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Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin

OSZ Sozialwesen II

Praxiseinrichtung: IntegrationsKITA

Salvador-Allende-Straße 47/49

12557 Berlin

Anleiterin: Frau Kerstin Meinhardt

Facharbeit von: Laura Velebil

Thema:

Die Gebärdensprache und die gebärdenunterstützende Kommunikation als Mittel der

Förderung sozialer Beziehungen von Kindern in integrativen Gruppen.

Abgabetermin: 03.04.2009

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Gliederung:

1. Einleitung Seite 5

1.1 Themenbegründung Seite 5

1.2 These Seite 6

1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise Seite 8

2. Gebärdensprache und gebärdenunterstützende Kommunikation Seite 9

2.1 Kommunikation Seite 9

2.2 Mögliche Folgen einer Kommunikationsstörung Seite 10

2.3 Gebärdenunterstützte Kommunikation – GuK Seite 11

3. Einsetzen der unterstützten Kommunikation in der Praxisstelle Seite 12

3.1 Bedingungsanalyse Seite 12

3.2 Externe Faktoren Seite 14

3.2.1 Familiäre Bedingungen Seite 14

3.2.2 Martins Einzelfallbetreuerin Seite 15

3.3 Interne Faktoren Seite 16

3.3.1 Gebärden in der Alltagssituation Seite 16

3.3.2 Vorhaben mit Gebärden Seite 17

3.3.2.1 Matschwand – Gebärden der Farben Seite 17

3.3.2.2 Gedicht in Gebärdensprache: „Igel machen sonntags Früh” Seite 20

3.3.2.3 Begreiflich machen des Begriffes „Eis” Seite 22

3.3.2.4 Gedicht in Gebärdensprache: „Mein Püppchen” Seite 24

4. Auswertung Seite 26

4.1 Zusammenfassende Bewertungen der Ergebnisse unter Seite 26

Berücksichtigung der aufgestellten These

4.2 Reflexion der geleisteten Arbeit Seite 28

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5. Literatur- und Quellenverzeichnis Seite 30

6. Erklärungen Seite 31

6.1 Erklärung, dass die Facharbeit selbstständig erstellt wurde Seite 31

6.2 Einverständniserklärung Seite 31

7. Anhang Seite 32

7.1 Abzüge einiger Gebärden Seite 32

7.2 Ergebnis von dem Gedicht in Gebärdensprache: „Igel machen

sonntags Früh” Seite 34

7.3 Ergebnis von dem Gedicht in Gebärdensprache: „Mein Püppchen” Seite 35

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1. Einleitung

1.1 Themenbegründung

Als ich mein Praktikum im 2. Ausbildungsjahr in der IntegrationsKITA Salvador-Allende-Straße

begann, begegnete ich einem Jungen namens Kevin (Name geändert) mit dem Genfehler des

Down-Syndroms, der auch Trisomie 21 genannt wird. Dieser Junge war zu diesem Zeitpunkt 6

Jahre alt und konnte nicht sprechen. Seine Art und Weise, mit den Kindern oder anderen

Ansprechpartnern zu kommunizieren, war mir neu.

Diese Integrationskita verfolgt das Projekt, Kindern, die nicht auf normalem Weg das Sprechen

erlernen können, mit GuK durch den Alltag zu begleiten. GuK heißt gebärdenunterstützte

Kommunikation und soll Kindern wie diesem Jungen ermöglichen, sich trotz ihrer Behinderung

und der Schwierigkeit das Sprechen zu erlernen, ihren Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen.

Diesen Kindern fällt es leichter, Dinge, die sie wollen, durch Zeichen zu zeigen anstatt sie

auszusprechen. Würde man diesen Kindern, denen das Sprechen schwerfällt, ihre Bedürfnisse

nicht erfüllen, weil sie sich verbal nicht äußern können, so würden sie anfangen, sich aus ihrer

Frustration heraus zurückzuziehen und im schlimmsten Fall das Erlernen der Sprache sogar

einstellen. Oft werden diese Kinder auch verhaltensauffällig. Jeder hat schon einmal erlebt wie

frustrierend es ist, wenn man nicht verstanden wird und ein Kind, das dies tagtäglich erlebt,

verliert irgendwann den Mut, sich zu äußern.

Doch dieser Junge hat durch GuK einen Weg gefunden, seine Bedürfnisse durch Zeichen zu

äußern und dadurch auch Freunde zu finden. Er konnte Dinge wie trinken, essen, nein, ja,

schlafen, Blume, Sonne, Auto etc. zeigen und hatte auch viel Freude daran. Am liebsten imitierte

er aber die Kinder in seiner Gruppe und so war es für ihn auch einfacher, Interesse an den

Gebärden zu finden, indem er sie von den Kindern lernte, die wir ihnen im Alltagsgeschehen, in

Angeboten und Projekten beibrachten. Denn wenn diese Art von Kommunikation positiv

funktionieren soll, muss die gesamte Gruppe auch verstehen, was gebärdet wird. Dieses Konzept

war bei diesem Jungen sehr erfolgreich und als ich am Ende des Praktikums ging, konnte er auch

ein paar Worte sprechen.

Als ich mir dann im 3. Jahr Gedanken über mein Thema in der Facharbeit machte, lies mich die

Idee, über diese Art der Kommunikation zu schreiben, nicht mehr los. Ich wollte wieder zurück

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in diese Kita und meine Arbeit darüber schreiben. Ich bin nun in einer Gruppe, in der der 3-

jährige Junge Martin (Name geändert) ist. Er kommt aus einer gehörlosen Familie. Er selbst hat

ein Resthörvermögen, was aber erst im Alter von 1 Jahr und 4 Monaten festgestellt wurde, und

das seit er 2 Jahre alt ist mit Hörgeräten unterstützt wird. Wie viel er hören kann und welche

Laute genau er wahrnimmt, wird noch untersucht und durch mehrere Hörtests immer wieder

aktualisiert. Momentan heißt es, dass er nur die Vokale, also A, E, I, O, U, hören kann. Durch

seinen verspäteten Start spricht er kaum Wörter. Sein momentaner Wortschatz umfasst „Mama“,

„Papa“, „Kerstin“, „piep“, „Baby“ und einzelne Wortansätze. Doch an diesen Worten sehen wir,

dass er durchaus in der Lage ist, auch andere Buchstaben zu hören. Dass ich hier nicht mit GuK

ansetzen kann, war mir sofort klar. Auch meine Anleiterin Kerstin bestätigte mir dies und

erzählte mir, dass sie sich einen geringen Bruchteil der Gebärdensprache angeeignet hatte. Doch

was mich verwunderte war, dass Martin auch kaum gebärdete, was er aus seiner

Familiensituation heraus gelernt haben müsste. Die übrigen Kinder in der Gruppe waren im

Gebärden geübter als er.

1.2 These

Ich beobachtete das Spiel von Martin. In der Gruppe selbst ist Martin meist alleine. In

Spielsituationen sitzt er häufig alleine und für sich isoliert. Wenn er doch einmal den Mut fasst,

sich zu Kindern in eine Spielsituation hineinzusetzen, nehmen diese Kinder ihn meist nicht wahr

oder springen schreiend und empört auf. Oft glauben sie, dass Martin stänkern will. Da Martin

sich nicht äußern kann, fällt es den Kindern schwer zu begreifen, was er gerade möchte. Wenn

die Kinder ihn nun nicht mit einbeziehen, kommt er auf die Erzieher oder mich zu, entweder um

Kommunikationshilfe zu bekommen oder um hier einen Spielpartner zu finden.

