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GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEKT MIGRATION SAMMELN Die von Hakan Gürses geschaffene Comic- serie Tschuschi ist 1991 in der sozialisti- schen Wochenzeitung Salto erschienen. Tschuschi ist in Wien geboren, aber als Migrant markiert. Tschuschis Alltag in Wien ist nicht nur vom offenen Rassismus des rechten Rands geprägt. Im Mittelpunkt stehen die Alltagsrassismen und strukturel- len Diskriminierungen. Hakan Gürses absol- vierte ein deutsch-türkisches Gymnasium in Istanbul und kam 1981 nach Wien, wo er Philosophie studierte. Neben seinem Studium war er als Musiker und Zeichner tätig. ZUSCHREIBUNG UND KRITIK Die Studie Gastarbeiter in Österreich. Einstellun- gen der Bevölkerung in Gebieten mit hohem Gastarbeiteranteil wurde 1972 vom Arbeitskreis für ökonomische und soziologische Studien er- stellt. Sie markiert den Beginn der wissenschaft- lichen Konstruktion der „Gastarbeiter“. „Sollten Gastarbeiter nur vorübergehend in Österreich bleiben oder sich niederlassen? Welche Schulen sollten die Kinder der Gastarbeiter besuchen?“ – waren Fragen der Studie. Die Antworten spiegeln vielfach gängige Klischees und Rassismen wider. Mitte der 1990er Jahre wurde eine mehrsprachige Parkordnung im Auftrag des Wiener Integrations- fonds in mehreren Wiener Grünan- lagen aufgestellt. In den von Goran Novaković verfassten Texten werden die Parkbesucher_innen auf gelten- de Normen und Verhaltensregeln aufmerksam gemacht. Die Karikatu- ren stammen von Hakan Gürses. Der mehrsprachige Text verweist darauf, dass vor allem Migrant_in- nen Adressat_innen dieser Park- ordnung waren. Am Kardinal Rauscher Platz bei der „Wasserwelt“ im 15. Bezirk befand sich bis vor kurzem noch eine dieser Parkordnungen. Spu- ren auf dem Schild zeugen davon, dass die Informationstafeln auch kritische Reaktionen hervorriefen. Einer der Kommentare zum Schild lautete: „Integriert mich am Arsch!“ Während der Zwischenlagerung in den Räumlichkeiten der Initiative Minderheiten wurde der Kommentar allerdings von einer Reinigungskraft entfernt. Nullnummer der von Hakan Gürses und Fatih Aydoğdu gestalteten Satirezeitschrift Karagöz (schwarzes Auge) aus dem Jahr 1982, die jedoch nie erschien. Karagöz sollte eine Beilage zu Gurbet (in der Fremde), einem europaweit ver- triebenen Magazin für türkische Arbeitsmig- rant_innen sein. Hakan Gürses und Fatih Aydoğdu kamen zu Beginn der 1980er Jahre zum Studium nach Österreich. Gürses und Aydoğdu kannten sich bereits aus der linken Karikaturszene Istanbuls. Die Migrationsgeschichte ist auch eine Geschichte von Zuschreibungen, die eine Nichtzugehörigkeit von Migrant_innen zur Mehrheitsgesellschaft nicht nur durch Gesetze sowie Verordnungen der kommu- nalen und staatlichen Verwaltung produ- ziert und verfestigt, sondern auch mittels Bildern und Diskursen. Stereotype Zuschreibungen erfolgen im Alltag insbe- sondere durch Medien aber auch durch politische und wissenschaftliche Diskurse. Auf offene und versteckte Alltagsrassismen reagieren Migrant_innen auf unterschiedli- che Weise – je nach Artikulationsmöglich- keit und politischem Bewusstsein. Der Bogen spannt sich von der politischen Organisierung und dem Herstellen einer Gegenöffentlichkeit bis hin zu satirischen Gesellschaftsanalysen.

