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Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilitat menschlicher Haare * Von Dipl.-lng. Dr. teclan. H. F 1' e y t a g w Azis dem Forsch~cngslnbo,citoriiim dt.r Otidal GnibH., Hiiii/eld!Hessen Ausfiihrliche Unt8er~suchumgen und Diskussion der Erye'bnislse: SalzeinfluD auf die Wirkung eimes Monoathanolaminthioglykolat! Monoathanolami,n-Systems untd Abhan,gigkeit vom pH-Wert; Wirkung vernetz.enidmer Verbindunigen auf Haar; S,uperkonlrak- tion; IonenausPauschervermogen dses 'Haares. Studies and Knowledge of the Variability of Human Hairs Detailed experimenk anid d~iscussion of the results: saltinflu- ence on the eBect o8f ,a monoe8hanol~arnin.ethio~glycoltate/mo- noethanol'amsine-system anid depentdtence of bhe pH-value; ,effect oi cross-linking compounds on hair; supercontraction; ion- exchange capac'ity of hair. Haare, ob menschlicher oder tierischer Herkunft, sind in ihrem chemischen und physikalischen Verhalten aufler- ordentlich verschieden. Der Variabilitat unterliegen nicht nur die Haare verschiedener Individuen und diejenigen eines Individuums, sondern selbst jedes Einzelhaar weist groi3e Unterschiede von der Wurzel bis zur Spitze auf. Diese Variabilitat, auf die von mir schon mehrmals aufmerksam gemacht wurde mu8 in Betracht gezogen werden, wenn die Wirkung eines kosmetischen Pra- parats untersucht wird oder Aussagen iiber das Verhal- ten gemacht werden sollen. Um nun der Variabilitat zu begegnen, d. h. sich dem Idealhaar weitgehend zu nahern und das Allgemeingiiltige herauszuschalen bzw. die charakteristischen Unterschiede klar zu erkennen, bedarf es der statistischen Auswertung der entsprechen- den Versuchsergebnisse und solcher Untersuchungsme- thoden, die diese Auswertung zulassen. Eine Parallele liierzu findet man in der therapeutisch-klinischen For- schung. haftet zwar eine gewisse Um- standlichkeit an, denn es sind Megkollektive erforder- lich, und die Rechenarbeit ist zeitraubend, doch miissen diese Schwierigkeiten im Hinblick auf statistisch ge- sicherte Ergebnisse (hier vor allem als verl213liche Grundlage kosmetischer Zielsetzungen) gering einge- schatzt werden. Zu den Variabilitatsfaktoren gehoren, was nicht erst eingehend begrundet zu werden braucht, a) die m o r p h o 1 ogi s c h - hi s t o lo gi sc he S t r u k- t u r des Haares, abhangig von Rasse, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Haartragers, b) d a s K o n f i g u r a t i v - k o n s t i t u t i o n e 1 1 e des Skleroproteins in ahnlicher Abhangigkeit wie vor und c) die Umwelteinfliisse, z. B. in der Auswir- kung der Feuchtigkeit, der Sonnenstrahlung, aber auch der mechanischen und kosmetischen Beanspruchungen der Haare. Es ist unmtiglich, diesen Faktorenkomplex zu entwirren und Aussagen zu machen iiber den Zusammenhang eines Dieser Arbeitsweise '' Erweiterte Fassung eines Vortrags anladlich der DGF- Hauptversammlunz in Munster/Westf. am 29. SeDtember 1055: Fachgruppe "XI. '''b Diese Arbeit widme ich dem Andenken meines 1955 zu Hannover verstorbenen verehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. phil. s. a. i. Oswald Rzchter, fruherer Direktor des In- stituts f. Batanik, Warenkunde, techn. Mikroskopie u. My- kologie an der Deutschen Technischen Hochschule Briinn. H. Freytng, Fette . Seifen. Anstrichmittel 56, 415 [1954]. * P. Martini, ,,Methodenlehre der therapeutisch-klinischen Forschung", Springer-Verlag, Berlin 1953. Estudios y conocimiento de la variabilidad del cabello humanon Experimentos detallados y discusion de 10s resultados: Influ- encia de sales soNbve el efect80 de un sistetma mono'etanolamino- tio~Iicolato/mono~et~anolami~ma y su dependancia del pH; eEe,cto de sn'sdancias entrelazedormas sobre #el caibello; supercontraccion; capac6ded de intercambiatdor i6nico del cabello. Examens et Btudes sur la variabilith des cheveux humains Examens approfondis, et discusslion des resultats: Influence du sel sur l'action d'un systeme monoathanol~aminthioglycolate/ nion,oethanolarnine et la rmellation avec la valeur du ph; acfion des compoa8s mouiblants sur le chlevesu; supercontraction; poss'i- bilite d'ech,anger Pes 'i0n.s. du cheveu. Faktors mit einem bestimmten Verhalten des Haares. Man kann nur mit einigen Methoden feststellen, daf3 ein gegebenes Haarkollektiv, definiert durch seine Her- kunft und Vorgeschichte, durch den EinfluD dieses oder jenes Systems eine definierte Xnderung erfahrt; das statistisch gesicherte AusmaD dieser Xnderung kann dann als Funktion des Systems behandelt werden, wo- bei - gedanklich - anstelle des Haarkollektivs ein iiktives Haar tritt, das - je nach Kollektiv-Umfang - mehr oder weniger einem in diesem Fall nicht mehr variablen Haar entspricht. Messimgen mit der Hnarmefiichr ?inch R. Mieber 3 irizd ihre Auswertmg Die dieses Gerat benutzende Methodik wurde von mir schon beschriejben 4, und Verbesserungen, darunter die An- wentdung einer sog. T e s t 1o s u n g , angegeben ,. Das Ver- fahren gestmattet, die Wirkung verschiedener Systeme auf das (gleiche) Haar zu vergleich,en und Veranderungen des Haares nachzuweisen und vergleichsweisme zu beobachten (Notwendig- keit der T,estlosung). Der Umfang der Haarkollektive erfordert d,en Einsatz mehrerer Weber-Gerate. Zumeist ist aber die fur die Mes- sung entscheidende Zugbelastung des Hebels, der beim Nach- geben der Haarschlin,ge in der Priiflosung zuruckschnellt und das Uhrwerk arretiiert, von Gerat zu Grrat verschiecden grok Trotzdem darf man mit derart unterschiedlichen Geraten das gleiche Kollektiv durchrness.en, weil es erlaubt ist, die Diffe- renzen der Zugbelastungen bzw. diese selbst als Variabilitats- faktor der Haare zu betrachten. Dieser Kunstgriff ist jedoch b'ei Vergleichen verschiedener Kollektive nur dann zulassig, wenn die fur jede Medreihe und jedes Gerat vor- und nach- her 'bestimmten Zugbelastungen Mittelwerte ergeben, die gegeneinander, also von MeBreihe zu MeBreihe, v o 1 1 i g u n g e s i c h e r t sind. Ergeben also z. B. die Weber-Gerate 1 bis N jeweils aus d,en Bestimmungen vor und nach der einen Medreih,e diie Durchschnittswert,e a, b, c . . . n (in g), die einer 2. Mei3reihe a,, b,, ci . . . n,, so mu6 d'ie Differenz ihrer Mittelwerte mD = m - m, < 2 p < 3 ,u sein. Die Mittel- wert-Differenz darf nicht dem dreifachen odmer zwelfachen mittleren Feihler standhalten. Die Werte m, m, USW. sind statisbisch identisch. Genau so sind zwei Haarkollektive dann identisch, wenn ihre Kennzahlen (t,-Werbe) ihrer Differenz nach gegeneinan,der nicht statistisch gesichert Yind, d. h. auch b'ei zah18enmai3ig voneinand'er abweichenden W,erten. Das erste Ergebnis der Messungen ist eine Urlmiste, aus der die Verteilung der bei gegebener identischer mittlerer Zugbelastun,g gerissen\en unid gedehnten Haare auf Zeitint'er- vall,e als Klassengrenzen gleicher GroBe (in Min. oder Sek.) ersichstl'ich ist. Anfangs erschien es zunachst ausreichend, d'ie DBP 869426. H. Freytag, Ind. Parfumerie 7. 260 [1953]. 5 H. Freytag, Z. Naturforsch. 7 b, 645 [1952]. FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 58. Jahrgang Nr. 9 1956 770

Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

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Page 1: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilitat menschlicher Haare * Von Dipl.-lng. Dr. teclan. H . F 1' e y t a g w

Azis dem Forsch~cngslnbo,citoriiim dt.r Otidal GnibH., Hiiii/eld!Hessen

Ausfiihrliche Unt8er~suchumgen und Diskussion der Erye'bnislse: SalzeinfluD auf die Wirkung eimes Monoathanolaminthioglykolat! Monoathanolami,n-Systems untd Abhan,gigkeit vom pH-Wert; Wirkung vernetz.enidmer Verbindunigen auf Haar; S,uperkonlrak- tion; IonenausPauschervermogen dses 'Haares.

