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Beitrage zur Chemie des Schwefels. XXIX1)

Uber die Darstellung von Rohsulfanen

Von F. FEHI~R und W. LAUE,)

Mit 2 Abbildungen

Inhaltsubersieht Das Verfahren zur Darstellung des als Rohsulfan bezeichneten, aus Na,S,-

Losungen mit SalzsBure zu erhaltenden Sulfangemisches wurde weiter entwickelt mit dem Ziele, laufend groI3ere Mengen des Oles im Laboratorium zu gewinnen. Der EinfluD verschiedener Faktoren auf die Ausbeute und auf die Zusammensetzung der Rohole wurde untersucht. In der verwendeten Adage, deren Kapazitat beliebig vergrodert werden kann, lassen sich taglich etwa 2 kg Rohsulfan unter geringem Arbeitsaufwand und sparsamem Salzsaure-Verbrauch darstellen. Einige physikalisch-chemische Daten der Produkte werden mitgeteilt.

Die als Rohsulfane (,,Rohole") bezeichneten, durch Saurezer- setzung von hoheren Alkali- oder Erdalkalisulfiden erhaltenen Ole der Bruttoformel H,S,,, bis H,S, wurden von SCHEELE entdeckt und werden bis heute fast ausschliefilich nach einem in den Einzelheiten von BLOCH und HOHN 3, ausgearbeiteten Verfahren dargestellt. In einer fruheren Mitteilung4) wurde gezeigt, da13 das Rohol ein Gemisch von Sulfanen der hauptsachlichen Zusammensetzung H,S,, H,S,, H2S6 darstellt, in welchem in geringem Mafie hohere Homologe und in manchen Fallen elementarer Schwefel enthalten sind. Eine ausfuhrliche Ober- sicht uber die alteren und neueren Untersuchungen an Roholen findet sich in GMELINS Handbuch5).

In den letzten Jahren wurden am hiesigen Institut ausgedehnte Untersuchungen zur Isolierung, .physikalisch-chemischen Charakteri- sierung und zur praparativen Verwendbarkeit der formelreinen Sulfane durehgefuhrt. Da als Ausgangsmaterial fur diese Stoffe praktisch nur Rohole in Frage kommen, ergab sich die Notwendigkeit, laufend grol3ere

l) XXVIII. Mitteilung, F. FEHER u. L. MEYER, Z. Naturforschg. l l b , 60.5 (1956). 2, W. LAUE, Diplomarbeit Koln 1951. a) I. BLOCK u. F. HOHN, Ber. dtsch. chem. Ges. 41,1961 (1908). 4 ) F. FEHBR u. M. BAUDLER, Z. anorg. Chem. 253,170 (1947); 268,132 (1949).

GMELINS Handb. d. anorg. Chem. 8. Aufl. Syst. Nr. 9, Teil B, S. 133-144.

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Mengen Rohsulfan einer reproduzierbaren mittleren Zusammensetzung darzustellen. Dabei erwies es sich als wunschenswert, das Arbeits- verfahren von BLOCH und HOHN beq'uemer und zweckmafiiger zu ge- stalten. Ihre Arbeitstechnik - die fur die Damtellung kleiner Mengen auch heute noch geeignet ist - erwies sich fur die Gewinnung grofierer Quantitaten als unzweckmafiig und wegen des groBen Salzsaure-Ver- brauches als unwirtschaftlich. Ferner fehlte bis jetzt eine systematische Untersuchung iiber den EinfluIJ der verschiedenen Faktoren auf die Ausbeute und die Zusammensetzung der Produkte.

Apparatur und Arbeitstechnik Nach dem Verfahren von BLOCH und HOHN wird eine 2-molare

wafirige Na,S,-Losung in einen Uberschufi etwa 6-molarer Salzsaure (1 Vol konz. Salzsaure [d = 1,191 + 1 Vol Eis) getropft, wobei mittels einer Eis-Kochsalz-Mischung gekiihlt wird ; es werden jeweils 1 Liter

Sulfidlosung ( 2 Mol Na,S,) mit 4 Liter Salz- saure (25 Mol HCI) in einem Glasstutzen umgesetzt.

Die umstandliche Wartung, die diese Arbeitsweise erfordert, macht das Ver-

K fahren zur laufenden Darstellung von Roh- ol wenig geeignet. Die von uns entwickelte Laboratoriumsapparatur ermoglicht sowohl ein bequemeres diskontinuierliches als auch ein halbkontinuierliches Arbeiten.

In Abb. 1 ist der Kiihltrog K dargestellt, der zur Aufnahme des als ReaktionsgefaS dienenden Glasstutzens G 6 ) dient. Der eiserne Trog K besteht aus zwei ineinandergesetzten Zylindern, deren Zwischenraum zur Isolation mit ,,Spumalit" gefiillt ist. Alle Teile sind saurefest lackiert. Der innere Zylinder enthalt etwa 10 1 Methanol M a18 Kaltebad

Abb. 1. APParatur zur di3konti- und eine kupferne Kiihlschlange S, die iiber einVenti1 nuiediChen Umsetzung von mit einem Kalteaggregat verbunden ist. Am Trog

Na,S, mit HCl angebracht sind ferner zwei Stativstangen St zur Befestigung des Riihrers R, des Tropftrichters T und

des Kaltethermometers Th. - Unter Berucksichtigung der Reaktionswarme, die durch orientierende calorimetrische Messungen zu etwa 13 kcal pro Mol NazSx ermittelt wurde,

I 5 l o p .

6, Von uns durchgefuhrte Versuche zeigten, dal3 an Stelle der empfindlichen Glas- stutzen auch mit geeignetem Schutzlack versehene MetallgefaiSe verwendet werden konnen. Fur eine etwaige VergroSerung der Sulfanerzeugung durfte dies von Interesse sein.

F. FEHBR u. W. LAUE, Uber die Darstellung von Rohsulfanen 105

und der Warmeabstrahlung des Systems wurde die Kalteleistung des Aggregats so ge- wahlt, daB bei einer Umsetzung von 1,5 - 2 Mol Na,S, pro Stunde die Temperatur im ReaktionsgefaB unter -10" C gehalten wird.

In dieser Apparatur lassen sich im diskontinuierlichen Verfahren - es werden pro Ansatz 2 Mol Na,S, umgesetzt - unter Verwendung eines 5 1 Glasstutzens taglich etwa 2 kg Rohsulfan bequem gewinnen. Wahrend der Umsetzung erfordert die Einrichtung praktisch keine Wartung ; eine Bedienung ist nur zum Anfahren des neuen Ansatzes und zur Isolierung des fertigen Roholes notwendig. Durch Verwendung eines Kiihlaggregats groBerer Leistung lafit sich die Durchsatz- geschwindigkeit und damit die Tagesausbeute wesentlich vergronern.

Das gleiche Kuhlsystem gestattet auch ein halbkontinuierliches Arbeiten. Dabei wird als ReaktionsgefaB statt des Glasstutzens das in Abb. 2 gezeigte GefaB verwendet.

Die Kiihleinrichtnng ist identisch mit der in Abb. 1 gezeigten. Nur hat der Kiihltrog K unten eine Bohrung, durch die mittels Gummistopfen und Flansch der untere Teil des zweiteiligen ReaktionsgefaRes G dicht durch- gefiihrt wird. Die beiden Teile yon G sind durch einen Schliff verbunden. Der untere Teil tragt einen Hahn. Schliff und Hahn werden mit Siliconfett gedichtet, da dieses am wenigsten zersetzend auf Sulfane wirkt.

Die Umsetzung erfolgt wie bei dem ersten Verfahren. Nachdem ein Ansatz durch-

Abb. 2. Rpparatur zur halb- lroutiuuierlichen TJmsetzung

von NazSx mit HC1

gesetzt ist, wird das Reaktionsgemisch (Rohol + iiberschiissige Salzsaure) durch das Abfluljrohr abgelassen, worauf neue Sa,lzsaure eingefiillt wird und unmittelbar ein neuer Ansatz ohne Auswechseln des Gefarjes anlaufen kann. Die Tagesausbeute ist etwa die gleiche wie beim ersten Ver fahren.

Dem Vorteil der grofieren Bequemlichkeit dieser Arbeitsweise steht der Nachteil einer allmahlichen Verschmutzung des GefaBes und des AbfluBrohres mi t nur umstand- lich zu entfernendem Schwefel entgegen, die sich auf die Qualitat der empfindlicheren Rohole niederen Kettenschwefelgehaltes nachteilig auswirkt. Fur die Gewinnung yon Roholen groljerer mittlerer Kettenlange ist die Anlage in dieser Form jedoch gut zu ver- wenden.

Die zuletzt beschriebene Anlage wurde auch zur Erprobung eines vollig kontinuierlich arbeitenden Verfahrens verwendet. Dabei tropfen, nachdem anftinglich etwa'l 1 verdunnte HC1 in das ReaktionsgefaB vor- gegeben ist, aus zwei Tropftrichtern gleichzeitig Na,,S,-Losung und

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Salzsaure in das GefaB, wahrend unten kontinuierlich soviel Reaktions- flussigkeit abgelassen wird, da13 der Flussigkeitsspiegel im Reaktions- kolben stets konstant bleibt. Die Versuche zeigten, da13 diese Arbeits- weise im Prinzip durchfuhrbar ist, daB aber der Aufwand zur Behebung der neu auftauchenden kaltetechnischen Schwierigkeiten - es ist not- wendig, die Ausgangsprodukte vorgekuhlt zuzugeben - erst bei einer weiteren VergroBerung der Rohsulfanerzeugung lohnt.

Nach den zuerst beschriebenen diskontinuierlichen und halb- kontinuierlichen Verfahren sind in den letzten Jahren in befriedigender Weise laufend groBe Mengen Rohsulfan dargestellt worden.

Die Technik der Na,S,-Bereitung nach BLOCH und HOHN ist eben- falls durch einige hderungen den jetzigen Anforderungen besser ange- paBt worden. Statt der empfindlichen Glaskolben zur Bereitung der Na,S,-Losung verwenden wir ciserne, mit Alkali- bestandigem ,, Seco- vit"-Lack geschutzte Topfe, die mit einem Deckel verschlossen sind und auf dem Wasserbad erhitzt werden. Das von BLOCH und HOHN emp- fohlene Einleiten von Wasserstoff wahrend der Zubereitung unterbleibt, da es keinen EinfluB auf die Ergebnisse ausiibt').

Der EinfluB verschiedener Faktoren auf llenge urid Zusammensetzung der Produkte

a) Umsctzungsbedingungen

Die von BLOCH und HOHN angewandte Umsetzungstemperatur von -10" C bis -15" C haben wir beibehalten. Bei tieferer Temperatur ist die Isolierung des gebildeten Oles, das dabei in Form einer Emulsion in der Fliissigkeit verteilt bleibt und sich ohne Zent,rifugieren nur schwer absetzt, erschwert. Bei hoherer Temperatur werden Nebenreaktionen begiinstigt, wodurch die Ausbeute erniedrigt und der Gehalt der Ole an elementarem Schwefel erhoht wird.

Die Na,S,-Losung wird aus einem Tropftrichter unter mechanischem Ruhren in die Salzsaure getropft. Die Einlaufdauer richtet sich nach der Leistungsfahigkeit der Kiihleinrichtung und der Ruhrintensitat ; durch diese Daten und die Warmetonung der exothermen Reaktion ist ihr eine untere Grenze gesetzt. Unter unseren Bedingungen lassen sich etwa 1,5--2 Mol Na,S, pro Stunde umsetzen. Wie erwahnt, ist die Durch- satzgeschwindigkeit jedoch lediglich eine Frage der Kiihlkapazitat. So kann man niit einem starkeren Kalteaggregat eine bedeutende Zeit- ersparnis auch dadurch erzielen, daB man die Na,S,-Losung nicht ein- tropft., sondern mittels einer Fritte in die Salzsiiure driickt'); in unserer

7, E. HEUER, Dissertation Gottingen 1947.

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Anlage werden dabei aber wegen zu langsamer Ableitung der Reaktions- warme hohere, schwefelreichere Rohole erhalten.

Die Isolierung des Rohsulfans aus der Mutterlauge erfolgt durch Dekantieren, Waschen mit 1-n-HC1 zur Entfernung von ausgeschiedenem NaC1, Abtrennen im Scheidetrichter und Trocknen mit P,O,. Eine rest- lose Erfassung des oles gelingt auf diese Weise nicht, da ein geringer Teil stets in Form kleiner Tropfchen in der Lauge emulgiert bleibt. Diese Reste lassen sich bei Bedarf durch Zentrifugieren der Mutterlauge er- fassen7).

b) Saureart und Sauremenge Es wurden Versuche durchgefuhrt, an Stelle von Salzsaure andere

Sauren mit der Na,S,-Losung umzusetzen. Da die untersuchten Sauren ungiinstigere Resultate ergaben als Salzsaure, wurde von ihrer Ver- wendung abgesehen.

Essigsaure zersetzt das Rohsulfan ; konz. Schwefelsaure wirkt oxydierend, verd. Schwefelsaure ergibt ole einer hoheren mittleren Kettenlange und mit groBerem Ge- halt an elementarem Schwefel als Salzsaure unter gleichen Bedingungen, wobei auBer- dem die NaHS0,-Ausscheidung sehr stort; Phosphorsaure wirkt ahnlich wie letztere und ist auch vom wirtschaftlichen Standpunkt ungeeignet.

Es ist eine charakteristische Eigenschaft aller Sulfane, in Beruhrung mit einer waarigen Phase nur bei saurer Reaktion des Mediums stabil zu sein. Daher muf3 bei der Darstellung des Rohsulfans ein dauernder SaureuberschuB gewahrleistet sein. Unsere Versuche haben jedoch gezeigt, daB die von BLOCH und HOHN verwendete Menge Salzsaure reduziert werden kann, ohne dalS das Resultat ungunstig beeinfluat wird. Bei einer laufenden Darstellung von Rohol ist diese Tatsache nicht un- wesentlich. Die Konzentration der Saure ist, soweit nur ein p.-Wert von etwa 1 nicht uberschritten wird, ohne sichtbaren EinfluB und nur eine praktische Frage : Wunschenswert ist eine moglichst konzentrierte Saure, damit die Flussigkeitsmengen gering gelialten werden ; dem steht aber bei den von uns verwendeten Versuchsanordnungen die Tatsache entgegen, daB das aus der konzentrierten Saure sich bei der Umsetzung ausscheidende NaCl sehr storend wirkt. Aus diesem Grunde hat sich eine Saurekonzentration, wie sie aus der Mischung von 1 1 konz. Salz- saure [d = 1,191 + 11 H,O erhalten wird (etwa 6-n), als zweckmaBig erwiesen.

Die absolute Menge der Saure pro MolNa,S, wurde auf 750 em3 dieser Saure (entspr. 4,5 Mol) reduziert.

BLOCII und HORN verwendeten 2 I, entsprechend 12,5 Mol HCI, was aber, wie oben erwahnt, weder einen Vorteil in der Ausbeute noch in der Qualitat des Rohols mit sich bringt. Bur bei der Darstellung der empfindlicheren niederkettigen Rohole H,S, - Has, ist eine etwas groBere Sauremenge (1 1 m 6 Mol HCl/Mol Na2S,) erforderlich.

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Die Saureeinsparung betragt demnach gegenuber fruher etwa 62 % I3zw. 50%. Dn die Umsetzung theoretisch 2 Mol HCl pro Mol Na,S, erfordert, verbleiben bei den von uns verwendeten Sauremengen nach der Reaktion 2,5 bzw. 4 Mol HC1 in der Mutterlauge. was bei den ange- wandten Konzentrationen einer 2 bzw. 2.7-n Saure-Endkonzentration entspricht ; diese ist vollstandig ausreichend.

c) Die Na2S,-Losung

Die Sulfidlosung der gewiinschten mittleren Zusammensetzung Na,S, wird durch Kochen von kristallisiertem Natriumsulfids) mit einer entsprechenden Schwefelmenge unter Wasserzusatz bereitet. Es

Ta belle 1

H, SX Ausbeute

in %

27 41 54 40 54 50 58 62 67 65 70 75 82 85 74 82 9,

wird Schwefel bis zu einer Zusammen- setzung von etwa Na,S, aufgenommen; ein hoherer Schwefelgehalt der Losung la& sich auf diese Mieise nicht erzielen.

In Tab. 1 sind die Ergebnisse einer Versuchsreihe aufgefiihrt, die bei kon- stanten iibrigen Bedingungen mit ver- schiedenen Na,S,-Losungen erhalten wurden.

Die erste Spalte gibt die mittlere Zusammen- setznng xl0) des Sulfides Na,S, an, die sich ohne weiteres ans der Einwaage an Na,S. 9 H,O nnd Schwefel ergibtll). Die Spalte 2 stellt die Brutto- zusammensetzung x des erhaltenen Roholes HzSx dar. Sie unterscheidet sich im allgemeinen, wie durch Moleknlargewichtsbestimmung12) und durch die RAMAN-Spektren nachweisbar ist, bis zu 5 Ein- heiten der 1. Dezimalen vom wahren Wert der mittleren Kettenlange des Sulfangemisches, ent- sprechend einem Gehalt an gelostem elernentaren

Schwefel bis zu 5 M01-y~. I n der Spalte 3 ist die Rohsulfanausbeute, bezogen auf den eingesetzten Gesamtschwefel, in Prozenten angegeben.

8 ) Wir verwenden eine Schuppenware der BA4SF mit einem etwa der FormeI Na,S . 9 H,O entsprerhenden Kristallwassergehalt.

9) Durch Zentrifugieren der Mutterlauge laSt sich die Ausbeute auf etwa 90% er- hohen (vgl. weiter oben).

l o ) N a c h K u s ~ E ~ u n d HEBERLEIN, Z. anorg. Chem. 43, 53 (1905) liegen in den Sulfidlosungen komplizierte Gleichgewichte zwischen den Stoffen Na,S, Na,S, . . . Na,S, Tor.

l') Nicht geltiste Schwefelreste werden abfiltriert und beriicksichtigt. 12) F. F E H ~ R u. G. REMPE, Z. anorg. allg. Chern. 279, 24 (1955).

F. FEHBR u. W. LAUE, ober die Dsrstellung von Rohsulfanen 109

Aus der Tabelle geht hervor: Sowohl die Ausbeute als auch die mittlere Kettenlange x des gebildeten Sulfangemisches nehmen mit wachsendem Schwefelgehalt der Na,S,-Losung zu. Der Kettenschwefel- gehalt des Roholes ist stets hoher als der entsprechende Schwefelgehalt der Alkalisulfidlosung. Es gelingt nicht, ein Rohol mit einer mittleren Kettenlange unt'er H,S4,, - H,S,, zu gewinnen. Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse hinsichtlich Ausbeute und Kettenlange der Produkte ist etwas schwankend.

Unsere Kenntnisse uber die Eigenschaften der Rohsulfane und der reinen Sulfane geben eine Erklarung fur diese Gesetzmaljigkeiten : Mit Sicherheit handelt es sich bei der Umsetzung des Na,S, mit der Saure primgr urn die Reaktion:

S,- + 2 H+ = H,S,13).

An diese aber schliel3en sich verschiedene Sekundarreaktionen an, wie z. B.:

H,S, = H,S + 3 S, 2 H,S, = H,S + H2S,,

2 H,S3 = H,S + H2S514).

Insbesondere sind die primar entstandenen niederen Sulfane H,S, und H,S,, die bekanntlich sehr reaktionsfreudig sind, unter den Darstellungs- bedingungen im waflrigen Medium nicht stabil und daher im Rohol praktisch nicht enthalten.

So wird es verstandlich, da13 keine Ole eines niedereren mittleren Kettenschwefelgehaltes als H,S, darstellbar sind, die relative Ausbeute mit wachsendem S-Gehalt der Na,S,-Losung zunimmt und gleichzeitig die mittlere Kettenlange der gebildeten Rohsulfane steigt : Ein kleiner S- Gehalt der Na,S,-Losung bewirkt die primare Bildung von vorwiegend niederen Sulfanen, die besonders zu den geschilderten Nebenreaktionen neigen.

Die Ergebnisse der Tab. 1 sind ein brauchbarer Anhalt bei der Wahl einer geeigneten Sulfidlosung zur Reindarstellung der einzelnen Sulfane. Nach unseren Erfa,hrungen ist fur die Isolierung von H,S, und H,S, durch Krackung von Rohsulfanen ein S-Gehalt der Na,S,-Losung voii

13) Da13 in den Na,S,-Losungen die Schwefelketten der Snlfaiie vorgebildet sind, ist durch die Untersuchungen an wasserfreien reinen Alkalisulfanen gesichert; vgl. F. FEHI~R u. H. J. BERTHOLD, Z. anorg. allg. Chem. 273, 144 (1963); 274, 223 (1953).

l+) Dafiir sprechen auch die Untersuchungen von R. BERTHOLD, Dissert. Kiiln, 1954, nach denen bei der Umsetzung voii K,S,mit wasserfreier HCOOH im Umsetzungsprodukt H,S, nachgewiesen wurde, wobei durch Nebenreaktionenaberebenfalls hauptsachlich hohere Sulfane gebildst wurden ; ihnliche Verhaltnisse ergabeii sich bei der Umsetzung von Na,S,.

