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In dem folgenden, an der Praxis ausgerichteten Beitrag setzt sich die Verfasserin mit dem Für und Wider eines europaweit verbrei- teten Einsatzes von Setzkeschern auseinander. Hier hat sich die Praxis etabliert, dass geangelte Fische in einem Textilnetz (Setz- kescher) aufbewahrt werden. Die Verfasserin erkennt hierin ei- nen Verstoß gegen §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG. Gleichwohl ist einzuräumen, dass die bisherige unterschiedliche Verwal- tungspraxis in den Ländern nicht die erforderliche Rechtssicher- heit schaffen konnte. Schließlich würde ein absolutes Verbot so- Kathrin Bünnigmann, Richterin und derzeit in einer Zivilkammer des Landgerichts Dortmund tätig, Dortmund, Deutschland wohl für Fließ- als auch stehende Gewässer ein europaweites Novum darstellen, die Landesfischereigesetze und -verordnun- gen präsentieren sich gegenüber dem Bundesrecht nach § 17 Nr. 2b TierSchG uneinheitlicher und weniger restriktiv. Es be- steht politischer Handlungsbedarf – auf nationaler wie europäi- scher Ebene. 1. Ausgangslage: Ein schneller Fang und ein langes Ausharren der Fische Im Angelsport hat sich in den letzten Jahrzehnten der Ein- satz von Setzkeschern, vornehmlich für Wettbewerbszwe- cke resp. zur praktikablen und frisch haltenden Aufbe- wahrung der Fische für den späteren Verzehr etabliert. Die a) Waldflächen, die gleichzeitig als landwirtschaftliche Flächen dem landwirtschaftlichen Förderrecht unterliegen; b) Waldflächen, auf denen auch eine landwirtschaftli- che Nutzung durchgeführt werden darf. Insbesondere die zweite Kategorie könnte dazu dienen, historische, natur- schutzfachlich erwünschte Landnutzungsformen wieder- herzustellen bzw. kreative neue Nutzungsformen im Wald zu etablieren. Für diese intermediären Waldkategorien – ich nenne sie so, da sie eben den fließenden Übergang zwi- schen Wald und Offenland verdeutlichen – dürften nur be- stimmte waldgesetzliche Regelungen gelten. Z. B. wäre es sinnvoll, für Waldflächen der Kategorie a) nur eine Erstauf- forstungsgenehmigung aber keine Rodungsgenehmigung zu verlangen, damit zum einen die in Kap. 4 beschriebenen unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Anlage von Wald bzw. Kurzumtriebsplantagen unterbleiben und zum ande- ren weiterhin Freiheit für den landwirtschaftlichen Betrieb besteht, die agroforstliche Nutzung bzw. die Kurzumtriebs- plantage einzustellen, ohne dass dafür ein Verwaltungsakt notwendig wird. Für die Waldkategorie b) wäre es sinnvoll, eine Umwandlungsgenehmigung im Sinne des § 9, Abs. 3 BWaldG zu verlangen. Hierbei könnte festgelegt werden, wie Konflikte zwischen der forstlichen und landwirtschaft- lichen Nutzung geregelt werden. Beispiele für solche Rege- lungen finden sich z. B. in Art. 4 und 9 FoRG. 4.4 Förderung der forstlichen Rahmenplanung als Konfliktregelungsmechanismus Eine Auseinandersetzung über die Wertung der Wohl- fahrtsfunktionen im Verhältnis zu den Nutzfunktionen, die auch Thomas in seinen Beiträgen führt, ist, wie in Kap. 2 gezeigt, so alt wie die waldgesetzlichen Regelungen. Die Konflikte innerhalb der Forstwirtschaft über die „richtige“ Form der Waldbewirtschaftung werden inzwischen durch Beiträge der Naturschutzkoalition bereichert. Eine abschlie- ßende, auf gesetzlicher Basis geregelte Konfliktlösung ist aufgrund der grundlegenden Wertdifferenzen zwischen den beteiligten Akteuren nicht zu erwarten. Es ist vielmehr not- wendig auf regionaler Ebene auszuhandeln, welche gesell- schaftlichen Ziele auf welchen Flächen verstärkt umgesetzt werden sollen. Dafür bietet sich die forstliche Rahmenpla- nung als betriebsübergreifende Planung und im Staats- und Kommunalwald die Forsteinrichtungsplanung an. Im Zuge der Einführung einer Strategischen Umwelt- prüfung wurden die Regelungen zur forstlichen Rahmen- planung gestrichen, da diese „mittlerweile umfassend im jeweiligen Landesrecht geregelt“ wird. Dadurch sollten die Länder „mehr Spielräume erhalten, um ihre besonderen Erfordernisse ausreichend berücksichtigen zu können.“ 47 Zielrichtung der forstlichen Rahmenplanung sollte es da- bei sein, in regionalen partizipativen Prozessen Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessengruppen herauszuar- beiten und ein Leitbild für die Entwicklung der regiona- len Wälder zu erstellen. Der forstliche Rahmenplan verliert damit eher die Eigenschaft eines Fachplanes, gewinnt da- bei aber über die Einbindung aller relevanten gesellschaft- lichen Gruppen an politischer Legitimität. Auf Basis dieser Rahmenplanung könnten dann, ebenfalls mit aktiver Ein- beziehung der Bürger, im Staatswald und Kommunalwald waldbauliche Ziele für die Forsteinrichtung konkretisiert werden. Die auf Bundes- oder Landesebene eher abstrakten Diskussionen über die Bedeutung der unterschiedlichen Waldfunktionen könnten somit auf regionaler Ebene am Beispiel geschlossener Waldregionen wie z. B. dem Spes- sart oder dem Harz konkretisiert und ausgehandelt werden. Den Förstern kommt es dann nicht mehr wie im Harmo- niemodell nach Dieterich (vgl. Kap. 2.3) zu, die Konflikte durch richtige Waldbauentscheidungen zu lösen, sondern als Experten für das Waldmanagement Inkompatibilitäten zwischen den Nutzungsansprüchen zu verdeutlichen und zusammen mit den gesellschaftlichen Akteuren Vorschläge für geeignete Lösungskonzepte zu entwickeln. DOI: 10.1007/s10357-014-2610-y Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln: „Habe da einen dicken Fisch an der Angel – sodann im Setzkescher“ Kathrin Bünnigmann © Springer-Verlag 2014 Bünningmann, Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln 123 176 NuR (2014) 36: 176–180 47) BT/Drs.15/4540, 7. Ein Vergleich des Vorgehens in den unter- schiedlichen Bundesländern kann mangels bestehender Über- sichten nicht erfolgen.

Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln: “Habe da einen dicken Fisch an der Angel – sodann im Setzkescher”

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In dem folgenden, an der Praxis ausgerichteten Beitrag setzt sich die Verfasserin mit dem Für und Wider eines europaweit verbrei-teten Einsatzes von Setzkeschern auseinander. Hier hat sich die Praxis etabliert, dass geangelte Fische in einem Textilnetz (Setz-kescher) aufbewahrt werden. Die Verfasserin erkennt hierin ei-nen Verstoß gegen §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG. Gleichwohl ist einzuräumen, dass die bisherige unterschiedliche Verwal-tungspraxis in den Ländern nicht die erforderliche Rechtssicher-heit schaffen konnte. Schließlich würde ein absolutes Verbot so-

Kathrin Bünnigmann, Richterin und derzeit in einer Zivilkammer des Landgerichts Dortmund tätig, Dortmund, Deutschland

wohl für Fließ- als auch stehende Gewässer ein europaweites Novum darstellen, die Landesfischereigesetze und -verordnun-gen präsentieren sich gegenüber dem Bundesrecht nach § 17 Nr. 2b TierSchG uneinheitlicher und weniger restriktiv. Es be-steht politischer Handlungsbedarf – auf nationaler wie europäi-scher Ebene.

1. Ausgangslage: Ein schneller Fang und ein langes Ausharren der Fische

Im Angelsport hat sich in den letzten Jahrzehnten der Ein-satz von Setzkeschern, vornehmlich für Wettbewerbszwe-cke resp. zur praktikablen und frisch haltenden Aufbe-wahrung der Fische für den späteren Verzehr etabliert. Die

a) Waldflächen, die gleichzeitig als landwirtschaftliche Flächen dem landwirtschaftlichen Förderrecht unterliegen;

b) Waldflächen, auf denen auch eine landwirtschaftli-che Nutzung durchgeführt werden darf. Insbesondere die zweite Kategorie könnte dazu dienen, historische, natur-schutzfachlich erwünschte Landnutzungsformen wieder-herzustellen bzw. kreative neue Nutzungsformen im Wald zu etablieren. Für diese intermediären Waldkategorien – ich nenne sie so, da sie eben den fließenden Übergang zwi-schen Wald und Offenland verdeutlichen – dürften nur be-stimmte waldgesetzliche Regelungen gelten. Z. B. wäre es sinnvoll, für Waldflächen der Kategorie a) nur eine Erstauf-forstungsgenehmigung aber keine Rodungsgenehmigung zu verlangen, damit zum einen die in Kap. 4 beschriebenen unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Anlage von Wald bzw. Kurzumtriebsplantagen unterbleiben und zum ande-ren weiterhin Freiheit für den landwirtschaftlichen Betrieb besteht, die agroforstliche Nutzung bzw. die Kurzumtriebs-plantage einzustellen, ohne dass dafür ein Verwaltungsakt notwendig wird. Für die Waldkategorie b) wäre es sinnvoll, eine Umwandlungsgenehmigung im Sinne des § 9, Abs. 3 BWaldG zu verlangen. Hierbei könnte festgelegt werden, wie Konflikte zwischen der forstlichen und landwirtschaft-lichen Nutzung geregelt werden. Beispiele für solche Rege-lungen finden sich z. B. in Art. 4 und 9 FoRG.

4.4 Förderung der forstlichen Rahmenplanung als Konfliktregelungsmechanismus

Eine Auseinandersetzung über die Wertung der Wohl-fahrtsfunktionen im Verhältnis zu den Nutzfunktionen, die auch Thomas in seinen Beiträgen führt, ist, wie in Kap. 2 gezeigt, so alt wie die waldgesetzlichen Regelungen. Die Konflikte innerhalb der Forstwirtschaft über die „richtige“ Form der Waldbewirtschaftung werden inzwischen durch Beiträge der Naturschutzkoalition bereichert. Eine abschlie-ßende, auf gesetzlicher Basis geregelte Konfliktlösung ist aufgrund der grundlegenden Wertdifferenzen zwischen den beteiligten Akteuren nicht zu erwarten. Es ist vielmehr not-

wendig auf regionaler Ebene auszuhandeln, welche gesell-schaftlichen Ziele auf welchen Flächen verstärkt umgesetzt werden sollen. Dafür bietet sich die forstliche Rahmenpla-nung als betriebsübergreifende Planung und im Staats- und Kommunalwald die Forsteinrichtungsplanung an.