Am Essenstisch ist es üblich, dass die Kinder untereinander ihr Essen tauschen dürfen, wenn sie

es miteinander abgesprochen haben und einverstanden sind. Hier funktioniert die

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Kommunikation zwischen den Kindern und Martin besser und ist entspannter. Die Kinder warten

hier offener ab, was Martin möchte und bekommen von den Erziehern stets Unterstützung und

Bestätigungen.

Als ich diese unterschiedlichen Situationen sah, verstand ich, wie groß Missverständnisse und

Frustrationen sein können, wenn man nicht richtig kommunizieren kann. Durch diese

Beobachtungen kam ich langsam auf die Idee zu meiner These. Ich glaube, dass die

Gebärdensprache und die gebärdenunterstützte Kommunikation als Mittel der Förderung sozialer

Beziehungen von Kindern in integrativen Gruppen von großer Bedeutung und Wichtigkeit sind.

Wenn das Kind keine anderen Möglichkeiten zur Äußerung hat, so sollte man auf diese Art der

Kommunikation zurückgreifen können, um diese Kinder nicht an den Rand der Gesellschaft zu

schieben, sondern auf eine andere Art zu integrieren. Könnte er sich in einer Form, die auch die

Kinder begreifen, verständigen, so wären die Angst und die Ablehnung ihm gegenüber deutlich

geringer als es momentan der Fall ist.

Martin hat die Fähigkeit, die Sprache noch zu erwerben, da er Sprachansätze und Freude daran

zeigt. Dennoch muss er die Gebärdensprache für die Kommunikation in seiner gehörlosen

Familie erlernen. Um ihm das Erlernen der Gebärdensprache zu erleichtern, wie es bei Kevin

durch GuK der Fall war, soll er sich auch bereits vor dem Sprechen schon durch Gebärden äußern

können, um die Notwendigkeit der Sprache und der Kommunikation zu begreifen. Ich möchte

erreichen, dass Martin zu seinen Gebärden sprechen kann. Durch alltägliche Dinge,

Bildmaterialien, Computerspiele und Wandertage versuchen wir, Martin sowohl die Gebärden als

auch die Sprache zu einzelnen Begriffen nahezubringen.

Meine These lautet also: Gebärdensprache und die gebärdenunterstützte Kommunikation als

Mittel der Förderung sozialer Beziehungen von Kindern in integrativen Gruppen sind von großer

Bedeutung und Wichtigkeit.

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1.3 Zielsetzung und Schwerpunkte der Arbeit

Allerhöchste Zielsetzung der Arbeit ist das Erlernen einer möglichst hohen Selbstständigkeit,

aber auch die Integration der behinderten Kinder in die Gruppen mit nicht behinderten Kindern

(s. Konzeption S. 12).

Ein weiterer wichtiger Bildungsbereich ist die Sprachförderung. Neben der allgemeinen

Sprachförderung, welche in allen Einrichtungen stattfindet, bietet die Kita Frühenglisch in

spielerischer Form an. Aber auch auf dem Gebiet der gebärdenunterstützten Kommunikation und

Gebärdensprache ist man in der Einrichtung aktiv, indem man eigenes Material wie GuK-Bücher

erstellt und Fortbildungen zum Thema anbietet (s. Konzeption S. 15-16). Die Kinder werden über

Angebote und Aufforderungen mit der Gebärdensprache in Kontakt gebracht und angeregt.

Durch die sprachliche Begleitung im Tagesablauf lernen die Kinder neue Gebärden. Die Kinder

sollen im weiteren Verlauf ihr Wort-, Sprach- und Gebärdenrepertoire weiterentwickeln. Dies

lernen sie vor allem durch das sprachlich begleitete Spiel in ganzen Sätzen, die parallel auch

teilweise mit einfachsten Gebärden begleitet werden. Zu den meisten Angeboten werde ich mit

den Kindern selbst gemalte Bilder-Vokabelhefte für die erlernten Gebärden anfertigen.

2. Gebärdensprache und gebärdenunterstützende Kommunikation

2.1 Kommunikation

Welche Wirkung die Kommunikation auf die Umgebung hat, erfahren nicht behinderte Kinder

täglich. Schon Babys nehmen die Sprache, spezifische Klänge und Melodien in ihrer Umgebung

wahr und lernen, dass ihre ungezielten Äußerungen von ihren Eltern interpretiert und in ein

passendes Muster geschoben werden. Wenn das Baby z.B. anfangs noch unbewusst lächelt,

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bemerkt es, dass seine Eltern ihm daraufhin mehr Aufmerksamkeit widmen, bis es schließlich

anfängt, bewusst zu lachen. Durch eine eindeutige Rückmeldung der Umwelt auf ihre

Äußerungen oder ihr Handeln, werden die bisher ungezielten Signale differenziert und ganz

gezielt eingesetzt. Dieser Kontext, der das Handeln des Babys sprachlich begleitet, gibt dem Kind

Aufschluss über die Bedeutung der sprachlichen Äußerungen. Ein Beispiel für die

Kommunikation von Martin ist z.B., dass er den Blickkontakt zu mir sucht, mich angrinst und

kreischend wegrennt – er gibt mir zu verstehen, dass er gefangen werden möchte.

Über die Kommunikation wollen wir den Menschen etwas mitteilen oder etwas von ihnen

erfahren. Indem Kinder fragen, lernen sie Begriffe, Zusammenhänge und Geschichten über die

Welt kennen. Durch sie gestalten wir auch unsere Beziehungen, indem wir miteinander reden,

lernen wir uns und andere besser kennen. Um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können,

muss man über die Kommunikation seine Wünsche differenziert ausdrücken können, um so die

Umwelt zu verändern und zu beeinflussen.

Für die Kinder, die mit einer Behinderung leben, ist es deutlich schwieriger, sich anderen

Menschen mitzuteilen. Sie werden leichter übersehen oder missverstanden, da die Art ihrer

Äußerungen oft unverständlich oder kaum wahrnehmbar ist. Wenn das Kind noch zusätzlich

nonverbale Einschränkungen in der Kommunikation aufweist, ist es für die Bezugsperson kaum

schaffbar, sich in der aufwendigen Pflege auf die Äußerungen des Kindes zu konzentrieren. Die

Bedürfnisse, Wünsche, Gefühle und Ideen des Kindes werden nicht wahrgenommen und gehen

verloren oder werden falsch verstanden, da sie nicht eindeutig von dem Kind ausgedrückt werden

konnten. Solche Situationen führen zu Frustration, das Gefühl von Hilflosigkeit und die

wiederholte Erkenntnis, dass sie ihre Bedürfnisse den anderen gegenüber nicht zum Ausdruck

bringen können. (siehe: Berliner Bildungsprogramm)

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2.2 Mögliche Folgen einer Kommunikationsstörung

Stets missverstandene oder nicht beachtete Kinder haben nur wenige Möglichkeiten, ihre

Frustrationen zu bewältigen: Sie können die Kommunikationsbemühungen einschränken oder

einstellen, oder durch herausforderndes, aggressives oder sogar verletzendes Verhalten eine

Reaktion aus ihrer Umwelt erhoffen.

