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K. UNGEREC~T : Zur Symptomatmlogie u. Therapie des Liquordruck]abyrinthes 345 38. K.UNGERECHT-Mfinchen : Zur Symptomatologie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes* (Mit 4 Textabbildungen) Als ich 1958 einem Mann mit i~tiologisch unklaren Schwindelbeschwer- den das linke Labyrinth ausscha]ten wo]lte, er hSrte auf dieser Seite praktisch nichts mehr, und dabei war, den Knochen des horizontalen Bogenganges ~bzufr/~sen, sprudel~e pl6tzlich aus dem punkff6rmig er6ffneten Perilymphraum Liquor hervor (siehe Abb. 1). Abb.1. FalI 1. 26j~thr. 3Iann. Revision des linken Labyrinthes wegen Schwindels und Taubheit. Aus dem !0unktf6rmig er6ffneten Perilymphraum des horizontalen Bogenganges sprudelt Liquor hervor. Einziger b~sher bekannt gewordener Fall mit einer Liquorrhoe aus dem horizontalen Bogen- gang. Der Patient hatte bds. Geh6rgangsexostosen. (Naeh einer iJorlage yon PERNKOPF) Der Liquor stand offensichtlich unter einem gegenfiber der Norm erh6htem Druek. Sp/iter nannte ich diese Anomalie, um dies vorweg zu nehmen, Liquordrucklabyrinth. Sofort naeh der Operation suehte ieh im Sehrifttum naeh weiteren derartigen F/~llen, fand damals aber niehts. In den folgenden Jahren h6rte man dann immer hi~ufiger von solchen Liquorrhoen. Im Schrifttum wurde besonders bei der Er6rterung yon Zwisehenf~llen wi~hrend Stapesmobilisationen oder Stapedektomien * tterrrt Prof. Dr. L. B. SEIF~RT~, Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universitgt K61n, zum 65. Geburtstag.

Zur Symptomatologie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes

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K. UNGEREC~T : Zur Symptomatmlogie u. Therapie des Liquordruck]abyrinthes 345

38. K.UNGERECHT-Mfinchen : Zur Symptomatologie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes* (Mit 4 Textabbildungen)

Als ich 1958 einem Mann mit i~tiologisch unklaren Schwindelbeschwer- den das linke Labyr inth ausscha]ten wo]lte, er hSrte auf dieser Seite praktisch nichts mehr, und dabei war, den Knochen des horizontalen Bogenganges ~bzufr/~sen, sprudel~e pl6tzlich aus dem punkff6rmig er6ffneten Per i lymphraum Liquor hervor (siehe Abb. 1).

Abb.1. FalI 1. 26j~thr. 3Iann. Revision des linken Labyrinthes wegen Schwindels und Taubheit. Aus dem !0unktf6rmig er6ffneten Perilymphraum des horizontalen Bogenganges sprudelt Liquor hervor. Einziger b~sher bekannt gewordener Fall mit einer Liquorrhoe aus dem horizontalen Bogen-

gang. Der Patient hatte bds. Geh6rgangsexostosen. (Naeh einer iJorlage yon PERNKOPF)

Der Liquor stand offensichtlich unter einem gegenfiber der Norm erh6htem Druek. Sp/iter nannte ich diese Anomalie, um dies vorweg zu nehmen, Liquordrucklabyrinth.

Sofort naeh der Operation suehte ieh im Sehrifttum naeh weiteren derartigen F/~llen, fand damals aber niehts.

In den folgenden Jahren h6rte man dann immer hi~ufiger von solchen Liquorrhoen. I m Schrifttum wurde besonders bei der Er6rterung yon Zwisehenf~llen wi~hrend Stapesmobilisationen oder Stapedektomien

* tterrrt Prof. Dr. L. B. SEIF~RT~, Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universitgt K61n, zum 65. Geburtstag.

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auf diese Komplikation aufmerksam gemaeht. An der Mfinehner Uni- versit/~tsohrenklinik kamen weitere 3, in ca. 6 Jahren somit insgesamt 4 F/~lle zur Beobachtung. Zwei dieser Patienten operierte MI~NDNICH, einen Kranken BOETTE.

Nachdem jetzt iiberdies eine Reihe einschl~giger Publikationen fiber das Liquordrucklabyrinth vorliegt, erheben sich ira Hinblick auf die Praxis folgende Fragen: 1. La2t sich an Hand der gesamten Kasuistik eine Symptomatologie bzw. lassen sich Befunde zusammenstellen, welehe es ermSglichen, die Diagnose Liquordi-ucklabyrinth klinisch zu stellen und 2. welehe Magnahmen sind zu ergreifen, um der Liquorrhoe Herr zu werden ?