Im Zuge der Einführung einer Strategischen Umwelt-prüfung wurden die Regelungen zur forstlichen Rahmen-planung gestrichen, da diese „mittlerweile umfassend im jeweiligen Landesrecht geregelt“ wird. Dadurch sollten die Länder „mehr Spielräume erhalten, um ihre besonderen Erfordernisse ausreichend berücksichtigen zu können.“ 47

Zielrichtung der forstlichen Rahmenplanung sollte es da-bei sein, in regionalen partizipativen Prozessen Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessengruppen herauszuar-beiten und ein Leitbild für die Entwicklung der regiona-len Wälder zu erstellen. Der forstliche Rahmenplan verliert damit eher die Eigenschaft eines Fachplanes, gewinnt da-bei aber über die Einbindung aller relevanten gesellschaft-lichen Gruppen an politischer Legitimität. Auf Basis dieser Rahmenplanung könnten dann, ebenfalls mit aktiver Ein-beziehung der Bürger, im Staatswald und Kommunalwald waldbauliche Ziele für die Forsteinrichtung konkretisiert werden. Die auf Bundes- oder Landesebene eher abstrakten Diskussionen über die Bedeutung der unterschiedlichen Waldfunktionen könnten somit auf regionaler Ebene am Beispiel geschlossener Waldregionen wie z. B. dem Spes-sart oder dem Harz konkretisiert und ausgehandelt werden. Den Förstern kommt es dann nicht mehr wie im Harmo-niemodell nach Dieterich (vgl. Kap. 2.3) zu, die Konflikte durch richtige Waldbauentscheidungen zu lösen, sondern als Experten für das Waldmanagement Inkompatibilitäten zwischen den Nutzungsansprüchen zu verdeutlichen und zusammen mit den gesellschaftlichen Akteuren Vorschläge für geeignete Lösungskonzepte zu entwickeln.

DOI: 10.1007/s10357-014-2610-y

Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln: „Habe da einen dicken Fisch an der Angel – sodann im Setzkescher“ Kathrin Bünnigmann

© Springer-Verlag 2014

Bünningmann, Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln

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176 NuR (2014) 36: 176–180

47) BT/Drs.15/4540, 7. Ein Vergleich des Vorgehens in den unter-schiedlichen Bundesländern kann mangels bestehender Über-sichten nicht erfolgen.

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lebenden Tiere werden nach dem Fang nicht (sofort) ge-tötet, sondern in den Setzkeschern bis zum Abschluss des gesamten Angelvorhabens gehalten, um erst dann getötet oder mangels Verwendungszweck in das Wässer zurückge-setzt zu werden. Die Hälterung erfolgt zum einen in Ver-bindung mit dem – so nach § 50 Abs. 2 S. 1 LFischG NRW verbotenen – Wettangeln, aber zum anderen auch zur Küh-lung und Aufbewahrung für den späteren Verzehr. Dieses Vorgehen ist keine nationale Erscheinung, sondern europa-weit verbreitet.

2. Vorstellung der §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG

2.1 Unvereinbarkeit mit dem TierSchG

Es besteht nun also die Möglichkeit, dass die – beispiels-weise in Nordrhein-Westfalen nach §§ 15 Abs. 1 S. 1 Tier-SchG i. V. m. § 52 Abs.  3–5 Landesfischereigesetz NRW (LFischG) vom 22. 6. 1994 i. V. m. §§ 4 Abs.  1, 5 Abs.  2 OBG NRW – zuständigen Kreisordnungsbehörden, also die Kreise und kreisfreien Städte, die gemäß §§ 1 S. 2, 16a S.  1 TierSchG notwendigen Anordnungen treffen, um festgestellte Verstöße zu beseitigen und künftige zu ver-meiden. Mit den Verstößen sind solche gegen Vorschriften des TierSchG gemeint, 1 von denen bei Haltung der Fische in Setzkeschern folgende auf den Plan treten: Das nach § 1 S. 2 TierSchG unmittelbar geltende Verbot, 2 einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schä-den zuzufügen, wird im Fall von länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden eines Wirbeltiers nach § 17 Nr. 2b TierSchG unter Strafe gestellt. 3 An der Verfassungsmäßigkeit der Regelung be-stehen keine Zweifel, insbesondere genügt sie den Anfor-derungen des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG. 4 Die Regelung in § 5 Abs. 1 S. 1 TierSchG konkre-tisiert weiterhin, dass bei einem Wirbeltier nur bei Be-täubung ein schmerzhafter Eingriff vorgenommen werden darf, wenn nicht eine der Ausnahmen nach Abs. 2 oder 3 greift. Die Vorschriften nach §§ 1 S. 2, 5 Abs. 1 S. 1, 17 Nr. 2b TierSchG stehen allesamt unter dem verfassungs-rechtlichen Licht des Art. 20a GG, der den Tierschutz zum Staatsziel erklärt und damit die gesellschaftspolitische Be-deutung unterstreicht. 5

2.2 Verstoß gegen die §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG

„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, § 1 S. 2 Tier-SchG, und konkreter folgen nach § 17 Nr. 2b TierSchG für denjenigen strafrechtliche Sanktionen, der „einem Wirbel-tier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt“. Dieses Verbot steht – bei Tageslicht besehen wenig verwunderlich – in Einklang mit gewaltpräventiven Überlegungen. 6 Hinsichtlich der Tatbe-standsvoraussetzungen von §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG sollen die folgenden Ausführungen insbesondere den – zu-letzt unter Anglern und Sachverständigen wieder vermehrt umstrittenen – Aspekt der Zufügung länger anhaltender Schmerzen (2.3), im Anschluss das Vorliegen eines ver-nünftigen Grundes (2.4) beleuchten.

2.3 Länger anhaltende Leiden durch Lebendhälterung in Setzkeschern

Zunächst ist davon auszugehen, dass Fische sowohl schmerz- als auch leidensfähig sind. 7 Es liegt auf der Hand, dass bei diesem Tatbestandsmerkmal der tatsächliche Nachweis schwierig, die Dokumentation der auftretenden Indizien seitens der Fische damit entscheidend wird.

