ZwischenMelancholieundAufbruch - ChessBase · PDF fileAnand, der flieûend Deutschspricht,hatinBadSodeneinHaus. Die Lage ist ideal, um sein internationales Sekundantenteam zur Vorbereitung

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  • Eine spanische Studie des Psychiaters Hilario Blasco, durchgefhrt in Collado Villalbabei Madrid und auf dem spanischen Psychiatriekongress 2012 prsentiert, zeigt nun,dass ADHSKinder, die regelmig Schachspielen, ruhiger werden und sich ihre Lernfhigkeit eindeutig erhht.

    Punkt zwei: Schach macht klug. Eine Studie der Universitt Trier hat erwiesen, dassSchach bei Schulkindern die Konzentrationsfhigkeit steigert, Sozialkompetenzverbessert und schulische Motivation frdert. Schach in der Schule ist ohnehin eingroer Trend. In fast 30 Lndern ist das Spielbereits festes Schulfach. In Deutschland istdas nur in Ausnahmefllen so, aber sehrviele Schulen haben SchachAGs. Wie vielFreude das Schachspielen gerade Jugendlichen macht, zeigt die traditionsreicheHamburger Veranstaltung Rechtes gegenlinkes Alsterufer, die schon seit 50 Jahrenregelmig durchgefhrt wird. Annhernd2500 Schler messen in ihren jeweiligenSchulmannschaften die Krfte mit derKonkurrenz. Und die Knirpse sind mit Spaund Feuereifer dabei.

    Punkt drei: Schach macht sexy. Hm, dasist natrlich etwas heikel. Also fragen wir

    die Fachfrau. Maria Manakowa ist einerussische Gromeisterin, die ihre Arbeit inStckelschuhen und knappen Blusen zu verrichten pflegt. Ihre scharfe These ist: Schachund Liebesspiel hneln sich. Ihre Begrndung : Beides beruhe auf der Magie zwischenMenschen. Schach, Liebe und Sex grndeten auf intensiven, sich vertiefenden, sichverflchtigenden Beziehungen. Eine Kommunikation ohne Worte. berall seien diegleichen Mechanismen im Spiel. In einerSchachpartie gibt es Angriffe und Widerstand, Ablenkungsmanver und Anspielungen, Verfhrungen und Sackgassen wiebeim Spiel zwischen zwei Liebenden, wie

    beim Sex. Ganz neu ist das nicht. SchonStefan Zweig wusste: Schach ist wie dieLiebe, es kann nicht allein gespielt werden.Das alles mssen wir nicht vertiefen. Aberinteressant ist, was eine Studie schwedischer konomen zeigt, die Gromeisterpartien analysierten: Mnner spielen andersSchach, wenn sie gegen schne Frauen antreten. Dann gehen sie ein hheres Risikoein, whlen gewagtere Strategien. Testosteron ist strker als Logik.

    Aber das alles ist Hrensagen. Man musses selbst erleben. Wie schn Schachkombinationen sein knnen, wie glcklich es machen kann, wenn sich pltzlich eine Ketteausgedachter Zge als der przis funktionierende Weg zu Matt und Sieg herausstellt.Aber das Wichtigste noch eine Parallele zurLiebe? ist, was sich im Kopf abspielt. Wennes ein bisschen ernst wird, weil es zum Beispiel um Punkte fr das Team geht, knnendie Gefhle Achterbahn fahren: zwischenHoffnungaufdasGelingeneinesPlansundSchrecken ber das Erkennen eines Fehlers,der Angst davor, dass der Gegner ihn aucherkennt, und der Euphorie ber einen Sieg.Das muss man erleben.

    Boris Spasski hat das einmal aufgeschrie

    ben. Einen Augenblick eines Spiels gegenden USAmerikaner Bobby Fischer hat er inunvergessliche Worte gefasst: Wir waren inder fnften Stunde. Fischer war verloren,vernichtet, ohne Chance. Ich wusste es, under wusste es auch. Aber er sa blo da, fasteine Stunde. Er rechnete, rechnete und rechnete. Tief im Innern jedoch schrie er. Er wartotenbleich, aber in ihm raste ein Starkstrom von einer Million Volt. Ich konnte spren, wie dieser Strom ber das Brett gegenmich prallte und dann zurckschlug. AmEnde schrie er innerlich! Wenn man eineSchachpartie gegen Bobby Fischer spielt, istes nicht nur eine Frage von Sieg oder Niederlage das nackte berleben scheint auf demSpiel zu stehen!