Zunachst sei kurz auf die Vorgange hingewiesen, welche zur Auf- deckung der hier zu er6rternden Anomalie geffihrt haben. Alle Autoren, auch wir, wurden ws eines Eingriffes yon der Liquorrhoe fiber- rascht, mit anderen Worten, niemand hat diese Innenohrveranderung vermutet. Bei 2 Fallen der Mfinchner Klinik soHte wegen Schwindels das Labyrinth revidiert werden. OMBI~I~DANlg:E wolite einen 8j/~hrigen Jungen wegen einer Geh6rgangsatresie mit Mikrotie, MASP~TIOL u. Mit- arb. einen gleiehaltrigen Patienten wegen einer kongenitalen Schall- leitungsst6rung operieren. Meistens war eine h6rverbessernde Operation mit Manipulationen am Stapes oder an dessen Fugplatte wegen Ver- dachts auf Otosklerose im Gange, als die Liquorrhoe auftrat.

Unber/ieksichtigt bleiben bei dieser Betraehtung alle Fi~lle yon spon- tan aufgetretener Ot01iquorrhoe, yon Liquorentleerungen wghrend einer 0titis oder nach einer Parazentese. Letztere beruhten wahrscheinlich auf Verletznng tier in einer Knochendehiszenz freiliegenden Dura. AuBer Betracht lassen wir auch den an sich interessanten Fall yon BAVE~, wo eine angeborene Cyste des Aquaeduetus cochleae im Verlauf einer Otitis nieht nut zu einer spontanen Liquorrhoe, sondern auch zu einer t6dlieh endenden Meningitis ffihrte. Mit diesen Einsehr/~nkungen wurden zugleich einige differentialdiagnostische Hinweise gegeben.

Es handelt sich beim Liquordrueklabyrinth nicht um den Znstand, den man als Stauungsrohr bezeiehnet hat. tIONMEI~ICH befaBte sieh in letzter Zeit mit diesem Prozeg. Man kann die Verandernngen beim Liquordrueklabyrinth aueh nicht als einen perilymphatisehen tIydrops betraehten. Es liegt vielmehr eine offene Verbindung mit dem Subarach- noidalranm vor, vielleieht eine phylogenetisehe l~eminiszenz.

26 t~/ille yon Liquordrucklabyrinth konnten im Sehrifttum auf- gefunden werden. Folgende Autoren gaben sie bekannt: NOLT~NIUS, HOLMGICEN, UNGERI~CHT, WULLSTEIN, Mi~NDNICH, MAS:P~TIOL U. Mitarb., ~kRSLAN, BOUCHE, CLERC. I~ ROSEN, I:~OLLIN, ZOLLNEB, OMBB]~- DANNE, GERLACH, 1)ALVA, POI~TMANN, FRENK-DAYER, l~ffEDI, ~IEEtC- MA~. Davon sind, unter Bertieksichtigung der 4 Falle der Mfinehner

Zur Symptomatologie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes 347

Klinik, 8 ngher bekannt. Sicher befindet sich noch mancher Fall ver- steckt in einer unter anderem Thema verSffentlichten Kasuistik.

Die lokalen Ohrbefunde der Trgger eines Liquordrueklabyrinthes waren bezfiglich der eingangs gestellten 1. Frage be]ang]os bis auf die des Mikrotiepatienten OMBR]~DA~NES. Dieser Autor stellte tomographisch Bin ungewShnlieh weites Vestibulum auf beiden Seiten lest. Er konnte diesen Befund jedoeh nicht klgren. Bei unseren 4 Fgllen entspraehen die l~Sntgenbefunde der Schlgfenbeine in {Jbereinstimmung mit der Ka- suistik der Norm, vor allem was das Hohlraumsystem des Innenohres anbelangt.

Die Mehrzahl der Kasuistikfglle hat te eine Otosklerose mit einer Stapesankylose, so auch unser Fall 3.

