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bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr Autoren: Bern 2010 Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

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bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr

Autoren: Bern 2010

Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr

Autoren: Bern 2010 Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter

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Autoren

Uwe Ewert

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]

Dr. phil. MPH; Psychologiestudium an der Universität Freiburg i.Br. Studium der Gesundheitswis-

senschaften in den USA. Seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter der bfu. Forschungsschwer-

punkte: Einstellungen und Verhalten von Verkehrsteilnehmern, Fussgänger, Senioren, Benützung

von Sicherheitsgurten, Sicherheit auf Ausserortsstrassen, Geschwindigkeit.

Gianantonio Scaramuzza

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]

Dipl. Ing. ETH; Bauingenieurstudium an der ETH Zürich; bis 1986 Assistent am Institut für Ver-

kehrsplanung und Transportsysteme (IVT) an der ETH Zürich. 1986–2004 Mitarbeiter in der Ab-

teilung Verkehrstechnik der bfu. Seit 2004 tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung

Forschung der bfu. Schwerpunkte: Infrastruktur (insbesondere Verkehrsberuhigung), Fussverkehr,

Fahrradverkehr, Geisterfahrer und Unfallschwerpunkte.

Steffen Niemann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected]

Magister Artium; Studium der Soziologie, Psychologie und Informationswissenschaften an der

Universität Düsseldorf; 1995–2005 Mitarbeiter am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der

Universität Bern. Seit April 2005 bei der bfu in der Abteilung Forschung. Arbeitsschwerpunkte:

Datengrundlagen in den Bereichen Haus und Freizeit, Strassenverkehr, Sport, sowie eigene Erhe-

bungen der bfu.

Esther Walter

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu, [email protected]

Lic. phil.; Studium am Institut für Psychologie der Universität Bern; 1997–2001 Assistentin am

Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Bern. Seit 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin der

Forschungsabteilung der bfu. Schwerpunkte: Fahrradverkehr, Fussverkehr, Motorradverkehr,

Kinder, Kampagnen. Seit 2006 im interuniversitären Weiterbildungsstudiengang Public Health.

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Impressum

Herausgeberin bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Postfach 8236 CH-3001 Bern Tel. +41 31 390 22 22 Fax +41 31 390 22 30 [email protected] www.bfu.ch Bezug http://shop.bfu.ch

Autoren Uwe Ewert, Dr. phil., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu

Gianantonio Scaramuzza, dipl. Ing. ETH, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Steffen Niemann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Esther Walter, lic. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu

Mitarbeit Nathalie Clausen, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu

Regula Stöcklin, Fürsprecherin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu Cinthia Donzallaz Cerf, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu

Redaktion Stefan Siegrist, Dr. phil., Leiter Forschung / Ausbildung, Stv. Direktor, bfu Druck/Auflage Bubenberg Druck- und Verlags-AG, Monbijoustrasse 61, CH–3007 Bern

1/2010/600 © bfu/FVS 2010 Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie), Speicherung, Verarbeitung und

Verbreitung sind mit Quellenangabe (s. Zitationsvorschlag) gestattet.

Dieser Bericht wurde im Auftrag des Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) hergestellt. Für den Inhalt ist die bfu verantwortlich.

Zitationsvorschlag Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten

Strassenverkehr. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. bfu-Sicherheitsdossier 06. Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche und weibliche

Formulierung zu verwenden. Aufgrund von Rundungen sind im Total der Tabellen leichte Differenzen möglich. Wir bitten die Lesenden um Verständnis.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 5

Inhalt

I. Abstract / Résumé / Compendio 9

1. Deutsch 9

2. Français 10

3. Italiano 11

II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 12

1. Kurzfassung 12

1.1 Einleitung 12

1.2 Exkurs: Raser 12

1.3 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 12

1.4 Unfallgeschehen 13

1.5 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 13

2. Version abrégée 18

2.1 Introduction 19

2.2 Digression: les chauffards 19

2.3 La vitesse de différents points de vue 19

2.4 Accidentalité 20

2.5 Mesures de gestion de la vitesse 20

3. Riassunto 26

3.1 Introduzione 26

3.2 Digressione: pirati della strada 26

3.3 La velocità da diversi punti di vista 26

3.4 Incidentalità 27

3.5 Misure per la gestione della velocità 27

III. Einleitung 33

IV. Exkurs: Raser 35

V. Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 37

1. Einleitung 37

2. Geschwindigkeit aus Sicht der Unfallverhütung 37

2.1 Geschwindigkeit als Risikofaktor für die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls 37

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6 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

2.1.1 Reaktionszeit 37

2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsgeschwindigkeit als Risikofaktor für einen Unfall 38

2.2 Geschwindigkeit als Risikofaktor für die Schwere von Verletzungen 39

3. Geschwindigkeit aus verkehrstechnischer Sicht 40

4. Geschwindigkeit aus juristischer Sicht 41

4.1 Einleitung 41

4.2 Entwicklung der Geschwindigkeitsbeschränkungen 41

4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend Geschwindigkeit 43

4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten 43

4.3.2 Anpassen der Geschwindigkeit an die Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 4 VRV) 45

5. Geschwindigkeit aus Sicht der Psychologie 47

5.1 Lerntheorie 47

5.2 Theorie des geplanten Verhaltens 48

5.3 Das Risk Speed Model von Taylor (1964) 49

5.4 Contagion Model of Speeding 49

5.5 Persönlichkeitstheorie 49

6. Fazit 50

VI. Unfallgeschehen 51

1. Datenlage 51

2. Unfallgeschehen 1992–2008 52

3. Das aktuelle Unfallgeschehen (2004–2008) 54

4. Fazit 59

VII. Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 60

1. Einleitung 60

2. Höchstgeschwindigkeit 60

3. Motorfahrzeuglenkende 61

3.1 Alter 61

3.2 Geschlecht 62

3.3 Reaktionszeit 62

3.4 Einstellungen 62

3.5 Sensation Seeking 63

3.6 Risikoakzeptanz 64

3.7 Risikowahrnehmung 64

3.8 Alkoholniveau 65

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 7

3.9 Motorfahrzeugbesitz 65

3.10 Anzahl Passagiere 65

3.11 Graduated Driver Licensing 66

3.12 Behandlung von delinquenten Motorfahrzeuglenkenden 66

3.13 Verkehrssicherheitskampagnen 67

3.14 Fazit 68

4. Recht und seine Durchsetzung 68

4.1 Sanktionen nach reinen Geschwindigkeitsüberschreitungen (ab 01. Januar 2005) 68

4.1.1 Allgemein 68

4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen 70

4.1.3 Administrativmassnahmen: insbesondere Verwarnung oder Führerausweisentzug 71

4.2 Staffelung der Sanktionen in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit des Geschwindigkeitsdelikts 72

4.3 Demerit points 72

4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei 73

4.4.1 Sichtbarkeit 74

4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen 74

4.4.3 Unbemannte versus bemannte Kontrollen 74

4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne Ankündigung/Kampagnen? 75

4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung 75

4.4.6 Fakten zur Geschwindigkeitsdelinquenz und zu den Polizeikontrollen in der Schweiz 75

4.4.7 Section Control 76

4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen und -zeiten 77

4.4.9 Fazit 78

5. Verkehrstechnik 78

5.1 Einleitung 78

5.1.1 Abgrenzung 78

5.1.2 Problematik der Strassenverkehrsunfallstatistik hinsichtlich verkehrstechnischer Mängel 79

5.1.3 Begriffe 79

5.2 Übergeordnete Ziele 80

5.3 Planung 81

5.4 Infrastruktur 82

5.4.1 Autobahnen 82

5.4.2 Ausserortsstrassen 82

5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen 87

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8 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen 90

5.5 Gestaltung und Betrieb 91

5.5.1 Grundsätzliches 91

5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen 92

5.5.3 Innerortsstrassen 92

5.6 Umsetzung in der Schweiz 96

5.6.1 Bestimmung der durch Infrastrukturmängel bedingten Unfälle 96

5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen 96

5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen 96

5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer 96

5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und Politik für die Bedeutung der Infrastruktur 97

5.6.6 Instrumente zur systematischen flächendeckenden Sicherheitsüberprüfung geplanter und bestehender Infrastruktur 97

5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur sicherheitstechnischen Analyse der horizontalen Linienführung 99

5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-Modells Tempo 50/30. 99

5.7 Fazit 100

6. Fahrzeugtechnische Massnahmen 101

6.1 Deformationszone/Knautschzone 101

6.2 Sicherheitsgurt 102

6.3 Airbags 103

6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle 103

6.5 ISA 105

6.6 Leistungsgewicht 106

6.7 Fazit 106

VIII. Schlussfolgerungen 108

Quellenverzeichnis 109

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9

I. Abstract / Résumé / Compendio

1. Deutsch

Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung prä-

sentiert im vorliegenden Sicherheitsdossier evi-

denzbasierte Massnahmen zur Entschärfung der

Geschwindigkeitsproblematik auf Schweizer Stras-

sen. Wichtig sind nebst der Einhaltung der allge-

meinen Höchstgeschwindigkeit auch die Anpas-

sung der Fahrgeschwindigkeit an die Verhältnisse.

Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich Ge-

schwindigkeit werden pro Jahr durchschnittlich

1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die

Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei ei-

nem Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel

bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen

Schwerpunkt dar.

Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und

eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begüns-

tigen schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zwei-

phasenfahrausbildung muss diesbezüglich noch

evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot

für Neulenkende.

Für ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement

haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element

erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer

wegen überhöhter Geschwindigkeit gebüsst. Die

allermeisten Kontrollen werden automatisch

durchgeführt. Deren Intensivierung, vor allem auf

Landstrassen, ist notwendig. Zudem sind gut sicht-

bare sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig

verteilte bemannte Geschwindigkeitskontrollen

sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensände-

rung sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert

werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit

verhaltenstherapeutischen Interventionen haben

sich ebenfalls als wirksam erwiesen.

Zur Entschärfung des Geschwindigkeitsproblems

trägt auch die Optimierung einer adäquaten Infra-

struktur bei, mit der das Strassennetz hierarchisiert

sowie selbsterklärende und fehlertolerante Strassen

realisiert werden sollen. Innerorts sind in erster

Linie die Nutzungsansprüche aller Verkehrsteil-

nehmenden zu berücksichtigen. Ausserortsstrassen

sind prioritär so zu projektieren, dass sie zu einem

homogenen Geschwindigkeitsverlauf führen. Die

Beseitigung von festen Objekten am Strassenrand

(z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter gewis-

sen Bedingungen – die Montage von Mittelleit-

schranken können die Folgen von geschwindig-

keitsbedingten Unfällen reduzieren. Zur Umsetzung

dieser Interventionen sind Fachleute laufend zu

sensibilisieren sowie Road Safety Audits, Road Sa-

fety Inspections und Black Spot Management für

obligatorisch zu erklären.

Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt

nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls

sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitäts-

kontrolle, die das Schleudern verhindern kann.

Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent

Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen Ge-

schwindigkeitsunfälle leisten können.

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10 Abstract / Résumé / Compendio bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

2. Français

Dans ce dossier de sécurité, le bpa – Bureau de

prévention des accidents présente des mesures

basées sur des données probantes et à même d'at-

ténuer la problématique de la vitesse sur les routes

suisses. Outre le fait de respecter la vitesse maxi-

male générale, il est important d'adapter sa vitesse

aux conditions.

En raison d'un comportement erroné relatif à la

vitesse, 1251 personnes sont grièvement blessées

et 163 décèdent chaque année. La moitié des tués

est victime d'une perte de maîtrise sur des routes

hors localité et un quart subit un accident en locali-

té. Les autoroutes ne représentent pas une priorité.

Les conducteurs accidentés sont principalement

des hommes plutôt jeunes. L'alcool et le milieu

social favorisent la vitesse au volant. A ce sujet,

l'efficacité de la formation à la conduite en deux

phases doit encore être évaluée. Interdire l'alcool

aux nouveaux conducteurs serait une mesure judi-

cieuse.

Les contrôles de police se sont avérés être un élé-

ment important d'une gestion efficace de la vites-

se. Chaque année, quelque 2,5 millions de conduc-

teurs reçoivent une amende pour cause d'excès de

vitesse. La plupart des contrôles sont automatisés.

Il faut les intensifier, surtout sur les routes se-

condaires. De plus, il est judicieux de faire des

contrôles de vitesse bien visibles ainsi que des

contrôles spatialement et temporellement répartis

au hasard et effectués par des policiers. C'est la

seule manière d'augmenter la probabilité subjective

d'être contrôlé, si importante pour un changement

de comportement. Les retraits du permis de

conduire en combinaison avec des interventions

thérapeutiques visant à changer le comportement

se sont également avérés efficaces.

Optimiser une infrastructure adéquate en hiérar-

chisant le réseau routier et en réalisant des routes

lisibles qui tolèrent les erreurs contribue aussi à

atténuer le problème de la vitesse. A l'intérieur des

localités, il faut en premier lieu tenir compte des

exigences de tous les usagers de la route. Les rou-

tes hors localités doivent prioritairement être

conçues de manière à ce que les vitesses soient

homogènes. L'élimination d'objets fixes au bord de

la route (par ex., murs, clôtures, poteaux) et – sous

certaines conditions, le montage de glissières de

sécurité centrales peuvent réduire les conséquences

d'accidents dus à la vitesse. Pour réaliser ces inter-

ventions, il faut constamment sensibiliser les spé-

cialistes et rendre obligatoires les safety audits

routiers, les inspections ainsi que la gestion des

points noirs.

En ce qui concerne la sécurité des véhicules, la

ceinture de sécurité reste la mesure la plus impor-

tante. Le contrôle électronique de la stabilité qui

peut prévenir les dérapages est également très

efficace. Les technologies du futur comme ISA

(Intelligent Speed Adaptation) pourront contribuer

à contrer les accidents dus à la vitesse.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 11

3. Italiano

In questo dossier sicurezza, l'upi – Ufficio preven-

zione infortuni – presenta delle misure basate

sull'evidenza per smorzare la problematica relativa

alla velocità sulle strade svizzere. Oltre al rispetto

dei limiti massimi di velocità è altrettanto importan-

te adeguare la velocità di marcia alle condizioni

meteo e stradali.

Ogni anno, i comportamenti erronei correlati alla

velocità causano mediamente 1251 feriti gravi e

163 morti. La metà dei morti è coinvolta in un

incidente a veicolo isolato su una strada extraurba-

na, un quarto su una strada urbana. Le autostrade

non rientrano tra i punti ad alta incidentalità.

I conducenti coinvolti in un incidente sono preva-

lentemente uomini e piuttosto giovani. L'alcol e

l'ambiente sociale favoriscono l'eccesso di velocità.

L'efficacia della formazione in due fasi su tale pun-

to deve ancora essere valutata. Andrebbe preso in

considerazione un divieto di bere alcolici per i neo-

patentati.

I controlli della polizia si sono rivelati uno strumen-

to importante per una gestione efficace della velo-

cità. Ogni anno si multano circa 2,5 milioni di con-

ducenti per eccesso di velocità. La stragrande mag-

gioranza dei controlli è effettuata automaticamen-

te. Specialmente sulle strade extraurbane è neces-

sario intensificarli. Inoltre, sono utili dei controlli

della velocità effettuati spazialmente e temporal-

mente in modo casuale da agenti che si trovano sul

posto. Solo in questo modo è possibile aumentare

l'aspettativa di essere controllati che è fondamen-

tale per un cambiamento del comportamento.

Anche le revoche della patente legate a terapie

comportamentali si sono rivelate efficaci.

A contrastare il problema relativo alla velocità con-

tribuisce anche un'infrastruttura migliorata con cui

gerarchizzare la rete stradale e realizzare delle stra-

de self explaining che tollerano degli errori. Nell'a-

bitato va in prima linea tenuto conto delle esigenze

di tutti gli utenti. Le strade extraurbane vanno pro-

gettate in modo che comportino delle velocità

omogenee. La soppressione di oggetti fissi al bordo

della strada (p. es. muri, staccionate, pali) e, in

particolari condizioni, il montaggio di guardrail

centrali possono ridurre le conseguenze degli inci-

denti correlati alla velocità. Per realizzare questi

interventi bisogna continuamente sensibilizzare gli

specialisti e rendere obbligatori i Road Safety Audit,

le Road Safety Inspection e il Black Spot

Management.

In materia di sicurezza dei veicoli, la cintura di sicu-

rezza è tuttora la misura più importante. Molto

efficace è anche il controllo elettronico della stabili-

tà che può evitare uno sbandamento. Anche le

tecniche future come l'ISA (sistema intelligente di

adattamento della velocità) contribuirà a ridurre gli

incidenti correlati alla velocità.

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12 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto

1. Kurzfassung

1.1 Einleitung

Der Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt

eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte im

Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen aus-

gerichtet ist. Voraussetzung dafür ist ein umfas-

sendes Wissensmanagement. Die Verwaltungs-

kommission des FVS hat der bfu – Beratungsstelle

für Unfallverhütung einen langfristig angelegten

Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendi-

gen Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers

decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie

umfassen die präventionsorientierte Analyse von

Schwerpunkten im Unfallgeschehen. Diese Dossiers

haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand

wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidun-

gen zu ermöglichen.

Die Publikation richtet sich an Personen und Insti-

tutionen, die für die Planung und Finanzierung

von präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten

Massnahmen im Strassenverkehr verantwortlich

sind.

Die Fahrgeschwindigkeit der Motorfahrzeuge hat

einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssi-

cherheit: Einerseits verkürzen hohe Geschwindig-

keiten die Zeit, um auf Verkehrssituationen reagie-

ren zu können, und erhöhen dadurch die Wahr-

scheinlichkeit, dass es zu einem Unfall kommt.

Andererseits beeinflusst die Geschwindigkeit die

Schwere eines allfälligen Unfalls. Gerade bei den

sehr verletzlichen Verkehrsteilnehmenden (Fuss-

gänger, Rad- und Motorradfahrende) hängt die

Überlebenswahrscheinlichkeit bei Unfällen sehr

stark von der Kollisionsgeschwindigkeit ab.

1.2 Exkurs: Raser

Ein Thema, das im Zusammenhang mit den Ge-

schwindigkeitsdelikten immer wieder auftaucht,

sind die sogenannten Raser. Diese Diskussion wi-

derspiegelt ein generelles Problem der Prävention,

dass es zwar Hochrisikogruppen gibt (beispielswei-

se Raser), diese aber zumeist sehr klein und des-

halb nur für einen eher geringen Teil des Problems

verantwortlich sind. Gruppen hingegen, die nur

leicht auffällig sind (= etwas zu schnell fahren),

sind viel grösser und demzufolge auch viel öfter ein

Teil des Problems (= Unfälle mit überhöhter Ge-

schwindigkeit). Dies bedeutet, dass wirksame Inter-

ventionen sowohl auf Raser als auch auf die breite

Masse ausgerichtet sein müssen.

1.3 Geschwindigkeit aus unterschiedli-

cher Sicht

Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwin-

digkeit um ein komplexes Thema, das mithilfe

verschiedener Fachdisziplinen zu analysieren und

behandeln ist. Die technische Ausgestaltung des

Systems Strassenverkehr und der Fahrzeuge hat

einen immensen Einfluss auf das Geschwindigkeits-

und Gefahrenniveau. Die Analyse dieser Einflüsse

ermöglicht die Einflussnahme durch Verkehrstech-

nik und Verkehrstelematik. Das Rechtssystem gibt

den gesetzlichen Handlungsrahmen vor und kann

allfällige Verstösse ahnden. Es ist zu prüfen, ob die

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 13

sicherheitsfördernde Wirkung der Vorschriften und

Sanktionsandrohungen gegeben ist und inwiefern

sie optimiert werden kann. Einerseits kann das

Verhalten des Einzelnen beeinflusst werden, ande-

rerseits können sich rechtliche Vorgaben auch an

Systeme respektive an deren Planer richten. Die

Psychologie schliesslich zeigt auf der Grundlage

von verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie

das Geschwindigkeitsverhalten der Motorfahrzeug-

lenkenden beeinflusst wird und verändert werden

kann. Welche psychologische Theorie am «besten»

ist, kann nicht abschliessend beurteilt werden.

Aber es ist offensichtlich, dass Theorien, die Inter-

ventionsmöglichkeiten aufzeigen, für die Präventi-

on geeigneter sind als andere, die ein Menschen-

bild mit wenig Veränderungspotenzial beinhalten.

1.4 Unfallgeschehen

Zwischen 1992 und 2008 hat gemäss den polizei-

lich registrierten Unfällen mit möglichem Ge-

schwindigkeitseinfluss die Anzahl der Leichtver-

letzten um 22 %, diejenige der Schwerverletzten

um 47 % und diejenige der Getöteten um 59 %

abgenommen. Aktuell (Durchschnitt 2004–2008)

werden jährlich 1251 Personen bei Geschwindig-

keitsunfällen schwer verletzt und 163 getötet.

Dabei sind über die Hälfte der Opfer Personenwa-

geninsassen und annähernd 30 % Motorradfah-

rende. Mit rund 5 % resp. 6 % sind aber auch der

Fussverkehr und Radfahrende betroffen. Geschwin-

digkeitsunfälle sind häufig Schleuder-/Selbstunfälle.

