bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr
Autoren: Bern 2010
Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr
Autoren: Bern 2010 Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter
Autoren
Uwe Ewert
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]
Dr. phil. MPH; Psychologiestudium an der Universität Freiburg i.Br. Studium der Gesundheitswis-
senschaften in den USA. Seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter der bfu. Forschungsschwer-
punkte: Einstellungen und Verhalten von Verkehrsteilnehmern, Fussgänger, Senioren, Benützung
von Sicherheitsgurten, Sicherheit auf Ausserortsstrassen, Geschwindigkeit.
Gianantonio Scaramuzza
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]
Dipl. Ing. ETH; Bauingenieurstudium an der ETH Zürich; bis 1986 Assistent am Institut für Ver-
kehrsplanung und Transportsysteme (IVT) an der ETH Zürich. 1986–2004 Mitarbeiter in der Ab-
teilung Verkehrstechnik der bfu. Seit 2004 tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung
Forschung der bfu. Schwerpunkte: Infrastruktur (insbesondere Verkehrsberuhigung), Fussverkehr,
Fahrradverkehr, Geisterfahrer und Unfallschwerpunkte.
Steffen Niemann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]
Magister Artium; Studium der Soziologie, Psychologie und Informationswissenschaften an der
Universität Düsseldorf; 1995–2005 Mitarbeiter am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der
Universität Bern. Seit April 2005 bei der bfu in der Abteilung Forschung. Arbeitsschwerpunkte:
Datengrundlagen in den Bereichen Haus und Freizeit, Strassenverkehr, Sport, sowie eigene Erhe-
bungen der bfu.
Esther Walter
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu, [email protected]
Lic. phil.; Studium am Institut für Psychologie der Universität Bern; 1997–2001 Assistentin am
Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Bern. Seit 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin der
Forschungsabteilung der bfu. Schwerpunkte: Fahrradverkehr, Fussverkehr, Motorradverkehr,
Kinder, Kampagnen. Seit 2006 im interuniversitären Weiterbildungsstudiengang Public Health.
Impressum
Herausgeberin bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Postfach 8236 CH-3001 Bern Tel. +41 31 390 22 22 Fax +41 31 390 22 30 [email protected] www.bfu.ch Bezug http://shop.bfu.ch
Autoren Uwe Ewert, Dr. phil., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu
Gianantonio Scaramuzza, dipl. Ing. ETH, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Steffen Niemann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Esther Walter, lic. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu
Mitarbeit Nathalie Clausen, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu
Regula Stöcklin, Fürsprecherin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu Cinthia Donzallaz Cerf, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu
Redaktion Stefan Siegrist, Dr. phil., Leiter Forschung / Ausbildung, Stv. Direktor, bfu Druck/Auflage Bubenberg Druck- und Verlags-AG, Monbijoustrasse 61, CH–3007 Bern
1/2010/600 © bfu/FVS 2010 Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie), Speicherung, Verarbeitung und
Verbreitung sind mit Quellenangabe (s. Zitationsvorschlag) gestattet.
Dieser Bericht wurde im Auftrag des Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) hergestellt. Für den Inhalt ist die bfu verantwortlich.
Zitationsvorschlag Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten
Strassenverkehr. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. bfu-Sicherheitsdossier 06. Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche und weibliche
Formulierung zu verwenden. Aufgrund von Rundungen sind im Total der Tabellen leichte Differenzen möglich. Wir bitten die Lesenden um Verständnis.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 5
Inhalt
I. Abstract / Résumé / Compendio 9
1. Deutsch 9
2. Français 10
3. Italiano 11
II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 12
1. Kurzfassung 12
1.1 Einleitung 12
1.2 Exkurs: Raser 12
1.3 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 12
1.4 Unfallgeschehen 13
1.5 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 13
2. Version abrégée 18
2.1 Introduction 19
2.2 Digression: les chauffards 19
2.3 La vitesse de différents points de vue 19
2.4 Accidentalité 20
2.5 Mesures de gestion de la vitesse 20
3. Riassunto 26
3.1 Introduzione 26
3.2 Digressione: pirati della strada 26
3.3 La velocità da diversi punti di vista 26
3.4 Incidentalità 27
3.5 Misure per la gestione della velocità 27
III. Einleitung 33
IV. Exkurs: Raser 35
V. Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 37
1. Einleitung 37
2. Geschwindigkeit aus Sicht der Unfallverhütung 37
2.1 Geschwindigkeit als Risikofaktor für die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls 37
6 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
2.1.1 Reaktionszeit 37
2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsgeschwindigkeit als Risikofaktor für einen Unfall 38
2.2 Geschwindigkeit als Risikofaktor für die Schwere von Verletzungen 39
3. Geschwindigkeit aus verkehrstechnischer Sicht 40
4. Geschwindigkeit aus juristischer Sicht 41
4.1 Einleitung 41
4.2 Entwicklung der Geschwindigkeitsbeschränkungen 41
4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend Geschwindigkeit 43
4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten 43
4.3.2 Anpassen der Geschwindigkeit an die Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 4 VRV) 45
5. Geschwindigkeit aus Sicht der Psychologie 47
5.1 Lerntheorie 47
5.2 Theorie des geplanten Verhaltens 48
5.3 Das Risk Speed Model von Taylor (1964) 49
5.4 Contagion Model of Speeding 49
5.5 Persönlichkeitstheorie 49
6. Fazit 50
VI. Unfallgeschehen 51
1. Datenlage 51
2. Unfallgeschehen 1992–2008 52
3. Das aktuelle Unfallgeschehen (2004–2008) 54
4. Fazit 59
VII. Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 60
1. Einleitung 60
2. Höchstgeschwindigkeit 60
3. Motorfahrzeuglenkende 61
3.1 Alter 61
3.2 Geschlecht 62
3.3 Reaktionszeit 62
3.4 Einstellungen 62
3.5 Sensation Seeking 63
3.6 Risikoakzeptanz 64
3.7 Risikowahrnehmung 64
3.8 Alkoholniveau 65
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 7
3.9 Motorfahrzeugbesitz 65
3.10 Anzahl Passagiere 65
3.11 Graduated Driver Licensing 66
3.12 Behandlung von delinquenten Motorfahrzeuglenkenden 66
3.13 Verkehrssicherheitskampagnen 67
3.14 Fazit 68
4. Recht und seine Durchsetzung 68
4.1 Sanktionen nach reinen Geschwindigkeitsüberschreitungen (ab 01. Januar 2005) 68
4.1.1 Allgemein 68
4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen 70
4.1.3 Administrativmassnahmen: insbesondere Verwarnung oder Führerausweisentzug 71
4.2 Staffelung der Sanktionen in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit des Geschwindigkeitsdelikts 72
4.3 Demerit points 72
4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei 73
4.4.1 Sichtbarkeit 74
4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen 74
4.4.3 Unbemannte versus bemannte Kontrollen 74
4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne Ankündigung/Kampagnen? 75
4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung 75
4.4.6 Fakten zur Geschwindigkeitsdelinquenz und zu den Polizeikontrollen in der Schweiz 75
4.4.7 Section Control 76
4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen und -zeiten 77
4.4.9 Fazit 78
5. Verkehrstechnik 78
5.1 Einleitung 78
5.1.1 Abgrenzung 78
5.1.2 Problematik der Strassenverkehrsunfallstatistik hinsichtlich verkehrstechnischer Mängel 79
5.1.3 Begriffe 79
5.2 Übergeordnete Ziele 80
5.3 Planung 81
5.4 Infrastruktur 82
5.4.1 Autobahnen 82
5.4.2 Ausserortsstrassen 82
5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen 87
8 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen 90
5.5 Gestaltung und Betrieb 91
5.5.1 Grundsätzliches 91
5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen 92
5.5.3 Innerortsstrassen 92
5.6 Umsetzung in der Schweiz 96
5.6.1 Bestimmung der durch Infrastrukturmängel bedingten Unfälle 96
5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen 96
5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen 96
5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer 96
5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und Politik für die Bedeutung der Infrastruktur 97
5.6.6 Instrumente zur systematischen flächendeckenden Sicherheitsüberprüfung geplanter und bestehender Infrastruktur 97
5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur sicherheitstechnischen Analyse der horizontalen Linienführung 99
5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-Modells Tempo 50/30. 99
5.7 Fazit 100
6. Fahrzeugtechnische Massnahmen 101
6.1 Deformationszone/Knautschzone 101
6.2 Sicherheitsgurt 102
6.3 Airbags 103
6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle 103
6.5 ISA 105
6.6 Leistungsgewicht 106
6.7 Fazit 106
VIII. Schlussfolgerungen 108
Quellenverzeichnis 109
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9
I. Abstract / Résumé / Compendio
1. Deutsch
Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung prä-
sentiert im vorliegenden Sicherheitsdossier evi-
denzbasierte Massnahmen zur Entschärfung der
Geschwindigkeitsproblematik auf Schweizer Stras-
sen. Wichtig sind nebst der Einhaltung der allge-
meinen Höchstgeschwindigkeit auch die Anpas-
sung der Fahrgeschwindigkeit an die Verhältnisse.
Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich Ge-
schwindigkeit werden pro Jahr durchschnittlich
1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die
Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei ei-
nem Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel
bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen
Schwerpunkt dar.
Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und
eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begüns-
tigen schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zwei-
phasenfahrausbildung muss diesbezüglich noch
evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot
für Neulenkende.
Für ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement
haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element
erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer
wegen überhöhter Geschwindigkeit gebüsst. Die
allermeisten Kontrollen werden automatisch
durchgeführt. Deren Intensivierung, vor allem auf
Landstrassen, ist notwendig. Zudem sind gut sicht-
bare sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig
verteilte bemannte Geschwindigkeitskontrollen
sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensände-
rung sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert
werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit
verhaltenstherapeutischen Interventionen haben
sich ebenfalls als wirksam erwiesen.
Zur Entschärfung des Geschwindigkeitsproblems
trägt auch die Optimierung einer adäquaten Infra-
struktur bei, mit der das Strassennetz hierarchisiert
sowie selbsterklärende und fehlertolerante Strassen
realisiert werden sollen. Innerorts sind in erster
Linie die Nutzungsansprüche aller Verkehrsteil-
nehmenden zu berücksichtigen. Ausserortsstrassen
sind prioritär so zu projektieren, dass sie zu einem
homogenen Geschwindigkeitsverlauf führen. Die
Beseitigung von festen Objekten am Strassenrand
(z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter gewis-
sen Bedingungen – die Montage von Mittelleit-
schranken können die Folgen von geschwindig-
keitsbedingten Unfällen reduzieren. Zur Umsetzung
dieser Interventionen sind Fachleute laufend zu
sensibilisieren sowie Road Safety Audits, Road Sa-
fety Inspections und Black Spot Management für
obligatorisch zu erklären.
Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt
nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls
sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitäts-
kontrolle, die das Schleudern verhindern kann.
Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent
Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen Ge-
schwindigkeitsunfälle leisten können.
10 Abstract / Résumé / Compendio bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
2. Français
Dans ce dossier de sécurité, le bpa – Bureau de
prévention des accidents présente des mesures
basées sur des données probantes et à même d'at-
ténuer la problématique de la vitesse sur les routes
suisses. Outre le fait de respecter la vitesse maxi-
male générale, il est important d'adapter sa vitesse
aux conditions.
En raison d'un comportement erroné relatif à la
vitesse, 1251 personnes sont grièvement blessées
et 163 décèdent chaque année. La moitié des tués
est victime d'une perte de maîtrise sur des routes
hors localité et un quart subit un accident en locali-
té. Les autoroutes ne représentent pas une priorité.
Les conducteurs accidentés sont principalement
des hommes plutôt jeunes. L'alcool et le milieu
social favorisent la vitesse au volant. A ce sujet,
l'efficacité de la formation à la conduite en deux
phases doit encore être évaluée. Interdire l'alcool
aux nouveaux conducteurs serait une mesure judi-
cieuse.
Les contrôles de police se sont avérés être un élé-
ment important d'une gestion efficace de la vites-
se. Chaque année, quelque 2,5 millions de conduc-
teurs reçoivent une amende pour cause d'excès de
vitesse. La plupart des contrôles sont automatisés.
Il faut les intensifier, surtout sur les routes se-
condaires. De plus, il est judicieux de faire des
contrôles de vitesse bien visibles ainsi que des
contrôles spatialement et temporellement répartis
au hasard et effectués par des policiers. C'est la
seule manière d'augmenter la probabilité subjective
d'être contrôlé, si importante pour un changement
de comportement. Les retraits du permis de
conduire en combinaison avec des interventions
thérapeutiques visant à changer le comportement
se sont également avérés efficaces.
Optimiser une infrastructure adéquate en hiérar-
chisant le réseau routier et en réalisant des routes
lisibles qui tolèrent les erreurs contribue aussi à
atténuer le problème de la vitesse. A l'intérieur des
localités, il faut en premier lieu tenir compte des
exigences de tous les usagers de la route. Les rou-
tes hors localités doivent prioritairement être
conçues de manière à ce que les vitesses soient
homogènes. L'élimination d'objets fixes au bord de
la route (par ex., murs, clôtures, poteaux) et – sous
certaines conditions, le montage de glissières de
sécurité centrales peuvent réduire les conséquences
d'accidents dus à la vitesse. Pour réaliser ces inter-
ventions, il faut constamment sensibiliser les spé-
cialistes et rendre obligatoires les safety audits
routiers, les inspections ainsi que la gestion des
points noirs.
En ce qui concerne la sécurité des véhicules, la
ceinture de sécurité reste la mesure la plus impor-
tante. Le contrôle électronique de la stabilité qui
peut prévenir les dérapages est également très
efficace. Les technologies du futur comme ISA
(Intelligent Speed Adaptation) pourront contribuer
à contrer les accidents dus à la vitesse.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 11
3. Italiano
In questo dossier sicurezza, l'upi – Ufficio preven-
zione infortuni – presenta delle misure basate
sull'evidenza per smorzare la problematica relativa
alla velocità sulle strade svizzere. Oltre al rispetto
dei limiti massimi di velocità è altrettanto importan-
te adeguare la velocità di marcia alle condizioni
meteo e stradali.
Ogni anno, i comportamenti erronei correlati alla
velocità causano mediamente 1251 feriti gravi e
163 morti. La metà dei morti è coinvolta in un
incidente a veicolo isolato su una strada extraurba-
na, un quarto su una strada urbana. Le autostrade
non rientrano tra i punti ad alta incidentalità.
I conducenti coinvolti in un incidente sono preva-
lentemente uomini e piuttosto giovani. L'alcol e
l'ambiente sociale favoriscono l'eccesso di velocità.
L'efficacia della formazione in due fasi su tale pun-
to deve ancora essere valutata. Andrebbe preso in
considerazione un divieto di bere alcolici per i neo-
patentati.
I controlli della polizia si sono rivelati uno strumen-
to importante per una gestione efficace della velo-
cità. Ogni anno si multano circa 2,5 milioni di con-
ducenti per eccesso di velocità. La stragrande mag-
gioranza dei controlli è effettuata automaticamen-
te. Specialmente sulle strade extraurbane è neces-
sario intensificarli. Inoltre, sono utili dei controlli
della velocità effettuati spazialmente e temporal-
mente in modo casuale da agenti che si trovano sul
posto. Solo in questo modo è possibile aumentare
l'aspettativa di essere controllati che è fondamen-
tale per un cambiamento del comportamento.
Anche le revoche della patente legate a terapie
comportamentali si sono rivelate efficaci.
A contrastare il problema relativo alla velocità con-
tribuisce anche un'infrastruttura migliorata con cui
gerarchizzare la rete stradale e realizzare delle stra-
de self explaining che tollerano degli errori. Nell'a-
bitato va in prima linea tenuto conto delle esigenze
di tutti gli utenti. Le strade extraurbane vanno pro-
gettate in modo che comportino delle velocità
omogenee. La soppressione di oggetti fissi al bordo
della strada (p. es. muri, staccionate, pali) e, in
particolari condizioni, il montaggio di guardrail
centrali possono ridurre le conseguenze degli inci-
denti correlati alla velocità. Per realizzare questi
interventi bisogna continuamente sensibilizzare gli
specialisti e rendere obbligatori i Road Safety Audit,
le Road Safety Inspection e il Black Spot
Management.
In materia di sicurezza dei veicoli, la cintura di sicu-
rezza è tuttora la misura più importante. Molto
efficace è anche il controllo elettronico della stabili-
tà che può evitare uno sbandamento. Anche le
tecniche future come l'ISA (sistema intelligente di
adattamento della velocità) contribuirà a ridurre gli
incidenti correlati alla velocità.
12 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto
1. Kurzfassung
1.1 Einleitung
Der Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt
eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte im
Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen aus-
gerichtet ist. Voraussetzung dafür ist ein umfas-
sendes Wissensmanagement. Die Verwaltungs-
kommission des FVS hat der bfu – Beratungsstelle
für Unfallverhütung einen langfristig angelegten
Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendi-
gen Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers
decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie
umfassen die präventionsorientierte Analyse von
Schwerpunkten im Unfallgeschehen. Diese Dossiers
haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand
wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidun-
gen zu ermöglichen.
Die Publikation richtet sich an Personen und Insti-
tutionen, die für die Planung und Finanzierung
von präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten
Massnahmen im Strassenverkehr verantwortlich
sind.
Die Fahrgeschwindigkeit der Motorfahrzeuge hat
einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssi-
cherheit: Einerseits verkürzen hohe Geschwindig-
keiten die Zeit, um auf Verkehrssituationen reagie-
ren zu können, und erhöhen dadurch die Wahr-
scheinlichkeit, dass es zu einem Unfall kommt.
Andererseits beeinflusst die Geschwindigkeit die
Schwere eines allfälligen Unfalls. Gerade bei den
sehr verletzlichen Verkehrsteilnehmenden (Fuss-
gänger, Rad- und Motorradfahrende) hängt die
Überlebenswahrscheinlichkeit bei Unfällen sehr
stark von der Kollisionsgeschwindigkeit ab.
1.2 Exkurs: Raser
Ein Thema, das im Zusammenhang mit den Ge-
schwindigkeitsdelikten immer wieder auftaucht,
sind die sogenannten Raser. Diese Diskussion wi-
derspiegelt ein generelles Problem der Prävention,
dass es zwar Hochrisikogruppen gibt (beispielswei-
se Raser), diese aber zumeist sehr klein und des-
halb nur für einen eher geringen Teil des Problems
verantwortlich sind. Gruppen hingegen, die nur
leicht auffällig sind (= etwas zu schnell fahren),
sind viel grösser und demzufolge auch viel öfter ein
Teil des Problems (= Unfälle mit überhöhter Ge-
schwindigkeit). Dies bedeutet, dass wirksame Inter-
ventionen sowohl auf Raser als auch auf die breite
Masse ausgerichtet sein müssen.
1.3 Geschwindigkeit aus unterschiedli-
cher Sicht
Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwin-
digkeit um ein komplexes Thema, das mithilfe
verschiedener Fachdisziplinen zu analysieren und
behandeln ist. Die technische Ausgestaltung des
Systems Strassenverkehr und der Fahrzeuge hat
einen immensen Einfluss auf das Geschwindigkeits-
und Gefahrenniveau. Die Analyse dieser Einflüsse
ermöglicht die Einflussnahme durch Verkehrstech-
nik und Verkehrstelematik. Das Rechtssystem gibt
den gesetzlichen Handlungsrahmen vor und kann
allfällige Verstösse ahnden. Es ist zu prüfen, ob die
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 13
sicherheitsfördernde Wirkung der Vorschriften und
Sanktionsandrohungen gegeben ist und inwiefern
sie optimiert werden kann. Einerseits kann das
Verhalten des Einzelnen beeinflusst werden, ande-
rerseits können sich rechtliche Vorgaben auch an
Systeme respektive an deren Planer richten. Die
Psychologie schliesslich zeigt auf der Grundlage
von verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie
das Geschwindigkeitsverhalten der Motorfahrzeug-
lenkenden beeinflusst wird und verändert werden
kann. Welche psychologische Theorie am «besten»
ist, kann nicht abschliessend beurteilt werden.
Aber es ist offensichtlich, dass Theorien, die Inter-
ventionsmöglichkeiten aufzeigen, für die Präventi-
on geeigneter sind als andere, die ein Menschen-
bild mit wenig Veränderungspotenzial beinhalten.
1.4 Unfallgeschehen
Zwischen 1992 und 2008 hat gemäss den polizei-
lich registrierten Unfällen mit möglichem Ge-
schwindigkeitseinfluss die Anzahl der Leichtver-
letzten um 22 %, diejenige der Schwerverletzten
um 47 % und diejenige der Getöteten um 59 %
abgenommen. Aktuell (Durchschnitt 2004–2008)
werden jährlich 1251 Personen bei Geschwindig-
keitsunfällen schwer verletzt und 163 getötet.
Dabei sind über die Hälfte der Opfer Personenwa-
geninsassen und annähernd 30 % Motorradfah-
rende. Mit rund 5 % resp. 6 % sind aber auch der
Fussverkehr und Radfahrende betroffen. Geschwin-
digkeitsunfälle sind häufig Schleuder-/Selbstunfälle.
Allein 70 % aller Schwerverletzten und Getöteten
gehen auf ihr Konto. Auffällig viele Opfer sind da-
bei auf Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %).
Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstun-
fällen sind es meist die Insassen der Fahrzeuge
selbst, die bei Unfällen mit Geschwindigkeitsein-
fluss verletzt oder getötet werden. Bei allen Unfäl-
len mit Beteiligung von Personenwagen und verur-
sacht durch nicht angepasste oder überhöhte Ge-
schwindigkeit sind drei Viertel der Opfer die Perso-
nenwageninsassen selbst. Jedes 6. Opfer ist Insasse
eines weiteren beteiligten Personenwagens, jedes
15. ein Fussgänger. Bei den durch Geschwindigkeit
verursachten Motorradunfällen zeigt sich ein ande-
res Verhältnis. Hier sind 95 % der Opfer die Motor-
radfahrenden selbst.
Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglen-
kende, die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen
anpassen oder die Höchstgeschwindigkeit übertre-
ten, eher männlich und zwischen 18–24 Jahre alt.
Mit steigendem Alter nimmt nicht nur der Anteil an
Geschwindigkeitsunfällen insgesamt ab, sondern
vor allem auch die Häufigkeit der Unterkategorie
«Übertretung der Höchstgeschwindigkeit».
1.5 Massnahmen zum Geschwindig-
keitsmanagement
Damit die Höchstgeschwindigkeiten seltener über-
schritten und die gefahrenen Geschwindigkeiten
den Verhältnissen – seien es Wetter-, Strassen-
oder Verkehrsverhältnisse – angepasst werden,
sind Massnahmen notwendig (Tabelle 1, S. 17).
In der Präventionsstrategie gilt es zwei Ansätze zu
verfolgen: Einerseits sollen in der Spezialprävention
Hochrisikogruppen angesprochen werden (z. B.
Raser), andererseits in der Generalprävention die
breite Masse. In der Spezialprävention geht es
konkret darum, Motorfahrzeuglenkende, die mit
massiv unangemessener Geschwindigkeit unter-
wegs sind, zu erfassen und zu sanktionieren (Stra-
fen und Administrativmassnahmen wie beispiels-
weise Führerausweisentzüge) sowie vor einem
14 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Rückfall zu bewahren. Zum spezialpräventiven
Ansatz sind auch edukative oder gar therapeuti-
sche Massnahmen zu zählen, die in Kombination
mit Führerausweisentzug angewandt werden. Die-
ser Ansatz hat seine Berechtigung, darf aber in
seiner Wirkung nicht überschätzt werden. Auf-
grund der wissenschaftlichen Erfahrung mit ver-
schiedenen Massnahmen ist die Generalprävention
mindestens genauso wichtig. Dabei muss das Ge-
schwindigkeitsverhalten breiter Schichten der Be-
völkerung angesprochen werden, die sich keines-
falls als Raser und allenfalls nicht einmal als
Schnellfahrer sehen. Aber angesichts der grossen
Zahl von 2,5 Mio. Geschwindigkeitssündern pro
Jahr ist offensichtlich, dass es sich nicht nur um ein
Problem einer kleinen Minderheit handelt. Es muss
das Gefühl verstärkt werden, dass das Überschrei-
ten der Höchstgeschwindigkeit – auch in geringem
Mass – bereits schwerwiegende Konsequenzen
haben kann. Neue wissenschaftliche Arbeiten be-
schreiben unter dem Stichwort Power-Model einen
weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen
Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallgeschehen
als bisher angenommen. So erhöhen z. B. 5 km/h
zu viel im Innerortsbereich das Gefährdungspoten-
zial um ein Vielfaches gegenüber 5 km/h zu viel auf
Autobahnen. Solche Überlegungen sind im
Schweizerischen Sanktionensystem für Geschwin-
digkeitsdelikte enthalten (auf Autobahnen darf die
signalisierte Höchstgeschwindigkeit mehr über-
schritten werden als innerorts, bis ein Vergehen
z. B. als schwerwiegend eingestuft wird). Aufgrund
der neuen Erkenntnisse – und wenn gleiche Risiko-
gefährdung mit gleicher Sanktion einher gehen soll
– wäre ein Überdenken der bisherigen Grenzzie-
hung jedoch angebracht. So wird heute auf Auto-
bahnen ein Überschreiten der Geschwindigkeit von
mindestens 35 km/h als schwere Widerhandlung
eingestuft (was bei Ersttätern zwingend zu einem
dreimonatigen Führerausweisentzug führt), inne-
rorts um 25 km/h. Möchte man innerorts dieselbe
Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als schwere
Widerhandlung sanktionieren wie auf Autobahnen,
müsste die Grenze innerorts bereits bei einer Über-
schreitung von 15 km/h liegen (was heute lediglich
in den Bereich der Ordnungsbussen fällt).
Zentral für das Geschwindigkeitsverhalten der Mo-
torfahrzeuglenkenden im Sinn der Generalpräven-
tion wird jedoch nicht die Strafe sein, sondern die
subjektive Kontrollerwartung bezüglich der polizei-
lichen Überwachung. Hier ist in den vergangenen
Jahren Erhebliches geleistet worden. Mittlerweile
wird in der Schweiz bei über 500 Mio. Fahrzeugen
pro Jahr die Geschwindigkeit gemessen; die aller-
meisten Kontrollen werden mit stationären, unbe-
mannten Mess-Systemen (Starenkästen) durchge-
führt. Letztere haben allerdings das Problem, dass
ihr Standort bald bekannt ist und sie dann eine
wesentlich geringere präventive Wirkung haben als
die stationären, bemannten Kontrollen an regel-
mässig wechselnden Standorten. Sie sind aber auf
jeden Fall dort sinnvoll, wo die Motorfahrzeuglen-
kenden aus Sicherheitsgründen langsamer fahren
sollen (Unfallhäufungsstellen). Von den in der
Schweiz auf Geschwindigkeit kontrollierten Fahr-
zeugen sind nur 3 % ausserorts unterwegs, ob-
wohl mehr als die Hälfte der Verkehrstoten auf das
Konto dieser Strassenkategorie geht. Hier besteht
Handlungsbedarf.
Aus generalpräventiver Sicht ist es wichtig, dass es
nebst den stationären, unbemannten Mess-Syste-
men ausreichend stationäre, bemannte Geschwin-
digkeitskontrollen gibt, die klar als solche erkenn-
bar sind. Im besten Fall werden die Erhebungsorte
und Kontrollzeiten zufällig ausgewählt, so dass die
Motorfahrzeuglenkenden das Gefühl haben, die
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 15
Verkehrspolizei könne jederzeit und überall kontrol-
lieren. Die Problematik dieses nachgewiesenermas-
sen sehr wirkungsvollen Vorgehens ist, dass man
auch manchmal an Orten und zu Zeiten kontrolliert,
wo nur wenig gefahren wird und die Geschwindig-
keiten kaum überhöht sind. Dies gegenüber der
Öffentlichkeit und den Behörden zu kommunizieren,
ist wichtig («Hier passiert doch nie etwas ...»).
Neben Sanktionen und Polizeikontrollen gibt es
verschiedene andere Massnahmen, die helfen, das
Geschwindigkeitsproblem und seine Konsequenzen
zu entschärfen. Einen besonders wichtigen Beitrag
dazu kann die Verkehrstechnik leisten. Die Auswer-
tung der amtlichen Unfallstatistik zeigt, dass das
geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen insbe-
sondere auf Strassen ausserorts und innerorts erheb-
lich ist. Autobahnen spielen trotz höherem Ge-
schwindigkeitsniveau in dieser Hinsicht eine unter-
geordnete Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher
und betrieblicher Art zur Beeinflussung der gefahre-
nen Geschwindigkeiten bedürfen einer sorgfältigen
Überprüfung hinsichtlich der sicherheitstechnischen
Auswirkungen. Das Beispiel von Radiusreduktionen
in Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammen-
spiel von Geschwindigkeit und Sicherheit. Geringere
Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere
Geschwindigkeiten, führen aber bei mangelhafter
Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäqua-
ten Infrastruktur sind primär eine einfache Hierarchi-
sierung des Strassennetzes sowie die Realisierung
von selbsterklärenden und fehlertoleranten Strassen.
Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Verkehr
mit angepasster Geschwindigkeit zirkuliert.
Innerortsstrassen sind unter Berücksichtigung der
Nutzungsansprüche aller Verkehrsteilnehmenden zu
projektieren, zu bauen und zu betreiben. Das bfu-
Modell Tempo 50/30 ist für das Erreichen dieses
Ziels besonders geeignet. Es sieht vor, alle sied-
lungsorientierten Strassen mit Tempo-30-Zonen zu
belegen und alle verkehrsorientierten Strassen in-
nerorts derart zu gestalten, dass die Sicherheit der
verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden besonders
berücksichtigt wird. Ausserortsstrassen sind so zu
projektieren, dass sie zu einem homogenen Ge-
schwindigkeitsverlauf führen. Korrigierende Mass-
nahmen (Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwin-
digkeiten) dürfen nicht von vornherein ins Auge
gefasst werden, um Projektierungsmängel auszu-
bessern. Die Entfernung von festen Objekten am
Strassenrand (z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und –
unter gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken
können die Folgen von geschwindigkeitsbedingten
Unfällen reduzieren.
Die konkrete Umsetzung dieser Interventionen in
der Schweiz kann durch Massnahmen auf verschie-
denen Ebenen aktiviert werden. Verkehrsingenieure
und Planer sind bereits während des Studiums
und/oder in systematischen Weiterbildungsgängen
ganz speziell auf die erwähnten Punkte zu sensibili-
sieren. Flächendeckende Instrumente zur systemati-
schen Überprüfung geplanter und bestehender
Infrastruktur (Road Safety Audits, Road Safety In-
spections, Black Spot Management) sind als Obliga-
torium schweizweit einzuführen.
Die VSS-Normen stellen im Verkehrsingenieurwesen
die Regeln der Baukunde dar. Deren Umsetzung in
Projekten kann je nach Randbedingungen kostenin-
tensiv sein. In der Praxis zeigt sich, dass in solchen
Fällen Abstriche in Kauf genommen werden, was
sich sicherheitstechnisch negativ auswirken kann.
Bevölkerung, Politik und Verwaltung sind deshalb
hinsichtlich der sicherheitstechnischen Bedeutung
von Normen und adäquater Infrastruktur zu sensibi-
lisieren. Dadurch soll die Umsetzung kostenintensi-
16 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
ver, jedoch sicherheitstechnisch relevanter Projekte
gefördert werden.
Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells Tem-
po 50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels An-
passung der entsprechenden Verordnungen oder
aktiver Propagierung bei den zuständigen Behörden
und der Bevölkerung erfolgen.
Nun gilt es, nicht nur Unfälle zu verhindern, sondern
– wenn sie trotzdem passieren – die Verletzungsfol-
gen zu minimieren. Bei Geschwindigkeitsunfällen ist
nach wie vor die Benützung des Sicherheitsgurtes
entscheidend. Hier hat die Schweiz in den letzten
Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Das Ret-
tungspotenzial ist aber nach wie vor gross. Weitere
Anstrengungen sind nötig.
Fast ebenso wichtig wie der Sicherheitsgurt ist die
elektronische Stabilitätskontrolle, der Schleuder-
schutz. Dieser hat sich als sehr wirksam erwiesen
und hilft, Unfälle zu vermeiden oder in ihrer Schwe-
re zu vermindern, indem er den Motorfahrzeuglen-
kenden eine bessere Kontrolle über das Fahrzeug
ermöglicht.
Alkohol ist mit seiner enthemmenden Wirkung ein
Risikofaktor für zu schnelles Fahren. Daher sollte im
Zusammenhang mit unangepasster Geschwindigkeit
auch der Einfluss des Alkohols berücksichtigt wer-
den. Dazu liegt bereits ein Sortiment an begründe-
ten und realisierbaren Massnahmen vor, darunter
etwa das Alkoholverbot für Neulenkende.
Junge Neulenkende sind aber nicht nur in alkoholi-
siertem Zustand besonders gefährdet und gefähr-
lich. Mit der Zweiphasenausbildung soll ihr Ge-
schwindigkeitsverhalten positiv beeinflusst werden.
Die Begleitevaluation dieser Massnahme wird im
Jahr 2011 aufzeigen, ob die Erwartungen erfüllt
wurden oder ob diese wichtige und aufwändige
Massnahme anzupassen ist.
Eine recht neue und noch nicht breit implementierte
Massnahme ist die Intelligent Speed Adaptation
(ISA). Es geht darum, die Motorfahrzeuglenkenden
auf unterschiedliche Art und Weise über die aktuell
geltenden Höchstgeschwindigkeiten zu informieren.
In der einen oder anderen Form wird sich dieses
System durchsetzen und wohl einen erheblichen
Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten können.
Massenmediale Kampagnen zum Thema Verkehrssi-
cherheit im Allgemeinen und Geschwindigkeit im
Besonderen müssen verschiedene Kriterien erfüllen,
um einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten zu
können. Insbesondere sollten deren Inhalte auf wis-
senschaftlichen Analysen basieren, theoriegeleitet
sein und in der Umsetzung mit anderen Aktivitäten
kombiniert werden. Ein zentraler Punkt der kommu-
nizierten Inhalte müssen jeweils konkrete Hand-
lungsanweisungen für die Zielgruppen sein.
Insgesamt muss bezüglich verhaltensändernden
Interventionen für das Fahren mit angepasster Ge-
schwindigkeit (z. B. Kampagnen, Verkehrserziehung,
Nachschulung) festgehalten werden, dass sie einen
umfassenden gesellschaftlichen Ansatz verlangen,
der die demographischen Faktoren, die physische
und soziale Umwelt, Persönlichkeits- und Entwick-
lungsfaktoren, die Fahrkompetenz u. a. m. berück-
sichtigen. Eindimensionale Ansätze, die z. B. die
Motorfahrzeuglenkenden lediglich über Wissens-
vermittlung zu einer adäquaten Geschwindigkeits-
wahl zu motivieren versuchen, werden kaum zum
Ziel führen.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 17
Die Fülle des verfügbaren, in diesem Bericht verwer-
teten Wissens darf nicht darüber hinwegtäuschen,
dass einige wichtige Fragen unbeantwortet sind. So
ist beispielsweise der Einfluss des Leistungsgewichts
des Fahrzeugs auf das Fahrverhalten der Motorfahr-
zeuglenkenden noch nicht geklärt. Auch der Einfluss
der Passagiere – insbesondere auf das Geschwindig-
keitsverhalten bei jungen Lenkenden – ist für die
Schweiz noch nicht untersucht worden. Der Bedarf
für weitere Forschungsprojekte ist gegeben.
Tabelle 1 Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit im Strassenverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit
Massnahme Empfehlung
Polizeikontrollen
Stationäre, bemannte und klar erkennbare Geschwindigkeits-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert
Stationäre und unbemannte Geschwindigkeits-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert
Zufällige Auswahl der stationären und bemannten Geschwindigkeits-Mess-Stellen nach Ort und Zeit Sehr empfehlenswert
Angekündigte Polizeikontrollen mit begleitender Kampagne Sehr empfehlenswert
Generell intensivierte Polizeikontrollen Sehr empfehlenswert
Einführung von Geschwindigkeitskontrollen über einen längeren Streckenabschnitt Empfehlenswert (Wirksamkeit sollte erst noch durch laufende Probephase aufge-zeigt werden)
Nicht zufällige Auswahl der stationären und bemannten Geschwindigkeits-Mess-Stellen (beispielsweise Orte mit erhöhtem Unfallgeschehen oder mit häufiger Missachtung der Verkehrsvorschriften usw.)
Empfehlenswert
Vermehrte stationäre Geschwindigkeitskontrollen auf Ausserortsstrassen (bemannt und unbemannt) Empfehlenswert
Mobile Geschwindigkeitskontrollen mit Zivilfahrzeugen Bedingt empfehlenswert (praktisch keine generalpräventive Wirkung)
Neulenkende
Prüfung, ob die Zweiphasen-Fahrausbildung im Hinblick auf die Wirksamkeit noch verbessert werden muss (nach Abschluss der Evaluation im Jahr 2011)
Sehr empfehlenswert
Präventionsstrategie
Konzentration der Aktivitäten auf alle Geschwindigkeitsdelinquenten (nicht nur Raser) Sehr empfehlenswert
Massnahmen für die Zielgruppe der besonders schnellen Fahrer (Raser) Empfehlenswert
Fahrzeugtechnik
Einführung von ISA (Intelligent Speed Adaptation) nur mit Anzeige der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert
ISA mit Warnung bei Überschreitung der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert oder empfehlens-wert (je nach Ausgestaltung)
Bekanntheit und Anwendung elektronischer Stabilitätskontrolle mit Information und Kampagnen deutlich fördern
Sehr empfehlenswert
Fortführung der bisherigen Aktivitäten zur Steigerung der Gurtentragquoten auf allen Strassenarten und Sitzplätzen
Sehr empfehlenswert
Obligatorium für Systeme, die den Lenker mit Ton und Warnlicht daran erinnern, wenn jemand im Auto nicht angegurtet ist (auch auf den Rücksitzen)
Sehr empfehlenswert, aber abhängig von der Entwicklung in der EU
ISA, die ausgeschaltet werden kann empfehlenswert
ISA, die eingeschaltet werden muss Bedingt empfehlenswert (fraglich, wie oft und von wem ISA eingeschaltet würde)
Strafen und Administrativmassnahmen
Vermehrter Einsatz der Administrativmassnahme Führerausweisentzug (auch in Kombination mit verhaltens-orientierten Nachschulungskursen) in Ergänzung zu den Strafen
Sehr empfehlenswert
Evaluation des Kaskadensystems und evtl. Verbesserungsvorschläge Sehr empfehlenswert
Überprüfen der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts und ausserorts, die zur Festlegung der Sanktionen (Strafen und Administrativmassnahmen) bei Geschwindigkeitsdelikten führen (unter Berücksichti-gung der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, dem Power-Model)
Empfehlenswert
Beschleunigung der Sanktionierung (Strafe und Administrativmassnahme) Empfehlenswert
«Incentive letters» (im Sinne eines Mahnbriefs) für Geschwindigkeitsdelinquenten (im Rahmen des bestehen-den Systems)
Empfehlenswert (aber auf der Grundlage der Artikel 16 a, b und c SVG nicht einfach umsetzbar)
18 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Fortsetzung Tabelle 1 Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit im Strassenverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit
Massnahme Empfehlung
Verkehrssicherheitskampagnen
Verkehrssicherheitskampagnen auf theoretischer Grundlage und unter Berücksichtigung des aktuellen wissen-schaftlichen Kenntnisstandes zur Optimierung der Wirksamkeit
Empfehlenswert (idealerweise kombiniert mit anderen Massnahmen)
Spezifische Verkehrssicherheitskampagnen zur Bekanntmachung von polizeilichen Kontrollen nach dem Zufallsprinzip (bzgl. Örtlichkeit und Zeit), so dass den Lenkenden bewusst wird, dass Kontrollen überall und jederzeit stattfinden
Empfehlenswert
Verhaltensänderung
Anwendung integrativer Konzepte, die psychologische, geschlechtsspezifische und soziale Faktoren beim Geschwindigkeitsverhalten berücksichtigen
Sehr empfehlenswert
Erhöhung der subjektiven Risikowahrnehmung durch infrastrukturelle Massnahmen (Beispiel: Strassenbreiten mit Markierungen optisch einengen)
Empfehlenswert
Fahren unter Alkoholeinfluss
Dem Thema Alkohol sollte weiterhin grosse Aufmerksamkeit im Sinne des Sicherheitsdossiers «Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden» gewidmet werden
Sehr empfehlenswert
Infrastruktur: Ausbildung der Ingenieure und Planer
Erstausbildung: Sensibilisierung bzgl. Verkehrssicherheit sowie Vermittlung fachspezifischen Grundwissens Sehr empfehlenswert
Weiter-/Fortbildung: Organisation und Koordination von fachspezifischen Tagungen sowie Weiterbildungsobligatorium
Sehr empfehlenswert
Sowohl in der Erstausbildung als auch in der Weiter-/Fortbildung ist die Behandlung folgender Themen in Bezug auf die Projektierung von Verkehrsanlagen zu intensivieren: - Entwurf von verkehrsorientierten Innerortsstrassen - Projektierung von Ausserortsstrassen - Grundsätze zur Signalisation von Höchstgeschwindigkeiten
Sehr empfehlenswert
Infrastruktur: Instrumente zur Sicherheitsüberprüfung
Road Safety Audits als standardmässigen Projektteil einführen Sehr empfehlenswert
Road Safety Inspections durchführen, mit Fokussierung auf Fehlertoleranz und Begreifbarkeit von Verkehrs-anlagen
Sehr empfehlenswert
Black Spot Management Empfehlenswert
Infrastruktur: Normen
Neudefinition des Begriffs der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen Bedingt empfehlenswert (nicht dringend)
Infrastruktur: Rechtliche Möglichkeiten
Einforderung und Umsetzung adäquater Infrastruktur Sehr empfehlenswert
Änderung von Artikel 4a der VRV sowie von Artikel 22 der SSV oder Loslösung der Regelungen zu Tempo-30-Zonen von Artikel 108.2 der SSV
Sehr empfehlenswert
Haftung von Betreibern defizitärer Infrastruktur bei Unfällen Heute bedingt empfehlenswert (Hürden und finanzielle Risiken zu hoch), je nach Entwicklung auf Bundesebene unter Umständen in Zukunft relevant
Aufwertung gewisser VSS-Normen hinsichtlich rechtlicher Bedeutung, indem sie zu Weisungen des UVEK erklärt werden
Bedingt empfehlenswert (geringe Akzep-tanz erwartet)
Forschung
Wissenschaftliche Studie zum Einfluss der Passagiere auf das Unfallgeschehen von jungen Lenkenden Sehr empfehlenswert
Machbarkeitsstudie zur genauen Quantifizierung des geschwindigkeitsbedingten Unfallgeschehens, das auf defizitäre Infrastruktur zurückzuführen ist
Empfehlenswert
Verfahren zur Früherkennung sicherheitstechnischer Mängel in der horizontalen Linienführung Empfehlenswert
Forschungsprojekt zur Wirkung des Leistungsgewichts auf das Fahrverhalten bzw. Unfallgeschehen Empfehlenswert
Prüfung des Konzepts des Sensation Seeking auf seine Tauglichkeit für die Prüfung der charakterlichen Eignung
Bedingt empfehlenswert (rein spezialprä-ventive Massnahme für sehr wenige hochgradig auffällige Lenkende)
Öffentlichkeitsarbeit
Förderung der Akzeptanz des bfu-Modells Tempo 50/30 bei den zuständigen Behörden und in der Bevölke-rung
Sehr empfehlenswert
Sensibilisierung von Verwaltung und Politik für die Bedeutung der Infrastruktur für die Verkehrssicherheit Empfehlenswert
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 19
2. Version abrégée
2.1 Introduction
Le Fonds de sécurité routière (FSR) poursuit une
politique de subventionnement centrée sur les
accidents prioritaires et des mesures efficaces.