Interessieren werden vor allem die vor und nach der Liquordruck- labyrinthaufdeckung ermittelten Ergebnisse der versehiedenen Funk- tionspriifungen. Da diese Anomalie nie vor dem zu seiner Diagnose ffihrenden Eingriff vermute t wurde, so sind kaum prgoperativ erhobene Vestibularisbefunde bekannt. 2 Fglle der Mfinchner Ohrenklinik hat ten ve t der Operation Sehwindel: Fall 1, fiber den 1958 bzw. 1960 beriehtet wurde, und Fall 2. Letzterer - - MgXDNIO~ hat ihn bereits besehrieben - - mull hier auBer ]~etracht bleiben, da die Frau 25 aahre zuvor am Ohr mit dem Liquordrucklabyrinth radikaloperiert worden war, hier somit die lokalen Verhgltnisse vergndert waren. Die fibrigen Fglle der Ka- suistik hat ten keine vestibulgren grscheinungen vor der Aufdeekung des Liquorclrucklabyrinthes.

Postoperat iv klagten unser Fall 3 - - wghrend des Eingriffes wurde eine Otosklerose verifiziert - - und der Pat ient FRE~K-DAYv.~S fiber Schwindel. Letzterer setzte bei dem Kranken des zuletzt genannten Autors erst 2 Tage nach dem Versiegen des Liquorstromes, d .h . am 8. Tag naeh der Operation ein. Der Pat ient yon MASP~TIOn u. Mitarb. zeigte insofern ein besonderes Verhalten, als trotz eines intensiven Nystagmus kein Schwindel bestand. Unser Fall 3 und der Patient FI~ENK-DAYERS hat ten einen 8pontannystagmus zur gesnnden 8eite, der bei dem Zuerstgenannten mehrere Monate anhielt. I m iibrigen zeichneten sich die Kasuistikf/ille dutch die Diskrepanz zwischen Stgrke bzw. Dauer der Liquorrhoe und dem Fehlen subjektiver sowie objektiver krankhafter Vestibulariserseheinungen aus. Eine Stellungnahme zu der experimentellen Erregbarkeit der Labyrinthe mul~ aus den oben an- gefiihrten Grfinden zungchst unterbleiben; es fehlen zur Zeit einwand- freie Resultate.

Diese Toleranz war auch hinsichtlich des H6rorgans zu konstatieren. Die t t6rsehwellenaudiagramme fast aller Fglle glichen denen einer banalen Otosklerose. Nur die Audiogramme unserer Fglle 1 und 3 er- seheinen uns bemerkenswert. Bei Fall 3, er hat te gleiehzeitig eine

348 K. U~GERECHT:

6.,IVL 28.1;T. u. 21.1~. 60 C c cZ cZ c3 c'~ cS c~ E ~ ~ E

-20 6# 12B 256 51g 102# 20~ #098 8 1 9 2 H Z "-~0 -

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rechtes Ohr

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" ..... M - - i .....

l inkes Ohr

C 1 0 2 C 3 C ~" C 5 C G 255 512 /02# 20#8 ~zO98 WgzHz_20

- l O

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~o2 3 0 ~

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lO0 HO

Abb. 2. Fa l l 3. 20j~hr. ~ a n n . Otosklerose reehts, ~ermutl ich aueh links, l~echtsseitiges Liquordruek- labyrinth. Bei Luf t l e i tung Fehlen einiger ~Iel~punkte im Niedertonbereich. Die untere Tongrenze fluktuiert . Spraehgeh6r: Flt isterspraehe rechts nichts, l inks am Ohr, Umgangsspraeho reehts am Ohr, l inks 0,5--1,0 m. Keine wesentliehe Anderung nach der Aufdeckung des Liquordracklabyrinthes .

Audiogramm: Reohtes 0 h r : o- o = Luf t le i tung vor

) . . . . ) = Knochenlei tung vor tier 0pera t io~

�9 �9 = Luf t le i tung naeh ] ] = Knoehenlei tung naeh der Operation

Linkes Ohr: x x = Luf t le i tung { . . . . ( = Knochenlei tung

H.,K. 5.Z~.SYu. 3.Fg. G3 C C C I C 2 C 3 C a C g C 6

~/09G 8192Hz 'E G G ~ 128 256 5lZ t02#.20r _ _ ZO

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rechtes 0 h r

C c c I c 2 c 3 c ~ c 5 c 8 6# 1 2 8 256 SI2 102# 20,/-!8 ~4~g6 8192Hz 20

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20 ~ ..... - " 30 ~-~ -- #0 ~ "'"" " "

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/,,k~#es Oh,"

