeldung rnit Erfolg eingereicht wor- den sein. Wie der Ausgang der Verletzungs- klagen, wonach in der Anwendung des neuen nicht geschiitzten Verfahrens keine Patent- verletzung lag, gezeigt hat, musste das Vor- liegen einer Abhiingigkeit verneint werden. Andererseits hatte das Patentamt die Neue- rung selbstandig nicht f i r patentflihig ange- sehen. Unter diesen Urnstanden wiirde nach Verneinung der Abhilngigkeit auch das Patent nicht aufrecht zu erhalten gewesen sein, denn nach den die Ertheilung begleitenden Umstanden, die spater bei der Nachpriifung im Nichtigkeitsverfahren maassgebend sind, hiitte das Patentamt die deutliche Absicht gehabt, dasjenige Moment, welches nach der Ertheilung hervorgetreten sein wiirde, nicht als patentbegriindend gelten zu lassen. Wie sollte in derartigen schwierigen und weit- tragenden Fiillen die Entscheidung lauten?

Nach den vorstehenden Darlegungen ist die beabsichtigte Neuregelung der Zusatz- patente nicht einwandfrei und bedarf sowohl i n ihrem Grundgedanken wie i n der beson- deren vorgeschlagenen Ausfiihrungsform noch eingehender Erwiigung. Fur den Inhaber des Hauptpatentes besteht namentlich die Gefahr einer beschrankten Auslegung des Patentes beim Vorliegen von Zusatzpatenten. Die Forderung des ausnahmslosen Erliischens von Zusatzpatenten rnit dem Hauptpatente ist zum mindesten bei der Zuriicknahme des Hauptpatentes wegen unterbliobener Aus- iibung nicht gerechtfertigt. Die Zuriick- weisung wegen Nichtbestehens des Zusatz- verhaltnisses bedarf einer besonderen Re- gelung, welche die Interessen des Erfinders und der Industrie zu beriicksichtigen hat. Die Frage, ob der Mange1 des Zusatzver- haltnisses als Nichtigkeitsgrund zu gelten hat, bedarf einer Liisung. Die Industrie ist an diesen Fragen in besonders hohem Grade interessirt. E s wiirde fur die Industrie noch zu beachten sein, ob die Anmeldung von Zusatzpatenten der neuen Art wlhrend der gesammten Zeit der Patentdauer zulassig sein soll. Von der Entscheidung iiber die beriihrten Fragen wird es in erster Linie abhangen , ob die vorgeschlagene Neuerung anzunehmen sein wird oder nicht. Zunachst wird man sich rnit dem Vorschlage nicht einverstanden erklaren kiinnen, wenn nicht eine einwandfreie Lijsung der betonten Schwierigkeiten gefunden werden sollte.

Der Schaffung der neuen Art von Zusatz- patenten steht noch ein anderes Bedenken entgegen. E s wiirde niimlich in diesem einen Falle von der Priifung auf das Vor- liegen einer Erfindung abgesehen werden

[ Zeitschrift fiir Ephraim: Referm des deutachen Patentgesetzes. angewandte Chemie.

mYissen. Statt derselben wiirde nur die Priifung auf ,,NeuheitL' erfolgen. Fur die Mitglieder des Patentamtes wiirde hiernach die Nothwendigkeit eintreten, sich zwei ver- schiedene Grundsatze f i r die Ertheilung von Patenten anzueiguen. Dies wurde bereits zu Schwierigkeiten und Unzutraglichkeitenfiihren miissen. Dann wiirde aber auch die Gefahr bestehen, dass unmerklich zunachst die An- forderungen an den Erfindungsbegriff herab- gemindert wiirden und dass schliesslich uber- haupt nur auf Neuheit gepruft wiirde. D a die jetzige Priifung tluf Erfindung von der chemischen Industrie allgemein als richtig anerkannt wird, so wiirde eine Milderung der Anforderungen fiir selbstandige Patente zweifellos auf Widerspruch stossen miissen. Es ist aber als ziemlich sicher anzunehmen, dass eine gegenseitige Beeinflussung der ver- schiedenen Priifungsarten eintreten muss. Die erwahnte Schwierigkeit, verschiedene Ge- sichtspunkte bei der Priifung anzuwenden, ist durchaus nicht zu unterschatzen. Be' Entscheidungen iiber die Schutzfahigkeit von Gebrauchsmustern begegnet man diesem Ubel- stande bestandig. E s wiirde durch Einfiih- rung zweier verschiedener Begriffe fiir Patent- flihigkeit die schon jetzt nicht leichte Prii- fung von Erfindungen besonders rnit Riick- sicht auf die Einheitlichkeit der Entschei- dungen ausserordentlich erschwert werden. Auch mit Riicksicht hierauf wird sorgfiltig zu iiberlegen sein, ob eine solche Erschwe- rung der Priifung von Patentanmeldungen unumganglich nothwendig ist.