Zuschreibung - trafo-k.at · Tschuschi ist in Wien geboren, aber als Migrant markiert. Tschuschis Alltag in Wien ist nicht nur vom offenen Rassismus des ... als Lagerarbeiter beschäftigt

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GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEkT MIGRATION SAMMELN

Die von Hakan Gürses geschaffene Comic­serie Tschuschi ist 1991 in der sozialisti­schen Wochenzeitung Salto erschienen. Tschuschi ist in Wien geboren, aber als Migrant markiert. Tschuschis Alltag in Wien ist nicht nur vom offenen Rassismus des rechten Rands geprägt. Im Mittelpunkt stehen die Alltagsrassismen und strukturel­len Diskriminierungen. Hakan Gürses absol­vierte ein deutsch­türkisches Gymnasium in Istanbul und kam 1981 nach Wien, wo er Philosophie studierte. Neben seinem Studium war er als Musiker und Zeichner tätig.

Zuschreibung und KritiK

Die Studie Gastarbeiter in Österreich. Einstellun-gen der Bevölkerung in Gebieten mit hohem Gastarbeiteranteil wurde 1972 vom Arbeitskreis für ökonomische und soziologische Studien er­stellt. Sie markiert den Beginn der wissenschaft­lichen Konstruktion der „Gastarbeiter“. „Sollten Gastarbeiter nur vorübergehend in Österreich bleiben oder sich niederlassen? Welche Schulen sollten die Kinder der Gastarbeiter besuchen?“ – waren Fragen der Studie. Die Antworten spiegeln vielfach gängige Klischees und Rassismen wider.

Mitte der 1990er Jahre wurde eine mehrsprachige Parkordnung im Auftrag des Wiener Integrations­fonds in mehreren Wiener Grünan­lagen aufgestellt. In den von Goran Novaković verfassten Texten werden die Parkbesucher_innen auf gelten­de Normen und Verhaltensregeln aufmerksam gemacht. Die Karikatu­ren stammen von Hakan Gürses. Der mehrsprachige Text verweist darauf, dass vor allem Migrant_in­nen Adressat_innen dieser Park­ordnung waren.

Am Kardinal Rauscher Platz bei der „Wasserwelt“ im 15. Bezirk befand sich bis vor kurzem noch eine dieser Parkordnungen. Spu­ren auf dem Schild zeugen davon, dass die Informationstafeln auch kritische Reaktionen hervorriefen. Einer der Kommentare zum Schild lautete: „Integriert mich am Arsch!“ Während der Zwischenlagerung in den Räumlichkeiten der Initiative Minderheiten wurde der Kommentar allerdings von einer Reinigungskraft entfernt.

Nullnummer der von Hakan Gürses und Fatih Aydoğdu gestalteten Satirezeitschrift Karagöz (schwarzes Auge) aus dem Jahr 1982, die jedoch nie erschien. Karagöz sollte eine Beilage zu Gurbet (in der Fremde), einem europaweit ver­triebenen Magazin für türkische Arbeitsmig­rant_innen sein. Hakan Gürses und Fatih Aydoğdu kamen zu Beginn der 1980er Jahre zum Studium nach Österreich. Gürses und Aydoğdu kannten sich bereits aus der linken Karikaturszene Istanbuls.

Die Migrationsgeschichte ist auch eine Geschichte von Zuschreibungen, die eine Nichtzugehörigkeit von Migrant_innen zur Mehrheitsgesellschaft nicht nur durch Gesetze sowie Verordnungen der kommu­nalen und staatlichen Verwaltung produ­ziert und verfestigt, sondern auch mittels Bildern und Diskursen. Stereotype Zuschreibungen erfolgen im Alltag insbe­sondere durch Medien aber auch durch politische und wissenschaftliche Diskurse. Auf offene und versteckte Alltagsrassismen reagieren Migrant_innen auf unterschiedli­che Weise – je nach Artikulationsmöglich­keit und politischem Bewusstsein. Der Bogen spannt sich von der politischen Organisierung und dem Herstellen einer Gegenöffentlichkeit bis hin zu satirischen Gesellschaftsanalysen.

GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEkT MIGRATION SAMMELN

Zdravko Spajić kam 1970 als Arbeitsmigrant aus Jugoslawien nach Wien. In einem Kalen­der der Firma Akzo Chemie führte er 1974 ein Tagebuch. Nahezu täglich hielt er darin per­sönliche Erinnerungen und Gedanken fest. Im Jahr 1974 begann Spajić auch seine Tätigkeit beim Österreichischen Gewerkschaftsbund. Dort wurde er zunächst als Dolmetscher spä­ter als arbeitsrechtlicher Berater für serbo­kroatisch sprechende Arbeitnehmer_innen eingesetzt.