Grundsätzlich wird das Wohlbefinden des Tieres ge-schützt, also ein „Zustand physischer und psychischer Har-monie des Tieres in sich und mit der Umwelt“. 8 Die in-

soweit kennzeichnenden Merkmale von Gesundheit und normalem Verhalten erfordern einen unbeeinträchtigten, verhaltens- und artgerechten Ablauf der Lebensvorgänge des Tieres. 9

Das Schmerzempfinden ähnelt sich aufgrund gleicher physiologischer Prozesse bei Mensch und Tier. Die für die Empfindung verantwortlichen Nocizeptoren sind bei al-len Wirbeltieren – auch bei Fischen – in fast allen Orga-nen aufzufinden. 10 Leiden ist als Oberbegriff für Schmerz und eher psychische Stresssteigerungen wie Angst, Panik, Atemnot und Erschöpfung zu verstehen. 11 Es handelt sich dabei um Einwirkungen, die von den Tieren als lebens-feindlich erlebt werden. 12 Die Feststellung von Leiden er-folgt sodann an äußeren Erscheinungsformen, die sich in menschenähnlichen Ausdrucksformen wie einem erhöhten Puls bemerkbar machen. Die Beschränkung von artgemä-ßer Bewegungsmöglichkeit gehört zum typischen Fall ei-ner Leidenszufügung. 13

Ob es sich um ein länger anhaltendes Leiden handelt, be-urteilt sich nicht nach der Dauer der Tat, sondern der Fol-gen. 14 Die Frage ist im Einzelfall zu beantworten, wobei nicht das menschliche Zeitempfinden, sondern die Fähig-keit des Tieres, physischem oder psychischem Druck ent-gegenzuhalten, maßgebend ist. 15 Das Leiden soll nicht nur ganz kurzfristig erfolgen, eine kürzere Zeitdauer kann im Einzelfall gleichwohl angesichts erhöhter Leidensintensität genügen. 16 Auch bei einer nicht allzu langen Hälterung in dem Setzkescher ist von längerfristigen Auswirkungen auf den Organismus des Fisches und damit von einem länger anhaltenden Zustand über den Aufenthalt im Kescher hin-ausgehend auszugehen. 17

Das Merkmal der Erheblichkeit soll Bagatellfälle von der Strafbarkeit nach § 17 Nr. 2b TierSchG ausnehmen. 18 Ge-fordert wird ein Mindestmaß von beachtlichen Beeinträch-tigungen hinsichtlich des Wohlbefindens des Tieres. 19

Nach weit verbreiteter Ansicht ist die Hälterung in Setz-keschern als Zufügung länger anhaltender, erheblicher Leiden einzuordnen. 20 Hinsichtlich der genauen physio-logischen und psychologischen Abläufe sei auf die dezi-

NuR (2014) 36: 176–180 177Bünningmann, Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln

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1) Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2.  Aufl. 2007, § 1, Rdnr. 9 f.

2) Hirt/Maisack/Moritz (Fn. 1), § 1, Rdnr. 9.3) Zur Bestimmung von Wirbeltieren Lorz/Metzger, Tierschutzge-

setz, 6. Aufl. 2008, § 4, Rdnr. 4, § 17, Rdnr. 4.4) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I,

NStZ 1994, 44; Lorz, NStZ 1987, 511.5) Faller, Staatsziel „Tierschutz“, 2005, S. 105 ff.6) Ort/Reckewell, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 17, Rdnr. 18 f.7) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 47, 78; Lorz/Metzger (Fn. 3),

§ 17, Rdnr. 43; Drossé, DÖV 1989, 763.8) AG Hamm, Urt. v. 18. 4. 1988 – 9 Ls 48 Js 1693/86, NStZ 1988,

466. 9) AG Hamm, Urt. v. 18. 4. 1988 – 9 Ls 48 Js 1693/86, NStZ 1988,

466.10) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 43, 47.11) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 65, 66a.12) AG Hamm, Urt. v. 18. 4. 1988 – 9 Ls 48 Js 1693/86, NStZ 1988,

467.13) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 66 f.14) Hackbarth/Lückert, Tierschutzrecht, 2000, S. 177.15) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I,

NStZ 1994, 44; Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 91; Lorz, NStZ 1987, 511.

16) Ort/Reckewell (Fn. 5), § 17, Rdnr. 40.17) So auch Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz (Fn. 3), § 17, Rdnr. 43;

Drossé, MDR 1988, 622.18) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 80; Lorz, NStZ 1987, 512.19) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I,

NStZ 1994, 44.20) Für viele OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 –

59/92 I, NStZ 1994, 44; AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 Owi/905 Js 919/89, NStZ 1991, 193; Drossé, DÖV 1989, 763; Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz (Fn. 3), § 17, Rdnr. 43.

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diert erörternden Sachverständigengutachten in den unter-schiedlichen Gerichtsverfahren verwiesen. 21

Man könnte wohl darauf verweisen, dass zwar Stress-reak tionen beim Fisch erzeugt, diese aber nicht länger an-haltend und damit keine nachhaltigen Beeinträchtigun-gen seien. Entscheidend sei allein die Art der Verwendung des Setzkeschers, also kein Anbringen am Boot und eine horizontale Verspannung des Netzes. 22 Gleichwohl wird auch innerhalb dieser Argumentation eingeräumt, dass die Fische Stress im Setzkescher empfinden, nach acht Stun-den die Faktoren sich allerdings wieder normalisiert hät-ten und die zurückgesetzten Fische sich nach ein bis zwei Tagen wieder normal verhalten. 23 Doch genau diese für die Setzkescherei ins Feld geführten Erwägungen stel-len ein klares Urteil aus: Die Zufügung der erheblichen Schmerzen in Form der Panikstimmung unter den Fi-schen ist auch erweislich – acht Stunden bis tagelang – länger anhaltend.