2. D i e VerGf fen t l i chung de r a u s - l i e g e n d e n A n m e l d u n g e n .

Der Vorschlag, die Drucklegung der aus- liegenden Anmeldungen zu gestatten (Ande- rung zu s 20 s. ll), muss mit Rucksicht auf die auslandische Gesetzgebung zu ernsten Bedenken Veranlassung geben. Die Ein- reichung von Anmeldungen im Auslande er- folgt seitens der deutschen Erfinder in nicht wenigen Fallen erst, wenn die Erlangung des deutschen Patentes gesichert ist. Dieser Zeitpunkt ist aber mit der Auslegung der Anmeldung noch nicht eingetreten, da j a die Einspriiche neues Material bringen kiinnen. In verschiedenen Lllndern, z. B. in Norwegen, gelten amtliche Patentschriften bis zu einem bestimmten Zeitraum nicht als patenthindernd. Fur die Veriiffentlichungen der Erfindung durch dritte Personen besteht aber eine der- artige Vergiinstigung nicht. Wenn also nicht besonders fiir deutsche Erfinder eine ernste Schadigung durch Drucklegung der ausliegenden Anmeldungen herbeigefihrt wer- den 9011, miisste eine Abanderung der aus-

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217 Jahrgang 1900. Heft 9. 27. Februar 19OO. l Ephraim: Reform des deutschen Patentgesetzes.

landischen Gesetze durch Vereinbarung er- zielt werden. Die Schwierigkeiten einer der- artigen Abiinderung der auslhdischen Ge- setze bedfirfen wohl keiner niiheren Dar- legung. Auch in Deutschland selbst wiirde die Maassregel nicht ohne Bedenken sein, denn die Wiederholung einer nach der Aus- legung zuriickgewiesenen Anmeldung wiirde dann ausgeschlossen sein. E s ist aber bier- bei zu beriicksichtigen, dass nach beendigter Auslegung nicht nothwendig die Zuriick- weisung der Anmeldungen durch einen Einspruch mit neuem Litteraturmaterial herbeigefiihrt werden muss, sondern dass nicht selten die Anmeldeabtheilung selbst- stiindig die Priifung von Neuem aufnimmt. Unter diesen Umstiinden wiirde die Druck- legung eine Veriiffentlichung des Anmeldungs- gegenstandes herbeifiihren , die miiglicher Weise der Anmelder hiitte vermieden sehen wollen, wenn er auf die Nichtertheilung des Patentes gerechnet hiitte. Der Unterschied zwischen der franz8sischen und deutschen Rechtsprechung iiber die Bedeutung der Aus- legung in Deutschland beruht auf einer principiellen Verschiedenheit der Bestim- mungen iiber die Nichtneuheit. In Deutsch- land sind nur iiffentliche Druckschriften und offenkundige Vorbenutzung patenthindernd, wjihrend in Frankreich das Bekanntwerden der Erfindung bereits allein geniigt, gleich- giiltig in welcher Weise die Kenntniss des Erfindungsgegenstandes vermittelt wurde. Der Hinweis auf die franziisische Recht- sprechung kann daher im vorliegenden Fall nicht die Einfiihrung der geplanten Neue- rung begriinden, weil die Rechtsanschauungen der beiden Liinder bedeutend von einander abweichen.