Allein 70 % aller Schwerverletzten und Getöteten

gehen auf ihr Konto. Auffällig viele Opfer sind da-

bei auf Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %).

Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstun-

fällen sind es meist die Insassen der Fahrzeuge

selbst, die bei Unfällen mit Geschwindigkeitsein-

fluss verletzt oder getötet werden. Bei allen Unfäl-

len mit Beteiligung von Personenwagen und verur-

sacht durch nicht angepasste oder überhöhte Ge-

schwindigkeit sind drei Viertel der Opfer die Perso-

nenwageninsassen selbst. Jedes 6. Opfer ist Insasse

eines weiteren beteiligten Personenwagens, jedes

15. ein Fussgänger. Bei den durch Geschwindigkeit

verursachten Motorradunfällen zeigt sich ein ande-

res Verhältnis. Hier sind 95 % der Opfer die Motor-

radfahrenden selbst.

Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglen-

kende, die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen

anpassen oder die Höchstgeschwindigkeit übertre-

ten, eher männlich und zwischen 18–24 Jahre alt.

Mit steigendem Alter nimmt nicht nur der Anteil an

Geschwindigkeitsunfällen insgesamt ab, sondern

vor allem auch die Häufigkeit der Unterkategorie

«Übertretung der Höchstgeschwindigkeit».

1.5 Massnahmen zum Geschwindig-

keitsmanagement

Damit die Höchstgeschwindigkeiten seltener über-

schritten und die gefahrenen Geschwindigkeiten

den Verhältnissen – seien es Wetter-, Strassen-

oder Verkehrsverhältnisse – angepasst werden,

sind Massnahmen notwendig (Tabelle 1, S. 17).

In der Präventionsstrategie gilt es zwei Ansätze zu

verfolgen: Einerseits sollen in der Spezialprävention

Hochrisikogruppen angesprochen werden (z. B.

Raser), andererseits in der Generalprävention die

breite Masse. In der Spezialprävention geht es

konkret darum, Motorfahrzeuglenkende, die mit

massiv unangemessener Geschwindigkeit unter-

wegs sind, zu erfassen und zu sanktionieren (Stra-

fen und Administrativmassnahmen wie beispiels-

weise Führerausweisentzüge) sowie vor einem

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14 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Rückfall zu bewahren. Zum spezialpräventiven

Ansatz sind auch edukative oder gar therapeuti-

sche Massnahmen zu zählen, die in Kombination

mit Führerausweisentzug angewandt werden. Die-

ser Ansatz hat seine Berechtigung, darf aber in

seiner Wirkung nicht überschätzt werden. Auf-

grund der wissenschaftlichen Erfahrung mit ver-

schiedenen Massnahmen ist die Generalprävention

mindestens genauso wichtig. Dabei muss das Ge-

schwindigkeitsverhalten breiter Schichten der Be-

völkerung angesprochen werden, die sich keines-

falls als Raser und allenfalls nicht einmal als

Schnellfahrer sehen. Aber angesichts der grossen

Zahl von 2,5 Mio. Geschwindigkeitssündern pro

Jahr ist offensichtlich, dass es sich nicht nur um ein

Problem einer kleinen Minderheit handelt. Es muss

das Gefühl verstärkt werden, dass das Überschrei-

ten der Höchstgeschwindigkeit – auch in geringem

Mass – bereits schwerwiegende Konsequenzen

haben kann. Neue wissenschaftliche Arbeiten be-

schreiben unter dem Stichwort Power-Model einen

weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen

Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallgeschehen

als bisher angenommen. So erhöhen z. B. 5 km/h

zu viel im Innerortsbereich das Gefährdungspoten-

zial um ein Vielfaches gegenüber 5 km/h zu viel auf

Autobahnen. Solche Überlegungen sind im

Schweizerischen Sanktionensystem für Geschwin-

digkeitsdelikte enthalten (auf Autobahnen darf die

signalisierte Höchstgeschwindigkeit mehr über-

schritten werden als innerorts, bis ein Vergehen

z. B. als schwerwiegend eingestuft wird). Aufgrund

der neuen Erkenntnisse – und wenn gleiche Risiko-

gefährdung mit gleicher Sanktion einher gehen soll

– wäre ein Überdenken der bisherigen Grenzzie-

hung jedoch angebracht. So wird heute auf Auto-

bahnen ein Überschreiten der Geschwindigkeit von

mindestens 35 km/h als schwere Widerhandlung

eingestuft (was bei Ersttätern zwingend zu einem

dreimonatigen Führerausweisentzug führt), inne-

rorts um 25 km/h. Möchte man innerorts dieselbe

Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als schwere

Widerhandlung sanktionieren wie auf Autobahnen,

müsste die Grenze innerorts bereits bei einer Über-

schreitung von 15 km/h liegen (was heute lediglich

in den Bereich der Ordnungsbussen fällt).

Zentral für das Geschwindigkeitsverhalten der Mo-

torfahrzeuglenkenden im Sinn der Generalpräven-

tion wird jedoch nicht die Strafe sein, sondern die

subjektive Kontrollerwartung bezüglich der polizei-

lichen Überwachung. Hier ist in den vergangenen

Jahren Erhebliches geleistet worden. Mittlerweile

wird in der Schweiz bei über 500 Mio. Fahrzeugen

pro Jahr die Geschwindigkeit gemessen; die aller-

meisten Kontrollen werden mit stationären, unbe-

mannten Mess-Systemen (Starenkästen) durchge-

führt. Letztere haben allerdings das Problem, dass

ihr Standort bald bekannt ist und sie dann eine

wesentlich geringere präventive Wirkung haben als

die stationären, bemannten Kontrollen an regel-

mässig wechselnden Standorten. Sie sind aber auf

jeden Fall dort sinnvoll, wo die Motorfahrzeuglen-

kenden aus Sicherheitsgründen langsamer fahren

sollen (Unfallhäufungsstellen). Von den in der

Schweiz auf Geschwindigkeit kontrollierten Fahr-

zeugen sind nur 3 % ausserorts unterwegs, ob-

wohl mehr als die Hälfte der Verkehrstoten auf das

Konto dieser Strassenkategorie geht. Hier besteht

Handlungsbedarf.

Aus generalpräventiver Sicht ist es wichtig, dass es

nebst den stationären, unbemannten Mess-Syste-

men ausreichend stationäre, bemannte Geschwin-

digkeitskontrollen gibt, die klar als solche erkenn-

bar sind. Im besten Fall werden die Erhebungsorte

und Kontrollzeiten zufällig ausgewählt, so dass die

Motorfahrzeuglenkenden das Gefühl haben, die

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 15

Verkehrspolizei könne jederzeit und überall kontrol-

lieren. Die Problematik dieses nachgewiesenermas-

sen sehr wirkungsvollen Vorgehens ist, dass man

auch manchmal an Orten und zu Zeiten kontrolliert,

wo nur wenig gefahren wird und die Geschwindig-

keiten kaum überhöht sind. Dies gegenüber der

Öffentlichkeit und den Behörden zu kommunizieren,

ist wichtig («Hier passiert doch nie etwas ...»).

Neben Sanktionen und Polizeikontrollen gibt es

verschiedene andere Massnahmen, die helfen, das

Geschwindigkeitsproblem und seine Konsequenzen

zu entschärfen. Einen besonders wichtigen Beitrag

dazu kann die Verkehrstechnik leisten. Die Auswer-

tung der amtlichen Unfallstatistik zeigt, dass das

geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen insbe-

sondere auf Strassen ausserorts und innerorts erheb-

lich ist. Autobahnen spielen trotz höherem Ge-

schwindigkeitsniveau in dieser Hinsicht eine unter-

geordnete Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher

und betrieblicher Art zur Beeinflussung der gefahre-

nen Geschwindigkeiten bedürfen einer sorgfältigen

Überprüfung hinsichtlich der sicherheitstechnischen

Auswirkungen. Das Beispiel von Radiusreduktionen

in Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammen-

spiel von Geschwindigkeit und Sicherheit. Geringere

Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere

Geschwindigkeiten, führen aber bei mangelhafter

Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäqua-

ten Infrastruktur sind primär eine einfache Hierarchi-

sierung des Strassennetzes sowie die Realisierung

von selbsterklärenden und fehlertoleranten Strassen.

Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Verkehr

mit angepasster Geschwindigkeit zirkuliert.

Innerortsstrassen sind unter Berücksichtigung der

Nutzungsansprüche aller Verkehrsteilnehmenden zu

projektieren, zu bauen und zu betreiben. Das bfu-

Modell Tempo 50/30 ist für das Erreichen dieses

Ziels besonders geeignet. Es sieht vor, alle sied-

lungsorientierten Strassen mit Tempo-30-Zonen zu

belegen und alle verkehrsorientierten Strassen in-

nerorts derart zu gestalten, dass die Sicherheit der

verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden besonders

berücksichtigt wird. Ausserortsstrassen sind so zu

projektieren, dass sie zu einem homogenen Ge-

schwindigkeitsverlauf führen. Korrigierende Mass-

nahmen (Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwin-

digkeiten) dürfen nicht von vornherein ins Auge

gefasst werden, um Projektierungsmängel auszu-

bessern. Die Entfernung von festen Objekten am

Strassenrand (z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und –

unter gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken

können die Folgen von geschwindigkeitsbedingten

Unfällen reduzieren.

Die konkrete Umsetzung dieser Interventionen in

der Schweiz kann durch Massnahmen auf verschie-

denen Ebenen aktiviert werden. Verkehrsingenieure

und Planer sind bereits während des Studiums

und/oder in systematischen Weiterbildungsgängen

ganz speziell auf die erwähnten Punkte zu sensibili-

sieren. Flächendeckende Instrumente zur systemati-

schen Überprüfung geplanter und bestehender

Infrastruktur (Road Safety Audits, Road Safety In-

spections, Black Spot Management) sind als Obliga-

torium schweizweit einzuführen.

Die VSS-Normen stellen im Verkehrsingenieurwesen

die Regeln der Baukunde dar. Deren Umsetzung in

Projekten kann je nach Randbedingungen kostenin-

tensiv sein. In der Praxis zeigt sich, dass in solchen

Fällen Abstriche in Kauf genommen werden, was

sich sicherheitstechnisch negativ auswirken kann.

Bevölkerung, Politik und Verwaltung sind deshalb

hinsichtlich der sicherheitstechnischen Bedeutung

von Normen und adäquater Infrastruktur zu sensibi-

lisieren. Dadurch soll die Umsetzung kostenintensi-

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16 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

ver, jedoch sicherheitstechnisch relevanter Projekte

gefördert werden.

Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells Tem-

po 50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels An-

passung der entsprechenden Verordnungen oder

aktiver Propagierung bei den zuständigen Behörden

und der Bevölkerung erfolgen.

Nun gilt es, nicht nur Unfälle zu verhindern, sondern

– wenn sie trotzdem passieren – die Verletzungsfol-

gen zu minimieren. Bei Geschwindigkeitsunfällen ist

nach wie vor die Benützung des Sicherheitsgurtes

entscheidend. Hier hat die Schweiz in den letzten

Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Das Ret-

tungspotenzial ist aber nach wie vor gross. Weitere

Anstrengungen sind nötig.

Fast ebenso wichtig wie der Sicherheitsgurt ist die

elektronische Stabilitätskontrolle, der Schleuder-

schutz. Dieser hat sich als sehr wirksam erwiesen

und hilft, Unfälle zu vermeiden oder in ihrer Schwe-

re zu vermindern, indem er den Motorfahrzeuglen-

kenden eine bessere Kontrolle über das Fahrzeug

ermöglicht.

Alkohol ist mit seiner enthemmenden Wirkung ein

Risikofaktor für zu schnelles Fahren. Daher sollte im

Zusammenhang mit unangepasster Geschwindigkeit

auch der Einfluss des Alkohols berücksichtigt wer-

den. Dazu liegt bereits ein Sortiment an begründe-

ten und realisierbaren Massnahmen vor, darunter

etwa das Alkoholverbot für Neulenkende.

Junge Neulenkende sind aber nicht nur in alkoholi-

siertem Zustand besonders gefährdet und gefähr-

lich. Mit der Zweiphasenausbildung soll ihr Ge-

schwindigkeitsverhalten positiv beeinflusst werden.

Die Begleitevaluation dieser Massnahme wird im

Jahr 2011 aufzeigen, ob die Erwartungen erfüllt

wurden oder ob diese wichtige und aufwändige

Massnahme anzupassen ist.

Eine recht neue und noch nicht breit implementierte

Massnahme ist die Intelligent Speed Adaptation

(ISA). Es geht darum, die Motorfahrzeuglenkenden

auf unterschiedliche Art und Weise über die aktuell

geltenden Höchstgeschwindigkeiten zu informieren.

In der einen oder anderen Form wird sich dieses

System durchsetzen und wohl einen erheblichen

Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten können.

Massenmediale Kampagnen zum Thema Verkehrssi-

cherheit im Allgemeinen und Geschwindigkeit im

Besonderen müssen verschiedene Kriterien erfüllen,

um einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten zu

können. Insbesondere sollten deren Inhalte auf wis-

senschaftlichen Analysen basieren, theoriegeleitet

sein und in der Umsetzung mit anderen Aktivitäten

kombiniert werden. Ein zentraler Punkt der kommu-

nizierten Inhalte müssen jeweils konkrete Hand-

lungsanweisungen für die Zielgruppen sein.

Insgesamt muss bezüglich verhaltensändernden

Interventionen für das Fahren mit angepasster Ge-

schwindigkeit (z. B. Kampagnen, Verkehrserziehung,

Nachschulung) festgehalten werden, dass sie einen

umfassenden gesellschaftlichen Ansatz verlangen,

der die demographischen Faktoren, die physische

und soziale Umwelt, Persönlichkeits- und Entwick-

lungsfaktoren, die Fahrkompetenz u. a. m. berück-

sichtigen. Eindimensionale Ansätze, die z. B. die

Motorfahrzeuglenkenden lediglich über Wissens-

vermittlung zu einer adäquaten Geschwindigkeits-

wahl zu motivieren versuchen, werden kaum zum

Ziel führen.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 17

Die Fülle des verfügbaren, in diesem Bericht verwer-

teten Wissens darf nicht darüber hinwegtäuschen,

dass einige wichtige Fragen unbeantwortet sind. So

ist beispielsweise der Einfluss des Leistungsgewichts

des Fahrzeugs auf das Fahrverhalten der Motorfahr-

zeuglenkenden noch nicht geklärt. Auch der Einfluss

der Passagiere – insbesondere auf das Geschwindig-

keitsverhalten bei jungen Lenkenden – ist für die

Schweiz noch nicht untersucht worden. Der Bedarf

für weitere Forschungsprojekte ist gegeben.

Tabelle 1 Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit im Strassenverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit

Massnahme Empfehlung

Polizeikontrollen

Stationäre, bemannte und klar erkennbare Geschwindigkeits-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert

Stationäre und unbemannte Geschwindigkeits-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert

Zufällige Auswahl der stationären und bemannten Geschwindigkeits-Mess-Stellen nach Ort und Zeit Sehr empfehlenswert

Angekündigte Polizeikontrollen mit begleitender Kampagne Sehr empfehlenswert

Generell intensivierte Polizeikontrollen Sehr empfehlenswert

Einführung von Geschwindigkeitskontrollen über einen längeren Streckenabschnitt Empfehlenswert (Wirksamkeit sollte erst noch durch laufende Probephase aufge-zeigt werden)

Nicht zufällige Auswahl der stationären und bemannten Geschwindigkeits-Mess-Stellen (beispielsweise Orte mit erhöhtem Unfallgeschehen oder mit häufiger Missachtung der Verkehrsvorschriften usw.)

Empfehlenswert

Vermehrte stationäre Geschwindigkeitskontrollen auf Ausserortsstrassen (bemannt und unbemannt) Empfehlenswert

Mobile Geschwindigkeitskontrollen mit Zivilfahrzeugen Bedingt empfehlenswert (praktisch keine generalpräventive Wirkung)

Neulenkende

Prüfung, ob die Zweiphasen-Fahrausbildung im Hinblick auf die Wirksamkeit noch verbessert werden muss (nach Abschluss der Evaluation im Jahr 2011)

Sehr empfehlenswert

Präventionsstrategie

Konzentration der Aktivitäten auf alle Geschwindigkeitsdelinquenten (nicht nur Raser) Sehr empfehlenswert

Massnahmen für die Zielgruppe der besonders schnellen Fahrer (Raser) Empfehlenswert

Fahrzeugtechnik

Einführung von ISA (Intelligent Speed Adaptation) nur mit Anzeige der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert

ISA mit Warnung bei Überschreitung der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert oder empfehlens-wert (je nach Ausgestaltung)

Bekanntheit und Anwendung elektronischer Stabilitätskontrolle mit Information und Kampagnen deutlich fördern

Sehr empfehlenswert

Fortführung der bisherigen Aktivitäten zur Steigerung der Gurtentragquoten auf allen Strassenarten und Sitzplätzen

Sehr empfehlenswert

Obligatorium für Systeme, die den Lenker mit Ton und Warnlicht daran erinnern, wenn jemand im Auto nicht angegurtet ist (auch auf den Rücksitzen)

Sehr empfehlenswert, aber abhängig von der Entwicklung in der EU

ISA, die ausgeschaltet werden kann empfehlenswert

ISA, die eingeschaltet werden muss Bedingt empfehlenswert (fraglich, wie oft und von wem ISA eingeschaltet würde)

Strafen und Administrativmassnahmen

Vermehrter Einsatz der Administrativmassnahme Führerausweisentzug (auch in Kombination mit verhaltens-orientierten Nachschulungskursen) in Ergänzung zu den Strafen

Sehr empfehlenswert

Evaluation des Kaskadensystems und evtl. Verbesserungsvorschläge Sehr empfehlenswert

Überprüfen der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts und ausserorts, die zur Festlegung der Sanktionen (Strafen und Administrativmassnahmen) bei Geschwindigkeitsdelikten führen (unter Berücksichti-gung der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, dem Power-Model)

Empfehlenswert

Beschleunigung der Sanktionierung (Strafe und Administrativmassnahme) Empfehlenswert

«Incentive letters» (im Sinne eines Mahnbriefs) für Geschwindigkeitsdelinquenten (im Rahmen des bestehen-den Systems)

Empfehlenswert (aber auf der Grundlage der Artikel 16 a, b und c SVG nicht einfach umsetzbar)

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18 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Fortsetzung Tabelle 1 Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit im Strassenverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit

Massnahme Empfehlung

Verkehrssicherheitskampagnen

Verkehrssicherheitskampagnen auf theoretischer Grundlage und unter Berücksichtigung des aktuellen wissen-schaftlichen Kenntnisstandes zur Optimierung der Wirksamkeit

Empfehlenswert (idealerweise kombiniert mit anderen Massnahmen)

Spezifische Verkehrssicherheitskampagnen zur Bekanntmachung von polizeilichen Kontrollen nach dem Zufallsprinzip (bzgl. Örtlichkeit und Zeit), so dass den Lenkenden bewusst wird, dass Kontrollen überall und jederzeit stattfinden

Empfehlenswert

Verhaltensänderung

Anwendung integrativer Konzepte, die psychologische, geschlechtsspezifische und soziale Faktoren beim Geschwindigkeitsverhalten berücksichtigen

Sehr empfehlenswert

Erhöhung der subjektiven Risikowahrnehmung durch infrastrukturelle Massnahmen (Beispiel: Strassenbreiten mit Markierungen optisch einengen)

Empfehlenswert

Fahren unter Alkoholeinfluss

Dem Thema Alkohol sollte weiterhin grosse Aufmerksamkeit im Sinne des Sicherheitsdossiers «Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden» gewidmet werden

Sehr empfehlenswert

Infrastruktur: Ausbildung der Ingenieure und Planer

Erstausbildung: Sensibilisierung bzgl. Verkehrssicherheit sowie Vermittlung fachspezifischen Grundwissens Sehr empfehlenswert

Weiter-/Fortbildung: Organisation und Koordination von fachspezifischen Tagungen sowie Weiterbildungsobligatorium

Sehr empfehlenswert

Sowohl in der Erstausbildung als auch in der Weiter-/Fortbildung ist die Behandlung folgender Themen in Bezug auf die Projektierung von Verkehrsanlagen zu intensivieren: - Entwurf von verkehrsorientierten Innerortsstrassen - Projektierung von Ausserortsstrassen - Grundsätze zur Signalisation von Höchstgeschwindigkeiten

Sehr empfehlenswert

Infrastruktur: Instrumente zur Sicherheitsüberprüfung

Road Safety Audits als standardmässigen Projektteil einführen Sehr empfehlenswert

Road Safety Inspections durchführen, mit Fokussierung auf Fehlertoleranz und Begreifbarkeit von Verkehrs-anlagen

Sehr empfehlenswert

Black Spot Management Empfehlenswert

Infrastruktur: Normen

Neudefinition des Begriffs der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen Bedingt empfehlenswert (nicht dringend)

Infrastruktur: Rechtliche Möglichkeiten

Einforderung und Umsetzung adäquater Infrastruktur Sehr empfehlenswert

Änderung von Artikel 4a der VRV sowie von Artikel 22 der SSV oder Loslösung der Regelungen zu Tempo-30-Zonen von Artikel 108.2 der SSV

Sehr empfehlenswert

Haftung von Betreibern defizitärer Infrastruktur bei Unfällen Heute bedingt empfehlenswert (Hürden und finanzielle Risiken zu hoch), je nach Entwicklung auf Bundesebene unter Umständen in Zukunft relevant

Aufwertung gewisser VSS-Normen hinsichtlich rechtlicher Bedeutung, indem sie zu Weisungen des UVEK erklärt werden

Bedingt empfehlenswert (geringe Akzep-tanz erwartet)

Forschung

Wissenschaftliche Studie zum Einfluss der Passagiere auf das Unfallgeschehen von jungen Lenkenden Sehr empfehlenswert

Machbarkeitsstudie zur genauen Quantifizierung des geschwindigkeitsbedingten Unfallgeschehens, das auf defizitäre Infrastruktur zurückzuführen ist

Empfehlenswert

Verfahren zur Früherkennung sicherheitstechnischer Mängel in der horizontalen Linienführung Empfehlenswert

Forschungsprojekt zur Wirkung des Leistungsgewichts auf das Fahrverhalten bzw. Unfallgeschehen Empfehlenswert

Prüfung des Konzepts des Sensation Seeking auf seine Tauglichkeit für die Prüfung der charakterlichen Eignung

Bedingt empfehlenswert (rein spezialprä-ventive Massnahme für sehr wenige hochgradig auffällige Lenkende)

Öffentlichkeitsarbeit

Förderung der Akzeptanz des bfu-Modells Tempo 50/30 bei den zuständigen Behörden und in der Bevölke-rung

Sehr empfehlenswert

Sensibilisierung von Verwaltung und Politik für die Bedeutung der Infrastruktur für die Verkehrssicherheit Empfehlenswert

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 19

2. Version abrégée

2.1 Introduction

Le Fonds de sécurité routière (FSR) poursuit une

politique de subventionnement centrée sur les

accidents prioritaires et des mesures efficaces.