Abb, 8. Fa l l 1, 2 6 ~ h r . ~Iann. LinksseiMges Liquordrucklabyr in th , Spract~geh5r: u der Aufdeekung und Zerst6rung des h~ut igen Labyr in thes im l inken horizontalen Bogengang: Fltistersprache rechts 0,3 m, links : n ichts ; Umgangssprache rechts : 1 m, l inks: niehts. Naeh der Operation bzw. naeh Ent- fernung der Exostosen. Flfistersprache rechts: 0, 2 m, l inks: nichts. ~mgangssprache rechts: 6 m,

l inks: niehts. Aud iogramm (5 $ahre nach der Operation) :

Xechtes Ohr: o - - o = Luf t l e i tung } . . . . } = Knochenlei tung

Linkes Ohr • x = Luf t l e i tung ( . . . . ( = Knochenlei tung

Linkes Ohr vor der Operat ion: Luf t le i tung: kein Geh6r Knoehenlei tung = ( - - " = (

Stapesankylore, fehlten im Niedertonbereich einige Mel~punk~e in der Luftleitungskurve bei erhaltener Knoehen]eitung (siehe Abb.2). Die

Zur Symptomatologie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes 349

untere Tongrenze fluktuierte. Links bestand eine SchalleitungsstSrung, wahrscheinlich durch eine 0tosklerose verursacht.

Das HSrschwellenaudiogramm unseres Falles 1, und zwar des anderen Ohres, zeigte ein ~hnliches Verhalten. Wir ~ul]erten 1960 den Verdacht, es kSnnte sich um ein doppelseitiges Liquordrucklabyrinth, bisher noch hie beobachtet, handoln. Da wir jedoch solcho Audiogramme bei banalon Otosklerosen beobachteten, so mfissen wir die Beantwortung der Frage, ob es sich um einen pathognomischen Befund handle, often- lassen.

5 Jahre nach der Aufdeckung des linksseitigen Liquordrucklaby- rinthes hSrt der Patient an diesem Ohr wieder (siehe Abb. 3). 1957 gab er nur bei Knochenleitung einige Mel]lounkte im Hochtongebiet an, deren Realit~t ich damals bezweifelte.

Somit trat bei 2 F~llen nach der Aufdeckung des Liquordruck- labyrinthes eine Verschlechterung (unser Fall 3, Patient F~zcK- DAY~s), bei 2 eine Besserung des GehSrs (unser Fall 1, Patient HOLM- G ~ S ) auf. Im iibrigen blieb das GehSr nach Abflul] yon Liquor gleich.

Wie lassen sich nun diese Eigenheiten des Liquordrucklabyrinthes mit dem gegenw/~rtigen Stand der HSrphysiologie in Einklang bringen ? Es steht test, dal~ auf beiden Labyrinthfenstern ein ira Vergleich zur Norm erh6htes hydrostatischer Druok lastet. Man nimmt heute allgemein an, dal~ nicht der absolute Druck ira Perilymphraum, sondern Druck- differenzen zwischen den Sohneckenskalen ma[~gebend f/ir die Vorgs im Labyrinth beim tI6ren sind. Letztere erzeugen die Auslenkungen der Basflarmembran, welche zur Erregung der Sinnesendstellen im Cor- tischen Organ ffihren.

Es sei in diesem Zusammenhang auf einen Versuoh BI~K~SYS hin- gewiesen. Durch ErhShung des Druckes in einem besonders pr/~loarierten Leichenlabyrinth konnte er an der Membran des runden Fensters keine J~nderung der Phasenlage und der Druckamplitude registrieren. Er schlol~ aus den Resultaten dieser Untersuchung ferner, da[3 es bei er- hShtem Binnendruck nicht zu einer merklichen Fixierung der Stapes- fu~platte k~me.

Mit der Deutung der Auswirkungen eines Liquordrucklabyrinthes werden zugleich andere Probleme ~ngeschnitten, z. B. die der Druck- regulierung im Labyrinth. Seit langem besch~ftigt man sich mit dem endolymphatischen Hydrops. In diesem Zusammenhang sei an die De- kompression des Saccus endolymphaticus nach PO~TMAZ~Z~ und den subaraohnoidalen Shunt nach House erinnert. Eine interessante Deutung der Druckregulierung im Innenohr gab j/ingst ALL~. Er mii]t dem Druckausgleich zwischen Subarachnoidalraum einersoits und den Flfissigkeitsr~umen im Innenohr via Aquaeductus cochleae sowie Ductus

350 K. UNGERECHT:

bzw. Saccus endolymphaticus eine besondere Bedeutung bei. Sind diese G~nge often, dann soll bei Druek/tnderungen sowohl im Mittelohr als aueh im Liquorsystem des Seh/s ein Ausgleieh der Drueke im peri- und endolymphatisehen Flfissigkeitsraum zustande kommen. Dadurch sei ein gleicher Druck zu beiden Seiten der Basilarmembran gew~hrleistet. Man wird sofort den Einwand machen, dab nicht bei jedem Mensehen der Sehneckenwassergang often sei. Wie dem auch sei, beim Tr~tger eines Liquordrueklabyrinthes w/~ren die yon ALLE~ an- genommenen lokalen Verh/tltldsse gegeben.