Studies and Knowledge of the Variability of Human Hairs Detailed experimenk anid d~iscussion of the results: saltinflu-

ence on the eBect o8f ,a monoe8hanol~arnin.ethio~glycoltate/mo- noethanol'amsine-system anid depentdtence of bhe pH-value; ,effect oi cross-linking compounds on hair; supercontraction; ion- exchange capac'ity of hair.

Haare, o b menschlicher oder tierischer Herkunft, sind in ihrem chemischen und physikalischen Verhalten aufler- ordentlich verschieden. Der Variabilitat unterliegen nicht nur die H a a r e verschiedener Individuen und diejenigen eines Individuums, sondern selbst jedes Einzelhaar weist groi3e Unterschiede von der Wurzel bis zur Spitze auf. Diese Variabilitat, auf die von mir schon mehrmals aufmerksam gemacht wurde mu8 i n Betracht gezogen werden, wenn die Wirkung eines kosmetischen Pra- parats untersucht wird oder Aussagen iiber das Verhal- ten gemacht werden sollen. Um nun der Variabilitat zu begegnen, d. h. sich dem Idealhaar weitgehend zu nahern und das Allgemeingiiltige herauszuschalen bzw. die charakteristischen Unterschiede klar zu erkennen, bedarf es der statistischen Auswertung der entsprechen- den Versuchsergebnisse und solcher Untersuchungsme- thoden, die diese Auswertung zulassen. Eine Parallele liierzu findet man i n der therapeutisch-klinischen For- schung.

haftet zwar eine gewisse Um- standlichkeit an, denn es sind Megkollektive erforder- lich, und die Rechenarbeit ist zeitraubend, doch miissen diese Schwierigkeiten im Hinblick auf statistisch ge- sicherte Ergebnisse (hier vor allem als verl213liche Grundlage kosmetischer Zielsetzungen) gering einge- schatzt werden.

Z u den Variabilitatsfaktoren gehoren, was nicht erst eingehend begrundet zu werden braucht, a) die m o r p h o 1 o g i s c h - h i s t o l o g i s c h e S t r u k- t u r des Haares, abhangig von Rasse, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Haartragers, b) d a s K o n f i g u r a t i v - k o n s t i t u t i o n e 1 1 e des Skleroproteins i n ahnlicher Abhangigkeit wie vor und c) d i e U m w e l t e i n f l i i s s e , z. B. i n der Auswir- kung der Feuchtigkeit, der Sonnenstrahlung, aber auch der mechanischen und kosmetischen Beanspruchungen der Haare.

Es ist unmtiglich, diesen Faktorenkomplex zu entwirren und Aussagen zu machen iiber den Zusammenhang eines

Dieser Arbeitsweise

'' Erweiterte Fassung eines Vortrags anladlich der DGF- Hauptversammlunz in Munster/Westf. am 29. SeDtember 1055: Fachgruppe "XI.

'''b Diese Arbeit widme ich dem Andenken meines 1955 zu Hannover verstorbenen verehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. phil. s. a. i. Oswald Rzchter, fruherer Direktor des In- stituts f. Batanik, Warenkunde, techn. Mikroskopie u. My- kologie an der Deutschen Technischen Hochschule Briinn. H. Freytng, Fette . Seifen. Anstrichmittel 56, 415 [1954].

* P . Mart ini , ,,Methodenlehre der therapeutisch-klinischen Forschung", Springer-Verlag, Berlin 1953.

Estudios y conocimiento de la variabilidad del cabello humanon Experimentos detallados y discusion de 10s resultados: Influ-

encia de sales soNbve el efect80 de un sistetma mono'etanolamino- tio~Iicolato/mono~et~anolami~ma y su dependancia del pH; eEe,cto de sn'sdancias entrelazedormas sobre #el caibello; supercontraccion; capac6ded de intercambiatdor i6nico del cabello.

Examens et Btudes sur la variabilith des cheveux humains Examens approfondis, et discusslion des resultats: Influence

du sel sur l'action d'un systeme monoathanol~aminthioglycolate/ nion,oethanolarnine e t la rmellation avec la valeur du ph; acfion des compoa8s mouiblants su r le chlevesu; supercontraction; poss'i- bilite d'ech,anger Pes 'i0n.s. du cheveu.

Faktors mit einem bestimmten Verhalten des Haares. M a n kann nur mit einigen Methoden feststellen, daf3 ein gegebenes Haarkollektiv, definiert durch seine Her- kunft und Vorgeschichte, durch den EinfluD dieses oder jenes Systems eine definierte Xnderung erfahrt ; das statistisch gesicherte AusmaD dieser Xnderung kann d a n n als Funktion des Systems behandelt werden, wo- bei - gedanklich - anstelle des Haarkollektivs ein iiktives Haar tritt, das - j e nach Kollektiv-Umfang - mehr oder weniger einem i n diesem Fal l nicht mehr variablen Haar entspricht.

Messimgen mit der Hnarmefiichr ?inch R. Mieber 3 irizd ihre Auswertmg Die dieses Gerat benutzende Methodik wurde von mir

schon beschriejben 4, und Verbesserungen, darunter die An- wentdung einer sog. T e s t 1 o s u n g , angegeben ,. Das Ver- fahren gestmattet, die Wirkung verschiedener Systeme auf das (gleiche) Haar zu vergleich,en und Veranderungen des Haares nachzuweisen und vergleichsweisme zu beobachten (Notwendig- keit der T,estlosung).

Der Umfang der Haarkollektive erfordert d,en Einsatz mehrerer Weber-Gerate. Zumeist ist aber die fur die Mes- sung entscheidende Zugbelastung des Hebels, der beim Nach- geben der Haarschlin,ge in der Priiflosung zuruckschnellt und das Uhrwerk arretiiert, von Gerat zu Grrat verschiecden grok Trotzdem darf man mit derart unterschiedlichen Geraten das gleiche Kollektiv durchrness.en, weil es erlaubt ist, die Diffe- renzen der Zugbelastungen bzw. diese selbst als Variabilitats- faktor der Haare zu betrachten. Dieser Kunstgriff ist jedoch b'ei Vergleichen verschiedener Kollektive nur dann zulassig, wenn die fur jede Medreihe und jedes Gerat vor- und nach- her 'bestimmten Zugbelastungen Mittelwerte ergeben, die gegeneinander, also von MeBreihe zu MeBreihe, v o 1 1 i g u n g e s i c h e r t sind. Ergeben also z. B. die Weber-Gerate 1 bis N jeweils aus d,en Bestimmungen vor und nach der einen Medreih,e diie Durchschnittswert,e a, b, c . . . n (in g), die einer 2. Mei3reihe a,, b,, ci . . . n,, so mu6 d'ie Differenz ihrer Mittelwerte mD = m - m, < 2 p < 3 ,u sein. Die Mittel- wert-Differenz darf nicht dem dreifachen odmer zwelfachen mittleren Feihler standhalten. Die Werte m, m, USW. sind statisbisch identisch. Genau so sind zwei Haarkollektive dann identisch, wenn ihre Kennzahlen (t,-Werbe) ihrer Differenz nach gegeneinan,der nicht statistisch gesichert Yind, d. h. auch b'ei zah18enmai3ig voneinand'er abweichenden W,erten.

Das erste Ergebnis der Messungen ist eine Urlmiste, aus der die Verteilung der bei gegebener identischer mittlerer Zugbelastun,g gerissen\en unid gedehnten Haare auf Zeitint'er- vall,e als Klassengrenzen gleicher GroBe (in Min. oder Sek.) ersichstl'ich ist. Anfangs erschien es zunachst ausreichend, d'ie

DBP 869426. H. Freytag, Ind. Parfumerie 7. 260 [1953].