Die Identitätsentwicklung eines Kindes kann dadurch ins Stocken geraten. Da es sich häufig als

hilflos und abhängig von seinen Bezugspersonen empfindet, kann man von einer „erlernten

Hilflosigkeit“ sprechen. Auch soziale Kontakte kommen kaum zustande, da sie nicht äußern

können, mit wem sie gerne zusammen sein möchten oder die Themen, die sie bevorzugen, nicht

artikulieren können. Eltern, die ihre Kinder verstehen und ihnen viel Verständnis

entgegenbringen, leiten ihr Kind häufig in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis. Diese Kinder

brauchen die Eltern anschließend als Übersetzer, da sie nicht lernen konnten, sich alleine zu

verständigen und haben so größere Schwierigkeiten, sich von ihnen abzulösen.

Bei einer normalen Sprachentwicklung, hat das Kind die Möglichkeit ein von ihm gewähltes

Thema anzusprechen, welches von den Erwachsenen aufgegriffen, ergänzt, bestätigt usw. werden

kann. So ermöglicht die Kommunikation, dass die kognitiven Fähigkeiten unterstützt werden. In

der Sprache eingeschränkte Kinder haben oft nicht die Möglichkeit, ihr Wissen zu präsentieren

oder Fragen zu stellen. Das führt dazu, dass sie in ihrer kognitiven Entwicklung nur langsam

vorankommen, da sie nicht sagen oder zeigen können, was ihre Aufmerksamkeit erregt, welches

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Thema sie gerne vertiefen würden und womit sie sich gerade gerne beschäftigen möchten.

Für diese Kinder treten im Alltag gehäuft Situationen auf, in denen sie nicht das bekommen was

sie erhofft haben oder in denen niemand bemerkt, dass sie überhaupt etwas wollten. Dies

schränkt ihre Selbstbestimmung auf ein Minimum ein. (siehe: Berliner Bildungsprogramm; Erste

Schritte in unterstützter Kommunikation mit Kindern)

2.3 Unterstützte Kommunikation und Gebärdensprache

Man bietet Kindern, die nicht oder nur unzureichend sprechen können, eine zusätzliche

Alternative zu ihrer Lautsprache an, damit sie dadurch eine bessere Kommunikation führen

können. Die unterstützte Kommunikation setzt man bei Kindern ein, die z.B. mit 3 Jahren noch

nicht sprechen können, bei Kindern die schwer verständlich sprechen, vorübergehend gar nicht

sprechen können und bei Kindern die kein oder kaum ein Sprachverständnis haben. Die

Gebärdensprache lernen vorwiegend Kinder, die nicht hören oder stark hörgeschädigt sind. Die

unterstützte Kommunikation reicht von einfachen Gesten, Bildern, graphischen Symbolen oder

Tasterspielzeugen bis hin zu Gebärden oder technischen Kommunikationshilfen mit künstlicher

Sprachausgabe. Bei allen Methoden gibt es Vor- und Nachteile, doch das Ziel ist es, für jeden

noch so schwer behinderten Menschen individuelle Kommunikationswege zu finden. Dies soll

die persönliche Entwicklung fördern und wertvolle Grundlagen für die weitere Entwicklung der

Sprache schaffen. Kinder sollen gar nicht erst die jahrelange frustrierende Erfahrung machen,

nicht verstanden zu werden.

Genau wie in der normalen Lautsprache kann auch mit der unterstützten Kommunikation nicht

früh genug angefangen werden. Die unterstützte Kommunikation schafft wichtige Grundlagen für

die Sprachentwicklung und fördert die persönliche Entwicklung des Kindes, die ohne die

unterstützte Kommunikation ins Stocken geraten wäre. Die Befürchtungen, dass die unterstützte

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Kommunikation die Entwicklung der Lautsprache verzögern oder sogar unterdrücken könnte,

sind vielfach widerlegt worden. Die Lautsprache ist die einfachste und effektivste Methode, um

sich schnellstmöglich zu verständigen und sich auszudrücken. Die unterstütze Kommunikation

nimmt den hilfebedürftigen Kindern lediglich den Druck, sprechen zu müssen. Durch den Einsatz

von Gebärden wurde bereits bewiesen, dass Kinder durch diese Methode große Fortschritte im

Sprechen gemacht haben. Gebärden geben den Kindern eine Stütze, um Wünsche und

Bedürfnisse eindeutiger ausdrücken zu können. Ist diese Stütze nicht gegeben, so können Kinder

nur auf sichtbare Dinge aufmerksam machen, nicht aber auf die, die gerade nicht gegeben, aber

erwünscht sind. Das Kind kann also mit Hilfe der unterstützten Kommunikation unabhängiger

werden, da die Erwachsenen es nun besser verstehen und einschätzen können. Die Erwachsenen

können dem Kind, dadurch, dass es sich äußern kann, auch mehr Raum geben, wenn es dies

benötigt. (siehe: Erste Schritte in unterstützter Kommunikation mit Kindern)

3. Einsetzen der unterstützten Kommunikation in der Praxisstelle

3.1 Bedingungsanalyse

Die IntegrationsKITA Salvador-Allende-Straße 47/49 betreut 125 Kinder von 0,5 bis 7 Jahren in

überwiegend altersgemischten Integrationsgruppen. Der Träger der Einrichtung ist die Käpt`n

Browser GmbH, welche dem TJFBV e.V., Technischer Jugendfreizeit und Bildungsverein,

angeschlossen ist. Die Kita bietet für Vorhaben eine Menge Möglichkeiten und Räume an. Zum

Basteln bietet das Atelier viele verschiedene Materialien zur Benutzung an. Man kann in kleinen

Gruppen direkt im Atelier arbeiten oder sich die benötigten Materialien auch mit in den

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Gruppenraum nehmen. Die Matschwand befindet sich in einem Badezimmer, um die Kinder

direkt nach dem Erproben der Materialien säubern zu können. An der Matschwand können die

Kinder paarweise in Unterwäsche mit Farben und anderen Materialien, wie Schlicker,

Rasierschaum etc., experimentieren und ihre Körperwahrnehmung erproben. Für die körperliche

Bewegung stehen den Kindern der Sportraum, ein Raum mit einem Bällebecken und der

Toberaum mit übergroßen Schaumstoffbausteinen zur Verfügung. In diesen Räumen werden

auch Tanzen, logopädische Betreuung und Physiotherapie angeboten. Für diese Räume ist in

einem kleinen Nebenraum eine Vielfalt von weiteren Gegenständen zum Erproben der

Körperbeherrschung vorhanden. Auch der große Garten bietet den Kindern

Abwechslungsreichtum. Durch seine Höhen und Tiefen, verschiedene Beschaffenheiten (wie

Sand, Erde, Wasser, Wiese, Steine, Beton, Pflanzen etc.), Gerätschaften und

Klettermöglichkeiten, findet jedes Kind für seine individuellen Bedürfnisse einen Platz, um sich

zu beweisen.

Der Personalschlüssel ist in den 8 Gruppen ausreichend gedeckt. Auf 15 Kinder (davon haben 2

bis 5 Kinder einen Integrationsstatus) sind eine Erzieherin und eine Facherzieherin für

Integration eingesetzt. In meiner Gruppe sind aufgrund von Martins Integrationsstatus zwei

Erzieher und eine Integrationserzieherin eingesetzt, da ihm eine halbe Erzieherstelle zusteht.

Meine Gruppe besteht aus 16 Kindern, 4 davon haben eine Integrationsstelle. Für meine

Facharbeit von Bedeutung ist vor allem Martin.

Martin ist fast mit Ende des 2. Lebensjahres in die Kita gekommen und bekam zu diesem

Zeitpunkt seine Hörgeräte. Er galt als hochgradig schwerhörig und sollte nur die Vokale hören

können.