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etwa x = 4,5 optimal, da zwar eine schwefelarmere Na,S,-Losung ein wasserstoffreicheres Rohol ergibt, aber die Ausbeute niedriger liegt. Fur die destillative Isolierung von H,S, ist ein Rohsulfan geeignet, das aus einer Sulfidlosung mit dem S-Gehalt x = 2 - 2,5 gewonnen wird, zur Gewinnung von H,S, ein S-Gehalt von x = 2,6 - 3,O und fur die Isolierung von H,S, - die auf diesem Wege nur noch sehr schwierig moglich ist - ein S-Wert von x = 4,5.

Die Konzentration der Na,S,-Losung hat auf die Ausbeute und auf die Sulfankettenlange keinen charakteristischen EinflulS, da der durch sie bestimmten ortlichen Alkalitat bei der Saureunisetzung die Ruhrintensitat und Einlaufdauer beliebig angepal3t werden konnen. Als praktisch geeignet erweist sich eine etwa 2-molare Losung, da bei hoherer Konzentration zu stark bei der Umsetzung geriihrt werden mu13 und bei niedereren Konzentrationen zu groJ3e Flussigkeitsmengen be- waltigt werden mussen.

Arbeitsvorsehrift Zusammenfassend konnen wir als Beispiel eine typische Arbei t s v o r s c h r i f t fur

die Darstellung eines Roholes der ungefahren mittleren Kettenlange H,S, geben, das reich an Pentasulfan ist und daneben vor allem Tetra- und Hexasulfan enthalt:

1200 g Na,S. 9 H,O (5 Mol) werden zusammen mit etwa 0,5 1 Wasser und 300 g Schwefel auf dem Wasserbad im lackierten Eisentopf ( 6 . oben) erhitzt, bis aller Schwefel gelost ist, was etwa 1-1,5 h erfordert. Nach dem Abkiihlen wird von eventuell verblie- benen Schwefelresten abgesaugt und auf 2,5 1 aufgefiillt. I n einer verkorkten Flasche kann die Losung einige Wochen aufbewahrt werden.

In das im Kiihltrog (Abb. I) - dessen Radflussigkeit auf -20" C abgekiihlt ist - befindliche ReaktionsgefaB wird eine Mischung von 1 1 Salzsaure [d = 1,191 und 1 Liter H,O, die im Eisschrank vorher auf -10" C vorgekiihlt ist, gegeben. Dazu werden aus einem Tropftrichter innerhalb von 1-1,5 h 1 1 Na,S,-Losung unter starkem Ruhren eingetropft, wobei die Temperstur nicht uber -10' C steigen darf. Nach beendeter Zu- gabe nnd nachdem sich das gebildete 01 gut abgesetzt hat, wird die Mutterlauge abde- kantiert, das 01 mit 1-n Salzsaure gewaschenlj) und im Scheidetrichter abgetrennt. Nach Zugabe von P,06 kann man das Rohsulfan im verschlosseiien GlasgefaB bei 0" C langere Zeit ohne Veranderung aufbewahren.

Aus den eingesetzten 1200 g Na,S. 9 H,O (2,5 Umsetzungsansatze) werden etwa 300-350 g Rohsulfan einer Zusammensetzung yon H,S,-H,S,,, erhalten. Der Gehalt an elementarem Schwefel ist bei Verwendung sauberer Ausgangsprodukte und Einhaltung sorgsamer Arbeitsbedingungen sehr geringI6). Das 01 ist im allgemeinen praktisch klar, trubt sich aber leicht bei Anwesenheit von Feuchtigkeit durch geringfiigige Schwefel- ausscheidung. Es enthalt geringe Mengen Chlorwasserstoff (bis 0,2%) 17) und Schwefel- wasserstoff gelost.

15) Waschen rnit reinem Wasser wirkt sich nachteilig auf die Qualitat des Ole8 am. 16) Die Qualitat der Ausgangsprodukte ist von groBer Bedeutung. Bei Verwendung

17) Vgl. H. KLUQ, Dissertation Gottingen 1949. yon unreinem Natriumsulfid erhalt man dunkel gefarbte, gasende, instabile Ole.