Unter Berficksiehtigung der vorausgegangenen Ausffihrungen be- antworten wir die eingangs gestellte 1. Frage mit einem Paradoxon: Das hervorstechendste Merkmal des Liqnordrueklabyrinthes ist seine Symptomarmut bzw. -freiheit. Es besteht anseheinend okkult, vielleicht h/~ufiger als man annimmt, oder verbirgt sieh hinter einem anderen Ohr- prozeg.

Zur Therapie ist folgendes zu sagen : Alle Autoren haben das gemaeht, was naheliegend ist, sie haben die Stelle, wo der Liquor -- es kann sieh nach Lage der Dinge nur um solchen gehandelt haben -- hervorspritzte, abtamponiert, dutch laufende Lumbalpunktionen versueht, den Druek im allgemeinen Liquorsystem niedrig zu halten und dutch hohe Dosen yon Antibiotica eine Infektion der Meningen verhindert. FR]~NK-DAYEI~ verabreiehte auBerdem ein tIarnstoffpr/~parat zweeks Entw/tsserung. Unter diesem Regime versehwand in der Regel naeh 4--8 Tagen die Liquorrhoe. PAI~VA beobaehtete trotz zweimaligen Anoperierens des Liquordrueklabyrinthes sp/s keine Liquorrhoe. Deren kiirzeste Dauer betrug 48 Stunden (CLEI~C), die l/s 3 Monate (OM]3R~DA~E).

Man wird yon Fall zu Fall untersehiediieh vorgehen, wenn man un- verhoftt auf ein Liquordrucklabyrinth stSgt. Bei kleiner Offnung in der Fugplatte kann versueht werden, jene dureh Gelita oder ein Binde- gewebsstiick abzudichten, was auf Anhieb selten gelingen dtirfte; der Druek des Liquors ist zu grog. Es kann genfigen, wie bei Fall 3 unserer Klinik, wenn das Trommelfell zuriiekgeschlagen wird. Dieser Patient hatte sps an der Geh6rgangshinterwand eine Pneumatocele (siehe Abb.4).

Bei einer grSBeren Verbindung ins Vestibulum oder vollst/~ndiger Entfernung des Stapes sollte eine Interposition mit Bindegewebe gemaeht und ringsum die Pauke mit Gelitaschwamm angeftillt werden. Der /s Geh6rgang ist fest zu tamponieren. Man kann naeh Sistieren der Liquorrhoe die PaukenhShle noehmals erSffnen, den Gelitasehwamm vorsiehtig absaugen und die Interposition revidieren.

Im tibrigen ist, wie oben bereits erw~hnt, zu verfahren. Von einer Revision des Felsenbeines mit dem Ziel, die Verbindung zum Subaraeh-

Zur Symptomatotogie und Therapie des Liquordrucklabyrinthes 351

noidealraum freizulegen und zu blockieren, halten wir vorerst nicht viel da man nicht genau weiB, wo jene besteht. Man denkt in erster Linie an einen offenen Schneckenwassergang. Dessen inheres 0rificium befindet sich in der Skala tympan i der Schneekenbasiswindung, das ~ugere an der medianen Felsenbein- fl/iche in der Fossnla petrosa zwisehen Foramen laeerum nnd dem Porus des Meatus acusticus iner- nus. DaB OMB~DA~NE vergeb]ich nach einer sol- chen Kommnnikat ion suehte, ist in Anbetracht der Felsenbeintopogra- phie nicht verwunderlich.

PALYA zitiert einen Autor - - ohne dessen Namen zu nennen - - dem es geglfickt sein soll, t rotz Liquorrhoe eine Fensterung des ovalen Fensters zu Ende zu Abb. 4. Zustand 2 Jahre nach Anoperieren des Liquordruck-

labyrinthes. An der hinteren oberen Wand des rechben fiihren und ein gutes H6r- /tugeren Geh6rganges hat sich eine Pneumatocele dort gebildet, resultat zu erzielen. Ob wo beim Versuch, einc Stapedektomie zu machen, Knochen

entfernt wurde man bei nur punktfSrmi- get Er5ffnung des Vestibulums weiteroperieren und ein l%isiko eingehen soll, hangt yon anderen Begleitumst&nden, z.B. der M5gliehkeit, das andere 0hr zu operieren, ab.