ObjeKt und geschichte

Von einer Ziegelfabrik angeworben kam der Gastronom Mehmet Ali Sel 1965 von Istanbul nach Österreich. Wenige Monate später ver­suchte er ohne Erfolg in Holland und Deutsch­land Fuß zu fassen. Nach Wien zurückgekehrt begann er bei der Firma Henkel zu arbeiten, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Die Kopie seines Dienstzeugnisses rahmte Herr Sel ein, fügte ein Foto von sich und das rote Firmen­logo hinzu und hängte es in seiner Wohnung auf. Mehmet Ali Sels Wunsch, auch in Wien ein Kaffeehaus zu betreiben, blieb unerfüllt.

Zu Beginn der 1970er Jahre wurden die ersten Fuß­ballmannschaften jugoslawischer Arbeiter in Wien gegründet, die rasch zu wichtigen sozialen Treffpunk­ten avancierten. Die Jugo­Liga wurde in der Folge gegründet. Jugoslawische Banken traten oftmals als Sponsoren bei diversen Veranstaltungen auf, um die im Ausland lebenden Jugoslaw_innen als Kund_innen zu umwerben. Das Dress wurden von der Beograds­ka Banka für die Fußballmannschaft des Sportvereins S.K. Beograd gesponsert.

Die technische Zeichnerin Vasilija Stegić kam 1973 aus Rijeka nach Wien. Vom ersten Lohn bei der Kleiderfabrik Reiling kaufte sie sich zwei Email­Kochtöpfe. Als sich das Projektteam für diese Objektgeschichte zu interessie­ren begann, markierte Frau Stegić den Topf mit dem Ankaufsdatum Siječanj 1973/Januar 1973 und schrieb sich da­mit gewissermaßen in das Objekt ein. Und sie stellte ein weiteres Objekt her.

Erst mit dem Eingang eines Objekts in Gedächtnisinstitutionen wie das Museum, wird diesem eine historische Bedeutung zugeschrieben, die über die persönlichen mit dem Objekt verknüpften Geschichten und Erinnerungen hinausreicht. Was aber ist ein Objekt der Migration? Diese Frage begleitet uns im Rahmen des Projekts „Migration sammeln“ stets. Welche Geschichten zum Thema Migration können (Alltags)Objekte transportieren? Welche Bedeutung haben die Objekte für das Museum? Und welche Bedeutung haben die Objekte für die Besitzer_innen? In welchem Rahmen schreiben sich die Sub­jekte der Migration in die Geschichte ein und welche Bedeutung kommt dabei Objekten zu? Werden die Subjekte der Migration in Migrationsausstellungen wieder zu Objekten gemacht? Eine Frage, die kaum bedacht wird: Was lösen Sammel­ oder Ausstellungsprojekte zum Thema Migration bei den Protagonist_innen aus, die über das konkrete Ereignis – also die Übergabe der Objekte oder die Ausstel­lung – hinausgehen? Nur selten kommt es wie in unserem Fall vor, dass Objekt geber_innen sich bzw. ihre Bedeutungs zu­schreibungen selbst in die Objekte ein­schreiben, sie aus ihrer Sicht erst zu musealen Objekten machen.

Diese Musikkassette wurde von der Beogradska Banka 1986 produziert. Zu hören ist ein Werbetext für die Abwicklung von Investitionen und Bankgeschäften sowie populäre jugoslawische Volkslie­der. Die Kassette erlaubt nicht nur einen Einblick in den Mitte der 1980er Jahre populären Musikgeschmack von jugosla­wischen Migrant_innen in Österreich, sie zeugt auch von der bedeutenden Rolle, die diese als Wirtschafts­ und Finanzfaktor für das Herkunftsland darstellten.

Teller von Vasilija Stegić, den sie in der Zeit anschaffte, als sie als Hausbesor­gerin zu arbeiten begann. Eine Arbeit, die sie auch weiterführte, als sie be­reits als technische Zeichnerin bei den Wiener Stadtwerke­Verkehrsbetrieben beschäftigt war. Indem sie ein Foto aus der Hausbesorgerwohnung in den Teller hinein montierte und ihn datierte, über­nahm sie die Deutungsmacht über das Objekt.