Der Gruppentrakt hat ein eigenes Badezimmer, eine Garderobe und zwei Räume, die in einen

Ess- und einen Schlafbereich aufgeteilt wurden. In beiden Räumen befinden sich Spielsachen wie

Brettspiele, Puzzel, therapeutische Spiele, Malsachen, Puppen, Autos, Bausteine aus Holz und

Lego, Eisenbahnen, Ritterburgen, Bücher etc.

Für die Kinder zugänglich wurden an den passenden Ecken und Gegenständen Gebärdenkarten

aufgehängt. So sind im Essbereich am Geschirrschrank Gebärdenkarten wie „essen“, „Teller“,

„Gabel“, „Messer“, „Löffel“, „Brot“, „Gemüse“, „trinken“ etc. angeheftet. In der Bauecke

befinden sich an der Wand die Karten für sämtliche Tiere, die sie in ihren Spielzeugkisten finden

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können, und Gegenstände, wie Bausteine, Dreirad, Ball, Auto, Radio, Haus etc. Zum Thema

Gebärden gibt es auch Bilderbücher, die am Rand des Buches einzelne Gegenstände und

Tätigkeiten in kindgerechten Illustrationen mit Gebärden aufzeigen. Zu Vorhaben und Projekten

wurden im Anschluss zusammen mit den Kindern eigenständig Hefte angefertigt, in denen

selbstgemalte Bilder mit der passenden Abbildung der Gebärde daneben sind. Diese wurden

laminiert und gebunden, damit die Kinder ihr kindgerechtes Vokabelheft im Alltagsgeschehen

verwenden können. (siehe: Konzeption IntegrationsKITA S.-Allendestr. 47/49)

3.2 Externe Faktoren

3.2.1 Familiäre Bedingungen

Die Familie von Martin besteht aus fünf Mitgliedern. Seiner Mutter (45 Jahre), die als

Hotelfachfrau arbeitet, seinem Vater (45 Jahre), der in der Gastronomie tätig ist, seinem Bruder

(20 Jahre), welcher aufgrund einer mir unbekannten Behinderung in einem Pflegeheim lebt, und

seiner Schwester (14 Jahre). Alle bis auf Martin sind taub und verständigen sich untereinander

mit der Gebärdensprache. Martin selbst ist hochgradig schwerhörig und lebte bis April 2007 in

einer stummen Welt. Als er am 16. April 2007 in die Kita kam galt er noch als taub. Seine

Hörgeräte bekam er in den ersten Monaten seiner Kitazeit..

Da Martin sowohl auf die Lautsprache als auch auf die Gebärdensprache reagiert und agiert,

muss die Familie lernen, auch auf Martins Mundbild zu achten und im Zweifelsfall nach der

Gebärde fragen, um es zu verstehen. Martin selbst muss den Unterschied zwischen hörenden und

nicht hörenden Menschen verstehen. Er begreift noch nicht, dass seine Familie ihn akustisch

nicht hören kann.

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3.2.2 Martins Einzelfallbetreuerin

Aufgrund von Martins Behinderung steht ihm nach dem Jugendrecht §§ 35 – 35a Abs. 1 eine

Einzelfallbetreuung zu, welche die Mutter zum Ende des letzen Jahres beantragt hatte. Die

intensive, sozialpädagogische Einzelfallbetreuung gewährt Martin eine intensive Unterstützung

zur sozialen Integration. Bei Martin ist die Einzelfallbetreuung für längere Zeit vorgesehen und

soll Martins individuelle Bedürfnisse fördern und unterstützen. Martin soll durch die intensive

Betreuung später im Leben eine eigenverantwortliche Lebensführung erreichen.

Die Einzelfallbetreuerin von Martin ist berechtigt, ihn von der Kita abzuholen. Da die Betreuung

zu Hause stattfindet, bat uns die Betreuerin um einen ruhigen Raum, in dem sie mit Martin

ungestört war. Zu Hause gab es bei der Betreuung Schwierigkeiten, da sich Martin, um seinen

Willen durchzusetzen, zu seiner Mutter flüchtete. Seine Mutter ging dann meist den Weg des

geringeren Widerstandes, so dass es zu keiner intensiven Betreuung kommen konnte.

Die Betreuerin soll Martin vor allem die Gebärdensprache (wobei sie aber stets parallel dazu die

Lautsprache anwendet) vermitteln. Dies tut sie, indem sie auf Martins Wünsche und Bedürfnisse

eingeht. Martin freut sich stets über ihren Besuch und geht freudig mit ihr mit. Sie sucht sich

wertvolles Material aus der Kita aus und sucht sich einen freien Raum, in dem sie ungestört sind.

Sie festigt auch die bereits bei uns gelernten Dinge mit Martin. Seitdem er in der Betreuung ist,

hat Martin vor allem in der Lautsprache einen Sprung gemacht. (Beck. Texte im dtv:

Jugendrecht)

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3.3 Interne Faktoren

3.3.1 Gebärden in der Alltagssituation

Martin kam als taubes Kind einer gehörlosen Familie im Alter von 2 Jahren in die Gruppe und

konnte weder gebärden noch sprechen. Er bekam Hörgeräte, da man feststellte, dass er

hochgradig schwerhörig war und nur die Vokale A, E, I, O, U wahrnehmen kann. Als ich in die

Gruppe kam war Martin 3 Jahre alt und war kaum weiter als zu Beginn seiner Eingewöhnung.

Am Frühstückstisch gebärdeten (durch Sprache begleitet) alle Kinder „Brot“, „Wurst“, „essen“,

„trinken“, „Tee“ und „Milch“. Martin zeigte stets nur seinen Becher, wenn er etwas trinken

wollte, und nur nach langen und oft wiederholten Forderungen zeigte er die Gebärde „Tee“. Doch

wenn er seinen Tee bekam, fing er an zu jammern, da er Milch wollte, dessen Gebärde er aber zu

diesem Zeitpunkt noch nicht konnte. Dies war mein erster Ansatzpunkt. Ich zeigte ihm die beiden

Kannen mit Tee und Milch und fingerte ihre Gebärde. Doch zuerst nickte er nur als ich ihm die

Milchkanne zeigte und schaute nur beiläufig auf die Gebärden. Ich half ihm beim Umsetzen der

Gebärden, so lange bis er es nach einer Woche selbstständig konnte. Doch er hatte trotzdem noch

Schwierigkeiten in der Zuordnung und im Verständnis der Gebärden. Er zeigte weiterhin erst

„Tee“ und, wenn ich mit der Teekanne kam, schüttelte er abermals den Kopf. Fragte ich ihn dann

in der Gebärdensprache, ob er lieber Milch wolle, gebärdete er erst daraufhin Milch. Dies dauerte

lange an, bis er endlich den Sinn zwischen den beiden verschiedenen Gebärden und die

Zugehörigkeit zu den Getränken verstand und sie richtig zuordnete.

Im Freispiel ist er stets für sich und spielt am liebsten mit Autos oder Puppen. Wenn er auf

Kinder zugeht, wird er meist nicht beachtet oder von den Kindern missverstanden. Oft glauben

die Kinder, dass Martin ihnen etwas Böses will, da er meist lauter ist, wenn er nicht verstanden

wird. Martin sucht häufiger den Kontakt zu mir oder meiner Anleiterin, um einen Spielpartner zu

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finden oder aber auch als Vermittlungsmöglichkeit zwischen ihm und den Kindern. Die vielen

Fehlschläge der versuchten Kommunikation durch Blickkontakt und Zeigen haben dazu geführt,

dass Martin oft alleine spielt und die Kinder ihn, aufgrund der fehlenden Kommunikation, die ihr

Spiel begleitet, als Spielpartner gar nicht erst in Erwägung ziehen. Sprechen konnte Martin zu

diesem Zeitpunkt nur „Mama“ und „Kerstin“, woran man erkennen kann, dass er mehr hören

kann als nur die Vokale.