Pour cela, il faut savoir gérer les connaissances. La

commission administrative du FSR a chargé le bpa

– Bureau de prévention des accidents d'un mandat

de prestation à long terme pour que ce dernier

élabore les bases nécessaires. Les dossiers de sécu-

rité comblent un important mandat partiel. Ils

comprennent l'analyse axée sur la prévention des

accidents prioritaires. Ces dossiers ont pour ambi-

tion de communiquer l'état actuel des connaissan-

ces afin de permettre des prises de décisions ba-

sées sur des données probantes.

La publication s'adresse à des personnes et à des

institutions responsables de projets et du finance-

ment de mesures préventives ou d'autres mesures

importantes pour la sécurité dans la circulation

routière.

La vitesse des véhicules à moteur a une importance

décisive sur la sécurité routière: d'une part, des

vitesses élevées diminuent le temps disponible pour

pouvoir réagir aux conditions du trafic et augmen-

tent de ce fait la probabilité d'un accident. D'autre

part, la vitesse influence la gravité d'un éventuel

accident. Et, pour les usagers de la route les plus

faibles (piétons, cyclistes et motocyclistes), la pro-

babilité de survie en cas d'accident dépend forte-

ment de la vitesse de collision.

2.2 Digression: les chauffards

Dans le contexte des délits liés à la vitesse, un thè-

me revient sans cesse: les chauffards. Cette discus-

sion reflète un problème général en matière de

prévention. Il existe bien des groupes à très haut

risque (les chauffards, par ex.) mais, le plus sou-

vent, ils sont très petits et, de ce fait, seulement

responsables d'une petite partie du problème. Par

contre, ceux qui roulent un peu trop vite sont

beaucoup plus nombreux et, de ce fait, sont bien

plus souvent partie du problème (= accidents avec

excès de vitesse). Ce qui veut dire que les interven-

tions efficaces doivent s'adresser aussi bien aux

chauffards qu'au grand public.

2.3 La vitesse de différents points de

vue

La vitesse est un thème complexe qui doit être

analysé et traité à la lumière de différentes discipli-

nes. La conception technique du système circula-

tion routière et des véhicules a une influence im-

mense sur la vitesse et le niveau de danger. L'ana-

lyse de ces influences permet d'intervenir par le

biais de l'ingéniérie du trafic et la télématique rou-

tière. Le système juridique donne le cadre d'action

légale et peut réprimer les éventuelles infractions. Il

faut examiner si l'effet de promotion de la sécurité

des prescriptions et des menaces de sanctions exis-

te et dans quelle mesure il peut être optimisé.

D'une part, le comportement individuel peut être

influencé, d'autre part, des directives juridiques

peuvent aussi s'adresser aux systèmes ou à ceux

qui les conçoivent. Enfin, sur la base de différents

modèles et théories, la psychologie montre com-

ment le comportement des conducteurs de véhicu-

les à moteur en matière de vitesse est influencé et

comment il peut être modifié. A ce stade, il n'est

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20 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

pas possible de dire quelle théorie psychologique

est la «meilleure». Mais il est évident que les théo-

ries qui présentent des possibilités d'intervention

sont plus appropriées que d'autres qui renferment

une conception de l'homme ayant peu de potentiel

de changement.

2.4 Accidentalité

D'après les accidents avec influence probable de la

vitesse enregistrés par la police, le nombre de bles-

sés légers a diminué de 22%, celui des blessés

graves de 47% et celui des tués de 59% entre

1992 et 2008. Actuellement (moyenne 2004–

2008) 1251 personnes sont, chaque année, griè-

vement blessées et 163 tuées dans des accidents

avec influence probable de la vitesse.

Plus de la moitié des victimes sont des occupants

de voitures de tourisme et presque 30% sont des

motocyclistes. Mais avec respectivement 5% et

6%, les piétons et les cyclistes sont également

affectés. Les accidents liés à la vitesse sont souvent

des pertes de maîtrise. C'est le cas pour 70% des

blessés graves et des tués. De nombreuses victimes

sont à déplorer sur les routes hors localité (57%).

Vu la part importante des pertes de maîtrise, le

plus souvent, ce sont les occupants mêmes du

véhicule qui sont blessés ou tués lors d'accidents

avec influence probable de la vitesse. Pour tous les

accidents impliquant des voitures de tourisme et

causés par une vitesse inadaptée ou excessive, trois

quarts des victimes sont les occupants mêmes de

ces voitures. Une victime sur six est occupante

d'une voiture antagoniste, une sur quinze est un

piéton. Il en est autrement des accidents de moto-

cyclistes dus à la vitesse où 95% des victimes sont

les motocyclistes eux-mêmes.

Du point de vue démographique, les conducteurs

de véhicules à moteur qui n'adaptent pas leur ma-

nière de conduire aux conditions ou qui dépassent

la vitesse maximale autorisée sont plutôt de sexe

masculin et âgés de 18 à 24 ans. Non seulement la

part des accidents dus à la vitesse diminue avec

l'âge, mais aussi et surtout la fréquence de la sous-

catégorie «dépassement de la vitesse maximale».

2.5 Mesures de gestion de la vitesse

Des mesures sont nécessaires pour que les vitesses

maximales soient moins souvent dépassées et que

les vitesses effectives soient adaptées aux condi-

tions de la route, du trafic ou météorologiques

(tableau 1, p. 24).

La stratégie préventive doit poursuivre deux appro-

ches: d'une part, une prévention particulière ciblée

sur les groupes à haut risque (les chauffards, par

ex.) et une prévention générale qui s'adresse au

grand public. Dans la prévention particulière, il

s'agit concrètement d'appréhender et de sanction-

ner (sanctions et mesures administratives comme le

retrait du permis de conduire, par ex.) les conduc-

teurs de véhicules à moteur qui roulent à une vites-

se totalement inadaptée et d'empêcher qu'ils ne

récidivent. L'approche de la prévention particulière

comprend aussi des mesures éducatives voire thé-

rapeutiques appliquées en combinaison avec le

retrait du permis de conduire. Cette approche se

justifie, mais son efficacité ne doit pas être suréva-

luée. Vu les expériences scientifiques faites avec

différentes mesures, la prévention générale est au

moins aussi importante. Il faut aborder le compor-

tement en matière de vitesse de larges couches de

la population qui ne se considèrent nullement

comme des chauffards et même pas comme rou-

lant trop vite. Mais vu que quelque 2,5 millions de

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 21

conducteurs se rendent coupables de dépasse-

ments de vitesse, il est clair qu'il ne s'agit pas d'un

problème qui ne touche qu'une petite minorité. Il

faut renforcer le sentiment que dépasser la limite

de vitesse maximale – même de très peu – peut

déjà avoir des conséquences graves. De nouveaux

travaux scientifiques décrivent sous le terme de

modèle «Power» une relation beaucoup plus lour-

de de conséquences qu'admise jusqu'ici entre vi-

tesse moyenne et acccidentalité. Ainsi, par exem-

ple, 5 km/h de trop en localité augmente considé-

rablement le danger potentiel par rapport à 5 km/h

de trop sur autoroute. Ce genre de considération

est inclus dans le système pénal suisse relatif aux

délits liés à la vitesse (sur autoroute, pour qu'un

délit soit classé comme grave, par ex., la vitesse

maximale signalée peut être davantage dépassée

qu'en localité). En raison de ces nouvelles connais-

sances – et si une même prise de risque doit aller

de pair avec une sanction identique – il faudrait

reconsidérer les seuils actuels. De nos jours, sur

autoroute, un dépassement de vitesse de 35 km/h

au moins est considéré comme une infraction gra-

ve (ce qui, pour un primodélinquant, signifie obli-

gatoirement un retrait de permis de 3 mois au

minimum); en localité, pour la même infraction, le

seuil est de 25 km/h. Si l'on voulait sanctionner la

même mise en danger (relative aux tués) comme

infraction grave en localité comme sur autoroute,

en localité, la limite serait déjà atteinte avec un

dépassement de 15 km/h (ce qui, actuellement,

relève du domaine des amendes d'ordre).

En ce qui concerne le comportement des conduc-

teurs de véhicules à moteur en matière de vitesse,

l'essentiel – dans le sens de la prévention générale

– n'est pas la sanction mais la probabilité subjective

d'être contrôlé par la police. Et, dans ce domaine,

beaucoup a été fait au cours des dernières années.

La vitesse de plus de 500 millions de véhicules est

mesurée chaque année en Suisse. La plupart des

contrôles sont effectués avec des systèmes de me-

sure fixes automatisés (radars) et ne sont pas an-

noncés. Mais l'emplacement de ces derniers est

vite connu, et à partir de ce moment, leur effet

préventif est nettement plus faible que les contrô-

les fixes manuels et dont l'emplacement change

régulièrement. Ils sont toutefois très utiles aux

endroits où il faudrait que, pour des raisons de

sécurité, les conducteurs roulent plus lentement

(points noirs). De tous les véhicules dont la vitesse a

été contrôlée en Suisse, seuls 3% roulaient hors

localité, alors que plus de la moitié des tués est à

mettre sur le compte de ce type de route. Il y a

donc nécessité d'agir.

Du point de vue de la prévention générale, il est

important qu'en plus des systèmes de mesure fixes

et automatisés, il y ait suffisamment de contrôles

de vitesse fixes manuels clairement identifiables

comme tels. Dans le meilleur des cas, le type de

relevé et les heures de contrôle sont choisis au

hasard afin que les conducteurs de véhicules à

moteur aient l'impression que la police de la circu-

lation peut les contrôler à tout moment et partout.

La problématique de cette méthode dont la très

grande efficacité a été prouvée est que des contrô-

les ont parfois lieu aussi à des endroits et à des

heures où le trafic est faible et où les excès de vi-

tesse sont très peu nombreux. Il est important de

communiquer cela au public et aux autorités («Ici, il

ne se passe jamais rien ...»).

Outre les sanctions et les contrôles de police, diffé-

rentes autres mesures peuvent aider à atténuer le

problème de la vitesse et ses conséquences. La

technique de la circulation peut y contribuer de

manière importante. L'analyse de la statistique

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22 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

officielle des accidents montre que l'accidentalité

due à la vitesse est particulièrement importante sur

les routes hors et en localité. Sur ce point, et malgré

un niveau de vitesse plus élevé, les autoroutes ne

jouent qu'un rôle mineur. Les interventions infras-

tructurelles d'aménagement et d'exploitation desti-

nées à influencer les vitesses effectives nécessitent

un contrôle minutieux quant aux effets techniques

de sécurité. L'exemple des réductions de rayons

dans les virages illustre l'interaction complexe entre

la vitesse et la sécurité. Bien qu'avec des rayons plus

petits, on obtient, en principe, des vitesses plus fai-

bles, des projets mal ficelés augmentent le nombre

d'accidents. Les buts principaux d'une infrastructure

adéquate sont une hiérarchisation simple du réseau

routier ainsi que la réalisation de routes lisibles qui

tolèrent les erreurs. De cette manière, il est possible

de garantir que le trafic se déroule à une vitesse

adaptée.

Les routes en localité doivent être prévues, cons-

truites et exploitées en tenant compte des exigen-

ces de tous les usagers de la route. Pour atteindre

ce but, le modèle 50/30 km/h du bpa est particuliè-

rement approprié. Il prévoit d'intégrer toutes les

routes d'intérêt local dans des zones 30 et d'amé-

nager les routes à orientation trafic à l'intérieur des

localités de manière à tenir particulièrement comp-

te de la sécurité des usagers de la route les plus

faibles. Les routes hors localité doivent être

conçues de manière à ce que les vitesses soient

homogènes. Il ne faut pas, dès le départ, envisager

des mesures correctrices (flèches de guidage, vites-

ses maximales différentes) pour corriger les défauts

du projet. Enlever les objets fixes qui se trouvent au

bord de la chaussée (murs, clôtures, poteaux, par

ex.) et – sous certaines conditions – les glissières de

sécurité centrales peut réduire les conséquences

d'accidents dus à la vitesse.

La mise en oeuvre concrète de ces interventions en

Suisse peut être activée par des mesures à différents

niveaux. Les ingénieurs du trafic et les concepteurs

doivent être particulièrement sensibilisés aux points

susmentionnés déjà pendant leurs études et/ou leurs

cours de formation continue. Des instruments géné-

ralisés d'évaluation systématique d'infrastructures

prévues et existantes (safety audits routiers, inspec-

tions de sécurité routière, gestion des points noirs)

doivent obligatoirement être introduits dans toute la

Suisse.

Pour les ingénieurs du trafic, les normes VSS repré-

sentent les règles de l'art de construire. Leur concré-

tisation peut, selon les contraintes, être coûteuse. La

pratique montre que, dans de tels cas, des conces-

sions pouvant se répercuter négativement sur la

sécurité sont envisagées. Il faut donc sensibiliser la

population, les politiciens et l'administration à

l'importance des normes pour la sécurité ainsi qu'à

l'importance d'infrastructures adéquates. Il sera ainsi

possible de promouvoir la réalisation de projets plus

onéreux mais aussi plus sûrs.

Enfin, il s'agit de promouvoir de manière ciblée le

modèle 50/30 km/h du bpa au moyen d'une adap-

tation des ordonnances correspondantes ou par sa

mise en valeur active auprès des autorités compé-

tentes et de la population.

Il s'agit non seulement de prévenir les accidents mais

– lorsqu'ils ont quand même lieu – d'atténuer les

conséquences des blessures. En ce qui concerne les

accidents dus à la vitesse, le port de la ceinture de

sécurité reste décisif. Dans ce domaine, la Suisse a

fait des progrès notables ces dernières années. Mais

le potentiel de réduction du nombre de victimes

reste important, et des efforts supplémentaires sont

nécessaires.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 23

Le contrôle électronique de la stabilité, l'antipatina-

ge est presqu'aussi important que la ceinture de

sécurité. Il s'est avéré très efficace et aide à éviter les

accidents ou d'en amoindrir la gravité en permettant

au conducteur de mieux maîtriser son véhicule.

Vu son effet désinhibant, l'alcool représente un

facteur de risque d'une conduite trop rapide. Il fau-

drait donc aussi tenir compte de l'influence de l'al-

cool en relation avec une vitesse inadaptée. Tout un

assortiment de mesures fondées et réalisables existe

déjà dont, par exemple, l'interdiction faite aux nou-

veaux conducteurs de consommer de l'alcool avant

de prendre le volant.

Mais les nouveaux jeunes conducteurs ne sont pas

seulement particulièrement dangereux pour eux-

mêmes et pour les autres quand ils ont bu. La for-

mation à la conduite en deux phases doit permettre

d'influencer positivement leur comportement en

matière de vitesse. En 2011, l'évaluation de cette

mesure montrera si les attentes ont été satisfaites ou

s'il faut adapter cette mesure importante.

Une mesure nouvelle et encore peu implantée est

l'Intelligent Speed Adaptation (ISA). Il s'agit d'in-

former, de différentes manières, les conducteurs de

véhicules à moteur des vitesses maximales en vi-

gueur. Ce système va s'imposer d'une manière ou

d'une autre et il contribuera certainement à aug-

menter la sécurité routière.

Les campagnes médiatiques sur le thème de la

sécurité routière en général et sur la vitesse en parti-

culier doivent remplir plusieurs critères pour pouvoir

contribuer à la sécurité routière. Leurs contenus

devraient se baser sur des analyses scientifiques, une

théorie et être réalisés en combinaison avec d'autres

activités. Des instructions d'action concrètes pour les

groupes cible doivent toujours être au centre des

contenus communiqués.

En ce qui concerne les interventions visant à changer

le comportement pour une conduite à une vitesse

conforme (par ex.: campagnes, éducation routière,

perfectionnement), retenons qu'elles exigent une

approche sociétale globale qui tienne compte, entre

autres, des facteurs démographiques, de l'environ-

nement physique et social, de facteurs personnels et

de développement et des capacités nécessaires à la

conduite. Les approches unidimensionnelles qui,

par ex., essaient de motiver les conducteurs de véhi-

cules à moteur à adopter une vitesse adéquate par

la transmission de connaisssances uniquement n'at-

teindront probablement pas leur but.

Les nombreuses connaissances disponibles et utili-

sées dans ce rapport ne doivent pas masquer le fait

que quelques questions importantes restent encore

sans réponse. Ainsi, par ex., l'influence de la puis-

sance massique du véhicule sur le comportement

des conducteurs de véhicules à moteur n'est pas

encore clarifiée. L'influence des passagers – particu-

lièrement sur le comportement relatif à la vitesse des

jeunes conducteurs – n'a pas encore été étudiée

pour la Suisse. Des recherches supplémentaires sont

donc nécessaires.

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24 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Tableau 1 Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse

Mesure Recommandation

Contrôles de police

Systèmes de mesure de la vitesse fixes, manuels et bien reconnaissables Très recommandé

Systèmes de mesure fixes et automatisés Très recommandé

Choix aléatoire des lieux de mesure fixes et manuels selon l'endroit et le moment Très recommandé

Contrôles de police annoncés flanqués d'une campagne Très recommandé

Contrôles de police accrus Très recommandé

Introduction de contrôles de vitesse sur un long tronçon Recommandé (l'efficacité devrait encore être démontrée au moyen de phases d'essai en cours)

Choix non aléatoire des endroits de mesure de la vitesse fixes et manuels (par ex., points noirs, violations des règles de la circulation routière plus fréquentes)

Recommandé

Plus de contrôles de la vitesse fixes sur les routes hors localité (manuels et automatisés) Recommandé

Contrôles de la vitesse mobiles avec des véhicules banalisés Recommandé sous condition (pratiquement pas d'effet préventif général)

Nouveaux conducteurs

Examiner si la formation à la conduite en deux phases doit encore être améliorée du point de vue de son efficacité (après la fin de l'évaluation en 2011)

Très recommandé

Stratégie préventive

Concentrer les activités sur tous les délinquants de la vitesse (pas seulement sur les chauffards) Très recommandé

Mesures destinées au groupe cible de ceux qui roulent particulièrement vite (chauffards) Recommandé

Technique du véhicule

Introduction d'ISA (Intelligent Speed Adaptation) seulement avec affichage de la vitesse maximale autorisée Très recommandé

ISA avec avertissement lorsque la vitesse maximale autorisée est dépassée Très recommandé ou recommandé (dé-pend de la conception)

Faire connaître et clairement encourager le contrôle électronique de la stabilité (information et campagnes) Très recommandé

Poursuivre les activités pour augmenter le taux de port de la ceinture de sécurité sur tous les types de routes et sur tous les sièges

Très recommandé

Rendre obligatoire les sytèmes sonores et lumineux qui avertissent le conducteur si quelqu'un n'a pas bouclé sa ceinture (aussi sur les sièges arrière)

Très recommandé, mais dépend de l'évolu-tion dans l'UE

ISA que l'on peut arrêter Recommandé

ISA qu'il faut allumer Recommandé sous condition (qui et à quelle fréquence allumerait ISA?)