3. D i e Abhang igke i t s e rk l i i rungen d u r c h d a s P a t e n t a m t .

Mit dem Vorschlage, dass die ErklZtrung der Abhiingigkeit einer Erfiadung von einem bereits ertheilten Patent durch das Patent- amt an Stelle der ordentlichen Gerichte er- folgen soll (5 3, 5 11 b, 5 13 1. c. S. 6, 9, lo), wird man sich im Allgemeinen einverstanden erkliiren kiinnen. Eine Meinungsverschieden- heit muss aber dariiber entstshen, in wel- chem Zeitpunkte des Patentverfahrens die Abhangigkeitserklbung durch das Patent- amt zu erfolgen hat. Nach K l i i p p e l ' s Vor- schlag wiirde dieselbe bereits im Vorpriifungs- verfahren zu geschehen haben. Dies er- scheint aber nicht empfehlenewerth, denn die Vorprfifung wiirde dadurch complicirt werden, wenn die so ausserordentlich schwie- rige Frage der Abhiingigkeit in den Be- reich der Priifung gleichzeitig mit der Frage

der Patentfiihigkeit gezogen wiirde. E s kiinnte kaum ausbleiben, dass die Entschei- dung der einen oder der anderen beider Fragen durch die Verbindung beeintriichtigt wiirde. Fiir beide Aufgaben wiirde dies zu beklagen sein. Besonders liegt aber die Gefahr vor, dass die Priifung auf Patent- fiihigkeit durch die gleichzeitige Priifung auf Abhjingigkeit beeinflusst wiirde. Wenn also die Abhiingigkeitserkljirung durch das Patent- amt erfolgen soll, so wiirde dafiir Sorge zu tragen sein, dass die Entscheidung von dern Ertheilungsverfahren getrennt werde. K l 6 p p e l selbst verkennt nicht, dass bei der Ertheilung des Patentes die Frage der Ab- hjingigkeit hiiufig noch nicht spruchreif sei, Unter diesen Umstiinden wiirde es empfehlens- werth sein, wenn nur die Processabtheilungen (0 1 4 Abs. 1 No. 2 der Vorschliige S. 11) rnit der Priifung auf AbhBngigkeit befasst wiirden.

4. D i e O b e r b e s c h w e r d e . Die Wiederholung des bereits bei der

Enqucte iiber die Revision des alten Patent- gesetzes gemachten Vorschlages, eine Ober- beschwerde einzufiihren, kann bei dem jetzt giiltigen Gesetze nicht die Bedeutng haben, welche dem Vorschlage friiher zukam. Man kann sich daher auch nicht, wie es geschieht, auf die Empfehlung des Reichsgerichtsraths B o l z e berufen, denn die von demselben friiher aufgestellte Forderung ist im Wesent- lichen durch die Schaffung der Beschwerde- instanz erfiillt worden. Die Einfiihrung der dritten Instanz kann also unter jetzigen Ver- hiiltnissen bei Weitem nicht die Wichtigkeit baben, welche die Einsetzung einer Be- schwerdeabtheilung seiner Zeit gehabt hat. Man darf daher von der ,,Oberbeschwerde" auch nicht Ihnliche Erfolge erhoffen, wie sie durch die Beschwerde im heutigen Gesetze erreicht wurden. Es kommt bei der Ober- beschwerde vor allen Dingen auf die Organi- sation an, ehe man ihre etwaigen Wirkungen beurtheilen kann. Wenn sich die Ober- beschwerde von der jetzigen Beschwerde- abtheilung nur dadurch unterscheidet, dass sie aus anderen Mitgliedern zusammengesetzt ist, so besteht die Gefahr, dass die jetzige Beschwerdeabtheilung an Bedeutung verliert, was schon mit Riicksicht auf den hohen vor- gesebenen Kostenpunkt besonders fur den weniger gut situirten Erfinder zu beklagen wjire. Diejenigen etma vorhandenen Ubel- stande des heutigen Verfahrens wiirden aber durch die Oberbeschwerde auch nicht zu vermeiden sein. Die wenigen Falle, wo eine nochmalige Behandlung von Anmeldungen wiinschenswerth und niitzlich sein diirfte,

