28. November 2011www.ak-sozialpolitik.de
Zwischen Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung – Zur Bewertung aktueller
rentenpolitischer Reformvorschläge
Klausursitzung der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion
Berlin, 28.11.2011
Dr. Johannes Steffen, Arbeitnehmerkammer Bremen
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (I)
Verstetigung des Einkommensflusses im Lebensablauf
Relation der Rente zum versicherten Einkommen (Höhe des Rentenniveaus)
Lebensstandardsicherung *
* Maßstab ist im Folgenden die Standarderwerbsbiografie (45 Versicherungsjahre mit vollzeitnaher Arbeitszeit)
Armutsfestigkeit *
Versorgungsniveau deutlich oberhalb der staatlichen Fürsorge
Relation der Rente zur vorleistungsunabhängigen Mindestsicherung (Fürsorgeabstand)
Zugangsmöglichkeiten zu versicherungspflichtiger
Beschäftigung (»Normalarbeitsverhältnis«)
Höhe und Entwicklung der
(sozialpolitischen) Armutsgrenze
Höhe und Entwicklung des Rentenniveaus /
Ausmaß des Solidarausgleichs
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (II)
Ursachen für die absehbare Zielverfehlung
A. Rentenversicherungsexterne Ursachen
B. Rentenversicherungsinterne Ursachen
Ausbreitung des Niedriglohnsektors Langzeiterwerbslosigkeit und unstetige Beschäftigung Versicherungsfreie Beschäftigung/Tätigkeit Erwerbsminderung
Senkung des Rentenniveaus (SvS) um ein Fünftel von rd. 53% (Jahrhundertwende) auf perspektivisch rd. 43% (2030er Jahre)
Lebensstandardsicherung * Armutsfestigkeit *
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1997 2011 2030
54%
50,2%
43%Rentenniveausenkung
Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (III)
Re-Regulierung des Arbeitsmarktes
Ausbau des Solidarausgleichs
Anhebung des Rentenniveaus
Garantie-, Mindest-, Sockel-»Renten«-Modelle
private und betriebliche Vorsorge
schulische Ausbildung
NiedriglohnLangzeit-
Arbeitslosig-keit
Erwerbsminderung(Zurechnungszeit)
Normalarbeits-verhältnis
versicherungs-freie
Beschäftigung
Vollendetes 17.
LebensjahrRegelalters-
grenze
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Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeRe-Regulierung AM / Solidarausgleich
schulische Ausbildung
NiedriglohnLangzeit-
Arbeitslosig-keit
Erwerbsminderung(Zurechnungszeit)
Normalarbeits-verhältnis
versicherungs-freie
Beschäftigung
Vollendetes 17.
LebensjahrRegelalters-
grenze
Bspw. maximal drei Jahre mit begrenzter (75%) Gesamt-leistungs-bewertung
Mindestlohn
Mindest-bemessungs-grundlage
(modifi-zierte) RnMEP
begrenzte (80%) Gesamt-leistungs-bewertung
höhere Beiträge
Verlängerung Zurechnungszeit• von Alter 60 auf Alter 62 oder• von Alter 60 auf Regelaltersgrenze (65/67)
ErhöhteGesamtleistungsbewertung
Abschaffung der Abschläge• generell oder• bei Eintritt der EM vor Alter 60/62
Abschaffung versicherungs-freier Mini-Jobs
Erwerbstätigen-versicherung
»Modellierung« geschlossener Erwerbs- bzw. Erwerbseinkommensverläufe
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50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
Beit
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60,5%
27,2 J Fazit:Für eine Nettorente in Höhe der GruSi sind derzeit 27,2 EP erforderlich
Netto-Standardrente 20111.108 €
65% über der Armutsgrenze
Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (IV)
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Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeGesetzlicher Mindestlohn
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Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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Gesetzlicher Mindestlohn
8,50 €38 Std-Woche
= 1.397 €
Gesetzlicher Mindestlohn
9,30 €38 Std-Woche
= 1.528 €
Fazit:Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € reicht für eine armutsfeste Rente nicht aus.Die Verlängerung der RnMEP nur bis zur Einführung eines Mindestlohns ergibt insofern keinen Sinn.