Sanctions et mesures administratives

Plus de retraits de permis comme mesure administrative (aussi en combinaison avec des cours visant à changer le comportement), en complément aux sanctions

Très recommandé

Evaluation du système en cascade et, évent., propositions d'amélioration Très recommandé

Examiner quels excès de vitesses, en et hors localité, déterminent quelles sanctions (sanctions et mesures administratives) (en tenant compte des dernières connaissances scientifiques, modèle «Power»)

Recommandé

Accélerer le sanctionnement ( sanctions et mesures administratives) Recommandé

Lettre d'avertissement aux délinquants de la vitesse («Incentive letter») (dans le cadre du système actuel) Recommandé (mais difficile à réaliser vu l'article 16 a, b et c LCR)

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 25

74

Tableau 1 (suite) Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse

Mesure Recommandation

Campagnes de sécurité routière

Campagnes de sécurité routière théoriquement fondées et tenant compte de l'état actuel des connaissances scientifiques d'optimisation de l'efficacité

Recommandé (dans l'idéal, combiné à d'autres mesures)

Campagnes de sécurité routière spécifiques et aléatoires (en ce qui concerne le lieu et le moment) pour annoncer les contrôles de police, afin que les conducteurs se rendent compte que les contrôles ont lieu partout et à tout moment

Recommandé

Changer le comportement

Appliquer des concepts intégrants qui, en ce qui concerne le comportement en matière de vitesse, tiennent compte des facteurs psychologiques, sociaux, liés aux spécificités de chaque sexe

Très recommandé

Augmenter la perception subjective du risque par des mesures infrastructurelles (exemple: réduire optique-ment la largeur de la chaussée par un marquage)

Recommandé

Conduite sous l'influence de l'alcool

Le thème de l'alcool au volant doit continuer à faire l'objet de la plus grande attention (cf dossier de sécurité «Capacité de conduire réduite»

Très recommandé

Infrastructure: formation des ingénieurs et des concepteurs

Formation: sensibilisation à la sécurité routière et transmission de connaissances de base spécialisées Très recommandé

Perfectionnement: organisation/coordination de congrès spécialisés et formation continue obligatoire Très recommandé

Pendant la formation tout comme lors de cours de perfectionnement, il faut intensifier le traitement des thèmes suivants relatifs à la conception d'infrastructures routières: - projet de routes à orientation trafic en localité - conception de routes hors localité - principes de signalisation des vitesses maximales

Très recommandé

Infrastructure: instruments de contrôle de la sécurité

Introduire les road safety audits comme partie intégrante du projet Très recommandé

Faire des inspections de sécurité routière en se concentrant sur la tolérance aux erreurs et la compréhension d'infrastructures de trafic

Très recommandé

Gestion des points noirs Recommandé

Infrastructure: normes

Nouvelle définition de la notion de vitesse de base dans les normes VSS Recommandé sous condition (pas urgent)

Infrastructure: possibilités juridiques

Demande et réalisation d'infrastructures adéquates Très recommandé

Modification des articles 4a OCR et 22 OSR ou retrancher la règlementation relative aux zones 30 de l'article 108.2 OSR

Très recommandé

Responsabilité de l'exploitant d'infrastructures déficientes en cas d'accident Actuellement, recommandé sous condi-tion (obstacles et risques financiers trop élevés), selon l'évolution au niveau fédéral, peut-être relevant dans le futur

Réévaluation de certaines normes VSS en ce qui concerne leur importance juridique en devenant des directi-ves du DETEC

Recommandé sous condition (faible acceptation attendue)

Recherche

Etude scientifique sur l'influence des passagers sur l'accidentalité des jeunes conducteurs Très recommandé

Etude de faisabilité sur la quantification exacte des accidents dus à la vitesse, imputables à des infrastructures déficientes

Recommandé

Méthode de reconnaissance précoce de défauts techniques de sécurité dans le tracé en plan Recommandé

Projet de recherche sur l'effet de la puissance massique sur la conduite ou sur l'accidentalité Recommandé

Vérifier la validité du concept «sensation seeking» pour examiner l'aptitude caractérielle Recommandé sous condition (mesure de prévention particulière pure pour très peu de conducteurs)

Sensibilisation de l'opinion publique

Promouvoir l'acceptation du modèle 50/30 km/h du bpa auprès des autorités compétentes et de la population Très recommandé

Sensibiliser l'administration et le monde politique à l'importance de l'infrastructure pour la sécurité routière Recommandé

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26 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

3. Riassunto

3.1 Introduzione

Il Fondo di sicurezza stradale (FSS) persegue un'e-

rogazione di fondi focalizzata sui punti ad alta

incidentalità e sulle misure efficaci. Ciò è possibile

mediante un'ampia gestione della conoscenza. La

Commissione amministrativa dell'FSS ha commis-

sionato un mandato di prestazione a lungo termi-

ne con cui chiede all'upi, Ufficio prevenzione infor-

tuni, di elaborare le basi necessarie. In questo

contesto, i Dossier sicurezza ricoprono un impor-

tante mandato parziale. Questi, infatti, compren-

dono l'analisi orientata alla prevenzione dei temi

prioritari nell'antinfortunistica. Questi dossier riven-

dicano di contenere lo stato delle conoscenze

attuale per permettere delle decisioni basate

sull'evidenza.

La pubblicazione è destinata a persone e istituzioni

che sono responsabili della pianificazione e del

finanziamento di misure di prevenzione o altre mi-

sure rilevanti per la sicurezza stradale.

La velocità di marcia dei veicoli a motore influenza

in modo determinante la sicurezza stradale: 1) le

velocità elevate accorciano il tempo per poter rea-

gire a una situazione stradale e aumentano in que-

sto modo la probabilità che si verifichi un incidente;

2) la velocità influenza la gravità di un eventuale

incidente. Specialmente tra gli utenti molto vulne-

rabili (pedoni, ciclisti, motociclisti) la probabilità di

sopravvivenza dipende moltissimo dalla velocità di

collisione.

3.2 Digressione: pirati della strada

Un argomento che spunta continuamente in rela-

zione ai delitti relativi alla velocità è quello dei co-

siddetti pirati della strada. Questa discussione ri-

specchia un problema generale della prevenzione:

esistono dei gruppi ad elevato rischio (per esempio

i pirati della strada), ma a questa categoria spesso

molto piccola e perciò imputabile solo una parte

piuttosto esigua del problema. I gruppi invece che

sono solo leggermente evidenti (= che portano

velocità leggermente elevate) sono molto più gran-

di e pertanto anche molto più spesso una parte del

problema (= incidenti con eccesso di velocità). Ciò

significa che gli interventi efficaci devono mirare sia

ai pirati della strada sia alla vasta massa.

3.3 La velocità da diversi punti di vista

Complessivamente la velocità di marcia è un tema

complesso che va analizzato e affrontato mediante

diverse discipline. L'arredo tecnico del sistema "cir-

colazione stradale" e dei veicoli influenza immen-

samente il livello di velocità e di pericolo. L'analisi

di questi influssi permette di intervenire con la

tecnica del traffico e la telematica stradale. Il siste-

ma legislativo stabilisce il raggio d'azione giuridico

e permette di perseguire le eventuali infrazioni. Va

verificato se le norme o le sanzioni previste hanno

l'effetto desiderato sulla promozione della sicurez-

za e in quale modo possono essere migliorate. Le

misure giuridiche possono influenzare il compor-

tamento del singolo, ma anche i sistemi rispettiva-

mente i pianificatori. La psicologia, infine, illustra in

base a diversi modelli e teorie come viene influen-

zato e può essere cambiato il comportamento rela-

tivo alla velocità dei conducenti di veicoli a motori.

Non è possibile valutare in via definitiva quale sia la

teoria psicologica «migliore». Ma è evidente che le

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 27

teorie che illustrano delle possibilità di intervento

sono più idonee di quelle che contengono un a-

spetto umano con un esiguo potenziale di cam-

biamento.

3.4 Incidentalità

Tra il 1992 e il 2008, negli incidenti probabilmente

correlati alla velocità e rilevati dalla polizia il nume-

ro dei feriti leggeri è diminuito del 22%, quello dei

feriti gravi del 47% e quello dei morti del 59%.

Attualmente (media 2004–2008) gli incidenti corre-

lati alla velocità comportano ogni anno 1251 feriti

gravi e 163 morti.

In oltre la metà dei casi le vittime erano occupanti

di un'automobile e quasi nel 30% dei casi si è

trattato di motociclisti. Con approssimativamente il

5% e il 6% sono stati coinvolti anche rispettiva-

mente dei pedoni e dei ciclisti. Gli incidenti correlati

alla velocità rientrano spesso nella categoria degli

sbandamenti/incidenti a veicolo isolato. Ben il 70%

di tutti i feriti gravi e morti sono riconducibili a tale

causa. Sono state contate particolarmente molte

vittime sulle strade extraurbane (57%). L'elevata

percentuale di sbandamenti/incidenti a veicolo

isolato comporta prevalentemente il ferimento o la

morte degli occupanti stessi dei veicoli. In tutti gli

incidenti che vedono coinvolti delle automobili e

che sono causati dalla velocità non adeguata o

eccessiva, tre quarti delle vittime sono gli occupanti

stessi delle auto. 1 vittima su 6 viaggiava in un'altra

automobile coinvolta nell'incidente, 1 su 15 era un

pedone. Negli incidenti motociclistici correlati alla

velocità è emerso un altro rapporto. In questo caso,

il 95% delle vittime è il motociclista stesso.

Dal punto di vista demografico, i conducenti di un

veicolo a motore che non adeguano la loro guida

alle condizioni meteo o del traffico oppure che

superano il limite di velocità rientrano piuttosto

nella categoria dei maschi tra i 18 e i 24 anni. Più

aumenta l'età, più diminuisce non solo complessi-

vamente la percentuale degli incidenti correlati alla

velocità, ma soprattutto anche la frequenza della

sottocategoria «superamento del limite di veloci-

tà».

3.5 Misure per la gestione della velocità

Affinché i limiti di velocità vengano superati più

raramente e le velocità adeguate alle condizioni

meteo, dello stato della strada o del traffico è ne-

cessario intervenire con delle misure idonee (tabel-

la 1, p. 31).

Nella strategia di prevenzione vanno seguiti due

procedimenti: 1) nella prevenzione speciale bisogna

rivolgersi ai gruppi ad alto rischio (p. es. pirati della

strada) e 2) nella prevenzione generale alla vasta

massa. La prevenzione speciale mira a individuare e

a sanzionare i conducenti di veicoli a motore che

viaggiano a velocità inadeguata (pene e misure

amministrative come per esempio il ritiro della

patente) e a impedire che diventano recidivi. La

prevenzione speciale comprende anche misure

educative o persino terapeutiche applicate in com-

binazione con la revoca della licenza di condurre.

Questo procedimento è fondato, ma non va so-

pravvalutato nei suoi effetti. In base all'esperienza

scientifica con diverse misure, la prevenzione gene-

rale è almeno altrettanto importante. Significa che

c'è bisogno di occuparsi del comportamento relati-

vo alla velocità di una vasta parte della popolazione

che non si autodefinisce assolutamente come pira-

ta della strada e che è convinta di non correre

quando è al volante. Ma l'elevato numero di 2,5

milioni di persone che ogni anno commettono un

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28 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

infrazione la dice lunga sulla situazione: non si

tratta solo di un problema di una piccola minorità.

Va rafforzata l'impressione che il superamento del

limite di velocità – anche solo di poco – può già

comportare conseguenze gravi. Nuovi lavori scienti-

fici descrivono alla voce "power model" un nesso

con conseguenze molto più ampie tra la velocità

media e l'incidentalità di quanto supposto finora.

Un superamento della velocità di p. es. 5 km/h

nell'abitato incrementa il potenziale di pericolosità

per un multiplo rispetto a 5 km/h in più sull'auto-

strada. Tali riflessioni sono contenute nel sistema

delle sanzioni svizzero per i delitti relativi alla veloci-

tà (sulle autostrade il limite di velocità segnalato

può essere superato di più rispetto alle strade ur-

bane prima che un'infrazione venga considerata

grave). In base ai dati scientifici nuovi – e se per il

medesimo rischio di pericolo deve essere usata la

stessa misura di sanzione – sarebbe però opportu-

no ripensare i limiti fissati. Pertanto oggi sulle auto-

strade un superamento del limite di velocità di

almeno 35 km/h è considerata un'infrazione grave

(in caso di prima infrazione comporta obbligato-

riamente il ritiro della patente per tre mesi), sulle

strade urbane un superamento di 25 km/h. Se sulle

strade urbane si vorrebbe sanzionare come infra-

zione grave il medesimo rischio di pericolo (relativo

a morti) come sulle autostrade, sulle strade urbane

il limite dovrebbe essere fissato già a un supera-

mento di 15 km/h (che oggi viene sanzionato sol-

tanto con una multa disciplinare).

Nel senso della prevenzione generale, per il com-

portamento relativo alla velocità per i conducenti di

un veicolo a motore non sarà centrale la sanzione

bensì l'aspettativa soggettiva di essere controllati

dalla polizia. In questo ambito negli ultimi anni è

stato fatto moltissimo. Nel frattempo, in Svizzera si

rileva ogni anno la velocità di oltre 500 milioni di

veicoli; la stragrande maggioranza dei controlli

viene effettuata con radar fissi senza la presenza di

agenti. Questi però hanno lo svantaggio che la loro

ubicazione è presto nota e che pertanto hanno un

effetto preventivo notevolmente minore rispetto ai

radar mobili con la presenza di agenti di polizia

ubicati regolarmente in diversi luoghi. Sono però in

ogni caso utili là dove i conducenti di veicoli a mo-

tore devono moderare la velocità per motivi di

sicurezza (punti nevralgici). In Svizzera solo il 3%

dei veicoli che ha subito un controllo della velocità

viaggiava su una strada extraurbana, benché oltre

la metà dei morti sradali sia stata rilevata su questo

tipo di strada. In questo caso urgono misure.

Dal punto di vista della prevenzione generale è

importante che oltre ai radar fissi senza agenti sul

posto ci sia anche un numero sufficiente di radar

fissi con la presenza di agenti di polizia ben in vista.

Nel migliore dei casi i punti e gli orari per i controlli

sono scelti a caso, in modo che i conducenti dei

veicoli a motore abbiano l'impressione che la poli-

zia stradale possa effettuare un controllo in qualsi-

asi momento e dappertutto. La problematica di

questo procedimento provatamente molto efficace

è che a volte si effettuano controlli anche in luoghi

e a orari con poco traffico e con limiti di velocità

raramente superati. È importante che questo venga

comunicato alla popolazione e alle autorità («Ma

qui non succede mai niente ...»).

Oltre alle sanzioni e ai controlli della polizia esiste

tutta una gamma di altre misure per smorzare la

problematica relativa alla velocità e le sue conse-

guenze. Un contributo molto importante può veni-

re dalla tecnica del traffico. Dall'analisi della stati-

stica ufficiale degli incidenti emerge che l'inciden-

talità correlata alla velocità è elevata specialmente

sulle strade urbane ed extraurbane. Nonostante il

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 29

maggior livello di velocità, in questo caso le auto-

strade giocano un ruolo subordinato. Gli interventi

infrastrutturali (architettura ed esercizio) volti ad

influenzare le velocità devono essere vagliati atten-

tamente in merito agli effetti sulla sicurezza. L'e-

sempio della riduzione dei raggi nelle curve illustra i

complessi nessi tra velocità e sicurezza. Raggi infe-

riori impongono delle velocità minori, ma compor-

tano più incidenti se progettati in modo lacunoso.

Gli obiettivi di un'infrastruttura adeguata sono

principalmente: 1) creare una gerarchia semplice

della rete stradale e 2) realizzare strade del tipo self

explaining che tollerano degli errori. In questo mo-

do si vuole garantire che il traffico circoli a velocità

adeguata.

Le strade urbane vanno progettate, costruite e

gestite in modo da tener conto delle esigenze di

tutti gli utenti della strada. Il modello dell'upi 50/30

all'ora si presta particolarmente bene per raggiun-

gere questo obiettivo poiché integra tutte le strade

a funzione di servizio in una zona con limite di

velocità 30 km/h e prevede di arredare tutte le

strade a funzione di traffico nell'abitato in modo

da offrire la maggior sicurezza possibile agli utenti

della strada più vulnerabili. Le strade extraurbane

vanno progettate in modo che comportino delle

velocità omogenee. Le misure correttive (frecce

direttrici, limiti di velocità divergenti) non vanno

prese in considerazione dall'inizio per correggere le

lacune di progettazione. La distanza degli oggetti

fissi al bordo della strada (p. es. muri, staccionate,

pali) e – a determinate condizioni – i guardrail cen-

trali possono ridurre le conseguenze degli incidenti

correlati alla velocità.

La realizzazione concreta di questi interventi in

Svizzera può essere attivata mediante delle misure

a diversi livelli. Gli ingegneri del traffico e i pianifi-

catori vanno sensibilizzati già durante lo studio e/o

in sistematiche formazioni continue in modo parti-

colare ai punti menzionati. Gli strumenti a tappeto

per controllare sistematicamente l'infrastruttura

progettata ed esistente (Road Safety Audit, Road

Safety Inspection, Black Spot Management) vanno

resi obbligatori per tutta la Svizzera.

Le norme VSS rappresentano le regole dell'arte

edilizia nella tecnica del traffico. La loro applicazio-

ne in un progetto può rivelarsi costosa a seconda

delle condizioni quadro. Nella prassi emerge che in

tali casi si tende a risparmiare, accettando dei pos-

sibili effetti negativi sulla sicurezza. Pertanto biso-

gna sensibilizzare la popolazione, la politica e

l'amministrazione nei confronti del significato in

materia di sicurezza delle norme e delle infrastrut-

ture adeguate. In tal modo si intende promuovere

la realizzazione di progetti costosi ma con un eleva-

to livello di sicurezza.

Infine va promosso in modo mirato la realizzazione

del modello upi 50/30 all'ora. Questo può essere

fatto con l'adeguamento delle relative ordinanze o

con la propagazione attiva tra le autorità compe-

tenti o la popolazione.

Tuttavia non bisogna solo prevenire gli incidenti,

ma – se comunque dovessero verificarsi – minimiz-

zare anche le conseguenze delle ferite. L'uso della

cintura di sicurezza è tuttora fondamentale per gli

incidenti correlati alla velocità. Negli ultimi anni, la

Svizzera ha fatto dei progressi significativi in questo

campo. Tuttavia il potenziale di riduzione del nu-

mero delle vittime è ancora elevato. Sono pertanto

necessari ulteriori sforzi.

Quasi altrettanto importante quanto la cintura di

sicurezza è il controllo elettronico della stabilità.

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30 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Questo si è rivelato molto efficace e contribuisce a

prevenire gli incidenti o a ridurne la gravità, inter-

venendo in modo che il conducente possa avere un

miglior controllo sul veicolo.

L'alcol disinibisce ed è pertanto un fattore di rischio

per l'eccesso di velocità. Pertanto quando si parla

di velocità inadeguata va tenuto conto anche degli

effetti dell'alcol. A tale scopo è già a disposizione

una vasta gamma di misure scientificamente fon-

date e realizzabili come per esempio il divieto di

bere alcolici per i neopatentati.

I neopatentati giovani però non costituiscono un

pericolo e non sono loro stessi in pericolo solo se

hanno bevuto troppo. Con la formazione in due

fasi si intende influenzare positivamente il loro

comportamento relativo alla velocità. Nel 2011,

l'indagine che accompagna questa misura mostrerà

se le aspettative sono state soddisfatte oppure se

questa misura importante e impegnativa deve esse-

re adeguata.

Una misura relativamente nuova e non ancora

implementata su vasta scala è il sistema intelligente

di adattamento della velocità (ISA). Si tratta di un

sistema che informa i conducenti di veicoli a moto-

re in diversi modi sui limiti di velocità in vigore in

un determinato punto. Questo sistema si imporrà

nell'una o nell'altra forma, apportando certamente

un notevole contributo alla sicurezza stradale.

Le campagne massmediali relative alla sicurezza

stradale in generale e alla velocità in particolare

devono soddisfare diversi criteri per poter contribu-

ire a una maggiore sicurezza stradale. I loro conte-

nuti dovrebbero, in particolare, basarsi su analisi

scientifiche, essere guidati dalla teoria e realizzati in

combinazione con altre attività. Punto centrale dei

contenuti comunicati devono sempre essere delle

indicazioni comportamentali concrete per i destina-

tari.

Complessivamente va sottolineato che gli interventi

per promuovere una guida con velocità adeguata

(p. es. campagne, educazione stradale, corsi di

ripetizione) esigono un approccio globale che tiene

conto dei seguenti aspetti nella società: fattori

demografici, ambiente fisico e sociale, fattori relati-

vi a personalità e sviluppo, competenza a condurre

ecc. Gli approcci monodimensionali che per esem-

pio vogliono motivare i conducenti di veicoli a mo-

tore semplicemente mediante l'istruzione ad ade-

guare la velocità, saranno difficilmente coronati di

successo.

La quantità del sapere disponibile e integrato in

questo rapporto non deve illudere sul fatto che

alcuni dei quesiti importanti sono ancora irrisolti.

L'influsso del rapporto peso/potenza del veicolo sul

comportamento alla guida dei conducenti, per

esempio, non è ancora chiarito. Nemmeno l'influs-

so dei passeggeri – in particolare sul comportamen-

to relativo alla velocità tra i conducenti giovani – è

ancora stato studiato in Svizzera. È dunque ancora

necessario effettuare ulteriori ricerche.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 31

Tabella 1 Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità

Misura Raccomandazione

Controlli della polizia

Radar fissi, con presenza di agenti e ben in vista Molto raccomandabile

Radar fissi e senza presenza di agenti Molto raccomandabile

Scelta casuale dell'ubicazione e degli orari dei radar fissi con presenza di agenti Molto raccomandabile

Controlli annunciati e fiancheggiati da campagna Molto raccomandabile

Controlli generalmente intensificati Molto raccomandabile

Introdurre controlli della velocità su una tratta stradale più lunga Raccomandabile (efficacia dovrebbe ancora essere mostrata mediante fase di prova in corso)

Scelta non casuale dei radar fissi con presenza di agenti (per esempio luoghi ad alta incidentalità oppure con frequenti infrazioni ecc.)