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beschriinken sich darauf, dass die Abtheilung besondere Bedeutung einem Punkte beilegte, dessen Wichtigkeit fiir die Patentfiihigkeit der Anmelder nicht beachtet hatte. Hier kann man sagen, dass ein Erfolg bei er- neuter Darlegung des bisher als nebensiich- lich behandelten Umstandes vielleicht erzielt werden kijnnte. Wenn weiter der Anmelder einen Unterschied in seinen Schriftsatzen behauptet und die Abtheilung, ohne auf die Nothwendigkeit des Beweises hinzuweisen, die Ansicht ausspricht, dass ein Beweis fur eine neue Wirkung nicht erbracht sei, so wiirde auch eine nochmalige Priifung von Nutzen sein kiinnen. Ebonso befindet sich der Anmelder in einer ungiinstigen Lage, wenn von der Beschwerdeabtheilung neues Litteraturmaterial entgegengehalten wird, das seitens der Anmeldeabtheilung nicht be- riicksichtigt worden ist. Auch ein that- siichlicher Irrthum, den der Anmelder nicht berichtigen konnte, ist nicht ausgeschlossen. E s ist auch denkbar, dass irgend ein Rechts- grundsatz verletzt wurde, ohne dass der Fehler auszugleichen ist. Derartige Falle kijnnten aber auch unter dem heutigen Ge- setze bereits vermieden werden, wenn die Verhandlungen die Gestalt eines Colloquiums mit Frage und Gegenfrage annehmen wiirden. Ohne eine derartige Anderung des Ver- handlungsverfahrens wiirde aber auch die Oberbeschwerde kaum den jetzigen Klagen abhelfen. Andererseits kann aber auch kaum durch eine Gesetzesbestimmung ein bestimmter Gang der Verhandlungen vorgeschrieben wer- den, weil sonst nothwendig die GefaLr eines bedeutungslosen Schemas eintreten miisste. Es liesse sich auch kaum vermeiden, dass nicht etwa die Oberbeschwerdeabtheilung auch ihrerseits einen vom Anmelder hervor- gehobenen Punkt unbeachtet liesse, aber die Entscheidung auf einen Grund stutzte, dem der Anmelder aus Unkenntniss der im Col- legium vorwiegenden Anschauungen keine geniigende Beachtung geschenkt hatte. Man darf auch die Schwierigkeiten einer geeigne- ten Besetzung der neuen Abtheilung nicht zu gering schatzen. Schliesslich ist es na- tiirlich auch nicht ausgeschlossen , dass die Oberbeschwerde die von den vorhergehenden Instanzen ausgesprochenen Griinde nicht als zutreffend anerkennt, aber von ganz ab- weichenden Gesichtspunkten ausgehend auch eu einem abweisenden Beschlusse kommt, s o dass streng genommen doch immer nur eine einzige Instanz geurtheilt hat.

Wenn eine Oberbeschwerde eingefiihrt werden 5011, so diirfte dieselbe nicht eine einfache Vermehrung der Priifungsabtheilun- gen darstellen. Einen wirklichen Nutzen

[ Zeitschrift fUr angewandte Cheniie. Ephraim: Reform des deutschan Patentgesetzes.

kiinnte man sich von ihr nur dann versprechen, wenn sie die Stellung einer Revisionsinstanz den friiheren Entscheidungen gegeniiber ein- oehmen wiirde. Es wiirde also zu priifen sein , ob das vorhergehende Verfahren voll- kommen im Sinne des Gesetzes gehandhabt wurde, so dass der Anmelder sich auf alle bei der Entscheidung iiberhaupt in Be- tracht zu ziehende Momente aussern konnte. Weiter wiirde zu untersuchen sein, ob alle vom Anmelder geltend gemachten Umstiinde Berucksichtigung gefunden haben, und ob bei der Entscheidung etwa allgemeine patent- rechtliche Grundsiitze verletzt worden sind. Auch auf Irrthiimer thatsiichlicher Art wiirde einzugehen sein. Schliesslich wiirden neue vom Anmelder anzufiihrende Gesichtspunkte zu priifen sein.