3.3.2 Vorhaben mit Gebärden

3.3.2.1 Matschwand – Gebärden der Farben

Vorbereitung:

Ich schaue mir erneut die Farben in der Gebärdensprache an. Da ich mit den Grundfarben

arbeiten möchte, merke ich mir die Farben Gelb, Rot und Blau und deren Mischfarben Grün,

Orange und Lila. In der Waschküche lege ich Schlüpfer, Handtücher, Lappen, einen Eimer, eine

Unterlage für den Fußboden, die Grundfarben und Seife bereit.

Ziele:

Martin und zwei weitere Kinder sollen die Berührungsängste voreinander und vor den

Materialien verlieren und gemeinsam Erfahrungen sammeln.

Die Kinder sollen Spaß am Ausprobieren der Farben an einer großen Oberfläche haben.

Durch das großzügige Malen mit den Händen fällt es den Kindern leichter, einen Bezug zu den

Farben und deren Lautsprache und Gebärdensprache aufzubauen.

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Einstieg:

Ich gehe mit Martin, Steven (4 Jahre, Name geändert) und Mike (4 Jahre, Name geändert) in die

Waschküche, um Kitaschlüpfer, Handtücher und Lappen zu holen. Gemeinsam breiten wir im

Matschraum die Unterlage vor der Matschwand aus und legen die Handtücher beiseite. Die

Kinder ziehen sich aus und ziehen sich lediglich einen Kitaschlüpfer an.

Hauptteil:

Ich spreche und gebärde die Farbe Blau und gebe den Kindern die Farbe direkt auf die

Handflächen. Sie übertragen die Farbe auf die Matschwand und können malen, wischen,

schmieren, kratzen etc. Das gleiche mache ich auch mit den Farben Gelb und Rot. Nun können

sie auch mischen. Gegebenenfalls mache ich die Kinder auf die neu gemischte Farbe

aufmerksam. Ich ziehe mich so weit wie möglich zurück und lasse die Kinder ihre Erfahrungen

sammeln und ausprobieren.

Schlussteil:

Ich fülle einen Eimer mit Wasser und Seife und lege die Lappen hinein. Während die Kinder

noch malen, stelle ich den Wassereimer zwischen das Geschehen und warte ab. Die Kinder

nehmen die Lappen und beginnen die Farben zu verschmieren, zu verdünnen und abzuwischen.

Am Schluss helfe ich auch dabei, den letzten Rest der Farben von der Wand zu wischen. Unter

der Dusche lasse ich die Kinder sich selbstständig waschen. Ich erhoffe mir, dass sie sich

gegenseitig um Hilfe bitten. Auch hier gebe ich lediglich zum Ende hin Unterstützung. Während

sich die Kinder anziehen, wische ich schnell den Boden und sammle die Schmutzwäsche ein, um

sie gemeinsam mit den Kindern in die Waschküche zu bringen.

Reflexion:

Martin und Mike waren sehr aufgeregt. Steven ist ein Kind, welches sich gerne vom Basteln oder

Malen zurückzieht und lieber für sich spielt. Ich konnte ihn mitreißen, indem ich sein Spiel mit

einbezog. Da er gerade mit einem Feuerwehrauto spielte, durfte er dieses mitnehmen. Im

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Matschraum selbst gefiel es ihm nicht, dass er sich ausziehen sollte und ich schlug ihm vor, dass

er erst einmal zuschauen durfte. Als er dann sah, wie Martin und Mike sich gegenseitig mit Farbe

beschmierten und vor Spaß aufschrien, begann er, sich lachend auszuziehen und stieg in das

Geschehen mit ein.

Martin gebärdete die Farben auf Anhieb richtig und hatte sichtlich Freude am Matschen. Er trug

die Farben großflächig und nebeneinander auf, so wie er auch die Farben am Tisch auf ein Blatt

gemalt hätte. Mike verteilte die Farbe stückchenweise und nahm bei einer weiteren Farbe keine

Rücksicht darauf, ob er sie auf eine neue Fläche auftrug oder auf eine Stelle, an der bereits Farbe

vorhanden war. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er vor sich die Farbe Grün hat und

fragte, wie er das geschafft hatte, wo wir doch zu diesem Zeitpunkt nur Gelb und Blau verwendet

hatten. Er überlegte und war sich unsicher. Er staunte über die neue Farbe und fragte mich zurück

woher sie kommt. Ich zeigte ihm, dass man am Rand von der grünen Farbe Gelb und Blau

erkennen kann. Ich gab ihm erneut Gelb in die Hand und deutete auf eine andere blaue Fläche an

der Matschwand. Er trug das Gelb auf und war ganz erregt über den Farbwechsel. Als ich den

Kindern die Farbe Rot gab, suchte Mike bewusst die Farben an der Wand, um sie mit Rot zu

mischen. Begeistert zeigte er mir die gemischten Farben Lila, Orange und Grün. Wir zeigten dies

gemeinsam Martin und Steven und gebärdeten zusammen die Farben.

Als ich zum Ende kommen wollte, stellte ich einen Eimer mit Wasser hin. Die Kinder nahmen

selbstständig und ohne Anweisungen von mir die Lappen heraus und fingen an, die Wand zu

wischen. Es ging ihnen dabei nicht darum, sie sauber zu bekommen,, sondern darum, dabei den

Effekt zu beobachten, was passiert, wenn sie mit dem Wasser die Farben verdünne, verschmiere

und wegwische. Als kaum noch Farbe vorhanden war, ging es unter die Dusche, wo die Kinder

selbstständig den Duschkopf in die Hand nahmen und sich gegenseitig die Farbe vom Körper

abspritzten und abwuschen. Die Abneigung, die sonst gegen Martin gehegt wurde, war beim

Malen und Duschen nicht mehr relevant. Sie bezogen ihn in das Spiel genauso mit ein, wie jedes

andere Kind auch.

Zurück im Gruppenraum erzählten Mike und Steven aufgeregt über ihre neuen Erfahrungen.

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3.3.2.2 Gedicht in Gebärdensprache: „Igel machen sonntags Früh”

Vorbereitung:

Ich nehme mir die Begriffe, die ich während des Gedichtes gebärden will heraus, und übe sie ein

paar Mal, um beim gleichzeitigen Sprechen und Gebärden Sicherheit zu haben. Ich sortiere die

Gebärden, die Martin bereits kann in den Hintergrund, und sammle Materialien, um die neuen

Gebärden in einem besonderen Vorhaben mit Martin üben zu können.

Ziele:

Die Kinder haben Spaß am Gedicht und den neuen Gebärden.

Martin findet durch ein selbstgebasteltes Gebärden-Bilderbuch Gefallen am Mitmachen.

Einstieg:

Um Martin den Einstieg in das Gedicht zu erleichtern und ihm die abstrakten Begriffen zu

verdeutlichen, male ich mit ihm einen Igel, ein Boot und das Wasser. Ich zeige ihm auf Fotos und

Abbildungen was wir malen wollen, wobei ich parallel dazu gebärde und spreche. Wir gehen

auch gemeinsam die Farben in der Lautsprache und in der Gebärdensprache durch. Wenn wir mit

den Bildern fertig sind, kleben wir die Fotos und Abbildungen sowie die dazugehörige Gebärde

neben das Bild. Gemeinsam laminiere ich es mit Martin ein und binde es mit ihm zusammen.

