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Zusammenarbeit mit Angehörigen: Das Calgary Familienmodell Rebecca Spirig, Prof, PhD, RN Zentrum Klinische Pflegewissenschaft, UniversitätsSpital Zürich & Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel

Zusammenarbeit mit Angehörigen: Das Calgary Familienmodell · Inhalte • Familie Rüegg-Müller* • Calgary Assessment- und Interventionsmodell • Auszüge aus dem Calgary Assessment-

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Zusammenarbeit mit Angehörigen: Das Calgary

Familienmodell

Rebecca Spirig, Prof, PhD, RN

Zentrum Klinische Pflegewissenschaft, UniversitätsSpital Zürich & Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel

Inhalte

• Familie Rüegg-Müller*

• Calgary Assessment- und Interventionsmodell

• Auszüge aus dem Calgary Assessment- und Interventionsmodell am Beispiel von Familie Rüegg-Müller*

• Abschluss

*Namen wurden anonymisiert; Beispiele basieren auf der Semesterarbeit von T. Ries-Gisler, INS, Universität Basel

Familie Rüegg -Müller (1)

Frau Müller, 49 jährig und Herr Rüegg, 56 jährig sind seit 8 Jahren ein Paar

Beide haben je ein Kind aus erster Ehe und be-zeichnen sich als Patchworkfamilie

Familie Rüegg -Müller (2)

Vor gut einem Jahr begann Frau Müller stark zu husten und hatte blutigen Auswurf

Die Abklärung zeigte ein inoperables Adenokarzinomam Unterlappen des rechten Bronchus

Familie Rüegg -Müller (3)

Familien sind von Krankheit betroffen (1)

• Je schwerer die gesundheitlichen Einschränkungen von Patienten und Patientinnen, desto stärker sind Angehörige mitbetroffen (Höpflinger, 2010, Perrig-Chiello et al., 2010)

• In der Schweiz gibt es schätzungsweise 250‘000 pflegende Angehörige; davon 75% Frauen (Meyer, 2001, Perrig-Chiello et al., 2010)

• Familien leisten 80% der persönlichen und medizinischen Pflegeleistungen von chronisch Kranken Zuhause (Brown, 2000)

Familien sind von Krankheit betroffen (2)

• Pflegende Partnerinnen und Partner investieren ca. 65 Std. pro Woche während ca. 6 Jahre (Perrig-Chiello et al., 2010)

• Pflegende erwachsene Kinder investieren ca. 27 Std. pro Woche während ca. 5 Jahre (Perrig-Chiello et al., 2010)

• Vielfältige Forschung zeigt, dass pflegende Angehörige vermehrt unter Erschöpfung, hoher Belastung und Depressionen leiden (Wright & Leahey, 2009)

Familienpflege

• Seit den 1970er Jahren werden in den USA Familienpflegetheorien und -modelle unterrichtet, in die Praxis umgesetzt und erforscht

• 1998 lancierte die WHO das „ Family Health Programm“

• 2001 publizierte der ICN «The Family Nurse: Frameworks for Practice»

• Seit ca. 1990 wird Familienpflege in der Schweiz unterrichtet und in die Praxis umgesetzt

Thinking Family

At: www.janicembell.com/.../

Familienzentrierte Pflege nach Wright & Leahey

In den 1980er entstand das Calgary Familienassessmentund interventionsmodell• Postmodernismus

• Systemtheorie

• Kybernetik

• Kommunikationstheorie

• Change-Theorie

• Beziehungsaufbau

• Durchführung eines Assessment

• Intervention(en)

• Abschluss

Familienzentrierte Pflege: Kontaktgestaltung

Reihenfolge für das einzelne Gespräch und den gesamten Familienkontakt

• Helfen das Verhalten der Familie einzuordnen• Ermöglichen fragende und dennoch zielgerichtete

Haltung

Familienzentrierte Pflege: Hypothesen (1)

Hypothesen sind richtungs -gebend

Calgary Family Assessment Model (CFAM)

Entwicklung

Funktion

Struktur

intern

extern

Kontext

Beziehungen

Aufgaben

Stadien

expressiv

instrumentell

CFAM

Calgary Family Intervention Model (CFIM)Interventionen in drei Bereichen

Kognitiv Affektiv Verhalten

Anerkennung und Bestätigung Hervorheben von Stärken

Krankheitsge-schichte erzählen lassen

Rituale anregenAufgaben ver-einbaren

Kognitiv Affektiv Verhalten

Anerkennung und Bestätigung Hervorheben von Stärken

Krankheitsge-schichte erzählen lassen

Rituale anregenAufgaben ver-einbaren

Calgary Family Intervention Model (CFIM)Interventionen in drei Bereichen

ZirkuläreFragen

Unterschiede in Personen oder Ideen

Auswirkungen auf das Verhalten eines Familien-mitgliedes

Hypothetisch / zukunfts-orientiert

Kognitiv Welches ist der beste Rat den Sie erhalten haben?

Wie erklären Sie es sich, dass Ihr Sohn die Medikamente nicht regelmässig nimmt?