Außerdem muss für eine zutreffende Leidenseinschät-zung die Wertung der verschiedenen Gutachter ausrei-chende Beachtung finden, dass sich nämlich bei dem gefangenen Fisch sofort erhöhter Herzschlag und Panik-verhalten zeigen. Er erkennt die Beengung und nehme sie als Stresssituation wahr. Der durch den Drill – den Fang – hervorgerufene Stress wird dabei durch das Halten in dem Setzkescher fortgesetzt. Statt einer Regeneration wird das ACTH-Hormon ausgeschüttet, das seinerseits verstärkt Nebennierenrindenhormone und schließlich auch Adrena-lin auf den Plan ruft. Letzteres bewirkt eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels. 24 Es tritt dabei eine erhebliche Schleim-bildung beim Fisch auf, die wiederum seine Atmung be-hindert, ihn in Atemnot versetzt. Die Sauerstoffzufuhr ist im Kescher reduziert. Häufig werden gleich mehrere Fische in einem Setzkescher gehalten, die beengte Nähe der sonst frei lebenden Tiere erhöht ihre Stressbelastung. Werden die Fische im Anschluss zurück in das Gewässer gesetzt, zeigt sich ein beträchtlich verändertes Regulationssystem, nicht selten verendet das Tier. 25

2.4 Wettkampf oder Frischhaltung als vernünftiger Grund nach § 1 S. 2 TierSchG

Die Zufügung der Leiden wäre allerdings mit tierschutz-rechtlichen Grundsätzen vereinbar, wenn sich hierzu ein vernünftiger Grund im Sinne von §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2, 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TierSchG findet. 26 Dass es sich vor dem Hintergrund eines ambitionierten Wettbewerbsgeistes oder dem Praktikabilitätsgedanken hinsichtlich des Frischhalte-werts auch bei hohen Temperaturen um ein nach diesen Pa-rametern vernünftiges Verhalten handelt, ist plausibel. Ent-spricht diese Vernunft aber auch dem vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzrechts?

Das wird man wohl – soweit vorweggenommen – ver-neinen müssen. 27 Unbeachtlich ist für diesen Beitrag, ob es sich beim vernünftigen Grund um ein Tatbestandsmerk-mal oder einen Rechtfertigungsgrund handelt. 28 Auf eine Anfrage von Abgeordneten konkretisierte die Bundesre-gierung den unbestimmten Rechtsbegriff wie folgt: 29 So ist ein Grund „dann als vernünftig anzusehen, wenn er als trif-tig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse ge-tragen anzuerkennen ist, und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt, als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit. In die ethische Abwägung, ob Tö-tungs- oder Bekämpfungsmaßnahmen gerechtfertigt sind, müssen alle relevanten Aspekte mit einfließen. Insbeson-dere auch, ob geeignete zielführende Alternativen vorlie-gen.“ Neben den allgemeingebräuchlichen Vorstellungen von Umsicht und Verstand wird der Begriff insbesondere durch eine anzustellende klassische Verhältnismäßigkeits-prüfung mit Leben erfüllt. Alle relevanten Interessen sind im Rahmen einer umfassenden Abwägung in Ausgleich zu bringen. 30 Der Verwaltungsjurist befindet sich damit auf

gewohntem Terrain von legitimen Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.

2.4.1 Legitimer Zweck

Es versteht sich, dass rechts- und sittenwidrige Erwägungen denklogisch keinen legitimen Zweck abbilden, damit Tö-tungen, die allein zwecks Luxus-/Vergnügungsbestrebun-gen oder auch aus Sport- und Freizeitgedanken erfolgen, nicht verhältnismäßig, nicht zulässig sind. 31

Ein derart gedankenloses Verhalten wird man zumindest nicht jedem Einsatz von Setzkeschern vorhalten können: Sollte er allein zum Vergleich im Angelwettbewerb, zwecks bequemer Zählung der gefangenen Exemplare und der Messung des Gesamtgewichts des Fangs, erfolgen, kann ein legitimer Zweck nicht bejaht werden. Es geht dann viel-mehr allein um den genannten Freizeit- und Sportgedan-ken, der das Leiden eines Lebewesens nicht rechtfertigen kann. 32 Das Verbot des Wettfischens findet daher auch in entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Ausdruck, so nach § 50 Abs. 2 S. 1 LFischG NRW.

Nun werden die Fische in anderen Fällen durchaus nach der Lebendhälterung verzehrt und bleiben im Wasser auch bei sommerlichen Temperaturen gekühlt und frisch. Der Gedanke eines gesundheitlich einwandfreien Verzehrs un-versehrter Nahrungsmittel, vom Kescher direkt in den Kochtopf, erscheint durchaus als legitimer Zweck für ein solches Vorgehen. Neben dem Anliegen artgerechter Hege ist der Erwerb von Nahrungsmitteln originär rechtskon-former Zweck des Angelns. 33 Die gefangenen Fische sind – schlicht ökonomisch gesehen – kostengünstig gekühlte Le-bensmittel. Sie sind – schlicht ökologisch gesehen – gesunde Lebewesen, die nach dem Drill in den Keschern einer an-dauernden Stresssituation ausgesetzt sind. Nicht ohne faden Beigeschmack wird man eine möglichst kostengünstige Hal-terung zwecks Kühlung für den späteren Verzehr noch als le-gitimen Zweck bejahen müssen; ein reiner Wettkampfeifer, der sich nicht selten mit einer späteren Freisetzung der ver-störten Fische verbindet, scheidet als Rechtfertigung hinge-

Bünningmann, Zur Zulässigkeit von Lebendhälterung beim Angeln

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178 NuR (2014) 36: 176–180

21) Vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I, NStZ 1994, 44; AG Hamm, Urt. v. 18. 4. 1988 – 9 Ls 48 Js 1693/86, NStZ 1988, 467. Eine erschöpfende Zusammenstel-lung bei Drossé, MDR 1988, 623.

22) Vgl. AG Rinteln, Urt. v. 20. 6. 2000 – 6 Cs 204 Js 4811/98 (245/98).

23) Vgl. AG Rinteln, Urt. v. 20. 6. 2000 – 6 Cs 204 Js 4811/98 (245/98).

24) AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 Owi/905 Js 919/89, NStZ 1991, 192.

25) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I, NStZ 1994, 44; AG Hamm, Urt. v. 18. 4. 1988 – 9 Ls 48 Js 1693/86, NStZ 1988, 467; AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 Owi/905 Js 919/89, NStZ 1991, 193.

26) Hierzu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I, NStZ 1994, 44; Dietlein, NStZ 1994, 22.

27) So auch AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 Owi/905 Js 919/89, NStZ 1991, 193; Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz (Fn. 3), § 17, Rdnr. 43; Drossé, MDR 1988, 622.

28) Hierzu OLG Koblenz, Beschl. v. 17. 9. 1999 – 2 Ss 198/99, NuR 2000, 236 f.; Drossé, NuR 1987, 204; Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 29.

29) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abge-ordneten Undine Kurth (Quedlingburg), Nicole Maisch, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT.-Drs. 16/9742, S. 4; zum unbestimmten Rechtsbegriff auch Binder, NuR 2007, 806, 810.

30) Drossé, NuR 1987, 205; Hirt/Maisack/Moritz erkennen hierin eine „zweistufige Prüfung“ (Fn. 1), § 1, Rdnr. 28; hierzu auch OLG Naumburg, Beschl. v. 28. 6. 2011 – 2 Ss 82/11, OLGSt TierSchG § 17 Nr. 2.

31) Hirt/Maisack/Moritz (Fn. 1), § 1, Rdnr. 41.32) So auch Drossé, NuR 1987, 205; MDR 1988, 622; NStZ 1990,

73.33) Drossé, DÖV 1989, 764.

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gen aus. 34 Doch auch im Fall der Lebendkühlung muss der vernünftige Grund Hauptantriebsfeder des Handelns sein und darf sich nicht aus einer ex-post-Schau günstig gelege-ner, doch eher zufälliger Entwicklungen ergeben. 35

2.4.2 Geeignetheit

Ein Mittel ist bekanntlich dann geeignet, wenn eine Zwecktauglichkeit mit Blick auf den Gesetzeszweck bejaht werden kann, wenn das Mittel den legitimen Zweck för-dert. 36 Die Lebendhälterung in den Setzkeschern dient der Kühlung und Frischhaltung der Fische.

2.4.3 Erforderlichkeit

Die Erforderlichkeit – das ebenso wirksame und doch mildere Mittel – gestaltet sich als erste ernstzunehmende Hürde im Begründungsaufwand. Ist der Einsatz von Setz-keschern überhaupt erforderlich?

Die erste Frage ist mit einem „Jein“ zu beantworten, der fade Beigeschmack wird bitter. Denn es bestehen durchaus Alternativmöglichkeiten, so die Verwendung von Kühlbo-xen und Fischhaltebehältern. 37 Der Einsatz könnte sich – auch wenn Kosten und Aufwand höher erscheinen mögen – durchaus als äquivalente Alternative einbürgern, die den getöteten Fischen keine weiteren Leiden bereitet, sondern vielmehr als in jeder Hinsicht gangbarer Weg erscheint. Zu-dem muss angesichts der beschriebenen Leidensphänomene wie der erhöhten Schleimbildung in Frage gestellt werden, ob hier tatsächlich noch ein Frischhalteeffekt im Sinne eines unbeeinträchtigt genussvollen Verzehrs vorhanden ist, die Qualität also nicht unter den Stresssymptomen schwindet. 38 Gleichwohl wäre es realitätsfern, die Angler an dieser Stelle mit einem erhobenen, gleichwohl gesetzlich nicht normier-ten Zeigefinger in Richtung auf derzeit nicht praktizierte Alternativen zu mahnen.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtig nicht mit glei-chem finanziellen und logistischen Aufwand greifbaren Al-ternativen soll die „Lebendkühlung“ noch als erforderlich verstanden – zwingend ist das nicht – und nun auf ihre Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne abgeklopft werden.

2.4.4 Angemessenheit

Im Rahmen der Angemessenheit ist eine Abwägung von Schaden und Nutzen zu leisten. Es stellt sich also die Frage, ob der Nutzen der Maßnahme die Beeinträchtigung der Belange des Tieres erheblich überwiegt. Alle relevanten In-teressen sind in diesen Ausgleich einzustellen. 39 Die Prü-fung wird in der folgenden Gegenüberstellung von ver-wendungs- und tierschutzorientierter Sicht abgebildet.

3. Das „Für“ des Einsatzes von Setzkeschern: europaweite Praxis

3.1 Aufwändigere Alternativen

Zunächst bleibt aus wirtschaftlicher Sicht gesprochen die wasserunmittelbare Kühlung alternativarm. Wie unter dem Aspekt der Erforderlichkeit bereits erörtert, 40 ist der Einsatz von Kühlboxen mit einem erhöhten Aufwand hin-sichtlich Kosten und Transport verbunden. Ihr Einsatz hat sich möglicherweise noch nicht gegenüber dem der Setz-kescher restlos durchsetzen können, weil die dortige Hal-terung nach wie vor beinahe als konventionelle Methode je nach landesrechtlicher Ausgestaltung anerkannt ist. Nicht zu verwechseln ist diese Frage des wirtschaftlich vertretba-ren Aufwands allerdings mit der echten Alternativlosigkeit des Handelns, die vorliegend ersichtlich nicht angenom-men werden kann.

3.2 Behördliche Duldung

Weiterhin ist zu bedenken, dass dieses Phänomen nicht neuartig, sondern den Behörden wohl vertraut ist. Gleich-

wohl haben sie in der Vergangenheit nicht einen durch-greifenden Willen gezeigt, diese Praxis zu beenden oder überhaupt kritisch in Frage zu stellen. Mitunter wurde sie flächendeckend geduldet oder gestattet. Tatsächlich konn-ten sich die Angler darauf verlassen, dass diese Praxis als üb-lich und zulässig angesehen wurde. Trotz der Kenntnis um §§ 1 S. 2, 16a S. 1, 17 Nr. 2b TierSchG wurde das Vorge-hen als mit dem Staatsziel nach Art. 20a GG und dem Tier-schutzrecht vereinbar angesehen. Ein Unrechtsbewusstsein der betroffenen Angler kann damit unter Beachtung der landesrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen werden. 41 Die Frage nach dem Unrecht der Tat bleibt gleichwohl und noch konkreter, wie künftig mit diesem zu verfahren ist. 42

3.3 Europaweiter Verbreitungsgrad

Sollten sich nun die Bundesländer zu einheitlichen, Rechts-sicherheit schaffenden Regelungen durchringen, so bleibt natürlich die Frage nach einer europäischen Lösung. 43 Es liegt auf der Hand, dass eine bundesweite Durchsetzung des Verbots mit äußersten Anstrengungen verbunden, eine europaweite Handhabung noch weit entfernt scheint. Die Auseinandersetzung wird auf Verfassungsebene zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, sowie dem Tierschutz nach Art. 20a GG geführt. Die Geset-zesbegründung zur Einfügung des Tierschutzes als Staats-ziel erhält vor dem Hintergrund eines praktikablen, doch verzichtbaren Gefangenhaltens geängstigter Fische einen besonderen Zungenschlag: 44 „Die Leidens- und Empfin-dungsfähigkeit insbesondere von höher entwickelten Tie-ren erfordert ein ethisches Mindestmaß für das mensch-liche Verhalten. Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen.“

4. Das „Wider“ des Einsatzes von Setzkeschern: vermeidbare Schmerzzufügung

4.1 Keine Rechtsgrundlage für Setzkescher

Über Art. 20a GG und den damit verbundenen Gedanken der Mitgeschöpflichkeit eröffnet sich die einfachgesetzliche Ausformulierung, in erster Linie durch das Tierschutzge-setz. So wird an keiner Stelle die Verwendung von Setz-keschern gestattet, vielmehr wird das Zufügen von erheb-

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34) So auch Drossé, NuR 1987, 205.35) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 166; Drossé, NuR 1987, 206;

DÖV 1989, 762, 766.36) Für viele Ruffert, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrens-

gesetz (VwVfG), 9. Aufl. 2010, § 40, Rdnr. 73 f.37) AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 OWi/905 Js 919/89,

NStZ 1991, 193. 38) AG Düsseldorf, Urt. v. 17. 10. 1990 – 301 OWi/905 Js 919/89,

NStZ 1991, 193.39) Hirt/Maisack/Moritz (Fn. 1), § 1, Rdnr. 49 ff.40) II.3.c.; zur Alternativenprüfung auch Antwort der Bundesregie-

rung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlingburg), Nicole Maisch, Peter Hettlich, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drs. 16/9264, BT-Drs. 16/9742, S. 4.

41) Anders OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. 4. 1993 – 5 Ss 171/92 – 59/92 I, NStZ 1994, 45; Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz (Fn. 3), § 17, Rdnr. 43; Drossé, MDR 1988, 622.

42) Zur mangelnden „Legalisierungswirkung“ auch Lorz, NStZ 1987, 512; Drossé, DÖV 1989, 767.

43) Vgl. auch Ziekow, Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht, 1999, S. 90 ff.

44) Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, BT-Drs.  14/8860, S.  3; zum Verhält-nis von Mensch und Tier auch Teutsch, Tierversuche und Tier-schutz, 1983, S. 13 ff.; Morié, Das Vergehen der Tierquälerei, 1984, S. 28 ff.

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lichen und länger anhaltenden Leiden ohne vernünftigen Grund gemäß § 17 Nr. 2b TierSchG unter Strafe gestellt. 45

4.2 Keine Zulässigkeit durch Duldung

Auch auf exekutiver Ebene ergibt sich kein Unterschied. So wie der Gesetzgeber keine Rechtsgrundlage zum legalen Einsatz geschaffen hat, so wurde auch seitens der Behörden nicht ein Erlaubnistatbestand gesetzt. Würde man auch mit Blick auf die bisherige Praxis auf eine geduldete Handha-bung abstellen, so würde es sich gleichwohl nicht um die Erteilung einer konkludenten Genehmigung handeln. Nur am Rande seien auch Zweifel an der Möglichkeit einer sol-chen genehmigenden Wirkung angesichts der Indisponsi-bilität des Tierschutzes angemerkt. 46

4.3 Keine Begründung allein durch ökonomische Erwägungen

Nach einem Fischen um Aspekte, die den faden Beige-schmack verdünnen, und solchen, die ihn beinahe uner-träglich verschärfen, bleibt nun als letzter großer Aspekt die Frage nach dem eigentlichen „Warum“. Sie ist gleich zu Beginn allein mit dem Gedanken einer Praktikabilität hin-sichtlich Kühlung und Frischhaltung schlicht beantwortet worden und taugte zu diesem Zeitpunkt auch noch als le-gitimer Zweck. 47 Wenn man nun allerdings auf der letz-ten Stufe das gesamte Gewicht des Art.  20a GG i. V. m. der einfachgesetzlichen Konkretisierung nach §§ 1 S. 2, 17 Nr.  2b TierSchG in die Waagschale der Abwägung auf-grund von vergleichbaren Fällen aus Rechtsprechung und Literatur wirft, so müssen allein Praktikabilitätserwägun-gen zur Rechtfertigung des Handelns als zu leicht befunden werden. 48 Die Methode erscheint tierethischen Grundsät-zen denkbar deutlich entgegengesetzt. Vorliegend handelt es sich bei den gefangenen Fischen um grundsätzlich voll-kommen gesunde Wirbeltiere, 49 die nachweislich Schmerz- und Leidensempfindungen aufweisen.