Dies verleiht dem Heft Stabilität, so dass die Kinder es in den Alltagssituationen verwenden

können.

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Hauptteil:

In einem Kinderkreis zeige ich das neue Bilderbuch von Martin und mache die Gebärden für die

einzelnen Bilder vor. Dann gebe ich Martin, der neben mir sitzt, das Buch und zeige ihm beim

Aufsagen und Gebärden des Gedichtes die jeweiligen Bilder dazu.

Igel machen sonntags Früh eine Segelbootpartie!

Und die Kleinen jauchzen froh,

denn das Schiff, das schaukelt so.

„Nicht so wild!“ ruft Mutter Igel,

„denn ihr habt ja keine Flügel!“

Und wenn ihr in das Wasser fallt,

puuuuuhhhh, da ist es nass und kalt.

Ich achte darauf, dass Martin aufmerksam ist und eventuell die eine oder andere Gebärde

mitmacht. Nach 2 bis 4 Durchgängen können die Kinder einen Teil der Gebärden.

Schlussteil:

Vor dem Mittagessen oder vor dem Mittagsschlaf sage ich noch einmal das Gedicht auf, um es

bei den Kindern zu festigen. Das Gebärden-Bilderbuch kommt in das Regal, wo alle

Gebärdenmaterialien für die Kinder frei zugänglich liegen. Wenn ich Martin an einem der Hefte

sehe, geselle ich mich zu ihm und gehe mit ihm die Bilder und Gebärden durch, die er wissen

möchte.

Reflexion:

Martin hat mit viel Freude die Bilder ausgemalt, ausgeschnitten und aufgeklebt. Er hat

aufmerksam die Gebärden und die Aussprache verfolgt, die ich ihm parallel zu seiner Tätigkeit

zeigte. Die Farben kann er bereits gebärden, aber noch nicht zuordnen. Die von Martin gemalten

Bilder fanden auch bei den anderen Kindern Anklang und wurden gut aufgenommen. Die

Gebärden im Gedicht „Mutter”, „Kleinen”, „nicht/keine” und „Flügel” kannte er bereits und

konnte sie umsetzen. Die Kinder haben durch das Gebärden das Gedicht schneller erlernt, da sie

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anhand der Bewegungen bereits wussten, welcher Teil des Gedichtes kommen würde. Martin hat

sichtlich Freude daran, etwas gemeinsam mit den anderen Kinder zu machen. Er zeigt gerne, dass

er dasselbe kann und hat Spaß daran, wenn er dabei beobachtet und gelobt wird. Die Gebärde

„Boot” zeigt Martin im Alltag selbstständig, wenn er auf solche Abbildungen in Büchern trifft.

Auch wenn ich ihn ein wenig mit Wasser bespritze oder wir hinaus ins Freie gehen, zeigt er mir

mittlerweile die Gebärde „kalt”. Martin hat also aus dem Gedicht und durch die Wiederholungen

einige Gebärden verinnerlicht und verstanden.

3.3.2.3 Begreiflich machen des Begriffes „Eis”

Beobachtung:

Martin ist zum Ende meines Praktikums im Umgang mit der Lautsprache und der

Gebärdensprache offener und interessierter geworden. Oft macht er neue Gebärden auf Anhieb

nach und nach mehrmaligem Üben kann er sie bereits selbstständig anwenden. Eine seiner

Lieblingsgebärden, die er auch sprechen kann, ist „alle” (leer). Als wir mit der Gruppe spazieren

waren, kamen wir an einen vereisten Fluss vorbei. Die Kinder guckten hinunter und waren wie

gebannt. Als Martin das bemerkte, weckte es auch seine Neugierde und er schaute ebenfalls

hinab. Als ich seine interessierten Augen sah, zeigte ich ihm die Gebärde „Eis” und sprach dazu

in den Gebärden, die er bereits kannte, dass, wenn das Wasser kalt wird, es dann zu Eis wird.

Martin schaute mich verständnislos an, schüttelte den Kopf, sagte und gebärdete „alle”. Aus

Martins Sicht war der Fluss nicht gefroren, sondern leer. Ich probierte es noch mehrmals mit

meiner Erklärung, aber Martin blieb bei seinem Entschluss.

Als wir wieder im Gruppenraum waren, nahm ich mit Martin eine Glasschüssel und legte mit ihm

Perlen, Muscheln und Steine hinein. Ich sprach und gebärdete ihm, dass er die Schüssel mit

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Wasser auffüllen kann und, dass wir sie dann gemeinsam in die Kälte hinausstellen. Am nächsten

Morgen zeigte ich ihm beim Spazierengehen die gefrorenen und glatten Pfützen. Wir brachen

Eisstücke heraus und ich legte sie in Martins warme Hände. Wieder gebärdete ich „Eis“ und

zeigte ihm, als es zu schmelzen begann, dass Eis aus Wasser besteht. Interessiert schaute Martin

zu wie das Eis zu Wasser wurde und an seiner Hand hinunterfloss. Doch auch hier gebärdete er

noch nicht „Eis“. Als wir in der Kita die Glasschüssel in den Gruppenraum hereinholten, hatte

sich nur oben eine Eisschicht gebildet. Ich nutzte das, um Martin zu zeigen, dass sich das Wasser,

wie bei einem Fluss, unter dem Eis befindet. Durch die Materialien, die wir mit hineingelegt

hatten, sah Martin die Bewegung unter der Eisscholle. Da die Gebärde so ähnlich wirkt wie die

Eisscholle oben auf dem Wasser aussieht, scheint er in diesem Moment begriffen zu haben, was

ich gebärde. Nun schaute er mich an und gebärdete „Eis”. Doch was mich noch mehr überraschte

war, dass er es auch aussprach.

Reflexion:

Ich musste mich in die Lage von Martin versetzen, um ihm diese Gebärde nahezubringen. Als

Martin den Fluss sah, wirkte er auf ihn leer. Die Schneedecke auf dem Eis machte es mir

unmöglich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Auch die gefrorenen Pfützen schienen ihm nicht

begreiflich zu machen, wie sie da hingekommen waren. Martin hatte seine Umwelt nicht so

betrachtet, dass er sich hätte daran zurückerinnern können, dass das Eis vorher Pfützen waren.

Als er das Eis in der Hand hielt, schien er verstanden zu haben, dass Eis nass ist. Ob er wusste,

dass es gefrorenes Wasser ist, kann ich nicht deuten. Aber als wir die Schüssel holten, die er

eigenhändig in die Kälte gestellt hatte, schien er zu verstehen, was passiert war. Er sah wie das

Eis über dem Wasser war, erinnerte sich an das schmelzende Eis und schien zu begreifen. Nun

gebärdet er selbstständig und ohne meine Hilfe das Wort „Eis“ und kann es sogar sprechen.

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3.3.2.4 Gedicht in Gebärdensprache: „Mein Püppchen”

Vorbereitung:

Ich nehme mir die Begriffe, die ich während des Gedichtes gebärden will, heraus und übe sie ein

paar Mal, um beim gleichzeitigen Sprechen und Gebärden Sicherheit zu haben. Da das

Gebärdenheft im Gegensatz zu dem Gedicht von den Igeln einen größeren Umfang haben soll,

beziehe ich mehrere Kinder mit ein. Bei diesem Heft möchte ich mit den Kindern Bilder

ausmalen und Fotos von den Kindern machen, wenn sie gerade die Gebärde zeigen. Ich sammle

mir Materialien zusammen, wie Buntstifte, Kleber, Gebärdenkarten, Abbildungen und farbiges

Papier.