Was glauben Sie wird passieren, wenn….?

CFIMZirkuläre Fragen als eine Hauptintervention

Zurück zu Familie Rüegg -Müller

• Frau Müller, Indexperson, 48 Jahre alt

• Inoperables Adenokarzinom, fortgeschrittene Krankheit

• Frau Müller erhält Opiate gegen die Schmerzen, reagiert ab und zu mit starker Übelkeit und Schwindel

Assessment mit Familie Rüegg -Müller

• Kontaktaufnahme per Telefon

• 1. Besuch der Familie Zuhause

• Erfassung des Assessments und der Hauptanliegen der Familienmitglieder

Herr Rüegg: “Wir sind keine traditionelle Familie, so wie man sich das vorstellt, mit verheirateten Partnern und Kinder.“

Frau Müller: “Für mich ist Familie das, wo man sich geborgen fühlt, mit Menschen die man liebt und die einen lieben.“

Ergebnisse Assessment mit Familie Rüegg -Müller: Familiendefinition

Ergebnisse Assessment mit Familie Rüegg -Müller: Genogramm

2007 2010 1925 1939

Hr. R1956

K.1983

Fr. M1963

S.1998

Seit 2004

2005

1964

2002

Ergebnisse Assessment mit Familie Rüegg -Müller: Zum Beispiel innere Struktur

• Frau Müller ist trotz Erkrankung die Tragende

• Der Sohn von Frau Müller wohnt in gleichem Haushalt

• Untergruppen: − Frau Müller und Herr Rüegg stützen einander

− Herr Rüegg sorgt sich um seine Tochter, die von der Krankheit von Frau Müller stark betroffen ist

− Frau Müller und ihr Sohn erhalten Unterstützung durch Psychoonkologen

• Grenzen sind durchlässig. Ausserhalb der Kernfamilie gibt es weitere Familienmitglieder und Freunde etc.

Herr R.

Sohn

Spitex

Psychoonkologe

Ehem. Arbeitskolleg

-innen

FreundinnenSchwester

Eltern

Hobbies

Freunde

Arbeits-kollegen/ Chef

Psychoonkologe

Schule

Schlaf

Spital

Ergebnisse Assessment mit Familie Rüegg -Müller: Ecomap

Frau M.

Tochter

Schule

Hypothesenbeispiele aufgrund des Assessments

• Familie Rüegg-Müller fordert Unterstützung, um mit den jetzigen und den Schwierigkeiten nach dem Tod von Frau Müller umgehen zu können

• Frau Müller ist sich bewusst, dass sie ihr Versprechen, immer für ihren Sohn da zu sein, nicht einlösen kann

• Frau Müller wünscht sich ein würdiges Sterben und keine lebensverlängernden Massnahmen

• Herr Rüegg weiss noch nicht, wie er alles bewältigen soll. Er möchte eine Perspektive entwickeln, die über den Tod seiner Lebenspartnerin hinausgeht

Interventionen mit Familie Rüegg -Müller

• 2. Besuch der Familie Zuhause

• Welches Problem möchte die Familie bearbeiten –verändern – lösen?

• Welche Ebene ist betroffen: Kognitiv – affektiv –verhaltensorientiert?

• Wie „passt“ die Intervention zur Familie? Ist sie neu/bekannt?

Familiäre Rituale und Kommunikation als Interventionen

für ein würdiges Leben und Sterben

Thinking Family

At: www.janicembell.com/.../

• In vielen Ländern in der Praxis erprobt –kontinuierlicher Austausch kollegial, an Kongressen und in der Literatur

• Viele publizierte Fallbeispiele

• Einige deskriptive Studien vor allem qualitativ

• Wenige quantitative Studien – keine RCTs

• Beginnende Evaluationsforschung über die Umsetzung der Modelle in Spitäler

Familienzentrierte Pflege nach Wright & Leahey

Island: Systematische Implementierung und Evaluation

14. / 15. März 2012 Vortrag

(Sveinbjarnardottir et al., 2010)

Familienzentrierte Pflege in Spitälern z.B. bei der Austrittsplanung

Review der Evidenz• Aktiver und frühzeitiger Einbezug

• Assessment der Pflege Zuhause; Bedürfnisse & Ressourcen

• Adäquate Information und Edukation während demAustrittprozess

• Absprachen zwischen pflegenden Angehörigen, zuständigen Pflegefachpersonen und Ärzten

• Zugang zu weiterführenden Unterstützungsmöglichkeitenwie Spitex, Selbsthilfeorganisationen etc.

(Bauer et al. 2009)

Weltweit mehr hoch altrige und chronisch kranke Menschen = weltweit mehr

pflegende Angehörige

(WHO, 2003)

Familienpflege bedingt

•„Thinking family“•Kommunikations- und Gesprächsführungs-fähigkeiten

•Wissen über Familienpflege•Familienmodelle wie das CFAM und CFIM•Wissen über wirksame Familieninterventionen

Danke für die Aufmerksamkeit