    Zu harter Tobak? Ja, sicher. Es ist nur einSpiel. Jedenfalls sagen das die, die es nichtspielen. Wer es kennt, denkt manchmal anders. Fr die ist es DAS Spiel. Man muss esausprobieren. Und das muss man nichtallein. Die Schachvereine freuen sich berjeden Neugierigen.

    Schach kann glcklich machen, sagt SiegbertTarrasch.DasistdochimmerhineinenVersuch wert. Und meistens hatte der alteTarrasch wirklich recht.

    Schach macht gesund, klug und sexyFortsetzung von V1

    Auf Knstlerwirkt Schachwie ein MagnetSchach ist Drama, ist groes Kino, undHarmonie ist es auch und Chaos natrlich. Es gibt strahlende Sieger und strauchelnde Stars. Und seine Geschichte istvoller tragischer Helden. Vor allem abergeht es um Schnheit, die hher steht alsder Sieg. Leben in symbolischer Form das ist Schach vielleicht vor allem. Wenwundert es, dass dieses Spiel auf Knstlerstets wie ein Magnet gewirkt hat.

    Schach in der LiteraturDass das Spiel der Denker einen groenAuftritt in dem grten Bhnenstck derdeutschen Aufklrung hat, ist so verwunderlich also nicht. Am Anfang des zweitenAktes von Gotthold Ephraim LessingsNathan der Weise spielt die kluge Sittahgegen ihren Bruder, den Sultan Saladin,eine Partie Schach. Der mchtige Sultangibt schlielich auf, weil er sich matt gesetzt glaubt. Ist er aber nicht. Das erfhrtder Leser und Theaterzuschauer sptervom Derwisch AlHafi, dem eigentlichenGromeister am Hofe.

    Hier dient Schach als Symbol des intellektuellen Lichts am Saladinhof. Aber dieKnstler haben oft auch den dunklen, abgrndigen Seiten des Schachs nachgesprt. In Stefan Zweigs Schachnovellezum Beispiel, wo die Hauptperson dasSpiel in Gefangenschaft meisterhaft erlernt und ihm so verfllt, dass sich ihr Bewusstsein schizophren in das IchWeiund IchSchwarz aufspaltet. Das Ganzeist spter groartig mit Curt Jrgens in derHauptrolle verfilmt worden.

    Auch Vladimir Nabokov, dessen RomanLolita zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts gehrt, war dem Spiel verfallen.Er komponierte Schachprobleme, alsoAufgaben, in denen in einer bestimmtenZugzahl matt gesetzt werden muss, undschrieb einen Roman ber einen Gromeister und seine Schachsucht: LushinsVerteidigung. Enger an historische Fakten hlt sich Carl Haffners Liebe zumUnentschieden, ein Roman des sterreichers Thomas Glavinic. Er ist angelehntan den WMKampf des sterreichischenGromeisters Carl Schlechter, der alsAuenseiter gegen den groen EmanuelLasker 1910 kurz vor der Sensation stand.Glavinic ist einer der angesehensten Romanciers deutscher Sprache und auchselbst Internationaler Meister im Schach.

    Ingeborg Bachmann, ebenfalls aussterreich, war zwar nicht so spielstark,aber kaum weniger schachinteressiert. IhrRoman Malina ist voller Bezge zumSpiel als eine Form des geglckten odergescheiterten Dialogs zweier Partner. EinMotiv, das auch in dem krzlich verfilmten Werk des Schweizers Peter PascalMercier Nachtzug nach Lissabon eineRolle spielt. Spielstrkster deutscherSchriftsteller ist sicher Helmut Krausser,der nicht nur 2001 oberbayerischer Meister wurde, sondern das Spiel auch um eineerffnungstheoretische Neuerung bereicherte. Auch Kultautor Arno Schmidt warSchachEnthusiast, von dem aufgezeichnete Partien vorliegen.

    Schach im FilmJede geglckte Schachpartie hat ein Thema, eine Entwicklung, einen Hhepunkt.Sie ist sozusagen ein Spielfilm. Kein Wunder, dass das Spiel auch auf der Leinwandzum Thema wird. Man denke an die berhmte Szene des Schachspiels mit demTod in Ingmar Bergmans Das siebenteSiegel. Die bekannteste Filmszene aberist natrlich die des traurigliebeskranken Rick in Casablanca. In dem Filmvon Michael Curtiz aus dem Jahre 1942sitzt nicht zufllig Humphrey Bogart amSchachtisch. Der legendre Schauspielerwar ein brenstarker Schachspieler. DieSchachszenen in Casablanca gehen direkt auf seine Anregung zurck.

    Schach in der KunstIn der bildenden Kunst berragt beimThema Schach einer alles: Marcel Duchamp. Sicher, es gibt Schachspiele alsObjekte von Max Ernst und Viktor Vasarely, es gibt das berschach von Paul Kleeund die Zeichnungen des Bildhauers undMalers Alfred Hrdlicka. Aber DuchampsLiebe zum Schach berstrahlte alles. Zwischen 1928 und 1933 beschftigte er sichfast ausschlielich damit. Er spielte sostark, dass er als Teil der franzsischenNationalmannschaft an fnf SchachOlympiaden teilnahm.

    Schach in derMusik1968 veranstaltete Duchamp in Torontoeine Performance mit dem Knstler undKomponisten John Cage. Dabei spieltendie beiden eine Schachpartie, bei derdurch Sensoren im Schachbrett Tonfolgenausgelst wurden. Das htte auch einenanderen Komponisten begeistert, der demSchach verfallen war. Arnold Schnbergentwickelte sogar eine KoalitionsSchachgenannte Spielvariante fr vier Spieler,die auf einem 10 x 10 Felder groen Brettmit 36 Figuren gespielt wird. (nwa)

    Von Norbert Wallet

    Seltsam irgendwie: Es bleibt ein Rest, etwasUnerklrtes, auch wenn alle Fakten auf demTisch liegen. Ja, schon klar: Die SchachWMzwischen dem indischen Weltmeister Viswanathan Anand und dem norwegischenHerausforderer Magnus Carlsen wird eingroes Medienereignis. 500 Journalisten ausaller Welt werden tglich vom Ort desGeschehens, aus der indischen Millionenmetropole Chennai, berichten. Und Millionen von Schachfans rund um den Globuswerden den Kampf im Internet live verfolgen. In Indien ist Anand ein Volksheld, undNachrichtensendungen wie Klatschspaltensind voll mit letzten Infos zum Showdownauf den 64 Feldern.

    Auch das ist klar: So viel Spektakel undffentliche Aufmerksamkeit hat ein SchachEreignis seit den 80er Jahren nicht mehrerregt, als sich der junge HimmelsstrmerGari Kasparow daran machte, nicht nurTiteltrger Anatoli Karpow, sondern mitihm gleich das gesamte Sowjetsystem aufdem Schachbrett herauszufordern.

    Das alles ist unstrittig. Aber eine kleineFrage bleibt, ein Geheimnis. Warum dieganze Aufregung? Warum gerade diesmal?Hier kmpfen nicht zwei Reprsentantenvon Machtblcken gegeneinander wiedamals, als ein respektloser New YorkerSchlaks namens Bobby Fischer den russischsowjetischen Bren Boris Spasskierlegen wollte. Und kein Dissident wie einstViktor Kortschnoi wagt hier die Frechheit,aufzubegehren gegen das in Anatoli Karpowpersonifizierte Sowjetschach. Nein, nichtsdavon. Ein indischer Routinier verteidigtseinen Titel gegen einen jungen Skandinavier. Das hat er vorher schon gegen Konkurrenz aus Russland, Bulgarien und Israel getan.OhnedassdarauseinHypeentstandenwre. Diesmal aber ist richtig was los, unddas muss einen Grund haben.