Ziele:

Die Kinder haben Spaß am Gedicht und den neuen Gebärden.

Die Kinder finden durch ein selbstgebasteltes Gebärden-Bilderbuch mit eigenen Fotos von sich

selbst Gefallen am Mitmachen.

Einstieg:

Um den Kindern den Einstieg in das Gedicht zu erleichtern und um ihnen eine Vorstellung von

den abstrakten Begriffen zu geben, male ich mit ihnen ein Püppchen, ein Herz, eine Nähnadel,

ein Kleid, eine Bürste, einen Kochtopf, eine Wiege, einen Teller Suppe, ein Hemdchen und

Socken. Ich zeige ihnen auf Fotos und Abbildungen was wir malen wollen, wobei ich parallel

dazu gebärde und spreche. Wenn wir mit den gemalten Bildern fertig sind, kleben wir die Fotos

und Abbildungen sowie die dazugehörige Gebärde neben das Bild. Gemeinsam laminiere ich es

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mit den Kindern und binde es mit ihnen zusammen. Dies verleiht dem Heft Stabilität, so dass die

Kinder es in den Alltagssituationen verwenden können.

Hauptteil:

In einem Kinderkreis zeige ich das neue Bilderbuch auch den Kindern, die nicht daran beteiligt

waren und mache die Gebärden für die einzelnen Bilder vor. Dann gebe ich Martin, der neben

mir sitzt, das Buch und zeige ihm beim Aufsagen und Gebärden des Gedichtes die jeweiligen

Bilder dazu.

Mein Püppchen das lieb ich.

Ich näh ihm ein Kleid.

Das darf nicht zu eng sein

Und auch nicht zu weit.

Ich wasch ihm sein Hemdchen und Söckchen rein,

Dann koch ich ein Süppchen

Und wiege es ein.

Nach einigen Wiederholungen können die Kinder einen Teil der Gebärden.

Schlussteil:

Vor dem Mittagessen gehen wir nun täglich unser Gedicht durch. Schon bald sagen die Kinder

das Gedicht selbstständig auf. Zu dem Gebärdenheft haben die Kinder jederzeit Zugriff.

Reflexion:

Beim Malen der Bilder waren die Kinder sehr motiviert dabei und schnitten auch fleißig Bilder

aus, die sie dann aufklebten. Auch beim Fotografieren sind die Kinder begeistert bei der Sache.

Bevor ich das Bild festhielt, zeigte ich die Gebärde und die Kinder machten sie nach. Beim

Drucken der Bilder waren die Kinder sehr neugierig auf das Ergebnis. Sie waren alle sehr stolz

auf sich als das Gebärdenheft fertiggestellt war und schauten es sich gleich an.

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Beim Vortragen des Gedichtes hörten mir die Kinder aufmerksam zu und achteten auf die

passenden Bilder, die sie in ihrem Gebärdenheft festgehalten haben. Nach mehreren

Wiederholungen beherrschten die Kinder schon einen Großteil der neuen Gebärden. An weiteren

Tagen übten wir gemeinsam mit dem Heft und schafften auch die letzten Gebärden. Mittlerweile

sagen sich die Kinder das Gedicht gegenseitig selbstständig auf und verwenden dazu auch die

korrekten Gebärden.

4. Auswertung

4.1 Zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse

Zu Beginn meines Praktikums war Martin in der Spielsituation oft für sich allein. Weder er noch

die anderen Kinder hatten Interesse daran, Kontakt aufzunehmen. Wenn es doch zu einer

Kontaktaufnahme kam, dann meistens von Martin aus und dann suchte er vorher immer unsere

Unterstützung, bevor er auf die Kinder zuging. Durch das langsame Herantasten an die

Kommunikation über die Gebärdensprache ist Martin jetzt so weit, dass er die Kommunikation

mit den Kindern sucht. Er braucht zwar immer noch den Zuspruch von den Bezugspersonen und

hofft, wenn er sich bei der Verständigung mit den Kindern hilflos fühlt, auf Unterstützung,

welche er aber erst einfordert, wenn er nicht alleine weiterkommt. Durch das Erlernen der

Gebärdensprache kann Martin den Kindern seine Bedürfnisse und Absichten genauer aufzeigen.

Die Kinder, die sich die Gebärdensprache genau wie Martin spielerisch angeeignet haben,

können ihn nun besser verstehen und auch annehmen. Martin spielt öfter in kleineren Gruppen

mit und ahmt das Spielverhalten seiner Spielpartner nach.

In der Zeit, wenn wir am Essenstisch sitzen, kommt Martin am meisten aus sich heraus. Er ist

weniger frustriert, da er sich mit uns und den Kindern deutlicher verständigen kann. Was er essen

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oder trinken möchte, kann er nun präziser ausdrücken und so kommt es weniger zu

Unstimmigkeiten. Hier habe ich auch schon einen Drei-Gebärdensatz von Martin gesehen, als er

Steven gebärdete „Ich Waffel bitte?”. Auf der anderen Seite hat Steven ihn verstanden und so

wurden die Erzieher, aufgrund der erfolgreichen Kommunikation in der Gebärdensprache

zwischen Martin und einem Kind, das erste Mal nicht benötigt. Wenn Martin am Tisch um etwas

bittet und von uns nicht gleich gesehen wird, sprechen die Kinder für ihn, indem sie uns sagen,

was Martin soeben gebärdet hat. Fast täglich zeigt Martin die Gebärde “Milch”, woraufhin die

Kinder entweder rufen, dass er Milch trinken möchte, oder sie ihm eigenständig die Kanne

reichen. Auch die Kinder fragen Martin am Tisch, wenn sie etwas haben möchten oder wenn sie

ihm etwas geben wollen. Martin gegenüber wenden die Kinder die Gebärdensprache an, wobei

sie parallel dazu immer sprechen, was sie gerade gebärden.

Meine These, dass „die Gebärdensprache und die gebärdenunterstützte Kommunikation als Mittel

der Förderung sozialer Beziehungen von Kindern in integrativen Gruppen von großer Bedeutung

und Wichtigkeit sind“, hat sich in der Praxis bestätigt, da sich Martin den Kindern mit großem

Erfolg genähert hat. Da dies innerhalb eines halben Jahres geschafft wurde, bin ich davon

überzeugt, dass, wenn die Gebärdensprache weiter in der Gruppe angewandt wird, Martin dann

schon bald voll und ganz in der Gruppe integriert sein wird. Je mehr er sich der Gruppe annähert,

desto mehr nehmen die Frustrationen, die Martin durch Maulen und Jammern geäußert hat,

zusehends ab. Durch Martins neugewonnene Selbstbestimmung, die er durch den Erwerb der

Gebärdensprache gewonnen hat, ist er sehr viel selbstbewusster im Umgang mit dem neu

Erlernten geworden. Er hat die Wichtigkeit der Kommunikation verstanden und für sich den

Weg, um seine Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken zu können, hauptsächlich über die

Gebärdensprache gefunden. Fast täglich lernt er neue Gebärden dazu und fragt nach den

Gebärden sämtlicher Gegenstände. Auch der Weg über die Lautsprache hat bei ihm Anklang

gefunden. Neue Worte wie „Tee“, „Ball“, „Teddy“, „nein“, „danke“, „alle“, „Eis“ etc. kommen

nun fast regelmäßig dazu, doch wird dies nie seine stärkere Sprache sein. Dennoch kann man

deutlich erkennen, dass er mehr als die Vokale hört und artikulieren kann.