F. F E H ~ R 11. W. LAUE, cTber die Darstellung yon Rohsulfanen 111

mitteln5), vor allem in CS,. Die Loslichkeit nimmt im allgemeinen mit zunehmen- der mittlerer Kettenlange ab5). Die Trennung des in

Einige Eigenschaften der Rohsulfano Wesentlich fur die Ausarbeitung optimaler Darstellungibedin-

gungen war die standige Kontrolle der Versuchsergebnisse durch Aus- beutebestimmung, Analyse, Molekulargewichtsbestirnmung und raman- spektroskopische Identifizierung der dargestellten Ole. Wie in einer fruheren Mitteilung gezeigt wurde, liefert die Analyse nach der ,,Pulver- methode" l*) die Bruttozusammensetzung H,S,, macht aber keine Aus- sage uber eventuell enthaltenen elementaren Schwefel. Letzterer wird erfaBt durch die R;lolekulargewichtsbestimmung12), durch das RAMAN- Spektrum 4, und in grol3eren Mengen durch den Loslichkeitsversuch in Benzo13). Daruber hinaus lassen sich aus dem Spektrum ungefahre Aus- sagen uber den Gehalt des Oles an den verschiedenen Sulfanen machen4).

Die Rohsulfane sind grunlich-gelbe bis gelbe Ole, deren Farbe sich mit zunehmendem Kettenschwefelgehalt nach gelb vertieft. Die Inten- sita t des campherartig-stechenden Geruches nimmt mit zunehmender Kettenlange ab.

Wie alle Sulfane sind die Ole empfindlich - abnehmend mit zu- nehmender Kettenlange - gegen katalytisch wirkende Verunreinigungen aller Art, vor allem gegen Alkali. DemgemaB ist - wie bei allen Arbeiten mit Sulfanen - eine Vorbehandlung der GefaBe mit heil3er Salzsaure unerlaBlich. Die Endprodukte des Zerfalls - auch des spontanen lang-

4,7 1,626 5,o 1,633 6 8 1 1,684 6,2 1,695

7,6 1,731 6,4 (6,4) 1 1.701

samen Zerfalles - sind H,S und Schwefel. Tabelle 2

4

0,0419 0,0465 0,111 0,142 0,149 0,245 0,183

I n

1,822 1,826 - -

1,878 (21')

1,882 -

Homologengemisches durch fraktionierte Fallung aus durchgef iihrt) einer Losung in CHCI, mittels wasserfreier HCOOH gelingt nur unvollkommen. Die Krackung bzw. Destillation der Ole unter besonderen Bedingungen liefert die reinen Sulfane Is).

(Die Messungen sind, bis auf einen Fall, bei 20" C

18) F. FEHER, B. TALPAY u. E. HEUER, Z. anorg. Chem. 265, 316 (1948). Is) Vgl. die friiheren ,,Beitrage zur Chemie des Schwefels" ; weitere Mitteilungen uber

die Isolierung reiner Sulfane folgen in Kiirze.

112 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 288. 1956

Die RAMAN-Spektren der ole wurden in einer friiheren Mitteilixng4) aufgefuhrt und diskutiert ; sie wurden gewonnen durch Erregung mit der griinen Linie des Hg-Spektrums (5461 A).

In Tab. 2 sind einige Konstanten von Roholen aufgefuhrt. Sie werden in einem anderen Zusammenhang diskutiert werden.

Es bedeuten: d = Dichte, 7 = dynamische Viskositat in Poise, nD = Brechungsindex fur die Na-D-Linie, x = analytische Kettenlange des Rohsulfans HgS, (die wahre mittlere Kettenlange ist, soweit sie durch Molekulargewichtsbestimmung ermittelt wurde, da- hinter in Klammern angegeben).

Kiiln, Abteilunq fur anorganische un,d analytische Chemie des Che- mischen Instituts der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 13. Juli 1956.

Veran twortlich !fir die Schriftleitung: Professor Dr. G i i n t h e r R i e n i i c k e r , Berlin N 4, Hessische Str. 1-2; fur den .4nmigenteil: VEB Georg Thieme. Aneeigenabteilung. Leipzig C 1. Hainstr. 17-19, Aufg. C, RuP 21 981. Z. Z. gilt Anzeigenpreivliste h'r. 3 : Verlag: Johann Ambrosius Barth, Leipzig C 1, SalomonstraDe 18 B; Fernruf: 6 3 105 und 6 3 7 8 1 . Veroffentlicht linter der Lizenznummer 29511261

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