Raccomandabile

Maggiori controlli della velocità fissi sulle strade extraurbane (con e senza agenti) Raccomandabile

Controlli della velocità mobili con auto civetta Parzialmente raccomandabile (pratica-mente nessun effetto di prevenzione generale)

Neopatentati

Verificare se la formazione in due fasi va migliorata per ottenere una maggiore efficacia (dopo conclusione della valutazione nel 2011)

Molto raccomandabile

Strategia di prevenzione

Concentrare le attività su tutti i conducenti che superano il limite di velocità (non solo pirati della strada) Molto raccomandabile

Misure per la categoria dei conducenti che superano di molto il limite di velocità (pirati della strada) Raccomandabile

Tecnica dei veicoli

Introdurre il sistema di adattamento della velocità ISA (Speed Adaptation) solo con l'indicazione del limite di velocità in vigore

Molto raccomandabile

ISA con avvertimento se si supera il limite di velocità in vigore Molto raccomandabile o raccomandabile (dipende da come è realizzato)

Promuovere notevolmente la notorietà e l'uso del controllo elettronico della stabilità mediante informazione e campagne

Molto raccomandabile

Continuare le attuali attività per incrementare il tasso d'uso delle cinture su tutte le strade e su tutti i posti a sedere

Molto raccomandabile

Rendere obbligatori i sistemi acustici e luminosi che informano il conducente che una persona a bordo non è allacciata (anche sui sedili posteriori)

Molto raccomandabile, ma dipendente dallo sviluppo nell'Ue

ISA che può essere disattivato Raccomandabile

ISA che deve essere attivato Parzialmente raccomandabile (da chi e con quale frequenza verrebbe attivato ISA?)

Pene e misure amministrative

Applicare maggiormente la misura amministrativa che prevede il ritiro della patente (anche in combinazione con corsi di rieducazione) per integrare le sanzioni

Molto raccomandabile

Valutazione del sistema a cascata ed eventuali proposte di miglioria Molto raccomandabile

Verificare di quanto è stato superato il limite di velocità sulle strade urbane ed extraurbane nelle infrazioni che hanno servito come base per stabilire le pene e le misure amministrative (tenendo conto dei recenti dati scientifici, del Power-Model)

Raccomandabile

Accelerare i sanzionamenti (pena e misura amministrativa) Raccomandabile

«Incentive letters» (nel senso di un sollecito) per chi ha superato il limite di velocità (nel quadro del sistema esistente)

Raccomandabile (ma in base articoli 16 a, b e c LCStr non facile da realizzare)

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32 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Continuazione Tabella 1 Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità

Misura Raccomandazione

Campagne di sicurezza stradale

Campagne di sicurezza stradale basate su teoria e che tengono conto degli attuali dati scientifici per migliora-re l'efficacia

Raccomandabile (ideale se combinato con altre misure)

Campagne di sicurezza stradale specifiche per annunciare i controlli della polizia effettuati in luoghi e orari scelti a caso, in modo che il conducente si renda conto che i controlli possono essere effettuati in qualsiasi luogo e orario

Raccomandabile

Cambiamento del comportamento

Usare concetti integrativi che tengono conto di fattori psicologici, sociali e relativi al sesso nell'ambito del comportamento relativo alla velocità

Molto raccomandabile

Aumentare la percezione soggettiva del rischio mediante misure infrastrutturali (esempio: restringere ottica-mente la larghezza della strada mediante segnali orizzontali)

Raccomandabile

Guidare sotto l'effetto di alcol

All'alcol va ancora dedicato molta attenzione nel senso del dossier sicurezza «Capacità di guida limitata dei conducenti di veicoli a motore» (riassunto in italiano)

Molto raccomandabile

Infrastruttura: formazione di ingegneri e pianificatori

Prima formazione: sensibilizzare nei confronti della sicurezza stradale e istruzione di nozioni base tecnico-specifiche

Molto raccomandabile

Formazione continua: organizzare e coordinare convegni tecnico-specifici e rendere obbligatoria la formazione continua

Molto raccomandabile

Sia nella prima formazione sia nella formazione continua va intensificato l'approfondimento dei seguenti argomenti in materia di progettazione di impianti stradali: - progettazione di strade urbane a funzione di traffico - progettazione di strade extraurbane - principi per segnalare i limiti massimi di velocità

Molto raccomandabile

Infrastruttura: strumenti per verificare la sicurezza

Introdurre i Road Safety Audit come fase di progetto standard Molto raccomandabile

Organizzare Road Safety Inspection focalizzati sulla tolleranza di errori e la leggibilità intuitiva degli impianti stradali

Molto raccomandabile

Black Spot Management Raccomandabile

Infrastruttura: norme

Ridefinire il termine "velocità di progetto" nelle norme VSS Parzialmente raccomandabile (non urgente)

Infrastruttura: possibilità giuridiche

Esigere e realizzare un'infrastruttura adeguata Molto raccomandabile

Modificare l'articolo 4a della ONC nonché l'articolo 22 della OSStr oppure scorporare le regolamentazioni relative alle zone 30 km/h dall'articolo 108.2 della OSStr

Molto raccomandabile

Responsabilità dei gestori di infrastrutture lacunose in caso di incidenti Oggi parzialmente raccomandabile (ostacoli e rischi economici troppo alti), a seconda dello sviluppo a livello federale eventualmente rilevante in futuro

Rivalutare determinate norme VSS rispetto al loro significato giuridico, dichiarandole direttive del DATEC Parzialmente raccomandabile (probabil-mente poco accettato)

Ricerca

Studio scientifico sull'influenza dei passeggeri sull'incidentalità dei conducenti giovani Molto raccomandabile

Studio sulla fattibilità per quantificare in modo preciso l'incidentalità correlata alla velocità che è dovuta a un'infrastruttura lacunosa

Raccomandabile

Procedimento per riconoscere presto le carenze di sicurezza del tracciato orizzontale Raccomandabile

Progetto di ricerca sugli effetti del rapporto peso/potenza sul comportamento alla guida ovvero sull'incidenta-lità

Raccomandabile

Verificare se il concetto del sensation seeking (ricerca di sensazioni) possa essere usato per verificare l'idonei-tà caratteriale

Parzialmente raccomandabile (pura misura di prevenzione speciale per pochissimi conducenti altamente toccati dal problema)

Relazioni pubbliche

Promuovere l'approvazione del modello upi 50/30 all'ora tra le autorità competenti e nella popolazione Molto raccomandabile

Sensibilizzare l'amministrazione e la politica nei confronti del significato dell'infrastruttura per la sicurezza stradale

Raccomandabile

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Einleitung 33

III. Einleitung

Der Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt

eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte im

Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen aus-

gerichtet ist. Voraussetzung dafür ist ein umfas-

sendes Wissensmanagement. Die Verwaltungs-

kommission des FVS hat der bfu – Beratungsstelle

für Unfallverhütung einen langfristig angelegten

Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendi-

gen Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers

decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie

umfassen die präventionsorientierte Analyse von

Schwerpunkten im Unfallgeschehen. Diese Dossiers

haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand

wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidun-

gen zu ermöglichen.

Die Publikation richtet sich an Personen und Insti-

tutionen, die für die Planung und Finanzierung

von Präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten

Massnahmen im Strassenverkehr verantwortlich

sind.

Das Thema Geschwindigkeit polarisiert aus ver-

schiedener Sicht: Geschwindigkeit, sei es in Form

von Höchstgeschwindigkeiten oder auch in Form

des Geschwindigkeitsverhaltens der Auto- und

Motorradfahrenden ist ein Politikum. Die Raser-

Debatte wird seit Jahren intensiv geführt. Es ist

Aufgabe der Experten die teilweise plakativen

Analysen und Lösungsvorschläge zu bewerten und

den wirksamen Lösungen zum Durchbruch zu

verhelfen.

Die Höchstgeschwindigkeiten sind immer wieder

ein Diskussionsgegenstand. Die Schweiz hat – wie

viele andere Länder auch – in den vergangenen

Jahrzehnten die allgemeinen Höchstgeschwindig-

keiten gesenkt. Nebst anderen Faktoren dürfte dies

einer der Gründe sein, warum die Schweiz im in-

ternationalen Vergleich der Unfallstatistik gut ab-

schneidet. Zusammen mit Schweden und Holland

gehört die Schweiz diesbezüglich zur Spitze in

Europa. Pro 1 Mio. Einwohner gab es im Jahr 2006

in der Schweiz 50 Getötete, in Schweden 49 und

in Holland 45.

Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – gibt

es immer wieder Bestrebungen, die allgemeinen

Höchstgeschwindigkeiten, insbesondere auf Auto-

bahnen, zu lockern bzw. zu erhöhen.

Die Fahrgeschwindigkeit hat einen entscheidenden

Einfluss auf die Verkehrssicherheit: Einerseits ver-

kürzen hohe Geschwindigkeiten die Zeit, um auf

Verkehrssituationen reagieren zu können, und

erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass es

zu einem Unfall kommt. Andererseits beeinflusst

die Geschwindigkeit die Schwere eines allfälligen

Unfalls. Gerade bei den sehr verletzlichen Ver-

kehrsteilnehmenden (Fussgänger, Rad- und Motor-

radfahrende) hängt die Überlebenswahrscheinlich-

keit bei Unfällen sehr stark von der Kollisionsge-

schwindigkeit ab.

Die gefahrenen Geschwindigkeiten haben einen

doppelten Einfluss auf die Umwelt. Einerseits steigt

der Benzinverbrauch mit höherer Geschwindigkeit

überproportional. So war beispielsweise die

Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, die in der

Schweiz aus Anlass der ersten Ölkrise im Jahr 1973

Page 36: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

34 Einleitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

vorübergehend eingeführt worden war, mit dem

verringerten Energieverbrauch begründet worden.

Davis [1] konnte aufzeigen, dass das Verhältnis

zwischen Kraftstoffverbrauch und gefahrener Ge-

schwindigkeit eine umgekehrte U-Funktion ist. Die

Anzahl gefahrener Meilen pro verbrauchte Gallone

Benzin (= ca. 4 Liter) ist am höchsten im Bereich

von 40 bis 55 mph (Meilen pro Stunde), d. h. zwi-

schen 65 und 90 km/h. Der Mehrverbrauch führt

zu mehr Abgasen, wobei sich die heutige Diskussi-

on vor allem auf das klimaschädigende CO2 und

den Feinstaub, der durch Dieselfahrzeuge und

Autoreifen produziert wird, konzentriert.

Der andere wichtige Umwelteffekt der Geschwin-

digkeit ist der Lärm. In der Schweiz sind laut Bun-

desamt für Umwelt (BAFU) etwa 1,2 Mio. Men-

schen oder 16 % der Schweizer Wohnbevölkerung

tagsüber schädlichem oder lästigem Verkehrslärm

ausgesetzt [2]. Nachts sind es immer noch 10 %.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Verkehrs-

lärm zu verringern, beispielsweise mit Flüsteras-

phalt und geräuscharmen PW-Reifen. Eine weitere

Möglichkeit ist die gefahrene Geschwindigkeit. Sie

wirkt sich insbesondere auf die Wind- und Rollge-

räusche aus. Schliesslich soll eine Verringerung der

gefahrenen Geschwindigkeit um 20 km/h den

Lärm in etwa halbieren.

Entsprechende Abklärungen haben gezeigt, dass

viele Sicherheitsmassnahmen auch positive Auswir-

kungen auf die Umweltbelastung haben. In diesem

Sinn dürfte das Sicherheitsdossier Geschwindigkeit

auch über Verkehrssicherheitskreise hinaus von

Interesse sein.

Neben den negativen Effekten der Geschwindigkeit

darf man nicht vergessen, dass ein erheblicher Teil

der Bevölkerung Freude am schnellen Fahren hat:

Hunderttausende erhalten jedes Jahr Bussen we-

gen überhöhter Geschwindigkeit. Autorennen

haben viele Fans, Fahrzeuge werden getunt usw.

Weitere oft genannte Gründe für schnelles Fahren

sind Eile, die Tatsache, dass man von anderen, die

dicht auffahren, dazu gezwungen wird oder auch

die Einschätzung, dass moderne Autos schneller

fahren können. Deshalb wird ein Bericht, der die

Geschwindigkeit aus Verkehrssicherheitssicht the-

matisiert, wohl auch Anstoss erregen.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Exkurs: Raser 35

IV. Exkurs: Raser

Ein Thema, das im Zusammenhang mit den Ge-

schwindigkeitsdelikten immer wieder auftaucht

sind die sogenannten Raser. Dabei stellt sich zu-

nächst einmal die Frage was überhaupt ein Raser

ist. Offensichtlich ist es jemand, der zu schnell

fährt, und zwar deutlich zu schnell. Wiprächtiger

stellt verschiedene mögliche Definitionen vor [3].

Im Zusammenhang mit der Initiative «Kampf gegen

Raser» wurden 80 km/h in Tempo-30-Zonen,

100 km/h innerorts, 160 km/h ausserorts oder

200 km/h auf Autobahnen genannt. Jürg Boll von

der Zürcher Staatsanwaltschaft versteht darunter

Motorfahrzeuglenkende, die durch eine besonders

drastische Überschreitung der Höchstgeschwindig-

keit oder eine andere hochriskante Fahrweise wie

Durchführung von Autorennen auf öffentlichen

Strassen auffallen. Wiprächtiger selber neigt einer

eher psychologischen Definition zu, die die Motiva-

tion für die Übertretung der Höchstgeschwindig-

keit berücksichtigt. Diese Differenzierung scheint

allerdings aus Sicht der Verkehrssicherheit, bei der

es ja um die kinetischen Energien bei einem Unfall

geht, weniger sinnvoll (Die Frage der Motivation ist

dann allerdings bei therapeutischen/rehabilitativen

Interventionen bedeutsam). Auch die bfu hat eine

Definition von Rasern. Sie beinhaltet einerseits eine

Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten in

der Grössenordnung der schweren Widerhandlun-

gen (um mindestens 25 bis 35 km/h, je nach Stras-

senart) und andererseits eine Gefährdung anderer

Verkehrsteilnehmer bzw. Nichtanpassung an die

Witterungsverhältnisse. Einig scheint man sich

jedoch zu sein, dass es eine erhebliche Überschrei-

tung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit gege-

ben haben muss.

Es gibt pro Jahr rund 140 000 Anzeigen wegen

überhöhter Geschwindigkeit. 21 500 Personen

wurden von den Gerichten wegen grober Ver-

kehrsregelverletzungen verurteilt. Die Verurteilten

sind zum allergrössten Teil Männer, je die Hälfte

unter und über 35 Jahre alt und knapp die Hälfte

Ausländer.

Ein Vergleich der Verurteilungen nach dem Stras-

senverkehrsgesetz mit der Unfallstatistik, insbeson-

dere was die Anzahl ausländischer Motorfahrzeug-

lenkender angeht, ist nicht möglich, da nicht alle

Kantone Nationalität und Wohnort der Ausländer

korrekt kodieren. Man muss jedoch konstatieren,

dass Unfälle mit einer Überschreitung der Höchst-

geschwindigkeit nur einen Teil der Geschwindig-

keitsproblematik ausmachen (das Überschreiten

der Höchstgeschwindigkeit nimmt Platz 3 der ver-

schiedenen Geschwindigkeitsmängel ein) und dass

die Geschwindigkeitsmängel generell «nur» bei

jedem 4. schweren Unfall von der Polizei als Ursa-

che gesehen werden.

Somit würde eine Beschränkung der Geschwindig-

keitsproblematik auf eine Raserdebatte allein dem

Thema nicht gerecht. Die Hochrisikogruppe mit

äusserst bedenklichen Einstellungen zur Geschwin-

digkeit und einem dementsprechenden Verhalten

ist gezielt anzugehen. Aber selbst wenn diese voll-

ständig aus dem Strassenverkehr eliminiert würde,

so gäbe es dennoch Geschwindigkeitsunfälle und

Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit.

Diese Frage erinnert stark an die Unfalldebatte der

frühen Verkehrssicherheitsarbeit aus dem Beginn

Page 38: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

36 Exkurs: Raser bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

des 20. Jahrhunderts. Dort war überlegt worden,

die unfallträchtigsten Motorfahrzeuglenkenden zu

eliminieren. Es hatte sich zwar herausgestellt, dass

es Personen mit höherem Unfallrisiko gibt, dass

aber deren Ausschluss vom Strassenverkehr nur

marginale Verbesserungen der Verkehrssicherheit

bringen würde, da der weitaus grösste Teil der

Unfälle durch an sich unauffällige Personen verur-

sacht wird.

Diese Diskussion widerspiegelt ein generelles Prob-

lem der Prävention, dass es zwar Hochrisikogrup-

pen gibt (beispielsweise Raser), diese aber zumeist

sehr klein sind und deshalb auch nur für einen eher

geringen Teil des Problems verantwortlich sind.

Gruppen hingegen, die nur leicht auffällig sind

(= etwas zu schnell fahren) sind sehr viel grösser

und demzufolge auch sehr viel öfter ein Teil des

Problems (= Unfälle mit überhöhter Geschwindig-

keit). Für eine wirksame Prävention bedeutet dies,

dass zweigleisig gefahren werden muss: Einerseits

sollen die präventiven Anstrengungen primär dar-

auf abzielen, die Motorfahrzeuglenkenden dazu zu

bringen etwas langsamer und situationsangepass-

ter zu fahren. Ergänzend ist eine Hochrisikogrup-

penstrategie notwendig. Für beide Strategien be-

darf es je adäquater Massnahmen technischer,

pädagogischer und / oder rechtlicher Natur.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 37

V. Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht

1. Einleitung

In diesem Kapitel werden verschiedene Ansätze/

Perspektiven zur Geschwindigkeitsthematik und

der Problemanalyse dargestellt. Diese zeigen auf,

dass das Problem verschiedene Ursachen hat – und

dass Lösungen auf verschiedensten Ebenen gefun-

den werden müssen.

2. Geschwindigkeit aus Sicht der Un-

fallverhütung

Geschwindigkeit hat, wie erwähnt, einen zweifa-

chen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Einerseits

steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem

Unfall kommt, mit steigender Geschwindigkeit.

Daneben hat die Geschwindigkeit aber auch einen

Einfluss darauf, wie schwer ein Unfall ist.

2.1 Geschwindigkeit als Risikofaktor für

die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls

Die Gründe dafür, dass sich bei höheren Ge-

schwindigkeiten mehr Unfälle ereignen sind vielfäl-

tig. Es besteht eine erhöhte Gefahr, dass man die

Kontrolle über das Fahrzeug verliert, man hat we-

niger lange Zeit auf Hindernisse jeglicher Art zu

reagieren, auch andere Verkehrsteilnehmende

verschätzen sich möglicherweise hinsichtlich tat-

sächlichen Geschwindigkeiten des schnelleren

Fahrzeugs und können somit weniger gut und

nicht ausreichend schnell reagieren.

Es gibt etliche Studien, die sich mit dem Zusam-

menhang von gefahrener Geschwindigkeit und

Unfallwahrscheinlichkeit beschäftigt haben. Der

Zusammenhang ist eindeutig. Je schneller gefahren

wird, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass

es zu einem Unfall kommt. In den verschiedenen

Studien variiert dieses Ausmass. Wenn man sich

nur auf die Unfälle mit Verletzten konzentriert, so

besteht nach Elvik et al. in etwa eine quadratische

Beziehung zwischen prozentualem Anstieg der

Geschwindigkeit und prozentualem Anstieg der

Unfälle mit Verletzten [4]. Eine 10%ige Erhöhung

der gefahrenen Geschwindigkeiten würde somit zu

einem Anstieg der verletzten Personen um 21 %

führen. Wenn man sich hingegen nur auf die Un-

fälle mit Sachschaden konzentriert, dann ist es

hingegen ein direkter linearer Zusammenhang

(Abbildung 3, S. 40).

Eine Meta-Analyse von Elvik und Vaa basierend auf

36 Studien ergab, dass pro Stundenkilometer Ge-

schwindigkeitsreduktion die Anzahl der Unfälle um

2 % abnahm [5].