Absehliegend sei noch ein Wort zur Prognose gestattet . Keiner der Patienten, bei denen ein Liquordrueklabyrinth anoperiert wurde, erlitt einen wesentliehen Dauersehaden, keiner erlag einer endokraniellen Komplikation. Lediglich OMBR~DANNE beriehtete yon tempor/iren Be- wuBtseinstriibungen seines Patienten, die aber nieht anf einer Meningitis beruhten und dureh eine einzige Lumbalpunkt ion jeweils behoben werden konnten. Eine meningeale I%eizung versehwand auf entsprechende MaBnahmen.

Die Prognose ist somit auf Grund der bisher gesammelten Er- fahrungen als gut zu bezeiehnen. Diese Feststellung diirfte im Itinblick auf die eingangs gestellte 2. Frage die wichtigste sein.

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Diskussion zum Vortrag 38 353

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Di~kussion zum Vortra 9 38

A. ~IEYER ZUM GOTTESBERGE-Diisseldorf: Liquorabflu~ aus dem Labyrinth wurde unseres Wissens mit Ausnahme des yon Herrn U~GEnnC~T soeben erwghnten Falles, nur bei Er6ffnung des ovalen Fensters beobachtet, nicht bei Fensterung des Bogenganges. Welches ist nach Meinung des Vortragenden die Ursache des Liquor- drucklabyrinthes ?

t~. Mt~LLER-Kiel: Eine eigene Beobachtung fiber das Liquordrucklabyrinth bei einer 41 jiihrigen Kranken mit Mil~bildung des ovalen Fensters besti~tigt die Ansich$ yon t terrn UNG]~R]~C~T, es hamdele sich hierbei um eine Entwicklungsst6rung nach Art eines offenstehenden Aquaeductus cochleae oder einer angeborenen Dehiszenz am inneren Geh6rgang. Die gro~en Mengen wasserklarer Flfissigkeit kSnnen nur aus den Liquorr~umen sSammen. Solange die Labyrinthkapsel intakt ist, fiberwieg~ der Perilymphdruck infolge der -- bis auf die Labyrinthfenster -- allseits festen und engen Knochenri~ume. Erst wenn die Kapsel an irgendeiner Stelle erSffnet wird, tritt~ eine StSrung des Gleichgewichtes auf und der Liquor fliel~t daIm -- scheinbar unter Druck stehend -- durch die Fistel ab.

K. UNGERECHT-Mfinchen (SchluBwort): Zu Her in MEu zv~ GOTTESBERGE. Der Fall 1 der Mfinchener Klinik scheint der einzige zu sein, wo der Liquor aus dem erSffneten horizontalen Bogengang hervorsprudelte. MiiND~ICE revidierte gerade die mediane Labyrinthwand, als sieh die Liquorrhoe einstellte. Dasselbe gilt auch ffir den Fall I-IoT.mGRn~S. Als er sich am Promotorium zu schaffen maehte, spritzte plStzlich mit einem feinen Strahl der Liquor aus dcm Labyrinth. Im fibrigen hatten die Autoren die ~ul3platte perforiert oder versueht, eine Stapedektomie durch An- meil~eln des Otoskleroseherdes einzuleiten. Bisheute konnte nicht geklgrt werden, wo die Verbindung zwischen Perilymphraum und Spatium subarachnoidale sieh befindet. Naheliegend ist es, einen offenen Aquaeductus cochleae anzunehmen. Man mul~ aber auch an eine Dehiszenz am irmeren GehSrgang denken. Weiterhin kSnnen Gefgl~kan~le die Verbindung herstellen. In diesem Zusammenhang sei an die feinen Venen erinnert, die dem Schneekenwasserg~ng parallel ziehen. Man beobachtete schon, wie eine dieser Venen in den Aquaeductus cochleae einmfindete. Ieh bin fiberzeugt, daI~ sich bei systematischer Durchmusterung des Schrifttums noeh man- cher :Fall entdeeken l ~ t . Zur Genese kann noch nicht definitiv Stellung genommen werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist es nicht ausgeschlossen, dan eine Hem- mungsmiBbildung zugrunde liegt.

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