Als rechtfertigende Überlegungen kommen nach dem Willen des Gesetzgebers beispielsweise die Lebensmittel-produktion, die Unabdingbarkeit von Tierversuchen und die Bekämpfung von Seuchen und Schädlingen in Be-tracht. 50 Ähnlich verhält es sich im Fall von sonst drohenden Infektions- und Allergierisiken. 51 Ersichtlich kann allein eine möglichst bequeme Verwertung nicht als äquivalen-tes Pendant angesehen werden. Der Maßstab vergleichbarer Rechtfertigungsgründe ist merklich höher.

5. Fazit und abschließender Vorschlag

Damit bleibt festzuhalten, dass die bisher gängige Praxis des Einsatzes von Setzkeschern gegen geltendes Recht, ge-gen die tierschutzrechtlichen Grundsätze nach §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG, verstößt. Sie ist vor dem Hintergrund von Art. 20a GG nicht durch bisherige behördliche Dul-dungen gerechtfertigt. Es liegt zwar auf der Hand, dass durch diese bisherige Billigung auf nationaler und europä-

ischer Ebene ein Umdenken erschwert wird. Es ist einzu-räumen, dass punktuelle Verbote nur begrenzte Wirkung und eine Verlagerung in anliegende Bundesländer und zu europäischen Nachbarn zur Folge hätten. Bislang hat sich unter den Betroffenen noch nicht die Ansicht, allgemein durchgesetzt, es könne sich bei dem Vorgehen um Tier-quälerei handeln.

Gleichwohl besteht angesichts des bundesweit bis zuletzt gesetzwidrigen Zustandes Handlungsbedarf. Zur Schaf-fung von Rechtssicherheit für die Betroffenen wären – nach Möglichkeit abgestimmte – Regelungen auf landesrecht-licher Gesetzes- und Verordnungsebene wünschenswert, die die Hegepflicht in diesem Bereich konkretisieren. 52 In § 17 Nr. 2b TierSchG kommt der Gedanke der unzulässi-gen Leidenszufügung bei Fehlen eines vernünftigen Grun-des bereits zum Ausdruck. Es geht um eine bundesweit ab-gestimmte Verwaltungspraxis zur Beachtung von §§ 1 S. 2, 17 Nr. 2b TierSchG. 53 Zugleich sollte auch über eine euro-päische Einigung, möglicherweise auf Initiative der Gene-raldirektion Gesundheit und Verbraucher der Europäischen Kommission, nachgedacht werden, so gerade vor dem Hin-tergrund des in Art. 13, 1. HS. AEUV verankerten Tier-schutzes, wonach dem „Wohlergehen(s) der Tiere als füh-lende Wesen in vollem Umfang Rechnung“ zu tragen ist. Möglich erscheint auch hier eine Rechtssetzungsinitiative seitens der Kommission zum Erlass einer die Materie re-gelnden Richtlinie des Rates oder das Hinwirken auf ein europäisches Abkommen von Tierschutzorganisationen so-wie Vertretern und Verbänden des Anglersports. 54

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180 NuR (2014) 36: 176–180

45) Zur Genese des TierSchG Gerold, Tierschutz, 1972, S.  5 ff.; in diesem Zusammenhang auch Wiegand, Die Tierquälerei, 1979, S. 41 ff.

46) Hirt/Maisack/Moritz (Fn. 1), § 1, Rdnr. 38.47) 2.4.1.48) Vgl. nur AG Kehl, Urt. v. 14. 2. 2005 – 2 Ds 2 Js 4264/04; AG

Tiergarten, Urt. v. 4. 6. 2007 – (235 Cs) 14 Js 1085/06 (180/06), Kunst und Recht 2007, 116 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 24. 4. 2012 – 24 L 113.12; Hirt/Maisack/Moritz (Fn.  1), § 1, Rdnr.  57 f.; § 17, Rdnr. 12, 49; Caspar, NuR 1997, 582 f.; Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 180; Binder (Fn. 29), 811 f.; Ort, NuR 2010, 855, 861.

49) Ort/Reckewell (Fn. 6), § 17, Rdnr. 19.50) Antwort der Bundesregierung (Fn. 29), S. 4.51) AG Kehl, Urt. v. 14. 2. 2005 – 2 Ds 2 Js 4264/04.52) Beispielsweise in NRW die Hegepflicht nach § 3 Abs. 2 LFischG

NRW im Rahmen der Verordnung zum Landesfischereige-setz (LFischVO) v. 9. 3. 2010 durch das Umweltministerium als oberste Fischereibehörde, § 52 Abs. 1 LFischG NRW.

53) Zur Wirksamkeit von Staatsverträgen vgl. nur § 56 LFischG NRW.

54) Vgl. beispielsweise die Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. 7. 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere; Richtlinie 1999/74/EG des Rates vom 19. 7. 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen; Euro-päische Erklärung über Alternativen zur chirurgischen Kastra-tion bei Schweinen, http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/farm/docs/castration_pigs_declaration_de.pdf.