60,5% | 45,0 J55,4% | 49,1 J
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Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeBeiträge bei ALG-II-Bezug
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Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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Beiträge der BA auf Basis von 50% des
Durchschnittsentgelts
Fazit:Eine Beitragszahlung auf Basis von 50% des Durchschnitts ist wenig zielgenau. Die Maßnahme zielt auf Egalität [alle ALG-II-Beziehenden erwerben gleich viel EP pro Zeiteinheit] und nicht auf Kontinuität des Einkommensflusses im Lebensablauf [Lebensstandard-sicherung Gesamtleistungsbewertung dieser Zeiten].
50,0% | 54,4 J
60,5% | 45,0 J
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50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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Der Durchschnitt niedriger Pflichtbeiträge wird um das 0,5-Fache auf maximal
75% des Durchschnittsentgelts
angehoben
Fazit:Die (modifizierte) Entfristung der RnMEP könnte unter status-quo-Bedingungen einen Beitrag zur Stärkung von Lebensstandardsicherung und Armutsfestigkeit der Rente leisten.
50,0% | 54,4 J55,4% | 49,1 J60,5% | 45,0 J
Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeRente nach Mindestentgeltpunkten (RnMEP)
75,0% | 36,3 J = 11,51 €/Std
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50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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Aktuelle rentenpolitische Reformvorschläge ... bei sinkendem Rentenniveau?
Berechnungen auf der Wertebasis 2011 bei einem Rentenniveau von nur
noch 43% (SvS)
Fazit:Ein heute altersarmutsfester Mindestlohn erweist sich bei sinkendem Rentenniveau im Nachhinein als zu niedrig. – Beiträge für ALG II verlieren ebenfalls an Wert und die Wirkung der RnMEP wird »vernachlässigbar«.
75,0% | 42,4 J
50,0% | 63,6 J
55,4% | 57,4 J
60,5% | 52,5 JMindestlohn 2011: 10,85 € (statt 9,30 € status quo)
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31,8 J
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50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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27,2 J
60,5%
Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (V)
70,6%
Netto-Standardrente 2011 (SvS 43%)1.108 € 949 €
65% 42% über der Armutsgrenze
Fazit:Für eine Nettorente in Höhe der GruSi sind 31,8 EP erforderlich (+ 4,6 EP). Solidarausgleich bzw. Mindestlohn werden stumpf.Lebensstandardsicherung ist nicht mehr gewährleistet.Rente und GruSi verschmelzen zunehmend.
»30-30-Modell« oder auch Gesamtleistungsbewertung von Alo-Zeiten bei < 30 EP verhindern Armut nicht.
Welche Chancen hat eine ETV bei SvS = 43%?
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (VI)
Re-Regulierung des Arbeitsmarktes
Ausbau des Solidarausgleichs
schulische Ausbildung
NiedriglohnLangzeit-
Arbeitslosig-keit
Erwerbsminderung(Zurechnungszeit)
Normalarbeits-verhältnis
versicherungs-freie
Beschäftigung
Vollendetes 17.
LebensjahrRegelalters-
grenze
Garantie-, Mindest- oder Sockel-»Renten«-Modelle?
Anhebung des Rentenniveaus
1997 2011 2030
54%
43%
~53%50,2%
Rentenniveausenkung
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76,7%
34,5 J
Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeSockel-, Mindest- oder Garantierente (I)
Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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89,6%
Fazit:Für eine Rente in Höhe der Mindestsicherung wären 34,5 EP nötig – künftig 40,3 EP.Mindestlohn und/oder Solidarausgleich sind überflüssig. Starke Verschmelzung mit Mindestsicherung.