Der Vorschlag einer derartigen Revision der Entscheidungen soll nicht etwa einen Tadel gegen die Einrichtung der jetzigen Beschwerdeabtheilungen darstellen. Im Gegen- satz zu mancben anderen Kritiken muss viel- mehr die vollkommene Anerkennung fur das Princip des deutschen Patentgesetzes und fiir seine Vertreter ausgesprochen werden. Andererseits soll aber das Gesetz dafiir Sorge tragen, dass ein etwa begangenes Versehen unter allen Umstiinden nach MBglichkeit wieder gut zu machen ist. Von diesem Gesichtspunkte aus wiirde die geschilderte Revisionsinstanz zu empfehlen sein.

DieEinrichtung und Aufgabo der Revisions- instanz wiirde durch folgende Einschaltung in den von K l i i p p e l empfohlenen ersten Absatz des 5 26a zu charakterisiren sein:

Gegen die Beschliisse der Beschwerde- abtheilung, durch welche ein Patent ganz oder theilweise versagt worden ist, kann der Anmelder innerhalb eines Monats nach der Zustellung bei der zustandigen Patent- processabtheilung die Oberbeschwerde ein- reichen. (Einschaltung:) Dieselbe ist nur zuliissig, wenn seitens der Beschwerde- abtheilung ein Umstand, auf den der An- melder sich nicht iiusserte, beriicksichtigt wurde oder ein vom Anmelder geltend gemachter Umstand unbeachtet blieb, ein Irrthum begangen ist oder seitens des Anmelders neue Gesichtspunkte anzufiihren sind. Im Falle die Oberbeschwerde fiir gerechtfertigt erachtet wird, ha t die Zuriick- verweisung der Anmeldung in die vorher- gehende Abtheilung zu erfolgen.

Naturgemiiss wiirde die Oberbeschwerde nur selten stattfinden. Dies wiirde den that- sachlich vorhandenen VerhHltnissen, dass nur selten eine Nachpriifung der friiheren Ent - scheidungen in dem gekennzeichneten Sinne nothwendig ist, entsprechen. Eine Beschriin-

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Lung der Fiille der Oberbeschwerde ist aber besonders nothwendig, um nicht die Bedeu- tung der Beschwerdeinstanz herabzumindern und etwa die Oberbeschwerde die Stellung einer vcrtheuerten Beschwerde einnehmen zu lassen.

Zur Reform des deutschen Patentgesetzes. TI.

Von Dr. jur. et phil. E. Kloeppel. In der vorstehenden Abhandlung von

Herrn Dr. E p h r a i m werden die in meinem den gleichen Gegenstand betreffenden Auf- satz auf Seite 2-16 des Jahrgangs 1900 dieser Zeitschrift gemachten Vorschliige in sehr eingehender Weise besprochen. Wenn Dr. J. E p h r a i m dabei auch insbesondere bei der Zusatzpatentfrage zu abweichenden Ergebnissen gelangt, so kann es der Ver- fasser doch nur dankbar begriissen, dass ihm dadurch Gelegenheit gegeben wird, gerade diese Zusatzpatentfrage nochmals etwas ein- gehender, als es im Rahmen der friiheren Arbeit angangig war, zu besprechen. Dabei wird es unschwer mijglich sein, die von E p h r a i m erhobenen Bedenken, die haupt- siichlich darauf zuriickzufiihren sind, dass der Abs. 2 des 5 3 a nicht hinreichend ge- wurdigt wurde, vijllig zu zerstreuen. Dem Verfasser ist diese Gelegenheit zu einer nochmaligen Ausserung um so angenehmer, als nach den allerneuesten Erk l tungen vom Bundesrathstische der Beitritt Deutschlands zur Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigenthums bereits nabe bevor- steht und daher ein dringendes Interesse fiir die betheiligten Kreise vorliegt, mijglichst schnell uber die nijthigen Reformen des Patentgesetzes klar zu werden.