Dienstag, 20. August

Die erste Konferenz in meinem Leben. Die Einladung wurde vom Präsidenten der Arbeiterkammer Niederösterreichs geschickt. Bei der Konferenz waren die Dolmetscher und Firmenberater vorwiegend Jugoslawen, sowie auch ein paar Österreicher. Das Thema waren die Arbeiterkammerwahlen, da heuer zum ersten Mal die Jugoslawen in Österreich wählen. Von uns wurde hauptsächlich verlangt, die sozialisti-sche Fraktion zu propagieren.Zum ersten Mal habe ich auch die Tagesbezahlung von 190 Schilling bekommen.Übersetzung Jasmina Janković

GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEkT MIGRATION SAMMELN

netZwerK und histOrische spur

Zur Organisation des Alltags und der Ori­entierung in der neuen Umgebung spielten persönliche Netzwerke für Migrant_innen eine wichtige Rolle. Diese wurden in den Anfangsjahren der Arbeitsmigration auf Bahnhöfen, in Heimen, am Arbeitsplatz ge­knüpft, später in Lokalen und Vereinen.Eine Mappe mit rund 80 Visitenkarten von Einzelpersonen, Unternehmen oder Ver­treter_innen von Institutionen im In­ und Ausland dokumentiert das weit verzweigte persönliche und berufliche Netzwerk von Zdravko Spajić. Im Zuge seiner 31­jährigen Tätigkeit beim ÖGB als Dolmetscher und arbeitsrechtlicher Berater in serbokroati­scher Sprache hat Spajić insgesamt sechs solcher Mappen angelegt. Diese Sammlung dokumentiert auch jene Infrastruktur und Orte der Migration, die im Zuge der Geschichte der Migration in Österreich entstanden sind: Lokale und Gaststätten, Unternehmen, Vereine, Bera­tungseinrichtungen. Zu nennen wäre etwa die Videothek Domovina mit Sitz in der Lerchenfelderstrasse im siebten Wiener Gemeindebezirk, die in den 1980er Jah­ren als eine der ersten Videotheken mit Schwerpunkt auf jugoslawische Filme in Wien eröffnet wurde. Oder das transnatio­nale Transportunternehmen Wasteels, das jugoslawischen Staatsbürger_innen mit

speziellen Reiseangeboten von Wien nach Jugoslawien umwarb. Jede einzelne dieser Visitenkarten stellt daher eine historische Spur für weiterführende Recherchen zur Geschichte der Migration dar.

GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEkT MIGRATION SAMMELN

Die Broschüre Ko je ko u Beču (Wer ist wer in Wien) wurde vom Journalisten Marko Popović zu Beginn der 1990er Jahren herausgegeben. Darin werden wichtige Vereine, Institutionen, Firmen, Lokale und Aktivist_innen der jugoslawi­schen Community kurz vorgestellt.

repräsentatiOn und selbsthistOrisierung

Zwei Blätter aus dem Besitz des Dachverbandes für serbische Vereine ver­sammeln mehr als 60 Stempelabdrucke von Vereinen, die seit den 1970er Jahren innerhalb der jugoslawischen Community in Wien gegründet wur­den. Sie dienten als Druckvorlage und wurden in der Jubiläumspublikation „40 Jahre serbische Vereine in Wien“ (2010) veröffentlicht.

Vier Aufnahmen von einem jungen Mann, aufgenommen in einem der Fotoautoma­ten auf Wiens Straßen 1971. Die Bilder zeugen vom Vergnügen sich vor der Kamera zu inszenieren, lässig und cool mit einer Zigarette zwischen den Lippen. Es spiegeln sich darin Ausdrucksformen der Jugendbewegung der 1970er Jahre wider. Der junge Mann auf dem Foto ist Zdravko Spajić, der seit dem Jahr 1970 in Wien lebt und zum Zeitpunkt der Aufnah­me bei der Firma Alemania im 23. Bezirk als Lagerarbeiter beschäftigt ist.