Netto-Standardrente 2011 (SvS 43%)1.108 € 949 €
65% 12% über der Armutsgrenze
40,3 J
= 11,77 | 13,75 €/Std
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Entgeltposition in v.H. des Durchschnittsentgelts
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50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%
Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeSockel-, Mindest- oder Garantierente (II)
Netto-Standardrente 2011 (SvS 43%)1.108 € 949 €
65% 5% über der Armutsgrenze
42,7 J
81,3%
36,6 J
94,9%
Fazit:Für eine Rente in Höhe der Mindestsicherung wären 36,6 EP nötig – künftig 42,7 EP.Mindestlohn und/oder Solidarausgleich sind überflüssig. Rente und Mindestsicherung verschmelzen.= 12,48 | 14,56 €/Std
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (VII)
Renten-anwartschaft
BBG
Steigender Mindestsicherungs-»Break-even« Sinkendes Rentenniveau
und/oder Steigendes Mindestsicherungsniveau
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (VII)
Steigender Mindestsicherungs-»Break-even« Sinkendes Rentenniveau
und/oder Steigendes Mindestsicherungsniveau
BBG
Renten-anwartschaft
Zahl der Anwartschaften
unterhalb der Mindestsicherung
steigt
Wirksamkeit der Lücken schließenden Instrumente sinkt
Beide Effekte haben ihre je eigene Qualität hinsichtlich des damit verbundenen Akzeptanzverlustes der Pflichtversicherung
DerAbstandzur GruSinimmt ab
Die relative Position
gegenüber der GruSi
verschlechtert sich
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Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeDas Zuschussrenten-Modell des BMAS (I)
Das Konzept ignoriert sowohl die externen wie die internen Ursachen von (künftiger) Altersarmut.
Es honoriert ein überwunden geglaubtes Muster weiblicher Erwerbs- und Erwerbsein-kommensbiografien (klare Phasentrennung im Teilzeit-Hinzuverdienermodell).
Es stärkt im Niedriglohnsektor die »psychologische« Basis für kontinuierliches Riestern – »Ohne Riestern keine Zuschussrente!«
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Die Beitragsleistung der drei Frauen wird grob verzerrt. Nicht die Lebensleistung von Menschen im Niedriglohnbereich wird honoriert, sondern geringes
Arbeitsentgelt mit klarer Phasentrennung von Erwerbs- und Familienarbeit.
Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeDas Zuschussrenten-Modell des BMAS (II)
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Aktuelle rentenpolitische ReformvorschlägeDas Zuschussrenten-Modell des BMAS (III)
»Ohne Riestern keine Zuschussrente!«
Kontinuierliches Riestern im Niedriglohnbereich als Zugangsvoraussetzung für die Zuschussrente.
Die hohen Zugangshürden beschränken die Wirksamkeit.
Aus diesem Grunde führt das Modell allerdings auch nicht zu jenen Verwerfungen, die mit Mindest-, Sockel- oder Garantierenten-Modellen verbunden sind.
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (VIII)
Ausbreitung des Niedriglohnsektors Langzeiterwerbslosigkeit und unstetige Beschäftigung Versicherungsfreie Beschäftigung/Tätigkeit Erwerbsminderung
Senkung des Rentenniveaus (SvS) um ein Fünftel von rd. 53% (Jahrhundertwende) auf perspektivisch rd. 43% (2030er Jahre)
Zunehmende Perforation von Erwerbs(einkommens-)biografien
Dadurch sinkt für viele Versicherte die Summe der erwerbbaren EP (geringere
Rentenanwartschaften)
Das sinkende Rentenniveau mindert zudem die Wertigkeit der
(geringeren) Anwartschaften für alle Versicherten
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Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (IX)
Instrumente des Solidarausgleichs oder auch ein gesetzlicher Mindestlohn werden damit stumpf oder sogar überflüssig.
Das Pflichtbeitragssystem verliert perspektivisch seine gesellschaftliche Akzeptanz, wenn es nach erwerbslebenslanger vollzeitnaher Beschäftigung keine Rente deutlich oberhalb der vorleistungsunabhängigen Mindestsicherung garantieren kann.
Die Konzentration der rentenpolitischen Debatte auf Armutsvermeidung trägt ihren Teil zum Akzeptanzverlust bei. Der Aspekt der Lebensstandardsicherung spielt – wenn überhaupt – nur noch eine Nebenrolle.
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Armutsfestigkeit
Lebensstandardsicherung
Verbreitete Auffassung:Nach dem Paradigmenwechsel zur
Jahrhundertwende sei jetzt die Armutsbekämpfung die zentrale
rentenpolitische Aufgabe
Re-Regulierung des Arbeitsmarktes
Ausbau des Solidarausgleichs
Anhebung des Rentenniveaus~53%
Dieser Weg führt zum nächsten Paradigmenwechsel: Zur weitgehenden Verschmelzung der beitragsfinanzierten Rente
mit der vorleistungsunabhängigen Grundsicherung.
Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit (X)
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit