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Page 1: Albbueffel auf dem Teller

Schon vonweitemein Blickfang: die Architektur des neuenHymer-Museum ist einemCaravan-Fenster nachempfunden Fotos: Hymer-Museum

Von Anja Wasserbäch

DenÄlblerneiltderRufvoraus, etwaseigen-sinnig und stur zu sein. Und das ist durchauspositiv gemeint. Denn das sind manchmalnicht die schlechtesten Eigenarten, vor al-lem wenn es um Kulinarik geht. Man mussdurchaus an das glauben, was man vor Orthat und was man daraus macht. Ein paarLeute auf der Schwäbischen Alb haben dasnun über einige Jahre gemacht, an etwas ge-glaubt. Sie haben alte Sorten, uralte Viecherund vieles mehr ausgegraben oder gar re-importiert, um nun alles unter einem Labelzu vermarkten. Echte Käpsele eben. Es gibtnun Albbüffel, Alblamm, Albschnecken,Albkäse und auch wieder Alblinsen. Albdin-kel, Albnudeln, Alb-Bier, Alb-Wasser. SogarAlbbüffelleder-Produkte.

Und wer auf die Alb fährt – in den kleinenOrt St. Johann-Gächingen beispielsweise –,möchte diese Spezialitäten probieren. DerLandgasthof Hirsch, betrieben von der Fa-milie Failenschmid, ist spezialisiert auf Alb-büffel-Produkte, Mitglied bei der Vereini-gung Slow Food und an diesem trüben, kal-ten Sonntagmittag sehr gut besucht. DieWirtschaft selbst gibt es seit 260 Jahren.

Ausflügler und Familien, Motorradfahrerund Wanderer treffen sich hier. Die gute Stu-be ist gefüllt. Der Wirt selbst bespricht amNebentisch das Essen für eine Familienfeier,vielleicht ist’s eine Konfirmation. Man kenntsich. Männer trinken Bier, die Frauen natur-trübes Albschorle, noch so eine Erfindungder Älbler. Es duftet deftig, nach dickenSoßen und Braten. Sonntagsgeruch.

Die Frauen hier geben den Ton an. Seitzwei Generationen führen sie das Regiment,Schwiegertochter Katja leitet das Team, dieRezepte kommen von Oma Rose. Sie weiß,was in eine schwäbische Hirnsuppe muss,wie eine klare Rinderkraftbrühe zu schme-cken hat und dass der Schwabe zu seinemFleischpfännle gern noch viel extra Soßehätte. Manche Gerichte aber gehen auch ineinem Traditionslokal wie dem Hirschen mit

der Zeit. Das Tatar von der Lachsforelle –und ja, auch der Fisch kommt wie alles hiervon der Schwäbischen Alb – ist ein guterStart. Es schmeckt herrlich leicht, etwassäuerlich und sehr zart. Zum Hauptgerichtaber muss es natürlich etwas vom Albbüffelsein,andessenPopularitätderMetzgerLud-wig Failenschmid nicht ganz unschuldig ist.

Willi Wolf hat die sturen Viecher auf dieAlb zurückgebracht, nachdem es sie dort vor

120 000 Jahren auch schon mal gab. Failen-schmid hat an den Züchter und seine Büffelgeglaubt. Und die Ware erst mal ausprobiert.Denn: Wurst ist ihm nicht wurst. Er hat eineMethode seines Opas ausgegraben, damitdas Fleisch nicht zäh wird. Zudem fand erheraus, dass sich vor allem jüngere Tiere zurSchlachtungeignen.Sindsiezwischenzwölfund 15 Monate alt, ist das Aroma ausgereift.

So viel zur Theorie. Doch auch den Praxis-test besteht das Fleisch. Es schmeckt etwasrezenter als Rind, aber nicht ganz so intensivwie Wild. Zum Albbüffelbraten vom Heu-bett gibt es eine feine Kräutersoße (aus Bio-Land-Kräutern vom Eichberghof aus Mün-singen), dazu werden Dinkelspätzle undWurzelgemüse serviert.

Ein guter Service der Failenschmids ist es,dass es auch zwischen „zwoi ond fünfe“etwas zu Essen gibt. Mit Fleischkäse, Rippleund Schweinebraten zwar nur eine kleineAuswahl, aber immerhin steht man hiernicht vor verschlossenen Türen.

In der dazugehörigen Metzgerei nebenangibt es Albbüffelwurst und -fleisch zu kau-fen. Auch Albbüffelgöschle, eine Abwand-lung von Maultaschen. Eingepackt sind sie,wie kann es anders sein, mit Albdinkelteig.Auch heute, an diesem trüben Sonntag, istgeöffnet. Wie praktisch.

Albbüffel auf dem TellerBesser essen:Der Landgasthof Hirsch und dieMetzgerei der Failenschmids in St. Johann-Gächingen setzen auf regionale Produkte

Info

Landgasthof Hirsch

GasthofHirschmitMetzgerei Foto: StN

¡ Landgasthof Hirsch und Metzgerei,Parkstraße 2, 72813 St. Johann-Gächingen

¡ Telefon 07122/8287 - 0¡ Öffnungszeiten: Täglich ab 11.30 Uhr, mitt-wochs ist Ruhetag. Warmes Essen gibt esMo–Sa von 11.30 bis 14.00 Uhr und von 17bis 21 Uhr, So von 11.30 bis 14 Uhr und von17 bis 20 Uhr. Zwischen 14 und 17 Uhr mussman aber nicht hungern: Es gibt eine kleineSpeisekarte mit warmen Gerichten.

¡ www.failenschmid.de

Stuttgart

Freudenstadt

HorbHorbNeckar

PlochingenPlochingenStuttgartStuttgart

ReutlingenReutlingen

St. Johann-GächingenSt. Johann-Gächingen

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Info

Erwin-Hymer-Museum

¡ Adresse: Erwin-Hymer-Museum, Robert-Bosch-Str. 7, 88339 Bad Waldsee, Telefon0 75 24 / 97 66 76 - 00.www.erwin-hymer-museum.de

¡ Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr,donnerstags bis 21 Uhr (Einlass bis eineStunde vor Schließung).

¡ Preise: Erwachsene 9,50 Euro, Kinder (6 –18 Jahre) 4,50 Euro, Gruppen ab 10 Perso-nen 8,50, Schulklassen 4 Euro/Person.

¡ Eine Führung für eine Gruppe von bis zu20 Personen kostet 80 Euro zuzüglichEintritt. (bcm)

Von Birgit-Cathrin Duval

aus Bad Waldsee

In allen Größen und Formen säumen sie dieLandstraßen. Ist es Einbildung, oder nimmtdie Dichte der Wohnmobile tatsächlich zu, jenäher man Bad Waldsee kommt? In der Tatliegt das mobile Reisen mit Hausstand imTrend. Der uralte Traum der Menschheitvom Unterwegssein und unabhängigen Rei-sen wird im neuen Hymer-Museum doku-mentiert. Schon von weitem ist das Mu-seumsgebäude auszumachen: mit leuchtendrotem Rahmen, unverkennbar in der Formeines Caravan-Fensters gebaut. Ein überdi-mensionales Schaufenster in der Land-schaft, das durch seine riesigen GlasflächenEinblick in die Ausstellung gewährt.

Das rund 10 000 Quadratmeter große Ge-bäude versteht sich als Museum für Kultur-geschichte und Technik. Konzept und De-sign der Ausstellung stammen von der Stutt-garter Kommunikationsagentur Milla &Partner. Johannes Milla hat kürzlich auchmit einem in unserer Zeitung veröffentlich-ten Vorschlag zur Umgestaltung des NeuenSchlosses für Aufsehen gesorgt.

Dem Besucher eröffnet das Hymer-Mu-seum eine Erlebniswelt, die das Wie, Wohinund Warum des mobilen Reisens zum Inhalthat. „Camping ist eigentlich nichts anderesals den kompletten Hausstand ins Auto ver-laden und verreisen“, meint ein Besucher.

Wie sich Sack und Pack am besten ver-stauen lässt, kann man an mehr als 80 histo-rischen Fahrzeugen und Gespannen begut-achten, darunter erste Prototypen wie der

„Ur-Troll“, gebaut 1957 von Firmengründerund Stifter Erwin Hymer.

Der Besucher wird auf farbig markiertenTraumstraßen zu insgesamt acht Sehn-suchtsorten geführt, die jeweils eine Epocheder Zeit des mobilen Reisens symbolisieren.Den Auftakt bildet die grüne Traumstraße,symbolisch für die ersten Autowanderer der1930er Jahre, die das Abenteuer Alpenüber-querung lockte. Da ächzten und stöhnten dieMotoren, krochen die Fahrzeuge im Schne-ckentempo die steilen Passstraßen himmel-wärts, im Schlepptau eine Einzelzelle aufRädern, die Urform des heutigen Wohnwa-gens. „Wenn wir eine Nacht draußen unterdem freien Himmel im Zelt nächtigen, unsbei Sonnenaufgang den Kaffee selbst ko-chen und die Zähne im Bach spülen, dannsind wir moderne Zigeuner“, so beschriebder bekannte damalige Reisejournalist TheoRockenfeller den Zeitgeist dieser Tage, alsdas Campen noch Wohnwagenwandernhieß. Es war die Zeit von so manch skurrilemGefährt, dem Sportberger G2 etwa, einerMischform aus Nutz- und Wohnwagen, deran heutige Hundeanhänger erinnert, damalsbekannt als „Schäferkarren“.

Die, die über das nötige Kleingeld verfüg-ten, verreisten nobel im Borgward IsabellaCoupé von 1960 mit dem Luxus-AnhängerDethleffs Nomad, weniger Betuchte fandenim Ferrari-roten Fiat mit dem Laika-500-Anhänger den passenden Reisegefährten.

Orange markiert den Sehnsuchtsort In-dien. Zu Tausenden pilgerten die Blumen-kinder und Hippies während der 60er Jahreins ferne Asien. Ihr Markenzeichen: der kul-tige VW-Bus, kunstvoll mit psychedelischenMustern verziert. Ohne GPS, Handy oderInternet – Reisen war damals eine existen-zielle Erfahrung auf der Suche nach spiri-

tueller Erleuchtung und sich selbst.Auch DDR-Bürger entdeckten das Cam-

pen als Ausdruck von Individualität undreistenandieOstsee.Füralle,die sichkeinenWohnanhänger leisten konnten, gab es die„Villa Sachsenruh“, ein spartanisches Auto-zeltdach, das auf dem Dach des Trabant be-festigt wurde. Mit der schokobraunen Zelt-plane ähnelt es einem überdimensionalenStück Schweizer Toblerone-Schokolade.

Entlang der Traumstraße, die von denAlpen nach Italien, Indien, an die Ostsee, indie marokkanische Wüste und zur legendä-ren Route 66 in den USA führt, stehen dieausgefallenen Fahrzeuge: historische Auto-mobile, Reisemobile und Caravans. Liebe-voll restauriert und dekoriert wirken sie solebendig, als wären die Urlauber nur kurzhinausgegangen.

Jeder der acht Sehnsuchtsorte lässt sichmit allen Sinnen erfahren. Im indischenTempel steht der Kult-VW-Bus, im marok-kanischen Zelt erlebt der Besucher auf derLeinwand das geschäftige Treiben des Ba-sars, als wäre er live dabei. Im Wigwam derNordamerika-Route sitzt man auf Sätteln,die täuschend echt den Trab eines Pferdes si-mulieren. In der eisblauen Pudelmütze desSehnsuchtsortes Skandinavien bleibt derBesucher im warmen Caravan, während erdurch ein Fenster auf die vereiste Polarland-schaft sieht, in der im Wechsel Polarlichter,Sturm, Wolken und Sonne erscheinen.

Das Museum präsentiert sich mit einemrundum gelungenen Konzept, an dem dieganze Familie Freude hat. Kinder wie auchErwachsene finden viel Platz zum Auspro-bieren und Entdecken. Fotostationen ladendazu ein, sich vor großer Kulisse mit witzi-gen Accessoires auszustatten und sich selbstzu fotografieren. Die Fotos können als Post-karte erworben oder später im Internet her-untergeladen werden. Als Highlight zumAbschluss lassen sich die Fotos im Globus-raum mit seinen dreidimensional im Raumschwebenden Weltkugeln mit Touchscreenaktivieren und anzeigen. So erleben die Be-sucher ihre eigene Weltreise.

Der Besuch ist zu Ende, das Reisefieber istgeweckt. Am liebsten möchte man sofortaufbrechen.

Trabi mit TobleroneIm neuenHymer-Museum in BadWaldseewerden Besucher zu acht Sehnsuchtsorten geführt

Wer seinen Hausstand dabeihat, istunabhängig und kann bleiben, wo esihm gefällt. Caravaning ist deshalb sehrbeliebt. Wie dasmobile Reisen sichverändert hat, erleben Besucher imneuenHymer-Museum in BadWaldsee.

Touren & Themen

AmLimes entlangWELZHEIM. Auf römische Spuren bege-ben sich Besucher an diesem Sonntag imWelzheimer Ostkastell. Limes-Ciceronesbegleiten die Gruppe zu einem Rundgangam einstigen Grenzwall. Die zweistündi-ge Tour startet um 14 Uhr im Ostkastell.Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.Kosten: drei Euro pro Person, Kinder biszwölf Jahren sind gratis.

Aktionen & Aktivitäten

FamilientagWALDENBUCH. Stockbrot, Ponyreiten,Kasperltheater und eine Märchenerzäh-lerin – all das erwartet Kinder und ihreEltern beim Familientag am 1. Mai imMuseum der Alltagskultur in SchlossWaldenbuch von 12 bis 17 Uhr. DerSchlosshof verwandelt sich an diesemTag in einen Biergarten. Wer will, kannan diesem Tag einen besonderen Alltags-gegenstand mitbringen, der dann für dieDauer von sechs Monaten ausgestelltwird. Das Museum hat an diesem Tagvon 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt: dreiEuro, eine Familienkarte kostet fünfEuro.

Junge Störche

SALEM. Auf den zahlreichen Horsten imAffenberg Salem ist zurzeit lautes Ge-klapper zu hören. 25 Brutpaare habensich hier versammelt. Wie sich die Jung-tiere entwickeln, können Besucher überVideokameras verfolgen. Anfang Maiwerden auch die ersten Berberaffenbabyserwartet. Der Affenberg ist täglich von 9bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostetacht Euro.

Start der FreizeitbusseALFDORF. Zum 1. Mai starten die Frei-zeitbusse im Schwäbischen Wald wiederin die neue Saison. Das wird mit einemgroßen Fest im Alfdorfer Teilort Hellers-hof gefeiert, in unmittelbarer Nähe derWaldbusstrecke. Von 11 bis 17 Uhr istjede Menge geboten: Jazzfrühschoppen,Bewirtung sowie Verkaufsstände vonDirektvermarktern. Außerdem könnenE-Bikes und Segways ausprobiert wer-den. Für Wanderer und E-Biker gibt esgeführte Touren zum Hellershof, die anverschiedenen Orten starten, etwa Welz-heim, Rudersberg, Murrhardt, Alfdorf,Gschwend und Althütte. Alle Tourenbeginnen am Vormittag und enden zurMittagszeit in Hellershof. Infos zur An-meldung bei der Fremdenverkehrsge-meinschaft, Telefon 0 71 51 / 501 - 13 76.

E-RallyeCALW. Bei der ersten Schwarzwald-E-Rallye am Wochenende 5. und 6. Mai inCalw sind nur elektrisch betriebeneFahrzeuge mit zwei, drei oder vier Rä-dern zugelassen. Zu sehen sind zum Bei-spiel Elektro-Autos der Marken Renault,Citroën, Peugeot, Opel und Mercedes.Eine Besonderheit ist der E-SportwagenTesla Roadster. Entlang der 200 Kilome-ter langen Rundstrecke sind verschiede-ne Zwischenstopps vorgesehen.

www.encw.de

In der dazugehörigen Metzgerei

nebenan gibt es Albbüffel-Wurst

und -Fleisch zu kaufen

In der DDR war Campen ein

Ausdruck von Individualität

Per Touchscreen erleben Besucher

ihre eigene Weltreise

GemütlichesWohnzimmer auf Rädern

Auf dem Affenberg brüten wieder dieStörche Foto: Affenberg

Märkte & Museen

KunsthandwerkSCHILTACH. Über 70 Kunsthandwerkerpräsentieren am Sonntag in Schiltachihre Waren. Zugelassen sind nur Künst-ler und Handwerker, die selbst herge-stellte Produkte verkaufen. Begleitendzum Kunsthandmarkt gibt es eine Spiel-straße für Kinder, Musik, kulinarischeAngebote und vieles mehr. Marktbeginnist um 11 Uhr, die Geschäfte haben von12 bis 17 Uhr geöffnet.

Finale der ZeitHEILBRONN. Wollen Sie wissen, wie Siein 20 Jahren aussehen? Dann sollten Siedie letzte Gelegenheit nutzen, die Son-derausstellung „Zeit – Expedition in dievierte Dimension“ in der Experimenta inHeilbronn zu besuchen. An diesem Sonn-tag endet die Ausstellung. Zum Ab-schluss ist folgendes Programm geplant:Samstag können Besucher ab 14 Uhreine geometrische Figur bauen, Sonntagist um 14 Uhr ein Puppentheater zu Gast.Öffnungszeiten: Mo–Fr 9–18 Uhr, Sa undSo 10–19 Uhr. Eintritt: acht, ermäßigtvier Euro.

16 Nummer 98 • Freitag, 27. April 2012 Freizeit · Tipps für Trips

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