Die Geschichte der Arbeitsmigration hat viele Bilder produziert. Da sind zum einen jene Fotografien, die von professionel­len Fotograf_innen und Bildagenturen der Mehrheitsgesellschaft angefertigt wurden und Migrant_innen meist als anonyme Gruppe ohne individuelle Note porträtieren: in Gruppen zusammenstehend, am Bahn­hof oder bei der Arbeit, am Bau und in der Fabrik. Indem diese historischen Aufnah­men immer wieder unabhängig von ihrem jeweiligen Entstehungskontext zur Bebil­derung der Migration Verwendung fanden, haben sie sich hartnäckig in das visuel­le Gedächtnis der Mehrheitsgesellschaft eingeschrieben. In deutlichem Kontrast zu diesen öffentlich zirkulierenden Bildern stehen jene Fotografien, die Migrant_innen von sich selbst anfertigen ließen. Aus der Perspektive der Gegenwart eröffnen diese Fotos nicht nur interessante Einblicke in Formen der Selbstrepräsentation, sondern auch in individuelle und kollektive Erinne­rungspraktiken. Das Bewusstsein um die Bedeutung der Dokumentation der eigenen Geschichte zeigen nicht nur Fotografien, sondern auch Publikationen und Broschü­ren, die die historischen und aktuellen Aktivitäten von Vereinen und Communities dokumentieren.

Latif Turan erwarb das Album Mitte der 1970er Jahre in Wien und befüllte es auf den ersten Albumseiten mit Fotos, die er aus der Türkei mitgenommen hatte: von der Familie, von Freunden und Verwand­ten. Nach und nach fügte er auch Fotos aus seinem neuen Lebensumfeld in Österreich hinzu. Wichtige Lebensereig­nisse wie die Hochzeit, die Geburt des ersten Kindes, die Eröffnung des ersten Lokales sind darin festgehalten, aber auch Treffen mit Freund_innen oder Urlaube in der Türkei.

Foto Rito nannte sich das Unternehmen des jugoslawischen Fotografen Jovan Ritopečki (1923­1989) in Wien. Ritopečki war 1966 nach Wien gekommen und errang insbesonde­re innerhalb der jugoslawischen Community Bekanntheit, indem er sämtliche wichtigen Sport­ und Kulturereignisse mit seiner Kamera festhielt. Jovan Ritopečki war bereits in Jugoslawien ein anerkannter und erfolgrei­cher Fotojournalist.

GESCHICHTE IN ARBEIT / TARIH INŞADA / ISTORIJA U NASTAJANJU // PROJEkT MIGRATION SAMMELN

Die Meldezettel von Migrant_innen wurden mit dem Vermerk A oder Ausländer versehen.

subjeKt und regulierung

Im Pass sind die für ein Jahr ausge­stellten Aufenthaltsgenehmigungen vermerkt. Der Aufenthaltstitel, wie auch der Verlust dieses Titels, galt auch für minderjährige Kinder und die Ehepartner_innen.

Im Jahr 1966 wurde auf Beschluss von Österreichischem Gewerkschaftsbund und Bundeswirtschaftskammer ein spezieller Ausweis für Migrant_innen, die sogenannte Ausländer­Arbeitskarte, eingeführt. Auf dieser wurde der Arbeitsort und Arbeitgeber sowie die „sanitätspolizeiliche Unbedenklichkeit“ vermerkt. Der Ausweis diente vornehmlich dazu, Migrant_innen einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen und einen vom Unternehmen unkontrollierten Arbeitsplatzwechsel zu ver­hindern. Bis zur Verabschiedung des Auslän­derbeschäftigungsgesetzes 1975 mussten Migrant_innen den Ausweis immer bei sich tragen. Dieses Gesetz löste die deutsche „Verordnung über ausländische Arbeitsneh­mer“ von 1933 ab, die 1941 auf dem Gebiet der Republik Österreich in Kraft getreten war.

Seit den Anfängen der Arbeitsmigration hatte die Ausländergesetzgebung eine ordnende und regulierende Funktion. Aus­länder­Arbeitskarte, Beschäftigungsbewil­ligung, Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein waren Instrumente, mit denen die Beschäf­tigung von Migrant_innen in Österreich geregelt wurde. Der Aufenthalt war an die Beschäftigungsdauer geknüpft. Das schuf eine Abhängigkeit der Migrant_innen von den Arbeitgeber_innen und brachte eine Unsicherheit bei der Lebensplanung mit sich. Den Verwaltungsinstrumenten der Regulierung und Kontrolle der Ausländer­beschäftigung stehen die Einschreibun­gen der Migrant_innen als Subjekte in die Gesellschaft entgegen. Diese Entgegenset­zung geschah einerseits durch die dauer­hafte Präsenz in Österreich, die somit das Rotationsprinzip des Gastarbeitersystems und die damit einhergehende Reduzierung von Migrant_innen auf ihre Funktion als jederzeit austauschbare Arbeitskraft unter­lief. Sie geschah andererseits auch durch Formen der Selbstorganisation und der Entwicklung eines kollektiven Bewusst­seins, das sich in der Forderung Gleiche Rechte für Alle niederschlägt.