5 H. Freytag, Z . Naturforsch. 7 b, 645 [1952].

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relatlive Haufigkeit H, in O i o aus dem Summenpolygon, d. h. die Anzahl Haare in "lo, die nach z. B. I , 2, 3 usw. Min. unter der Zugbelastung nachgaben, in Beziehung zu den Wirksystemen, zu deren pH-Wert, zur Konzentration ihrer Bestandteile usw. zu setzen. Daraus ergaben sich schon in- teressante Aufschliisse iiber die Wirkung eines Thioglykolat- Basen-Systems auf Haar5. Bald aber erwies es sich als zweck- mafiiger, den Mittelwert t, einzufiihren, d. h. zur Kennzeich- nung dcr Wirkung auf Haare oder vorangegangener Ver- anderun,gen von Haaren die m i t t l e r e D e h n u n g s z e i t zu benutzen. Man ist namlich nur dann in der Lage, den mitt- leren Fehler ,u dieses Mittelwertes (t,) auszurechnen, dessen dreifachem Wert 3 p er standhalten mu&, und in ebenso bc- kannter Weise zu priifen, ob die Differenz zweier t,,-Werte, tU, das Ma13 und der Beweis fur eine Veranderung oder Wir- kung bei Haaren, dem dreifachen mittleren Fehler 3 pD, aber auch 2 p D standhalt. Sind tD-Werte < 3p1, < 2 yD, so miis- sen (siehe oben) beide Kollektive als identisch betrachtet wer- den, es hat also k e i n e V e r a n d e r u n g der Haare statt- gefunlden, das Wirksysbem ist o h n e E i n f l u i 3 . 1st tD > 2 pD, so entspricht die Sicherheit immerhin noch 95.45 O i o , also 45.5 Ausnahmen in 1000 Fallen. Anzustreben ist natiirlich stets eine 99.73°/oige Sicherheit, entsprechend 3 Ausnahmen in 1000 Fallen. Je breiter die Variabilitat ist, desto gro13er mui3, zur Erlangung der notwendigen Sicherheit, der Kollek- tiv-Umfang gewahlt werden. In manchien Ausnahmefiillen ge- niigen Kollektiv-Umfanige yon nur 10 Haaren, im allgemeinen aber gilt die Regel des gro13en Umfangs der Kollektive.

Die Einordnung verschieden vieler Glieder eines Haarkol- lektivs in verschiedene Zeiten, bis zu denen die Haare me- chanisch der Wirkung eines Systems ,,nachgeben", fiihrt, wie schon erwahnt, zum Begriff der mittleren Dehnungszeit tn,. Dies ist wohl so aufzufassen, dai3 ein Individualhaar, das sonach an die Stelle des Kollektivs im Ideallall treten wiirde, in der Zeit t, mechanisch dem Wirksystem ,,nachgabe". Diese Zeit t,,, durLh die die Dauer aller zum ,,mechanischen Nach- geben" des Haares fiihrenden Vorgange als Merkmal des Kollektivs gekennzeichnet ist, erscheint jedoch nicht, wie zunachst angenommen wurde, als die allein mafigebende Kennzahl. Bereits in einer meiner ersten Arbeiten in dieser Richtung wurde , ,ah Eigentiimlichkeit der aktuellen Struk- tur" des Haares das R e i 13 e n mancher Haare gcgeniiber dem D e h n e n hervorgehoben. Als Erklarung fur das Rei13en wurden arbeitshypothetisch ,,Lockerstellen" angenommen, d. h. Stellen mit fehlenden Bindungen. Dafiir sprach eine Abnahme der Anzahl gerissener Haare unter Bedingungen, die eine Beseitigung der Lockerstellen wahrscheinlich machten. Zahl- reiche neue Beobachtungen, auch von G. Ronsch", legen es jedoch nahe, das Ereignis des ReiBens (und Dehnens) ursach- lich nicht so einfach, sondern bestimmter anzusehen und R S

vor allem ereigniis-statistisch auszuwerten. Ein Haarkollektiv diirfte sonach nicbt nur durch den Wert

t,, sondern auch durch die relative prozentuale Haufigkeiit der gerissenen Haare, g O / o , bzw. durch die der gedehnten Haare, gekennzeichnet werden. Der g-Wert entspricht natiir- lich nicht den H,-Werten, die anfangs benutzt w r d e n . Es gibt tatsachlich Falle, in denen der Vergleich von Haarkol- lektiven uberhaupt erst anhand der g-Werte mijglich ist, d. h. dann, wenn die t,,-Werte zweier Kollektive identisch oder deren Differenzen tn ungesichert sind. Das Ma13 der Wirksam- keit von Systemen oder der Haarveranderungen ist die Hau- figkeitsdifferenz g D zweier g-Werte. Sie mu8 dem dreifachen mittleren Fehler UD standhalten. Zur Priifung bedient man sich allerdings nicht der (unverlafilichen) Bernouillischen Fehlerformel, sondern des strengen Differenzverfahrens nach E. Weber, des v. Schellingschen Treffer-(T-)Verfahrens, des Xe-Verfahrens nach Pearson oder des Differenzverfahrens mit der 4-Feldertafel, die alle auf der Benutzung der Wahr- scheinlichkeit der Grundgesamtheit basieren z.

Die statistische Methode mit dem Weber-Gerat wird durch Benutzung der g-Werte (Ereignis-Statistik) anwendbar und

'' persiinliche Mitteilung.

FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 58. Jahrgang Nr. 9 1956

gestattet eingehendere Aussagen, speziell im Vergleich rnit der Methode von R. Heilingotter G. Sein Me13prinzip weicht insofern ab, als die Dehnung der Haare in '/a in Abhangig- keit yon der Zeit, mit der Zusammensetzung des Wirk- systems und seines pH-Wertes als Parameter, gemessen wird. Der Vf. weist darauf hin, da13 aber Haare wahrend des Deh- nens ,,an schwachen Stellen" im Gefiige vorzeitig reiden und die Moglichkeit vorzeitigen Durchrei13ens mit der Starke bzw. Alkalitat der ,,Erweichungsfliissigkeit" wachst. Eine Auswer- tung dieses Verhaltens wurde jedoch vom Autor nicht ver- sucht, wie auch aus seinen spateren Publikationen hervor- geht 7. Im Gegenteil, solche Haare wurden als ,,geschadigt" betrachtet und deshalb aus der Versuchsreihe ausgeschieden.

V e r s u c h s e r g e b n i s s e u n d i h r e D i s k u s s i o n 1 . SaZzeinfZup auf die Wirkung eines Monoathanol-

amin-ThiogZykoZatlMonoathanolamin-Systems U n t e r abweichenden Bedingungen wurde nochnials

d e r Einflui3 von NaCl u n d CaCl, auf die Wirlcung einer (diesmal) Thioglykolat-Monoathanolamin-L6sung un- tersucht, de r als Herabsetzung de r Haarquel lung auf- zufassen ist. D i e in Tab. 1 dargestell ten Ergebnisse be- weisen, dai3 NaCl selbst da r in sehr stark die Haarquel- lung hemmt, wenn bei praktisch gleicher Thioglykolat- Konzentration de r Geha l t an freiem Monoathanolamin erhoht wird. Man erkennt, dai3 trotz deutlichen Un te r - schiedes de r t , -Wer t e , die u m so g roae r werden, j e geringer die W i r k u n g auf das Haar ist, d ie Differenz tn zwischen dem (Bezugs-) Kollektiv, das n u r de r Wir- kung des Monoathanolamin-ThioglykolatiMonoathanol- amin-Systems ausgesetzt war , u n d dem CaCl, enthalten- d e n sonst gleich zusammengesetzten System, vollkom- m e n ungesichert ist. E s wirkt also CaCl, in dieser Kon- zentration nicht bzw. noch nicht quellungshemmend. Un te r vorliegenden Bedingungen ist abe r eine hohere CaCIZ-Konzentration nicht erreichbar. Die bisherige Er- f ah rung lehrt , dai3 Unterschiede in de r Molar i ta t von Thioglykolsaure und d e r freien Base von bis 0.02 mit dem Weber-Gerat nicht erfai3bar sind, diese Diff erenz also nicht d e n Effekt vortauschen kann.

Tabelle 1

Einflzifl von NaCl und CaCl, a u f die Monoathanolaminthio- glykolatiMonoathanolamin-Wirkiiia,q auf H a m

0.912 0.671 - - I I -

gesichert 0.900 0.770 3.16 -

0.923 0.753 - 0.297 4.24 k 1.62

-

2. Ablzangigkeit der Wirkung des Amtnoiiiumlhiogly- kolatlAnamoniak-Systems von seinem pH-Wert Vor einiger Ze i t wurde d e r Verlauf de r t,,-Werte als

Funktion des pH eines AmmoniumthioglykolatiAmmo- niak-Systems von 9.95 g Thioglykolsaure/lOO ml erniit-

Fette u. Seifen 56, 868 [19531.

81, 59 [1955]. 7 R. Heilingotter, Seifen-Oele-Fette- Wachse 80, 669 [1954] ;

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telt Versuchsmaterial waren 3 verschiedene Sorten nativen Haares; wie den Kurven (Abb. 1) und Tab. 2 zu entnehmen ist, nehmen die t,-Werte mit sinkenden pH-Werten sehr rasch zu. Daraus ist zu schlieflen, dal3 das untersuchte System bei Annaherung an den iso- elektrischen Punkt der Haare (4.7-4.9)' an Wirksam- keit

Pat

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verliert, was theoretischer Erwartung entspricht.

Abb. 1. Die mitt1,ere Dehnungszeit t,, dreier Haarsorten (LF47, LF49, LF5.5) als Funktlion des pH-Wertes der Am-

moniumthioglykolatiAmmoniak-Losung (Ti ter wie vor)

Tabelle 2

Wirkzcng von Ammoniumthioglykolat/Amniolziak-Systemen von verxhiedenem pH-Wert auf versthiedene siative Haar- horten, dmgestellt nls Funktion rles t,,-Wertcs vona pH-Wert

Haarsorte LF 49 Nr. PH t,,, 2 3 ,u tm22,Ll

I I1

111 IV V

VI VII

VIII

Nr.

6.70 153 * 102.8 8.55 29.8 -C 18.4 9.10 12.7 k 5.6 9.40 5.7 * 3.2 9.70 4.1 f 2.5

10.00 3.55 k 1.7 10.30 2.95 k 1.3 10.65 3.85 k 1.7

Haarsorte LF 4 7

PH t,,, t 3 iu

IX X

X I XI1

XI11 XIV xv

XVI XVII

XVI I I

6.42 191 k 258.9 191 k 172.6 7.05 89.4 f 73.1 - 8.35 30.6 k 25.2 - 8.90 9.7 f 6.7 - 9.50 8.2 k 4.4 - 9.80 2.8 ? 1.4 -

10.10 2.2 2 1.4 -

10.60 2.9 f 1.4 - 10.70 2.3 2 1.6 - 11.0 2.3 ? 2.1 _ _

* H . FrtJytng, Fette . Seifen Anstrichmittel 58, 245 [1956].

Rei allen 3 Haarsorten ist der Kurvenverlauf, off enbar innerhalb der Haarvariabilitat, einander sehr ahnlich. Diese Ahnlichkeit ist an sich schon ein Beweis fur die Richtigkeit des allgemeinen Kurvenverlaufs (grundsatz- liche Reproduzierbarkeit). Da aber infolge geringerer Einwirkung des Systems bei niedrigeren pH-Werten die Dauer der Messungen stark zunimmt, so wurde der Um- fang allgemein auf 20, bei pH ca. 7 auf 10 Haare heschrankt. Es war daher von notwendigem Interesse festzustellen, in welchem Umfang die gefundenen Punkte cler Kurven z. B. fur Haarsorte LF 49 (I-VIII) und LF 17 (IX-XVIII) gegeneinander statistisch gesichert sind. Die Tabb. 3 (LF 49) und 4 (LF 47) geben daruber zahlenmagigen AufschluiS.

Es zeigt sich, da13 der Bereich ab pH 9, gewil3 aber p H 9.5, nach hoheren pH-Werten hin, einen Bereich statistischer Nichtsicherung darstellt. Dies bedeutet aber, dai3 von p H 9 an jede beliebige pH-Anderung an dem Zustand des Haares, der durch den t,,-Wert gekenn- zeichnet wird, nicht mehr vie1 zu andern vermag. Der Verlauf einer geradezu asymptotischen Annaherung der Kurve an die pH-Achse, wobei der Wert t,,l = 0 bei p H 14 theoretisch erreicht werden miiiite, ist durchaus ein Ausdruck weitgehender Nichtsicherung der t,,l-Werte gegeneinander in diesem Gebiet. Die Kollektive, mit dem Thioglykolat/Ammoniak-System von p H 9 bis 11 behandelt, verhalten sich identisch, die t,-Werte sind statistisch gleich (Sicherung 68.26 O/o). Halt die Differenz einem 2 pD-Wert stand (Sicherung 95.45O/o), so kann man anehmen, dai3 bei entsprechender Erweiterung der

Tasbelle 3 Sicherung der Punkte der Kurve t,,,-pH fur H a m LF 49

Punkt Sicherung k pU ? 3 pD von ( 0 1 0 ) Nr./Nr. tD

1/11 IIiIII IIIiIV IVIV V/VI VI/VII VIIiVIII

M I 1 IiIV I/V I/VI IN11 I/VIII

IIIIV II/V IIIVI II/VII IIiVIII

IIIiV I I I N I I IIIVII III/VIII

IVIVI IVIVII IV/VI I I

V/VII ViVIII VI!VIII

123.3 17.1 8.8 1.6 0.55 0.60 0.90

140.4 147.3 148.9 149.5 150.1 149.2

24.1 25.7 26.2 26.8 25.9

8.6 9.1 9.7 8.8

2.2 2.8 1.9

1.2 0.25 0.30

34.8 6.4 1.96 1.34 0.99 0.70 0.70

34.3 34.3 34.3 34.3 34.3 34.3

6.2 6.2 6.2 6.2 6.2

2.1 1.95 1.92 1.96

1.2 1.2 1.2

0.92 0.99 0.78

104.4 99.73 19.3 95.45 5.9 99.73 4.0 G8.26 2.86 68.26 2.1 68.26 2.1 65.26

102.9 99.73 102.9 99.73 102.9 99.73 102.9 99.73 102.9 99.73 102.9 99.73

15.7 99.73 18.6 99.73 15.6 99.73 18.5 99.73 18.5 99.73

6.1 99.73 5.9 99.73 5.8 99.73 5.9 99.73

3.6 68.26 3.4 95.45 3.6 68.26

2.8 68.26 2.97 68.26 2.25 68.26

772 FETTE . SEIFEN ' ANSTRICHMITTEI 58. Jahrgang Nr. 9 1956

Page 4: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

Tabelle 4

Sicherung dcr Piinkte der Kurve t,,-pH f i i y Haar LF 47

Punkt Sicherung Nr./Nr. tD f pu ? 3 pu von (!'in)

I XIX XIXI XI/XII XIIIXIII XIIIiXIV XIVIXV XV/XVI XVIiXVII XVIIiXVIII

IXiXI IXIXII IXiXIII 1XiXIV IXiXV IX/XVI 1 XiXVI I IXiXVlII

XiXII XiXIII XiXIV x i x v WXVI XiXVII XiXVI I I

XIIXI I I XI/XIV XIIXV XIiXVI XIiXVII x IiXVIl I

XII/XIV XIIiXV XIIiXVI XIIiXVIl .XII/XVIII

XIIIiXV XIII/XVI XIIIiXVII X I1 IiXVI I I

XIViXVI XIV/XVII XIViXVI I1

XV/XVII x ViXVIII

XVI/XVII I

101.7 58.8 20.9

1.5 5.4 0.7 0.75 0.60 0.05

160.5 181.4 182.9 188.3 188.9 188.2 188.8 188.9

79.7 81.2 86.6 87.3 86.5 87.1 87.2

22.4 27.8 28.5 27.7 28.3 28.4

6.9 7.6 6.8 7.4 7.5

6.1 5.3 5.9 5.95

0.1 0.5 0.55

0.15 0.10

0.65

89.7 25.8

8.1 2.7 1.5 0.494 0.482 0.49 0.27 1

86.7 86.3 86.3 86.3 86.3 86.3 86.3 86.3

24.5 24.4 24.4 24.4 24.4 24.4 24.4

8.5 8.4 8.4 8.4 8.4 8.4

2.3 2.2 2.3 2.2 2.3

1.5 1.5 1.5 1.5

0.657 0.498 0.52

0.222 0.263

0.507

269.1 77.3 24.3

8.1 4.6 1.48 1.45 1.46 0.813

260.1 259.0 259.0 259.0 259.0 259.0 259.0 359.0

73.5 73.2 73.2 73.2 73.2 73.2 73.2

25.5 25.2 2.52 25.2 25.2 25.2

6.9 6.6 6.9 6.6 6.9

4.5 4.5 4.5 4.5

1.971 1.49 1.56

0.666 0.789

1.521

68.26 9.5.45 95.45 68.26 99.73 68.26 68.26 68.26 68.26

68.26 95.45 95.45 95.45 95.45 95.45 95.4.; 9.5.45

99.73 99.73 99.73 99.73 99.73 99,;s 99.73

95.45 99.73 99.73 99.73 99.73 99.73

95.4.5 99.73 95.45 99.73 99.73

99.73 99.73 99.73 99.73

68.25 68.26 68.26

68.26 68.26

68.26

Kol lektiv-UmfZnge ein Unterschied signifikant nachweis- bar ware. Sicher erscheint die Deutung, dai3 bei einer 2 pr,-Sicherung die verglichenen behandelten Haarkol- lektive geringere Veranderungen durch das Wirksystem erfahren haben.

Die Messungen wurden mit 5 Wcber-Geraten ausgefiihrt. Die einzelnen Hebelbelastungen von 22 bis 24 g wurden als in die Variabilitat der Haare einbezogen betrachtet. Die g-Werte wurden noch nicht ausgewertet.

FETTE . SEIFEN ANSTRICHMITTEL 58 Jahrgang Nr 9 1956

3. Priifung der Wirkung wernetzender Verbindungen auf Haar Vor einiger Zeit haben R. Cockburn, L. G. lugger

und 1. B. Speakman erstmals quervernetzende Wir- lcung von Ninhydrin fur Keratin festgestellt und H. Zahn, A. Wiirz und A. Rauchle lo die darauf beruhende mikrobiologische Resistenz damit behandelter Wolle beobachtet. Hierbei mu& den Feststellungen der ersteren Autoren zufolge, eine wesentliche Rolle die basische Seitenkette des Keratins spielen; denn das Ausmai3 der Reaktion ist herabgesetzt, wenn die Lysin-Seitenketten mit l-Fluor-2,4-dinitrobenzol oder Nitrosobenzol blok- kiert sind, und keine Verfestigung ist bei desaminierten Fasern beobachtbar. Es war daher von groi3em Inter- esse zu prufen, ob die sich des Weber-Gerates bedie- nende statistische Methode geeignet ist, ebenfalls die quervernetzende Wirkung des Ninhydrins nachzuweisen.

Fur diesen Versuch wurde ein Kollektiv nativer Haare gewahlt und auflerdem ein anderes gleicher Herkunft, das mit H,O, in Gegenwart von Ammoniak gebleicht worden war. Ein Kollektiv so gebleichten Haares auch dieses Ursprungs wurde rnit 0.07 m waI3riger Ninhydrin- Losung bei 75O C 15 Min. lang behandelt sowie ein anderes Kollektiv gebleichten, aber mit ublicher Kalt- well-Losung zusatzlich behandelten Haares mit der erwahnten Ninhydrin-Losung zur Reaktion gebracht. Als Vergleichskollektiv diente das nicht mit Ninhydrin behandelte gebleichte und der gleichen Kaltwell-Losung ausgesetzte Haar. Die Behandlung mit Kaltwell-Losung erfolgte nicht in der der Friseur-Technik gelaufigen Weise, sondern durch 10 Min. langes Eintauchen. Wie aus anderen Untersuchungen bekannt geworden ist *, sind die Haare unter solchen Bedingungen besonders stark geschadigt. Es wurde erwartet, dai3 an solchem Haar die Quervernetzung, d. h. eine Verfestigung des Haares, besonders deutlich zu erkennen sein niiiBte. Dies traf auch tatsachlich zu.

Es wurde sowohl der mittlere Dehnungswert t,, als auch die prozentuale Haufigkeit g der gerissenen Haare bestimmt. Die Unterschiede der t,-Werte tD und der g-Werte gn wurden auf statistische Sicherung ( 3 p D und 3 on) gepriift. Es ergab sich in jedem Fall eine 99.73- "ioige Sicherung der Wirkungen der Bleichung, Kalt- well- und Ninhydrin-Behandlungen. Die t,-Werte stei- gen durch Umsetzung der Haare init Ninhydrin an, was nach bisherigen Erfahrungen einer Verringerung von Schadigungswirkungen entsprechen konnte. Gleich- zeitig andern sich aber die g-Werte. Beim nativen und gebleichten Haar einer Sorte (LF 118) sind sie beson- ders hoch (vgl. Tabb. 5 und 6). Merkwurdigerweise

Tabelle 5 Die mittleren Dehnungswerte t,, iind die prozentuale Haiifig- keit g gerissener Haare bei gebleichtcm, versehieden uor-

behandelteni Haar (LF 118)

Vers.-Nr. Behandlungsart t, I 3 p in Min. g in O/o

1 Kontrolle, ungebl,eicht,

2 gebleicht 1.094 k 0.048 100 3 wie 2, mit Ninhydrin 1.288 k 0.077 100 4 wie 2, mit ammoniakalischer

5 wie 4, zusatzlich rnit Ninlhydrin 1.000 k 0.0 54.16

unsbehandelt 1.883 f 0.233 92.5

Thioglykolatlosung 1 .ooo k 0.0 8.33

Nature (London) 172, 75 [1953]. lo Melliand Textilber. 36, 121 [1985].

773

Page 5: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

Tabelle 6

Nachweii der Wirkung verschiedener Behnndlungen bei ge- bleichtem Haar (LF 118) (vgl. Tab. 5)

Statistischer Dlifferenz gl) der pro- Vergleich zentu-len Haufigkeit

von t,,-D'iff erenz k 3 oD gerissener Nr./Nr. tD k 3 ~,IJ Sicherung Haare Sicherung

112 0.789 k 0.248 99.73 7 . 5 k 4.25 99.73 113 0.595 f 0.25 99.73 7.5 f 4.25 99.73 114 Fragestellung entfallt - 1/5 0.883 f 0.23 99.73 38.34 k 9.81 99.73 2/3 0.194 f 0.090 99.73 Sich,erung unmoglich - 214 0.094 k 0.048 99.73 91.61 k 11.12 99.73 215 0.094 k 0.048 99.73 77.08 5 9.40 99.73 314 0.288 k 0.077 99.73 91.61 k 11.12 99.73 315 0.288 kO.077 99.73 77.08k 9.40 99.73 4/5 Sich'erungunmoglich 45.83 k 10.36 99.73

steigt der g-Wert sehr haufig d u r c h B 1 e i c h e n a l l e i n g e g e n u b e r d e m V e r g l e i c h s k o l l e k - t i v an. Wenn man mit M . Harris und A. L. Smith" als mogliche Oxydationsprodukte der Cystinbrucken die Entstehung von Verbindungen der Art R-SO-S-R, R- SO,-S-R, R-SO-SO-R, R-SO,-SO-R u. a. annimmt, so bedeutet dies praktisch eine Vernetzung, insofern nam- lich, als diese modifizierten Briicken der Testlosung gegenuber sich wohl als unangreifbar erweisen diirften, wodurch die Erhohung der g-Werte zustande kommt. Die Briicke S-SO-S-R ist allerdings - nach den gleichen Autoren - hydrolytisch zu R-SOOH + RSH spaltbar, vermutlich entsteht bei starkem Bleichen vor Erreichen des -R-S03H-Zustandes (Cysteinsaure) diese Gruppe nur in geringem Ausmai3. Zu beachten ist ferner bei ge- bleichtem Haar der Befund von P. Alexander, D. Carter und C. Earland 12, dai3 - von Wolle - M'asserstoffper- oxyd aus nur 3Oioigen wasrigen Losungen, unabhangig vom pH-Wert im Bereich von 2.5 uiid 9.0, wahrschein- lich von den N-haltigen Komponenten, ahnlich wie von Harnstoff, in Form einer stabilen Additionsverbindung gebunden wird. Dies erklart auch, weshalb selbst lange nach dem Bleichen Wasserstoffperoxyd im Haar nach- weisbar bleibt 13. Das gebleichte Haar erfuhr durch Nin- hydrin-Behandlung keine g-Wertsteigerung mehr, da- gegen eine Erhijhung des tnl-Wertes. Gebleichtes Haar nach Schadigung durch Kaltwell-Losung lieferte einen mehrfach hoheren g-Wert, gelegentlich zugleich eine geringe, aber gesicherte t,,-Erhohung (Tab. 7 ) . Zwei ver- schiedene Haarsorten (LF 118 und LF 120) verhielten sich absolut gleichsinnig, ein Beweis dafur, dai3 es mog-

Tabelle 7 Die mittleren Dehnungswerte t , und die prozentuale Haufig- keit g gerissener Haare bei gcbleichtcm und verschieden vor-

behandeltem Haar (LF 120)

Ver's.-Nr. Behandlungsart t, k 3 p in Min. g in o i o -_- l a Kontrollhaar ungebleicht,

unlbehandelt 2.65 5 0.217 90.00 2a gebleicht 1.46 f 0.091 97.50 3a wie 2a, mit Ninhydrin 2.17 k0.138 97.22 4a wie 2a, mit ammoniakaliscber

Thiogl ykolat-Losung 1.00 k 0.0 20.83 5a wie 4a, mit Ninhydrin 1.011 k 0.017 79.72

l1 J. Res. nat. Bur. Standards 18, 623 [1937]. le Biochem. J. 47, 251 [1950]. 13H. Freytag, Z . analyt. Chem. 131, 7 7 [1950].