2.1.1 Reaktionszeit

In diesem Zusammenhang soll auch kurz die Frage

der Reaktionszeiten angeschnitten werden. Reakti-

onszeiten werden oft pauschal mit einer Sekunde

abgerechnet. Die empirischen Befunde, die es zu

diesem Thema gibt, legen nahe, dass es zwar mög-

lich ist, innerhalb von einer Sekunde zu reagieren,

dass aber unter normalen Alltagsbedingungen

diese Zeiten erheblich grösser sein dürften. Durch-

schnittlich muss wohl eher mit 1,25 bis 1,5 Sekun-

den gerechnet werden. Wenn die allermeisten

Bremsmanöver abgedeckt werden sollen, dann

Page 40: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

38 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

muss wohl mit Reaktionszeiten (genauer «percep-

tion-reaction time») von 2 Sekunden oder noch

mehr gerechnet werden. Dies ist in verschiedener

Hinsicht wichtig. Neulenkende müssen die richti-

gen Zeiten lernen, damit sie sich für rechtzeitiges

Anhalten dementsprechend verhalten, Verkehrs-

techniker müssen dies in ihrer Arbeit berücksichti-

gen um beispielweise für ausreichende Sichtweiten

zu sorgen. Und selbst in den Bereich der Unfallbe-

gutachtung und der Rechtsprechung spielt dies

hinein. Die bfu arbeitet zurzeit daran, diese Prob-

lematik mit den betroffenen Gruppen zu diskutie-

ren.

2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsge-

schwindigkeit als Risikofaktor für einen

Unfall

Eines der frühen Resultate zum Thema Geschwin-

digkeit war, dass sich die Unfallrate pro gefahrenen

Kilometer mit der Abweichung von der durch-

schnittlich gefahrenen Geschwindigkeit erhöht (U-

förmige Funktion, Abbildung 1 [6]). Die geringste

Unfallrate wurde für Fahrzeuge gefunden, die ge-

ringfügig schneller fahren als die Durchschnittsge-

schwindigkeit. Wenn jedoch deutlich schneller oder

deutlich langsamer als die Durchschnittsgeschwin-

digkeit gefahren wurde, stieg die Unfallwahr-

scheinlichkeit an. Dieses Resultat wurde von ver-

schiedenen Autoren gefunden [7,8]. Allerdings gibt

es methodische Einwände. Die Resultate scheinen

methodische Artefakte gewesen zu sein, die da-

durch zustande kamen, dass die langsam fahren-

den Fahrzeuge andere Fahrmanöver wie beispiels-

weise Linksabbiegen durchgeführt haben, die mit

höherem Unfallrisiko verbunden sind.

Fildes et al. [9] konnten mit einer genaueren Unter-

suchung die U-Funktion nicht mehr nachweisen

und fanden eine lineare Beziehung zwischen Ge-

schwindigkeit und Unfallrisiko.

Auch Kloeden et al. [10] kamen mit einer Fall-

Kontroll-Studie zu ähnlichen Resultaten, wobei bei

ihnen allerdings die Beziehung nicht linear war wie

bei Fildes und Lee, sondern bei höherer Geschwin-

digkeit einen Knick nach oben aufwies.

Insgesamt muss man also konstatieren, dass nicht

die Abweichung von den durchschnittlichen gefah-

renen Geschwindigkeiten das Unfallrisiko erhöht.

Vielmehr ist es nach aktuellem Wissensstand so,

dass das Unfallrisiko mit zunehmender Geschwin-

digkeit immer mehr ansteigt.

Abbildung 1 Verschiedene Resultate betreffend Zusammenhang der Abwei-chung von der durchschnittlichen gefahrenen Geschwindigkeit und der Unfallwahrscheinlichkeit

Quelle: TRB [6]

Page 41: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 39

2.2 Geschwindigkeit als Risikofaktor für

die Schwere von Verletzungen

Insbesondere für die Fussgängersicherheit und die

Sicherheit anderer «vulnerable road user» ist die

Geschwindigkeit ein entscheidendes Element, denn

deren Überleben hängt in sehr starkem Masse von

den Kollisionsgeschwindigkeiten ab. Exemplarisch

sollen hier Ergebnisse von Pasanen ([11] zitiert nach

[12]) präsentiert werden, die aufzeigen, wie drama-

tisch die Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger

mit zunehmender Kollisionsgeschwindigkeit an-

steigt. Bei einer Kollision mit 30 km/h sterben we-

niger als 6 % der Fussgänger, bei 50 km/h sind es

jedoch bereits 40 % (Abbildung 2). In Wahrheit ist

diese Kurve noch weitaus dramatischer, weil ein

grosser Teil der getöteten Fussgänger höheren

Alters ist und deren Sterbewahrscheinlichkeit noch

grösser ist als diejenige der durchschnittlichen Er-

wachsenen. Diese Kurve entspricht derjenigen, die

die bfu in ihren Publikationen meistens verwendet

und die das Problem wohl realistischer darstellt als

diejenige von Pasanen.

Das Power-Model von Nilsson [13] zeigt auf, wie

die Wahrscheinlichkeit des Unfallgeschehens in

Abhängigkeit von Änderungen der Durchschnitts-

geschwindigkeit variiert. Es handelt sich dabei um

eine exponentielle Funktion. Bei einer Erhöhung

der Geschwindigkeit um x % (=1+x/100) steigt die

Anzahl beispielsweise der Unfälle mit Getöteten

auf (1+x/100)4. Bei Nilsson betrug der Exponent für

Unfälle mit Getöteten 4, für Unfälle mit Schwerver-

letzten und Getöteten 3 und für alle Unfälle mit

Verletzten 2. Das ursprüngliche Power-Model wur-

de von Elvik et al. einer empirischen Überprüfung

unterzogen. Dabei zeigte sich, dass die Zahlen von

Nilsson zwar gut aber nicht ganz korrekt waren.

Elvik et al. kamen zu folgenden Exponenten [4]:

• Getötete: 4,5 (Konfidenzintervall: 4,1–4,9)

• Schwerverletzte: 3,0 (2,2–3,8)

• Leichtverletzte: 1,5 (1,0–2,0)

• Alle Verletzten: 2,7 (0,9–4,5)

• Unfälle mit Getöteten: 3,6 (2,4–4,8)

• Unfälle mit Schwerverletzten: 2,4 (1,1–3,7)

• Unfälle mit Leichtverletzten: 1,2 (0,1–2,3)

• Alle Unfälle mit Verletzten: 2,0 (1,3–2,7)

• Unfälle mit Sachschaden: 1,0 (0,2–1,8)

Wenn man diese Zusammenhänge in grafischer

Form darstellt, dann erkennt man, dass Verände-

rungen der Geschwindigkeiten (egal ob nach oben

oder nach unten) sich besonders stark auf die

schwersten Unfälle bzw. Verletzungen auswirken.

So ergibt ein Anstieg der durchschnittlichen Ge-

schwindigkeit um 10 % (also beispielsweise von 50

auf 55 km/h) einen Anstieg der Getöteten um

54 %. Die Anzahl der Leichtverletzten hingegen

steigt nur um 15 %. Umgekehrt ist es auch so,

dass Reduktionen der Geschwindigkeiten sich be-

sonders positiv bei der Anzahl der Getöteten sowie

der Schwerverletzten auswirken: Hier würde eine

Reduktion der Geschwindigkeit um 10 % die

Abbildung 2 Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs mit dem kollidiert wird, in Prozent

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100km/h

Sterbewahrscheinlichkeit

Quelle: Peden et al. [12]

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40 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Todesfälle um 38 %, die Zahl der Schwerverletzten

um 27 % senken (Abbildung 3).

Das Power-Model zeigt auf, warum es für die Ver-

kehrssicherheit so wichtig ist, dass die Höchstge-

schwindigkeiten nicht überschritten werden und

warum es sinnvoll ist, dass alle Autofahrer – und

nicht nur die viel zu schnell Fahrenden – ermutigt

werden sollten, langsamer zu fahren. Jeder kann

durch eine verlangsamte Fahrweise einen Beitrag

zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten.

3. Geschwindigkeit aus verkehrstech-

nischer Sicht

Die Geschwindigkeit ist in der Verkehrstechnik eine

wichtige Grösse für die Bemessung, den Betrieb und

die Beurteilung von Verkehrsanlagen.

Als Grundlage für die Projektierung einer Strasse

dienen die Ausbaugeschwindigkeit und die Projek-

tierungsgeschwindigkeit (Kap. VII.5.1.3, S. 79). Die

Ausbaugeschwindigkeit einer Strecke legt den Aus-

baugrad einer Strasse fest. Sie bestimmt die minima-

le Geschwindigkeit, mit der die entsprechende Stre-

cke befahren werden kann. Darauf aufbauend kön-

nen Minimalwerte für die einzelnen Projektierungs-

elemente (Kurvenradien) festgelegt werden. Bei

diesem Arbeitsschritt ist die sogenannte Projektie-

rungsgeschwindigkeit von zentraler Bedeutung. Sie

ist die maximale Geschwindigkeit, mit der eine be-

stimmte Stelle einer Strasse, insbesondere eine Kur-

ve, mit genügender Sicherheit befahren werden

kann. Basierend auf physikalischen Grundlagen und

Annahmen wird in der SN 640 080b [14] den Kur-

ven die Projektierungsgeschwindigkeit in Abhängig-

keit des Radius zugeordnet.

Die juristische Massnahme der Geschwindigkeits-

beschränkungen ist aus verkehrstechnischer Sicht in

2-facher Hinsicht relevant. Die allgemeinen Höchst-

geschwindigkeiten plafonieren die Projektierungs-

geschwindigkeit. Von der allgemeinen Höchstge-

schwindigkeit abweichende tiefere Höchstge-

schwindigkeiten werden dann eingesetzt, wenn

Gefahrenstellen für Motorfahrzeuglenkende nicht

oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und anders

nicht zu beheben sind (Art. 108.2 SSV1).

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 1 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,

SR 741.21

Abbildung 3 Prozentuale Entwicklung der Zahlen der Unfallbeteiligten bzw. Unfälle nach prozentualer Geschwindigkeitsänderung [4]

-100

-50

0

50

100

150

200

250

-30

-27

-24

-21

-18

-15

-12 -9 -6 -3 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30

Getötete SchwerverletzteLeichtverletzte Unfälle mit Sachschaden

Quelle: Elvik et al. [4]

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 41

Schliesslich sei die sogenannte V85 erwähnt. An

einem bestimmten Messort ist sie diejenige Ge-

schwindigkeit, die von 85 % der Fahrzeuge nicht

überschritten wird. Dieser Wert wird in der Ver-

kehrstechnik als Mass für den Einhaltegrad einer

Geschwindigkeitslimite verwendet.

4. Geschwindigkeit aus juristischer

Sicht

4.1 Einleitung

Das Thema Fahrgeschwindigkeit ist auch aus juristi-

scher Sicht äusserst komplex und kann im Rahmen

des vorliegenden Kapitels nicht umfassend abge-

handelt werden. Im Folgenden wird kurz die Ent-

wicklung der Geschwindigkeitsregimes in der

Schweiz dargestellt und die heute geltende gesetz-

liche Regelung erläutert.

4.2 Entwicklung der Geschwindigkeits-

beschränkungen

Die Regelung der Fahrgeschwindigkeit erfuhr im

Laufe der Zeit verschiedene Änderungen. Das Bun-

desgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrrad-

verkehr vom 15. März 1932 (MFG) sah – anders als

davor geltende kantonale Regelungen des Fahr-

zeugverkehrs – keine starre Begrenzung der Ge-

schwindigkeit vor. Der Bundesrat wurde zwar ver-

pflichtet, Höchstgeschwindigkeiten für schwere

Fahrzeuge festzulegen, doch stand es ihm frei, dies

auch für andere Fahrzeugkategorien zu tun. In der

Folge machte er von seiner Kompetenz keinen

Gebrauch. Der Gesetzgeber des MFG sah davon ab

vorzuschreiben, wie schnell maximal gefahren

werden durfte. Er zog es vor, eine allgemeine Regel

über die Geschwindigkeit zu erlassen. Diese forder-

te von den Fahrzeuglenkenden, das Fahrzeug zu

beherrschen und die Geschwindigkeit an die kon-

kreten Strassen- und Sichtverhältnisse anzupassen.

Der Grundsatz der situationsangepassten Ge-

schwindigkeit wurde in erweiterter Form ins Stras-

senverkehrsgesetz (SVG) übernommen und ist als

Art. 32 Abs. 1 SVG2 bis heute unverändert. Die

Pflicht zur Beherrschung des Fahrzeugs wurde

separat in Art. 31 Abs. 1 SVG verankert. Mit dem

SVG, das etappenweise in Kraft gesetzt wurde und

gleichzeitig das MFG aufhob, führte der Gesetzge-

ber aus Sicherheitsgründen erstmals eine zahlen-

mässige Geschwindigkeitsbeschränkung ein: Vor-

behältlich abweichender Anordnungen durfte in

Ortschaften maximal 60 km/h gefahren werden

(Art. 32 Abs. 2a SVG3).

Die Kompetenz zum Erlass sogenannter funktionel-

ler Verkehrsanordnungen, inklusive der Regelung

der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, wurde an

die Kantone delegiert (Art. 3 Abs. 4 SVG). Diese

resp. die Gemeinden durften lokale Geschwindig-

keitsbeschränkungen anordnen, wenn dies durch

einen verkehrspolizeilichen Grund wie die Sicher-

heit, Erleichterung oder Regelung des Verkehrs

gerechtfertigt war4. Zusätzlich wurden die zustän-

digen kantonalen Behörden ermächtigt, die

Höchstgeschwindigkeit ausserorts zu beschränken

und innerorts abweichende Höchstgeschwindig-

keiten festzulegen (Art. 32 Abs. 3 aSVG5).

Der Bundesrat erhielt ebenfalls eine Teilkompetenz

zum Erlass von Geschwindigkeitsvorschriften

(Art. 32 Abs. 5 aSVG6). Gestützt darauf beschränk-

te er die Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen

lediglich für einige Fahrzeugarten. Es lag folglich im

Ermessen des zuständigen Organs (Bundesrat, ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 2 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958, SR 741.01 3 AS 1959, 690 4 Botschaft des Bundesrats vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 11. 5 AS 1959, 690 6 AS 1959, 690

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42 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

kantonale bzw. kommunale Behörden), Geschwin-

digkeitsbeschränkungen für bestimmte Strassen

festzulegen.

In Anbetracht des kontinuierlich zunehmenden

Individualverkehrs und der damit einhergehenden

steigenden Unfallzahlen wuchs das Bedürfnis nach

einer umfassenden Regelung der Geschwindigkeit.

Anlässlich der 1975 erfolgten Revision des SVG

wurde auf die zahlenmässige Höchstgeschwindig-

keiten im Gesetz selbst verzichtet und dem Bun-

desrat mit dem neu gefassten Art. 32 Abs. 2 SVG

(in Kraft seit 1. Januar 1977) sowohl die Kompe-

tenz als auch die Verpflichtung übertragen, die

Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen

Strassen zu beschränken. Dies minderte den kan-

tonalen Handlungsspielraum bezüglich Geschwin-

digkeitsbeschränkungen erheblich (revidierte

Art. 32 Abs. 3 und 4 SVG7).

Der Bundesrat kam dem vom Gesetzgeber erteilten

Auftrag nach und setzte mit Art. 4a VRV8 die all-

gemeinen Höchstgeschwindigkeiten fest. Im Lauf

der Jahre wurden diese bis auf die heute geltenden

Werte herabgesetzt. Zusätzlich erliess der Bundes-

rat die Signalisationsverordnung9 ,in der u. a. auch

die Voraussetzungen geregelt werden, unter denen

von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten

abgewichen werden kann.

In Tabelle 2 ist ersichtlich wie sich die allgemeinen

Höchstgeschwindigkeiten10 entwickelt haben [17].

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 7 AS 1975, 1260 8 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962,

SR 741.11 9 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,

SR 741.21 10 Man vergleiche die ausführliche Darstellung zur Geschichte

und rechtspolitischen Ausgangslage der Geschwindigkeits-begrenzung im Kommentar SVG von Giger [15, S. 177-179], im Urteil des Bundesgerichts 2A.38/2006, E. 2 vom 13. Juli 2006 sowie im SINUS-Report 2008 [16].

Gemäss einer Meinungsumfrage aus dem Jahr

2008 werden die aktuellen Geschwindigkeitsbe-

grenzungen von der Bevölkerung generell gut ak-

zeptiert. Je nach Strassentyp bestehen jedoch Un-

terschiede: Während 85 % der Befragten Tem-

po 80 ausserorts eher befürworten, stimmen nur

69 % Tempo 120 auf Autobahnen zu. Hingegen

wird die Sicherheitsmassnahme «Tempo 50/30

innerorts», die die Geschwindigkeit auf den Haupt-

verkehrsachsen innerorts auf 50 km/h und überall

sonst auf 30 km/h begrenzt, nur von 40 % der

Bevölkerung unterstützt [16].

Tabelle 2 Entwicklung der Geschwindigkeitsregimes

Jahr Innerorts

Vor 1959 Keine Beschränkung

1959 60 km/h definitiv (Art. 32 Abs. 2 aSVG)

1980 50 km/h provisorisch

1984 50 km/h definitiv

2002 Begegnungszonen (20 km/h) neu und Tempo-30-Zonen vereinfacht (SSV)

Jahr Ausserorts

Vor 1973 keine Beschränkung

1973 100 km/h provisorisch

1977 100 km/h definitiv

1985 80 km/h versuchsweise

1989 80 km/h definitiv (Volksabstimmung vom 26.11.1989)

Jahr Autobahn

Vor 1973 keine Beschränkung

1973 100 km/h vorübergehend (Ölkrise)

1974 130 km/h provisorisch

1977 130 km/h definitiv

1985 120 km/h versuchsweise

1989 120 km/h definitv (Volksabstimmung vom 26.11.1989

Quellen: ASTRA, Kloeden et al.[10, S. 33–34]

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 43

Die heute in Art. 82 Abs. 1 BV11 verankerte Kom-

petenz des Bundes auf dem Gebiet des Strassen-

verkehrs vermittelt dem Bund eine umfassende

Rechtsetzungszuständigkeit. Ohne dass dies be-

sonders erwähnt zu werden braucht, verbleibt den

Kantonen im Übrigen die Strassenhoheit, insbe-

sondere das Recht, den Fahrverkehr im Einzelfall zu

beschränken oder zu verbieten (Art. 37bis Abs. 2a

BV12).

4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend

Geschwindigkeit

4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten

Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 32 Abs. 2 SVG

für alle Strassen allgemein gültige Höchstge-

schwindigkeiten (Art. 4a VRV) sowie für bestimmte

Fahrzeugkategorien und Vorgänge besondere

Höchstgeschwindigkeiten (Art. 5 VRV) festgesetzt.

Diese gelten nur für Führende von Motorfahrzeu-

gen und dürfen selbst dann nicht überschritten

werden, wenn aufgrund sämtlicher Umstände eine

höhere Geschwindigkeit angemessen erschiene.

Sind Radfahrende zu schnell unterwegs, verstossen

sie gegen Art. 32 Abs. 1 SVG, auf den anschlies-

send noch eingegangen wird [15, S. 185-187,18,

S. 289-291].

Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für

Motorfahrzeuge

Gemäss Art. 4a Abs. 1 VRV gelten heute für (Mo-

tor-)Fahrzeuge folgende allgemeine Höchstge-

schwindigkeiten:

• 50 km/h innerorts

• 80 km/h ausserorts

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 11 Bundesverfassung vom 18. Dezember 1999, SR 101 12 Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom

20. November 1996, 259 f.

• 100 km/h auf Autostrassen

• 120 km/h auf Autobahnen

Es handelt sich dabei um absolute Höchstge-

schwindigkeiten, die nicht etwa wenn immer mög-

lich zu erreichen sind, sondern nur unter günstigen

Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen gefah-

ren werden dürfen. Abweichende signalisierte

Höchstgeschwindigkeiten gehen den allgemeinen

Höchstgeschwindigkeiten ebenso vor wie diejeni-

gen für gewisse Fahrzeugarten oder Vorgänge, für

die besondere Höchstgeschwindigkeiten gelten

(Art. 4a Abs. 5 VRV). Unter Vorbehalt der situati-

onsangemessenen Geschwindigkeit gilt somit fol-

gende «Rangordnung» in Bezug auf die einzuhal-

tenden Höchstgeschwindigkeiten:

1. Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Fahr-

zeugarten (und Vorgänge)

2. Signalisierte bzw. lokale Höchstgeschwindigkei-

ten

3. Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten

In Tempo-30-Zonen darf maximal 30 km/h gefah-

ren werden (Art. 22a SSV), in Begegnungszonen

20 km/h (Art. 22b SSV) und in Fussgängerzonen,

sofern beschränkter Fahrzeugverkehr zugelassen

ist, nur im Schritttempo (Art. 22c SSV).

Der Geltungsbereich der allgemeinen Höchstge-

schwindigkeiten, d. h. innerorts, ausserorts, auf

Autobahnen13 und –strassen, sowie der Geschwin-

digkeit in Begegnungs- und Fussgängerzonen, wird

durch Signale geregelt. Innerorts gilt die allgemeine

Höchstgeschwindigkeit im ganzen dicht bebauten

Gebiet. Sie ist vorschriftsgemäss zu signalisieren,

denn aus dem Vorhandensein einer Ortstafel muss ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 13 Zum Geltungsbereich signalisierter Höchstgeschwindigkei-

ten bei der Verzweigung von Autobahnen vgl. BGE 128 IV 30, wonach die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von der Stelle an beginnt, wo das Signal steht, bis zum Ende-Signal. Sie endet nicht schon mit der Gabelung der Fahrbahnen.