Die Beschäftigungsbewilligung wird gemäß §3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes von 1975 an den oder die Arbeitgeber_in für die Beschäftigung einer ausländischen Arbeitskraft erteilt. Sie gilt für ein Jahr und koppelt den Aufenthalt von Migrant_innen in Österreich an eine Arbeitsbewilligung.

Der Befreiungsschein war eine persönliche Berechtigung des/der ausländischen Arbeit­nehmers/Arbeitnehmerin, die ihm/ihr eine Arbeitsaufnahme österreichweit erlaubte. Eine Reihe von Voraussetzungen mussten erfüllt sein, bevor der Befreiungsschein ausgestellt wurde: etwa mindestens fünfjährige, andau­ernde legale Beschäftigung in den vergange­nen acht Jahren. Der Befreiungsschein bzw. die Befreiungskarte wurde auf Antrag des/der Migrant_in ausgestellt und war zunächst für zwei dann für fünf Jahre gültig.

Ayten Keskin kam 1964 nach Wien. Nach ihrer Ankunft begann Frau Keskin zunächst bei einer Textilfab­rik im 23. Bezirk zu arbeiten, später wechselte sie in eine Strumpffabrik bevor sie schließlich bei der Firma Habig im vierten Wiener Gemeinde­bezirk in der Hutproduktion tätig war. Die Schere war eines ihrer Arbeits­werkzeuge. In Absprache mit dem Firmenleiter nahm Ayten Keskin die Schere als Erinnerungsstück mit in die Pension.

Flugblatt von DIDF – Föderation der demo­kratischen Arbeiterver­eine aus den späten 1990er Jahren.

Ayten Keskin mit ihren Arbeitskol­leginnen in einer Wiener Strumpf­fabrik in den 1970er Jahren. Die Textilindustrie zählte zu einer jener Wirtschaftsbranchen in Österreich, die einen hohen Grad an weiblichen, migrantischen Beschäftigten aufwiesen.

GESCHICHTE IN ARBEITTARIH INŞADA

ISTORIJA U NASTAJANJU

// PROJEKT MIGRATION SAMMELN

TEAM: ARIF AKKILIç, VIDA BAKONDy, LJUBOMIR BRATIć, REGINA WONISCH

IM AUFTRAG DER MA 17 FÜR DAS WIEN MUSEUM

WWW.MIGRATIONSAMMELN.INFO

Arbeitskreis Archiv der Migration

DANK ANMehmet AkbalKemal AkınSenol AkkılıçAyşe AktunaATIGFFatih AydoğduKenan BabayiğitBeatrix BakondyGülay BecerenMansur BildikAna BoškovićMurat BugaUsnija BuljigovićMehmet Ali çankayaEhepaar çakırDachverband für serbische Vereine in WienMomčilo Dedić Diaspora TVDIDFLjubomir FlorićNovak GavrićRužica Gavrić Ali GedikDušan GligorijevićHakan GürsesJudith HanserGüngör ImeceBorko IvankoviċSlobodan JovanoviċBorislav KapetanovićAyten KeskinKenan KılıçKOSMOMelek KöseChristian KnechtlMilan IljićZlatko MiloradevićBožidar MilosavljevićZoran MirkovićAmela Mirković­EmrićGoran NovakovićSlobodanka Kudlaček­RitopečkiNiyazi OguzFamilie OralUrsula Oran­DanielDragutin PetkovićRadiša PajkićBlaško PapićŞah Ismail PoyrazDušan RaškovićAndreas RechlingDejan RistićAlaattin SahanDušan SavićMehmet Ali SelZdravko SpajiċVasilija StegiċMilorad StepanovićGülgün StoiberĐuđa SrbovanLütfü Tahılyilmaz TahılMirel TomasStojan TomićTülay TuncelLatif TuranVestiVerein für österreichisch­türkische FreundschaftVerein Wiener JugendzentrenWohnpartnerSerafettin yıldızNurten yilmaz