714

lich ist, mit der statistischen Methodik die Vernetzung durch Ninhydrin einwandfrei nachzuweisen. Die Ver- netzungswirkung ist auch am ungebleichten Haar mit groflter Signifikanz demonstrierbar (Tabb. S und 3).

Tabelle 8 Die mittleren Dehnungswerte t , und die prozenluale Haufig- kcit g gerishener HaaTe bei nativem und werschieden wor-

behandeltem Haar (LF 140)

Vers.-Nr. Behandlungsart t, k 3 p in Min. g in O/o

l a Kontrollhaare, ungebleicht unbehandelt 2.65 k0.217 90.00

6 wie la, mit Ninhydrin 4.29 k0.556 89.72 7 wie la, mit ammoniakalischer

31.11 8 wie 7, mit Ninhydrin 1.138 k 0.056 89.44

Thioglykolat-Losung 1.00 + o

Tabelle 9 Nachweis der Wirkung der Ninhydrin-Behandlztng auf ver-

schieden worbehandeltes Haar (LF 1211) (vgl. Tab. 8) Differenz der pro-

zentualen Haufigkeit Versuch- t,n-Diifferenz gerissener Haare NrJNr. t D f 3 p D Sicherung gD k 3 OD Sicherung

lai6 1.64 f 0.597 99.73 0.28 f 6.741 68.26 9ai3a 0.706k 0.165 99.73 0.28k 3 582 68.26 4d5a 0.011 k 0.017 68.26 58.89 5 15 81 99.73 7 18 0.138 k 0.056 99.73 58.33 k 11 94 99.73

Aus den bisherigen Resultaten lassen sich folgende Tatsachen herauslesen:

a) Durch starkes Bleichen (Oxydation in ammoniaka- lischer Losung) werden die g-Werte zumeist deutlich erhoht;

b) Die g-Werte von gebleichtem Haar werden durch Ninhydrin-Einwirkung nicht signifikant verandert, nur die t,-Werte erfahren eine Zunahme.

c) Mit ammoniakalischem Thioglykolat (unter anschlie- f3ender Fixierung, d. h. Oxydation) behandeltes ge- bleichtes Haar erfahrt hinsichtlich der t,-Werte keine oder nur eine geringe Steigerung, die g-Werte hingegen eine sehr hohe, aber noch unter den g-Werten der nur gebleichten Haare bleibende.

d) Die t,-Werte von nativem Haar werden durch Ninhydrin stark erhoht, ohne dai3 die g-Werte beson- ders verandert werden.

e) Natives, ammoniakalischer Thioglykolat-Losung ausgesetztes (und fixiertes) Haar zeigt starkes Absinken der t,- und g-Werte (wie beim gebleichten); durch Um- setzung mit Ninhydrin nimmt der t,-Wert jedoch ver- haltnismai3ig wenig zu, der g-Wert erreicht die Hohe der nativen unbehandelten bzw. mit Ninhydrin behan- delten Haare, zum Unterschied von gebleichtem Haar.

Ungebleichtes und gebleichtes Haar verhalt sich so- nach vollig unterschiedlich. Durch die Oxydation werden offenbar Voraussetzungen l1 geschaffen, die die Reak- tion mit ammoniakalischem Thioglykolat in eine andere Kichtung steuern. Cockburn, l u g g e r und Speakman ' schreiben, wie schon erwahnt, der Lysin-Seitenkette eine wichtige Aufgabe bei der Quervernetzung zu. Es wird be- kanntlich angenommen. dai3 bei der Umsetzung die a- Aminosauren mit Ninhydrin zu einem um ein C-Atom armeren Aldehyd unter Abspaltung von NH, (und Cot) oxydiert werden, wobei der blaue Farbstoff (getrennt)

I

FETTE . SEIFEN 58. Jahrgang

ANSTRICHMITTEL Nr. 9 1956

Page 6: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

entsteht. Entsprechend durften die endstandigen Rmino- gruppen umgewandelt werden und Aldehydgruppen dort auftreten, die auf Grund ihrer Reaktionsfahigkeit im wesentlichen zur Quervernetzung beitragen. Beleg hierfur ist im (vorlaufigen) Ergebnis der papierchroma- tographischen Untersuchung (Methodik vgl. A . L. Levy 14) des dinitrophenylierten und hydrolysierten Ninhydrin-Haares (LF 120) zu sehen. Die NH,-End- gruppen sind nicht mehr nachweisbar, hingegen treten aui3er dem DNP-OH-Fleck noch 4 durch ihre gelbe bzw. hellblaue Fluoreszenz erkennbare Flecken auf, uber deren Natur noch nichts gesagt werden kann. Uber die Fortsetzung dieser Untersuchungen sol1 spater berichtet werden.

Von F . Lieben und E . Edel l5 wurde beobachtet, dai3 Alloxan mit Aminosauren unter Rotfarbung reagiert. Es schien daher aufschluflreich zu versuchen, ob nicht

-CO\ /OH - diese dem Ninhydrin wegen der C -CO/ \OH

Gruppe ahnliche Verbindung ebenfalls fahig sei, Kera- tin zu vernetzen. Zu diesem Zweck wurde Haar rnit einer 5Oioigen wafirigen Alloxan-Losung von pH 8.0 bei 75OC 15 Min. lang behandelt und nach griindlichem Waschen und Trocknen nach der statistischen Methode gepruft. Es ergaben sich die in den Tabb. 10 und 11 ver- zeichneten Resultate. Beziiglich ihrer Sicherung sei auf Tab. 10 verwiesen.

Tabelle 10

Die mittleren Delznuiigswerte t , und die prozentiiale Huufig- keit g gerissener Haai e bei werschieden worbehandeltem Haar

(LF 120) nach Alloxan-Behandlung Vers.-Nr. Behanidlungsart t, ? 3 t~, in Min. g in O/o

9 mit Alloxan 2.47 2 0.11 100 10 wie 7 (Tab. 8) dann mit

Alloxan 1.006 k 0.012 100 11 wie 2a (Tab. 7) mit Alloxan 1.837 k 0.075 100 12 wie 4a (Tab. 7) mit Alloxan 1.00 f O . O O 90.56

Tabelle 11

Nachweis der Wirkung der Alloxan-Behandlung ail/ ver- schieden vorbehandeltes Haar (LF 120)

Differenz der pro- zentualen Haufigkcit

Versuchs- t,,,-Differenz gewisser Haare Nr./Nr. tD ? 3 Sicherung gD ? 3 OD Ssicherunig

~ ~~ ~

Ia/9 0.18 ? 0.243 95.45 10 k 4.87 99.73 0.18 50.162

(2 Pun) 7 110 0.0055 2 0.012 68.26 68.89 ik 10.76 99.73 2a/ l l 0.374 k0 .118 99.73 2.5 ? 2.484 99.73 4a/12 0.0 kO.0 - 69.73 k 11.11 99.73

Sofern bereits ein Vergleich zwischen der nun e r s t - m a 1 s festgestellten vernetzenden Wirkung von Alloxan und der von Ninhydrin moglich ist, darf vielleicht be- hauptet werden, dai3 ersteres wirksamer erscheint. Die Versuche fuhren zu einem weiteren wichtigen Ergebnis. Das von Speakman u. Mitarbb. als vernetzend erkannte

Ninhydrin sowie die neuen Befunde mit Alloxan zeigen ihre Wirkung auf Haar durch signifikante Erhohung der Anzahl gerissener Haare, d. h. der g-Werte. Das E r - e i g n i s d e s R e i 13 e n s erweist sich sonach offensicht- lich als M e r k m a l d e r Q u e r v e r n e t z u n g . Darin ist kein Widerspruch zu sehen. Je haufiger Vernetzungs- stellen vorkommen, d. h. je starker der Vernetzungs- grad ist, desto eher wird an StelIe des Dehnens bei glei- cher Zugbelastung ein Reii3en diirch Oberwinden der Vernetzung als Dehnungswiderstand erfolgen.

Der t,,,-Wert selbst hingegen enthiilt zwar indirekt die g-Werte als Haufigkeit in den Zeit-Klassen und wird daher von ihm mit beeinflufit. Jedoch findet das Ereignis des Reii3ens im allgemeinen weit uberwiegend zeitlich unabhangig (auf mehrere Zeit-Klassen verteilt) statt, so dai3 der t,-Wert ein davon wenig abhangiges Ma8 fur die Geschwindigkeit des Quellens und der chemischen Umsetzungen (der Testlosung mit dem FIaar) ist, die zweifellos noch von anderen Faktoren der Gesamtstruktur abhangig sein durfte. Es werden sich ver- mutlich auch r a u m 1 i c h e Verhaltnisse, die naturlich chemisch nicht fai3bar sind, im t,,-Wert auspragen, die z. B. eine Entfaltung bei gegebener Belastung zulassen oder etwa Gleitvorgange an morphologisch verschie- denen Elementen des Haares, die durch vorangegan- gene chemische Eingriff e vorbereitet wurden.