E p h r a i m fasst rneinen Vorschlag dahin auf, dass die heutigen Zusatzpatente vijllig abgeschafft und eine vollstandig neue Kate- gorie von Zusatzpatenten an deren Stelle gesetzt werden sollte. Dies ist nun aber keineswegs der Fall. Der fragliche 9 3 a hat folgenden Wortlaut:

,,Der Inhaber eines Hauptpatentes kann fiir eine n e u e , von seinem Hauptpatent a b - h i ingige Verbesserung oder weitere Ausbil- dung der durch das Hauptpatent geschiitzten Erfindung die Ertheilung eines Zusatzpatentes zu seinem Hauptpatent beanspruchen. "

,, E n t h ii 1 t e i n e V e r b e s s e r un g o d e r w e i t e r e A u s b i l d u n g e i n e s H a u p t - p a t e n t e s gleichzeitig noch einen n e u e n E r f i n d u n g s g e d a n k e n , so s t e h t e s d e m I n h a b e r d e s H a u p t p s t e n t e s f r e i , fiir d i e s e l b e entweder e i n Z u s a t z p a t e n t , oder ein neues Hauptpatent nachzusuchen."

Ch. 1900.

__ ~ _ _ . _ _ _ _ ~

,,Zusatzpatente erreichen in allen Fallen gleichzeitig mit dem zugehijrigen Hauptpatent ihr Ende."

Durch den Abs. 2 dieses Paragraphen werden die b i s h e r i g e n Zusatzpatente v o l l - s t a n d i g a u f r e c h t e r h a l t e n . Es ist da- nach dem Inhaber des Hauptpatentes voll- stiindig unbenommen, genau wie bisher fur solche E r f i n d u n g e n , die eine Verbesserung bez. weitere Ausbildung des Hauptverfahrens betreffen, in Form eines Zusatzpatentes Patentschutz nachzusuchen und sich dadurch fur diese Verbesserungserfindungen die in 8 7 gewiihrte Vergtnstigung der Taxfreiheit zu sichern. Insofern bleibt also alles beim Alten'). Das N e u e , was dieser Paragraph bringt, ist die durch Abs. 1 gegebene M6g- lichkeit, anch hieriiber hinausgehend eben- falls fiir s o l c h e Abhderungen und Ver- besserungen der Haupterfindung, die gegen- iiber dem Inhalt des Hauptpatentes keine Erfindung mehr darstellen, noch einen Patent- schutz zu gewahren, vorausgesetzt, dass die- selben im Hauptpatent oder in sonstigen Publicationen noch nicht beschrieben, also n e u sind, und von dem Verfahren des Haupt- patentes a b h g n g i g sind.

E s sei an dieser Stelle noch kurz her- vorgehoben, dass die Anwendung des Be- griffes der ,,AbhIngigkeit", der durch den diesseitigen Vorscblag zu 5 3 (vergl. d. Zeit- schr. 1900 Seite 6) ausdrucklich in das Ge- setz eingefiihrt werden sol l , mit Riicksicht auf die eingehende und erfolgreiche Thiitig- keit, die das Patentamt auf diesem Gebiet bereits entwickelt hat , keine ernstlichen Schwierigkeiten bieten diirfte. Selbstver- standlich i s t eine Abhiingigkeit nur miiglich von solchen Patenten, denen eine g r u n d - l e g e n d e Bedeutung zukommt, sei es, dass dadurch ein neues Gebiet erschlossen, sei es, dass durch Anwendung bekannter Reac- tionen auf neue Componenten unerwartete und bedeutungsvolle technische Erfolge er- zielt werden etc. etc. I n derartigen Fallen 3011 durch den 5 3 a Abs. 1 die heute nicht sorhandene Mijglichkeit geschaffen werden, mch fur solche Abanderungen noch einen zusltzlichen Patentschutz zu erlangen, die :wie beispielsweise der Ersatz der im Haupt- ?atent genannten Componenten durch neue Analoge) zu keinem neuen, sondern im We- ientlichen zu dem gleichen werthvollen tech- iischen Erfolge wie das Hauptpatent fiihren.

E p h r a i m meint nun, dass die Zulassung ,oleher Zusatzpatente keine wesentlichen Vortheile, wohl aber eine Reihe von Nach- heilen zur Folge haben wiirde.

I) Auf die Frage des Erloschens der Zusatz- jatente wird weiter untun noch eingegangen.

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