Page 46: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

44 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht

auf die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von

50 km/h geschlossen werden14. Zu beachten ist

jedoch, dass Fahrzeuglenkende, die auf unbedeu-

tenden Nebenstrassen in eine Ortschaft einfahren,

sich auch ohne Signalisation an die allgemeine

Höchstgeschwindigkeit innerorts halten müssen,

sobald der Innerortscharakter erkennbar ist

(Art. 4a Abs. 2 VRV). Bei der Beurteilung, ob sich

eine Strasse im dicht bebauten Gebiet einer Ort-

schaft befindet, stellt das Bundesgericht nicht nur

auf ein kurzes Teilstück ab, sondern auf das ganze

umliegende Gebiet15.

Wer die signalisierte Höchstgeschwindigkeit über-

schreitet, verstösst primär gegen Art. 27 Abs. 1SVG,

der sämtliche Verkehrsteilnehmende dazu verpflich-

tet, Signale und Markierungen sowie die Weisungen

der Polizei zu befolgen.

Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Motor-

fahrzeugarten und Vorgänge

Art. 5 Abs. 1 VRV bestimmt die Höchstgeschwin-

digkeiten für einzelne Motorfahrzeugarten16 und

Vorgänge. Diese betragen:

• 80 km/h für schwere Motorwagen (ausser Per-

sonenwagen), Anhängerzüge, Sattelmotorfahr-

zeuge und Fahrzeuge mit Spikesreifen

• 60 km/h für gewerbliche Traktoren

• 40 km/h beim Abschleppen von Fahrzeugen

und Nachziehen eines leeren Abschlepprollis

(sofern die zuständige Behörde nichts anderes

gestattet)

• 30 km/h beim Mitführen von nicht immatriku-

lierten und immatrikulierten landwirtschaftli-

chen Anhängern (vorbehältlich anderer Anga-

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 14 BGE 127 IV 229, 234. 15 BGE 127 IV 229, 235. 16 Zur Klassifizierung der Fahrzeuge vgl. Art. 11 f. VTS.

ben im Fahrzeugausweis) sowie für Fahrzeuge

mit Metall- oder Vollgummireifen.

Gesellschaftswagen, sofern es sich nicht um Ge-

lenkbusse handelt, und schwere Motorwohnwagen

dürfen auf Autobahnen und Autostrassen maximal

100 km/h fahren (Art. 5 Abs. 2 VRV).

Abweichungen von den allgemeinen Höchst-

geschwindigkeiten

Die zuständige Behörde kann die vom Bundesrat

festgelegte allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf

bestimmten Strassenstrecken herauf- oder herabset-

zen, jedoch nur aufgrund eines Gutachtens, das

abklärt, ob die Massnahme tatsächlich nötig, zweck-

und verhältnismässig ist oder ob eine andere Mass-

nahme besser geeignet wäre (Art. 32 Abs. 3 SVG in

Verbindung mit Art. 108 Abs. 4 SSV). Die Voraus-

setzungen für eine lokale Abweichung der allgemei-

nen Höchstgeschwindigkeiten sind in Art. 108 SSV

geregelt. Dessen Anwendung wird präzisiert durch

die Weisung zur Festlegung abweichender Höchst-

geschwindigkeiten17, die das Eidgenössische Justiz-

und Polizeidepartement (EJPD) am 13. März 1990

erlassen hat.

Ein Herabsetzung der allgemeinen Höchstge-

schwindigkeiten kann erforderlich sein

(Art. 108 Abs. 2 SSV), wenn

• eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig

erkennbar und anders nicht zu beheben ist

(lit. a),

• bestimmte Verkehrsteilnehmende eines beson-

deren, nicht anders zu erreichenden Schutzes

bedürfen (lit. b),

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 17 http://www.astra2.admin.ch/media/pdfpub/1990-03-

13_2489_d.pdf, Zugriff am 14. Juli 2009.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 45

• auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der

Verkehrsablauf verbessert werden kann (lit. c),

• dadurch eine im Sinn der Umweltschutzgesetz-

gebung übermässige Umweltbelastung (Lärm,

Schadstoffe) vermieden werden kann (lit. d).

Die Einzelheiten betreffend Anordnung von Tem-

po-30-Zonen und Begegnungszonen sind explizit in

der gleichnamigen Verordnung18 geregelt. Seit

deren Inkrafttreten am 1. Januar 2002 ist in der

ganzen Schweiz eine grosse Zahl solcher Zonen

realisiert worden, wobei insbesondere die Tempo-

30-Zonen von den Kantonen und Gemeinden sehr

unterschiedlich eingesetzt werden.

Nur innerorts besteht die Möglichkeit, die allge-

meine Höchstgeschwindigkeit hinaufzusetzen –

jedoch nur auf gut ausgebauten Strassen mit Vor-

trittsrecht. Voraussetzung ist, dass durch die Her-

aufsetzung der Höchstgeschwindigkeit der Ver-

kehrsablauf verbessert werden kann, ohne dass

sich dies nachteilig auf Sicherheit und Umwelt

auswirken würde (Art. 108 Abs. 3 SSV). Angesichts

der Erkenntnisse im Zusammenhang mit Ge-

schwindigkeit und Unfallfolgen dürfte Letzteres

praktisch nie gegeben sein.

4.3.2 Anpassen der Geschwindigkeit an die

Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und

Art. 4 VRV)

Der Lenkende muss sein Fahrzeug ständig so be-

herrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nach-

kommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Einer der

massgebenden Faktoren in diesem Zusammenhang

ist die Fahrgeschwindigkeit. Oft gehen Fahrzeug-

lenkende irrtümlich davon aus, beim Einhalten der

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 18 Verordnung über die Tempo-30-Zonen und Begegnungszo-

nen vom 28. September 2001, SR 741.213.3

allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten nichts zu

riskieren – weder eine Busse, eine Geld- oder Frei-

heitsstrafe noch einen Führerausweisentzug oder

einen Unfall. Art. 32 Abs. 1 SVG schreibt jedoch

Folgendes vor:

«Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen

anzupassen, namentlich den Besonderheiten von

Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Ver-

kehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug

den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren

und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor un-

übersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickba-

ren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnüber-

gängen.»

Diese Vorschrift richtet sich nicht nur an Lenker von

Motorfahrzeugen, sondern an alle Fahrzeuglen-

kende, d. h. auch an Radfahrer. Zudem gilt sie

sinngemäss für Strassenbahnführer (Art. 48 SVG),

Reiter und Führer von Tierfuhrwerken

(Art. 50 Abs. 4 SVG) sowie für die übrigen Stras-

senbenützer (Art. 1 Abs. 2 SVG).

Der in Art. 32 Abs. 1 SVG enthaltene Umstände-

Katalog ist nicht abschliessend. Die Geschwindig-

keit ist somit nicht bloss an die Besonderheiten von

Fahrzeug und Ladung sowie die Strassen-, Sicht-

und Verkehrsverhältnisse anzupassen, sondern

generell an die Umstände. Umstand im Sinn dieser

Vorschrift ist für den Fahrzeuglenker ausser der

Fahrgeschwindigkeit alles, was für die Beachtung

seiner Vorsichtspflichten relevant sein kann. Dazu

gehören auch Besonderheiten in der Person des

Fahrzeuglenkers selbst wie sein Zustand, seine

Fahrpraxis19 oder das Wetter (insbesondere im

Zusammenhang mit den Strassen- und Sichtver-

hältnissen). Der Fahrzeuglenker hat somit ständig

sämtliche relevanten Umstände auszumachen und

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 19 BGE 93 IV 29.

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46 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend seinen

Erkenntnissen über die Gesamtheit der massge-

benden Umstände so zu wählen, dass er seinen

Vorsichtspflichten nachkommen kann [18, S. 263].

Art. 32 Abs. 1 SVG wird konkretisiert durch

Art. 4 VRV [15, S. 182-184,18]:

• In Bezug auf die Anpassung der Geschwindig-

keit an die Sichtverhältnisse schreibt Abs. 1 dem

Fahrzeuglenker vor, nur so schnell zu fahren,

dass er innerhalb der überblickbaren Strecke

halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist,

muss er auf halbe Sichtweite anhalten können.

Der Grundsatz des Fahrens auf Sicht ist eine der

zentralen Vorschriften über die Fahrgeschwin-

digkeit. Er gilt gemäss bestätigter Rechtspre-

chung des Bundesgerichts auch auf Autobah-

nen, insbesondere nachts beim Fahren mit Ab-

blendlichtern20. Dass die gesetzlichen Forde-

rungen nicht immer ohne weiteres zu erfüllen

sind, zeigte Cohen am Beispiel der aus wahr-

nehmungspsychologischer Perspektive mögli-

chen Höchstgeschwindigkeiten auf, die eine

Behinderung des gleichmässigen Verkehrsflus-

ses darstellen könnten [19].

• Hinsichtlich der Anpassung der Geschwindigkeit

an die Strassenverhältnisse führt Abs. 2 aus, es

sei langsam zu fahren, wo die Strasse ver-

schneit, vereist, mit nassem Laub oder Splitt

bedeckt ist, besonders – also nicht nur – wenn

Anhänger mitgeführt werden.

• Abs. 3 verpflichtet den Fahrzeuglenker, die Ge-

schwindigkeit zu mässigen und nötigenfalls an-

zuhalten, wenn Kinder im Strassenbereich nicht

auf den Verkehr achten. Dies entspricht

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 20 BGE 126 IV 91; BGE 93 IV 115. Gemäss BGE 100 IV 279 ist

die Geschwindigkeit eines mit Abblendlicht auf der Auto-bahn fahrenden Fahrzeugs nur dann angemessen, wenn der Lenker in der Lage ist, innerhalb der kürzesten beleuch-teten Strecke anzuhalten, d. h. auf der linken Fahrbahnseite innert 50 m.

Art. 26 Abs. 2 SVG, wonach gegenüber Kin-

dern besondere Vorsicht angebracht ist.21

• Bei der Begegnung mit Tierfuhrwerken und

Tieren hat der Fahrzeuglenker gemäss Abs. 4 so

zu fahren, dass die Tiere nicht erschreckt wer-

den. Dies bedeutet, dass allenfalls die Ge-

schwindigkeit reduziert werden muss.

• Das Anpassen der Geschwindigkeit an die Ver-

kehrsverhältnisse verlangt vom Fahrzeuglenker,

langsam zu fahren, wo es die Verkehrssicher-

heit erfordert, vor allem bei dichtem und

schwer überblickbarem Verkehr. Gleichzeitig

untersagt Abs. 5, ohne zwingende Gründe so

langsam zu fahren, dass ein gleichmässiger

Verkehrsfluss behindert wird.

Ein Verstoss gegen die allgemeinen und abwei-

chend signalisierten Höchstgeschwindigkeitsvor-

schriften wird grundsätzlich über Art. 27 SVG in

Verbindung mit Art. 90 SVG geahndet, über

Art. 32 SVG nur dann, wenn die Fahrgeschwindig-

keit im Rahmen der signalisierten Höchstgeschwin-

digkeit nicht den Umständen angemessen war22.

Welche Geschwindigkeit jeweils als angemessen zu

gelten hat, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesge-

richt frei überprüft werden kann. Die Beantwor-

tung dieser Frage hängt jedoch weitgehend von

den örtlichen Verhältnissen ab. Deshalb gesteht

das Bundesgericht den kantonalen Instanzen dies-

bezüglich einen grossen Ermessensspielraum zu

und weicht von ihren Feststellungen nur dort ab,

wo es sich aufdrängt23.

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 21 BGE 129 IV 282 betreffend Sorgfaltspflichten gegenüber

Kindern im Strassenverkehr. 22 Oger BL 8.3.1988, JdT 1989 I 687 23 BGE 99 IV 227

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 47

5. Geschwindigkeit aus Sicht der

Psychologie

Auch die Verkehrspsychologie hat sich mit dem

Thema Geschwindigkeit befasst. Es gibt verschie-

dene Theorien und Modelle, die helfen können,

das Problem überhöhter bzw. unangepasster Ge-

schwindigkeit zumindest teilweise zu erklären und

Lösungsansätze zu liefern.

5.1 Lerntheorie

Zu nennen wäre etwa die Lerntheorie, vor allem

das Lernen am Modell durch das Beobachten des

Fahrens mit unangepasster Geschwindigkeit bei

anderen Motorfahrzeuglenkenden. Wenn man nun

dafür sorgt, dass es kaum oder am besten gar kei-

ne «erfolgreichen» Beispiele für zu schnelles Fah-

ren gibt, dann wird dies auch zunehmend seltener

ausgeübt. So gibt es die klassische Untersuchung

von Van Houten und Nau, bei der am Strassenrand

angezeigt wurde, wie viel Prozent der Autofahrer

die Geschwindigkeit einhalten [20]. Dabei wurde

entweder ein strenges Kriterium (nicht einhalten

der signalisierten Geschwindigkeit) oder ein wei-

ches Kriterium (mit recht grosser Toleranz) verwen-

det. Beim strengen Kriterium ergaben sich demzu-

folge geringere Prozentsätze von Personen, die die

Geschwindigkeit einhielten, beim weicheren Krite-

rium hingegen höhere Prozentsätze. Die höheren

Prozentsätze führten zu einer positiveren Verände-

rung des Geschwindigkeitsverhaltens. Das Resultat

zeigt, dass der Mensch das Verhalten anderer

nachahmt. Eine andere Interpretation könnte sein,

dass die Prozentangaben eine Art soziale Norm

darstellen (Kap. V.5.2, S. 48).

Die klassische Lerntheorie zeigt auf, dass ein Ver-

halten, das positive Konsequenzen nach sich zieht,

zunehmend häufiger ausgeübt wird. Schnell fahren

macht Spass – also macht man es immer öfter,

solange es keine negativen Konsequenzen hat.

Negative Konsequenzen sind etwa Geschwindig-

keitsbussen, Unfälle oder auch soziale Konsequen-

zen in Form von gesellschaftlicher Ächtung. Diese

Theorie erklärt auch, warum unangepasste Ge-

schwindigkeit ein häufigeres Problem ist als das

Überschreiten der Höchstgeschwindigkeiten. Für

unangepasste Geschwindigkeit wird man nur sel-

ten durch die Polizei bestraft, da man die allgemei-

nen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten

eingehalten hat. Und solange man keinen Unfall

erleidet, hat man kaum negative Konsequenzen –

höchstens mal ein Reifenquietschen oder den tem-

porären Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug.

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48 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

5.2 Theorie des geplanten Verhaltens

Die Theorie des geplanten Verhaltens ist etwas

komplexer als die verhaltenstheoretischen Modelle.

Hier wird davon ausgegangen, dass sich das Ver-

halten aus den verschiedenen Komponenten der

Grafik in Abbildung 4 ergibt: verschiedene Vorstel-

lungen (beliefs), Einstellungen, Normen und Wahr-

nehmungen. All diese beeinflussen die Verhaltens-

absicht. Letztere bestimmt dann, solange man

nicht gehindert wird, das Verhalten.

Die empirischen Resultate unterstreichen besonders

die Bedeutung der persönlichen Norm, d. h. des

Gefühls, ob das, was man tut, richtig oder falsch

ist. Dies konnte für verschiedene Arten des Fehl-

verhaltens im Strassenverkehr bestätigt wer-

den [21]. Interessant ist in diesem Zusammenhang,

dass bei der vom Bundesamt für Statistik (BFS)

zusammen mit der bfu alle 2 Jahre durchgeführten

Befragung der Motorfahrzeuglenkenden eine weit-

aus grössere Akzeptanz für Geschwindigkeits- als

für Alkoholdelikte besteht. So wird Fahren in ange-

trunkenem Zustand von 59 % der Befragten als

kriminell beurteilt. Aber nur 15 % vertreten diese

Meinung bezüglich des Überschreitens der Höchst-

geschwindigkeiten. Die soziale Norm bezüglich FiaZ

(Fahren in angetrunkenem Zustand) ist also deut-

lich strenger als bezüglich zu schnellem Fahren.

Dieses Modell bietet viele Ansatzpunkte für Inter-

vention. Man kann praktisch an allen «Stellschrau-

ben» drehen. So könnte man versuchen, die ge-

sellschaftlichen Normen zu verändern (von «Zu

schnell fahren ist ein Kavaliersdelikt» zu «Schnell-

fahrer sind doofe Proleten»), was einen Einfluss auf

die subjektive Norm hat («Ich bin kein doofer Pro-

let, also fahre ich auch nicht zu schnell»), wodurch

die Verhaltensabsicht («Ich will nicht zu schnell

fahren») und das Verhalten («Ich fahre nicht zu

schnell») geändert werden. Ähnliche Szenarien

sind auch für die Vorstellungen von Verhalten und

Kontrolle denkbar. Daher ist dieses Modell gut

geeignet, theoretische Grundlagen beispielsweise

für Präventionskampagnen zu liefern.

Abbildung 4 Darstellung des Modells des geplanten Verhaltens

Quelle: Parker et al. [21]

Page 51: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht 49

5.3 Das Risk Speed Model von Taylor

(1964)

Das Risiko-Geschwindigkeits-Modell von Taylor aus

dem Jahr 1964 (zitiert nach [22]) geht davon aus,

dass sich das Fahrverhalten aus dem Zusammen-

hang zwischen subjektivem Risiko und der Fahrge-

schwindigkeit ergibt. Je stärker das wahrgenom-

mene Risiko ist, umso mehr wird die Fahrge-

schwindigkeit reduziert. Das Produkt aus subjekti-

vem Risiko und Fahrgeschwindigkeit soll also kon-

stant gehalten werden. Es kann auch Ausnahmen

von dieser Regel geben, z. B. wenn man schneller

fährt, um einer riskanten Situation zu entkommen.

Es handelt sich bei Taylors Modell um einen Vorläu-

fer des bekannten und umstrittenen Risikohomö-

ostase-Modells von Wilde.

5.4 Contagion Model of Speeding

Connolly und Aberg argumentieren, dass das Ge-

schwindigkeitsverhalten nur teilweise durch die

Einstellung zur Geschwindigkeit, den Vorstellungen

über die Konsequenzen des zu schnell Fahrens und

den Geschwindigkeitskontrollen der Polizei be-

stimmt wird [23]. Sie gehen davon aus, dass die

eigene Geschwindigkeit durch den Vergleich mit

derjenigen anderer Fahrer bestimmt wird. Sie nen-

nen dies das Ansteckungsmodell des zu schnellen

Fahrens. In Modellrechnungen führen sie vor, dass

– falls das Modell stimmt – durch das positive Be-

einflussen (Verlangsamung) einiger Fahrer, andere

Fahrer durch Nachahmung ebenfalls ihr Geschwin-

digkeitsverhalten verlangsamen. Auch legen die

Autoren einige empirische Belege für ihr Anste-

ckungsmodell vor: Fahrzeuge, die zur selben Zeit

am selben Ort sind, sind auffallend häufig mit der-

selben Geschwindigkeit unterwegs.

5.5 Persönlichkeitstheorie

Die Persönlichkeitstheorie befasst sich mit den

stabilen psychischen Merkmalen des Menschen.

Besonders hervorgetan hat sich dabei das Fünf-

Faktoren Modell. Es geht davon aus, dass sich der

Charakter des Menschen in fünf verschiedene Fak-

toren aufteilen lässt. Jeder Mensch hat dabei auf

jedem dieser Faktoren eine bestimmte Ausprä-

gung. Die Faktoren sind:

• Neurotizismus

• Extraversion

• Offenheit für Erfahrungen

• Verträglichkeit

• Gewissenhaftigkeit

Neurotizismus (was auch Ängstlichkeit beinhaltet)

erwies sich als ein Faktor, der positiv mit Verkehrs-

sicherheit zusammenhängt. Offenheit für Erfah-

rung hingegen weist einen negativen Zusammen-

hang auf. Leider kann man daraus keine (Primär-)

Präventionsstrategie entwickeln. Einerseits sind die

Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Un-

fallgeschehen nicht stark genug, weil im Strassen-

verkehr vieles situativ bedingt ist. Darüber hinaus

sind auch die Testverfahren nicht gut genug um

beispielsweise Personen mit auffälligen Persönlich-

keitsmerkmalen aus dem Strassenverkehr präventiv

zu entfernen (Kap. IV, S. 35).

Den umgekehrten Fall aber gibt es natürlich. Per-

sonen, die im Verkehr auffällig geworden sind,

werden unter Umständen einer verkehrspsycholo-

gischen Begutachtung unterzogen, um festzustel-

len, ob die charakterliche Eignung zum Führen

eines Fahrzeugs gegeben ist.

In der Schweiz wurde für diesen Zweck beispiels-

weise der Test zur Erfassung verkehrsrelevanter

Page 52: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

50 Geschwindigkeit aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Persönlichkeitsmerkmale (TVP) von Spicher und

Hänsgen entwickelt [24].

Ein weiteres Modell, das in der Verkehrssicher-

heitsarbeit immer wieder diskutiert wird, ist das

Sensation Seeking. Die Theorie stammt von Zu-

ckerman. Er geht davon aus, dass es genetisch

bedingte Unterschiede bei den Menschen hinsicht-

lich ihres Bedürfnisses nach neuen und/oder inten-

siven Reizen gibt. Die von ihm entwickelte Sensati-

on Seeking Scale lässt sich in vier Dimensionen

aufteilen [25]:

1. «Thrill and adventure seeking»: Körperlich ris-

kante Aktivitäten (beispielsweise Klettern, Fall-

schirmsprung)

2. «Experience seeking»: Abwechslung durch

unkonventionellen Lebensstil (Reisen, Musik,

Drogen)

3. «Disinhibition (dt.: «Enthemmung») seeking»:

Abwechslung durch soziale Stimulation (Party,

Promiskuität, soziales Trinken)

4. «Boredom susceptibility» (dt.: «Anfälligkeit für

Langeweile»): Abneigung gegenüber Lange-

weile und Neigung zur Unruhe, wenn die Um-

welt keine Abwechslung mehr bietet.