4 Messung der Superkontraktion Es war zu vermuten, dai3 auch die von J . B. Speuk-

nian als Untersuchungsmethode eingefiihrte und dann insbesondere von E. Elod und H. Znhn" untersuchte Erscheinung der Superkontraktion sich als variable Eigenschaft menschlicher Haare erweisen wiirde. Zahl- reiche Versuche bestatigen diese Vermutung. Dariiber hinaus wurde gefunden, dai3 jedes native Haar Ver- schiedenheit der Superkontraktion zeigt, je nachdem, ob es sich um den Ansatz oder die Spitze des Haares handelt.

Die Superkontraktionsprufung der Haare erfolgte nach der Vorschrift von Speakman durch 1-stdg. Er- hitzen der Haare in Losungen von 5 g Natriumhydrogen- sulfit in 100 ml Wasser auf 98 bis 100°C. Hierbei er- wies es sich als praktisch, jedes mittels Millimeterpapier vermessene Haar in ein in der Mitte uni ca. 120° gebo- genes, beidseitig offenes Glasrohr von etwa 2 mm Durch- messer einzuschieben und so in das Superkontraktions- bad einzulegen. Man verhindert dadurch Verwechslun- gen und Verluste, kann eine fast beliebige Anzahl Haare gleichzeitig superkontrahieren, z. B. Ansatz- und Spitzenhaare, und die mit Bindfaden verbundenen Rohr- chen auf einmal in das Bad, das sich unter Riickflui3 be- findet, einlegen und herausnehmen. Die den Rohrchen entnommenen Haare wurden mindestens 1 Std. lang gewassert, dann auf Filterpapier getrocknet und ihre Lange erneut auf Millimeterpapier vermessen. Die in Prozenten ausgedruckte Verkurzung der Haare ist be- kanntlich die Superkontraktion; sie sei mit S bezeichnet bzw. mit SA oder SS, wenn es sich um die Superkon- traktion der Ansatz- bzw. Spitzenhaare handelt. Die S- Werte wurden stets als Mittel SA bzw. SS aus wenig- stens 20 Haaren berechnet, und etwaige Differenzen

'*Nature (London) 274, 126 [1954]. 15Bioch,em. Z. 244, 403 119321.

FETTE * SEIFEN ANSTRICHMITTEL 58. Jahrgang Nr. 9 1956

l6 J. Textile Inst. 27, 231 [1936]. l7 Melliand Textil'ber. 3@, 17 [1949].

775

Page 7: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

SAD bzw. SSD werden stet$ nur anerkannt, wenn sie zu 99.73 (SAD > 3 pa und SSD > 3 ps) gesichert sind. Die Ergebnisse sind in Tab. 12 zusammengestellt.

Tabelle 12

iVuchweis des Unterschiedes zwischeii Ansatz- und Spi tzen- haar mittels Superkonfruktion

(Mittlere Superkoiztraktion in u i u )

Ansatzihaar SAll, 5 3 p.1 Haarsorte Spitzenhaar SS, rf: 3 ,us ~

1 20.5 k 0.35 26.65 k 0.70 2 (1.Probe) 25.8 2 2.6 38.1 k 3.26 2 (2. Probe) 29.6 2 1.07 41.2 -Ir 1.57 2 (3 . Probe) 27.2 2 2.80 39.0 22 .14

Von Haarsorte 2 wurden zur Uberprufung der Repro- duzierbarkeit 3 Proben der entsprechenden Spitzen- und Ansatzbereiche entnommen. Bei Reproduzierbarkeit brauchen zwar, wie schon eingangs erwahnt wurde, numerische Ubereinstimmungen nicht zu bestehen, da- gegen durfen deren Differenzen nicht gegen 2 ,ull oder 3 p.4 bzw. 2 ps oder 3 ps gesichert sein. Dies ist tatsach- lich der Fall, ausgenommen die 1. gegen die 2 . Probe Ansatzhaare. Wahrscheinlich wurde die Haarprobe mit dem groi3ten SA,-Wert zu weit spitzenwarts untersucht. Dieses Beispiel wird mitgeteilt, weil es besonders in- struktiv ist.

Je rnehr Querverbindungen geltist sind oder vom Superkontraktionsmittel gelost werden, desto leichter findet Superkontraktion statt SS, > SAl,, bedeutet, dai3 in den Spitzen nativen Haares andere strukturelle VerhaItnisse als im Ansatz vorliegen, gekennzeichnet durch geloste Querverbindungen. In diesem Fall kann es sich wohl vornehmIich urn gesprengte Disulfid-Briicken handeln, wenn man die Untersuchungen von P. Alexan- derzo und von L. G . Beauregard, A. E. Brown und M . Harris beriicksichtigt. Diese Autoren wiesen namlich nach, dai3 Natriumhydrogensulfit nach Speahnzan bei stabilen bis-Thioather-Bindungen keine Superkontrak- tion mehr zeigt, Lithiumbromid aber immer noch die modifizierte Wolle superkontrahiert. Hierzu vermag vielleicht beim Spitzenhaar der Strahleneinflui3 beizu- tragen, insofern nach G. H . Grawshaw und 1. B. Speak- man z2 die Disulfid-Bindungen durch Licht dissoziiert werden konnen. Nach M . Harris und A. L. Smi thz3 ist bei Bestrahlung in Gegenwart von Luft mit dem Auf- treten von Schwefelsaure aus abgespaltenem Schwefel- wasserstoff zu rechnen. Feuchtigkeit spiele dabei keine bedeutende Rolle. Auch Feuchtigkeit mag hydrolytische Spaltungen herbeifuhren. Doch durfte aber unter nor- malen Bedingungen der Einflui3 beider Faktoren ver- haltnismafiig nur gering sein. Vielleicht spielt aber ein anderer, in diesem Zusarnmenhang noch nicht beachteter Faktor eine Rolle, der hier a r b e i t s h y p o t h e t i s c h im Hinblick auf eine spatere experimentelle Oberprufung erwahnt sein soll. Es ist eine Reihe von Vorstellungen

l s E . Elod u. H. Zahn, Melliand Textilber. 29, 17 [1948]. 18H. Zahn, Mtelliand Textiiber. 31, 181 [1950]. 2O Res. Correspondence 2, 246 [1949],

z2 J. SOC. Dyers Colourists 70, 81 [1954]. zs J. Res. nNat. Bur. Standtards 20, 563 [1938].

Textmile Res. J. 23, 642 [1953].

776

bekanntgeworden, die die Nervenleitung bzw. den Ener- &Transport bei Proteinen zu deuten versuchen. Sie basieren auf einem moglichen Verhalten der Saureamid- Gruppe und der Wasserstoff -Bindung. Die Entwicklung der wichtigsten Gedankengange findet sich bei K . Wirtz z4

und W. Schmidt z5; eine umfassende Darstellung erschien als MonographieZ6. Es wiirde sich natiirlich beim Haar weder urn eine Reiz- noch urn eine Erregungsleitung handeln. Es soll mit der Obertragung von Ansichten iiber die Nervenleitung auf das Verhalten des Haares auch nicht zum Ausdruck gebracht werden, es sei ein lebendes Anhangsgebilde. Jedoch wird bis zum Gegen- beweis angenommen, dai3 in die Haare hinein aus der I-laarwurzel als Folge dort verlaufender enzymatischer Vorgange 27 eine E n e r g i e - A b 1 e i t u n g zwangslau- fig stattfindet. Infolge dieser Energie-Ableitung kommt es vermutlich, wenn man sich die Anschauung von 0. Schmidt 28 zu eigen gemacht hat, zur gehauften Ausbil- dung von Storstellen im Spitzenbereich des Haares. Da- durch wird eine strukturelle Urnwandlung der Haar- spitzen notwendigerweise herbeigefuhrt, verursacht durch Ubergang von Keto- in Enolgruppen der Polypoptid- Ketten, entsprechend dem Bild

- CO -NH - CH - C(0H) = N - CH -CO -NH,

R R

womit die Wasserstoff -Bindungen gemindert werden und sich eine ,,Auflockerung" (gekennzeichnet als 0. Schmidtsche Sperrschicht) der gesamten Haarstruktur anbahnt. F . Moglich, R. Rornpe und N . Timofeeff- liessovsky 29 verweisen auf denkbare Modellversuche init reversibel kontrahierbaren Keratin-Fibrillen 30. Schliei3lich ist es vielleicht nick ganzlich undenkbar, dat3 in diesen Prozei3 Disulfid-Brucken als Acceptoren ein- bezogen werden, die dann Aufspaltung erfahren. Die stirkere Superkontraktion der Spitzenhaare konnte als ein Indiz fur die skizzierten Energie-Ableitungsvorgange zu betrachten sein.