Dass die Kinder Martin nun anerkennen, führe ich auf meine These zurück. Die Gebärdensprache

hat Martin dazu verholfen, soziale Beziehungen innerhalb der Gruppe zu knüpfen. In Laufe der

Zeit wird Martin hier Freundschaften aufbauen und festere Bindungen eingehen können. Die

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verständliche Kommunikation über die Gebärdensprache hat den Kindern die Berührungsängste

gegenüber Martin genommen, da die Kinder nun Martins Absichten besser einschätzen und

verstehen können. Martin ist nun nicht länger ein Außenseiter, sondern auf dem besten Weg ein

vollwertiges Gruppenmitglied zu werden.

4.2 Reflexion der geleisteten Arbeit

Ich bin auf Martin eingegangen, um herauszufinden, welche Sprachförderung er benötigt. Der

Schwerpunkt der Förderung lag hier aber nicht in der Lautsprache, sondern in der

Gebärdensprache. Dass er nach all den Monaten anfängt zu sprechen, ist mehr als ich mir erhofft

hatte. Ich bin stets auf Martins kindliche Sprachabsichten eingegangen, indem ich freundlich auf

ihn zugegangen bin und positiv auf ihn reagiert habe. Außerdem habe ich sehr deutlich

gesprochen und hatte eine etwas lautere Aussprache ihm gegenüber. Das gab ihm das Gefühl der

Aufmerksamkeit und er achtete besser auf meine Gebärden und Aussprache, als wenn ich über

etwas gebärdet und gesprochen hätte, was ihn nicht interessiert. Ich habe ihm möglichst immer

signalisiert, dass ich bereit bin, mit ihm zu kommunizieren, denn ich wollte für ihn ein

Kommunikationspartner sein, auf den er selbstständig und mit Freude zukommen konnte. In

Spielsituationen oder beim Spazierengehen habe ich oft versucht, ihm zum Gebärden und

Kommunizieren zu motivieren, indem er sein Spiel kommentieren sollte oder mir sein Interesse

beim Spazierengehen verdeutlichen konnte. So beobachtete und erfuhr ich auch das breite Band

seiner Interessen. Über die Interessen fiel es mir leichter Gebärdenanregungen zu geben, da ich

über seine Neugier neue Ansätze für neue Gebärden fand und anwendete. Dadurch lernte er neue

Gebärden und konnte seine Interessen und seine Neugierde vertiefen oder stillen. Ich achtete stets

darauf, dass die Kommunikation zwischen mir und Martin nicht zu einer Aufforderung zum

Nachsprechen wurde oder, dass er eine Gebärde deutlicher und fehlerfrei wiederholen musste.

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Dies hätte zu Frustrationen geführt und er hätte unter Umständen das Interesse an mir als

Kommunikationspartner verloren. Indem ich ihm ein gutes Vorbild bot, wollte ich über diesen

Weg kleinere Fehler auf Dauer vermeiden, indem ich ihm ein korrektes Feedback bot, wenn sich

die Gelegenheit ergab. Ich habe Martin nicht mit meinem Wissen über die Gebärdensprache

überfordert, sondern habe mich ihm angepasst. An seine momentanen Interessen habe ich

angeknüpft und habe Schritt für Schritt das Niveau gesteigert, so dass er mir mühelos folgen

konnte. Beim Gebärden habe ich stets den Blickkontakt zu Martin gehalten.

Um ihn in die Gruppe zu integrieren, unternahm ich in kleineren Gruppen Angebote wie die

Matschwand. In dieser neuen Gruppenzusammenstellung fiel es den Kindern leichter,

aufeinander zuzugehen. Indem ich mich zurückzog, konnten die Kinder besser miteinander

kommunizieren und aufeinander eingehen. Wenn die Kinder über mich Martin etwas fragen

wollten, gab ich lediglich die benötigten Gebärden an das Kind weiter, damit dieses sich selbst an

Martin wenden konnte. Ich musste die Kinder häufig daran erinnern, dass sie mit Martin nicht nur

mittels der Lautsprache kommunizieren können, sondern dass die Gebärdensprache für Martin

von äußerster Wichtigkeit ist, nicht zuletzt wegen des besseren Verständnisses für Martins. Durch

das Einsetzen von Büchern, Liedern, Reimen, Versen und das Erzählen und Erklären im Alltag,

brachte ich den Kindern die Gebärdensprache nahe. Dies wurde sehr positiv von den Kindern

angenommen, denn für ein Kind, welches Fingerspiele mag, ist Gebärdensprache nicht

komplizierter. Durch den Erwerb der gleichen Sprache wie sie Martin anwendet, ist für die

Kinder die Scheu vor ihm verringert worden, da sie ihm gegenüber ihre Bedürfnisse und

Wünsche über die Gebärdensprache äußern können.

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5. Literatur- und Quellenverzeichnis

Annette Kitzinger; Irene Leber; Ursi Kirsten: Erste Schritte in unterstützter Kommunikation mit

Kindern

In: Jetzt sag ich's dir auf meine Weise. 2.Auflage. Loeper Literaturverlag 2003 – 2006

Berlin Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport: für die Bildung, Erziehung und

Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen bis zu ihrem Schuleintritt

In: Berliner Bildungsprogramm. verlag das netz 2004, S. 60-69

Beck.Texte im dtv: Jugendrecht

In: JugR. 26. Auflage. deutscher Taschenbuch Verlag 2004

Konzeption IntegrationsKITA S.-Allendestr. 47/49

Rose Götte: Praxis der ganzheitlichen Sprachförderung in Kindergarten und Vorschule

In: Sprache und Spiel im Kindergarten. 1. Auflage. Beltz

Sander, Rita; Spanier, Rita: Sprachentwicklung und Sprachförderung – Grundlagen für die

pädagogische Praxis.

In: Kindergarten heute – spezial. 7. Auflage. Herder Freiburg im Breisgau 2003, S. 3-11

Sibylle Gurtner May: Vom Hören mit Hörgeräten

In: Ina hört anders. 1. Auflage. Orell Füssli Verlag 2008

Sylvia Schneider: Hörgeschädigte Kinder.

In: RAT & TAT für Eltern und Kinder. 1. Auflage. ObersteBrink. Ratingen 2001, S. 17-60

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6. Erklärungen

6.1 Erklärung, dass die Facharbeit selbstständig erstellt wurde

Erklärung

Ich versichere, dass ich diese Facharbeit selbstständig angefertigt und keine anderen als die von

mir angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Die den benutzten Werken wörtlich

oder inhaltlich entnommenen Stellen sind als solche gekennzeichnet.

Berlin, den ......................................................................

Unterschrift......................................................................

6.2 Einverständniserklärung

Erklärung

Ich bin damit einverstanden, wenn die von mir verfasste Facharbeit der schulinternen

Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Berlin, den ......................................................................

Unterschrift......................................................................

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7. Anhang

7.1 Abzüge einiger Gebärden

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7.2 Ergebnisse von dem Gedicht in Gebärdensprache „Igel machen sonntags Früh”

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7.3 Ergebnisse von dem Gedicht in Gebärdensprache „Mein Püppchen”

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