Pour cela, il faut savoir gérer les connaissances. La
commission administrative du FSR a chargé le bpa
– Bureau de prévention des accidents d'un mandat
de prestation à long terme pour que ce dernier
élabore les bases nécessaires. Les dossiers de sécu-
rité comblent un important mandat partiel. Ils
comprennent l'analyse axée sur la prévention des
accidents prioritaires. Ces dossiers ont pour ambi-
tion de communiquer l'état actuel des connaissan-
ces afin de permettre des prises de décisions ba-
sées sur des données probantes.
La publication s'adresse à des personnes et à des
institutions responsables de projets et du finance-
ment de mesures préventives ou d'autres mesures
importantes pour la sécurité dans la circulation
routière.
La vitesse des véhicules à moteur a une importance
décisive sur la sécurité routière: d'une part, des
vitesses élevées diminuent le temps disponible pour
pouvoir réagir aux conditions du trafic et augmen-
tent de ce fait la probabilité d'un accident. D'autre
part, la vitesse influence la gravité d'un éventuel
accident. Et, pour les usagers de la route les plus
faibles (piétons, cyclistes et motocyclistes), la pro-
babilité de survie en cas d'accident dépend forte-
ment de la vitesse de collision.
2.2 Digression: les chauffards
Dans le contexte des délits liés à la vitesse, un thè-
me revient sans cesse: les chauffards. Cette discus-
sion reflète un problème général en matière de
prévention. Il existe bien des groupes à très haut
risque (les chauffards, par ex.) mais, le plus sou-
vent, ils sont très petits et, de ce fait, seulement
responsables d'une petite partie du problème. Par
contre, ceux qui roulent un peu trop vite sont
beaucoup plus nombreux et, de ce fait, sont bien
plus souvent partie du problème (= accidents avec
excès de vitesse). Ce qui veut dire que les interven-
tions efficaces doivent s'adresser aussi bien aux
chauffards qu'au grand public.
2.3 La vitesse de différents points de
vue
La vitesse est un thème complexe qui doit être
analysé et traité à la lumière de différentes discipli-
nes. La conception technique du système circula-
tion routière et des véhicules a une influence im-
mense sur la vitesse et le niveau de danger. L'ana-
lyse de ces influences permet d'intervenir par le
biais de l'ingéniérie du trafic et la télématique rou-
tière. Le système juridique donne le cadre d'action
légale et peut réprimer les éventuelles infractions. Il
faut examiner si l'effet de promotion de la sécurité
des prescriptions et des menaces de sanctions exis-
te et dans quelle mesure il peut être optimisé.
D'une part, le comportement individuel peut être
influencé, d'autre part, des directives juridiques
peuvent aussi s'adresser aux systèmes ou à ceux
qui les conçoivent. Enfin, sur la base de différents
modèles et théories, la psychologie montre com-
ment le comportement des conducteurs de véhicu-
les à moteur en matière de vitesse est influencé et
comment il peut être modifié. A ce stade, il n'est
20 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
pas possible de dire quelle théorie psychologique
est la «meilleure». Mais il est évident que les théo-
ries qui présentent des possibilités d'intervention
sont plus appropriées que d'autres qui renferment
une conception de l'homme ayant peu de potentiel
de changement.
2.4 Accidentalité
D'après les accidents avec influence probable de la
vitesse enregistrés par la police, le nombre de bles-
sés légers a diminué de 22%, celui des blessés
graves de 47% et celui des tués de 59% entre
1992 et 2008. Actuellement (moyenne 2004–
2008) 1251 personnes sont, chaque année, griè-
vement blessées et 163 tuées dans des accidents
avec influence probable de la vitesse.
Plus de la moitié des victimes sont des occupants
de voitures de tourisme et presque 30% sont des
motocyclistes. Mais avec respectivement 5% et
6%, les piétons et les cyclistes sont également
affectés. Les accidents liés à la vitesse sont souvent
des pertes de maîtrise. C'est le cas pour 70% des
blessés graves et des tués. De nombreuses victimes
sont à déplorer sur les routes hors localité (57%).
Vu la part importante des pertes de maîtrise, le
plus souvent, ce sont les occupants mêmes du
véhicule qui sont blessés ou tués lors d'accidents
avec influence probable de la vitesse. Pour tous les
accidents impliquant des voitures de tourisme et
causés par une vitesse inadaptée ou excessive, trois
quarts des victimes sont les occupants mêmes de
ces voitures. Une victime sur six est occupante
d'une voiture antagoniste, une sur quinze est un
piéton. Il en est autrement des accidents de moto-
cyclistes dus à la vitesse où 95% des victimes sont
les motocyclistes eux-mêmes.
Du point de vue démographique, les conducteurs
de véhicules à moteur qui n'adaptent pas leur ma-
nière de conduire aux conditions ou qui dépassent
la vitesse maximale autorisée sont plutôt de sexe
masculin et âgés de 18 à 24 ans. Non seulement la
part des accidents dus à la vitesse diminue avec
l'âge, mais aussi et surtout la fréquence de la sous-
catégorie «dépassement de la vitesse maximale».
2.5 Mesures de gestion de la vitesse
Des mesures sont nécessaires pour que les vitesses
maximales soient moins souvent dépassées et que
les vitesses effectives soient adaptées aux condi-
tions de la route, du trafic ou météorologiques
(tableau 1, p. 24).
La stratégie préventive doit poursuivre deux appro-
ches: d'une part, une prévention particulière ciblée
sur les groupes à haut risque (les chauffards, par
ex.) et une prévention générale qui s'adresse au
grand public. Dans la prévention particulière, il
s'agit concrètement d'appréhender et de sanction-
ner (sanctions et mesures administratives comme le
retrait du permis de conduire, par ex.) les conduc-
teurs de véhicules à moteur qui roulent à une vites-
se totalement inadaptée et d'empêcher qu'ils ne
récidivent. L'approche de la prévention particulière
comprend aussi des mesures éducatives voire thé-
rapeutiques appliquées en combinaison avec le
retrait du permis de conduire. Cette approche se
justifie, mais son efficacité ne doit pas être suréva-
luée. Vu les expériences scientifiques faites avec
différentes mesures, la prévention générale est au
moins aussi importante. Il faut aborder le compor-
tement en matière de vitesse de larges couches de
la population qui ne se considèrent nullement
comme des chauffards et même pas comme rou-
lant trop vite. Mais vu que quelque 2,5 millions de
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 21
conducteurs se rendent coupables de dépasse-
ments de vitesse, il est clair qu'il ne s'agit pas d'un
problème qui ne touche qu'une petite minorité. Il
faut renforcer le sentiment que dépasser la limite
de vitesse maximale – même de très peu – peut
déjà avoir des conséquences graves. De nouveaux
travaux scientifiques décrivent sous le terme de
modèle «Power» une relation beaucoup plus lour-
de de conséquences qu'admise jusqu'ici entre vi-
tesse moyenne et acccidentalité. Ainsi, par exem-
ple, 5 km/h de trop en localité augmente considé-
rablement le danger potentiel par rapport à 5 km/h
de trop sur autoroute. Ce genre de considération
est inclus dans le système pénal suisse relatif aux
délits liés à la vitesse (sur autoroute, pour qu'un
délit soit classé comme grave, par ex., la vitesse
maximale signalée peut être davantage dépassée
qu'en localité). En raison de ces nouvelles connais-
sances – et si une même prise de risque doit aller
de pair avec une sanction identique – il faudrait
reconsidérer les seuils actuels. De nos jours, sur
autoroute, un dépassement de vitesse de 35 km/h
au moins est considéré comme une infraction gra-
ve (ce qui, pour un primodélinquant, signifie obli-
gatoirement un retrait de permis de 3 mois au
minimum); en localité, pour la même infraction, le
seuil est de 25 km/h. Si l'on voulait sanctionner la
même mise en danger (relative aux tués) comme
infraction grave en localité comme sur autoroute,
en localité, la limite serait déjà atteinte avec un
dépassement de 15 km/h (ce qui, actuellement,
relève du domaine des amendes d'ordre).
En ce qui concerne le comportement des conduc-
teurs de véhicules à moteur en matière de vitesse,
l'essentiel – dans le sens de la prévention générale
– n'est pas la sanction mais la probabilité subjective
d'être contrôlé par la police. Et, dans ce domaine,
beaucoup a été fait au cours des dernières années.
La vitesse de plus de 500 millions de véhicules est
mesurée chaque année en Suisse. La plupart des
contrôles sont effectués avec des systèmes de me-
sure fixes automatisés (radars) et ne sont pas an-
noncés. Mais l'emplacement de ces derniers est
vite connu, et à partir de ce moment, leur effet
préventif est nettement plus faible que les contrô-
les fixes manuels et dont l'emplacement change
régulièrement. Ils sont toutefois très utiles aux
endroits où il faudrait que, pour des raisons de
sécurité, les conducteurs roulent plus lentement
(points noirs). De tous les véhicules dont la vitesse a
été contrôlée en Suisse, seuls 3% roulaient hors
localité, alors que plus de la moitié des tués est à
mettre sur le compte de ce type de route. Il y a
donc nécessité d'agir.
Du point de vue de la prévention générale, il est
important qu'en plus des systèmes de mesure fixes
et automatisés, il y ait suffisamment de contrôles
de vitesse fixes manuels clairement identifiables
comme tels. Dans le meilleur des cas, le type de
relevé et les heures de contrôle sont choisis au
hasard afin que les conducteurs de véhicules à
moteur aient l'impression que la police de la circu-
lation peut les contrôler à tout moment et partout.
La problématique de cette méthode dont la très
grande efficacité a été prouvée est que des contrô-
les ont parfois lieu aussi à des endroits et à des
heures où le trafic est faible et où les excès de vi-
tesse sont très peu nombreux. Il est important de
communiquer cela au public et aux autorités («Ici, il
ne se passe jamais rien ...»).
Outre les sanctions et les contrôles de police, diffé-
rentes autres mesures peuvent aider à atténuer le
problème de la vitesse et ses conséquences. La
technique de la circulation peut y contribuer de
manière importante. L'analyse de la statistique
22 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
officielle des accidents montre que l'accidentalité
due à la vitesse est particulièrement importante sur
les routes hors et en localité. Sur ce point, et malgré
un niveau de vitesse plus élevé, les autoroutes ne
jouent qu'un rôle mineur. Les interventions infras-
tructurelles d'aménagement et d'exploitation desti-
nées à influencer les vitesses effectives nécessitent
un contrôle minutieux quant aux effets techniques
de sécurité. L'exemple des réductions de rayons
dans les virages illustre l'interaction complexe entre
la vitesse et la sécurité. Bien qu'avec des rayons plus
petits, on obtient, en principe, des vitesses plus fai-
bles, des projets mal ficelés augmentent le nombre
d'accidents. Les buts principaux d'une infrastructure
adéquate sont une hiérarchisation simple du réseau
routier ainsi que la réalisation de routes lisibles qui
tolèrent les erreurs. De cette manière, il est possible
de garantir que le trafic se déroule à une vitesse
adaptée.
Les routes en localité doivent être prévues, cons-
truites et exploitées en tenant compte des exigen-
ces de tous les usagers de la route. Pour atteindre
ce but, le modèle 50/30 km/h du bpa est particuliè-
rement approprié. Il prévoit d'intégrer toutes les
routes d'intérêt local dans des zones 30 et d'amé-
nager les routes à orientation trafic à l'intérieur des
localités de manière à tenir particulièrement comp-
te de la sécurité des usagers de la route les plus
faibles. Les routes hors localité doivent être
conçues de manière à ce que les vitesses soient
homogènes. Il ne faut pas, dès le départ, envisager
des mesures correctrices (flèches de guidage, vites-
ses maximales différentes) pour corriger les défauts
du projet. Enlever les objets fixes qui se trouvent au
bord de la chaussée (murs, clôtures, poteaux, par
ex.) et – sous certaines conditions – les glissières de
sécurité centrales peut réduire les conséquences
d'accidents dus à la vitesse.
La mise en oeuvre concrète de ces interventions en
Suisse peut être activée par des mesures à différents
niveaux. Les ingénieurs du trafic et les concepteurs
doivent être particulièrement sensibilisés aux points
susmentionnés déjà pendant leurs études et/ou leurs
cours de formation continue. Des instruments géné-
ralisés d'évaluation systématique d'infrastructures
prévues et existantes (safety audits routiers, inspec-
tions de sécurité routière, gestion des points noirs)
doivent obligatoirement être introduits dans toute la
Suisse.
Pour les ingénieurs du trafic, les normes VSS repré-
sentent les règles de l'art de construire. Leur concré-
tisation peut, selon les contraintes, être coûteuse. La
pratique montre que, dans de tels cas, des conces-
sions pouvant se répercuter négativement sur la
sécurité sont envisagées. Il faut donc sensibiliser la
population, les politiciens et l'administration à
l'importance des normes pour la sécurité ainsi qu'à
l'importance d'infrastructures adéquates. Il sera ainsi
possible de promouvoir la réalisation de projets plus
onéreux mais aussi plus sûrs.
Enfin, il s'agit de promouvoir de manière ciblée le
modèle 50/30 km/h du bpa au moyen d'une adap-
tation des ordonnances correspondantes ou par sa
mise en valeur active auprès des autorités compé-
tentes et de la population.
Il s'agit non seulement de prévenir les accidents mais
– lorsqu'ils ont quand même lieu – d'atténuer les
conséquences des blessures. En ce qui concerne les
accidents dus à la vitesse, le port de la ceinture de
sécurité reste décisif. Dans ce domaine, la Suisse a
fait des progrès notables ces dernières années. Mais
le potentiel de réduction du nombre de victimes
reste important, et des efforts supplémentaires sont
nécessaires.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 23
Le contrôle électronique de la stabilité, l'antipatina-
ge est presqu'aussi important que la ceinture de
sécurité. Il s'est avéré très efficace et aide à éviter les
accidents ou d'en amoindrir la gravité en permettant
au conducteur de mieux maîtriser son véhicule.
Vu son effet désinhibant, l'alcool représente un
facteur de risque d'une conduite trop rapide. Il fau-
drait donc aussi tenir compte de l'influence de l'al-
cool en relation avec une vitesse inadaptée. Tout un
assortiment de mesures fondées et réalisables existe
déjà dont, par exemple, l'interdiction faite aux nou-
veaux conducteurs de consommer de l'alcool avant
de prendre le volant.
Mais les nouveaux jeunes conducteurs ne sont pas
seulement particulièrement dangereux pour eux-
mêmes et pour les autres quand ils ont bu. La for-
mation à la conduite en deux phases doit permettre
d'influencer positivement leur comportement en
matière de vitesse. En 2011, l'évaluation de cette
mesure montrera si les attentes ont été satisfaites ou
s'il faut adapter cette mesure importante.
Une mesure nouvelle et encore peu implantée est
l'Intelligent Speed Adaptation (ISA). Il s'agit d'in-
former, de différentes manières, les conducteurs de
véhicules à moteur des vitesses maximales en vi-
gueur. Ce système va s'imposer d'une manière ou
d'une autre et il contribuera certainement à aug-
menter la sécurité routière.
Les campagnes médiatiques sur le thème de la
sécurité routière en général et sur la vitesse en parti-
culier doivent remplir plusieurs critères pour pouvoir
contribuer à la sécurité routière. Leurs contenus
devraient se baser sur des analyses scientifiques, une
théorie et être réalisés en combinaison avec d'autres
activités. Des instructions d'action concrètes pour les
groupes cible doivent toujours être au centre des
contenus communiqués.
En ce qui concerne les interventions visant à changer
le comportement pour une conduite à une vitesse
conforme (par ex.: campagnes, éducation routière,
perfectionnement), retenons qu'elles exigent une
approche sociétale globale qui tienne compte, entre
autres, des facteurs démographiques, de l'environ-
nement physique et social, de facteurs personnels et
de développement et des capacités nécessaires à la
conduite. Les approches unidimensionnelles qui,
par ex., essaient de motiver les conducteurs de véhi-
cules à moteur à adopter une vitesse adéquate par
la transmission de connaisssances uniquement n'at-
teindront probablement pas leur but.
Les nombreuses connaissances disponibles et utili-
sées dans ce rapport ne doivent pas masquer le fait
que quelques questions importantes restent encore
sans réponse. Ainsi, par ex., l'influence de la puis-
sance massique du véhicule sur le comportement
des conducteurs de véhicules à moteur n'est pas
encore clarifiée. L'influence des passagers – particu-
lièrement sur le comportement relatif à la vitesse des
jeunes conducteurs – n'a pas encore été étudiée
pour la Suisse. Des recherches supplémentaires sont
donc nécessaires.
24 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Tableau 1 Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse
Mesure Recommandation
Contrôles de police
Systèmes de mesure de la vitesse fixes, manuels et bien reconnaissables Très recommandé
Systèmes de mesure fixes et automatisés Très recommandé
Choix aléatoire des lieux de mesure fixes et manuels selon l'endroit et le moment Très recommandé
Contrôles de police annoncés flanqués d'une campagne Très recommandé
Contrôles de police accrus Très recommandé
Introduction de contrôles de vitesse sur un long tronçon Recommandé (l'efficacité devrait encore être démontrée au moyen de phases d'essai en cours)
Choix non aléatoire des endroits de mesure de la vitesse fixes et manuels (par ex., points noirs, violations des règles de la circulation routière plus fréquentes)
Recommandé
Plus de contrôles de la vitesse fixes sur les routes hors localité (manuels et automatisés) Recommandé
Contrôles de la vitesse mobiles avec des véhicules banalisés Recommandé sous condition (pratiquement pas d'effet préventif général)
Nouveaux conducteurs
Examiner si la formation à la conduite en deux phases doit encore être améliorée du point de vue de son efficacité (après la fin de l'évaluation en 2011)
Très recommandé
Stratégie préventive
Concentrer les activités sur tous les délinquants de la vitesse (pas seulement sur les chauffards) Très recommandé
Mesures destinées au groupe cible de ceux qui roulent particulièrement vite (chauffards) Recommandé
Technique du véhicule
Introduction d'ISA (Intelligent Speed Adaptation) seulement avec affichage de la vitesse maximale autorisée Très recommandé
ISA avec avertissement lorsque la vitesse maximale autorisée est dépassée Très recommandé ou recommandé (dé-pend de la conception)
Faire connaître et clairement encourager le contrôle électronique de la stabilité (information et campagnes) Très recommandé
Poursuivre les activités pour augmenter le taux de port de la ceinture de sécurité sur tous les types de routes et sur tous les sièges
Très recommandé
Rendre obligatoire les sytèmes sonores et lumineux qui avertissent le conducteur si quelqu'un n'a pas bouclé sa ceinture (aussi sur les sièges arrière)
Très recommandé, mais dépend de l'évolu-tion dans l'UE
ISA que l'on peut arrêter Recommandé
ISA qu'il faut allumer Recommandé sous condition (qui et à quelle fréquence allumerait ISA?)
Sanctions et mesures administratives
Plus de retraits de permis comme mesure administrative (aussi en combinaison avec des cours visant à changer le comportement), en complément aux sanctions
Très recommandé
Evaluation du système en cascade et, évent., propositions d'amélioration Très recommandé
Examiner quels excès de vitesses, en et hors localité, déterminent quelles sanctions (sanctions et mesures administratives) (en tenant compte des dernières connaissances scientifiques, modèle «Power»)
Recommandé
Accélerer le sanctionnement ( sanctions et mesures administratives) Recommandé
Lettre d'avertissement aux délinquants de la vitesse («Incentive letter») (dans le cadre du système actuel) Recommandé (mais difficile à réaliser vu l'article 16 a, b et c LCR)
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 25
74
Tableau 1 (suite) Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse
Mesure Recommandation
Campagnes de sécurité routière
Campagnes de sécurité routière théoriquement fondées et tenant compte de l'état actuel des connaissances scientifiques d'optimisation de l'efficacité
Recommandé (dans l'idéal, combiné à d'autres mesures)
Campagnes de sécurité routière spécifiques et aléatoires (en ce qui concerne le lieu et le moment) pour annoncer les contrôles de police, afin que les conducteurs se rendent compte que les contrôles ont lieu partout et à tout moment
Recommandé
Changer le comportement
Appliquer des concepts intégrants qui, en ce qui concerne le comportement en matière de vitesse, tiennent compte des facteurs psychologiques, sociaux, liés aux spécificités de chaque sexe
Très recommandé
Augmenter la perception subjective du risque par des mesures infrastructurelles (exemple: réduire optique-ment la largeur de la chaussée par un marquage)
Recommandé
Conduite sous l'influence de l'alcool
Le thème de l'alcool au volant doit continuer à faire l'objet de la plus grande attention (cf dossier de sécurité «Capacité de conduire réduite»
Très recommandé
Infrastructure: formation des ingénieurs et des concepteurs
Formation: sensibilisation à la sécurité routière et transmission de connaissances de base spécialisées Très recommandé
Perfectionnement: organisation/coordination de congrès spécialisés et formation continue obligatoire Très recommandé
Pendant la formation tout comme lors de cours de perfectionnement, il faut intensifier le traitement des thèmes suivants relatifs à la conception d'infrastructures routières: - projet de routes à orientation trafic en localité - conception de routes hors localité - principes de signalisation des vitesses maximales
Très recommandé
Infrastructure: instruments de contrôle de la sécurité
Introduire les road safety audits comme partie intégrante du projet Très recommandé
Faire des inspections de sécurité routière en se concentrant sur la tolérance aux erreurs et la compréhension d'infrastructures de trafic
Très recommandé
Gestion des points noirs Recommandé
Infrastructure: normes
Nouvelle définition de la notion de vitesse de base dans les normes VSS Recommandé sous condition (pas urgent)
Infrastructure: possibilités juridiques
Demande et réalisation d'infrastructures adéquates Très recommandé
Modification des articles 4a OCR et 22 OSR ou retrancher la règlementation relative aux zones 30 de l'article 108.2 OSR
Très recommandé
Responsabilité de l'exploitant d'infrastructures déficientes en cas d'accident Actuellement, recommandé sous condi-tion (obstacles et risques financiers trop élevés), selon l'évolution au niveau fédéral, peut-être relevant dans le futur
Réévaluation de certaines normes VSS en ce qui concerne leur importance juridique en devenant des directi-ves du DETEC
Recommandé sous condition (faible acceptation attendue)
Recherche
Etude scientifique sur l'influence des passagers sur l'accidentalité des jeunes conducteurs Très recommandé
Etude de faisabilité sur la quantification exacte des accidents dus à la vitesse, imputables à des infrastructures déficientes
Recommandé
Méthode de reconnaissance précoce de défauts techniques de sécurité dans le tracé en plan Recommandé
Projet de recherche sur l'effet de la puissance massique sur la conduite ou sur l'accidentalité Recommandé
Vérifier la validité du concept «sensation seeking» pour examiner l'aptitude caractérielle Recommandé sous condition (mesure de prévention particulière pure pour très peu de conducteurs)
Sensibilisation de l'opinion publique
Promouvoir l'acceptation du modèle 50/30 km/h du bpa auprès des autorités compétentes et de la population Très recommandé
Sensibiliser l'administration et le monde politique à l'importance de l'infrastructure pour la sécurité routière Recommandé
26 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3. Riassunto
3.1 Introduzione
Il Fondo di sicurezza stradale (FSS) persegue un'e-
rogazione di fondi focalizzata sui punti ad alta
incidentalità e sulle misure efficaci. Ciò è possibile
mediante un'ampia gestione della conoscenza. La
Commissione amministrativa dell'FSS ha commis-
sionato un mandato di prestazione a lungo termi-
ne con cui chiede all'upi, Ufficio prevenzione infor-
tuni, di elaborare le basi necessarie. In questo
contesto, i Dossier sicurezza ricoprono un impor-
tante mandato parziale. Questi, infatti, compren-
dono l'analisi orientata alla prevenzione dei temi
prioritari nell'antinfortunistica. Questi dossier riven-
dicano di contenere lo stato delle conoscenze
attuale per permettere delle decisioni basate
sull'evidenza.
La pubblicazione è destinata a persone e istituzioni
che sono responsabili della pianificazione e del
finanziamento di misure di prevenzione o altre mi-
sure rilevanti per la sicurezza stradale.
La velocità di marcia dei veicoli a motore influenza
in modo determinante la sicurezza stradale: 1) le
velocità elevate accorciano il tempo per poter rea-
gire a una situazione stradale e aumentano in que-
sto modo la probabilità che si verifichi un incidente;
2) la velocità influenza la gravità di un eventuale
incidente. Specialmente tra gli utenti molto vulne-
rabili (pedoni, ciclisti, motociclisti) la probabilità di
sopravvivenza dipende moltissimo dalla velocità di
collisione.
3.2 Digressione: pirati della strada
Un argomento che spunta continuamente in rela-
zione ai delitti relativi alla velocità è quello dei co-
siddetti pirati della strada. Questa discussione ri-
specchia un problema generale della prevenzione:
esistono dei gruppi ad elevato rischio (per esempio
i pirati della strada), ma a questa categoria spesso
molto piccola e perciò imputabile solo una parte
piuttosto esigua del problema. I gruppi invece che
sono solo leggermente evidenti (= che portano
velocità leggermente elevate) sono molto più gran-
di e pertanto anche molto più spesso una parte del
problema (= incidenti con eccesso di velocità). Ciò
significa che gli interventi efficaci devono mirare sia
ai pirati della strada sia alla vasta massa.
3.3 La velocità da diversi punti di vista
Complessivamente la velocità di marcia è un tema
complesso che va analizzato e affrontato mediante
diverse discipline. L'arredo tecnico del sistema "cir-
colazione stradale" e dei veicoli influenza immen-
samente il livello di velocità e di pericolo. L'analisi
di questi influssi permette di intervenire con la
tecnica del traffico e la telematica stradale. Il siste-
ma legislativo stabilisce il raggio d'azione giuridico
e permette di perseguire le eventuali infrazioni. Va
verificato se le norme o le sanzioni previste hanno
l'effetto desiderato sulla promozione della sicurez-
za e in quale modo possono essere migliorate. Le
misure giuridiche possono influenzare il compor-
tamento del singolo, ma anche i sistemi rispettiva-
mente i pianificatori. La psicologia, infine, illustra in
base a diversi modelli e teorie come viene influen-
zato e può essere cambiato il comportamento rela-
tivo alla velocità dei conducenti di veicoli a motori.
Non è possibile valutare in via definitiva quale sia la
teoria psicologica «migliore». Ma è evidente che le
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 27
teorie che illustrano delle possibilità di intervento
sono più idonee di quelle che contengono un a-
spetto umano con un esiguo potenziale di cam-
biamento.
3.4 Incidentalità
Tra il 1992 e il 2008, negli incidenti probabilmente
correlati alla velocità e rilevati dalla polizia il nume-
ro dei feriti leggeri è diminuito del 22%, quello dei
feriti gravi del 47% e quello dei morti del 59%.
Attualmente (media 2004–2008) gli incidenti corre-
lati alla velocità comportano ogni anno 1251 feriti
gravi e 163 morti.
In oltre la metà dei casi le vittime erano occupanti
di un'automobile e quasi nel 30% dei casi si è
trattato di motociclisti. Con approssimativamente il
5% e il 6% sono stati coinvolti anche rispettiva-
mente dei pedoni e dei ciclisti. Gli incidenti correlati
alla velocità rientrano spesso nella categoria degli
sbandamenti/incidenti a veicolo isolato. Ben il 70%
di tutti i feriti gravi e morti sono riconducibili a tale
causa. Sono state contate particolarmente molte
vittime sulle strade extraurbane (57%). L'elevata
percentuale di sbandamenti/incidenti a veicolo
isolato comporta prevalentemente il ferimento o la
morte degli occupanti stessi dei veicoli. In tutti gli
incidenti che vedono coinvolti delle automobili e
che sono causati dalla velocità non adeguata o
eccessiva, tre quarti delle vittime sono gli occupanti
stessi delle auto. 1 vittima su 6 viaggiava in un'altra
automobile coinvolta nell'incidente, 1 su 15 era un
pedone. Negli incidenti motociclistici correlati alla
velocità è emerso un altro rapporto. In questo caso,
il 95% delle vittime è il motociclista stesso.
Dal punto di vista demografico, i conducenti di un
veicolo a motore che non adeguano la loro guida
alle condizioni meteo o del traffico oppure che
superano il limite di velocità rientrano piuttosto
nella categoria dei maschi tra i 18 e i 24 anni. Più
aumenta l'età, più diminuisce non solo complessi-
vamente la percentuale degli incidenti correlati alla
velocità, ma soprattutto anche la frequenza della
sottocategoria «superamento del limite di veloci-
tà».
3.5 Misure per la gestione della velocità
Affinché i limiti di velocità vengano superati più
raramente e le velocità adeguate alle condizioni
meteo, dello stato della strada o del traffico è ne-
cessario intervenire con delle misure idonee (tabel-
la 1, p. 31).
Nella strategia di prevenzione vanno seguiti due
procedimenti: 1) nella prevenzione speciale bisogna
rivolgersi ai gruppi ad alto rischio (p. es. pirati della
strada) e 2) nella prevenzione generale alla vasta
massa. La prevenzione speciale mira a individuare e
a sanzionare i conducenti di veicoli a motore che
viaggiano a velocità inadeguata (pene e misure
amministrative come per esempio il ritiro della
patente) e a impedire che diventano recidivi. La
prevenzione speciale comprende anche misure
educative o persino terapeutiche applicate in com-
binazione con la revoca della licenza di condurre.
Questo procedimento è fondato, ma non va so-
pravvalutato nei suoi effetti. In base all'esperienza
scientifica con diverse misure, la prevenzione gene-
rale è almeno altrettanto importante. Significa che
c'è bisogno di occuparsi del comportamento relati-
vo alla velocità di una vasta parte della popolazione
che non si autodefinisce assolutamente come pira-
ta della strada e che è convinta di non correre
quando è al volante. Ma l'elevato numero di 2,5
milioni di persone che ogni anno commettono un
28 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
infrazione la dice lunga sulla situazione: non si
tratta solo di un problema di una piccola minorità.
Va rafforzata l'impressione che il superamento del
limite di velocità – anche solo di poco – può già
comportare conseguenze gravi. Nuovi lavori scienti-
fici descrivono alla voce "power model" un nesso
con conseguenze molto più ampie tra la velocità
media e l'incidentalità di quanto supposto finora.
Un superamento della velocità di p. es. 5 km/h
nell'abitato incrementa il potenziale di pericolosità
per un multiplo rispetto a 5 km/h in più sull'auto-
strada. Tali riflessioni sono contenute nel sistema
delle sanzioni svizzero per i delitti relativi alla veloci-
tà (sulle autostrade il limite di velocità segnalato
può essere superato di più rispetto alle strade ur-
bane prima che un'infrazione venga considerata
grave). In base ai dati scientifici nuovi – e se per il
medesimo rischio di pericolo deve essere usata la
stessa misura di sanzione – sarebbe però opportu-
no ripensare i limiti fissati. Pertanto oggi sulle auto-
strade un superamento del limite di velocità di
almeno 35 km/h è considerata un'infrazione grave
(in caso di prima infrazione comporta obbligato-
riamente il ritiro della patente per tre mesi), sulle
strade urbane un superamento di 25 km/h. Se sulle
strade urbane si vorrebbe sanzionare come infra-
zione grave il medesimo rischio di pericolo (relativo
a morti) come sulle autostrade, sulle strade urbane
il limite dovrebbe essere fissato già a un supera-
mento di 15 km/h (che oggi viene sanzionato sol-
tanto con una multa disciplinare).
Nel senso della prevenzione generale, per il com-
portamento relativo alla velocità per i conducenti di
un veicolo a motore non sarà centrale la sanzione
bensì l'aspettativa soggettiva di essere controllati
dalla polizia. In questo ambito negli ultimi anni è
stato fatto moltissimo. Nel frattempo, in Svizzera si
rileva ogni anno la velocità di oltre 500 milioni di
veicoli; la stragrande maggioranza dei controlli
viene effettuata con radar fissi senza la presenza di
agenti. Questi però hanno lo svantaggio che la loro
ubicazione è presto nota e che pertanto hanno un
effetto preventivo notevolmente minore rispetto ai
radar mobili con la presenza di agenti di polizia
ubicati regolarmente in diversi luoghi. Sono però in
ogni caso utili là dove i conducenti di veicoli a mo-
tore devono moderare la velocità per motivi di
sicurezza (punti nevralgici). In Svizzera solo il 3%
dei veicoli che ha subito un controllo della velocità
viaggiava su una strada extraurbana, benché oltre
la metà dei morti sradali sia stata rilevata su questo
tipo di strada. In questo caso urgono misure.
Dal punto di vista della prevenzione generale è
importante che oltre ai radar fissi senza agenti sul
posto ci sia anche un numero sufficiente di radar
fissi con la presenza di agenti di polizia ben in vista.
Nel migliore dei casi i punti e gli orari per i controlli
sono scelti a caso, in modo che i conducenti dei
veicoli a motore abbiano l'impressione che la poli-
zia stradale possa effettuare un controllo in qualsi-
asi momento e dappertutto. La problematica di
questo procedimento provatamente molto efficace
è che a volte si effettuano controlli anche in luoghi
e a orari con poco traffico e con limiti di velocità
raramente superati. È importante che questo venga
comunicato alla popolazione e alle autorità («Ma
qui non succede mai niente ...»).
Oltre alle sanzioni e ai controlli della polizia esiste
tutta una gamma di altre misure per smorzare la
problematica relativa alla velocità e le sue conse-
guenze. Un contributo molto importante può veni-
re dalla tecnica del traffico. Dall'analisi della stati-
stica ufficiale degli incidenti emerge che l'inciden-
talità correlata alla velocità è elevata specialmente
sulle strade urbane ed extraurbane. Nonostante il
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 29
maggior livello di velocità, in questo caso le auto-
strade giocano un ruolo subordinato. Gli interventi
infrastrutturali (architettura ed esercizio) volti ad
influenzare le velocità devono essere vagliati atten-
tamente in merito agli effetti sulla sicurezza. L'e-
sempio della riduzione dei raggi nelle curve illustra i
complessi nessi tra velocità e sicurezza. Raggi infe-
riori impongono delle velocità minori, ma compor-
tano più incidenti se progettati in modo lacunoso.
Gli obiettivi di un'infrastruttura adeguata sono
principalmente: 1) creare una gerarchia semplice
della rete stradale e 2) realizzare strade del tipo self
explaining che tollerano degli errori. In questo mo-
do si vuole garantire che il traffico circoli a velocità
adeguata.
Le strade urbane vanno progettate, costruite e
gestite in modo da tener conto delle esigenze di
tutti gli utenti della strada. Il modello dell'upi 50/30
all'ora si presta particolarmente bene per raggiun-
gere questo obiettivo poiché integra tutte le strade
a funzione di servizio in una zona con limite di
velocità 30 km/h e prevede di arredare tutte le
strade a funzione di traffico nell'abitato in modo
da offrire la maggior sicurezza possibile agli utenti
della strada più vulnerabili. Le strade extraurbane
vanno progettate in modo che comportino delle
velocità omogenee. Le misure correttive (frecce
direttrici, limiti di velocità divergenti) non vanno
prese in considerazione dall'inizio per correggere le
lacune di progettazione. La distanza degli oggetti
fissi al bordo della strada (p. es. muri, staccionate,
pali) e – a determinate condizioni – i guardrail cen-
trali possono ridurre le conseguenze degli incidenti
correlati alla velocità.
La realizzazione concreta di questi interventi in
Svizzera può essere attivata mediante delle misure
a diversi livelli. Gli ingegneri del traffico e i pianifi-
catori vanno sensibilizzati già durante lo studio e/o
in sistematiche formazioni continue in modo parti-
colare ai punti menzionati. Gli strumenti a tappeto
per controllare sistematicamente l'infrastruttura
progettata ed esistente (Road Safety Audit, Road
Safety Inspection, Black Spot Management) vanno
resi obbligatori per tutta la Svizzera.
Le norme VSS rappresentano le regole dell'arte
edilizia nella tecnica del traffico. La loro applicazio-
ne in un progetto può rivelarsi costosa a seconda
delle condizioni quadro. Nella prassi emerge che in
tali casi si tende a risparmiare, accettando dei pos-
sibili effetti negativi sulla sicurezza. Pertanto biso-
gna sensibilizzare la popolazione, la politica e
l'amministrazione nei confronti del significato in
materia di sicurezza delle norme e delle infrastrut-
ture adeguate. In tal modo si intende promuovere
la realizzazione di progetti costosi ma con un eleva-
to livello di sicurezza.
Infine va promosso in modo mirato la realizzazione
del modello upi 50/30 all'ora. Questo può essere
fatto con l'adeguamento delle relative ordinanze o
con la propagazione attiva tra le autorità compe-
tenti o la popolazione.
Tuttavia non bisogna solo prevenire gli incidenti,
ma – se comunque dovessero verificarsi – minimiz-
zare anche le conseguenze delle ferite. L'uso della
cintura di sicurezza è tuttora fondamentale per gli
incidenti correlati alla velocità. Negli ultimi anni, la
Svizzera ha fatto dei progressi significativi in questo
campo. Tuttavia il potenziale di riduzione del nu-
mero delle vittime è ancora elevato. Sono pertanto
necessari ulteriori sforzi.
Quasi altrettanto importante quanto la cintura di
sicurezza è il controllo elettronico della stabilità.
30 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Questo si è rivelato molto efficace e contribuisce a
prevenire gli incidenti o a ridurne la gravità, inter-
venendo in modo che il conducente possa avere un
miglior controllo sul veicolo.
L'alcol disinibisce ed è pertanto un fattore di rischio
per l'eccesso di velocità. Pertanto quando si parla
di velocità inadeguata va tenuto conto anche degli
effetti dell'alcol. A tale scopo è già a disposizione
una vasta gamma di misure scientificamente fon-
date e realizzabili come per esempio il divieto di
bere alcolici per i neopatentati.
I neopatentati giovani però non costituiscono un
pericolo e non sono loro stessi in pericolo solo se
hanno bevuto troppo. Con la formazione in due
fasi si intende influenzare positivamente il loro
comportamento relativo alla velocità. Nel 2011,
l'indagine che accompagna questa misura mostrerà
se le aspettative sono state soddisfatte oppure se
questa misura importante e impegnativa deve esse-
re adeguata.
Una misura relativamente nuova e non ancora
implementata su vasta scala è il sistema intelligente
di adattamento della velocità (ISA). Si tratta di un
sistema che informa i conducenti di veicoli a moto-
re in diversi modi sui limiti di velocità in vigore in
un determinato punto. Questo sistema si imporrà
nell'una o nell'altra forma, apportando certamente
un notevole contributo alla sicurezza stradale.
Le campagne massmediali relative alla sicurezza
stradale in generale e alla velocità in particolare
devono soddisfare diversi criteri per poter contribu-
ire a una maggiore sicurezza stradale. I loro conte-
nuti dovrebbero, in particolare, basarsi su analisi
scientifiche, essere guidati dalla teoria e realizzati in
combinazione con altre attività. Punto centrale dei
contenuti comunicati devono sempre essere delle
indicazioni comportamentali concrete per i destina-
tari.
Complessivamente va sottolineato che gli interventi
per promuovere una guida con velocità adeguata
(p. es. campagne, educazione stradale, corsi di
ripetizione) esigono un approccio globale che tiene
conto dei seguenti aspetti nella società: fattori
demografici, ambiente fisico e sociale, fattori relati-
vi a personalità e sviluppo, competenza a condurre
ecc. Gli approcci monodimensionali che per esem-
pio vogliono motivare i conducenti di veicoli a mo-
tore semplicemente mediante l'istruzione ad ade-
guare la velocità, saranno difficilmente coronati di
successo.
La quantità del sapere disponibile e integrato in
questo rapporto non deve illudere sul fatto che
alcuni dei quesiti importanti sono ancora irrisolti.
L'influsso del rapporto peso/potenza del veicolo sul
comportamento alla guida dei conducenti, per
esempio, non è ancora chiarito. Nemmeno l'influs-
so dei passeggeri – in particolare sul comportamen-
to relativo alla velocità tra i conducenti giovani – è
ancora stato studiato in Svizzera. È dunque ancora
necessario effettuare ulteriori ricerche.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 31
Tabella 1 Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità
Misura Raccomandazione
Controlli della polizia
Radar fissi, con presenza di agenti e ben in vista Molto raccomandabile
Radar fissi e senza presenza di agenti Molto raccomandabile
Scelta casuale dell'ubicazione e degli orari dei radar fissi con presenza di agenti Molto raccomandabile
Controlli annunciati e fiancheggiati da campagna Molto raccomandabile
Controlli generalmente intensificati Molto raccomandabile
Introdurre controlli della velocità su una tratta stradale più lunga Raccomandabile (efficacia dovrebbe ancora essere mostrata mediante fase di prova in corso)
Scelta non casuale dei radar fissi con presenza di agenti (per esempio luoghi ad alta incidentalità oppure con frequenti infrazioni ecc.)
Raccomandabile
Maggiori controlli della velocità fissi sulle strade extraurbane (con e senza agenti) Raccomandabile
Controlli della velocità mobili con auto civetta Parzialmente raccomandabile (pratica-mente nessun effetto di prevenzione generale)
Neopatentati
Verificare se la formazione in due fasi va migliorata per ottenere una maggiore efficacia (dopo conclusione della valutazione nel 2011)
Molto raccomandabile
Strategia di prevenzione
Concentrare le attività su tutti i conducenti che superano il limite di velocità (non solo pirati della strada) Molto raccomandabile
Misure per la categoria dei conducenti che superano di molto il limite di velocità (pirati della strada) Raccomandabile
Tecnica dei veicoli
Introdurre il sistema di adattamento della velocità ISA (Speed Adaptation) solo con l'indicazione del limite di velocità in vigore
Molto raccomandabile
ISA con avvertimento se si supera il limite di velocità in vigore Molto raccomandabile o raccomandabile (dipende da come è realizzato)
Promuovere notevolmente la notorietà e l'uso del controllo elettronico della stabilità mediante informazione e campagne
Molto raccomandabile
Continuare le attuali attività per incrementare il tasso d'uso delle cinture su tutte le strade e su tutti i posti a sedere
Molto raccomandabile
Rendere obbligatori i sistemi acustici e luminosi che informano il conducente che una persona a bordo non è allacciata (anche sui sedili posteriori)
Molto raccomandabile, ma dipendente dallo sviluppo nell'Ue
ISA che può essere disattivato Raccomandabile
ISA che deve essere attivato Parzialmente raccomandabile (da chi e con quale frequenza verrebbe attivato ISA?)
Pene e misure amministrative
Applicare maggiormente la misura amministrativa che prevede il ritiro della patente (anche in combinazione con corsi di rieducazione) per integrare le sanzioni
Molto raccomandabile
Valutazione del sistema a cascata ed eventuali proposte di miglioria Molto raccomandabile
Verificare di quanto è stato superato il limite di velocità sulle strade urbane ed extraurbane nelle infrazioni che hanno servito come base per stabilire le pene e le misure amministrative (tenendo conto dei recenti dati scientifici, del Power-Model)
Raccomandabile
Accelerare i sanzionamenti (pena e misura amministrativa) Raccomandabile
«Incentive letters» (nel senso di un sollecito) per chi ha superato il limite di velocità (nel quadro del sistema esistente)
Raccomandabile (ma in base articoli 16 a, b e c LCStr non facile da realizzare)
32 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Continuazione Tabella 1 Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità
Misura Raccomandazione
Campagne di sicurezza stradale
Campagne di sicurezza stradale basate su teoria e che tengono conto degli attuali dati scientifici per migliora-re l'efficacia
Raccomandabile (ideale se combinato con altre misure)
Campagne di sicurezza stradale specifiche per annunciare i controlli della polizia effettuati in luoghi e orari scelti a caso, in modo che il conducente si renda conto che i controlli possono essere effettuati in qualsiasi luogo e orario
Raccomandabile
Cambiamento del comportamento
Usare concetti integrativi che tengono conto di fattori psicologici, sociali e relativi al sesso nell'ambito del comportamento relativo alla velocità
Molto raccomandabile
Aumentare la percezione soggettiva del rischio mediante misure infrastrutturali (esempio: restringere ottica-mente la larghezza della strada mediante segnali orizzontali)
Raccomandabile
Guidare sotto l'effetto di alcol
All'alcol va ancora dedicato molta attenzione nel senso del dossier sicurezza «Capacità di guida limitata dei conducenti di veicoli a motore» (riassunto in italiano)
Molto raccomandabile
Infrastruttura: formazione di ingegneri e pianificatori
Prima formazione: sensibilizzare nei confronti della sicurezza stradale e istruzione di nozioni base tecnico-specifiche
Molto raccomandabile
Formazione continua: organizzare e coordinare convegni tecnico-specifici e rendere obbligatoria la formazione continua
Molto raccomandabile
Sia nella prima formazione sia nella formazione continua va intensificato l'approfondimento dei seguenti argomenti in materia di progettazione di impianti stradali: - progettazione di strade urbane a funzione di traffico - progettazione di strade extraurbane - principi per segnalare i limiti massimi di velocità
Molto raccomandabile
Infrastruttura: strumenti per verificare la sicurezza
Introdurre i Road Safety Audit come fase di progetto standard Molto raccomandabile
Organizzare Road Safety Inspection focalizzati sulla tolleranza di errori e la leggibilità intuitiva degli impianti stradali
Molto raccomandabile
Black Spot Management Raccomandabile
Infrastruttura: norme
Ridefinire il termine "velocità di progetto" nelle norme VSS Parzialmente raccomandabile (non urgente)
Infrastruttura: possibilità giuridiche
Esigere e realizzare un'infrastruttura adeguata Molto raccomandabile
Modificare l'articolo 4a della ONC nonché l'articolo 22 della OSStr oppure scorporare le regolamentazioni relative alle zone 30 km/h dall'articolo 108.2 della OSStr
Molto raccomandabile
Responsabilità dei gestori di infrastrutture lacunose in caso di incidenti Oggi parzialmente raccomandabile (ostacoli e rischi economici troppo alti), a seconda dello sviluppo a livello federale eventualmente rilevante in futuro
Rivalutare determinate norme VSS rispetto al loro significato giuridico, dichiarandole direttive del DATEC Parzialmente raccomandabile (probabil-mente poco accettato)
Ricerca
Studio scientifico sull'influenza dei passeggeri sull'incidentalità dei conducenti giovani Molto raccomandabile
Studio sulla fattibilità per quantificare in modo preciso l'incidentalità correlata alla velocità che è dovuta a un'infrastruttura lacunosa
Raccomandabile
Procedimento per riconoscere presto le carenze di sicurezza del tracciato orizzontale Raccomandabile
Progetto di ricerca sugli effetti del rapporto peso/potenza sul comportamento alla guida ovvero sull'incidenta-lità
Raccomandabile
Verificare se il concetto del sensation seeking (ricerca di sensazioni) possa essere usato per verificare l'idonei-tà caratteriale
Parzialmente raccomandabile (pura misura di prevenzione speciale per pochissimi conducenti altamente toccati dal problema)
Relazioni pubbliche
Promuovere l'approvazione del modello upi 50/30 all'ora tra le autorità competenti e nella popolazione Molto raccomandabile
Sensibilizzare l'amministrazione e la politica nei confronti del significato dell'infrastruttura per la sicurezza stradale
Raccomandabile
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Einleitung 33
III. Einleitung
Der Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt
eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte im
Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen aus-
gerichtet ist. Voraussetzung dafür ist ein umfas-
sendes Wissensmanagement. Die Verwaltungs-
kommission des FVS hat der bfu – Beratungsstelle
für Unfallverhütung einen langfristig angelegten
Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendi-
gen Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers
decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie
umfassen die präventionsorientierte Analyse von
Schwerpunkten im Unfallgeschehen. Diese Dossiers
haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand
wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidun-
gen zu ermöglichen.
Die Publikation richtet sich an Personen und Insti-
tutionen, die für die Planung und Finanzierung
von Präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten
Massnahmen im Strassenverkehr verantwortlich
sind.
Das Thema Geschwindigkeit polarisiert aus ver-
schiedener Sicht: Geschwindigkeit, sei es in Form
von Höchstgeschwindigkeiten oder auch in Form
des Geschwindigkeitsverhaltens der Auto- und
Motorradfahrenden ist ein Politikum. Die Raser-
Debatte wird seit Jahren intensiv geführt. Es ist
Aufgabe der Experten die teilweise plakativen
Analysen und Lösungsvorschläge zu bewerten und
den wirksamen Lösungen zum Durchbruch zu
verhelfen.
Die Höchstgeschwindigkeiten sind immer wieder
ein Diskussionsgegenstand. Die Schweiz hat – wie
viele andere Länder auch – in den vergangenen
Jahrzehnten die allgemeinen Höchstgeschwindig-
keiten gesenkt. Nebst anderen Faktoren dürfte dies
einer der Gründe sein, warum die Schweiz im in-
ternationalen Vergleich der Unfallstatistik gut ab-
schneidet. Zusammen mit Schweden und Holland
gehört die Schweiz diesbezüglich zur Spitze in
Europa. Pro 1 Mio. Einwohner gab es im Jahr 2006
in der Schweiz 50 Getötete, in Schweden 49 und
in Holland 45.
Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – gibt
es immer wieder Bestrebungen, die allgemeinen
Höchstgeschwindigkeiten, insbesondere auf Auto-
bahnen, zu lockern bzw. zu erhöhen.
Die Fahrgeschwindigkeit hat einen entscheidenden
Einfluss auf die Verkehrssicherheit: Einerseits ver-
kürzen hohe Geschwindigkeiten die Zeit, um auf
Verkehrssituationen reagieren zu können, und
erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass es
zu einem Unfall kommt. Andererseits beeinflusst
die Geschwindigkeit die Schwere eines allfälligen
Unfalls. Gerade bei den sehr verletzlichen Ver-
kehrsteilnehmenden (Fussgänger, Rad- und Motor-
radfahrende) hängt die Überlebenswahrscheinlich-
keit bei Unfällen sehr stark von der Kollisionsge-
schwindigkeit ab.
Die gefahrenen Geschwindigkeiten haben einen
doppelten Einfluss auf die Umwelt. Einerseits steigt
der Benzinverbrauch mit höherer Geschwindigkeit
überproportional. So war beispielsweise die
Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, die in der
Schweiz aus Anlass der ersten Ölkrise im Jahr 1973
34 Einleitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
vorübergehend eingeführt worden war, mit dem
verringerten Energieverbrauch begründet worden.
Davis [1] konnte aufzeigen, dass das Verhältnis
zwischen Kraftstoffverbrauch und gefahrener Ge-
schwindigkeit eine umgekehrte U-Funktion ist. Die
Anzahl gefahrener Meilen pro verbrauchte Gallone
Benzin (= ca. 4 Liter) ist am höchsten im Bereich
von 40 bis 55 mph (Meilen pro Stunde), d. h. zwi-
schen 65 und 90 km/h. Der Mehrverbrauch führt
zu mehr Abgasen, wobei sich die heutige Diskussi-
on vor allem auf das klimaschädigende CO2 und
den Feinstaub, der durch Dieselfahrzeuge und
Autoreifen produziert wird, konzentriert.
Der andere wichtige Umwelteffekt der Geschwin-
digkeit ist der Lärm. In der Schweiz sind laut Bun-
desamt für Umwelt (BAFU) etwa 1,2 Mio. Men-
schen oder 16 % der Schweizer Wohnbevölkerung
tagsüber schädlichem oder lästigem Verkehrslärm
ausgesetzt [2]. Nachts sind es immer noch 10 %.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Verkehrs-
lärm zu verringern, beispielsweise mit Flüsteras-
phalt und geräuscharmen PW-Reifen. Eine weitere
Möglichkeit ist die gefahrene Geschwindigkeit. Sie
wirkt sich insbesondere auf die Wind- und Rollge-
räusche aus. Schliesslich soll eine Verringerung der
gefahrenen Geschwindigkeit um 20 km/h den
Lärm in etwa halbieren.
Entsprechende Abklärungen haben gezeigt, dass
viele Sicherheitsmassnahmen auch positive Auswir-
kungen auf die Umweltbelastung haben. In diesem
Sinn dürfte das Sicherheitsdossier Geschwindigkeit
auch über Verkehrssicherheitskreise hinaus von
Interesse sein.
Neben den negativen Effekten der Geschwindigkeit
darf man nicht vergessen, dass ein erheblicher Teil
der Bevölkerung Freude am schnellen Fahren hat:
Hunderttausende erhalten jedes Jahr Bussen we-
gen überhöhter Geschwindigkeit. Autorennen
haben viele Fans, Fahrzeuge werden getunt usw.
Weitere oft genannte Gründe für schnelles Fahren
sind Eile, die Tatsache, dass man von anderen, die
dicht auffahren, dazu gezwungen wird oder auch
die Einschätzung, dass moderne Autos schneller
fahren können. Deshalb wird ein Bericht, der die
Geschwindigkeit aus Verkehrssicherheitssicht the-
matisiert, wohl auch Anstoss erregen.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Exkurs: Raser 35
IV. Exkurs: Raser
Ein Thema, das im Zusammenhang mit den Ge-
schwindigkeitsdelikten immer wieder auftaucht
sind die sogenannten Raser. Dabei stellt sich zu-
nächst einmal die Frage was überhaupt ein Raser
ist. Offensichtlich ist es jemand, der zu schnell
fährt, und zwar deutlich zu schnell. Wiprächtiger
stellt verschiedene mögliche Definitionen vor [3].
Im Zusammenhang mit der Initiative «Kampf gegen
Raser» wurden 80 km/h in Tempo-30-Zonen,
100 km/h innerorts, 160 km/h ausserorts oder
200 km/h auf Autobahnen genannt. Jürg Boll von
der Zürcher Staatsanwaltschaft versteht darunter
Motorfahrzeuglenkende, die durch eine besonders
drastische Überschreitung der Höchstgeschwindig-
keit oder eine andere hochriskante Fahrweise wie
Durchführung von Autorennen auf öffentlichen
Strassen auffallen. Wiprächtiger selber neigt einer
eher psychologischen Definition zu, die die Motiva-
tion für die Übertretung der Höchstgeschwindig-
keit berücksichtigt. Diese Differenzierung scheint
allerdings aus Sicht der Verkehrssicherheit, bei der
es ja um die kinetischen Energien bei einem Unfall
geht, weniger sinnvoll (Die Frage der Motivation ist
dann allerdings bei therapeutischen/rehabilitativen
Interventionen bedeutsam). Auch die bfu hat eine
Definition von Rasern. Sie beinhaltet einerseits eine
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten in
der Grössenordnung der schweren Widerhandlun-
gen (um mindestens 25 bis 35 km/h, je nach Stras-
senart) und andererseits eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer bzw. Nichtanpassung an die
Witterungsverhältnisse. Einig scheint man sich
jedoch zu sein, dass es eine erhebliche Überschrei-
tung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit gege-
ben haben muss.
Es gibt pro Jahr rund 140 000 Anzeigen wegen
überhöhter Geschwindigkeit. 21 500 Personen
wurden von den Gerichten wegen grober Ver-
kehrsregelverletzungen verurteilt. Die Verurteilten
sind zum allergrössten Teil Männer, je die Hälfte
unter und über 35 Jahre alt und knapp die Hälfte
Ausländer.
Ein Vergleich der Verurteilungen nach dem Stras-
senverkehrsgesetz mit der Unfallstatistik, insbeson-
dere was die Anzahl ausländischer Motorfahrzeug-
lenkender angeht, ist nicht möglich, da nicht alle
Kantone Nationalität und Wohnort der Ausländer
korrekt kodieren. Man muss jedoch konstatieren,
dass Unfälle mit einer Überschreitung der Höchst-
geschwindigkeit nur einen Teil der Geschwindig-
keitsproblematik ausmachen (das Überschreiten
der Höchstgeschwindigkeit nimmt Platz 3 der ver-
schiedenen Geschwindigkeitsmängel ein) und dass
die Geschwindigkeitsmängel generell «nur» bei
jedem 4. schweren Unfall von der Polizei als Ursa-
che gesehen werden.
Somit würde eine Beschränkung der Geschwindig-
keitsproblematik auf eine Raserdebatte allein dem
Thema nicht gerecht. Die Hochrisikogruppe mit
äusserst bedenklichen Einstellungen zur Geschwin-
digkeit und einem dementsprechenden Verhalten
ist gezielt anzugehen. Aber selbst wenn diese voll-
ständig aus dem Strassenverkehr eliminiert würde,
so gäbe es dennoch Geschwindigkeitsunfälle und
Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit.
Diese Frage erinnert stark an die Unfalldebatte der
frühen Verkehrssicherheitsarbeit aus dem Beginn
36 Exkurs: Raser bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
des 20. Jahrhunderts. Dort war überlegt worden,
die unfallträchtigsten Motorfahrzeuglenkenden zu
eliminieren. Es hatte sich zwar herausgestellt, dass
es Personen mit höherem Unfallrisiko gibt, dass
aber deren Ausschluss vom Strassenverkehr nur
marginale Verbesserungen der Verkehrssicherheit
bringen würde, da der weitaus grösste Teil der
Unfälle durch an sich unauffällige Personen verur-
sacht wird.
Diese Diskussion widerspiegelt ein generelles Prob-
lem der Prävention, dass es zwar Hochrisikogrup-
pen gibt (beispielsweise Raser), diese aber zumeist
sehr klein sind und deshalb auch nur für einen eher
geringen Teil des Problems verantwortlich sind.
Gruppen hingegen, die nur leicht auffällig sind
(= etwas zu schnell fahren) sind sehr viel grösser
und demzufolge auch sehr viel öfter ein Teil des
Problems (= Unfälle mit überhöhter Geschwindig-
keit). Für eine wirksame Prävention bedeutet dies,
dass zweigleisig gefahren werden muss: Einerseits
sollen die präventiven Anstrengungen primär dar-
auf abzielen, die Motorfahrzeuglenkenden dazu zu
bringen etwas langsamer und situationsangepass-
ter zu fahren. Ergänzend ist eine Hochrisikogrup-
penstrategie notwendig. Für beide Strategien be-
darf es je adäquater Massnahmen technischer,
pädagogischer und / oder rechtlicher Natur.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 37
V. Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht
1. Einleitung
In diesem Kapitel werden verschiedene Ansätze/
Perspektiven zur Geschwindigkeitsthematik und
der Problemanalyse dargestellt. Diese zeigen auf,
dass das Problem verschiedene Ursachen hat – und
dass Lösungen auf verschiedensten Ebenen gefun-
den werden müssen.
2. Geschwindigkeit aus Sicht der Un-
fallverhütung
Geschwindigkeit hat, wie erwähnt, einen zweifa-
chen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Einerseits
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem
Unfall kommt, mit steigender Geschwindigkeit.
Daneben hat die Geschwindigkeit aber auch einen
Einfluss darauf, wie schwer ein Unfall ist.
2.1 Geschwindigkeit als Risikofaktor für
die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls
Die Gründe dafür, dass sich bei höheren Ge-
schwindigkeiten mehr Unfälle ereignen sind vielfäl-
tig. Es besteht eine erhöhte Gefahr, dass man die
Kontrolle über das Fahrzeug verliert, man hat we-
niger lange Zeit auf Hindernisse jeglicher Art zu
reagieren, auch andere Verkehrsteilnehmende
verschätzen sich möglicherweise hinsichtlich tat-
sächlichen Geschwindigkeiten des schnelleren
Fahrzeugs und können somit weniger gut und
nicht ausreichend schnell reagieren.
Es gibt etliche Studien, die sich mit dem Zusam-
menhang von gefahrener Geschwindigkeit und
Unfallwahrscheinlichkeit beschäftigt haben. Der
Zusammenhang ist eindeutig. Je schneller gefahren
wird, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass
es zu einem Unfall kommt. In den verschiedenen
Studien variiert dieses Ausmass. Wenn man sich
nur auf die Unfälle mit Verletzten konzentriert, so
besteht nach Elvik et al. in etwa eine quadratische
Beziehung zwischen prozentualem Anstieg der
Geschwindigkeit und prozentualem Anstieg der
Unfälle mit Verletzten [4]. Eine 10%ige Erhöhung
der gefahrenen Geschwindigkeiten würde somit zu
einem Anstieg der verletzten Personen um 21 %
führen. Wenn man sich hingegen nur auf die Un-
fälle mit Sachschaden konzentriert, dann ist es
hingegen ein direkter linearer Zusammenhang
(Abbildung 3, S. 40).
Eine Meta-Analyse von Elvik und Vaa basierend auf
36 Studien ergab, dass pro Stundenkilometer Ge-
schwindigkeitsreduktion die Anzahl der Unfälle um
2 % abnahm [5].
2.1.1 Reaktionszeit
In diesem Zusammenhang soll auch kurz die Frage
der Reaktionszeiten angeschnitten werden. Reakti-
onszeiten werden oft pauschal mit einer Sekunde
abgerechnet. Die empirischen Befunde, die es zu
diesem Thema gibt, legen nahe, dass es zwar mög-
lich ist, innerhalb von einer Sekunde zu reagieren,
dass aber unter normalen Alltagsbedingungen
diese Zeiten erheblich grösser sein dürften. Durch-
schnittlich muss wohl eher mit 1,25 bis 1,5 Sekun-
den gerechnet werden. Wenn die allermeisten
Bremsmanöver abgedeckt werden sollen, dann
38 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
muss wohl mit Reaktionszeiten (genauer «percep-
tion-reaction time») von 2 Sekunden oder noch
mehr gerechnet werden. Dies ist in verschiedener
Hinsicht wichtig. Neulenkende müssen die richti-
gen Zeiten lernen, damit sie sich für rechtzeitiges
Anhalten dementsprechend verhalten, Verkehrs-
techniker müssen dies in ihrer Arbeit berücksichti-
gen um beispielweise für ausreichende Sichtweiten
zu sorgen. Und selbst in den Bereich der Unfallbe-
gutachtung und der Rechtsprechung spielt dies
hinein. Die bfu arbeitet zurzeit daran, diese Prob-
lematik mit den betroffenen Gruppen zu diskutie-
ren.
2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsge-
schwindigkeit als Risikofaktor für einen
Unfall
Eines der frühen Resultate zum Thema Geschwin-
digkeit war, dass sich die Unfallrate pro gefahrenen
Kilometer mit der Abweichung von der durch-
schnittlich gefahrenen Geschwindigkeit erhöht (U-
förmige Funktion, Abbildung 1 [6]). Die geringste
Unfallrate wurde für Fahrzeuge gefunden, die ge-
ringfügig schneller fahren als die Durchschnittsge-
schwindigkeit. Wenn jedoch deutlich schneller oder
deutlich langsamer als die Durchschnittsgeschwin-
digkeit gefahren wurde, stieg die Unfallwahr-
scheinlichkeit an. Dieses Resultat wurde von ver-
schiedenen Autoren gefunden [7,8]. Allerdings gibt
es methodische Einwände. Die Resultate scheinen
methodische Artefakte gewesen zu sein, die da-
durch zustande kamen, dass die langsam fahren-
den Fahrzeuge andere Fahrmanöver wie beispiels-
weise Linksabbiegen durchgeführt haben, die mit
höherem Unfallrisiko verbunden sind.
Fildes et al. [9] konnten mit einer genaueren Unter-
suchung die U-Funktion nicht mehr nachweisen
und fanden eine lineare Beziehung zwischen Ge-
schwindigkeit und Unfallrisiko.
Auch Kloeden et al. [10] kamen mit einer Fall-
Kontroll-Studie zu ähnlichen Resultaten, wobei bei
ihnen allerdings die Beziehung nicht linear war wie
bei Fildes und Lee, sondern bei höherer Geschwin-
digkeit einen Knick nach oben aufwies.
Insgesamt muss man also konstatieren, dass nicht
die Abweichung von den durchschnittlichen gefah-
renen Geschwindigkeiten das Unfallrisiko erhöht.
Vielmehr ist es nach aktuellem Wissensstand so,
dass das Unfallrisiko mit zunehmender Geschwin-
digkeit immer mehr ansteigt.
Abbildung 1 Verschiedene Resultate betreffend Zusammenhang der Abwei-chung von der durchschnittlichen gefahrenen Geschwindigkeit und der Unfallwahrscheinlichkeit
Quelle: TRB [6]
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 39
2.2 Geschwindigkeit als Risikofaktor für
die Schwere von Verletzungen
Insbesondere für die Fussgängersicherheit und die
Sicherheit anderer «vulnerable road user» ist die
Geschwindigkeit ein entscheidendes Element, denn
deren Überleben hängt in sehr starkem Masse von
den Kollisionsgeschwindigkeiten ab. Exemplarisch
sollen hier Ergebnisse von Pasanen ([11] zitiert nach
[12]) präsentiert werden, die aufzeigen, wie drama-
tisch die Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger
mit zunehmender Kollisionsgeschwindigkeit an-
steigt. Bei einer Kollision mit 30 km/h sterben we-
niger als 6 % der Fussgänger, bei 50 km/h sind es
jedoch bereits 40 % (Abbildung 2). In Wahrheit ist
diese Kurve noch weitaus dramatischer, weil ein
grosser Teil der getöteten Fussgänger höheren
Alters ist und deren Sterbewahrscheinlichkeit noch
grösser ist als diejenige der durchschnittlichen Er-
wachsenen. Diese Kurve entspricht derjenigen, die
die bfu in ihren Publikationen meistens verwendet
und die das Problem wohl realistischer darstellt als
diejenige von Pasanen.
Das Power-Model von Nilsson [13] zeigt auf, wie
die Wahrscheinlichkeit des Unfallgeschehens in
Abhängigkeit von Änderungen der Durchschnitts-
geschwindigkeit variiert. Es handelt sich dabei um
eine exponentielle Funktion. Bei einer Erhöhung
der Geschwindigkeit um x % (=1+x/100) steigt die
Anzahl beispielsweise der Unfälle mit Getöteten
auf (1+x/100)4. Bei Nilsson betrug der Exponent für
Unfälle mit Getöteten 4, für Unfälle mit Schwerver-
letzten und Getöteten 3 und für alle Unfälle mit
Verletzten 2. Das ursprüngliche Power-Model wur-
de von Elvik et al. einer empirischen Überprüfung
unterzogen. Dabei zeigte sich, dass die Zahlen von
Nilsson zwar gut aber nicht ganz korrekt waren.
Elvik et al. kamen zu folgenden Exponenten [4]:
• Getötete: 4,5 (Konfidenzintervall: 4,1–4,9)
• Schwerverletzte: 3,0 (2,2–3,8)
• Leichtverletzte: 1,5 (1,0–2,0)
• Alle Verletzten: 2,7 (0,9–4,5)
• Unfälle mit Getöteten: 3,6 (2,4–4,8)
• Unfälle mit Schwerverletzten: 2,4 (1,1–3,7)
• Unfälle mit Leichtverletzten: 1,2 (0,1–2,3)
• Alle Unfälle mit Verletzten: 2,0 (1,3–2,7)
• Unfälle mit Sachschaden: 1,0 (0,2–1,8)
Wenn man diese Zusammenhänge in grafischer
Form darstellt, dann erkennt man, dass Verände-
rungen der Geschwindigkeiten (egal ob nach oben
oder nach unten) sich besonders stark auf die
schwersten Unfälle bzw. Verletzungen auswirken.
So ergibt ein Anstieg der durchschnittlichen Ge-
schwindigkeit um 10 % (also beispielsweise von 50
auf 55 km/h) einen Anstieg der Getöteten um
54 %. Die Anzahl der Leichtverletzten hingegen
steigt nur um 15 %. Umgekehrt ist es auch so,
dass Reduktionen der Geschwindigkeiten sich be-
sonders positiv bei der Anzahl der Getöteten sowie
der Schwerverletzten auswirken: Hier würde eine
Reduktion der Geschwindigkeit um 10 % die
Abbildung 2 Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs mit dem kollidiert wird, in Prozent
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100km/h
Sterbewahrscheinlichkeit
Quelle: Peden et al. [12]
40 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Todesfälle um 38 %, die Zahl der Schwerverletzten
um 27 % senken (Abbildung 3).
Das Power-Model zeigt auf, warum es für die Ver-
kehrssicherheit so wichtig ist, dass die Höchstge-
schwindigkeiten nicht überschritten werden und
warum es sinnvoll ist, dass alle Autofahrer – und
nicht nur die viel zu schnell Fahrenden – ermutigt
werden sollten, langsamer zu fahren. Jeder kann
durch eine verlangsamte Fahrweise einen Beitrag
zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten.
3. Geschwindigkeit aus verkehrstech-
nischer Sicht
Die Geschwindigkeit ist in der Verkehrstechnik eine
wichtige Grösse für die Bemessung, den Betrieb und
die Beurteilung von Verkehrsanlagen.
Als Grundlage für die Projektierung einer Strasse
dienen die Ausbaugeschwindigkeit und die Projek-
tierungsgeschwindigkeit (Kap. VII.5.1.3, S. 79). Die
Ausbaugeschwindigkeit einer Strecke legt den Aus-
baugrad einer Strasse fest. Sie bestimmt die minima-
le Geschwindigkeit, mit der die entsprechende Stre-
cke befahren werden kann. Darauf aufbauend kön-
nen Minimalwerte für die einzelnen Projektierungs-
elemente (Kurvenradien) festgelegt werden. Bei
diesem Arbeitsschritt ist die sogenannte Projektie-
rungsgeschwindigkeit von zentraler Bedeutung. Sie
ist die maximale Geschwindigkeit, mit der eine be-
stimmte Stelle einer Strasse, insbesondere eine Kur-
ve, mit genügender Sicherheit befahren werden
kann. Basierend auf physikalischen Grundlagen und
Annahmen wird in der SN 640 080b [14] den Kur-
ven die Projektierungsgeschwindigkeit in Abhängig-
keit des Radius zugeordnet.
Die juristische Massnahme der Geschwindigkeits-
beschränkungen ist aus verkehrstechnischer Sicht in
2-facher Hinsicht relevant. Die allgemeinen Höchst-
geschwindigkeiten plafonieren die Projektierungs-
geschwindigkeit. Von der allgemeinen Höchstge-
schwindigkeit abweichende tiefere Höchstge-
schwindigkeiten werden dann eingesetzt, wenn
Gefahrenstellen für Motorfahrzeuglenkende nicht
oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und anders
nicht zu beheben sind (Art. 108.2 SSV1).
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 1 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,
SR 741.21
Abbildung 3 Prozentuale Entwicklung der Zahlen der Unfallbeteiligten bzw. Unfälle nach prozentualer Geschwindigkeitsänderung [4]
-100
-50
0
50
100
150
200
250
-30
-27
-24
-21
-18
-15
-12 -9 -6 -3 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30
Getötete SchwerverletzteLeichtverletzte Unfälle mit Sachschaden
Quelle: Elvik et al. [4]
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 41
Schliesslich sei die sogenannte V85 erwähnt. An
einem bestimmten Messort ist sie diejenige Ge-
schwindigkeit, die von 85 % der Fahrzeuge nicht
überschritten wird. Dieser Wert wird in der Ver-
kehrstechnik als Mass für den Einhaltegrad einer
Geschwindigkeitslimite verwendet.
4. Geschwindigkeit aus juristischer
Sicht
4.1 Einleitung
Das Thema Fahrgeschwindigkeit ist auch aus juristi-
scher Sicht äusserst komplex und kann im Rahmen
des vorliegenden Kapitels nicht umfassend abge-
handelt werden. Im Folgenden wird kurz die Ent-
wicklung der Geschwindigkeitsregimes in der
Schweiz dargestellt und die heute geltende gesetz-
liche Regelung erläutert.
4.2 Entwicklung der Geschwindigkeits-
beschränkungen
Die Regelung der Fahrgeschwindigkeit erfuhr im
Laufe der Zeit verschiedene Änderungen. Das Bun-
desgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrrad-
verkehr vom 15. März 1932 (MFG) sah – anders als
davor geltende kantonale Regelungen des Fahr-
zeugverkehrs – keine starre Begrenzung der Ge-
schwindigkeit vor. Der Bundesrat wurde zwar ver-
pflichtet, Höchstgeschwindigkeiten für schwere
Fahrzeuge festzulegen, doch stand es ihm frei, dies
auch für andere Fahrzeugkategorien zu tun. In der
Folge machte er von seiner Kompetenz keinen
Gebrauch. Der Gesetzgeber des MFG sah davon ab
vorzuschreiben, wie schnell maximal gefahren
werden durfte. Er zog es vor, eine allgemeine Regel
über die Geschwindigkeit zu erlassen. Diese forder-
te von den Fahrzeuglenkenden, das Fahrzeug zu
beherrschen und die Geschwindigkeit an die kon-
kreten Strassen- und Sichtverhältnisse anzupassen.
Der Grundsatz der situationsangepassten Ge-
schwindigkeit wurde in erweiterter Form ins Stras-
senverkehrsgesetz (SVG) übernommen und ist als
Art. 32 Abs. 1 SVG2 bis heute unverändert. Die
Pflicht zur Beherrschung des Fahrzeugs wurde
separat in Art. 31 Abs. 1 SVG verankert. Mit dem
SVG, das etappenweise in Kraft gesetzt wurde und
gleichzeitig das MFG aufhob, führte der Gesetzge-
ber aus Sicherheitsgründen erstmals eine zahlen-
mässige Geschwindigkeitsbeschränkung ein: Vor-
behältlich abweichender Anordnungen durfte in
Ortschaften maximal 60 km/h gefahren werden
(Art. 32 Abs. 2a SVG3).
Die Kompetenz zum Erlass sogenannter funktionel-
ler Verkehrsanordnungen, inklusive der Regelung
der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, wurde an
die Kantone delegiert (Art. 3 Abs. 4 SVG). Diese
resp. die Gemeinden durften lokale Geschwindig-
keitsbeschränkungen anordnen, wenn dies durch
einen verkehrspolizeilichen Grund wie die Sicher-
heit, Erleichterung oder Regelung des Verkehrs
gerechtfertigt war4. Zusätzlich wurden die zustän-
digen kantonalen Behörden ermächtigt, die
Höchstgeschwindigkeit ausserorts zu beschränken
und innerorts abweichende Höchstgeschwindig-
keiten festzulegen (Art. 32 Abs. 3 aSVG5).
Der Bundesrat erhielt ebenfalls eine Teilkompetenz
zum Erlass von Geschwindigkeitsvorschriften
(Art. 32 Abs. 5 aSVG6). Gestützt darauf beschränk-
te er die Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen
lediglich für einige Fahrzeugarten. Es lag folglich im
Ermessen des zuständigen Organs (Bundesrat, ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 2 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958, SR 741.01 3 AS 1959, 690 4 Botschaft des Bundesrats vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 11. 5 AS 1959, 690 6 AS 1959, 690
42 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
kantonale bzw. kommunale Behörden), Geschwin-
digkeitsbeschränkungen für bestimmte Strassen
festzulegen.
In Anbetracht des kontinuierlich zunehmenden
Individualverkehrs und der damit einhergehenden
steigenden Unfallzahlen wuchs das Bedürfnis nach
einer umfassenden Regelung der Geschwindigkeit.
Anlässlich der 1975 erfolgten Revision des SVG
wurde auf die zahlenmässige Höchstgeschwindig-
keiten im Gesetz selbst verzichtet und dem Bun-
desrat mit dem neu gefassten Art. 32 Abs. 2 SVG
(in Kraft seit 1. Januar 1977) sowohl die Kompe-
tenz als auch die Verpflichtung übertragen, die
Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen
Strassen zu beschränken. Dies minderte den kan-
tonalen Handlungsspielraum bezüglich Geschwin-
digkeitsbeschränkungen erheblich (revidierte
Art. 32 Abs. 3 und 4 SVG7).
Der Bundesrat kam dem vom Gesetzgeber erteilten
Auftrag nach und setzte mit Art. 4a VRV8 die all-
gemeinen Höchstgeschwindigkeiten fest. Im Lauf
der Jahre wurden diese bis auf die heute geltenden
Werte herabgesetzt. Zusätzlich erliess der Bundes-
rat die Signalisationsverordnung9 ,in der u. a. auch
die Voraussetzungen geregelt werden, unter denen
von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten
abgewichen werden kann.
In Tabelle 2 ist ersichtlich wie sich die allgemeinen
Höchstgeschwindigkeiten10 entwickelt haben [17].
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 7 AS 1975, 1260 8 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962,
SR 741.11 9 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,
SR 741.21 10 Man vergleiche die ausführliche Darstellung zur Geschichte
und rechtspolitischen Ausgangslage der Geschwindigkeits-begrenzung im Kommentar SVG von Giger [15, S. 177-179], im Urteil des Bundesgerichts 2A.38/2006, E. 2 vom 13. Juli 2006 sowie im SINUS-Report 2008 [16].
Gemäss einer Meinungsumfrage aus dem Jahr
2008 werden die aktuellen Geschwindigkeitsbe-
grenzungen von der Bevölkerung generell gut ak-
zeptiert. Je nach Strassentyp bestehen jedoch Un-
terschiede: Während 85 % der Befragten Tem-
po 80 ausserorts eher befürworten, stimmen nur
69 % Tempo 120 auf Autobahnen zu. Hingegen
wird die Sicherheitsmassnahme «Tempo 50/30
innerorts», die die Geschwindigkeit auf den Haupt-
verkehrsachsen innerorts auf 50 km/h und überall
sonst auf 30 km/h begrenzt, nur von 40 % der
Bevölkerung unterstützt [16].
Tabelle 2 Entwicklung der Geschwindigkeitsregimes
Jahr Innerorts
Vor 1959 Keine Beschränkung
1959 60 km/h definitiv (Art. 32 Abs. 2 aSVG)
1980 50 km/h provisorisch
1984 50 km/h definitiv
2002 Begegnungszonen (20 km/h) neu und Tempo-30-Zonen vereinfacht (SSV)
Jahr Ausserorts
Vor 1973 keine Beschränkung
1973 100 km/h provisorisch
1977 100 km/h definitiv
1985 80 km/h versuchsweise
1989 80 km/h definitiv (Volksabstimmung vom 26.11.1989)
Jahr Autobahn
Vor 1973 keine Beschränkung
1973 100 km/h vorübergehend (Ölkrise)
1974 130 km/h provisorisch
1977 130 km/h definitiv
1985 120 km/h versuchsweise
1989 120 km/h definitv (Volksabstimmung vom 26.11.1989
Quellen: ASTRA, Kloeden et al.[10, S. 33–34]
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 43
Die heute in Art. 82 Abs. 1 BV11 verankerte Kom-
petenz des Bundes auf dem Gebiet des Strassen-
verkehrs vermittelt dem Bund eine umfassende
Rechtsetzungszuständigkeit. Ohne dass dies be-
sonders erwähnt zu werden braucht, verbleibt den
Kantonen im Übrigen die Strassenhoheit, insbe-
sondere das Recht, den Fahrverkehr im Einzelfall zu
beschränken oder zu verbieten (Art. 37bis Abs. 2a
BV12).
4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend
Geschwindigkeit
4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten
Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 32 Abs. 2 SVG
für alle Strassen allgemein gültige Höchstge-
schwindigkeiten (Art. 4a VRV) sowie für bestimmte
Fahrzeugkategorien und Vorgänge besondere
Höchstgeschwindigkeiten (Art. 5 VRV) festgesetzt.
Diese gelten nur für Führende von Motorfahrzeu-
gen und dürfen selbst dann nicht überschritten
werden, wenn aufgrund sämtlicher Umstände eine
höhere Geschwindigkeit angemessen erschiene.
Sind Radfahrende zu schnell unterwegs, verstossen
sie gegen Art. 32 Abs. 1 SVG, auf den anschlies-
send noch eingegangen wird [15, S. 185-187,18,
S. 289-291].
Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für
Motorfahrzeuge
Gemäss Art. 4a Abs. 1 VRV gelten heute für (Mo-
tor-)Fahrzeuge folgende allgemeine Höchstge-
schwindigkeiten:
• 50 km/h innerorts
• 80 km/h ausserorts
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 11 Bundesverfassung vom 18. Dezember 1999, SR 101 12 Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom
20. November 1996, 259 f.
• 100 km/h auf Autostrassen
• 120 km/h auf Autobahnen
Es handelt sich dabei um absolute Höchstge-
schwindigkeiten, die nicht etwa wenn immer mög-
lich zu erreichen sind, sondern nur unter günstigen
Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen gefah-
ren werden dürfen. Abweichende signalisierte
Höchstgeschwindigkeiten gehen den allgemeinen
Höchstgeschwindigkeiten ebenso vor wie diejeni-
gen für gewisse Fahrzeugarten oder Vorgänge, für
die besondere Höchstgeschwindigkeiten gelten
(Art. 4a Abs. 5 VRV). Unter Vorbehalt der situati-
onsangemessenen Geschwindigkeit gilt somit fol-
gende «Rangordnung» in Bezug auf die einzuhal-
tenden Höchstgeschwindigkeiten:
1. Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Fahr-
zeugarten (und Vorgänge)
2. Signalisierte bzw. lokale Höchstgeschwindigkei-
ten
3. Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten
In Tempo-30-Zonen darf maximal 30 km/h gefah-
ren werden (Art. 22a SSV), in Begegnungszonen
20 km/h (Art. 22b SSV) und in Fussgängerzonen,
sofern beschränkter Fahrzeugverkehr zugelassen
ist, nur im Schritttempo (Art. 22c SSV).
Der Geltungsbereich der allgemeinen Höchstge-
schwindigkeiten, d. h. innerorts, ausserorts, auf
Autobahnen13 und –strassen, sowie der Geschwin-
digkeit in Begegnungs- und Fussgängerzonen, wird
durch Signale geregelt. Innerorts gilt die allgemeine
Höchstgeschwindigkeit im ganzen dicht bebauten
Gebiet. Sie ist vorschriftsgemäss zu signalisieren,
denn aus dem Vorhandensein einer Ortstafel muss ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 13 Zum Geltungsbereich signalisierter Höchstgeschwindigkei-
ten bei der Verzweigung von Autobahnen vgl. BGE 128 IV 30, wonach die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von der Stelle an beginnt, wo das Signal steht, bis zum Ende-Signal. Sie endet nicht schon mit der Gabelung der Fahrbahnen.
44 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht
auf die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von
50 km/h geschlossen werden14. Zu beachten ist
jedoch, dass Fahrzeuglenkende, die auf unbedeu-
tenden Nebenstrassen in eine Ortschaft einfahren,
sich auch ohne Signalisation an die allgemeine
Höchstgeschwindigkeit innerorts halten müssen,
sobald der Innerortscharakter erkennbar ist
(Art. 4a Abs. 2 VRV). Bei der Beurteilung, ob sich
eine Strasse im dicht bebauten Gebiet einer Ort-
schaft befindet, stellt das Bundesgericht nicht nur
auf ein kurzes Teilstück ab, sondern auf das ganze
umliegende Gebiet15.
Wer die signalisierte Höchstgeschwindigkeit über-
schreitet, verstösst primär gegen Art. 27 Abs. 1SVG,
der sämtliche Verkehrsteilnehmende dazu verpflich-
tet, Signale und Markierungen sowie die Weisungen
der Polizei zu befolgen.
Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Motor-
fahrzeugarten und Vorgänge
Art. 5 Abs. 1 VRV bestimmt die Höchstgeschwin-
digkeiten für einzelne Motorfahrzeugarten16 und
Vorgänge. Diese betragen:
• 80 km/h für schwere Motorwagen (ausser Per-
sonenwagen), Anhängerzüge, Sattelmotorfahr-
zeuge und Fahrzeuge mit Spikesreifen
• 60 km/h für gewerbliche Traktoren
• 40 km/h beim Abschleppen von Fahrzeugen
und Nachziehen eines leeren Abschlepprollis
(sofern die zuständige Behörde nichts anderes
gestattet)
• 30 km/h beim Mitführen von nicht immatriku-
lierten und immatrikulierten landwirtschaftli-
chen Anhängern (vorbehältlich anderer Anga-
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 14 BGE 127 IV 229, 234. 15 BGE 127 IV 229, 235. 16 Zur Klassifizierung der Fahrzeuge vgl. Art. 11 f. VTS.
ben im Fahrzeugausweis) sowie für Fahrzeuge
mit Metall- oder Vollgummireifen.
Gesellschaftswagen, sofern es sich nicht um Ge-
lenkbusse handelt, und schwere Motorwohnwagen
dürfen auf Autobahnen und Autostrassen maximal
100 km/h fahren (Art. 5 Abs. 2 VRV).
Abweichungen von den allgemeinen Höchst-
geschwindigkeiten
Die zuständige Behörde kann die vom Bundesrat
festgelegte allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf
bestimmten Strassenstrecken herauf- oder herabset-
zen, jedoch nur aufgrund eines Gutachtens, das
abklärt, ob die Massnahme tatsächlich nötig, zweck-
und verhältnismässig ist oder ob eine andere Mass-
nahme besser geeignet wäre (Art. 32 Abs. 3 SVG in
Verbindung mit Art. 108 Abs. 4 SSV). Die Voraus-
setzungen für eine lokale Abweichung der allgemei-
nen Höchstgeschwindigkeiten sind in Art. 108 SSV
geregelt. Dessen Anwendung wird präzisiert durch
die Weisung zur Festlegung abweichender Höchst-
geschwindigkeiten17, die das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) am 13. März 1990
erlassen hat.
Ein Herabsetzung der allgemeinen Höchstge-
schwindigkeiten kann erforderlich sein
(Art. 108 Abs. 2 SSV), wenn
• eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig
erkennbar und anders nicht zu beheben ist
(lit. a),
• bestimmte Verkehrsteilnehmende eines beson-
deren, nicht anders zu erreichenden Schutzes
bedürfen (lit. b),
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 17 http://www.astra2.admin.ch/media/pdfpub/1990-03-
13_2489_d.pdf, Zugriff am 14. Juli 2009.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 45
• auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der
Verkehrsablauf verbessert werden kann (lit. c),
• dadurch eine im Sinn der Umweltschutzgesetz-
gebung übermässige Umweltbelastung (Lärm,
Schadstoffe) vermieden werden kann (lit. d).
Die Einzelheiten betreffend Anordnung von Tem-
po-30-Zonen und Begegnungszonen sind explizit in
der gleichnamigen Verordnung18 geregelt. Seit
deren Inkrafttreten am 1. Januar 2002 ist in der
ganzen Schweiz eine grosse Zahl solcher Zonen
realisiert worden, wobei insbesondere die Tempo-
30-Zonen von den Kantonen und Gemeinden sehr
unterschiedlich eingesetzt werden.
Nur innerorts besteht die Möglichkeit, die allge-
meine Höchstgeschwindigkeit hinaufzusetzen –
jedoch nur auf gut ausgebauten Strassen mit Vor-
trittsrecht. Voraussetzung ist, dass durch die Her-
aufsetzung der Höchstgeschwindigkeit der Ver-
kehrsablauf verbessert werden kann, ohne dass
sich dies nachteilig auf Sicherheit und Umwelt
auswirken würde (Art. 108 Abs. 3 SSV). Angesichts
der Erkenntnisse im Zusammenhang mit Ge-
schwindigkeit und Unfallfolgen dürfte Letzteres
praktisch nie gegeben sein.
4.3.2 Anpassen der Geschwindigkeit an die
Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und
Art. 4 VRV)
Der Lenkende muss sein Fahrzeug ständig so be-
herrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nach-
kommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Einer der
massgebenden Faktoren in diesem Zusammenhang
ist die Fahrgeschwindigkeit. Oft gehen Fahrzeug-
lenkende irrtümlich davon aus, beim Einhalten der
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 18 Verordnung über die Tempo-30-Zonen und Begegnungszo-
nen vom 28. September 2001, SR 741.213.3
allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten nichts zu
riskieren – weder eine Busse, eine Geld- oder Frei-
heitsstrafe noch einen Führerausweisentzug oder
einen Unfall. Art. 32 Abs. 1 SVG schreibt jedoch
Folgendes vor:
«Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen
anzupassen, namentlich den Besonderheiten von
Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Ver-
kehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug
den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren
und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor un-
übersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickba-
ren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnüber-
gängen.»
Diese Vorschrift richtet sich nicht nur an Lenker von
Motorfahrzeugen, sondern an alle Fahrzeuglen-
kende, d. h. auch an Radfahrer. Zudem gilt sie
sinngemäss für Strassenbahnführer (Art. 48 SVG),
Reiter und Führer von Tierfuhrwerken
(Art. 50 Abs. 4 SVG) sowie für die übrigen Stras-
senbenützer (Art. 1 Abs. 2 SVG).
Der in Art. 32 Abs. 1 SVG enthaltene Umstände-
Katalog ist nicht abschliessend. Die Geschwindig-
keit ist somit nicht bloss an die Besonderheiten von
Fahrzeug und Ladung sowie die Strassen-, Sicht-
und Verkehrsverhältnisse anzupassen, sondern
generell an die Umstände. Umstand im Sinn dieser
Vorschrift ist für den Fahrzeuglenker ausser der
Fahrgeschwindigkeit alles, was für die Beachtung
seiner Vorsichtspflichten relevant sein kann. Dazu
gehören auch Besonderheiten in der Person des
Fahrzeuglenkers selbst wie sein Zustand, seine
Fahrpraxis19 oder das Wetter (insbesondere im
Zusammenhang mit den Strassen- und Sichtver-
hältnissen). Der Fahrzeuglenker hat somit ständig
sämtliche relevanten Umstände auszumachen und
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 19 BGE 93 IV 29.
46 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend seinen
Erkenntnissen über die Gesamtheit der massge-
benden Umstände so zu wählen, dass er seinen
Vorsichtspflichten nachkommen kann [18, S. 263].
Art. 32 Abs. 1 SVG wird konkretisiert durch
Art. 4 VRV [15, S. 182-184,18]:
• In Bezug auf die Anpassung der Geschwindig-
keit an die Sichtverhältnisse schreibt Abs. 1 dem
Fahrzeuglenker vor, nur so schnell zu fahren,
dass er innerhalb der überblickbaren Strecke
halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist,
muss er auf halbe Sichtweite anhalten können.
Der Grundsatz des Fahrens auf Sicht ist eine der
zentralen Vorschriften über die Fahrgeschwin-
digkeit. Er gilt gemäss bestätigter Rechtspre-
chung des Bundesgerichts auch auf Autobah-
nen, insbesondere nachts beim Fahren mit Ab-
blendlichtern20. Dass die gesetzlichen Forde-
rungen nicht immer ohne weiteres zu erfüllen
sind, zeigte Cohen am Beispiel der aus wahr-
nehmungspsychologischer Perspektive mögli-
chen Höchstgeschwindigkeiten auf, die eine
Behinderung des gleichmässigen Verkehrsflus-
ses darstellen könnten [19].
• Hinsichtlich der Anpassung der Geschwindigkeit
an die Strassenverhältnisse führt Abs. 2 aus, es
sei langsam zu fahren, wo die Strasse ver-
schneit, vereist, mit nassem Laub oder Splitt
bedeckt ist, besonders – also nicht nur – wenn
Anhänger mitgeführt werden.
• Abs. 3 verpflichtet den Fahrzeuglenker, die Ge-
schwindigkeit zu mässigen und nötigenfalls an-
zuhalten, wenn Kinder im Strassenbereich nicht
auf den Verkehr achten. Dies entspricht
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 20 BGE 126 IV 91; BGE 93 IV 115. Gemäss BGE 100 IV 279 ist
die Geschwindigkeit eines mit Abblendlicht auf der Auto-bahn fahrenden Fahrzeugs nur dann angemessen, wenn der Lenker in der Lage ist, innerhalb der kürzesten beleuch-teten Strecke anzuhalten, d. h. auf der linken Fahrbahnseite innert 50 m.
Art. 26 Abs. 2 SVG, wonach gegenüber Kin-
dern besondere Vorsicht angebracht ist.21
• Bei der Begegnung mit Tierfuhrwerken und
Tieren hat der Fahrzeuglenker gemäss Abs. 4 so
zu fahren, dass die Tiere nicht erschreckt wer-
den. Dies bedeutet, dass allenfalls die Ge-
schwindigkeit reduziert werden muss.
• Das Anpassen der Geschwindigkeit an die Ver-
kehrsverhältnisse verlangt vom Fahrzeuglenker,
langsam zu fahren, wo es die Verkehrssicher-
heit erfordert, vor allem bei dichtem und
schwer überblickbarem Verkehr. Gleichzeitig
untersagt Abs. 5, ohne zwingende Gründe so
langsam zu fahren, dass ein gleichmässiger
Verkehrsfluss behindert wird.
Ein Verstoss gegen die allgemeinen und abwei-
chend signalisierten Höchstgeschwindigkeitsvor-
schriften wird grundsätzlich über Art. 27 SVG in
Verbindung mit Art. 90 SVG geahndet, über
Art. 32 SVG nur dann, wenn die Fahrgeschwindig-
keit im Rahmen der signalisierten Höchstgeschwin-
digkeit nicht den Umständen angemessen war22.
Welche Geschwindigkeit jeweils als angemessen zu
gelten hat, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesge-
richt frei überprüft werden kann. Die Beantwor-
tung dieser Frage hängt jedoch weitgehend von
den örtlichen Verhältnissen ab. Deshalb gesteht
das Bundesgericht den kantonalen Instanzen dies-
bezüglich einen grossen Ermessensspielraum zu
und weicht von ihren Feststellungen nur dort ab,
wo es sich aufdrängt23.
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 21 BGE 129 IV 282 betreffend Sorgfaltspflichten gegenüber
Kindern im Strassenverkehr. 22 Oger BL 8.3.1988, JdT 1989 I 687 23 BGE 99 IV 227
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 47
5. Geschwindigkeit aus Sicht der
Psychologie
Auch die Verkehrspsychologie hat sich mit dem
Thema Geschwindigkeit befasst. Es gibt verschie-
dene Theorien und Modelle, die helfen können,
das Problem überhöhter bzw. unangepasster Ge-
schwindigkeit zumindest teilweise zu erklären und
Lösungsansätze zu liefern.
5.1 Lerntheorie
Zu nennen wäre etwa die Lerntheorie, vor allem
das Lernen am Modell durch das Beobachten des
Fahrens mit unangepasster Geschwindigkeit bei
anderen Motorfahrzeuglenkenden. Wenn man nun
dafür sorgt, dass es kaum oder am besten gar kei-
ne «erfolgreichen» Beispiele für zu schnelles Fah-
ren gibt, dann wird dies auch zunehmend seltener
ausgeübt. So gibt es die klassische Untersuchung
von Van Houten und Nau, bei der am Strassenrand
angezeigt wurde, wie viel Prozent der Autofahrer
die Geschwindigkeit einhalten [20]. Dabei wurde
entweder ein strenges Kriterium (nicht einhalten
der signalisierten Geschwindigkeit) oder ein wei-
ches Kriterium (mit recht grosser Toleranz) verwen-
det. Beim strengen Kriterium ergaben sich demzu-
folge geringere Prozentsätze von Personen, die die
Geschwindigkeit einhielten, beim weicheren Krite-
rium hingegen höhere Prozentsätze. Die höheren
Prozentsätze führten zu einer positiveren Verände-
rung des Geschwindigkeitsverhaltens. Das Resultat
zeigt, dass der Mensch das Verhalten anderer
nachahmt. Eine andere Interpretation könnte sein,
dass die Prozentangaben eine Art soziale Norm
darstellen (Kap. V.5.2, S. 48).
Die klassische Lerntheorie zeigt auf, dass ein Ver-
halten, das positive Konsequenzen nach sich zieht,
zunehmend häufiger ausgeübt wird. Schnell fahren
macht Spass – also macht man es immer öfter,
solange es keine negativen Konsequenzen hat.
Negative Konsequenzen sind etwa Geschwindig-
keitsbussen, Unfälle oder auch soziale Konsequen-
zen in Form von gesellschaftlicher Ächtung. Diese
Theorie erklärt auch, warum unangepasste Ge-
schwindigkeit ein häufigeres Problem ist als das
Überschreiten der Höchstgeschwindigkeiten. Für
unangepasste Geschwindigkeit wird man nur sel-
ten durch die Polizei bestraft, da man die allgemei-
nen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten
eingehalten hat. Und solange man keinen Unfall
erleidet, hat man kaum negative Konsequenzen –
höchstens mal ein Reifenquietschen oder den tem-
porären Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug.
48 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.2 Theorie des geplanten Verhaltens
Die Theorie des geplanten Verhaltens ist etwas
komplexer als die verhaltenstheoretischen Modelle.
Hier wird davon ausgegangen, dass sich das Ver-
halten aus den verschiedenen Komponenten der
Grafik in Abbildung 4 ergibt: verschiedene Vorstel-
lungen (beliefs), Einstellungen, Normen und Wahr-
nehmungen. All diese beeinflussen die Verhaltens-
absicht. Letztere bestimmt dann, solange man
nicht gehindert wird, das Verhalten.
Die empirischen Resultate unterstreichen besonders
die Bedeutung der persönlichen Norm, d. h. des
Gefühls, ob das, was man tut, richtig oder falsch
ist. Dies konnte für verschiedene Arten des Fehl-
verhaltens im Strassenverkehr bestätigt wer-
den [21]. Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass bei der vom Bundesamt für Statistik (BFS)
zusammen mit der bfu alle 2 Jahre durchgeführten
Befragung der Motorfahrzeuglenkenden eine weit-
aus grössere Akzeptanz für Geschwindigkeits- als
für Alkoholdelikte besteht. So wird Fahren in ange-
trunkenem Zustand von 59 % der Befragten als
kriminell beurteilt. Aber nur 15 % vertreten diese
Meinung bezüglich des Überschreitens der Höchst-
geschwindigkeiten. Die soziale Norm bezüglich FiaZ
(Fahren in angetrunkenem Zustand) ist also deut-
lich strenger als bezüglich zu schnellem Fahren.
Dieses Modell bietet viele Ansatzpunkte für Inter-
vention. Man kann praktisch an allen «Stellschrau-
ben» drehen. So könnte man versuchen, die ge-
sellschaftlichen Normen zu verändern (von «Zu
schnell fahren ist ein Kavaliersdelikt» zu «Schnell-
fahrer sind doofe Proleten»), was einen Einfluss auf
die subjektive Norm hat («Ich bin kein doofer Pro-
let, also fahre ich auch nicht zu schnell»), wodurch
die Verhaltensabsicht («Ich will nicht zu schnell
fahren») und das Verhalten («Ich fahre nicht zu
schnell») geändert werden. Ähnliche Szenarien
sind auch für die Vorstellungen von Verhalten und
Kontrolle denkbar. Daher ist dieses Modell gut
geeignet, theoretische Grundlagen beispielsweise
für Präventionskampagnen zu liefern.
Abbildung 4 Darstellung des Modells des geplanten Verhaltens
Quelle: Parker et al. [21]
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 49
5.3 Das Risk Speed Model von Taylor
(1964)
Das Risiko-Geschwindigkeits-Modell von Taylor aus
dem Jahr 1964 (zitiert nach [22]) geht davon aus,
dass sich das Fahrverhalten aus dem Zusammen-
hang zwischen subjektivem Risiko und der Fahrge-
schwindigkeit ergibt. Je stärker das wahrgenom-
mene Risiko ist, umso mehr wird die Fahrge-
schwindigkeit reduziert. Das Produkt aus subjekti-
vem Risiko und Fahrgeschwindigkeit soll also kon-
stant gehalten werden. Es kann auch Ausnahmen
von dieser Regel geben, z. B. wenn man schneller
fährt, um einer riskanten Situation zu entkommen.
Es handelt sich bei Taylors Modell um einen Vorläu-
fer des bekannten und umstrittenen Risikohomö-
ostase-Modells von Wilde.
5.4 Contagion Model of Speeding
Connolly und Aberg argumentieren, dass das Ge-
schwindigkeitsverhalten nur teilweise durch die
Einstellung zur Geschwindigkeit, den Vorstellungen
über die Konsequenzen des zu schnell Fahrens und
den Geschwindigkeitskontrollen der Polizei be-
stimmt wird [23]. Sie gehen davon aus, dass die
eigene Geschwindigkeit durch den Vergleich mit
derjenigen anderer Fahrer bestimmt wird. Sie nen-
nen dies das Ansteckungsmodell des zu schnellen
Fahrens. In Modellrechnungen führen sie vor, dass
– falls das Modell stimmt – durch das positive Be-
einflussen (Verlangsamung) einiger Fahrer, andere
Fahrer durch Nachahmung ebenfalls ihr Geschwin-
digkeitsverhalten verlangsamen. Auch legen die
Autoren einige empirische Belege für ihr Anste-
ckungsmodell vor: Fahrzeuge, die zur selben Zeit
am selben Ort sind, sind auffallend häufig mit der-
selben Geschwindigkeit unterwegs.
5.5 Persönlichkeitstheorie
Die Persönlichkeitstheorie befasst sich mit den
stabilen psychischen Merkmalen des Menschen.
Besonders hervorgetan hat sich dabei das Fünf-
Faktoren Modell. Es geht davon aus, dass sich der
Charakter des Menschen in fünf verschiedene Fak-
toren aufteilen lässt. Jeder Mensch hat dabei auf
jedem dieser Faktoren eine bestimmte Ausprä-
gung. Die Faktoren sind:
• Neurotizismus
• Extraversion
• Offenheit für Erfahrungen
• Verträglichkeit
• Gewissenhaftigkeit
Neurotizismus (was auch Ängstlichkeit beinhaltet)
erwies sich als ein Faktor, der positiv mit Verkehrs-
sicherheit zusammenhängt. Offenheit für Erfah-
rung hingegen weist einen negativen Zusammen-
hang auf. Leider kann man daraus keine (Primär-)
Präventionsstrategie entwickeln. Einerseits sind die
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Un-
fallgeschehen nicht stark genug, weil im Strassen-
verkehr vieles situativ bedingt ist. Darüber hinaus
sind auch die Testverfahren nicht gut genug um
beispielsweise Personen mit auffälligen Persönlich-
keitsmerkmalen aus dem Strassenverkehr präventiv
zu entfernen (Kap. IV, S. 35).
Den umgekehrten Fall aber gibt es natürlich. Per-
sonen, die im Verkehr auffällig geworden sind,
werden unter Umständen einer verkehrspsycholo-
gischen Begutachtung unterzogen, um festzustel-
len, ob die charakterliche Eignung zum Führen
eines Fahrzeugs gegeben ist.
In der Schweiz wurde für diesen Zweck beispiels-
weise der Test zur Erfassung verkehrsrelevanter
50 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Persönlichkeitsmerkmale (TVP) von Spicher und
Hänsgen entwickelt [24].
Ein weiteres Modell, das in der Verkehrssicher-
heitsarbeit immer wieder diskutiert wird, ist das
Sensation Seeking. Die Theorie stammt von Zu-
ckerman. Er geht davon aus, dass es genetisch
bedingte Unterschiede bei den Menschen hinsicht-
lich ihres Bedürfnisses nach neuen und/oder inten-
siven Reizen gibt. Die von ihm entwickelte Sensati-
on Seeking Scale lässt sich in vier Dimensionen
aufteilen [25]:
1. «Thrill and adventure seeking»: Körperlich ris-
kante Aktivitäten (beispielsweise Klettern, Fall-
schirmsprung)
2. «Experience seeking»: Abwechslung durch
unkonventionellen Lebensstil (Reisen, Musik,
Drogen)
3. «Disinhibition (dt.: «Enthemmung») seeking»:
Abwechslung durch soziale Stimulation (Party,
Promiskuität, soziales Trinken)
4. «Boredom susceptibility» (dt.: «Anfälligkeit für
Langeweile»): Abneigung gegenüber Lange-
weile und Neigung zur Unruhe, wenn die Um-
welt keine Abwechslung mehr bietet.
Insbesondere die Dimensionen 1 und 4 sowie allen-
falls auch noch 2 und 3 (wegen der psychoaktiven
Substanzen) könnten negative Einflüsse auf das
Geschwindigkeitsverhalten haben. Erfreulich hin-
gegen ist, dass, wie Tay et al. aufzeigten, ein nega-
tiver Zusammenhang zwischen Alter und Sensation
Seeking besteht, d. h. dass mit zunehmendem
Alter diese spezifische Form der Unangepasstheit
nachlässt, genauso wie wir es auch für das Ge-
schwindigkeitsverhalten finden [26].
6. Fazit
Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwin-
digkeit um ein komplexes Thema bei dem ver-
schiedene Disziplinen involviert sind. Die Verkehrs-
technik bietet wichtige Möglichkeiten zur Anpas-
sung der Strassen an die gewünschten Fahrge-
schwindigkeiten, das Rechtssystem gibt den ge-
setzlichen Handlungsrahmen vor und kann allfälli-
ge Verstösse ahnden (Kap. VII.4.2, S. 72). Die Psy-
chologie schliesslich zeigt auf der Grundlage von
verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie das
Geschwindigkeitsverhalten der Motorfahrzeuglen-
kenden beeinflusst wird und verändert werden
kann. Eine abschliessende Bewertung darüber,
welche psychologische Theorie am «besten» ist, ist
nicht möglich. Aber es ist offensichtlich, dass Theo-
rien, die Interventionsmöglichkeiten aufzeigen für
die Prävention geeigneter sind als andere, die ein
Menschenbild mit wenig Veränderungspotenzial
beinhalten.
Für eine erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit im
Bereich Geschwindigkeit ist eine Verknüpfung der
verschiedenen Interventionsmöglichkeiten nötig.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 51
VI. Unfallgeschehen
1. Datenlage
Die folgenden Auswertungen der Geschwindig-
keitsunfälle basieren auf Daten der polizeilich re-
gistrierten Strassenverkehrsunfälle des Bundesamts
für Statistik (BFS) [27]. Für jedes an einem Unfall
beteiligte Fahrzeug kann die Polizei bis zu
3 mögliche Mängel/Einflüsse aus einem Katego-
riensystem registrieren. In der internationalen Lite-
ratur werden zwei verschiedene Arten von Ge-
schwindigkeitsüberschreitungen unterschieden: die
«excess speed», also schneller als die erlaubte
Höchstgeschwindigkeit und die «inappropriate
speed», eine nicht den Verhältnissen angepasste
Geschwindigkeit. Auch im schweizerischen Unfall-
aufnahmeprotokoll gibt es verschiedene Arten der
Unfallursache Geschwindigkeit. Eine davon ist das
Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit: «Über-
schreiten der gesetzlichen oder signalisierten
Höchstgeschwindigkeit (Mangel 414)». Fünf weite-
re Arten beinhalten eine Art von geschwindigkeits-
bezogenem Fehlverhalten ohne dass die gesetzli-
che Höchstgeschwindigkeit überschritten wurden:
«Nichtanpassen an die Linienführung (410)»,
«Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse (411)»,
«Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse (412)»,
«Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse (413)» und
«Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der
Geschwindigkeit (419)».
Bei der Analyse des Unfallgeschehens auf der Basis
der polizeilich registrierten Daten muss bedacht
werden, dass eine erhebliche Dunkelziffer besteht.
Schätzungen gehen von 3,5-mal mehr Unfällen
aus, als registriert werden [28]. Ob ein Unfall von
der Polizei registriert wird, ist von zwei zentralen
Faktoren abhängig: dem Unfalltyp und den Unfall-
folgen. Eher registriert werden Kollisionen, bei
denen andere Verkehrsteilnehmende beteiligt wa-
ren. Selbstunfälle oder Alleinunfälle weisen eine
deutlich höhere Dunkelziffer auf. Der zweite ent-
scheidende Faktor ist die aus dem Unfall resultie-
rende Verletzung. Je schwerwiegender diese ist,
desto eher werden Unfälle erfasst. Bei Unfällen mit
Todesfolge ist deshalb mit einer annähernd vollum-
fänglichen Registrierung zu rechnen. Unfälle auf-
grund von überhöhter oder unangepasster Fahrge-
schwindigkeit haben oft schwere oder sogar tödli-
che Verletzungen zur Folge. Daher ist zumindest
bei diesen mit einer geringeren Dunkelziffer zu
rechnen.
Gleichzeitig muss aber auch berücksichtigt werden,
dass die Polizei an der Unfallstelle ein Geschwin-
digkeitsvergehen nicht immer zweifelsfrei feststel-
len kann. Die Bedeutung von Geschwindigkeit als
Unfallursache wird damit insgesamt unterschätzt.
Nach einem Überblick über die Unfälle seit 1992
werden die Unfälle der letzten 5 Jahre analysiert.
52 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
2. Unfallgeschehen 1992–2008
Seit dem Jahr 1992 wurden bei Unfällen mit mögli-
chem Geschwindigkeitseinfluss durchschnittlich
4800 Personen leicht, 1500 Personen schwer und
222 Personen tödlich verletzt (Tabelle 3). Die Ent-
wicklung zeigt für alle Verletzungskategorien ab-
nehmende Trends. Gegenüber 1992 hat die Anzahl
der Leichtverletzten um 22 %, die der Schwerver-
letzten um 47 % und die der Getöteten bei Ge-
schwindigkeitsunfällen um 59 % abgenommen
(Abbildung 5). Diese Abnahme spiegelt gleichzeitig
den generellen Rückgang der Verkehrsopfer in den
letzten 17 Jahren wieder. Die Anteile der durch
Geschwindigkeit geforderten Opfer an allen Perso-
nenschäden bleiben damit über diesen Zeitraum
relativ stabil. Bei den Schwerverletzten sind es
durchschnittlich 25 %, bei den Getöteten etwa
40 % aller im Strassenverkehr geforderten Opfer
(Abbildung 6). Der Anteil der differenzierten Ge-
schwindigkeitseinflüsse bleibt über die Zeit nicht in
allen Fällen stabil: Während bei Unfällen mit
Schwerverletzten das «Nichtanpassen an die Li-
nienführung» mit rund 40 % und «Nichtanpassen
an die Strassenverhältnisse» mit 33 % gleichblei-
bend die häufigsten Geschwindigkeitseinflüsse
sind, zeigt sich bei der Überschreitung der Höchst-
geschwindigkeit ein deutlicher Rückgang (Tabelle
4). Nichtanpassen an die Verkehrs- oder Sichtver-
hältnisse und «anderes Fehlverhalten» machen
zusammen weniger als ein Drittel der Unfälle mit
schweren Personenschäden aus. Bei Unfällen mit
Getöteten verläuft die Entwicklung entsprechend.
Bei diesen ist aber das Überschreiten der Höchstge-
schwindigkeit für einen höheren Anteil der Unfälle
verantwortlich.
Abbildung 5 Entwicklung der Verletzten und Getöteten bei Unfällen mit Geschwindigkeitseinfluss (indexiert), 1992–2008
0
20
40
60
80
100
120
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete
Abbildung 6 Anteil durch Geschwindigkeitseinfluss Schwerverletzter und Getöteter an allen Strassenverkehrsopfern, 1992–2008
0%
10%
20%
30%
40%
50%
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Anteil an Schwerverletzten Anteil an Getöteten
Quelle: BFS
Tabelle 3 Personenschäden bei Geschwindigkeitsunfällen, 1992–2008
Unfalljahr Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete 1992 5 064 2 100 3591993 4 995 1 907 3211994 5 067 1 659 2651995 5 004 1 788 2541996 4 461 1 504 2431997 4 325 1 488 2151998 5 043 1 606 2201999 5 634 1 741 2292000 5 224 1 604 2292001 5 269 1 634 2022002 5 095 1 408 2072003 4 942 1 525 2192004 4 840 1 387 2192005 4 629 1 248 1782006 4 310 1 295 1352007 4 108 1 223 1342008 3 960 1 109 147
Quelle: BFS
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 53
Tabelle 4 Anteile einzelner Geschwindigkeitsmängel bei Geschwindigkeitsunfällen
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Unfälle mit Schwerverletzten
Nichtanpassen an die Linienführung
39% 43% 40% 38% 41% 44% 43% 44% 43% 42% 44% 47% 42% 40% 42% 47% 42%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
35% 33% 32% 37% 33% 30% 34% 36% 32% 34% 30% 27% 35% 35% 31% 29% 33%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
7% 8% 9% 7% 8% 8% 9% 6% 9% 8% 8% 8% 6% 8% 8% 7% 8%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
9% 8% 8% 7% 7% 7% 7% 7% 8% 8% 6% 5% 6% 5% 6% 6% 7%
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchst-geschwindigkeit
23% 19% 21% 19% 17% 20% 16% 18% 17% 16% 19% 19% 18% 13% 11% 15% 14%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
4% 4% 4% 6% 4% 5% 5% 5% 6% 6% 8% 7% 8% 9% 13% 9% 9%
Unfälle mit Getöteten
Nichtanpassen an die Linienführung
40% 45% 38% 37% 46% 48% 44% 44% 46% 43% 45% 53% 50% 51% 47% 47% 48%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
29% 25% 26% 24% 28% 31% 31% 31% 23% 24% 30% 17% 21% 18% 24% 18% 23%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
5% 6% 7% 3% 6% 2% 4% 3% 5% 4% 3% 4% 5% 5% 6% 6% 2%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
14% 8% 12% 9% 9% 11% 7% 10% 9% 13% 11% 11% 10% 6% 7% 10% 9%
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchst-geschwindigkeit
29% 30% 33% 36% 25% 28% 29% 26% 29% 23% 23% 29% 33% 35% 27% 29% 25%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
4% 5% 5% 6% 8% 8% 7% 10% 9% 10% 7% 7% 8% 9% 13% 10% 7%
Quelle: BFS
54 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3. Das aktuelle Unfallgeschehen
(2004–2008)
In den letzten 5 Jahren ereigneten sich durch-
schnittlich 1200 Unfälle mit schweren Personen-
schäden (Unfälle mit Schwerverletzten oder Getö-
teten) mit der Ursache Geschwindigkeit pro Jahr.
Bei diesen waren rund 700 Personenwagen betei-
ligt. Damit waren in 60 % aller schweren
Geschwindigkeitsunfälle Personenwagen beteiligt
(Tabelle 5). Die zweithäufigste Fahrzeugkategorie
sind die Motorräder (31 %). Liefer-, Lastwagen und
Sattelschlepper sind dagegen eher selten vertreten.
Wird der Anteil mit Geschwindigkeitsmangel ver-
sehener Fahrzeuge bei allen schweren Unfällen
betrachtet, ändert sich das Bild: Bei allen in schwe-
re Unfälle verwickelten Personenwagen wird in 16
von Hundert Fällen der Mangel Geschwindigkeit
vergeben. Bei den Motorrädern liegt dieser Anteil
je nach Motorradkategorie zwischen 15 % bei den
Kleinmotorrädern und 28 % bei den Motorrädern
mit mehr als 125 cm3.
Im Zeitraum 2004–2008 wurden bei Geschwindig-
keitsunfällen pro Jahr durchschnittlich 1251 Personen
schwer verletzt und 163 getötet. Wie bereits bei den
beteiligten Fahrzeugen gezeigt wurde, sind über die
Hälfte der Opfer Personenwageninsassen und annä-
hernd 30 % Motorradfahrende. Mit rund 5 % und
6 % sind auch Fussgänger und Radfahrende betrof-
fen (Abbildung 7). Rund ein Viertel der Opfer sind
Frauen, drei Viertel Männer. Die meisten Schwerver-
letzten und Getöteten sind im Alter von 18 bis 59
Jahren (80 %), wobei jedes 5. Opfer ein Mann im
Alter von 18 bis 24 Jahren ist (Abbildung 8).
Geschwindigkeitsunfälle sind häufig Schleuder-/
Selbstunfälle. Allein 70 % aller Schwerverletzten
und Getöteten werden bei diesen gefordert
(Abbildung 9). Auffällig viele Opfer sind dabei auf
Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %). Kollisionen
fordern innerorts und ausserorts eine vergleichbare
Anzahl an Personenschäden, wobei der Anteil Ge-
töteter auf Ausserortsstrassen höher liegt. Bei den
Kollisionen sind es vor allem Streif- und Frontalkol-
lisionen, die einen hohen Opferanteil ausmachen.
Bei den Schleuder-/Selbstunfällen sind 60 % der
Schwerverletzten und Getöteten Personenwagen-
insassen, 28 % Motorradfahrer und immerhin
noch 5 % Fahrradfahrer. Aber auch Fussgänger
werden Opfer von Schleuder-/Selbstunfällen von
Fahrzeugen. Bei diesem Unfalltyp kommt es nicht
Quelle: BFS Quelle: BFS
Tabelle 5 An schweren Unfällen beteiligte Fahrzeuge mit Mangel Geschwindigkeit, 2004–2008
2004 2005 2006 2007 2008 Summe Durchschnitt 2004–2008
Anteil an allen Geschwindig-keitsunfällen
Anteil Fahrzeuge mit Geschwindigkeitsmangel
in allen schweren Unfällen Personenwagen 842 728 722 617 652 3 561 712 59% 16%
Lieferwagen 34 26 35 29 19 143 29 2% 11%
Lastwagen 13 6 12 8 18 57 11 1% 7%
Sattelschlepper 5 5 6 6 8 30 6 0% 11%
Motorfahrrad 18 16 16 23 7 80 16 1% 8%
Kleinmotorrad 33 40 23 35 12 143 29 2% 15%
Motorrad bis 125 cm3 109 93 96 109 83 490 98 8% 17%
Motorrad über 125 cm3 235 240 260 248 247 1 230 246 20% 28%
Fahrrad 70 76 76 75 72 369 74 6% 8%
Andere 23 23 40 29 25 140 28 2% 10%
Total Schwere Ge-schwindigkeitsunfälle
1 333 1 218 1 224 1 152 1 078 6 005 1 201 104%
Quelle: BFS Quelle: BFS Quelle: BFS
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 55
direkt zu einer Kollision zwischen Fahrzeug und
Fussgänger. Der Fussgänger wird vielmehr Opfer
eines bereits schleudernden Fahrzeugs. Im Durch-
schnitt werden dabei pro Jahr 7 Fussgänger schwer
verletzt und 2 getötet. Bei direkten Kollisionsunfäl-
len sind Fussgänger entsprechend häufiger unter
den Opfern zu finden: Jährlich werden 56 schwer
verletzt und 10 getötet (16 % aller schweren Per-
sonenschäden bei Kollisionen).
Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstun-
fällen sind es meist die Nutzer der Fahrzeuge mit
Geschwindigkeitsmangel selbst, die verletzt oder
getötet werden. In allen Unfällen mit Beteiligung
von Personenwagen mit dem Mangel Geschwin-
digkeit sind drei Viertel der Opfer die Personenwa-
geninsassen selbst. Jedes 6. ist Insasse eines weite-
ren beteiligten Personenwagens, jedes 15. ein
Fussgänger. Bei Unfällen mit Beteiligung von Mo-
torrädern zeigt sich ein anderes Verhältnis: Hier
sind 95 % der Opfer die Motorradfahrer selbst und
2 % Fussgänger. Mit jeweils etwa 1 % sind andere
Motorrad-, und Fahrradfahrende sowie Personen-
wageninsassen vertreten. Einer der Gründe für
dieses Verhältnis zwischen Motorrad- und Perso-
nenwagenunfällen ist die höhere Vulnerabilität der
Motorradfahrenden.
Abbildung 9 Schwerverletzte und Getötete bei Geschwindigkeitsunfällen nach Unfalltyp und Ortslage, Ø 2004–2008
12
89
534
252
35
163
167
1
12
80
26
5
26
13
0 100 200 300 400 500 600 700
Andere (z. B. Tierunfall)
Autobahn
Ausserorts
Innerorts
Autobahn
Ausserorts
Innerorts
Schl
eude
r-/S
elbs
tunf
all
Kolli
sion
mit
ande
rem
Ve
rkeh
rste
ilneh
mer
Schwerverletzte Getötete
Abbildung 7 Schwerverletzte und Getötete bei Geschwindigkeitsunfällen nach Verkehrsteilnahme, Ø 2004–2008
Abbildung 8 Schwerverletzte und Getötete bei Unfällen mit Geschwindig-keitseinfluss nach Alter und Geschlecht, Ø 2004–2008
18
58
63
78
355
681
2
10
11
5
41
94
0 200 400 600 800
Motorfahrrad
Andere
Fussgänger
Fahrrad
Kleinmotorräder/Motorräder
Personenwagen
Schwerverletzte Getötete
2
14
19
59
101
166
102
158
137
78
47
16
8
1
1
5
14
29
17
21
18
13
8
5
3
4
6
9
27
24
55
31
56
57
36
19
15
6
1
3
2
3
3
3
4
2
2
2
1
200 175 150 125 100 75 50 25 25 50 75
0–4
5–9
10–14
15–17
18–19
20–24
25–29
30–39
40–49
50–59
60–69
70–79
80+
Schwer verletzte Männer Getötete MännerSchwer verletzte Frauen Getötete Frauen
Quelle: BFS Quelle: BFS
56 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Von den einzelnen Geschwindigkeitseinflüssen
fordern insbesondere Unfälle, bei denen «Nichtan-
passen an die Linienführung» bemängelt wurde,
schwere Personenschäden. Das Überschreiten der
Höchstgeschwindigkeit liegt mit rund 204 Schwer-
verletzten und 51 Getöteten jährlich an dritter
Stelle (Abbildung 10).
Um die speziellen Bedingungen von Geschwindig-
keitsunfällen aufzuzeigen, werden diese im Fol-
genden mit allen anderen Unfällen verglichen. Es
werden nur Unfälle mit schweren Personenschäden
betrachtet. Der Unfall muss also zumindest eine
schwer verletzte oder eine getötete Person gefor-
dert haben. Neben der allgemeinen Ursache Ge-
schwindigkeit, werden auch die Anteile der diffe-
renzierten Geschwindigkeitsmängel angegeben.
Die Bedeutung der Schleuder-/Selbstunfälle wurde
bereits bei den schweren Personenschäden bei
Geschwindigkeitsunfällen deutlich. Von diesen
schweren Unfällen wird annähernd der Hälfte die
Ursache Geschwindigkeit zugeordnet (Tabelle 6).
Bei den Kollisionen sind es lediglich 11 %. Vor
allem das Nichtanpassen an die Linienführung oder
die Strassenverhältnisse ist für diesen hohen Anteil
verantwortlich. Ausserorts werden 39 %, auf Au-
tobahnen 36 % und Innerorts 14 % aller schweren
Unfälle mit dem Mangel Geschwindigkeit verse-
hen. Das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit
spielt dabei innerorts und auf Autobahnen eine
grössere Rolle als ausserorts (Tabelle 7).
Tabelle 6 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an allen Unfällen mit schweren Personenschäden nach Unfalltyp, Ø 2004–2008
Schleuder-/ Selbstunfall
Kollision mit anderem Verkehrs-teilnehmer
Andere (z. B.
Tierunfall)
Alle Geschwindigkeitsmängel 47% 11% 6%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
50% 27% 17%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
36% 21% 23%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
2% 19% 11%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
3% 13% 14%
Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
15% 19% 15%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
9% 10% 29%
Tabelle 7 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeiteinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Ortslage, Ø 2004–2008
Innerorts Ausserorts Autobahn Alle Geschwindigkeitsmängel 14% 39% 36%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
35% 52% 22%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
26% 34% 36%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
11% 3% 15%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
8% 5% 10%
Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
19% 14% 20%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
11% 8% 16%
Abbildung 10 Anzahl Schwerverletze und Getötete nach Geschwindigkeits-einfluss, Ø 2003–2008
74
92
121
204
410
532
13
7
16
51
34
77
0 100 200 300 400 500 600 700
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang
mit der Geschwindigkeit
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten
Höchstgeschwindigkeit
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
Nichtanpassen an die Linienführung
Schwerverletzte Getötete
Quelle: BFS Quelle: BFS
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 57
Geschwindigkeit ist vor allem in Kurvenbereichen
ein Problem. In der Hälfte aller Unfälle in Kurvenbe-
reichen wird die Geschwindigkeit, vor allem das
Nichtanpassen an die Linienführung bemängelt.
Auf geraden Strecken stehen die Strassenverhält-
nisse an erster Stelle (Tabelle 8). Das Nichtanpassen
an die Strassenverhältnisse wird bei Unfällen bei
Schneefall in 9 von 10 Geschwindigkeitsunfällen,
bei Regen in 7 von 10 bemängelt (Tabelle 9). Abso-
lut gesehen spielen Unfälle bei Schneefall aber eine
untergeordnete Rolle.
In der Nacht wird ein höherer Anteil an schweren
Geschwindigkeitsunfällen registriert. Auch hier sind
das Nichtanpassen an die Linienführung und die
Strassenverhältnisse stark vertreten. Auffallend ist
gegenüber Unfällen bei Tag und in der Dämme-
rung der erhöhte Anteil an Unfällen mit Geschwin-
digkeitsübertretung (Tabelle 10).
Quelle: BFS
Tabelle 10 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Tageszeit, Ø 2004–2008
Tag Dämmerung Nacht Alle Geschwindigkeitsmängel 20% 25% 33%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
46% 34% 40%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
30% 42% 33%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
9% 6% 4%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
4% 5% 10%
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstge-schwindigkeit
13% 15% 21%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
10% 9% 8%
Tabelle 9 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Witterung, Ø 2004–2008
Keine Niederschläge
Regen Schneefall Andere
Alle Geschwindigkeitsmängel
22% 27% 68% 31%
Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
48% 27% 12% 26%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
21% 68% 93% 84%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
8% 5% 1% 5%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
6% 11% 5% 0%
Überschreiten der gesetzlichen oder signali-sierten Höchstgeschwin-digkeit
18% 9% 2% 5%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
11% 5% 1% 5%
Tabelle 8 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Unfallstelle, Ø 2004–2008
Gerade Strecke
Kurve Einmündung Kreuzung Platz / Verkehrsfläche
Parkplatz / Nebenanlage
Andere
Alle Geschwindigkeitsmängel 17% 51% 10% 9% 6% 6% 9%
Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung 16% 59% 38% 36% 21% 17% 46%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 34% 32% 22% 24% 29% 33% 18%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 16% 2% 14% 15% 21% 8% 0%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 12% 3% 7% 9% 14% 17% 9%
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
17% 15% 22% 16% 0% 13% 18%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
14% 7% 10% 10% 29% 25% 18%
Quelle: BFS Quelle: BFS
Quelle: BFS
58 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Bei den an schweren Unfällen beteiligten Fahrzeu-
gen wird insbesondere bei den Motorradlenkenden
die Geschwindigkeit bemängelt. Beim differenzier-
ten Mangel «Überschreiten der gesetzlichen oder
signalisierten Höchstgeschwindigkeit» liegen diese
aber noch hinter den Personenwagenlenkenden
zurück (Tabelle 11).
Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglen-
ker, die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen an-
passen oder die Höchstgeschwindigkeit übertreten
eher Männer und Personen im Alter von 18 bis 24
Jahre: Mit steigendem Alter nimmt nicht nur der
Anteil an Geschwindigkeitsunfällen insgesamt ab,
sondern vor allem auch die Häufigkeit der Unterka-
tegorie «Übertretung der Höchstgeschwindigkeit»
(Tabelle 12). Werden die Motorfahrzeuglenkenden
nach Geschlecht differenziert, zeigt sich, dass
Männer allgemein einen höheren Anteil Geschwin-
digkeitsunfälle haben und zudem häufiger die
Höchstgeschwindigkeit übertreten. Bei Frauen als
Lenkerinnen ist das Nichtanpassen an die Strassen-
verhältnisse häufiger vertreten (Tabelle 13).
Tabelle 12 Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfäl-len beteiligten Lenker nach Alter, Ø 2004–2008
18–24 25–44 45–64 65–74 75+ Alle Geschwindigkeitmängel 29% 16% 10% 8% 6%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
46% 39% 41% 37% 48%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
31% 34% 34% 38% 31%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
5% 8% 9% 10% 12%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
5% 8% 8% 8% 12%
Überschreiten der gesetzli-chen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
25% 16% 6% 4% 2%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
6% 10% 12% 12% 6%
Tabelle 13 Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfäl-len beteiligten Lenker nach Geschlecht, Ø 2004–2008
Männer Frauen Alle Geschwindigkeitsmängel 17% 11%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung 44% 33%Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 29% 51%Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 7% 8%Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 7% 9%Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
18% 7%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
10% 7%
Tabelle 11 Anteil Fahzeuge mit Geschwindigkeitsmangel an alle Fahrzeu-gen in schweren Unfällen nach Fahrzeugart, Ø 2004–2008
Personen-wagen
Klein-motor-räder/
Motorräder
Liefer-wagen
Last-wagen/ Sattel-
schlepper Alle Geschwindigkeits-mängel
16% 23% 11% 8%
Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung
37% 54% 25% 32%
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse
39% 20% 47% 33%
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse
7% 8% 13% 10%
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse
8% 4% 10% 17%
Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit
19% 15% 8% 14%
Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit
7% 10% 11% 21%
Quelle: BFS Quelle: BFS
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 59
4. Fazit
Im Zeitraum von 1992–2008 hat die Anzahl von
Geschwindigkeitsunfällen mit Personenschäden
entsprechend der allgemeinen Entwicklung des
Unfallgeschehens abgenommen. Die grosse Bedeu-
tung der Geschwindigkeit als Unfallursache bleibt
trotzdem bestehen. Auch heute werden 25 % aller
Schwerverletzten und 40 % aller Getöteten im
Strassenverkehr durch nicht angepasste oder über-
höhte Geschwindigkeit gefordert. In absoluten
Zahlen sind dies pro Jahr 1251 Schwerverletzte und
163 Getötete.
Mehr als zwei Drittel aller Opfer von Geschwindig-
keitsunfällen werden bei Schleuder-/Selbstunfällen
gefordert. Geschwindigkeit ist vor allem bei Ausse-
rortsunfällen und Unfällen in Kurvenbereichen
häufige Ursache. Auch nachts zeigt sich ein erhöh-
ter Anteil von Geschwindigkeitsunfällen. Besonders
häufig werden Motorradfahrer bemängelt, an
zweiter Stelle stehen PW-Lenker. Unter den be-
mängelten Motorfahrzeuglenkenden sind überpro-
portional Männer und Personen im Alter von 18 bis
24 Jahre vertreten.
60 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
VII. Massnahmen zum Geschwindigkeits-management
1. Einleitung
Der Umgang mit dem Thema bzw. Problem Ge-
schwindigkeit läuft oft unter dem Begriff Ge-
schwindigkeitsmanagement [6,29,30]. Dabei wer-
den meist die folgenden Punkte angesprochen:
Höchstgeschwindigkeiten, Polizeikontrollen und
Rechtsprechung, Strasseninfrastruktur, Fahrzeug-
technik, Risikogruppen bzw. der Umgang mit die-
sen mittels Verkehrserziehung, Ausbildung und
Information.
Aus der Literatur sind viele Faktoren bekannt, die
die Geschwindigkeitswahl beeinflussen. Eine Zu-
sammenstellung des European Transport Safety
Council [31] aus dem Jahr 1995 setzt sich aus
strassen-, fahrzeug-, verkehrs-, umwelt- und len-
kerbezogenen Faktoren zusammen:
Strasse:
• Breite
• Längsneigung
• Ausrichtung
• Umgebung
• Gestaltung
• Markierung
• Qualität des Belags
Fahrzeug:
• Fahrzeugtyp
• Leistungsgewicht
• Höchstgeschwindigkeit
• Komfort
Verkehr:
• Dichte
• Zusammensetzung
• Vorherrschende Geschwindigkeit
Umwelt:
• Wetter
• Strassenzustand
• Lichtverhältnisse
• Signale
• Höchstgeschwindigkeit
• Polizeikontrollen
Motorfahrzeuglenkende:
• Alter
• Geschlecht
• Reaktionszeit
• Einstellungen
• Suche nach Nervenkitzel («sensation seeking»)
• Risikoakzeptanz
• Risikowahrnehmung
• Alkoholniveau
• Motorfahrzeugbesitz
• Umstände der Fahrt
• Anzahl Passagiere
Eine wohl wünschenswerte Gewichtung der Risiko-
faktoren nach ihrer relativen Bedeutung nehmen
die Autoren nicht vor.
2. Höchstgeschwindigkeit
Die Höchstgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit
mit der man rechtlich gesehen auf einer Strasse
unter optimalen Verkehrs-, Wetter- und Strassen-
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 61
verhältnissen unterwegs sein darf. Aber auch bei
Einhaltung der allgemeinen oder signalisierten
Höchstgeschwindigkeit ist der Motorfahrzeuglen-
kende noch nicht aus der Pflicht. Er muss sein Ge-
schwindigkeitsverhalten an die jeweiligen Bedin-
gungen wie Verkehrs-, Strassen- und Wetterver-
hältnisse anpassen. Letztlich gibt der Gesetzgeber
nur vor, unterhalb welcher Höchstgrenze sich das
Geschwindigkeitsverhalten abzuspielen hat.
Davon abzugrenzen ist die Geschwindigkeit, für die
die Strasse gebaut worden ist. Hier handelt es sich
um die sogenannten Ausbau- bzw. Projektierungs-
geschwindigkeiten. Von der Theorie her sollten
Ausbau- und Projektierungsgeschwindigkeit, all-
gemeine oder signalisierte Höchstgeschwindigkeit
und tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mög-
lichst nah beieinander sein. Allerdings gibt es empi-
rische Resultate, die darauf hinweisen, dass das
Unfallgeschehen verringert werden kann, wenn die
erlaubte Höchstgeschwindigkeit geringer ist als die
Ausbau- bzw. Projektierungsgeschwindigkeit, d. h.
wenn die Strasse eine gewisse Geschwindigkeitsto-
leranz bietet. Dies dürfte auch der Grund dafür
sein, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in
den USA in den allermeisten Fällen sogar deutlich
unter der V85 liegt, also der Geschwindigkeit, die
von 85 % der Motorfahrzeuglenkenden nicht
überschritten wird.
3. Motorfahrzeuglenkende
Merkmale der Motorfahrzeuglenkenden haben
einen ganz erheblichen Einfluss darauf, ob mit
angemessener Geschwindigkeit gefahren wird oder
nicht. Einige der wichtigen Faktoren wurden be-
reits in Kap. V.5, S. 47 erwähnt.
3.1 Alter
Unangemessene Geschwindigkeit ist ein Problem
der eher jüngeren Motorfahrzeuglenkenden, wobei
dies relativ zu verstehen ist. Es handelt sich dabei
nicht nur um die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen,
sondern um Lenkende bis ca. Mitte 30. Es ist aller-
dings nicht ausgeschlossen, dass dem problemati-
schen Geschwindigkeitsverhalten der ganz Jungen
und der Erwachsenen unterschiedliche Ursachen
zugrunde liegen. Im einen Fall dürfte es sehr viel
mit dem entwicklungspsychologischen Stand der
jungen Leute zu tun haben. Bei den anderen hin-
gegen ist die Entwicklung eigentlich abgeschlos-
sen, aber die Grenzerfahrung wird noch immer
gesucht.
Das Risikoverhalten der Jugendlichen und jungen
Erwachsenen wird auf eine Kombination von ver-
schiedenen Faktoren zurückgeführt. Genannt wer-
den beispielsweise das Pubertätsalter, hormonelle
Fluktuationen und genetische Faktoren neben psy-
chologischen Faktoren wie Selbstwahrnehmung,
Beziehungen zu den Gleichaltrigen («peers»), Er-
ziehungsstil der Eltern und andere psychosoziale
Faktoren. Comsis Corporation und The Johns Hop-
kins University [32] weisen darauf hin, dass Theo-
rien, die nur einen Aspekt der menschlichen Ent-
wicklung berücksichtigen, der Komplexität des
Phänomens nicht gerecht würden. Auch Shope
[33] sieht diverse Einflussfaktoren für das riskante
Fahrverhalten junger Motorfahrzeuglenkender. Sie
nennt Persönlichkeitsmerkmale, demographische
Faktoren, wahrgenommene Umgebung, soziale
und physische Fahrerumgebung, Entwicklungsfak-
toren und die Fahrkompetenz. In all diesen Aspek-
ten sieht sie Interventionsmöglichkeiten. Versuche
zur Änderung des Risikoverhaltens sollten auf je-
62 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
den Fall theoriegestützt sein und einen möglichst
breiten Ansatz verfolgen.
Die Interventionen sollten dabei auf die jeweiligen
Zielgruppen zugeschnitten werden, da die Proble-
me je nach Alter unterschiedlich gelagert sein kön-
nen (Kap. VII.3.10, S. 65).
3.2 Geschlecht
Geschwindigkeitsdelikte sind zum allergrössten Teil
«Männersache». Sowohl bei den deskriptiven wie
bei den analytischen Auswertungen waren Lenker
gegenüber Lenkerinnen deutlich übervertreten.
Dieser Geschlechtsunterschied besteht nach wie
vor, obwohl man vermuten könnte, dass aufgrund
der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung
vermehrt auch Geschwindigkeitsdelikte durch
Frauen begangen werden. Erfreulicherweise ist dies
nicht der Fall.
Für Interventionen bedeutet dies, dass man sich vor
allem auf die Männer als Zielgruppe konzentrieren
sollte.
3.3 Reaktionszeit
Die Reaktionszeit ist stark mit dem Alter korreliert.
Je älter man wird, desto langsamer werden die
Reaktionszeiten. Andere Punkte, die die Reaktions-
zeit beeinflussen sind beispielsweise Alkohol oder
Ablenkung. Da allerdings die Geschwindigkeits-
problematik vor allem mit jüngerem Alter zu tun
hat, scheint die Reaktionszeit hier – abgesehen von
den in Kap. V.2.1.1, S. 37 genannten Punkten –
nicht sehr relevant zu sein.
3.4 Einstellungen
Die Einstellungen spielen in verschiedenen psycho-
logischen Theorien eine wichtige Rolle. Allerdings
ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und
Verhalten bei weitem nicht so klar wie man meinen
könnte. Die Kenntnis der Einstellung(en) allein
reicht meistens für eine Verhaltensprognose nicht
aus. Ohne weiter auf die komplexe Diskussion
innerhalb der Psychologie einzusteigen muss kons-
tatiert werden,
• dass es nicht einfach ist, Einstellungen zu än-
dern
• und dass dies allein nicht ausreicht, um ein
komplexes Verhalten wie die Geschwindig-
keitswahl beim Autofahren zu ändern.
Interventionen, die sich lediglich auf die Einstellun-
gen der Motofahrzeuglenkenden konzentrieren,
scheinen wenig erfolgversprechend zu sein. Kom-
plexe Modelle wie beispielsweise das von Shope
[33] oder die Theorie des geplanten Verhaltens
können hier eher helfen.
Shope schlägt beispielsweise folgende Interventio-
nen für Neulenkende generell (nicht nur bezogen
auf die Geschwindigkeit) vor (Abbildung 11):
• Schnelle und zuverlässige Polizeikontrollen un-
ter Einbezug der technischen Möglichkeiten
• Eine Fahrausbildung, die auf wissenschaftlichen
Grundlagen basiert
• Berücksichtigung der Erkenntnisse zum Erwach-
senwerden. Insbesondere soll das Alter des Füh-
rerausweiserwerbs unter diesen Aspekten kri-
tisch analysiert werden.
• Die Eltern sollen bei der Entscheidung, wann
ein junger Mensch alleine Autofahren darf, eine
wichtige Rolle spielen.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 63
• Geschlechtsunterschiede beim Unfallrisiko soll-
ten berücksichtigt werden (späteres Führer-
scheinalter für Männer als für Frauen?)
• Die soziale Umwelt sollte korrektes Verhalten
im Strassenverkehr vorleben (Eltern, Peers). Auf
Gemeindeebene könnte ein besserer öffentli-
cher Verkehr zu Verfügung gestellt werden.
• Verbesserung der Sicherheit der Strasseninfra-
struktur; elterliche Verbote zu bestimmten Zei-
ten / Wetterbedingungen Auto zu fahren.
Man muss allerdings bei Shopes Vorschlägen be-
rücksichtigen, dass das Führerscheinalter in den
USA bei 16 oder sogar 15 Jahren liegt, wo der
elterliche Einfluss noch um einiges grösser sein
dürfte als bei den mindestens 18-Jährigen in der
Schweiz.
3.5 Sensation Seeking
Das Modell des Sensation Seeking wurde bereits an
anderer Stelle vorgestellt (Kap. V.5.5, S. 49). Auch
wenn dieses für die vorliegende Problematik recht
plausibel erscheint, so ist doch fraglich, ob eine
solche, eher eindimensionale Betrachtungsweise,
ausreichend ist. Darüber hinaus eröffnet dieses
Modell, da es sich dabei um ein kaum änderbares
Persönlichkeitsmerkmal handeln soll, nur wenig
Interventionsmöglichkeiten.
Eine mögliche Rolle könnte das Sensation Seeking
bei der Begutachtung von charakterlich auffälligen
Motorfahrzeuglenkenden spielen. Dazu müsste
allerdings noch überprüft werden, wie sensitiv und
spezifisch das Erhebungsinstrument ist. Von be-
sonderer Bedeutung wäre auch der positive und
negative Vorhersagewert, der von der Prävalenz in
der zu untersuchenden Population abhängt [34].
Abbildung 11 Einflussfaktoren auf Fahrverhalten junger Lenker [32]
Personality characteristics Risk taking propensity Hostility/aggressiveness Susceptibility to peer pressure Tolerance of deviance
Developmental factors Physical Hormones, energy, brain, sleep Psychosocial Emotional, social (identity, sexual) Behavioral
Substance use, school grades
Driving ability Knowledge Skill Experience
Demographic factors Age, sex Employment Education Living situation (parents)
Perceived environment Parents' norms, behavior expectations Parental involvement, monitoring Peers' norms, behavior expectations Partner's norms, behavior expectations Community norms Cultural norms Media-advertising, entertainment Risk perception
Driving environment (physical and social) Night/dark Weather and road conditions Vehicle availability, play, interior Passengers (age, sex, substance use) Trip purpose
Driving behavior Speeding Unsafe passing Tailgating Failure to yield Impaired driving Lack of safety belt use
Quelle: Shope [33]
64 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3.6 Risikoakzeptanz
Mit Risikoakzeptanz ist das Unfallrisiko gemeint,
das der Fahrer bereit ist, in Kauf zu nehmen: das
akzeptierte persönliche Risiko. Dabei handelt es
sich, nach verschiedenen Untersuchungen um ein
relativ stabil bleibendes Niveau an Risikobereit-
schaft. Insbesondere in der Risikohomöostase-
Hypothese von Wilde [35] spielt das subjektive
Risikoniveau eine zentrale Rolle. Das subjektiv ge-
schätzte Risiko und das akzeptierte persönliche
Risiko werden miteinander verglichen (mit einem
«Komparator») und das Verhalten bei Bedarf an-
gepasst, beispielsweise langsamer gefahren. Aber
auch der umgekehrte Fall ist denkbar: dass Verbes-
serung der Verkehrssicherheit beispielsweise durch
sicherere Fahrzeuge mittels riskanteren Fahrverhal-
tens kompensiert wird. Die Hypothese von Wilde
ist deshalb stark umstritten aber es kann wohl
davon ausgegangen werden, dass es unterschiedli-
che individuelle Risikoakzeptanz gibt. Wilde selber
geht davon aus, dass die Risikoakzeptanz bei-
spielsweise von Erfahrung, Persönlichkeit, Ge-
schlecht, Alter, Ausbildung aber auch von tempo-
rären Faktoren wie Alkohol, Ermüdung usw. ab-
hängt. Er vertritt die Meinung, dass die Verkehrssi-
cherheit letztlich nur dadurch verbessert werden
kann, dass das «target level risk», also das akzep-
tierte persönliche Risiko, verändert wird.
Trotz der Streitigkeit der Risikohomöostase-
Hypothese kann man doch zwei Schlussfolgerun-
gen für die Verkehrssicherheitsarbeit ableiten [22]:
1. Intensivierte Polizeikontrollen führen zu einer
erhöhten Risikowahrnehmung und demzufolge
weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen.
2. Strassenmarkierungen, die zu einem subjektiv
erhöhten Risiko führen, können Verhaltensän-
derungen herbeiführen. Beispiele dafür sind
etwa optische Einengungen von Fahrbahnbrei-
ten, die zu verringerten Geschwindigkeiten füh-
ren. Auch abgestufte Kurvenleitpfeile, die einen
geringeren Kurvenradius vortäuschen als tat-
sächlich besteht, erhöhen das subjektiv wahr-
genommene Risiko.
3.7 Risikowahrnehmung
Die Risikowahrnehmung spielt für unser Verhalten
im Strassenverkehr eine wichtige Rolle. Unsere
alltägliche Erfahrung zeigt, dass es nur selten Ver-
kehrsunfälle gibt. Eine Modellrechnung von Shinar
[22] für die USA zeigt auf, dass der durchschnittli-
che Motorfahrzeuglenkende eine Wahrscheinlich-
keit von 0,00016 hat, im kommenden Jahr ums
Leben zu kommen. Aus dieser Perspektive ist bei-
spielsweise eine Verringerung des Sterberisikos
durch das Tragen eines Sicherheitsgurts auf
0,00012 nicht besonders motivierend. Mit der
Frage der Risikowahrnehmung haben sich u. a.
auch Kahneman und Tversky beschäftigt, wobei
Ersterer im Jahr 2002 dafür den Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften erhielt. Sie zeigten auf,
dass die menschliche Risikowahrnehmung erhebli-
chen Fehleinschätzungen unterliegt. Anwendun-
gen dieser «Neuen Erwartungstheorie» auf das
Verkehrsverhalten sind rar und sollten in Zukunft
vermehrt geprüft werden.
Rundmo und Iversen [36] konnten nachweisen,
dass eine Verkehrssicherheitskampagne mit
Schwerpunkt auf die Risikowahrnehmung sowohl
diese verstärkte als auch das Unfallgeschehen posi-
tiv beeinflusste. Es scheint also möglich zu sein,
mittels Kampagnen die Risikowahrnehmung zu
intensivieren und so das Risikoverhalten zu reduzie-
ren.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 65
3.8 Alkoholniveau
Dass Alkohol verschiedenste negative Einflüsse auf
das Fahrfähigkeit hat, ist bekannt. So ändern sich
die Reaktionszeiten, die Wahrnehmung, Risiko-
freudigkeit und vieles mehr. Das Alkoholniveau
erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für zu schnelles
Fahren. Junge Lenker sind besonders anfällig für
die enthemmende Wirkung des Alkohols. Cavegn
et al. [37] haben sich ausgiebig mit dem Thema
Alkohol im Strassenverkehr auseinandergesetzt.
Die ihrer Meinung nach sehr empfehlenswerten
Interventionen sind:
• Alkoholverbot für Neulenker in der Probephase
und für Berufschauffeure
• Ausdehnung der Beweiskraft von Atemalkohol-
proben
• Intensivierung der polizeilichen Kontrolltätigkeit
• Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit über Kontroll-
tätigkeit
• Zwingender Führerausweisentzug für Fahren in
angetrunkenem Zustand zwischen 0.5 und 0.79
Promille
• Flächendeckende Einführung von Nachschu-
lungsprogrammen für Erstdelinquenten
• Anreizsteigerung für freiwillige Teilnahme an
Nachschulungskursen
3.9 Motorfahrzeugbesitz
Ob man selber der Eigentümer eines Fahrzeugs ist
oder nicht, hat einen Einfluss auf das Geschwin-
digkeitsverhalten. Eigentümer fahren mit ihrem
Fahrzeug schneller als Personen, denen das Fahr-
zeug nicht gehört. Ein neueres Ergebnis in dieser
Richtung fanden auch Ewert und Eberling [38], die
ein geringeres Risiko schwerer Verletzungen für die
Insassen von Fahrzeugen fanden, die nicht vom
Eigentümer gefahren wurden.
Interventionen lassen sich aus diesem Befund nur
schwer ableiten. Eine theoretische Möglichkeit
wäre, das Autofahren so weit zu verteuern, dass
zumindest die ganz jungen Motorfahrzeuglenken-
den sich ein eigenes Fahrzeug kaum leisten kön-
nen. Dies würde dann zur vermehrten Nutzung von
Mietfahrzeugen führen, deren Benutzung dann mit
einem geringeren Risiko einherginge. Darüber hin-
aus dürften dadurch auch die Fahrleistungen ge-
senkt werden, wodurch die Unfallhäufigkeit noch
mehr vermindert würde.
3.10 Anzahl Passagiere
Der Einfluss der Anzahl der Passagiere auf das Un-
fall- und Geschwindigkeitsverhalten der Motor-
fahrzeuglenkenden wurde schon oft untersucht.
Die Ergebnisse sind allerdings nicht einheitlich.
Einige Studien kamen insbesondere für junge Len-
ker zum Schluss, dass das Unfallrisiko mit der An-
zahl der Passagiere ansteigt. Die Ergebnisse sind so
weit akzeptiert, dass beispielsweise in einigen Staa-
ten der USA ein Passagierverbot für junge Motor-
fahrzeuglenkende besteht.
Umgekehrt gibt es aber auch Studien, die zu einem
positiven Fazit kommen, d. h. dass die Anwesen-
heit von Passagieren die Verkehrssicherheit verbes-
sert [39].
Insgesamt sieht es so aus, als ob bei jungen Len-
kern insbesondere die Anwesenheit von Gleichalt-
rigen zu einer Risikoerhöhung führt. Die Anwesen-
heit von Kindern oder Erwachsenen hingegen hat
eher positive Effekte. Jenseits des Alters von
25 Jahren sind die Effekte von Passagieren auf das
Fahrverhalten generell eher sicherheitsförderlich.
66 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Es wird empfohlen zu diesem Thema eine Schwei-
zer Studie durchzuführen, um abzuschätzen, ob
durch ein Passagierverbot für junge Lenker ein
bedeutender Sicherheitsgewinn erreicht werden
kann. Falls dem so wäre, könnte eine solche Mass-
nahme Teil der Zweiphasenfahrausbildung werden.
3.11 Graduated Driver Licensing
Das bisher erfolgreichste Vorgehen gegen das er-
höhte Unfallgeschehen von Neulenkenden ist das
Graduated Driver Licensing (GDL), dessen theoreti-
sche Basis darin besteht, dass man bei Neulenken-
den die Exposition für besonders riskante Situatio-
nen vermindert. So erklärt sich, dass in den USA
das GDL vor allem die drei Komponenten des
Nachtfahrverbots, Alkoholverbots und Passagier-
verbots beinhaltet. Alle drei Komponenten gehen
mit deutlich erhöhten Unfallrisiken (und vermehr-
ten Geschwindigkeitsdelikten) einher. Die in Euro-
pa üblichen Massnahmen für Neulenkende unter
demselben Titel des GDL hingegen sind weniger
eindeutig auf die Expositionsminderung von Risiko-
situationen ausgerichtet. Hier versteht man darun-
ter verschiedene Komponenten wie vermehrte
Ausbildung und höhere Strafandrohung. Ob sich
die europäischen Varianten als ähnlich wirksam
erweisen, wie die amerikanischen, die eine Reduk-
tion von 20 bis 30 % bei den Unfällen aufweisen,
muss noch geklärt werden.
Elvik und Vaa [40] kommen aufgrund einer Meta-
Analyse zum Schluss, dass mittels GDL 9 % der
Unfälle mit Verletzten verhindert werden könnte.
Nachtfahrverbote hingegen sollen einen Effekt von -
36 % haben. Eine Cochrane Review [41] kommt
jedoch zum Schluss, dass GDL zwar positive Effekte
hat, das Ausmass aber aufgrund der schwachen
Untersuchungsdesigns nicht bestimmt werden kann.
Insgesamt dürfte das Graduated Driver Licensing
eine der erfolgversprechendsten Massnahmen für
den Umgang mit jungen Motorfahrzeuglenkenden
und deren Problemen im Strassenverkehr sein. Die
genauen Inhalte und deren Wirksamkeit müssen
aber noch besser überprüft werden. Für das
schweizerische System (Zweiphasenfahrausbildung)
sind Resultate etwa im Jahr 2011 zu erwarten.
Abhängig von diesen Resultaten sind allenfalls
noch Verbesserungen vorzunehmen.
3.12 Behandlung von delinquenten
Motorfahrzeuglenkenden
Ein generelles Problem bei der Behandlung von
delinquenten Motorfahrzeuglenkenden ist die
mangelnde Reichweite der Spezialprävention. Nur
ein kleiner Teil der Motorfahrzeuglenkenden, die
zu schnell fahren, wird erwischt. Und nur ein ge-
ringer Teil derjenigen, die zu schnell fahren, tun
dies in einem Ausmass, dass sie Sanktionen, Thera-
pien oder Ähnliches erhalten. Und wiederum nur
bei einem Teil derjenigen, die eine Intervention
erhalten, wirkt sie dann auch.
Lenkende, die im Strassenverkehr wegen Ge-
schwindigkeitsdelikten auffällig geworden sind,
werden in der Schweiz in zweifacher Hinsicht be-
handelt. Einerseits gibt es die strafrechtliche Sank-
tion in Form einer Busse, Geldstrafe, Freiheitsstrafe
oder gemeinnütziger Arbeit (Kap. VII.4.1, S. 68).
Dazu kommt allenfalls noch eine Administrativ-
massnahme im Verwaltungsverfahren, d. h. eine
Verwarnung oder – von den Motorfahrzeuglen-
kenden oft als am schlimmsten empfunden –der
Führerausweisentzug.
Elvik und Vaa [40] analysierten verschiedene Arten
von Behandlungen von «problem drivers» und
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 67
kamen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen,
je nach Art der Intervention. Fahrkurse zu defensi-
vem Fahren ergaben eine Verbesserung von etwa
7 % beim Unfallgeschehen. Diskussionen oder
Gespräche ergaben keinen Effekt. Auch ein erneu-
ter Erwerb des Führerausweises führte zu keinen
bedeutenden positiven Effekten. Dasselbe gilt für
Warnbriefe oder Broschüren, die per Post zuge-
schickt wurden.
Einen deutlich positiven Effekt (15 % Verringerung
bei den Unfällen) hingegen hatten sogenannte
«incentive letters», d. h. persönliche Briefe, in de-
nen Inhalte kommuniziert werden, dass beispiels-
weise kein neuer Führerausweis erworben werden
muss, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit keine
weiteren Auffälligkeiten registriert werden.
Denkbar wäre etwa für «incentive letters», welche
sich auf die kaskadenartige Verschärfung der Ad-
ministrativmassnahme beziehen, folgendes Szena-
rio: Alle Lenker, die bei einem mittelschweren oder
schweren (Geschwindigkeits-)Delikt erwischt wur-
den, erhalten einen Brief, der darauf hinweist, dass
bei einem weiteren mittelschweren oder schweren
Delikt innerhalb einer gewissen Zeit mit einer ver-
schärften Administrativmassnahme zu rechnen sei.
Bei unauffälligem Verhalten innerhalb der nächsten
Jahre käme es jedoch nicht zur Verschärfung der
Administrativmassnahme.
Ein solches System würde einerseits dem Motor-
fahrzeuglenkenden mehr Klarheit über die allen-
falls bevorstehenden Sanktionen verschaffen. An-
dererseits wüsste er auch, was er tun oder lassen
muss, um dies zu vermeiden. Für die Strassenver-
kehrsämter, welche solche Briefe verschicken müss-
ten, gäbe es wohl ein erhebliches Ausmass an
Mehrarbeit, da für jeden einzelnen Delinquenten
überprüft werden müsste, auf welcher Stufe der
kaskadenartigen Verschärfung der Administrativ-
massnahmen er sich aktuell befindet und welche
Administrativmassnahmen ihm bei einem weiteren
Strassenverkehrsdelikt einer bestimmten Schwere
drohen würden. Angesichts der Komplexität der
Art. 16a, b und c SVG, die die Anzahl, die Schwere
und den Zeitpunkt der bisherigen Delikte berück-
sichtigen, ist dies nicht ganz trivial.
3.13 Verkehrssicherheitskampagnen
Verkehrssicherheitskampagnen sind eine weit ver-
breitete Methode um zu versuchen, die Motorfahr-
zeuglenkenden zu Änderungen in Bezug auf Ein-
stellungen und Verhalten zu bewegen. Verkehrssi-
cherheitskampagnen können wirksam sein, müssen
aber nicht. Bemerkenswert ist der geringe Anteil
von Kampagnen, der gründlich evaluiert wurde. Es
gibt jedoch drei Übersichtsarbeiten, die sich mit der
Wirksamkeit von massenmedialen Verkehrssicher-
heitskampagnen befasst haben. Eine ältere von
Elliott aus dem Jahr 1993 [42], eine etwas neuere
von Delhomme et al. aus dem Jahr 1999 [43] und
eine aktuelle aus dem Jahr 2009. Letztere hebt sich
aufgrund der verwendeten Methoden markant von
den beiden älteren Arbeiten ab und ist daher am
aussagekräftigsten. Laut Vaa et al. [44] können
massenmediale Kampagnen von Nutzen sein (so-
wohl bezüglich der Reduktion von Unfällen als
auch bezüglich Verhaltensänderungen). Gemäss
diesen Analysen unterscheiden sich die Einflussfak-
toren auf die Wirkung einer Kampagne aber je
nach Outcome-Kriterium (z. B. Unfälle, Gurttrag-
quote usw.). Die Planung und Implementierung
einer Kommunikationskampagne muss daher sehr
sorgfältig ausgearbeitet werden. Von Kampagnen,
die ausschliesslich auf massenmediale Kommunika-
tion setzen, ist eher abzuraten.
68 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3.14 Fazit
Es sind diverse Risikofaktoren für das Geschwindig-
keitsverhalten bekannt. Die wichtigsten sind männli-
ches Geschlecht und junges Alter. Gegen das erhöh-
te Unfallrisiko der jungen Lenker wurde das Konzept
des «Graduated Driver Licensing» entwickelt, das
darauf abzielt, risikoreiche Fahrsituationen zu mini-
mieren. Eine Evaluation der schweizerischen Zwei-
phasenfahrausbildung steht aber noch aus.
Geschlechtsunterschiede bestehen beim Geschwin-
digkeits- und Unfallverhalten nach wie vor, so dass
der Fokus der Aktivitäten auf die Männer gelegt
werden muss.
Auch Alkohol hat einen erheblichen Einfluss auf
das Geschwindigkeitsverhalten. Deswegen müssen
die bereits mehrfach von der bfu vorgeschlagenen
Massnahmen, wie z. B. ein Alkoholverbot für Neu-
lenkende, das ja auch Bestandteil des Programms
Via sicura ist, forciert werden. Weitere Massnah-
men gegen Alkohol am Steuer können dem Si-
cherheitsdossier Nr. 4 entnommen werden [37].
Junge Motorfahrzeuglenker weisen ein wesentlich
höheres Bedürfnis nach «Sensation Seeking» – also
neuen und aufregenden Erfahrungen – auf. Mögli-
cherweise kann dieses Konzept in der verkehrspsy-
chologischen Diagnostik eingesetzt werden.
Andere psychologische Konzepte wie Risikoakzep-
tanz oder Risikowahrnehmung kann man in Ver-
kehrssicherheitskampagnen einsetzen. Letztere
sind nur sinnvoll, wenn sie sehr sorgfältig und lite-
raturbasiert geplant und implementiert werden.
Bei der Behandlung von geschwindigkeitsauffälligen
Lenkern muss man zwischen dem Sanktionsan-
spruch des Staates und der verbesserten Rückfall-
prognose unterscheiden. Für Letzteres haben sich
beispielsweise Führerausweisentzüge insbesondere
in Kombination mit verhaltenstherapeutischen
Massnahmen oder auch sogenannte incentive let-
ters (persönliches Informationsschreiben im Sinn
eines Mahnbriefes) erwiesen.
Weitere Einflussfaktoren auf das Geschwindigkeits-
verhalten mit Interventionsmöglichkeiten sind die
Anzahl Passagiere, die wohl auf junge Motorfahr-
zeuglenkende einen risikosteigernden Effekt aus-
üben, sowie die Frage nach dem Fahrzeugeigen-
tümer. Wenn man mit einem fremden Fahrzeug
unterwegs ist, wird wohl vorsichtiger gefahren.
4. Recht und seine Durchsetzung
Das Kapitel Recht und seine Durchsetzung zum
Thema Geschwindigkeit besteht aus zwei Teilen:
1. Die Sanktionierung von Geschwindigkeitsüber-
schreitungen
2. Die Kontrolltätigkeit der Polizei
4.1 Sanktionen nach reinen Geschwin-
digkeitsüberschreitungen
(ab 01. Januar 2005)
4.1.1 Allgemein
Ein Fehlverhalten im Strassenverkehr hat nebst
einem strafrechtlichen regelmässig auch ein ver-
waltungsrechtliches Nachspiel. Die Sanktionierung
von Verkehrsregelverletzungen erfolgt somit nach
einem dualistischen System: Einerseits wird im
Strafverfahren eine eigentliche Strafe ausgefällt.
Andererseits können gegen fehlbare Fahrzeuglen-
kende zusätzlich zur Strafe im Verwaltungsverfah-
ren Administrativmassnahmen, z. B. in Form einer
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 69
Verwarnung oder eines Führerausweisentzugs,
verfügt werden. Diese doppelte Sanktionierung
verstösst nicht gegen das Prinzip «ne bis in
idem»24, weil die jeweiligen Sanktionsmittel unter-
schiedliche Zwecke verfolgen [3].
Bei Widerhandlungen gegen die Verkehrsregeln
sind, soweit das SVG nichts anderes bestimmt, die
allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen
Strafgesetzbuchs25 anwendbar (Art. 102 Abs. 1
SVG). Mit der Revision des Allgemeinen Teils des
StGB, in Kraft seit dem 1. Januar 2007, erfolgte
eine Neuordnung des Sanktionensystems. Anstelle
der kurzen Freiheitsstrafe, die nur noch aus-
nahmsweise zur Anwendung gelangen soll, traten
die Geldstrafe im Tagessatzsystem und – sofern der
Täter zustimmt – die gemeinnützige Arbeit. Im
Gegensatz zur Busse können die drei Sanktions-
möglichkeiten Geldstrafe [45,46], Freiheitsstrafe
oder gemeinnützige Arbeit auch bedingt oder teil-
bedingt ausgesprochen werden (Art. 42 und
43 StGB). Zudem kann eine bedingte Freiheitsstrafe
auch mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit
einer (unbedingten) Busse bis zu CHF 10 000.–
verbunden werden (Art. 42 Abs. 4, Art. 106 StGB)
[3]. In leichteren Fällen kann zudem von der Strafe
abgesehen werden26. Bei der Festlegung des
Strafmasses kommt den zuständigen kantonalen
Strafbehörden ein erhebliches Ermessen zu27.
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 24 Gemäss diesem Grundsatz darf niemand wegen der glei-
chen Straftat zweimal verfolgt werden. 25 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937,
SR 311.0 26 Vgl. dazu die Darstellung der Grundzüge des neuen – nur 2
Jahre nach seinem Inkrafttreten sowohl von politischen als auch rechtlichen Kreisen zum Teil heftig kritisierten – Sank-tionensystems in BGE 134 IV 82, E. 3-5.
27 Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) hat Empfehlungen für die Strafzumessung abgege-ben, u. a. für Überschreitungen allgemeiner, fahrzeugbe-dingter oder signalisierter Höchstgeschwindigkeiten: http://www.ksbs-caps.ch/pages_d/empfehlungen_d.htm, Zugriff am 13. Juli 2009
Administrativmassnahmen haben erzieherische
Funktionen oder bezwecken, Personen, die sich
nicht zum Fahren eignen, vom Verkehr fernzuhal-
ten. Rechtlich stellen sie zwar keine Strafe dar,
werden von den Betroffenen jedoch oft als belas-
tender empfunden. Ein Führerausweisentzug
schmerzt in der Regel mehr als z. B. eine Busse
oder eine bedingte Geldstrafe. Administrativmass-
nahmen werden nicht vom Gericht, sondern vom
zuständigen kantonalen Strassenverkehrsamt an-
geordnet. Die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene
Revision des SVG führte mit der Neuregelung des
Warnungsentzugs das sogenannte Kaskadensys-
tem ein (Art. 16a-c SVG). Damit wurde dem
Wunsch des Parlaments und der Mehrheit der Kan-
tone nach einer Vereinheitlichung der Führeraus-
weisentzugspraxis und einem strengeren Vorgehen
gegen Wiederholungstäter, die in schwerer oder
mittelschwerer Weise gegen die Verkehrsregeln
verstossen haben, entsprochen. Der Sicherungsent-
zug im Sinn des vorher geltenden Rechts ist nun als
Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreig-
nung in Art. 16d SVG geregelt28.
Überschreitungen der zulässigen Fahrgeschwindig-
keit gehören zu den häufigsten Delikten im Stras-
senverkehr. Sie können sowohl straf- als auch ver-
waltungsrechtlichen Sanktionen auslösen. Im Fol-
genden werden kurz die gängigen strafrechtlichen
Sanktionen sowie Administrativmassnahmen er-
klärt, die nach reinen Geschwindigkeitsdelikten29
ausgesprochen werden können. Die bezifferten
Überschreitungen allgemeiner oder signalisierter
Höchstgeschwindigkeiten verstehen sich jeweils
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 28 Zur Revision des Administrativmassnahmerechts vgl. die
Botschaft des Bundesrats vom 31. März 1999, BBl 1999 4462; Vgl. ferner die beiden Kapitel von Heim-gartner und Schönknecht sowie von Schaffhauser [47, S. 226-228, 48,48].
29 Fälle, bei denen «lediglich» gegen die Geschwindigkeitsvor-schriften verstossen wurde, ohne dass dies zu einem Unfall führte.
70 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
nach Abzug der Sicherheitsmarge. Sanktionen
nach massiven Geschwindigkeitsüberschreitun-
gen30 [3] bzw. infolge sogenannter Raserei werden
hier nicht speziell thematisiert.
4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen
Übertretungen der Strassenverkehrsregeln können
in einem vereinfachten Verfahren, dem Ordnungs-
bussenverfahren, geahndet werden. Dieses kommt
in der Regel bei besonders leichten Fällen, d. h.
auch geringfügigen Geschwindigkeitsüberschrei-
tungen (1–15 km/h innerorts; 1–20 km/h ausser-
orts und auf Autostrassen; 1–25 km/h auf Auto-
bahnen), zur Anwendung. Massgebend sind das
Ordnungsbussengesetz31 und die Ordnungsbussen-
verordnung32. Bezeichnend für dieses Verfahren
ist, dass die Strafen in der ganzen Schweiz gemäss
Bussenliste festgelegt sind (Anhang 1, Ziff. 303.1,
2 und 3 OBV für Geschwindigkeitsüberschreitun-
gen). Ein Verfahren nach OBG ist jedoch ausge-
schlossen, wenn Personen verletzt oder gefährdet
worden sind oder ein Sachschaden entstanden ist.
Einfache Verkehrsregelverletzungen werden mit
Bussen bestraft. Wird eine im einfachen Ord-
nungsbussenverfahren erhobene Busse nicht frist-
gerecht bezahlt oder übersteigen die Geschwindig-
keitsüberschreitungen in Form einfacher Verkehrs-
regelverletzungen gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG den
Anwendungsbereich des Ordnungsbussenverfah-
rens, kommt das ordentliche Strafverfahren zum
Zug. Dies ist dann der Fall, wenn jemand die zuläs-
sige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 16–
24 km/h, ausserorts und auf Autostrassen um 21–
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 30 Wiprächtiger kommt zum Schluss, dass es für Raser weder
höhere Strafen, schärfere Administrativmassnahmen noch Gesetzesänderungen braucht. Er wünscht sich eine Versach-lichung der Diskussion betreffend Raserproblematik.
31 OBG vom 24. Juni 1970, SR 741.03 32 OBV vom 4. März 1996, SR 741.031
29 km/h oder auf der Autobahn um 26–34 km/h
überschreitet.
Wenn noch schneller gefahren wird, liegt eine
grobe Verkehrsregelverletzung im Sinn von
Art. 90 Ziff. 2 SVG vor. Nach konstanter Rechtspre-
chung des Bundesgerichts33 handelt es sich unge-
achtet der konkreten Umstände um eine grobe
Verkehrsregelverletzung, wenn die zulässige
Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h und
mehr, ausserorts um 30 km/h und mehr und auf
der Autobahn um 35 km/h und mehr überschritten
wird. Eine grobe Verkehrsregelverletzung stellt ein
Vergehen34 dar, das mit einer Geldstrafe oder einer
Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden
kann. Falls der Täter zustimmt, kann das Gericht
statt einer Freiheits- oder Geldstrafe auch gemein-
nützige Arbeit anordnen (Art. 37 Abs. 1 StGB).
Eine grobe Verkehrsregelverletzung infolge Ge-
schwindigkeitsüberschreitung wird vor allem bei
Ersttätern kaum eine vollziehbare Freiheitsstrafe
nach sich ziehen, sondern in der Regel mit einer –
meist bedingt oder teilbedingt ausgesprochenen –
Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit sowie allen-
falls zusätzlich mit einer Busse sanktioniert [3]. Die
Freiheitsstrafe kommt hier praktisch nur noch zum
Zug, wenn jemand schuldhaft die Geldstrafe nicht
bezahlt und sich weigert, stattdessen gemeinnützi-
ge Arbeit zu leisten.
Die Sanktionen bei Verkehrsdelikten sollen zwei
Auswirkungen haben. Zum einen soll der Delin-
quent seine Strafe aus Gerechtigkeitsgründen er-
halten. Andererseits soll die Strafe aber auch dazu
führen, dass es möglichst nicht zu einer Wiederho-
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 33 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betref-
fend grobe Verkehrsverletzung infolge Geschwindigkeits-überschreitung auf der Website der bfu:
http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Documents/Geschwindigkeit.aspx
34 Art. 10 Abs. 3 StGB
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 71
lung des Delikts bzw. zu einem Rückfall kommt.
Die Beweise für Letzteres sind allerdings aus me-
thodischen Gründen nicht ganz einfach zu führen.
So konnte eine Arbeit von Lawpoolsri und Li aus
Maryland [49] zwar aufzeigen dass diejenigen, die
im Mai 2002 eine Ordnungsbusse wegen überhöh-
ter Geschwindigkeit erhalten hatten, eine mehr als
doppelt so grosse Wahrscheinlichkeit hatten, im
darauf folgenden Jahr erneut deswegen gebüsst zu
werden. Die Schlussfolgerung, dass die Busse kei-
nen positiven Effekt auf das Geschwindigkeitsver-
halten hat, lässt sich daraus kaum ableiten. Immer-
hin wäre es möglich, dass das Risiko vor Erhalt der
ersten Busse noch höher gewesen ist. Als rückfallri-
sikosenkend erwies sich hingegen eine Bewäh-
rungsstrafe. Falls es innerhalb eines halben oder
ganzen Jahres nicht zu einem weiteren Delikt kam,
so gab es keinen Eintrag ins Verkehrsregister was
sonst eine erhöhte Versicherungsprämie nach sich
gezogen hätte.
Eine zurzeit stark diskutierte Frage ist die Wieder-
einführung der kurzen Freiheitsstrafen bis zu 6
Monaten. Meta-Analysen, die sich mit den Auswir-
kungen von verschiedenen Strafen auf die Rück-
fallquote speziell von Verkehrsdelinquenten be-
schäftigen, sind den Autoren nicht bekannt. Zwei
Arbeiten [50,51], die sich mit den Auswirkungen
von verschiedenen strafrechtlichen Konsequenzen
auf die Rückfallwahrscheinlichkeit allgemein be-
schäftigt haben, finden entweder keinen Unter-
schied für die verschiedenen Strafarten oder – bei
längeren Gefängnisstrafen – einen Anstieg der
Rückfallwahrscheinlichkeit.
4.1.3 Administrativmassnahmen: insbeson
dere Verwarnung oder Führerausweis-
entzug
Gegen Fahrzeugführer, die die Geschwindigkeits-
vorschriften nicht nur in geringfügiger Weise miss-
achten, können zusätzlich Administrativmassnah-
men – insbesondere in Form einer Verwarnung
oder eines Führerausweisentzugs – verfügt werden.
Die Art der Massnahme hängt von der Schwere der
begangenen Verkehrsregelverletzung ab. Das SVG
unterscheidet – analog der bundesgerichtlichen
Praxis35 – zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittel-
schweren (Art. 16b SVG) und schweren Wider-
handlungen (Art. 16c SVG).36 In besonders leichten
Fällen kann auf eine Massnahme verzichtet werden
(Art. 16a Abs 4 SVG) [47].
Es gibt eindeutige Belege für die unfallverhütende
Wirkung der Administrativmassnahme Führeraus-
weisentzug. Immerhin wird für diesen Zeitraum das
Ausmass des Autofahrens vermindert (obwohl viele
Delinquenten trotz Ausweisentzug Autofahren).
Siegrist [45] empfiehlt auf der Grundlage verschie-
dener Studien zusätzlich noch verhaltensorientierte
Kurse. Auch bereits die Androhung eines Führer-
ausweisentzuges führt bereits zu erheblich verrin-
gerten Rückfallraten, wie Corbett, Delmonte,
Quimby und Grayson [53] herausfanden. Die Dro-
hung ist sogar wirksamer als die Erfahrung eines
vorherigen Ausweisentzugs. ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 35 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betref-
fend Führerausweisentzug auf der Website der bfu: http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Seiten/Warnungsentzug_Fuehrerausweis_uebersicht.aspx http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Documents/SicherungsentzugwegencharakterlicherMaengel.aspx
Zum Recht vor 1995 vergleiche man die Studie von Dillier-Gamma [52].
36 Vgl. zur Qualifizierung der Widerhandlungen u. a. die Websites der kantonalen Strassenverkehrsämter, z. B. Bern: http://www.pom.be.ch/site/index/pom_svsa_index/pom_svsa_administrativmassnahmen.htm, Zugriff am 14. Juli 2009
72 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
4.2 Staffelung der Sanktionen in Ab-
hängigkeit von der Gefährlichkeit
des Geschwindigkeitsdelikts
Die Kategorisierung der verschiedenen Strafen für
die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten
ist zwar abgestuft nach der Höhe der Überschrei-
tungen und Art der Strasse (Tabelle 14). Sie steht
aber nur in einem lockeren Zusammenhang mit
den physischen Konsequenzen eines allfälligen
Unfalls. Neue wissenschaftliche Arbeiten [4] be-
schreiben unter dem Stichwort Power-Model einen
weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen
Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallfolgen als
bisher angenommen.
Aufgrund der neuen Erkenntnisse – und wenn
gleiche Risikogefährdung mit gleicher Sanktion ein-
hergehen soll – wäre ein Überdenken der bisheri-
gen Grenzziehung angebracht. So wird heute auf
Autobahnen ein Überschreiten der Geschwindig-
keit von mindestens 35 km/h als schwere Wider-
handlung eingestuft (was bei Ersttätern zwingend
zu einem 3-monatigen Führerausweisentzug führt),
innerorts um 25 km/h. Möchte man innerorts die-
selbe Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als
schwere Widerhandlung sanktionieren wie auf
Autobahnen, müsste die Grenze innerorts bereits
bei einer Überschreitung von 15 km/h liegen (was
heute lediglich in den Bereich der Ordnungsbussen
fällt).
Der Schwerpunkt bei der Sanktionierung sollte
allerdings nicht so sehr auf die strafrechtlichen
Sanktionen gelegt werden, sondern auf die Admi-
nistrativmassnahmen (insbesondere Führerausweis-
entzug), die die Delinquenten meist härter treffen
als Strafen.
4.3 Demerit points
Punktesysteme für Verkehrssünder sind weit ver-
breitet. So haben 19 der 27 EU-Staaten solche
Systeme eingeführt. Die Belege für deren Wirk-
samkeit sind jedoch eher schwach. Redelmeier,
Tibshirani und Evans haben 2003 zu diesem Thema
eine Arbeit mit einem Case-Crossover-Design ge-
macht [54]. Dabei fanden sie heraus, dass bei Ge-
schwindigkeitsdelikten Strafpunktesysteme wirk-
samer waren als normale Bussen. Insgesamt hielt
Tabelle 14 Sanktionen nach Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 01.01.2005
Sanktionen Ortslage Widerhandlung Massnahme Strafe Innerorts Ausserorts Autobahn
Ordnungsbusse bis Fr. 250.– bis 15 km/h Ordnungsbusse bis Fr. 240.– bis 20 km/h Ordnungsbusse bis Fr. 260.– bis 25 km/h
Verwarnung oder mind. 1-monatiger Führerausweisentzug
Busse 16–20 km/h 21–25 km/h 26–30 km/h leicht
Ersttäter: mind. 1-monatiger Führerausweisentzug Wiederholungstäter: Kaskadensystem (Führerausweisentzug von mind. 4 Monaten bis immer)
Strafe entweder wie nach leichter oder wie nach schwerer Wider-handlung (abhängig von Umstän-den des Falls)
21–24 km/h 26–29 km/h 31–34 km/h mittelschwer
Ersttäter: mind. 3-monatiger Führerausweisentzug Wiederholungstäter: Kaskadensystem (Führerausweisentzug von mind. 6 Monaten bis immer)
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe
mind. 25 km/h mind. 30 km/h mind. 35 km/h schwer
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 73
jedoch die Wirkung nur rund 1 bis 2 Monate an.
Danach war das Unfallsterberisiko derjenigen die
Strafpunkte erhalten hatten wieder gleich hoch.
Insgesamt besteht also wohl keine Notwendigkeit
in der Schweiz ein Strafpunktesystem einzuführen.
Eine Kombination des bestehenden Systems mit
«incentive letters» (Kap. VII.3.12, S. 66), die darauf
hinweisen, dass die kaskadenartige Verschärfung
der Strafen durch zukünftiges Wohlverhalten ver-
mieden werden kann, wäre aber eine Verbesse-
rung mit potenziellem Nutzen für das Unfallge-
schehen.
4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei
Polizeikontrollen haben sich als wirksam erwiesen,
um das Unfallgeschehen zu vermindern [55,56].
Alle Motorfahrzeuglenkenden – sowohl die zu
schnell fahrenden, als auch diejenigen, die die
Höchstgeschwindigkeiten nicht überschritten hat-
ten, senken ihre Geschwindigkeit, wenn es eine
(erkennbare) Geschwindigkeitskontrolle gibt. Der
geschwindigkeitsverringernde Effekt einer Kontrol-
le hält maximal 5 Kilometer an. Danach wird wie-
der mit der vorherigen Geschwindigkeit gefahren
(räumlicher Halo-Effekt). Die verhaltensändernde
Erinnerung an die Geschwindigkeitskontrolle hält
für etwa 10 bis 14 Tage an (zeitlicher Halo-Effekt).
Die theoretische Grundlage der rechtlichen Mass-
nahmen und ihrer Durchsetzung ist die «deterren-
ce theory», also die Theorie der Abschreckung.
Ohne auf die Details einzugehen, ist die wichtigste
Konsequenz, dass eine ausreichende Intensität der
Polizeikontrollen gesichert sein sollte.
Weiterhin ist noch die Frage der Generalprävention
und der Spezialprävention wichtig. Bei der Spezial-
prävention geht es um den Umgang mit delinquen-
ten Personen, insbesondere den Fragen, wie man
sie überführt und wie man Rückfälle verhindern
kann. Bei der Generalprävention hingegen geht es
darum zu verhindern, dass es überhaupt zu delin-
quentem Verhalten kommt.
An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen wer-
den, dass beispielsweise die Verkehrspolizeien und
das BFS unterschiedliche Begriffe für die verschie-
denen Arten von Geschwindigkeitskontrollen ver-
wenden (Tabelle 15).
Im vorliegenden Bericht wird vor allem die BFS-
Terminologie verwendet.
Die wichtigste Frage für die Wirksamkeit der Poli-
zeikontrollen ist die Art der Durchführung. Dabei
werden besonders diskutiert:
1. Sollen die Kontrollen sichtbar oder nicht sicht-
bar sein?
2. Sollen die Kontrollen mobil oder stationär statt-
finden?
3. Sollen Kontrollen automatisch oder manuell
durchgeführt werden?
4. Sollen Geschwindigkeitskontrollen angekündigt
und/oder mit Kampagnen unterstützt werden?
5. Ist die Schnelligkeit der Bestrafung entschei-
dend?
Tabelle 15 Unterschiedliche Begriffe für verschiedene Arten von Ge-schwindigkeitskontrollen
Verkehrspolizei BFS
Fixe Geschwindigkeitskontrollen Stationäre Mess-Systeme – unbemannt
Stationäre Geschwindigkeitskontrollen Stationäre Mess-Systeme – bemannt
Vollmobile Geschwindigkeitskontrollen Mobile Mess-Systeme
74 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
4.4.1 Sichtbarkeit
Die Sichtbarkeit von Polizeikontrollen erhöht deren
Wirkung. Die subjektiv wahrgenommene Kontroll-
intensität steigt an, wenn die Autofahrer sehen,
dass kontrolliert wird – sei es mit einem mobilen
Fahrzeug oder an einem bemannten stationären
Kontrollposten. Diese Art der Geschwindigkeits-
kontrollen ist allerdings nicht sehr weit verbreitet.
Nur 2,4 % der Geschwindigkeitskontrollen werden
bemannt durchgeführt, von denen die allermeisten
sichtbar gewesen sein dürften.
Das Überraschungsmoment fehlt allerdings bei den
sichtbaren Kontrollen.
4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen
Bei stationären Kontrollen können wesentlich mehr
Motorfahrzeuglenkende kontrolliert werden als bei
mobilen Kontrollen. Im Prinzip kann jedes vorbei-
fahrende Fahrzeug auf Geschwindigkeit kontrolliert
werden. Der Nachteil ist, dass der Effekt der statio-
nären Kontrolle nur einige Kilometer anhält. Der
Effekt von mobilen Kontrollen hingegen hält länger
an, da dieses Fahrzeug am Verkehr teilnimmt und
somit von den Verkehrsteilnehmenden längere Zeit
wahrgenommen wird. Mobile Kontrollen werden
aber nur von relativ wenigen Lenkern gesehen.
4.4.3 Unbemannte versus bemannte
Kontrollen
Unbemannte Kontrollen mittels Geschwindigkeits-
kameras bieten die Möglichkeit, eine grosse Zahl
von Fahrzeugen ohne allzu grossen Aufwand zu
kontrollieren. Der Nachteil ist, dass der Standort
dieser Kontrollen nach kurzer Zeit bekannt ist, und
deshalb die «Erfolgsquote» – der Anteil überführ-
ter Geschwindigkeitssünder – gering wird. In der
Schweiz liegt sie bei etwa 0,3 %. Auch zeigt sich
hier ein starker räumlicher Halo-Effekt: es wird vor
allem in der direkten Nähe der Geschwindigkeits-
kamera die Höchstgeschwindigkeit eingehalten.
Aus diesem Grund sind Geschwindigkeitskameras
entweder an Unfallhäufungsstellen zu positionieren
(um lokal die Fahrgeschwindigkeiten zu vermin-
dern) oder in grosser Dichte aufzustellen.
Eine Studie der Cochrane Collaboration [57]
kommt zum Schluss, dass mit automatischen Ge-
schwindigkeitskontrollen auf Innerorts- und Aus-
serortsstrassen Verletzte und Getötete im Strassen-
verkehr vermieden werden können. Aufgrund des
schwachen Untersuchungsdesigns vieler Studien
sehen sich die Autoren jedoch nicht in der Lage,
eine Angabe über die genaue Wirksamkeit zu ma-
chen. Elvik und Vaa [40] kommen ebenfalls zu
einem positiven Resultat. Sie gehen von einer Wirk-
samkeit von 28 % weniger Unfälle innerorts und
4 % ausserorts aus.
Manuelle Kontrollen bieten den Vorteil einer höhe-
ren Erfolgsquote (6,7 bis 6,8 %), fordern aber ei-
nen wesentlich höheren personellen Aufwand, da
die Kontrollposten eingerichtet und mit ausrei-
chend Personal bestückt werden müssen. Wenn
man dazu auch noch die Bussen sofort erteilen
möchte, dann steigt der Aufwand nochmals an: die
Geschwindigkeit muss gemessen werden, ein wei-
terer Posten darüber informiert werden, dieser den
fehlbaren Motorfahrzeuglenkenden herauswinken,
Busse erteilen usw.
Elliott und Broughton [55] berichten, dass der
räumliche Halo-Effekt bei manuellen Geschwindig-
keitskontrollen etwa 5-mal so gross ist wie bei
automatischen Kontrollen.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 75
4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne
Ankündigung/Kampagnen?
Zu diesem Thema gibt es eindeutige Ergebnisse.
Polizeikontrollen mit begleitender Medienarbeit sind
wirkungsvoller. Dies erklärt sich durch die grössere
subjektive Kontrollwahrscheinlichkeit. Falls die Kon-
trolltätigkeit allerdings nicht tatsächlich intensiviert
wird, so geht der Medieneffekt jedoch nach einigen
Wochen wieder verloren. Eine Intensivierung der
Polizeikontrollen alleine wird oft nicht bemerkt.
4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung
Die Schnelligkeit der Bestrafung gilt allgemein als
einer der Pfeiler der Spezialprävention (neben der
Entdeckungs-, Verfolgungs- und Sanktionswahr-
scheinlichkeit). Es gibt allerdings kaum empirische
Beweise für die Bedeutung der Schnelligkeit der
Bestrafung. Möglicherweise ist der Mensch – im
Gegensatz zu den tierexperimentellen Untersuchun-
gen – doch in der Lage den Zusammenhang zwi-
schen einer länger zurückliegenden Handlung und
der deutlich später erfolgenden Strafe herzustellen
und mit angemessenen Verhaltensänderungen zu
reagieren.
4.4.6 Fakten zur Geschwindigkeitsdelinquenz
und zu den Polizeikontrollen in der
Schweiz
Geschwindigkeitsüberschreitungen sind (auch) in
der Schweiz ein Massendelikt. Das BFS und die bfu
erfassen gemeinsam mit den Polizeikorps regelmäs-
sig den Anteil überprüfter und sanktionierter Len-
kender und führt alle zwei Jahre eine Befragung der
Motorfahrzeuglenkenden durch [58]. Aus diesen
Erhebungen stammen die folgenden Erkenntnisse
zum Thema Geschwindigkeit und Polizeikontrollen.
Rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung über-
schreitet nach eigenen Angaben mindestens einmal
im Monat die Höchstgeschwindigkeiten, wobei der
Anteil auf den schnellen Strassen grösser ist als auf
den langsamen. Es zeigt sich, nicht ganz unerwartet,
dass Männer (selbstberichtet) häufiger zu schnell
fahren als Frauen, Junge häufiger als Ältere, Vielfah-
rer öfter als Personen mit geringen Fahrleistungen
sowie die Tessiner seltener als die Deutschschweizer
oder die Romands.
In der Schweiz wurden in den letzten Jahren die
Anzahl der Geschwindigkeitskontrollen massiv er-
höht. Im Jahr 2003 waren es noch 243 Mio., 2007
über 515 Mio. Fahrzeuge, d. h. eine Steigerung um
112 %. 97,6 % der Geschwindigkeitskontrollen
wurden durch unbemannte stationäre Mess-
Systeme durchgeführt. Ihre Erfolgsquote beträgt
0,3 %, an den bemannten Stationen waren es 6,7
bis 6,8 %. Daraus resultiert, dass die Geschwindig-
keitsdelinquenten zu etwa zwei Dritteln mit unbe-
mannten und zu einem Drittel mit bemannten
Mess-Systemen erfasst wurden. Insgesamt hat es
sich um etwa 2,5 Mio. Geschwindigkeitssünder
bzw. zu schnell fahrende Fahrzeuge gehandelt.
Geschwindigkeitsüberschreitungen, die verzeigt
wurden, machten 5,6 % davon aus, also etwa
140 000 Fälle. Verurteilungen wegen grober Ver-
kehrsregelverletzungen (vor allem Geschwindig-
keitsdelikte) gibt es allerdings nur etwa 21 500
(Stand 2006). Betroffen davon sind zum allergröss-
ten Teil Männer (87 %) und eher junge Lenker (die
Hälfte unter 35 Jahren). Schweizer und Ausländer
machen je rund die Hälfte der Verurteilten aus.
Die Strafen waren meistens nur Bussen (87 %) oder
bedingte Freiheitsstrafen (13 %). Unbedingte Frei-
heitsstrafen wurden in den letzten vier Jahren im
Durchschnitt nur bei 35 Personen jährlich ausge-
76 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
sprochen, wobei dies im Vergleich zu früheren Zei-
ten einen deutlichen Anstieg darstellt. Die durch-
schnittliche Dauer der bedingten Freiheitsstrafe be-
trägt 16 Tage, diejenige der unbedingten etwa 92.
Neben den möglichen strafrechtlichen Konsequen-
zen gibt es auch noch die Administrativmassnah-
men, insbesondere den Führerausweisentzug
(Kap. VII.4.1, S. 68). Gut 40 % der Führerauswei-
sentzüge (2007: 31 700 = 42 %, 2008: 33 200 =
43 %) sind auf Geschwindigkeitsdelikte zurückzu-
führen37. Es existieren diesbezüglich grosse Unter-
schiede zwischen den Kantonen und von Jahr zu
Jahr.
Der Anteil Personen, die sich mehr Geschwindig-
keitskontrollen wünschen, hat – gegenläufig zu
den intensivierten Kontrollen – in den vergangenen
Jahren abgenommen. 2004 waren es noch 38 %,
die sich mehr Geschwindigkeitskontrollen wün-
schen, 2007 nur noch 26 %. Der Anteil derjenigen,
die der Meinung sind, dass es zu viele Kontrollen
gibt, ist im selben Zeitraum von 10 % auf 16 %
angestiegen. Offensichtlich ist die Intensivierung
der Geschwindigkeitskontrollen bemerkt worden
und für einen grösser werdenden Anteil der Bevöl-
kerung genügt es jetzt. Dennoch ist der Anteil
derjenigen, die mehr Geschwindigkeitskontrollen
wünschen, immer noch um 10 Prozentpunkte hö-
her als der Anteil derjenigen, die gerne weniger
Geschwindigkeitskontrollen hätten.
Wenn man nach der subjektiven Erwartung von
Geschwindigkeitskontrollen fragt, so zeigt sich,
dass rund 4 von 5 Autofahrern damit rechnen, dass
sie mindestens einmal jährlich auf Geschwindigkeit
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 37 Ein Führerausweisentzug kann die Folge mehrerer Delikte
sein. Bezogen auf die Summe dieser Delikte (und nicht der Ausweisentzüge) machen Geschwindigkeitsdelikte rund ein Drittel aus.
kontrolliert werden. Männer rechnen damit mehr
als Frauen, junge Lenkende mehr als ältere und
Vielfahrer mehr als Lenkende mit geringen Kilome-
terleistungen. Weiterhin wird im Tessin und in der
Deutschschweiz eher mit Geschwindigkeitskontrol-
len gerechnet als in der Romandie. Die verschiede-
nen Arten von Geschwindigkeitskontrollen werden
von [40] mit einer Reduktion von 5 bis 20 % beur-
teilt, wobei die stationären bemannten Polizeikon-
trollen mit -14 % am besten abschneiden. [55]
weist allerdings darauf hin, dass der Zusammen-
hang zwischen Polizeikontrollen und Unfallgesche-
hen nicht linear ist. Bei geringer Kontrollintensität
dürfte eine Intensivierung wirksamer sein als bei
hoher. Irgendwann dürfte sogar ein Sättigungs-
punkt erreicht sein. In welchem Bereich sich die
Schweiz diesbezüglich befindet, ist nicht bekannt.
Der Sättigungspunkt dürfte aber kaum erreicht
sein.
Für die Schweiz hat das BFS festgestellt, dass
knapp je die Hälfte der Geschwindigkeitskontrollen
auf Innerortsstrassen und auf Autobahnen stattfin-
den. Auf Landstrassen werden nur 3 % aller Ge-
schwindigkeitskontrollen durchgeführt. Dies ist
angesichts der Schwere und Häufigkeit des Unfall-
geschehens auf Landstrassen definitiv zu wenig.
Insbesondere hier sollte eine Intensivierung statt-
finden und – falls nicht möglich – so doch zumin-
dest eine Verlagerung der Geschwindigkeitskon-
trollen entsprechend dem tödlichen Unfallgesche-
hen: 53 % Landstrassen, 36 % innerorts und 11 %
Autobahn.
4.4.7 Section Control
Eine neuere Entwicklung ist die «section control»
oder Abschnittskontrollsystem. Dabei wird die
Durchschnittsgeschwindigkeit innerhalb eines be-
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 77
stimmten Streckenabschnitts gemessen. Technisch
bedingt dies, dass die Fahrzeuge am Anfang und
am Ende des Abschnitts identifiziert werden (Kenn-
zeichenerkennung), die Zeitdauer der Durchfah-
rung erfasst und mit der Streckenlänge zur Durch-
schnittsgeschwindigkeit verrechnet wird. Bei an-
gemessenen Geschwindigkeiten müssen die Infor-
mationen über die Kennzeichen aus Datenschutz-
gründen sofort wieder gelöscht werden. Die tech-
nischen Probleme sind weitgehend gelöst. Schwä-
chen hat das System weil der Streckenabschnitt
bestimmte Charakteristika aufweisen muss (gleich-
bleibende Höchstgeschwindigkeit, wenig Kreuzun-
gen oder Abzweigungen, wenig Kurven, die die
Durchschnittsgeschwindigkeiten automatisch sen-
ken würden). All dies weist darauf hin, dass diese
Art der Geschwindigkeitskontrolle vor allem für
Autobahnen und monotone Ausserortsstrecken
geeignet sein dürfte.
Ein Pilotversuch in Österreich [59] im Kaisermühlen-
tunnel bei Wien ergab positive Ergebnisse. Die
Anzahl der Unfälle mit verletzten Personen sowie
die Anzahl der verletzten Personen sanken vor dem
und im Tunnel im Vergleich zur Vorherperiode um
rund 40 %. Nach dem Tunnel gab es keine grossen
Veränderungen. Besonders markant sank die Un-
fallkostenrate (–80 %), was ein Hinweis darauf ist,
dass neben der Anzahl der Unfälle auch deren
Schwere abgenommen hat. Die Studie hat einige
methodische Schwächen (mögliche Regression-zur-
Mitte), so dass ein für 2010 geplanter Pilotversuch
in der Schweiz noch weitere wichtige Informatio-
nen wird liefern können.
4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen
und -zeiten
Eine wichtige Praxis für stationäre Geschwindig-
keitskontrollen ist, dass die Positionen zufällig (ran-
domisiert) ausgesucht werden, damit die Motor-
fahrzeuglenkenden die Erfahrung machen, dass die
Polizei auch an unerwarteten Stellen präsent sein
kann [55].
So berichten Newstead, Cameron und Leggett
[60], dass die Einführung eines Systems der zufälli-
gen Zuweisung der Kontrollen nach Ort und Zeit
(sogenannte Random Road Watch – RRW) in der
Region Queensland in Australien zu einem erhebli-
chen Rückgang der Unfälle führte. RRW bedeutete,
dass jeder von knapp 300 Polizeiposten im Durch-
schnitt etwa 40 mögliche Kontrollstellen angab.
Die Kontrollzeiten wurden auf 2 Stunden zwischen
6 Uhr morgens und Mitternacht begrenzt. Die
Kontrollen wurden dann durch eine zufällige Kom-
bination von Ort und Zeit bestimmt. Die Anzahl
tödlicher Unfälle sank insgesamt um 25 %; die
Reduktion war allerdings geringer für weniger
schwere Verletzungen. Die Wirksamkeit dieser
Strategie war besser in ländlichen Regionen als
innerorts. Sie schien im Laufe der Zeit wirksamer zu
werden – möglicherweise weil die Lenker merkten,
dass sie zu verschiedenen Uhrzeiten und an unter-
schiedlichen Orten mit Kontrollen rechnen muss-
ten.
Der letzte Punkt könnte ein Hinweis darauf sein,
dass es eine gewisse Zeit braucht, bis die Motor-
fahrzeuglenkenden das System begreifen. Mögli-
cherweise würden Informationskampagnen dazu
beitragen, die Wirksamkeit dieses Systems zu be-
schleunigen.
78 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Das Nutzen-Kosten-Verhältnisse lag bei dem
Queensland-Programm bei 55:1 und war somit
deutlich besser als ein Programm zu Geschwindig-
keitskameras (9,4:1) oder anlassfreien Alkoholkon-
trollen (25:1).
4.4.9 Fazit
Automatische Geschwindigkeitskontrollen (unbe-
mannt und stationär) müssen weiterhin das Rück-
grat der Polizeiaktivität im Geschwindigkeitsbereich
bilden. Diese sollten noch weiter intensiviert wer-
den. Die Akzeptanz dafür ist – trotz der bereits
deutlich gestiegenen Häufigkeit an Geschwindig-
keitskontrollen – immer noch gegeben. Die Intensi-
vierung der automatischen Kontrollen sollte sich
besonders auf die Ausserortsstrassen – und dort
auf besonders gefährliche Streckenabschnitte –
konzentrieren, um eines der grössten Verkehrssi-
cherheitsprobleme in der Schweiz entschärfen zu
helfen.
Die zufällige Auswahl der Kontrollorte und –zeiten
bei stationären bemannten Kontrollen ist nach dem
aktuellen Kenntnisstand eine sehr wirkungsvolle
Massnahme. Durch eine geringe Vorhersehbarkeit
für die Lenker steigt die subjektive Kontrollerwar-
tung an. Dadurch können erhebliche Reduktionen
bei den schwersten Unfällen erreicht werden, ohne
dass die Kontrolltätigkeit der Polizei intensiviert
werden muss.
Fahrende Geschwindigkeitskontrollen insbesondere
mit zivilen Fahrzeugen sind hingegen zur Bekämp-
fung des Massendelikts «überhöhte Geschwindig-
keit» nur wenig geeignet, da sie zwar zu Spezial-
prävention (Überführen der Delinquenten) aber
kaum zur Generalprävention (allgemeine Abschre-
ckung) beitragen. Die Begleitung der polizeilichen
Aktivitäten mittels Information oder Kampagnen ist
sehr sinnvoll, da Veränderungen der Polizeiaktivitä-
ten erst bei erheblicher Intensivierung durch die
Öffentlichkeit bemerkt wird. Die Massenmedien
sind in der Lage, dies vorwegzunehmen.
5. Verkehrstechnik
5.1 Einleitung
5.1.1 Abgrenzung
Strassenart
Das Unfallgeschehen (Kap. VI, S. 51) zeigt auf, dass
sich Unfälle mit möglichem Geschwindigkeitsein-
fluss vor allem auf Innerorts- und Ausserortsstras-
sen ereignen. Autobahnen sind also weniger be-
lastet. Rund die Hälfte aller Schwerverletzten und
rund zwei Drittel der Getöteten sind auf Ausser-
ortsstrassen zu verzeichnen. Ein Drittel der Schwer-
verletzten und ein Viertel der Getöteten finden sich
auf Innerortsstrassen. Die Letalität von geschwin-
digkeitsbedingten Unfällen ist auf Ausserortsstras-
sen mehr als doppelt so hoch wie auf Innerorts-
strassen. Obwohl auf Autobahnen hohe Ge-
schwindigkeiten gefahren werden, ist dieser Stras-
sentyp hinsichtlich geschwindigkeitsbedingten
Unfallgeschehens von untergeordneter Bedeutung.
Deshalb werden im Folgenden nur verkehrstechni-
sche Massnahmen auf Innerorts- und Ausserorts-
strassen diskutiert.
Wirkungsebene
Der Effekt von verkehrstechnischen Massnahmen
auf die gefahrenen Geschwindigkeiten kann auf
zwei Ebenen gemessen werden. Auf der Wir-
kungsebene zeigt sich eine Senkung der gefahre-
nen Geschwindigkeiten, auf der Ergebnis-Ebene
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 79
die Reduktion des Unfallgeschehens. Es zeigt sich,
dass bezüglich verkehrstechnischer Massnahmen
eine Reduktion der gefahrenen Geschwindigkeit
meist mit einer Reduktion des Unfallgeschehens
und der Unfallschwere einhergeht. Im Folgenden
wird primär auf verkehrstechnische Massnahmen
eingegangen, die zur Einhaltung der allgemeinen
oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten bei-
tragen und/oder zu einer den (lokalen) Verhältnis-
sen angepassten Fahrgeschwindigkeit führen.
Dazu kommen einzelne Massnahmen, die in erster
Linie auf eine Senkung der Unfallfolgen abzielen
(unabhängig davon, ob dabei auch die gefahrenen
Geschwindigkeiten reduziert werden).
5.1.2 Problematik der Strassenverkehrsun-
fallstatistik hinsichtlich verkehrstechni-
scher Mängel
Die amtliche Strassenverkehrsunfallstatistik enthält
zwar Merkmale bezüglich Infrastruktur wie bei-
spielsweise «Strassenart», «Unfallstelle», «mögli-
che Mängel/Einflüsse». Verkehrstechnische Mängel
lassen sich daraus jedoch nicht ableiten. So ist etwa
die auf der polizeilichen Unfallstatistik basierende
Aussage, dass sich die meisten Unfälle an Kreu-
zungen ereignen verkehrstechnisch wenig aussa-
gekräftig. Wichtig wären Informationen über die
konkrete Ausgestaltung einer Kreuzung, nament-
lich die Sichtweiten, die Abbiegeradien, die Anzahl
und Lage der Fahrspuren, die Verkehrsmengen und
-zusammensetzung und Ähnlichem. Die Verbrei-
tung und Relevanz der Mängel aus Sicht des Ver-
kehrsingenieurwesens sowie die Priorität von bauli-
chen, gestalterischen oder betrieblichen Massnah-
men aus sicherheitstechnischer Sicht können somit
auf der Basis der polizeilichen Unfallstatistik nicht
quantifiziert werden. Die Praxis sowie Erfahrungen
aus Road Safety Audits (Kap. VII.5.6.6, S. 97) zei-
gen aber immer wieder, dass sicherheitstechnische
Bedingungen oft nicht eingehalten werden [61].
Aus diesen Gründen werden im Folgenden Infra-
struktur, Gestaltung und Betrieb von Verkehrsanla-
gen systematisch dahingehend analysiert, ob und
wie sie hinsichtlich Geschwindigkeitsreduktion und
Sicherheitsgewinn optimiert werden können.
5.1.3 Begriffe
Ausbaugeschwindigkeit
Die Ausbaugeschwindigkeit ist eine Vorgabe zur
Festlegung des Ausbaugrades einer Strasse. Sie legt
die Grenzwerte der Projektierungselemente (Kur-
venradius, Querschnitt, Längsneigung) fest [14,62].
In diesem Sinn legt sie den Ausbaugrad einer Stras-
se fest. Diese Definition orientiert sich in erster
Linie an der Funktion einer Strasse hinsichtlich mo-
torisiertem Individualverkehr. Die OECD [29] emp-
fiehlt eine Definition, mit einem starken Bezug zur
Verkehrssicherheit. Danach ist die Ausbauge-
schwindigkeit diejenige Höchstgeschwindigkeit, die
eine sichere und angenehme Fahrweise bei leich-
tem Verkehrsaufkommen ermöglicht.
Projektierungsgeschwindigkeit
Die Projektierungsgeschwindigkeit ist die höchste
Geschwindigkeit, mit der eine bestimmte Stelle
einer Strasse befahren werden kann. Ihre Grösse
richtet sich in erster Linie nach den Kurvenradien.
In Geraden wird die Projektierungsgeschwindigkeit
der geltenden Höchstgeschwindigkeit gleichge-
setzt. Dies gilt auch für Radien, die eine höhere
Projektierungsgeschwindigkeit zuliessen.
80 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Infrastruktur
Die Infrastruktur umfasst alle baulichen Elemente
einer Strasse inkl. Signale und Markierungen.
Betrieb
Der Betrieb einer Strasse umschreibt die gesamte
Abwicklung und Organisation des Verkehrs. Dazu
gehören die mittels Signalisation festgelegte
Höchstgeschwindigkeit, Fahrrichtung, Anzahl Fahr-
spuren, sowie Verkehrsstärken und –zusammen-
setzung.
Gestaltung
Eine gestaltete Strasse weist Interventionen zur
Aufwertung des Erscheinungsbildes des Strassen-
raumes auf. Dadurch soll dem Motorfahrzeuglen-
kenden namentlich auf übergeordneten Strassen
innerorts die Multifunktionalität eines Strassenrau-
mes vergegenwärtigt werden. Dazu gehören insbe-
sondere die Nutzungsansprüche der verletzlichen
Verkehrsteilnehmenden.
Linienführung
Die horizontale Linienführung ist durch die Kurven-
radien, die Geraden und den dazwischen liegenden
Übergangsbereichen gegeben. Die vertikale Linien-
führung wird durch die Längsneigungen charakteri-
siert.
Querschnitt
Der Querschnitt einer Strasse wird hauptsächlich
durch die Spurbreiten für den rollenden Verkehr, die
Trottoirbreiten, die seitlichen Freiräume und die
Anzahl der Spuren charakterisiert.
Geschwindigkeitsregimes
Darunter werden die je nach Ortslage geltenden
allgemein gültigen Höchstgeschwindigkeiten ver-
standen. In der Schweiz sind dies gemäss Art. 4a der
Verkehrsregelverordnung:
50 km/h innerorts
80 km/h ausserorts
100km/h auf Autostrassen
120 km/h auf Autobahnen
Siedlungsorientierte Strasse
Auf siedlungsorientierten Strassen dominiert die
Erschliessungs- und Aufenthaltsfunktion. Da sie
meist durch Wohnquartieren führen, sind sie mög-
lichst frei von Durchgangsverkehr zu halten.
Verkehrsorientierte Strasse
Verkehrsorientierte Strassen haben zwei Funktionen:
Einerseits sollen sie effiziente Verkehrsträger für den
rollenden Verkehr sein, andererseits sind sie für
einen Ort identitätsstiftend und sollen dem Lang-
samverkehr grosse Sicherheit und hohe Aufent-
haltsqualität bieten.
V85
Dies ist die Geschwindigkeit, die von 85% aller an
einem bestimmten Strassenquerschnitt erfassten
Fahrzeuge erreicht bzw. unterschritten wird.
5.2 Übergeordnete Ziele
Infrastruktur, Betrieb und Gestaltung der Strasse (bei
neuen Projekte oder Sanierungen) sind so zu planen,
zu projektieren und auszuführen, dass Motorfahr-
zeuglenkende intuitiv mit angemessener Geschwin-
digkeit fahren. Um dies sicherzustellen sind insbeson-
dere folgende Grundsätze zu beachten [63,64]:
• In der Basisplanung ist das Strassennetz zu hierar-
chisieren. Dadurch werden den einzelnen Strassen
Funktionen zugeordnet. Darauf basierend können
unter Berücksichtigung der Nutzungsansprüche
aller Verkehrsteilnehmenden [65] die Strassen pro-
jektiert, betrieben und gestaltet werden.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 81
• Es ist davon auszugehen, dass die Wahl einer
angemessenen Geschwindigkeit unter anderem
davon abhängt, ob die Motorfahrzeuglenken-
den eine Strasse richtig beurteilen. Das Erken-
nen von Funktion und Nutzungsansprüchen
muss demnach für Motorfahrzeuglenkenden
aufgrund des Erscheinungsbildes der Strasse
möglich sein, d. h. eine Strasse muss selbster-
klärend ausgeführt sein [64,66]. In der Norm
SN 640 211 [65] des Schweizerischen Verbands
der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) ist
dieser Grundsatz unter dem Stichwort «Be-
greifbarkeit» subsummiert. Die Wirksamkeit
dieses Grundsatzes auf das Geschwindigkeits-
verhalten konnte in einem Simulatorversuch ge-
zeigt werden. Selbsterklärende Strassen weisen
homogenere Geschwindigkeiten auf [67].
• Homogenität im Geschwindigkeitsverhalten
wird in der Literatur oft als bedeutsamer Faktor
hervorgehoben. Insbesondere in [68] und [5]
werden diverse Studien zitiert, wonach homo-
gene Geschwindigkeiten einen positiven Effekt
auf das Unfallgeschehen haben. So weisen
Fahrzeuge, die bedeutend schneller als der
Durchschnitt fahren, eine bedeutend erhöhte
Unfallwahrscheinlichkeit auf. Von grosser Be-
deutung für die Projektierung von Verkehrsan-
lagen sind die Aussagen in [68], wonach sich
die Homogenität der gefahrenen Geschwindig-
keiten, auch über eine ganze Strecke betrach-
tet, positiv auf das Unfallgeschehen auswirkt.
• Zur Vollständigkeit sei noch der Grundsatz der
fehlertoleranten Strasse erwähnt. Es ist nicht
davon auszugehen, dass damit unmittelbar die
Fahrgeschwindigkeiten beeinflusst werden
können. Ziel einer fehlertoleranten Strasse ist es
jedoch, die Folgen auch von geschwindigkeits-
bedingten Unfällen zu minimieren.
5.3 Planung
Auf der Stufe der Planung werden die Strassen hie-
rarchisch gegliedert. Ein wesentlicher Punkt der Hie-
rarchisierung ist, dass die Zuteilung einer Strasse in
die adäquate Hierarchiestufe nicht nur auf Planungs-
stufe erfolgt, sondern in der Realität umgesetzt und
für die Motorfahrzeuglenkenden erkennbar wird. Die
Erfahrung zeigt, dass dies in der Praxis wiederholt
missachtet wird. Klassisches Beispiel sind siedlungs-
orientierte Strassen mit überbreiten Fahrbahnen und
beidseitigem, baulich deutlich abgetrenntem Trottoir
sowie Mittellinie (Abbildung 12). Ein solches Erschei-
nungsbild widerspricht der Funktion einer Quar-
tierstrasse und kann u. a. zu unangepasstem Ge-
schwindigkeitsverhalten führen (Abbildung 13).
Abbildung 12 Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Tempo-30-Strasse
Abbildung 13 Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Aus-serortsstrasse (Tempo 80)
82 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.4 Infrastruktur
5.4.1 Autobahnen
Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen be-
trägt 120 km/h. Je nach Topografie und Siedlungs-
struktur beträgt demnach die Ausbaugeschwindig-
keit maximal ebenfalls 120 km/h. Gemäss den
Vorgaben in [62] und [14] ist die horizontale Li-
nienführung danach zu projektieren.
Da die Ausbaugeschwindigkeit sowie der Quer-
schnitt von Autobahnen vorgegeben sind, besteht
kein Spielraum für infrastrukturelle Massnahmen
zur Reduktion der gefahrenen Geschwindigkeiten.
Zu diesem Schluss gelangen auch die Autoren von
[69]. Sie halten fest, dass es auf Autobahnen kei-
nen Zusammenhang zwischen Geometrie und der
gefahrenen Geschwindigkeit gibt. Engere Radien
zwingen zwar die Lenkenden aus physikalischen
Gründen zu niedrigeren Geschwindigkeiten. Über-
geordnetes Ziel der horizontalen Linienführung
sollte es jedoch sein, homogene Geschwindigkei-
ten auf einem Streckenzug anzustreben und nicht
das Geschwindigkeitsverhalten zu beeinflussen.
Dies wird im folgenden Kap. VII.5.4.2 eingehend
erläutert.
Berücksichtigt man schliesslich, dass Autobahnen
hinsichtlich geschwindigkeitsbedingtem Unfallge-
schehen keinen Schwerpunkt darstellen
(Kap. VII.5.1.1, S. 78), spielt die Tatsache, dass
mittels Infrastruktur und Gestaltung die Geschwin-
digkeiten nicht beeinflusst werden können, eine
untergeordnete Rolle.
5.4.2 Ausserortsstrassen
Ausserortsstrassen wiesen in den vergangenen 8
Jahren eine V85 von 79 km/h bis 85 km/h auf [28].
Der Anteil Fahrzeuge, welche die Höchstgeschwin-
digkeit nicht einhielten, betrug in diesem Zeitraum
16–35 %. Aus [68] ist bekannt, dass es vor allem
die schnellen Fahrzeuge aus einer Geschwindig-
keitsverteilung sind, welche eine hohe Unfallrate
aufweisen. Zusammen mit den Erkenntnissen be-
züglich geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen,
ist auf Ausserortsstrassen Handlungsbedarf ange-
zeigt. Wie kann das Geschwindigkeitsverhalten
bzw. das Unfallgeschehen durch die Geometrie der
Strasse beeinflusst werden?
Auf Stufe Projektierung können folgende Features
verändert werden:
• Die horizontale Linienführung
• die vertikale Linienführung
• der Querschnitt
Die horizontale Linienführung ist durch die Elemen-
te «Gerade» und «Kurve» gegeben, wobei diese
durch sogenannte «Übergangsbögen» verbunden
werden (geometrisch: Klothoiden). Letztere sind
insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten not-
wendig, weil das Einschlagen des Lenkrades bis zur
gewünschten Endposition eine gewisse Zeit (und
somit Strecke) in Anspruch nimmt.
Physikalisch beschränkt die Geometrie (Radius,
Quergefälle) einer Kurve die an diesem Ort maxi-
mal mögliche Fahrgeschwindigkeit. Trotzdem fällt
der triviale Ansatz, auf ganzen Streckenzügen mit-
tels Aneinanderreihen von Kurven mit sehr kleinen
Radien die Geschwindigkeiten und damit auch die
Unfallschwere zu minimieren, aus ökologischen
und ökonomischen Überlegungen ausser Betracht.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 83
Das Strecken von Linienführungen führt anderer-
seits zu höheren Geschwindigkeiten.
Diese Betrachtungsweise deckt einen ersten Ziel-
konflikt auf. Hierzu sind zudem zwei Studien be-
kannt [38], wonach das Unfallrisiko ausserorts
ansteigt, wenn die Radien ein gewisses Mass un-
terschreiten (430 m resp. 1000 m). Grössere Ra-
dien führen also zu höherer Sicherheit, lassen aber
höhere Geschwindigkeiten zu.
Die Frage, wie Geschwindigkeit und Unfallgesche-
hen mittels Wahl der Kurvenradien beeinflusst
werden können, ist gemäss diesen Ausführungen
nicht zu beantworten.
Ein möglicher Ausweg aus dieser Schwierigkeit ist
in Kap. VII.5.2, S. 80 erläutert. Danach ist nicht nur
der absolute Betrag der gefahrenen Geschwindig-
keiten für die Sicherheit einer Strecke massgebend,
sondern auch eine streckenbezogen homogene
Geschwindigkeit. Auf diesen Überlegungen beru-
hen die Empfehlungen in [62] und [14]. Basierend
auf dem Prinzip, dass ein Streckenzug homogen
projektiert werden soll [70]. Das darin empfohlene
Verfahren ermöglicht es, Streckenzüge homogen
zu projektieren. Insbesondere sind geometrische
Bedingungen hinsichtlich Elementenfolge formu-
liert. So sind maximale Differenzen der Projektie-
rungsgeschwindigkeiten benachbarter Projektie-
rungselemente, namentlich Kurven, festgelegt.
Zudem werden geometrische Bedingungen für die
Übergänge zwischen Kurven und Geraden formu-
liert. Es wird davon ausgegangen, dass eine Projek-
tierung gemäss diesen Vorgaben zu einer homo-
genen Linienführung führt.
Oft lassen es die Randbedingungen (z. B. Topogra-
fie, Eigentumsverhältnisse) nicht zu, die geschilder-
ten Projektierungsvorgaben einzuhalten. Führt dies
zu Sicherheitsproblemen, so kann versucht werden,
Kurven mit optischen Führungshilfen zu entschär-
fen. Bevor auf die einzelnen Möglichkeiten einge-
gangen wird, sei eine Studie zu dieser Thematik
erwähnt [71]. Darin wird ein Verfahren vorgeschla-
gen, unsichere Kurven zu diagnostizieren, ohne
sich dabei auf das Unfallgeschehen abzustützen zu
müssen. Auch dieser Ansatz beruht auf dem Prin-
zip der Homogenität. Im Wesentlichen werden
dabei die relativen Differenzen zwischen Annähe-
rungsgeschwindigkeit und Kurvengeschwindigkeit
der einzelnen Fahrzeuge als Massstab für die Quali-
tät der Kurve herangezogen. Demgemäss weist
eine sicherheitstechnisch problematische Kurve
eine grosse Streuung in den relativen Differenzen
zwischen Annäherungsgeschwindigkeit und Kur-
vengeschwindigkeit auf.
Als optische Führungshilfen zur Verdeutlichung des
Kurvenverlaufes wird in der Praxis eine ganze Reihe
von Massnahmen eingesetzt, insbesondere:
• Randlinien (Abbildung 14)
• Dichte Abfolge von Leitpfosten oder flexiblen
Kunststoffpollern zur Verdeutlichung des Kur-
venverlaufs
• Leitpfeile
Abbildung 14 Randlinie
84 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
• abgestufte Leitpfeile (Abbildung 15)
• Gefahrensignale (Rechtskurve, Linkskurve, Dop-
pelkurve rechts beginnend, Doppelkurve links
beginnend (Abbildung 16)
• Verknüpfungen dieser Massnahmen. Zwahlen
erarbeitete dazu ein Verfahren, um je nach ge-
ometrischen Bedingungen, die ideale Kombina-
tion festzulegen [72].
Nicht für jede der aufgelisteten Interventionen
konnten in der Literatur Befunde für einen sicher-
heitstechnischen Erfolg gefunden werden.
Untersuchungen hinsichtlich Erfolg von Randlinien
und in dichter Folge platzierten Leitpfosten in Kur-
ven fehlen. Fachleute sehen in dieser Massnahme
zwar einen ersten, einfachen Schritt hin zur Ver-
deutlichung der Linienführung. Immerhin zeigen
Meta-Analysen und Reviews, dass grundsätzlich
Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlau-
fes zu einer Reduktion von Unfällen mit Verletzten
von 20 % bis 50 % führt [5]. Ähnliche Grössen
finden sich auch in [73], wobei in dieser Studie
zusätzlich eine positive Auswirkung auf die Wahr-
nehmung der Kurven nachgewiesen werden konn-
te. Abschliessend sei noch festgehalten, dass in der
gesichteten Literatur für Gefahrensignale vor Kur-
ven (z. B. Abbildung 16) kein signifikanter Effekt
auf die Unfälle mit Verletzten sowie auf Unfälle mit
Sachschaden gefunden werden konnte [5,74].
Die Palette an Massnahmen zur Entschärfung von
sicherheitstechnisch problematischen Kurven sowie
der Nachweis der unfallreduzierenden Wirkung
einiger dieser Massnahmen könnte vordergründig
zum Schluss führen, den Aufwand für eine homo-
gene Projektierung zu minimieren und bei Bedarf
mit Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurven-
verlaufes zu intervenieren. Dem ist entgegen zu
halten, dass der Grundsatz der selbsterklärenden
Strasse sowie der homogenen Linienführung besa-
gen, dass mittels adäquater Projektierung ein an-
gemessenes Geschwindigkeitsverhalten anzustre-
ben ist. Es wäre also ethisch fahrlässig, bei um-
ständlichen Randbedingungen von einer homoge-
nen Linienführung abzusehen, das Unfallgesche-
hen zu analysieren und bei negativer Entwicklung
die Probleme mittels Leitpfeilen nachträglich zu
korrigieren.
Die vertikale Linienführung ist durch das Längsge-
fälle der Strasse charakterisiert.
Abbildung 15 Abgestufte Leitpfeile (Kap. VII.3.6, S. 64)
Abbildung 16 Gefahrensignal «Rechtskurve»
Quelle: SSV
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 85
Der Spielraum für Eingriffe in die vertikale Linien-
führung ist auf Ausserortsstrassen beschränkt.
Die grossräumige Betrachtungsweise zeigt, dass
Steigungen die gefahrenen Geschwindigkeiten
kaum beeinflussen. Steigungen wirken sich erst ab
8% auf die Geschwindigkeiten aus [62]. Dabei gilt
es zu beachten, dass in Gegenrichtung eine Stei-
gung zum Gefälle wird, was sich vermutlich nega-
tiv auf die gefahrenen Geschwindigkeiten auswirkt.
Daher sind Steigungen und Gefälle nicht als
geschwindigeitswirksame Massnahmen zu betrach-
ten. Sie ergeben sich schlicht als Folge der topogra-
fischen Gegebenheiten.
Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienfüh-
rung führen zur Massnahme des vertikalen Versat-
zes (kurze Anhebungen der Fahrbahn). Diese sind
auf verkehrsorientierten Ausserortsstrassen grund-
sätzlich ungeeignet, denn sie stellen insbesondere
bei steilen Anrampungen eine Inhomogenität
(Kap. VII.5.2, S. 80) dar. Indessen versuchen einige
Baubehörden gezielt an sicherheitstechnisch kriti-
schen Örtlichkeiten die Geschwindigkeiten mittels
vertikalen Versätzen mit eher geringer Rampennei-
gung zu senken. In [75] werden kreissegmentför-
mige vertikale Versätze empfohlen, wobei Ram-
penneigungen von 3,8 % bis 4 % für Geschwin-
digkeiten von 60 km/h bis 50 km/h empfohlen
werden. Dass solche Eingriffe die Geschwindigkeit
punktuell senken können, ist plausibel. Kritisch
anzumerken ist hingegen, dass vertikale Versätze
auf verkehrsorientierten Strassen dem Grundsatz
der Erkennbarkeit von Strassentypen widerspre-
chen (Kap. VII.5.2, S. 80). Diese Elemente sind
insbesondere für siedlungsorientierte Innerorts-
strassen vorzusehen (Kap. VII.5.4.4, S. 90 und Kap.
VII.5.5.3, S. 92).
Als kleinräumige Eingriffe auf die vertikale Linien-
führung können auch die sogenannten «Rumble
Strips» angesehen werden. Es handelt sich dabei
um rillenartige Vertiefungen, die entlang der seitli-
chen Fahrbahnabgrenzung oder in Fahrbahnmitte
angebracht werden (Abbildung 17). Gemäss [76]
können Rumble Strips die Anzahl Frontal- und
Streifkollisionen mit Personenschäden um 25 %,
die Unfälle mit Personenschaden insgesamt um
immerhin 15 % reduzieren. Ob es sich hierbei um
geschwindigkeitsbedingte Unfälle handelte, konnte
nicht eruiert werden. Immerhin konnte [74] einen
positiven Effekt von Rumble Strips auf die gefahre-
nen Geschwindigkeiten sowie auf die Schleuderun-
fälle nachweisen.
Der Einfluss des Querschnitts einer Strasse auf die
Geschwindigkeit und die Sicherheit ist vielschichtig.
In der Literatur sind einige Auswertungen zum
Zusammenhang zwischen Breite und Geschwindig-
keit vorhanden. Daraus geht hervor, dass für Aus-
serortsstrassen ein schwacher, jedoch positiver
Zusammenhang zwischen diesen Grössen besteht.
Aus dieser Erkenntnis sollte jedoch nicht der direk-
te Schluss gezogen werden, prinzipiell mittels Ver-
schmälerung von Strassen die Sicherheit zu verbes-
sern. In der Tat zeigen die Auswertungen mehrerer
Analysen, dass weitere Variablen ebenso die Si-
Abbildung 17 Rumble Strips in Fahrbahnmitte
86 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
cherheit beeinflussen. So wird beispielsweise in
[73] gezeigt, dass sich die Verbreiterung von Spu-
ren positiv auf Frontal- und Schleuderunfälle aus-
wirkt. Unerwartete Ergebnisse ergeben sich aus [5].
So nehmen die Unfälle mit Personenschaden aus-
serorts bei einer Zunahme der Anzahl Spuren von 2
auf 3 oder von 2 auf 4 signifikant zu, bei einer
Zunahme der Anzahl Spuren von 4 auf 6 hingegen
signifikant ab. Desgleichen nehmen die Unfälle mit
Personenschaden signifikant zu, wenn die Breiten
von (gemäss Norm) zu schmalen Spuren erhöht
werden. Demgegenüber nehmen die Unfälle mit
Personenschaden bei Verbreiterung der gesamten
Strasse ab. Diese sich teilweise widersprechenden
Aussagen sind vermutlich darauf zurück zu führen,
dass in Studien niemals alle erklärenden Variablen
mitberücksichtigt werden können und gleichzeitig
konfundierende Variablen den Outcome verfäl-
schen. Beispielsweise spielt die Lage eines Quer-
schnittes in der horizontalen Linienführung genau
so ein Rolle wie die Verkehrszusammensetzung. So
führen beispielsweise Verbreiterungen von Kurven
gemäss [5] zu keiner signifikanten Veränderung
des Unfallgeschehens. Ein weiteres Beispiel zum
komplexen Zusammenspiel von Breite, Sicherheit
und Geschwindigkeit zeigt eine Schweizerische
Studie zur Verträglichkeit von leichtem Zweiradver-
kehr und motorisiertem Individualverkehr [77].
Diese gelangt zum Schluss, dass auf Grund der
Begegnungsfälle und Überholabstände Breiten von
unter 6 m und über 7,50 m sicherheitstechnisch
verträglich und Zwischenbreiten zu vermeiden sind.
Aus diesen Ausführungen lässt sich der Schluss
ziehen, dass keine allgemeingültige Aussage zu
Gunsten einer Verbreiterung oder Verengung von
Strassenbreiten möglich ist – weder hinsichtlich
Geschwindigkeit noch hinsichtlich Sicherheit. Hier-
zu wäre ein rechnerisches Modell nötig, das alle
relevanten Einflussvariablen (Verkehrszusammen-
setzung, Anzahl Spuren, usw.) enthält. Dieser Prob-
lematik versuchen die VSS-Normen Rechnung zu
tragen. Sie legen die zu wählenden Fahrbahnbrei-
ten auf Grund der massgebenden Begegnungsfälle
und den Geschwindigkeiten fest [78–80].
Ebenso undeutlich ist die Sachlage betreffs Quer-
gefälle. In [5] werden zwei sich widersprechende
Studien zitiert, welche die sicherheitstechnischen
Auswirkungen von Korrekturen des Quergefälles
untersuchten.
Zur Thematik des Querschnittes einer Strasse ge-
hört auch die Fragestellung bezüglich baulicher
Trennung von verletzlichen Verkehrsteilnehmern
und motorisiertem Verkehr. Insbesondere auf Aus-
serortsstrassen herrschen beträchtliche Geschwin-
digkeitsunterschiede zwischen diesen beiden Ver-
kehrskategorien. Wo die bestehenden Breiten Kon-
fliktpotenzial beinhalten bzw. wo die gefahrenen
Geschwindigkeiten nicht auf ein verträgliches Mass
gesenkt werden können [30], muss diese Trennung
angestrebt werden. Sie entspricht auch dem Prinzip
der Homogenität von Geschwindigkeiten und Mas-
sen.
Weitere Aspekte des Querschnittes betreffen
Massnahmen, die nicht direkt das Geschwindig-
keitsverhalten beeinflussen, sondern die Folgen von
geschwindigkeitsbedingten Unfällen auf Ausser-
ortsstrassen mindern. Dazu gehören das Entfernen
von festen Objekten am Strassenrand (z. B. Mau-
ern, Zäune, Pfosten) sowie die Verbreiterung von
Banketten (Seitenstreifen der Strasse). Diese Inter-
ventionen sind gemäss [46] bedeutend und müss-
ten bei einer Normenrevision mitberücksichtigt
werden. Leitschrankensysteme nehmen in dieser
Gruppe von Massnahmen eine spezielle Stellung
ein, da sie in der Praxis sehr oft zur Diskussion
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 87
stehen bzw. zur Anwendung gelangen, ihre si-
cherheitstechnische Wirkung jedoch nicht unum-
stritten ist. So besteht das hauptsächliche Ziel von
Leitschranken an der Kurvenaussenseite darin, von
der Fahrbahn abirrende Fahrzeuge zurück zu hal-
ten. Dies impliziert jedoch das Risiko von Sekun-
därkollisionen, sodass in jedem Einzelfall die ver-
schiedenen Auswirkungen abzuwägen sind. Diesen
Grundsätzen trägt auch die Norm [81] Rechnung
(Abbildung 18). Mittelleitschranken zielen dagegen
darauf ab, Frontalkollisionen, die teilweise auch auf
zu hohe Geschwindigkeiten zurück zu führen sind,
zu vermeiden. Dabei muss der Betrieb in jeder Hin-
sicht gewährleistet sein (Zugang für Rettungsfahr-
zeuge, Abbiegemanöver bei Verzweigungen,
Kompatibilität mit dem leichten Zweiradverkehr).
Deshalb sind Mittelleitschranken nur bei gewissen
verkehrstechnischen Bedingungen (Örtlichkeit,
Geometrie, Anteil des leichten Zweiradverkehrs)
zielführend (Abbildung 19). Immerhin zeigen Re-
views von zahlreichen Studien für beide Leitschran-
kensysteme positive Auswirkungen auf das Unfall-
geschehen. So weist [5] sowohl für Leitschranken
an der Kurvenaussenseite als auch für Mittelleit-
schranken einen signifikanten Rückgang von Unfäl-
len mit Getöteten von über 40 %. Daraus darf aus
den vorgängig dargelegten Gründen jedoch nicht
der Schluss gezogen werden, dass jede Kurve und
jede Ausserortsstrecke mit Leitschranken zu verse-
hen sind. Jeder einzelne Fall muss sorgfältig ge-
plant werden.
5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen
Das Geschwindigkeitsverhalten innerorts zeigt
hinsichtlich Einhaltegrad der geltenden Höchstge-
schwindigkeit ein erfreulicheres Bild auf als Ausser-
ortsstrassen [28]. Der Anteil Fahrzeuge, die schnel-
ler als die maximal erlaubte 50 km/h fährt, ist aber
trotzdem beträchtlich. Er bewegte sich in den ver-
gangenen 6 Jahren zwischen 12 % und 21 %.
Dementsprechend betrug in diesem Zeitraum die
V85 zwischen 47 km/h und 50 km/h. Ob im Einzel-
fall die gefahrenen Geschwindigkeiten situations-
angepasst waren, geht aus dieser Betrachtungs-
weise nicht hervor. Da aber innerorts sehr oft ver-
letzliche Verkehrsteilnehmer unterwegs sind (Fuss-
gänger, Zweiradfahrer, Behinderte, etc.), ist ein
tiefes, homogenes Geschwindigkeitsniveau eine
notwendige Voraussetzung für die Verkehrssicher-
heit. Zusätzlich sind Querungsstellen für den Fuss-
verkehr und Abbiegestellen für den Fahrradverkehr
mit geeigneten Massnahmen abzusichern.
Abbildung 18 Leitschranke an der Kurvenaussenseite auf einer Ausserortsstrasse
Abbildung 19 Mittelleitschranke auf einer Ausserortsstrasse
88 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Diese Überlegungen, die Zahlen zum Unfallgesche-
hen sowie die Erkenntnisse hinsichtlich Unfallbetei-
ligung hauptsächlich der schnellen Fahrzeuge ([68])
zeigen auf, dass auch innerorts Handlungsbedarf
besteht. Die Systematik der baulich möglichen
Eingriffe zur Geschwindigkeitsbeeinflussung ist
innerorts grundsätzlich dieselbe wie ausserorts.
Folgende Eigenschaften können verändert werden:
• die horizontale und vertikale Linienführung
• der Querschnitt
Die Grundsätze der horizontalen Linienführung
sind innerorts nur theoretisch mit denjenigen aus-
serorts zu vergleichen (Kurvenradien, Übergangs-
bögen, Geraden). Innerorts sind die Vorgaben für
die horizontale Linienführung im Besonderen durch
die Lage der Bauten (Siedlungsstruktur) und die
Nutzungsansprüche verschiedenster Verkehrsteil-
nehmer gegeben. Eine homogene Abfolge von
Projektierungselementen entwerfen zu wollen
unter Berücksichtigung der Ausbaugeschwindigkeit
um damit einen homogenen Geschwindigkeitsver-
lauf zu erreichen, führt innerorts nicht zum Ziel.
Die horizontale Linienführung muss sich innerorts
somit nach der Fahrzeuggeometrie des motorisier-
ten Individualverkehrs richten und nicht nach der
Fahrdynamik.
Die einzige Möglichkeit, innerorts in die horizontale
Linienführung einzugreifen, um die Geschwindig-
keit zu dämpfen, besteht im Vermeiden von lang-
gezogenen Geraden. Denn es ist davon auszuge-
hen, dass solche Verhältnisse zu erhöhten Ge-
schwindigkeiten führen. Lassen es die Platzverhält-
nisse zu, so kann mit Kurvenelementen eine ge-
streckte Linienführung unterbrochen werden. Dies
jedoch nur unter Berücksichtigung der in
Kap. VII.5.4.2, S. 82 erläuterten Projektierungsvor-
gaben. sodass keine punktuellen Inhomogenitäten
entstehen und damit die Gefahren verlagert wer-
den.
Grossräumige Eingriffe auf die vertikale Linienfüh-
rung ergeben sich in erster Linie aus der Topografie
und sind als geschwindigkeitsreduzierende Mass-
nahme ungeeignet. Änderungen des Längsgefälles
können zudem zu sichtbehindernde Kuppen füh-
ren und daher kontraproduktiv wirken.
Kleinräumige Eingriffe z. B. vertikale Versätze
(Kap. VII.5.4.4, S. 90), Rumble Strips und leicht
überhöhte Querbänder . können unfall- und ge-
schwindigkeitsmindernd wirken. So wird beispiels-
weise in [5] nachgewiesen, dass vertikale Versätze
die Unfälle um 48 % und leicht überhöhte Quer-
bänder die Unfälle mit Personenschaden um 33 %
reduzieren. Die positive Wirkung von Rumble Strips
ist in Kap. VII.5.4.2, S. 82 beschrieben. Alle diese
Massnahmen weisen jedoch anderweitige Nachtei-
le auf, sodass sie nur bedingt auf verkehrsorientier-
ten Innerortsstrassen empfohlen werden können.
Vertikale Versätze verstossen gegen das Prinzip der
selbsterklärenden Strasse und sind daher primär
auf siedlungsorientierten Strassen vorzusehen. Auf
verkehrsorientierten Innerortsstrassen sollten sie
nur als Bestandteil eines umfassenden Gestal-
tungskonzeptes und ausnahmsweise eingesetzt
werden. Rumble Strips und überhöhte Querbänder
verursachen Lärmemissionen und stossen in der
Praxis immer wieder auf Widerstand der Anwoh-
ner. Überhöhte Querbänder sind aus Sicht der
Verkehrssicherheit nur einzusetzen, wenn sie in der
richtigen Ausdehnung ausgeführt werden [82].
Ansonsten können sie vom Fussverkehr als vor-
trittsberechtigte Querungsstelle missinterpretiert
werden.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 89
Die Befunde hinsichtlich Querschnitt sind analog zu
denjenigen für Ausserortsstrassen. In [83] finden
sich denn Hinweise, dass auch innerorts mit zu-
nehmender Fahrbahnbreite die Geschwindigkeiten
ansteigen. Aber auch innerorts gilt, dass die Fahr-
bahnbreite nicht der einzige Parameter des Quer-
schnittes ist. So wirkt sich beispielsweise analog zu
ausserorts die Anzahl Spuren auf das Unfallge-
schehen aus. Gemäss [5] bewirkt eine Erhöhung
der Anzahl Spuren von1 auf 2 eine Zunahme der
Unfälle mit Personenschaden um 75 %, Erhöhun-
gen der Anzahl Spuren von 2 auf 3 sowie von 2
auf 4 sind hingegen mit einer Abnahme von Unfäl-
len mit Personenschaden verbunden. Solche Be-
funde zeigen, dass es der Sicherheit nicht zuträg-
lich ist, leichthin Fahrbahnbreiten zu reduzieren,
um damit Geschwindigkeiten zu senken. Andere
wichtige Kenngrössen, wie beispielsweise die Ver-
kehrszusammensetzung spielen eine ebenso wich-
tige Rolle. So erweisen sich gemäss [77] Breiten
unter 6,00 m und über 7,00 m hinsichtlich Sicher-
heit des leichten Zweiradverkehrs als problema-
tisch. Abschliessende Aussagen zu idealen Fahr-
bahnreiten können somit keine gemacht werden.
Jeder Einzelfall ist hinsichtlich seiner eigenen Cha-
rakteristika zu planen und zu projektieren.
Eine spezielle punktuelle Massnahme, die sowohl
bezüglich horizontaler Linienführung als auch
Querschnitt wirkt, sind Kreisverkehrsplätze bzw.
Kreisel (Abbildung 20).
Die Betriebsform des Kreisels, die alle Zufahrten mit
«kein Vortritt» belegt, sowie die vergleichsweise
engen Radien, wirken sich geschwindigkeitsmin-
dernd aus. Dieser Zusammenhang wird in [73]
erläutert, woraus hervorgeht, dass die Geschwin-
digkeit direkt proportional zur Wurzel des Radius
des Kreisels ist. Dass Kreisel auch sicherheitswirk-
sam sind wurde in unzähligen Studien nachgewie-
sen. Im Folgenden ist lediglich eine kleine Auswahl
von zusammenfassenden Studien erwähnt. Ein
Problem bei der Vergleichbarkeit dieser Untersu-
chungen ergibt sich aus den Designs. So spielt es
eine wesentliche Rolle mit welcher Art von Kreu-
zungen die Kreisel verglichen werden (Lichtsignal-
anlage, Vortrittsregelung).
Gemäss [84] können mittels Kreisel die Unfälle mit
Personenschaden um 76 % und die Unfälle mit
schweren Folgen um 90 % im Vergleich zu Licht-
signalanlagen gesenkt werden. Nicht ganz so gros-
se Reduktionen weist [73] nach. In dieser Quelle
werden Studien zitiert, wonach im Vergleich zu
ungeregelten Kreuzungen, an Kreiseln eine Reduk-
tion der Unfälle mit Personenschaden um 50 % bis
60 % zu erwarten ist, an Lichtsignalanlagen hinge-
gen nur 40 %. In [73] wird auch die Problematik
des Fussverkehrs und des leichten Zweiradverkehrs
in Kreiseln angedeutet. Danach ist der leichte Zwei-
radverkehr an Kreiseln überproportional oft in Un-
fälle verwickelt. Dass der leichte Zweiradverkehr in
Kreiseln sicherheitstechnisch problematisch sein
kann, wurde bereits in [85] hingewiesen. Danach
nahm die Zahl der Unfälle mit leichtem Zweirad-
verkehr bei Kreuzungen, die zu Kreiseln umgebaut
Abbildung 20 Kreisel
90 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
wurden zu. Eine weitere Möglichkeit, die sicher-
heitstechnischen Wirksamkeit von Kreiseln zu
quantifizieren, ist in [5] beschrieben. Dabei wird die
Änderung des Unfallgeschehens nach dem Umbau
einer Kreuzung zu einem Kreisel hinsichtlich der
ursprünglichen verkehrstechnischen Ausgestaltung
der Kreuzung beurteilt (3-armig, 4-armig, Lichtsig-
nalanlagenregelung, Regelung mit «kein Vortritt»).
Es zeigt sich, dass ausser beim Fall von dreiarmi-
gen, lichtsignalgeregelten Kreuzungen der Umbau
zu Kreiseln immer einen signifikant positiven Effekt
auf die Unfallschwere ergibt (Reduktion um 17 %
bis 41 %).
Als geschwindigkeitsreduzierende, sicherheitsför-
dernde und zugleich gestalterische Massnahme
eignet sich der Kreisel, unter Berücksichtigung der
dargestellten Erkenntnisse insbesondere als Ele-
ment zur Strassenraumgestaltung (Kap. VII.5.5.3,
S. 92)
5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen
Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen sind nur
kleinräumige Eingriffe in die horizontale und verti-
kale Linienführung sinnvoll. Die Siedlungsstruktur
ist meistens gegeben und die Geschwindigkeit
kann kaum mit Kurvenradien und schon gar nicht
mit Eingriffen ins Längsgefälle beeinflusst werden.
Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienfüh-
rung sind insbesondere mit sogenannten vertikalen
Versätzen angezeigt. Dabei handelt es sich um
trapez- oder kreissegmentförmige lokale Erhöhun-
gen der Fahrbahn (Abbildung 21 und [86]). Die
Reduktion von Unfällen mit Personenschaden wird
in [5] mit rund 48 % ausgewiesen. Je nach Nei-
gung der beidseitigen Rampen kann dadurch eine
Reduktion der Geschwindigkeit erreicht werden
[86]. Der Einsatz von vertikalen Versätzen ist insbe-
sondere in Tempo-30-Zonen angezeigt, wenn die
signalisierte Höchstgeschwindigkeit schlecht ein-
gehalten wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92). Wesentlich ist
dabei auch, dass vertikale Versätze nicht derart
angeordnet werden, dass sie für den Motorfahr-
zeuglenkenden als Hindernis wirken (Art. 4 SVG).
Die Praxis zeigt, dass die Akzeptanz von vertikalen
Versätzen beschränkt ist und diese zu aggressivem
Verhalten ausserhalb derselben führen können.
Deshalb sollten sie an Örtlichkeiten realisiert wer-
den, die seitens der Lenkenden als sinnvoll einge-
stuft werden (z. B. Anhebung ganzer Kreuzungsbe-
reiche).
Horizontale Versätze (Abbildung 22) sind klein-
räumige Unterbrüche der Geradlinigkeit der Fahr-
Abbildung 21 Vertikaler Versatz
Abbildung 22 Horizontaler Versatz
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 91
bahn, die durch seitliche Verschiebung der Fahr-
bahnachse erzielt werden. Auch horizontale Ver-
sätze eignen sich besonders für Tempo-30-Zonen,
wenn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit
schlecht eingehalten wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92).
Zur Sicherstellung einer hinreichenden Akzeptanz
seitens der Motorfahrzeuglenkenden, sollten auch
horizontale Versätze nicht den Eindruck einer
künstlichen Schikane erwecken und möglichst
natürlich in den Strassenraum integriert werden.
Die geometrische Ausgestaltung von horizontalen
Versätzen ist in [86] beschrieben.
Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen ist der
Spielraum hinsichtlich Fahrbahnbreite gering. Mit-
tels minimer Variation der Fahrbahnbreiten die
Geschwindigkeit und damit die Sicherheit beein-
flussen zu wollen, erscheint im Licht der bisher
zitierten Literaturquellen inadäquat. Viel nützlicher
erweisen sich hingegen die Befunde, wonach die
Erhöhung der Anzahl Spuren von 1 auf 2 auf In-
nerortsstrassen mit einer Zunahme der Unfälle mit
Personenschaden um rund 75 % einhergeht. Es
stellt sich daher die Grundsatzfrage, ob sich auf
siedlungsorientierten Innerortsstrassen jederzeit
und überall zwei Personenwagen kreuzen können
müssen. In diesem Sinn erscheint es sehr wirksam,
Lösungen wie Abbildung 23. zeigt in Betracht zu
ziehen. Diese Lösung weist mehrere Vorteile auf.
Der Fussverkehr ist im Gegensatz zu einem einsei-
tigen Trottoir auf beiden Strassenseiten geschützt.
Beim Überqueren der Strasse muss überall nur eine
Fahrbahn gequert werden. Die verkehrsberuhigen-
de Wirkung ist kontinuierlich und wirkt nicht
künstlich.
5.5 Gestaltung und Betrieb
5.5.1 Grundsätzliches
Selbstredend gilt das physikalische Gesetz, wonach
jegliche Senkung der Fahrgeschwindigkeiten eine
Senkung der kinetischen Energie zur Folge hat, was
sich mildernd auf die Unfallschwere auswirken
kann. In diesem Sinn könnten die allgemeinen
Höchstgeschwindigkeiten (Kap. VII.5.1.3, S. 79)
beliebig gesenkt werden. Mit Ausnahme der sied-
lungsorientierten Innerortsstrassen werden die
jetzigen Höchstgeschwindigkeiten als angemessen
erachtet. Zentral dabei ist die Einsicht, dass die
geltenden Höchstgeschwindigkeiten lediglich die in
Art. 32 SVG gesetzlich geregelten Geschwindigkei-
ten plafonieren. Primäres Ziel von betrieblichen und
gestalterischen Massnahmen ist folglich, situati-
onsgerechte Geschwindigkeiten und die Einhaltung
der Höchstgeschwindigkeit zu erwirken. Darauf
zielen die in den folgenden Kapiteln beschriebenen
Massnahmen ab.
Die Reduktion von geschwindigkeitsbedingten Un-
fällen durch den Einsatz von betrieblichen Mass-
nahmen kann unter bestimmten Bedingungen
durch die Signalisation von sogenannten abwei-
chenden Höchstgeschwindigkeiten angestrebt wer-
den (Art. 108 SSV). Diese Massnahme ermöglicht es,
örtlich begrenzt (Stellen oder Strecken) die allgemein
geltende Höchstgeschwindigkeit anzupassen. Da-
Abbildung 23 Einspurige siedlungsorientierte Strasse innerorts
92 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
durch kann gezielt in das Geschwindigkeitsverhal-
ten eingegriffen werden.
Fachleute erachten es als zentral, diese Intervention
streng nach Gesetz anzuwenden. Demnach soll
eine lokal abweichende Höchstgeschwindigkeit das
letzte Mittel sein, wenn alle anderen Gestaltungs-
und Projektierungsmassnahmen kein Resultat zei-
gen. Diese Interpretation entspricht genau dem in
Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Grundsatz der
selbsterklärenden Strasse.
5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen
Das geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen auf
Autobahnen spielt zwar eine untergeordnete Rolle.
Trotzdem sei an dieser Stelle die Möglichkeit, mit
betrieblichen Interventionen auf die Fahrgeschwin-
digkeiten oder auf das Unfallgeschehen einzugrei-
fen, kurz erörtert. Dabei geht es um die Signalisati-
on von sogenannten variablen Höchstgeschwindig-
keiten. Diese Intervention wird insbesondere auf
Autobahnen angewendet mit dem Ziel, bei speziel-
len, nicht vorhersehbaren Situationen (z. B. Stau,
glitschige Fahrbahnoberfläche, spezielle Witterung)
die Höchstgeschwindigkeiten entsprechend anzu-
passen. Primäres Ziel dieser Massnahme ist jedoch,
bei sehr hohen Verkehrsbelastungen, eine optimale
Geschwindigkeit des Fahrzeugstroms zu bewirken,
um einen besseren Verkehrsfluss zu erzielen. Die
Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind in
der Literatur spärlich untersucht, meistens interes-
siert die Reduktion von Stauzeiten bzw. die Verbes-
serung der Kapazität von Hochleistungsstrassen.
Immerhin sind Hinweise vorhanden, dass mit vari-
ablen Höchstgeschwindigkeiten die Verkehrssi-
cherheit beeinflusst werden kann. Insbesondere
konnte eine Reduktion der Unfälle mit Personen-
schaden beim Einsatz von LED-Anzeigen, die die
Höchstgeschwindigkeit automatisch aufgrund der
Verkehrssituation ermittelten, nachgewiesen wer-
den [87]. Interessant ist in diesem Zusammenhang
auch die Tatsache, dass der Effekt von LED-
Anzeigen bedeutend besser ist als der Effekt von
elektromechanischen Wechselanzeigen [88].
Schliesslich sei noch auf eine Studie aus den USA
hingewiesen. Basierend auf der Verkehrssituation
berechnet ein Algorithmus eine Unfallwahrschein-
lichkeit und die Höchstgeschwindigkeit wird ent-
sprechend angepasst. Trotz einer gewissen örtli-
chen Verlagerung des Unfallgeschehens werden
positive Rückschlüsse gezogen.
Die langfristige Wirksamkeit von Signalen, die dem
Motorfahrzeuglenkenden seine aktuelle Fahrge-
schwindigkeit anzeigen, wird in der Literatur eher
angezweifelt. Hingegen kann gemäss [89] durch
Kombination von solchen Geschwindigkeits-
Feedback-Signalen mit polizeilicher Überwachung
das Problem von überhöhter Geschwindigkeit voll-
ständig behoben werden.
5.5.3 Innerortsstrassen
Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts
beträgt für alle Strassen 50 km/h. Dieses Regime
trägt den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen
von Innerortsstrassen nicht Rechnung. Daher sind
davon abweichende Regimes jeweils zu prüfen
(z. B. Tempo-30-Zonen, Begegnungszonen). Die
bfu favorisiert und propagiert aktiv das bfu-Modell
Tempo 50/30 innerorts. Dieser Ansatz dient dazu,
die in Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Ziele zu errei-
chen. Denn dieses Modell basiert auf einer Unter-
scheidung des innerörtlichen Strassennetzes in
siedlungs- und verkehrsorientierte Strassen. Da-
durch berücksichtigt das bfu-Modell Tempo 50/30
den planerischen Grundsatz der Hierarchisierung
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 93
des Strassennetzes. Es verfolgt zudem das Ziel, den
Strassentyp auf verständliche Art und Weise dem
Motorfahrzeuglenkenden zu vergegenwärtigen. Im
Weiteren vereinigt es die sicherheitstechnischen
Erkenntnisse hinsichtlich Tempo-30-Zonen [90] und
Gestaltung sowie der selbsterklärenden Strasse zu
einer gesamtheitlichen Lösung für Innerortsstras-
sen. Dieser Ansatz deckt sich schliesslich auch mit
den in [91] enthaltenen Erkenntnissen, wonach die
frei gewählten Geschwindigkeiten durch die signa-
lisierte Höchstgeschwindigkeit und die Zonenart
signifikant beeinflusst werden.
Die oftmals einseitige Betrachtung, nur Wohngebie-
te in die Verkehrsberuhigung mit einzubeziehen,
lässt die Tatsache ausser Acht, dass das Unfallge-
schehen auf verkehrsorientierten Innerortsstrassen
gravierender ist (Tabelle 16). Die amtliche Verkehrs-
unfallstatistik lässt keine Auswertung nach Funktion
der Strasse zu. Da Nebenstrassen innerorts ebenfalls
oft verkehrsorientiert sind, dürfte das Verhältnis in
Wirklichkeit bedeutend stärker zu Ungunsten der
verkehrsorientierten Strassen ausfallen. Deshalb
sieht das bfu-Modell Tempo 50/30 vor, das innerört-
liche Strassennetz zu hierarchisieren (siedlungs- und
verkehrsorientierte Strassen). Zusätzlich zur Einfüh-
rung von Tempo 30 in allen Wohngebieten sollen
die verkehrsorientierten Strassen auf Basis der VSS-
Norm SN 640 212 [92] umgestaltet werden. Mit den
darin vorgestellten Gestaltungselementen wird be-
absichtigt, den Strassenraum aufzuwerten und fuss-
gänger- bzw. radfahrergerecht zu gestalten.
Das bfu-Modell Tempo 50/30 sieht vor, dem Fahr-
zeuglenker die Funktion der Strasse mittels typischer
verkehrstechnischer Elemente für siedlungs- bzw.
verkehrsorientierte Strassen zu vergegenwärtigen.
Auf siedlungsorientierten Strassen sollen als Erken-
nungsmassnahmen ein auffälliges Eingangstor
(Abbildung 24), versetzte Parkfelder (Abbildung 25),
Rechtsvortrittsmarkierungen (Abbildung 26) und
Tabelle 16 Getötete und Schwerverletzte innerorts nach Strassenart und Strassenkategorie (2004–2008)
Kantonsstrasse Gemeindestrasse Total
Hauptstrasse 5 374 801 6 175
Nebenstrasse 1122 3 959 5 081
Total 6 496 4 760
Quelle: BFS
Abbildung 24 Torelement bei der Einfahrt in eine Tempo-30-Zone
Abbildung 25 Versetzte Parkfelder in einer Tempo-30-Zone
Abbildung 26 Verdeutlichung einer Kreuzung mit Rechtsvortritt in einer Tempo-30-Zone
94 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Tempo-30-Signete (Abbildung 27) auf der Fahr-
bahn angewandt werden. Parkfelder sollten nicht
dort angeordnet werden, wo Kinder häufig hinter
geparkten Autos hervor auf die Strasse treten.
Bauliche Massnahmen zur Verkehrsberuhigung
(Vertikal-, Horizontalversatz, aufgepflasterte Kreu-
zungen gemäss [86]) sollen nur auf denjenigen
Strassen zur Anwendung kommen, deren Erschei-
nungsbild einen niedrigen Einhaltegrad der Ge-
schwindigkeitsbeschränkung vermuten lässt oder
auf denen die gesetzlich vorgeschriebenen Nach-
hermessungen zu hohe Geschwindigkeiten erga-
ben (Abbildung 28).
Die Massnahme, am Strassenrand elektronische
Anzeigetafeln aufzustellen, die dem vorbeifahren-
den Motorfahrzeuglenkenden seine Fahrgeschwin-
digkeit anzeigt, ist nicht nachhaltig. In [93] werden
Studien zitiert, wonach eine leichte Geschwindig-
keitssenkung zu erwarten ist, die Wirkung jedoch
zeitlich beschränkt ist, während welcher die Signale
aufgestellt sind.
Auf verkehrsorientierten Strassen sind Erkennungs-
elemente wie Lichtsignalanlagen, Mittelmarkierun-
gen, Mehrzweckstreifen, Fussgängerstreifen, Fuss-
gängerschutzinseln und/oder das Vortrittsrecht
gegenüber Querstrassen anzuwenden. Zur Ge-
währleistung eines hohen Verkehrssicherheitsni-
veaus, zur Verbesserung der Querbeziehungen und
zur Minimierung der Trennwirkung der Fahrbahn
sind die übergeordneten Strassenraumgestaltungs-
prinzipien und -elemente gemäss [92] anzuwen-
den:
• Torwirkung (optische Abgrenzung zwischen
Strassenräumen unterschiedlicher Charakteris-
tik, die eine Anpassung des Fahrverhaltens an-
strebt, Abbildung 29)
Abbildung 27 Tempo-30-Signet
Abbildung 28 Aufgepflasterter Kreuzungsbereich
Abbildung 29 Torwirkung bei einer Ortseinfahrt
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 95
• Kammerung des Strassenraums (Längsuntertei-
lung des Strassenraums in Raumkammern, um
den Fokus der Wahrnehmung auf den Nahbe-
reich zu richten und damit einen geschwindig-
keitssenkenden Effekt zu erzielen) für den Ver-
kehrsablauf zu erreichen, Abbildung 30)
• Verzahnung der Seitenräume (durch Verwendung
verschiedener Beläge wird die Bandwirkung der
Fahrbahnränder gemildert, Abbildung 31)
Zusätzlich zu den oben erwähnten Elementen wirkt
ein Ensemble geschwindigkeitsmindernd [94]. Un-
ter der Ensemble-Wirkung versteht man das Zu-
sammenwirken der verschiedenen Gestaltungsele-
mente insbesondere zwischen Hoch- und Tiefbau
(farbliche Einheit zwischen Gebäudefassaden und
den gewählten verkehrstechnischen Elementen,
Abbildung 32).
Bei der Umsetzung dieser Prinzipien sind nachfol-
gende Aspekte mit einzubeziehen:
• Städtebauliche Vorgaben und Ziele
• Struktur des Strassenraums
• Funktion und Lage der Strasse
Von zentraler Bedeutung ist, dass das übergeord-
nete Strassennetz innerorts sowohl eine hohe Leis-
tungsfähigkeit als auch eine hohe Sicherheit für die
verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden aufweist.
Dadurch soll vermieden werden, dass sich Schleich-
verkehr auf die siedlungsorientierten Strassen ver-
lagert und andererseits die Nutzungsansprüche der
Anwohner erfüllt werden. Verkehrsorientierte In-
nerortsstrassen stellen also für Planer und Behör-
den hinsichtlich Projektierung, Gestaltung und
Betrieb äusserst anspruchsvolle und komplexe Her-
ausforderungen. Ein Approach, diese Aufgaben mit
dem Aspekt der Verkehrssicherheit zu verbinden ist
in [94] enthalten.
Abbildung 30 Kammerung des Strassenraumes
Abbildung 31 Verzahnung der Seitenräume
Abbildung 32 Ensemble
96 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.6 Umsetzung in der Schweiz
5.6.1 Bestimmung der durch Infrastruktur-
mängel bedingten Unfälle
Wie in Kap. VII.5.1.2, S. 79 bereits angedeutet,
lässt die amtliche Verkehrsunfallstatistik keine prä-
zise Aussage zur Häufigkeit von geschwindigkeits-
bedingten Unfällen, die durch defizitäre Infrastruk-
tur verursacht wurde, zu. Die Tatsache, dass sich
geschwindigkeitsbedingte Unfälle durch Verbesse-
rung der Infrastruktur reduzieren lassen, ist bei
Fachleuten unbestritten. Genaue Aussagen sind
nur aufgrund einer entsprechenden Forschungsar-
beit möglich. Da diese Thematik jedoch sehr kom-
plex ist, müsste die Machbarkeit zumindest in einer
Voruntersuchung abgeschätzt werden.
5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindig-
keit in den VSS-Normen
Zur Sensibilisierung der projektierenden Ingenieure
hinsichtlich Sicherheitsrelevanz bei der Festlegung
der Ausbaugeschwindigkeit ist bei der nächsten
Revision der VSS-Norm SN 640 080b [14] eine
Anpassung des Begriffs in Erwägung zu ziehen.
Dabei bietet sich eine Definition mit Bezug zur
Verkehrssicherheit im Sinn der OECD
(Kap. VII.5.1.3, S. 79) an.
5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen
Die VSS-Normen stellen den aktuellen Wissens-
stand dar und entsprechen somit den Regeln der
Baukunde. Sie sind nicht unmittelbar bindend,
können jedoch in Schadensfällen, also im Nachhi-
nein als Grundlage beigezogen werden.
Einige wenige dieser Normen gelten als Weisung
des Eidgenössischen Departements für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im
Sinn von Art. 115 Abs. 1 SSV und erhalten dadurch
ein grösseres Gewicht38. Die Praxis zeigt, dass diese
im Planungs- und Projektierungsprozess einfacher
durchzusetzen sind.
Naheliegender ist die Forderung, VSS-Normen ver-
mehrt in den Stand einer Weisung zu erheben.
Dem muss entgegengehalten werden, dass die
Akzeptanz hierfür gering sein dürfte und den aktu-
ellen Wissensstand zum Teil nur verzögert wider-
spiegelt. Ausserdem können mit einer Verweisung
verschiedene Nachteile verbunden sein. So wird
beispielsweise eine Norm nicht nach den für die
Schaffung von Rechtssätzen geltenden Vorschriften
erzeugt. Probleme kann es z. B. auch geben, wenn
der private Regelsetzer, der durch die Verweisung
nicht gebunden ist, die Norm ändert oder auf-
hebt [95].
Eine Lösung könnte darin bestehen, auf Bundes-
ebene sicherzustellen, dass alle kantonalen und
kommunalen Baugesetze die Forderung enthalten,
die Infrastruktur müsse dem aktuellen Stand der
Technik entsprechen mit dem Ziel, Unfälle mög-
lichst auszuschliessen bzw. höchstens geringe Fol-
gen für Leib und Leben der Unfallbeteiligten zu
bewirken.
5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer
In der Praxis finden sich immer wieder infrastruktu-
relle Defizite, die zu geschwindigkeitsbedingten
Unfällen führen können. Gründe dafür können
Unkenntnis der Normen und Forschungsergebnisse
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 38 Verordnung des UVEK vom 12. Juni 2007 über die auf die
Signalisation von Strassen, Fuss- und Wanderwegen an-wendbaren Normen, SR 741.211.5
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 97
oder deren bewusste Nichtbeachtung sein. Mass-
nahmen dagegen sind auf zwei Stufen denkbar:
Erstausbildung: Während der Erstausbildung an
Hoch- und Fachhochschulen ist eine verstärkte
Sensibilisierung für das Thema der Verkehrs-
sicherheit gesamtschweizerisch zu gewährleisten.
Insbesondere ist sicherzustellen, dass den Studie-
renden nebst dem Grundwissen spezifisch zu die-
sem Thema die entsprechenden Normen, Gesetze
und Forschungsergebnisse und insbesondere deren
Sicherheitsrelevanz vermittelt werden. Ein Schwer-
punkt muss dabei der Entwurf von Innerortsstras-
sen (Konflikte mit verletzlichen Verkehrsteilneh-
mern) sowie die Projektierung von Ausserortsstras-
sen (Linienführung, Querschnitt) sein.
Fort-/Weiterbildung: Viele Berufsstände sehen eine
obligatorische Weiterbildung vor. In Analogie zu
anderen Berufsständen (Piloten, Fachpsychologen,
Lehrkräfte usw.) ist eine obligatorische Weiterbil-
dung für Verkehrsingenieure und -planer wün-
schenswert. Kongresse und Tagungen zu Verkehrs-
sicherheitsthemen werden in der Schweiz schon
heute regelmässig organisiert. Als kurzfristige
Massnahme kann die Unterstützung der Organisa-
tion solcher Tagungen/Kongresse empfohlen wer-
den. Mittelfristig ist zu überprüfen, wie das gesam-
te Angebot an Tagungen/Kongressen koordiniert
und mit einer allfälligen obligatorischen Weiter-/
Fortbildung abgestimmt werden kann. Ein erster
Ansatz in dieser Hinsicht stellt die von der bfu an-
gebotene Nachschulung für Verkehrsingenieure
zum Thema «Strassenraumgestaltung» dar, der im
Herbst 2009 beginnt.
5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und
Politik für die Bedeutung der Infra-
struktur
Nebst der in Kap. VII.5.6.4, S. 96 erwähnten Grün-
de können topografische, aber auch finanzielle
sowie politische Randbedingungen zur Missach-
tung von Normen, und damit u. a. zu geschwin-
digkeitsbedingten Unfällen führen. Deshalb gilt es,
die Behörden für die Bedeutung der Infrastruktur
bezüglich Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. Mit
den zuständigen Behörden ist eine enge Zusam-
menarbeit und regelmässiger Kontakt seitens der
Fachstellen zu pflegen.
Im Vordergrund stehen dabei vorerst folgende Akti-
vitäten:
• Fachtechnische Beratungen zu sicherheitsrele-
vanten Themen
• Fachtechnische Unterstützung von Projekten
• Regelmässige Veranstaltung von Kolloquien/
Weiterbildungskursen/Foren
• Publikationen in Fachzeitschriften
Welche dieser Massnahmen am effizientesten ist,
kann erst nach einer Quantifizierung der Gründe
für die Nichtumsetzung von sicherheitsrelevanten
Normen erfolgen. Hierzu ist jedoch Forschung
notwendig.
5.6.6 Instrumente zur systematischen
flächendeckenden Sicherheitsüberprü-
fung geplanter und bestehender Infra-
struktur
Road Safety Audit (RSA)
Ein Road Safety Audit ist ein standardisiertes Ver-
fahren zur Prüfung von Projekten (Neubau, Um-
98 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
bau, Sanierung) in den verschiedenen Planungs-
phasen. Durch eine unabhängige Sicherheitsver-
träglichkeitsprüfung können potenzielle Verkehrs-
sicherheitsprobleme bereits während der Pla-
nungsphase vermieden werden. In einigen Ländern
gehört dieses Verfahren heute schon zum üblichen
Ablauf bei Neuprojekten.
Nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen
sind Anwendungen aus Australien, Grossbritan-
nien, Dänemark, Deutschland, Schweden, Norwe-
gen und der Tschechischen Republik bekannt. Un-
tersuchungen zur Wirksamkeit liegen u. a. für Dä-
nemark vor und belegen einen Kosten-Nutzen-
Faktor von 1,5.
In Analogie zur Umweltverträglichkeitsprüfung von
Projekten, sind Safety Audits auch in der Schweiz
als fester Bestandteil von Projekten zwingend flä-
chendeckend einzuführen. Seit 2008 wird ein Kurs
für Ingenieure zu RSA angeboten. Dieser ist aber
nicht obligatorisch. Zudem existiert seit 2008 eine
entsprechende VSS-Norm SN 641 712 [96].
Road Safety Inspection (RSI)
Die Road Safety Inspection ist ein standardisiertes
Verfahren zur Überprüfung von bestehenden An-
lagen im Sinn einer Betriebssicherheitsprüfung. Im
Gegensatz zum Road Safety Audit, bei dem Neu-
und Umbauprojekte begutachtet werden, überprü-
fen bei der Road Safety Inspection die zuständigen
Behörden periodisch die bestehende Infrastruktur
auf sicherheitstechnische Mängel.
In einigen Ländern gehört dieses Verfahren bereits
heute zum Standard bei bestehenden Anlagen,
insbesondere in Deutschland. In der Schweiz ist
eine Standardisierung und Institutionalisierung
(Erhaltungsmanagement) über alle Tiefbauämter
und Signalisationsbehörden erforderlich. Dabei
muss die Überprüfung der Infrastruktur hinsichtlich
des Potenzials für geschwindigkeitsbedingte Unfäl-
le eine zentrale Stellung einnehmen. Validierte
diagnostische Instrumente erhalten dabei eine
wesentliche Bedeutung, erlauben sie doch eine
Sanierung bevor sich Unfälle ereignen
(Kap. VII.5.6.7, S. 99). Es ist anzumerken, dass
Ende 2009 ein Forschungsgesuch für RSI durch das
Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme
(IVT) und die bfu beim VSS eingegeben wurde.
Black Spot Management (BSM)
Black Spot Management bezweckt die systemati-
sche Unfallanalyse der Verkehrsnetze. Ergeben sich
daraus Örtlichkeiten mit auffallend vielen Unfällen
(Unfallhäufungsstellen), so sind diese prioritär –
unter Anwendung von adäquaten Verfahren – zu
sanieren. Aufgrund der amtlichen Unfallstatistik39
können Unfallhäufungen abgelesen werden. Expo-
sitionsmasse sind jedoch in dieser Datenbank nicht
berücksichtigt. Genauso wenig ist anhand der Un-
fallauswertung festzustellen, ob defizitäre Infra-
struktur zu einem Unfall führte (Kap. VII.5.1.2,
S. 79). Daher ist sicherzustellen, dass alle zuständi-
gen Tiefbauämter solche Stellen systematisch im
Strassennetz ausfindig machen, die entsprechen-
den Stellen verkehrstechnisch analysieren und, falls
diese defizitär sind, eine qualifizierte Sanierung
planen (wie dies in manchen Kantonen auch be-
reits praktiziert wird).
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 39 Die Koordinaten der Unfallstellen sind nicht bei allen Unfäl-
len und nicht in allen Kantonen vorhanden, sodass eine sys-tematische Lokalisierung nicht möglich ist.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 99
5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur
sicherheitstechnischen Analyse der ho-
rizontalen Linienführung
Die in Kap. VII.5.6.6, S. 97 beschriebenen Prozedu-
ren zur Inspektion bestehender Verkehrsanlagen,
RSI und BSM, weisen nebst vielen Vorzügen auch
Schwachstellen auf. So wird beim RSI der Hand-
lungsbedarf anhand der Abweichungen des
Istzustands der Verkehrsanlagen vom Sollzustand
festgelegt. Bekanntlich ist aber nicht jede Norm-
abweichung der Infrastruktur à priori sicherheitsre-
levant. Es besteht also die Gefahr, dass Ressourcen
für die Sanierung von Örtlichkeiten verwendet
werden, die nie zu Unfällen führen oder die kein
Fehlverhalten hervorrufen würden. Aber auch BSM
weist Probleme auf. So ist die Bestimmung von
Unfallschwerpunkten aufgrund der Unfallzahlen
statistisch kompliziert, denn wegen des Phänomens
der Regression zur Mitte sollte nicht einfach auf die
absolute Anzahl Unfälle abgestützt werden. Zudem
sollte BSM aus Sicht der Prävention langfristig zur
Ausnahme werden, ist es doch befremdlich, Unfäl-
le abzuwarten, bevor saniert wird.
In diesem Sinn bietet sich an, diagnostische Verfah-
ren zu erarbeiten. Das in [71] erläuterte Verfahren
zur Diagnose von Kurven müsste mittelfristig über-
prüft und implementiert werden, um geschwindig-
keitsbedingten Unfällen in Kurven vorzubeugen.
5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-
Modells Tempo 50/30.
Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich Verbreitung
des bfu-Modells Tempo 50/30 ein riesiges Potenzial
besteht. Auf rund 75 % der überbauten Bauzonen
gilt derzeit noch die Höchstgeschwindigkeit
50 km/h. Dazu kommen schätzungsweise 98 %
verkehrsorientierte Innerortsstrassen, die nicht nach
[92] umgestaltet sind [90]. Um eine breitere Um-
setzung des bfu-Modells Tempo 50/30 zu verwirk-
lichen, sind Massnahmen auf verschiedenen Ebe-
nen angezeigt:
• Die aktuelle Rechtslage stellt ein grosses Hin-
dernis dar. Solange Tempo-30-Zonen als abwei-
chende Limite zur geltenden allgemeinen
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts
gelten und somit gemäss Art. 108 SSV begrün-
det werden müssen, ist eine zügige Verbreitung
des bfu-Modells Tempo 50/30 kaum möglich.
Art. 4a VRV sowie Art. 22 SSV müssten dahin-
gehend angepasst werden, dass innerorts zwei
Höchstgeschwindigkeitsregimes festgelegt wer-
den: 50 km/h auf dem übergeordneten Stras-
sennetz und 30 km/h auf dem siedlungsorien-
tierten Strassennetz. Außerdem müssten Rege-
lungen zu Tempo-30-Zonen von Art. 108 SSV
losgekoppelt werden.
• In der Zwischenzeit müssen die zuständigen
Behörden weiter für die sicherheitstechnischen
Vorteile des bfu-Modells Tempo 50/30 sensibili-
siert werden. Zwar haben alle Signalisationsbe-
hörden 2006 und 2009 von der bfu eine Klar-
stellung erhalten [97], dass die entsprechenden
Bundesgerichtsentscheide (BGE) aus dem Jahr
2006 und 2008 kein Hindernis für die Umset-
zung von Tempo-30-Zonen darstellen und dass
eine gemeindeweite Einführung von Tempo-30-
Zonen auf dem siedlungsorientierten Strassen-
netz keine Umgehung der Volksinitiative aus
dem Jahr 2001 (Strassen für alle) darstellt. Den-
noch scheint weiterer Klärungsbedarf (auch bei
den Gemeinden) zu bestehen.
• Entsprechend gilt es, bei den Baubehörden die
sicherheitstechnischen Vorteile umgestalteter
verkehrsorientierter Strassen weiterhin zu pro-
pagieren. Bekanntlich werden bauliche Eingriffe
100 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
primär dann geplant, wenn bei Strassen Unter-
haltsarbeiten anstehen. Deshalb ist es wichtig,
den Baubehörden nahe zu legen, bei diesen
Gelegenheiten die Planung von Umgestaltun-
gen nach [92] zu berücksichtigen.
• Der Befund, dass besonders kleinere, finanz-
schwächere Gemeinden seltener Tempo-30-
Zonen und umgestaltete verkehrsorientierte
Strassen aufweisen, zeigt ein Informationsdefi-
zit auf. Inhalt des bfu-Modells Tempo 50/30 ist
u. a., Tempo-30-Zonen mit einem akzeptablen
Aufwand realisieren zu können. Andererseits
betrifft die Umgestaltung von verkehrsorientier-
ten Strassen primär Kantonsstrassen, sodass auf
diesen Strassen die Kosten nicht voll zu Lasten
der Gemeinden gehen. Aus diesem Grund ist es
wichtig, gerade solche Gemeinden beispielswei-
se über die Sicherheitsdelegierten anzugehen
und sie vertiefter über die sicherheitstechni-
schen Vorteile zu informieren.
• Die Umsetzung der erwähnten Punkte bedarf
einer zielgerechten Kommunikationsstrategie.
Die Resultate zeigen, dass besonders der direkte
Kontakt erfolgreich ist. Dazu gehören das ge-
zielte Beliefern der zuständigen kantonalen
oder kommunalen Behörden mit Fachbroschü-
ren sowie die jährlichen Zusammenkünfte der
kantonalen Signalisationsbehörden. In diesem
Sinn wäre auch eine jährliche Zusammenkunft
der zuständigen kantonalen Baubehörden viel-
versprechend. Als Alternative bietet sich an, da-
für zu sorgen, dass der bfu bei der bereits be-
stehenden jährlichen Zusammenkunft der Kan-
tonsingenieure ein festes Fenster zugesprochen
wird. Dies ermöglicht, entsprechende Anliegen
direkt bei den Amtsvorstehern anzubringen.
5.7 Fazit
Die Auswertung der amtlichen Unfallstatistik zeigt
auf, dass das geschwindigkeitsbedingte Unfallge-
schehen insbesondere auf Ausserorts- und Inner-
ortsstrassen relevant ist. Autobahnen spielen er-
staunlicherweise in dieser Hinsicht eine unterge-
ordnete Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher
und betrieblicher Art zum Zweck der Geschwindig-
keitsreduktion bedürfen einer sorgfältigen Über-
prüfung hinsichtlich sicherheitstechnischer Auswir-
kungen. Das Beispiel von Radiusreduktionen in
Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammen-
spiel von Geschwindigkeit und Sicherheit. Geringe-
re Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere
Geschwindigkeiten, führen aber bei mangelhafter
Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäqua-
ten Infrastruktur sind primär eine einfache Hierar-
chisierung des Strassennetzes sowie die Realisie-
rung von selbsterklärenden und fehlertoleranten
Strassen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass
der Verkehr mit angepasster Geschwindigkeit zir-
kuliert. Die vorrangigen Interventionen sind im
Folgenden aufgelistet. Innerortsstrassen sind unter
Berücksichtigung der Nutzungsansprüche aller
Verkehrsteilnehmenden zu projektieren, zu bauen
und zu betreiben. Das bfu-Modell Tempo 50/30 ist
für das Erreichen dieses Ziels besonders geeignet.
Es sieht vor, alle siedlungsorientierten Strassen mit
Tempo-30-Zonen zu belegen und alle verkehrsori-
entierten Innerortsstrassen derart zu gestalten, dass
die Sicherheit der verletzlichsten Verkehrsteilneh-
menden besonders berücksichtigt wird.
Ausserortsstrassen sind derart zu projektieren, dass
sie zu einem homogenen Geschwindigkeitsverlauf
führen. Korrigierende Massnahmen à posteriori
(Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwindigkeiten)
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 101
dürfen nicht von Vorneherein verwendet werden,
um Projektierungsmängel auszubessern.
Die Entfernung von festen Objekten am Strassen-
rand (z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter
gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken kön-
nen die Folgen von geschwindigkeitsbedingten
Unfällen reduzieren.
Die konkrete Umsetzung in der Schweiz kann da-
bei durch Massnahmen auf verschiedenen Ebenen
aktiviert werden. Verkehrsingenieure und Planer
sind bereits während des Studiums und/oder in
systematischen Weiterbildungsgängen ganz spe-
ziell auf die erwähnten Punkte zu sensibilisieren.
Flächendeckende Instrumente zur systematischen
Überprüfung geplanter und bestehender Infra-
struktur (Road Safety Audit, Road Safety Inspecti-
on, Black Spot Management) sind als Obligatorium
schweizweit einzuführen (wie dies auch im Hand-
lungsprogramm ViaSicura vorgesehen ist).
Die VSS-Normen stellen im Verkehrsingenieurwe-
sen die Regeln der Baukunde dar. Deren Umset-
zung in Projekten kann je nach Randbedingungen
kostenintensiv sein. In der Praxis zeigt sich, dass in
solchen Fällen Abstriche in Kauf genommen wer-
den, was sich sicherheitstechnisch negativ auswir-
ken kann. Bevölkerung, Politik und die Verwaltung
sind deshalb hinsichtlich der sicherheitstechnischen
Bedeutung von Normen und adäquater Infrastruk-
tur zu sensibilisieren. Dadurch soll die Umsetzung
kostenintensiver, jedoch sicherheitstechnisch rele-
vanter Projekte gefördert werden.
Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells
Tempo 50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels
Anpassung der entsprechenden Verordnungen
oder aktiver Propagierung bei den zuständigen
Behörden und der Bevölkerung erfolgen.
6. Fahrzeugtechnische Massnahmen
6.1 Deformationszone/Knautschzone
Die Sicherheit von Fahrzeugen wird mittels Crash-
Tests überprüft. Dabei spielen die Knautschzonen
eine besondere Rolle. Sie nehmen einen Teil der
kinetischen Energie auf, d. h. sie sind eher
«weich». Erst wenn der eigentliche Passagierraum
erreicht ist, dann muss die Karosserie hart sein, um
zu verhindern, dass die Kollisionsobjekte bis zu den
Fahrzeuginsassen vordringen können.
Weiterhin wurde in den letzten Jahren vermehrt
der Fussgängersicherheit Aufmerksamkeit ge-
schenkt. In diesem Gebiet hat es bedeutende Ver-
besserungen gegeben. So gibt es beispielsweise
spezielle Mechanismen, die dafür sorgen, dass bei
einem Unfall die Motorhaube angehoben wird,
sodass der Fussgänger nicht auf den harten Mo-
torblock prallt, sondern auf die eher nachgiebige
Motorhaube. Auch in die Bewertung bei Euro
NCAP (European New Car Assessment Programme)
fliesst die Fussgängersicherheit mit ein.
Obwohl seit vielen Jahrzehnten Crash-Tests durch-
geführt werden, ist die Frage der Validität der Ver-
fahren immer noch nicht ganz geklärt. So gibt es
Arbeiten, die aufzeigen, dass die Crash-Tests zwar
bei Frontalkollisionen mittlerweile recht aussage-
kräftig sind [98]. Für Heckaufprallkollisionen
scheint dies aber noch nicht im selben Masse ge-
geben zu sein. Insofern dürfte es auch in Zukunft
noch weitere Verbesserungen bei der passiven
Sicherheit der Fahrzeuge geben.
102 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
6.2 Sicherheitsgurt
Der Sicherheitsgurt ist nach wie vor eine der wich-
tigsten, wahrscheinlich sogar die wichtigste Präven-
tionsmassnahme im Strassenverkehr. Seine Wirk-
samkeit hängt von Geschwindigkeit des Unfalls
und Merkmalen des Kollisionsobjektes ab.
Der Anteil Personen, der die Sicherheitsgurte trägt,
ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Wa-
ren es im Jahr 2000 noch 77 % so sind es nun
87 %. Bei einer Tragquote von 100 % könnten
schätzungsweise 40 Verkehrstote und 150 Scher-
verletzte vermieden werden.
Die Schweiz steht im internationalen Vergleich der
Tragquoten nicht besonders gut da. Unterschiede
gibt es nach Strassenart (je schneller auf einer
Strasse gefahren werden darf, umso höher ist die
Tragquote; innerorts nur 82 %), nach Sprachregion
(im Tessin 82 %, in der Romandie 82 % und in der
Deutschschweiz 89 %). Ewert und Fitz zeigten auf,
dass die Wahrscheinlichkeit nicht angegurtet zu
verunfallen von diversen Faktoren abhängig ist
[99]:
• Junge Verkehrsteilnehmer benützen den Gurt
weniger als Ältere
• Rücksitzpassagiere weniger als Frontpassagiere
• Männer weniger als Frauen
• Personen unter Alkoholeinfluss weniger als
Nüchterne
• Bei Nacht weniger als am Tage
• Am Wochenende weniger als unter der Woche
• Auf trockenen Strassen weniger als auf nassen
oder verschneiten
Insgesamt scheint es also so, als ob gerade diejeni-
gen Personen, die den Gurt besonders nötig ha-
ben, ihn weniger häufig benutzen.
Der Sicherheitsgurt ist sehr wichtig, um die Überle-
benschancen bei einem Unfall zu verbessern. Aller-
dings kann auch der Gurt nicht immer schützen.
Bei Unfällen mit hoher Geschwindigkeit und bei
einem nicht oder kaum nachgebenden Hindernis,
gibt es auch mit Gurt praktisch keine Überlebens-
chance. Ab ca. 110 km/h Kollisionsgeschwindigkeit
frontal auf ein massives Hindernis kann der Gurt
nicht mehr helfen. Erfreulicherweise sind diese Art
Unfälle nicht sehr häufig. Solche Geschwindigkei-
ten werden üblicherweise nur auf Autobahnen
erreicht. Kollisionen finden dann eher mit anderen
Fahrzeugen statt, welche in dieselbe Richtung fah-
ren, wodurch dann die Geschwindigkeitsdifferenz
(Delta-V) geringer wird. Auch ist die Wahrschein-
lichkeit einer Frontalkollision eher gering. Meistens
wird in eher spitzen Winkel – beispielsweise auf die
Leitplanken aufgefahren.
Angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte aller
unangegurteten Getöteten hätte gerettet werden
können, sind weitergehende Anstrengungen zur
Erhöhung der Tragquoten sinnvoll und notwendig.
Hierbei ist der Fokus insbesondere auf die Ausser-
ortsstrassen zu richten. Dort findet sich eine recht
niedrige Tragquote (Tessin 82 %, Westschweiz
84 % und Deutschschweiz 90 %) verbunden mit
Geschwindigkeiten, bei denen der Sicherheitsgurt
noch einen guten Beitrag zur Überlebenswahr-
scheinlichkeit leisten kann. Bei Tempo 80 beträgt
das Risiko ohne Gurt ums Leben zu kommen etwa
45 %; mit Gurt hingegen beträgt es «nur» 20 %.
Hier sollten die Anstrengungen in Bezug auf Poli-
zeikontrollen mit begleitenden Kampagnen weiter
fortgeführt werden.
Auch in Bezug auf das Anschnallen auf Rücksitzen
hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Ver-
besserung ergeben. Dennoch sind über alle Stras-
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 103
senarten und Landesteile hinweg 32 % der Rück-
sitzpassagiere nicht angegurtet. Die in modernen
Fahrzeugen bereits üblichen Systeme zur Erinne-
rung des Motorfahrzeuglenkenden an den Sicher-
heitsgurt für sich und die Frontpassagiere (seat-belt
reminder), die sich bereits als wirksam erwiesen
haben [100] sollten auch auf die Rücksitzpassagiere
ausgeweitet werden.
6.3 Airbags
Der Airbag ist ein Sack, der bei Bedarf, d. h. bei
einem Unfall, mittels einer Explosion mit Gas ge-
füllt wird. Zunächst in den USA vor allem als Ersatz
für den Sicherheitsgurt geplant (weil die Tragquo-
ten sehr tief waren und anfänglich kaum verbessert
werden konnten), hat er sich mittlerweile eher als
Sicherung zusätzlich zum Gurt durchgesetzt (zu-
mindest in Europa).
Insgesamt muss man jedoch sagen, dass der Airbag
die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht ganz erfül-
len konnte. Die Berechnungen über die Wirksam-
keit von Sicherheitsgurt und Airbag zeigen auf, der
Sicherheitsgurt das Sterberisiko bei einem Unfall
um etwa 50 % reduzieren kann, der Airbag allein
aber nur um 14 %. Sicherheitsgurt und Airbag
zusammen bringen es auf etwa 60 % Reduktion
(NHTSA, 2001[101]). Am wichtigsten ist es also
nach wie vor, dass man den Sicherheitsgurt be-
nützt.
Aufgrund der enormen Kräfte, die beim Auslösen
des Airbags wirken, kann er auch negative Folgen
haben. Ein Thema war das sogenannte «out-of-
position». Es bedeutet, dass jemand (vor allem die
Beifahrer) mit dem Airbag in Kontakt kommt, wäh-
rend dieser noch gefüllt wird. Da er sich während-
dessen mit etwa 300 km/h auf die Person zube-
wegt, kann es (und ist es) zu schweren oder tödli-
chen Verletzungen (ge)kommen – insbesondere bei
Kindern und kleinen Frauen. Mittlerweile ist dieses
Thema aber durch technische Verbesserungen
weitgehend erledigt.
Der Airbag hat aber noch weitere Anwendungsge-
biete. So werden beispielsweise die Rücksitzpassa-
giere bis heute kaum frontal mit Airbags geschützt,
obwohl er auch hier gute Dienste leisten könnte.
6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle
Die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC, Fach-
begriff), das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP
– Markenname des Bosch-Systems) oder auch die
Systeme anderer Hersteller sind eine der besten
Verkehrssicherheitsmassnahmen der vergangenen
Jahrzehnte. Das System vergleicht hinsichtlich der
Fahrtrichtung die Absicht des Lenkers (Lenkradein-
schlag) mit der physikalischen Bewegung des Fahr-
zeugs. Falls diese beiden Faktoren nicht überein-
stimmen (Schleudern), wird eingegriffen indem
einzelne Räder abgebremst und allenfalls sogar die
Motorleistung gedrosselt wird. Dadurch kann im
Grenzbereich das Schleudern verhindert werden.
Das System greift also nur ein, wenn der Lenkende
bereits die Herrschaft über das Fahrzeug verloren
hat. Es ermöglicht ein richtungsgetreues Fahren
solange es physikalisch überhaupt nur möglich ist.
ESC war ursprünglich eine Weiterentwicklung des
Antiblockiersystems ABS, welches das Lenken wäh-
rend scharfer Bremsmanöver ermöglichen und das
Blockieren der Räder verhindern sollte. ESC wurde
viel evaluiert und die Ergebnisse sind extrem posi-
tiv. Ferguson [102] kommt bei der Analyse von 15
verschiedenen Studien aus Japan, Schweden, den
USA, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien
zu dem Schluss, dass tödliche Selbstunfälle durch
104 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
ESC um 30 bis 50 % reduziert werden. Auch bei
schweren Unfällen mit mehreren Fahrzeugen be-
trägt die Reduktion zwischen 17 und 38 %. Bei
den beliebten SUVs (Geländewagen) sollen die
Effekte sogar noch stärker sein, da diese aufgrund
des hohen Schwerpunktes stärker vom Überschlag
bedroht sind.
ESC hat sich als so wirksam erwiesen, dass es stark
gefördert wird. Viele Neuwagen in der Schweiz
haben es als Standardausstattung (laut TCS 80 %
aller angebotenen Modelle). Andere haben es op-
tional (11 % aller Modelle). Leider sind vor allem
kleinere Fahrzeuge aus dem Niedrigpreissegment
teilweise gar nicht mit ESP zu erhalten (9 % aller
Modelle). Eine Erhebung von Bosch ergab Anteile
von Neuwagen mit ESC von 96 % in Schweden,
79 % in Deutschland bis zu lediglich 46 % in
Frankreich und 42 % in Italien. Zahlen für die
Schweiz gibt es nicht; es darf aber vermutet wer-
den, dass sie eher im oberen Bereich liegen.
Auch die Politik hat sich bereits engagiert. In der
EU müssen ab November 2011 alle neu zugelasse-
nen Pkw und Lkw serienmäßig mit ESC ausgestat-
tet werden. Ab 01.11.2014 müssen diese auch bei
der 1. Inverkehrsetzung mit einem solchen System
ausgerüstet sein40. Insofern besteht also kein Hand-
lungsbedarf für die Schweiz.
Eine noch offene Frage ist die Ausschaltbarkeit von
ESC. Bestimmte – aber nicht alle – Hersteller er-
möglichen eine Ausschaltung von ESC. Angeblich
gibt es Situationen in denen ESC hinderlich ist (An-
fahren auf verschneiten oder vereisten Strassen),
wo das System die Situation möglicherweise falsch
einschätzt.
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 40 EG-Verordnung Nr. 661/2009, publiziert im EU-ABl, am
31.07.2009
Die meisten Hersteller haben jetzt Systeme, wo sich
ESC bei jedem Motorstart neu einschaltet. Dies
stösst allerdings nicht bei allen Besitzern auf Freu-
de. Zu vermuten ist, dass gerade diejenigen Perso-
nen, die ESC abschalten einen riskanten Fahrstil
pflegen. Von daher ist zu hoffen, dass die Herstel-
ler ihre Systeme so weiterentwickeln, dass es die
Ausschaltfunktion nicht mehr braucht und diese
abgeschafft werden kann.
Ein anderes Problem ist, dass es noch erhebliche
Zeit dauern wird, bis sich ESC in allen Neufahrzeu-
gen findet und alle Altfahrzeuge ohne ESC vom
Markt verschwunden sind. Hier gäbe es zwar theo-
retisch Interventionsmöglichkeiten (beispielsweise
eine Verschrottungsprämie für Altautos ohne ESC).
Die politische Akzeptanz für eine solche Massnah-
me dürfte jedoch in der Schweiz gering sein.
Ein grosses Einflusspotenzial hätten die Versiche-
rungswirtschaft und auch die Kantone. Sie könnten
beispielsweise die Versicherungsprämien oder die
Motorfahrzeugsteuer für Fahrzeuge mit ESC redu-
zieren. Für umweltfreundliche Autos gibt es solche
Bonus-Malus-Systeme auf der Ebene der Motor-
fahrzeugsteuer. Ob es für eine solche eindeutig
sicherheitsförderliche Massnahme die notwendigen
Mehrheiten gäbe, ist zu prüfen.
In Bezug auf die Versicherungen muss man wohl
etwas pessimistischer sein. Zwar gibt es einzelne
Versicherer, die technische Massnahmen unterstüt-
zen (beispielsweise die AXA-Winterthur mit dem
Unfalldatenschreiber), aber ESC hat es – überra-
schenderweise – noch nicht so weit gebracht.
Möglicherweise haben die Versicherer die poten-
ziellen Präventions- und Einsparmöglichkeiten noch
nicht so recht wahrgenommen.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 105
6.5 ISA
ISA ist die Abkürzung für Intelligent Speed Adapta-
tion. Es handelt sich dabei um ein elektronisches
System, das einerseits aus einer Datenbank bzw.
Kartenmaterial besteht in der alle Höchstgeschwin-
digkeiten gespeichert sind und andererseits einem
System, das den aktuellen Standpunkt erkennt
(GPS). Aus der Kombination von diesen beiden
Informationen kann dann abgeleitet werden, wel-
che Geschwindigkeitslimite im Moment gilt. Mit
dieser Information kann auf drei Arten Verfahren
werden:
1. Die Information wird an den Fahrer weiterge-
geben, beispielsweise in Form einer Einblen-
dung der Limite ins Armaturenbrett oder ins
Head-Up Display auf der Windschutzscheibe.
2. Unterstützung des Fahrers indem das System
meldet, wenn die Höchstgeschwindigkeit über-
schritten wird
3. Ein intervenierendes System, welches immer
eingreift, wenn man zu schnell fährt, wobei al-
lerdings der Motorfahrzeuglenkende das Sys-
tem übergehen kann.
Welches dieser Systeme sich durchsetzen wird ist
bis anhin noch nicht klar.
Erste Untersuchungen zur Wirksamkeit von ISA
haben zu vielversprechenden Ergebnissen geführt.
Eine australische Studie [103] kam zu dem Schluss,
dass mit ISA die tödlichen Unfälle um 8 %, diejeni-
gen mit Schwerverletzten um 6 % gesenkt werden
könnten. Grundlage dieser Resultate waren Beo-
bachtungen, dass sowohl die mittleren und die
maximalen Geschwindigkeiten sowie die V85 ge-
senkt wurden. Eine englische Studie [104] kam zu
wesentlich stärkeren Effekten. Je nach Art des ISA
und Art der Geschwindigkeitslimite wird mit einer
Reduktion der Getötetenzahlen um bis zu 59 %
gerechnet. Die letzte Zahl erscheint allerdings et-
was hoch. Dennoch kann man festhalten, dass mit
ISA ein erhebliches Potenzial zur Verringerung der
Anzahl von Verletzten und Getöteten im Strassen-
verkehr besteht. Darüber hinaus führt ISA auch zu
weniger Emissionen inklusive Lärm. ISA hat sich mit
einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 7:1 auch als
finanziell lohnend erwiesen. Die Technologie ist
vorhanden und kann sehr schnell umgesetzt wer-
den, da es sich um ein fahrzeuggebundenes Sys-
tem handelt.
Das andere Thema und möglicherweise das Haupt-
problem ist die Akzeptanz von ISA. Je strenger der
Eingriff umso geringer ist die Akzeptanz. Und um-
gekehrt ist es natürlich so, dass ISA umso wir-
kungsvoller ist, je stärker und ungestörter der Ein-
griff des Systems ist. In der SARTRE-Umfrage von
2004 [105] hatte sich gezeigt, dass die Schweizer
im Vergleich zu den übrigen Befragten aus über 20
Ländern fahrzeugtechnischen Interventionen im
Allgemeinen und geschwindigkeitsbezogenen Sys-
temen im Besonderen kritisch gegenüber stehen.
Das European Transport Safety Council befasste
sich im Jahr 2006 [106] mit 10 Mythen zum Thema
ISA und bewertete sie allesamt als falsch. Die My-
then sind:
1. ISA ist noch keine reife Technologie
2. Das genaue Bestimmen der Geschwindigkeiten
auf Landkarten ist zu kompliziert
3. Nicht alle Länder können ISA anwenden
4. ISA ist für die Gesellschaft zu teuer
5. ISA ist Big Brother im Fahrersitz
6. ISA hat unüberwindbare haftungsrechtliche
Probleme
7. ISA hat keine öffentliche Akzeptanz
106 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
8. ISA wäre erfolgreicher wenn es nicht per Gesetz
sondern über den freien Markt eingeführt wür-
de
9. Geschwindigkeit ist nur ein kleines Element der
Verkehrssicherheit
10. Andere Fahrzeug- und Infrastrukturmassnah-
men machen ISA überflüssig.
6.6 Leistungsgewicht
Das Thema Leistungsgewicht als möglicher Risiko-
faktor für zu schnelles Fahren bzw. Geschwindig-
keitsunfälle insbesondere bei jungen Lenkern wird
immer wieder erwähnt. Die Beweise dafür sind
jedoch eher schwach. Palamara und Gavin [107]
führten eine Fall-Kontroll-Studie durch bei der sie
verunfallte und nicht verunfallte junge Motorfahr-
zeuglenkende bzw. das Leistungsgewicht deren
Fahrzeuge miteinander verglichen. Sie fanden kei-
nen signifikanten Unterschied. Sie zitieren in ihrer
Arbeit zwei weitere Studien, die eher schwache
Zusammenhänge nachwiesen. Drummond und
Healy [108] fanden einen Zusammenhang – aller-
dings für alle Altersgruppen, nicht nur für die jun-
gen Lenker. Fontaine [109] fand eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit ums Leben zu kommen, wenn
Leistungsgewicht höher als 75 kW pro Tonne Fahr-
zeuggewicht war. Dieser Effekt soll vor allem auf
die höheren gefahrenen Geschwindigkeiten zu-
rückzuführen sein. Das Risiko bestand aber nur für
männliche Lenker unter 30 Jahren ausserhalb von
Ortschaften.
Insgesamt sind die Belege für einen Einfluss des
Leistungsgewichts auf das Unfallgeschehen nicht
eindeutig – weder in die positive noch in die nega-
tive Richtung. Eine genauere Prüfung bzw. Unter-
suchung wäre wohl notwendig bevor man eine
diesbezügliche Massnahme aufgrund nachgewie-
sener Wirksamkeit einführt. Dennoch gibt es Vor-
bilder: In Victoria, Australien dürfen junge Motor-
fahrzeuglenkende in der Zeit des Führerausweises
auf Probe kein Fahrzeug über 125 kW pro Tonne
Fahrzeuggewicht fahren. Und auch der Motor darf
pro Tonne nicht mehr als 3,5 Liter Hubraum haben.
6.7 Fazit
Die Fahrzeugtechnik hat extrem wichtige Beiträge
zur Verkehrssicherheit geleistet und wird wohl
auch in Zukunft noch viel beitragen können. An
erster Stelle ist hier der Sicherheitsgurt zu nennen,
der, rund der Hälfte der unangegurteten Verkehrs-
toten das Leben hätte retten können. In der
Schweiz macht dies etwa 40 Getötete pro Jahr
weniger aus. Das grösste Problem ist die nach wie
vor nicht befriedigende Tragquote insbesondere
bei jungen männlichen Lenkern, innerorts, ausser-
orts sowie bei Nacht und unter Alkoholeinfluss.
Hier sind weitere Anstrengungen nötig.
An zweiter Stelle ist die elektronische Stabilitäts-
kontrolle (ESC) zu nennen, da sie eine überragende
Wirksamkeit bei der Verhinderung von Schleuder-
unfällen hat. Die obligatorische gesetzliche Einfüh-
rung von ESC in der Europäischen Union und die
Verbreitung des Wissens über den Nutzen der
Fahrassistenz-Systeme sind wichtige Schritte. Be-
dauerlich ist, dass es noch einige Zeit dauern wird
bis die Elektronische Stabilitätskontrolle in der ge-
samten Fahrzeugflotte vorhanden sein wird. Eine
Ermutigung vor allem der jungen Lenkende auf
Fahrzeuge mit ESC umzusteigen, könnte helfen,
diese Übergangszeit zu verkürzen.
Eine weitere innovative Technik, die allerdings den
Durchbruch noch nicht geschafft hat, ist ISA – die
Intelligent Speed Adaptation. Dabei wird aus der
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 107
aktuellen Position (bestimmt mittels GPS) und
elektronischen Landkarten mit den gültigen
Höchstgeschwindigkeiten bestimmt, wie schnell
man aktuell fahren darf. Das Sicherheitspotenzial
für ISA kann, je nach Art der konkreten Ausgestal-
tung, beträchtlich sein.
Airbag und Deformationszone/Knautschzone sind
wichtig um die Schwere von Unfällen zu vermin-
dern. Bei beiden wird man in Zukunft noch weitere
Verbesserungen sehen.
Nicht ganz geklärt ist die Frage nach der Bedeu-
tung des Leistungsgewichts. Diesbezüglich besteht
noch Forschungsbedarf.
108 Schlussfolgerungen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
VIII. Schlussfolgerungen
Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich Ge-
schwindigkeit werden pro Jahr durchschnittlich
1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die
Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei ei-
nem Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel
bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen
Schwerpunkt dar.
Die Geschwindigkeitswahl ist aus zweierlei Hinsicht
für die Verkehrssicherheit entscheidend: Je schnel-
ler gefahren wird, desto weniger Zeit bleibt einer-
seits für angemessene Reaktionen, um Unfälle zu
verhindern, und desto gravierender sind anderer-
seits die Verletzungsfolgen. Ein paar Stundenkilo-
meter mehr oder weniger können aufgrund des
exponentiellen Zusammenhangs über Tod oder
Leben entscheiden, insbesondere bei relativ tiefen
Geschwindigkeiten.
Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und
eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begüns-
tigen schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zwei-
phasenfahrausbildung muss diesbezüglich noch
evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot
für Neulenkende.
Für ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement
haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element
erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer
wegen überhöhter Geschwindigkeit gebüsst. Die
allermeisten Kontrollen werden automatisch
durchgeführt. Deren Intensivierung vor allem auf
Landstrassen ist notwendig. Zudem sind gut sicht-
bare sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig
verteilte bemannte Geschwindigkeitskontrollen
sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensände-
rung sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert
werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit
verhaltenstherapeutischen Interventionen haben
sich ebenfalls als wirksam erwiesen.
Zur Entschärfung des Geschwindigkeitsproblems
trägt auch die Optimierung einer adäquaten In-
frastruktur bei, mit der das Strassennetz hierarchi-
siert sowie selbsterklärende und fehlertolerante
Strassen realisiert werden sollen. Innerorts sind in
erster Linie die Nutzungsansprüche aller Ver-
kehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Ausserorts-
strassen sind prioritär so zu projektieren, dass sie
zu einem homogenen Geschwindigkeitsverlauf
führen. Die Beseitigung von festen Objekten am
Strassenrand und – unter gewissen Bedingungen –
die Montage von Mittelleitschranken können die
Folgen von geschwindigkeitsbedingten Unfällen
reduzieren. Zur Umsetzung dieser Interventionen
sind Fachleute laufend zu sensibilisieren sowie
Road Safety Audits, Road Safety Inspections und
Black Spot Management für obligatorisch zu erklä-
ren.
Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt
nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls
sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitäts-
kontrolle, die das Schleudern verhindern kann.
Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent
Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen Ge-
schwindigkeitsunfälle leisten können. Einen Über-
blick über Massnahmen mit unterschiedlichem
Nutzen liefert Tabelle 1, S. 17.
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Quellenverzeichnis 109
Quellenverzeichnis
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