I I

5 . Das Ionenaustausch-Vermogen des Haares (genzein- sam mit Dr. H. Boser ".

Vor einiger Zeit konnte nachgewiesen werden l, dai3 Haar Thioglykolat in Abhangigkeit vom pH-Wert der Thioglykolat-Losung zu ,,binden" vermag; das Ausmai3 der ,,Bindung" wird uberdies von der Art des Kations, das auch als freie Base vorliegt, bestimmt. Auch die Bin- dung etwa der Salzsaure und Kalilauge erscheint nach z. B. 1. Steinhardt und M . H a n i s 3 1 abhangig vom pH- Wert (und der Ionenstarke). Eine Variabilitat zeichnet sich ebenfalls hier ab.

~

24 2. Naturforsch. 2 b, 91 [19471. 25 Z. Naturf'orsch. 2 b, 98 [1947].

G. Briegleb, Th. Forster, H. Friedrid-Freksa, P . Jordan, G. Kortiim, A . Miinster, G. Scheibe u. K . W i r t z , ,,Zwi- schenmol'ekulare Krafte", Verlag G. Braun GmbH., Karls- ruhe 1949, S. 81, 82, 84, 126, 125, 136, 138, 140.

27 Th. Biicher, Angew. Gem. 62, 256 [1950]. 28 Naturwissenschaften 30, 644 [1942]).

Naturwissenschaften 30, 409 [1942]. 3uW. T. Astbury, J. Textile Inst., Manch. 1936, 27. 'b jetmzige Adresse: Biologische B'untdesanstalt fur Land- und

Forstwirtschaft, Institut fur An!gewandte Chemie, Hum.- Miinden, Goitbinger ,St8rai3e 112.

31 Amer. Dyestuff R,eporter 29, 103, 121, 131, 147 [1940].

FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 58. Jahrgang Nr. 9 1956

Page 8: Zur Untersuchung und Kenntnis der Variabilität menschlicher Haare

Verschiedene Autoren erbrachten den Nachweis, dai3 unter bestimmten Bedingungen Proteine Anionen und Kationen zu binden vermijgen. Besonders wichtig ist die Feststellung von R. Klement, M . Strehle und H. Grof132,33, dafl Serum-Eiweifl echte (Kontakt)-Austauscher-Eigen- schaften besitze. An Wolle beobachteten P. B. Stam und H. /. White j r . 3d radiochemisch die Aufnahme von Na- triumbromid und Verdrangung von Bromid-Ionen durch Farbstoff -Anionen.

Es war daher nicht unwahrscheinlich, dai3 auch mensch- lichen Haaren Ionenaustausch-Vermijgen, in entspre- chender Variation, zu eigen ist. Zur Oberpriifung wurde wie folgt verfahren:

3 g native, mit Athanol und Ather extrahierte Haare wur- den 3 Std. lang 0.1 m bzw. gesattigten Losungen von HCI, H2S04, HJ, HBr, Oxalsaure bzw. Ba(OH),, Sr(OH), und Ca(OH), bei Raumtemperatur ausgesetzt. Die Losungen wur- den entfernt und dtie Haare mit Wasser erschopfend ge- waschen. Die Anionen wurden mit m Kaliumcitrat-Losung, das Oxalat mit m Kaliumchlorid-Losung verdrangt. Die Elu- tion von Ca++-Ionen wurde mit 1 m Kaliumchlorid-, die von Sr++- und Ba++-Ionen mit 1 m Kaliumcitrat-L6sunlg vorgenom- men. Die Elutionsdauer betrug 30 Min. bei Raumtemperatur, die Menge der Verdrangungs-Losung 30 ml, von denen 20 ml der Bestimmung der eluierten Ionen dienten. Da fur die Ver- suche stets das gleiche Haar benutzt wurde, wurde dieses je- weils vorher 3 ma1 je 5 Min. lang mit 0.1 n Salzsaure oder 1 : 50 verdunntem konzentriertem Ammoniak behandelt und bis zur Chlorid- und Ammonium-Freiheit (15 mal) gewaschen, um das Haar in die H+- bzw. OH--Form iiberzufiihren.

Die Ergebnisse fur natives und gebleichtes Haar sind den Tabb. 13 und 14 zu entnehmen; sie sind weit ent- fernt davon, ein vollstandiges Bild zu liefern und be- diirfen systematischer Erganzungen. Eine Tatsache scheint aber hervorzugehen, niimlich die, dai3 natives Haar f u r K a t i o n e n e i n g e r i n g e r e s A u f -

Naturwissenschaften 40, 246 [1953]. 33 R . Klement, Naturwissentschaften 37, 211 [1950]. "Textile Res. J. 24, 785 [1954].

n a h m e v e r m 6 g e n a u f w e i s t a l s g e b l e i c h t e s H a a r . F u r A n i o n e n g i l t d a s e n t g e g e n g e - s e t z t e V e r h a 1 t en . Die schon oben erwahnten Um- wandlungen des Haares beim Bleichen mit Wasserstoff - peroxyd sind durchaus geeignet, die erhohte Kationen- Aufnahme durch Auftreten saurer Fanggruppen zu er- klaren. Die Ionenaustausch-Fahigkeit des menschlichen Haares ist aber erstmals eindeutig bewiesen und kann manche Eigentiimlichkeiten des Haarverhaltens einer Deutung zufuhren. Das Haar erfiillt wohl die wich- tigsten Forderungen an einen Ionenaustauscher. es ist unloslich und verfiigt uber basische und saure Gruppen, ist aber weitaus schwacher als etwa ein Harzaustauscher.

Tabelle 13

Aufnahmevermogen von nativem und gebleidttem :r Haar LF 120 fur Kationen (Cuff, Sr++ und Ba++) in m Mollkg Haar

Cat+ Sr++ Ba++

148.0 193.7 120.3 243.8 120.3 267.7 173.5 253.2 - 227.2 - 200.7

140.5k 231.04 12.6 11.6

91.5

k17.1

75.2 142.7 66.5 143.5 83.7 162.8 7 9 2 134.6 - 162.2 41.9 163.4 - 171.6 22.3 156.3 - 141.8 65.0 133.7 - 124.6 - 150.7

79.54 150.9+ 55.0k 147.0k Mittelwerte ? 4.3 7.2 10.1 4.9 mittl. Fehler

71.4 92.0 Differenz d. zugehorigen Mittelwerte

4 8.4 * 9.3 mittlerer Fehler -~ ~

+27.9 d. Differenz u. 3-facher Wert

451.4 k25.2

99.73 010 99.73 Q / o 99.73 "/a Sicherung

Tabelle 14

in m Mollkg Haar Aufnahmewermogen von nativem und gebleichtem'+ Haar LF 120 fur Anionen (Cl- , Br-, J - , SO4--, (coo-),)

c1- Br- J- so,-- (coo-), nativ gebleicht nativ gebleicht nativ gebleicht nativ gebleicht nabiv gebleicht

108.0 37.5 - 46.0 - 46.0 80.8 15.5 235.0 180.9 - 49.2 - 39.7 - 43.3 87.3 17.7 191.0 301.5 - 35.9 - 58.6 - 49.3 - 23.9 - 218.0 - - - 54.8 - 34.8 - 22.7 - 477.7 - - - 59.1 - 43.9 - - - 306.1

~ ._

- - - - 45.7 - - - - - 40.8 f 51.6 4

4.2 3.8 43.8 k 8 4 . 0 k 213.04 296.8 k

22.0 51.4 2.0 1.0

- - - 64.0 83.8

vermutlich 99.73 010

k 2.6 * 55.9 f 7.8 k 167.7

- vermutlich 'W vermdich "'' 99.73 010 68.26 "/a

Mittelwerte f mittlerem Fehler

Differenz der zugehori- gen Mittelwerte

mittlerer Fehler d. Dif- ferenz u. 3-facher Wert

Sicherung

'> gebleicht in beschriebener Weise mit Wasserstoffperoxyd ')'+ ungenugende Anzahl von Einzelbestimmungen, statistishe Sicherung, daher keineswegs verbindlich

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. ANSTRICHMITTEL Nr. 9 1956 577