Insbesondere die Dimensionen 1 und 4 sowie allen-

falls auch noch 2 und 3 (wegen der psychoaktiven

Substanzen) könnten negative Einflüsse auf das

Geschwindigkeitsverhalten haben. Erfreulich hin-

gegen ist, dass, wie Tay et al. aufzeigten, ein nega-

tiver Zusammenhang zwischen Alter und Sensation

Seeking besteht, d. h. dass mit zunehmendem

Alter diese spezifische Form der Unangepasstheit

nachlässt, genauso wie wir es auch für das Ge-

schwindigkeitsverhalten finden [26].

6. Fazit

Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwin-

digkeit um ein komplexes Thema bei dem ver-

schiedene Disziplinen involviert sind. Die Verkehrs-

technik bietet wichtige Möglichkeiten zur Anpas-

sung der Strassen an die gewünschten Fahrge-

schwindigkeiten, das Rechtssystem gibt den ge-

setzlichen Handlungsrahmen vor und kann allfälli-

ge Verstösse ahnden (Kap. VII.4.2, S. 72). Die Psy-

chologie schliesslich zeigt auf der Grundlage von

verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie das

Geschwindigkeitsverhalten der Motorfahrzeuglen-

kenden beeinflusst wird und verändert werden

kann. Eine abschliessende Bewertung darüber,

welche psychologische Theorie am «besten» ist, ist

nicht möglich. Aber es ist offensichtlich, dass Theo-

rien, die Interventionsmöglichkeiten aufzeigen für

die Prävention geeigneter sind als andere, die ein

Menschenbild mit wenig Veränderungspotenzial

beinhalten.

Für eine erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit im

Bereich Geschwindigkeit ist eine Verknüpfung der

verschiedenen Interventionsmöglichkeiten nötig.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 51

VI. Unfallgeschehen

1. Datenlage

Die folgenden Auswertungen der Geschwindig-

keitsunfälle basieren auf Daten der polizeilich re-

gistrierten Strassenverkehrsunfälle des Bundesamts

für Statistik (BFS) [27]. Für jedes an einem Unfall

beteiligte Fahrzeug kann die Polizei bis zu

3 mögliche Mängel/Einflüsse aus einem Katego-

riensystem registrieren. In der internationalen Lite-

ratur werden zwei verschiedene Arten von Ge-

schwindigkeitsüberschreitungen unterschieden: die

«excess speed», also schneller als die erlaubte

Höchstgeschwindigkeit und die «inappropriate

speed», eine nicht den Verhältnissen angepasste

Geschwindigkeit. Auch im schweizerischen Unfall-

aufnahmeprotokoll gibt es verschiedene Arten der

Unfallursache Geschwindigkeit. Eine davon ist das

Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit: «Über-

schreiten der gesetzlichen oder signalisierten

Höchstgeschwindigkeit (Mangel 414)». Fünf weite-

re Arten beinhalten eine Art von geschwindigkeits-

bezogenem Fehlverhalten ohne dass die gesetzli-

che Höchstgeschwindigkeit überschritten wurden:

«Nichtanpassen an die Linienführung (410)»,

«Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse (411)»,

«Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse (412)»,

«Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse (413)» und

«Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der

Geschwindigkeit (419)».

Bei der Analyse des Unfallgeschehens auf der Basis

der polizeilich registrierten Daten muss bedacht

werden, dass eine erhebliche Dunkelziffer besteht.

Schätzungen gehen von 3,5-mal mehr Unfällen

aus, als registriert werden [28]. Ob ein Unfall von

der Polizei registriert wird, ist von zwei zentralen

Faktoren abhängig: dem Unfalltyp und den Unfall-

folgen. Eher registriert werden Kollisionen, bei

denen andere Verkehrsteilnehmende beteiligt wa-

ren. Selbstunfälle oder Alleinunfälle weisen eine

deutlich höhere Dunkelziffer auf. Der zweite ent-

scheidende Faktor ist die aus dem Unfall resultie-

rende Verletzung. Je schwerwiegender diese ist,

desto eher werden Unfälle erfasst. Bei Unfällen mit

Todesfolge ist deshalb mit einer annähernd vollum-

fänglichen Registrierung zu rechnen. Unfälle auf-

grund von überhöhter oder unangepasster Fahrge-

schwindigkeit haben oft schwere oder sogar tödli-

che Verletzungen zur Folge. Daher ist zumindest

bei diesen mit einer geringeren Dunkelziffer zu

rechnen.

Gleichzeitig muss aber auch berücksichtigt werden,

dass die Polizei an der Unfallstelle ein Geschwin-

digkeitsvergehen nicht immer zweifelsfrei feststel-

len kann. Die Bedeutung von Geschwindigkeit als

Unfallursache wird damit insgesamt unterschätzt.

Nach einem Überblick über die Unfälle seit 1992

werden die Unfälle der letzten 5 Jahre analysiert.

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52 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

2. Unfallgeschehen 1992–2008

Seit dem Jahr 1992 wurden bei Unfällen mit mögli-

chem Geschwindigkeitseinfluss durchschnittlich

4800 Personen leicht, 1500 Personen schwer und

222 Personen tödlich verletzt (Tabelle 3). Die Ent-

wicklung zeigt für alle Verletzungskategorien ab-

nehmende Trends. Gegenüber 1992 hat die Anzahl

der Leichtverletzten um 22 %, die der Schwerver-

letzten um 47 % und die der Getöteten bei Ge-

schwindigkeitsunfällen um 59 % abgenommen

(Abbildung 5). Diese Abnahme spiegelt gleichzeitig

den generellen Rückgang der Verkehrsopfer in den

letzten 17 Jahren wieder. Die Anteile der durch

Geschwindigkeit geforderten Opfer an allen Perso-

nenschäden bleiben damit über diesen Zeitraum

relativ stabil. Bei den Schwerverletzten sind es

durchschnittlich 25 %, bei den Getöteten etwa

40 % aller im Strassenverkehr geforderten Opfer

(Abbildung 6). Der Anteil der differenzierten Ge-

schwindigkeitseinflüsse bleibt über die Zeit nicht in

allen Fällen stabil: Während bei Unfällen mit

Schwerverletzten das «Nichtanpassen an die Li-

nienführung» mit rund 40 % und «Nichtanpassen

an die Strassenverhältnisse» mit 33 % gleichblei-

bend die häufigsten Geschwindigkeitseinflüsse

sind, zeigt sich bei der Überschreitung der Höchst-

geschwindigkeit ein deutlicher Rückgang (Tabelle

4). Nichtanpassen an die Verkehrs- oder Sichtver-

hältnisse und «anderes Fehlverhalten» machen

zusammen weniger als ein Drittel der Unfälle mit

schweren Personenschäden aus. Bei Unfällen mit

Getöteten verläuft die Entwicklung entsprechend.

Bei diesen ist aber das Überschreiten der Höchstge-

schwindigkeit für einen höheren Anteil der Unfälle

verantwortlich.

Abbildung 5 Entwicklung der Verletzten und Getöteten bei Unfällen mit Geschwindigkeitseinfluss (indexiert), 1992–2008

0

20

40

60

80

100

120

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete

Abbildung 6 Anteil durch Geschwindigkeitseinfluss Schwerverletzter und Getöteter an allen Strassenverkehrsopfern, 1992–2008

0%

10%

20%

30%

40%

50%

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Anteil an Schwerverletzten Anteil an Getöteten

Quelle: BFS

Tabelle 3 Personenschäden bei Geschwindigkeitsunfällen, 1992–2008

Unfalljahr Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete 1992 5 064 2 100 3591993 4 995 1 907 3211994 5 067 1 659 2651995 5 004 1 788 2541996 4 461 1 504 2431997 4 325 1 488 2151998 5 043 1 606 2201999 5 634 1 741 2292000 5 224 1 604 2292001 5 269 1 634 2022002 5 095 1 408 2072003 4 942 1 525 2192004 4 840 1 387 2192005 4 629 1 248 1782006 4 310 1 295 1352007 4 108 1 223 1342008 3 960 1 109 147

Quelle: BFS

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 53

Tabelle 4 Anteile einzelner Geschwindigkeitsmängel bei Geschwindigkeitsunfällen

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Unfälle mit Schwerverletzten

Nichtanpassen an die Linienführung

39% 43% 40% 38% 41% 44% 43% 44% 43% 42% 44% 47% 42% 40% 42% 47% 42%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

35% 33% 32% 37% 33% 30% 34% 36% 32% 34% 30% 27% 35% 35% 31% 29% 33%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

7% 8% 9% 7% 8% 8% 9% 6% 9% 8% 8% 8% 6% 8% 8% 7% 8%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

9% 8% 8% 7% 7% 7% 7% 7% 8% 8% 6% 5% 6% 5% 6% 6% 7%

Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchst-geschwindigkeit

23% 19% 21% 19% 17% 20% 16% 18% 17% 16% 19% 19% 18% 13% 11% 15% 14%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

4% 4% 4% 6% 4% 5% 5% 5% 6% 6% 8% 7% 8% 9% 13% 9% 9%

Unfälle mit Getöteten

Nichtanpassen an die Linienführung

40% 45% 38% 37% 46% 48% 44% 44% 46% 43% 45% 53% 50% 51% 47% 47% 48%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

29% 25% 26% 24% 28% 31% 31% 31% 23% 24% 30% 17% 21% 18% 24% 18% 23%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

5% 6% 7% 3% 6% 2% 4% 3% 5% 4% 3% 4% 5% 5% 6% 6% 2%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

14% 8% 12% 9% 9% 11% 7% 10% 9% 13% 11% 11% 10% 6% 7% 10% 9%

Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchst-geschwindigkeit

29% 30% 33% 36% 25% 28% 29% 26% 29% 23% 23% 29% 33% 35% 27% 29% 25%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

4% 5% 5% 6% 8% 8% 7% 10% 9% 10% 7% 7% 8% 9% 13% 10% 7%

Quelle: BFS

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54 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

3. Das aktuelle Unfallgeschehen

(2004–2008)

In den letzten 5 Jahren ereigneten sich durch-

schnittlich 1200 Unfälle mit schweren Personen-

schäden (Unfälle mit Schwerverletzten oder Getö-

teten) mit der Ursache Geschwindigkeit pro Jahr.

Bei diesen waren rund 700 Personenwagen betei-

ligt. Damit waren in 60 % aller schweren

Geschwindigkeitsunfälle Personenwagen beteiligt

(Tabelle 5). Die zweithäufigste Fahrzeugkategorie

sind die Motorräder (31 %). Liefer-, Lastwagen und

Sattelschlepper sind dagegen eher selten vertreten.

Wird der Anteil mit Geschwindigkeitsmangel ver-

sehener Fahrzeuge bei allen schweren Unfällen

betrachtet, ändert sich das Bild: Bei allen in schwe-

re Unfälle verwickelten Personenwagen wird in 16

von Hundert Fällen der Mangel Geschwindigkeit

vergeben. Bei den Motorrädern liegt dieser Anteil

je nach Motorradkategorie zwischen 15 % bei den

Kleinmotorrädern und 28 % bei den Motorrädern

mit mehr als 125 cm3.

Im Zeitraum 2004–2008 wurden bei Geschwindig-

keitsunfällen pro Jahr durchschnittlich 1251 Personen

schwer verletzt und 163 getötet. Wie bereits bei den

beteiligten Fahrzeugen gezeigt wurde, sind über die

Hälfte der Opfer Personenwageninsassen und annä-

hernd 30 % Motorradfahrende. Mit rund 5 % und

6 % sind auch Fussgänger und Radfahrende betrof-

fen (Abbildung 7). Rund ein Viertel der Opfer sind

Frauen, drei Viertel Männer. Die meisten Schwerver-

letzten und Getöteten sind im Alter von 18 bis 59

Jahren (80 %), wobei jedes 5. Opfer ein Mann im

Alter von 18 bis 24 Jahren ist (Abbildung 8).

Geschwindigkeitsunfälle sind häufig Schleuder-/

Selbstunfälle. Allein 70 % aller Schwerverletzten

und Getöteten werden bei diesen gefordert

(Abbildung 9). Auffällig viele Opfer sind dabei auf

Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %). Kollisionen

fordern innerorts und ausserorts eine vergleichbare

Anzahl an Personenschäden, wobei der Anteil Ge-

töteter auf Ausserortsstrassen höher liegt. Bei den

Kollisionen sind es vor allem Streif- und Frontalkol-

lisionen, die einen hohen Opferanteil ausmachen.

Bei den Schleuder-/Selbstunfällen sind 60 % der

Schwerverletzten und Getöteten Personenwagen-

insassen, 28 % Motorradfahrer und immerhin

noch 5 % Fahrradfahrer. Aber auch Fussgänger

werden Opfer von Schleuder-/Selbstunfällen von

Fahrzeugen. Bei diesem Unfalltyp kommt es nicht

Quelle: BFS Quelle: BFS

Tabelle 5 An schweren Unfällen beteiligte Fahrzeuge mit Mangel Geschwindigkeit, 2004–2008

2004 2005 2006 2007 2008 Summe Durchschnitt 2004–2008

Anteil an allen Geschwindig-keitsunfällen

Anteil Fahrzeuge mit Geschwindigkeitsmangel

in allen schweren Unfällen Personenwagen 842 728 722 617 652 3 561 712 59% 16%

Lieferwagen 34 26 35 29 19 143 29 2% 11%

Lastwagen 13 6 12 8 18 57 11 1% 7%

Sattelschlepper 5 5 6 6 8 30 6 0% 11%

Motorfahrrad 18 16 16 23 7 80 16 1% 8%

Kleinmotorrad 33 40 23 35 12 143 29 2% 15%

Motorrad bis 125 cm3 109 93 96 109 83 490 98 8% 17%

Motorrad über 125 cm3 235 240 260 248 247 1 230 246 20% 28%

Fahrrad 70 76 76 75 72 369 74 6% 8%

Andere 23 23 40 29 25 140 28 2% 10%

Total Schwere Ge-schwindigkeitsunfälle

1 333 1 218 1 224 1 152 1 078 6 005 1 201 104%

Quelle: BFS Quelle: BFS Quelle: BFS

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 55

direkt zu einer Kollision zwischen Fahrzeug und

Fussgänger. Der Fussgänger wird vielmehr Opfer

eines bereits schleudernden Fahrzeugs. Im Durch-

schnitt werden dabei pro Jahr 7 Fussgänger schwer

verletzt und 2 getötet. Bei direkten Kollisionsunfäl-

len sind Fussgänger entsprechend häufiger unter

den Opfern zu finden: Jährlich werden 56 schwer

verletzt und 10 getötet (16 % aller schweren Per-

sonenschäden bei Kollisionen).

Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstun-

fällen sind es meist die Nutzer der Fahrzeuge mit

Geschwindigkeitsmangel selbst, die verletzt oder

getötet werden. In allen Unfällen mit Beteiligung

von Personenwagen mit dem Mangel Geschwin-

digkeit sind drei Viertel der Opfer die Personenwa-

geninsassen selbst. Jedes 6. ist Insasse eines weite-

ren beteiligten Personenwagens, jedes 15. ein

Fussgänger. Bei Unfällen mit Beteiligung von Mo-

torrädern zeigt sich ein anderes Verhältnis: Hier

sind 95 % der Opfer die Motorradfahrer selbst und

2 % Fussgänger. Mit jeweils etwa 1 % sind andere

Motorrad-, und Fahrradfahrende sowie Personen-

wageninsassen vertreten. Einer der Gründe für

dieses Verhältnis zwischen Motorrad- und Perso-

nenwagenunfällen ist die höhere Vulnerabilität der

Motorradfahrenden.

Abbildung 9 Schwerverletzte und Getötete bei Geschwindigkeitsunfällen nach Unfalltyp und Ortslage, Ø 2004–2008

12

89

534

252

35

163

167

1

12

80

26

5

26

13

0 100 200 300 400 500 600 700

Andere (z. B. Tierunfall)

Autobahn

Ausserorts

Innerorts

Autobahn

Ausserorts

Innerorts

Schl

eude

r-/S

elbs

tunf

all

Kolli

sion

mit

ande

rem

Ve

rkeh

rste

ilneh

mer

Schwerverletzte Getötete

Abbildung 7 Schwerverletzte und Getötete bei Geschwindigkeitsunfällen nach Verkehrsteilnahme, Ø 2004–2008

Abbildung 8 Schwerverletzte und Getötete bei Unfällen mit Geschwindig-keitseinfluss nach Alter und Geschlecht, Ø 2004–2008

18

58

63

78

355

681

2

10

11

5

41

94

0 200 400 600 800

Motorfahrrad

Andere

Fussgänger

Fahrrad

Kleinmotorräder/Motorräder

Personenwagen

Schwerverletzte Getötete

2

14

19

59

101

166

102

158

137

78

47

16

8

1

1

5

14

29

17

21

18

13

8

5

3

4

6

9

27

24

55

31

56

57

36

19

15

6

1

3

2

3

3

3

4

2

2

2

1

200 175 150 125 100 75 50 25 25 50 75

0–4

5–9

10–14

15–17

18–19

20–24

25–29

30–39

40–49

50–59

60–69

70–79

80+

Schwer verletzte Männer Getötete MännerSchwer verletzte Frauen Getötete Frauen

Quelle: BFS Quelle: BFS

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56 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Von den einzelnen Geschwindigkeitseinflüssen

fordern insbesondere Unfälle, bei denen «Nichtan-

passen an die Linienführung» bemängelt wurde,

schwere Personenschäden. Das Überschreiten der

Höchstgeschwindigkeit liegt mit rund 204 Schwer-

verletzten und 51 Getöteten jährlich an dritter

Stelle (Abbildung 10).

Um die speziellen Bedingungen von Geschwindig-

keitsunfällen aufzuzeigen, werden diese im Fol-

genden mit allen anderen Unfällen verglichen. Es

werden nur Unfälle mit schweren Personenschäden

betrachtet. Der Unfall muss also zumindest eine

schwer verletzte oder eine getötete Person gefor-

dert haben. Neben der allgemeinen Ursache Ge-

schwindigkeit, werden auch die Anteile der diffe-

renzierten Geschwindigkeitsmängel angegeben.

Die Bedeutung der Schleuder-/Selbstunfälle wurde

bereits bei den schweren Personenschäden bei

Geschwindigkeitsunfällen deutlich. Von diesen

schweren Unfällen wird annähernd der Hälfte die

Ursache Geschwindigkeit zugeordnet (Tabelle 6).

Bei den Kollisionen sind es lediglich 11 %. Vor

allem das Nichtanpassen an die Linienführung oder

die Strassenverhältnisse ist für diesen hohen Anteil

verantwortlich. Ausserorts werden 39 %, auf Au-

tobahnen 36 % und Innerorts 14 % aller schweren

Unfälle mit dem Mangel Geschwindigkeit verse-

hen. Das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit

spielt dabei innerorts und auf Autobahnen eine

grössere Rolle als ausserorts (Tabelle 7).

Tabelle 6 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an allen Unfällen mit schweren Personenschäden nach Unfalltyp, Ø 2004–2008

Schleuder-/ Selbstunfall

Kollision mit anderem Verkehrs-teilnehmer

Andere (z. B.

Tierunfall)

Alle Geschwindigkeitsmängel 47% 11% 6%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

50% 27% 17%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

36% 21% 23%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

2% 19% 11%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

3% 13% 14%

Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

15% 19% 15%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

9% 10% 29%

Tabelle 7 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeiteinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Ortslage, Ø 2004–2008

Innerorts Ausserorts Autobahn Alle Geschwindigkeitsmängel 14% 39% 36%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

35% 52% 22%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

26% 34% 36%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

11% 3% 15%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

8% 5% 10%

Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

19% 14% 20%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

11% 8% 16%

Abbildung 10 Anzahl Schwerverletze und Getötete nach Geschwindigkeits-einfluss, Ø 2003–2008

74

92

121

204

410

532

13

7

16

51

34

77

0 100 200 300 400 500 600 700

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang

mit der Geschwindigkeit

Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten

Höchstgeschwindigkeit

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

Nichtanpassen an die Linienführung

Schwerverletzte Getötete

Quelle: BFS Quelle: BFS

Page 59: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 57

Geschwindigkeit ist vor allem in Kurvenbereichen

ein Problem. In der Hälfte aller Unfälle in Kurvenbe-

reichen wird die Geschwindigkeit, vor allem das

Nichtanpassen an die Linienführung bemängelt.

Auf geraden Strecken stehen die Strassenverhält-

nisse an erster Stelle (Tabelle 8). Das Nichtanpassen

an die Strassenverhältnisse wird bei Unfällen bei

Schneefall in 9 von 10 Geschwindigkeitsunfällen,

bei Regen in 7 von 10 bemängelt (Tabelle 9). Abso-

lut gesehen spielen Unfälle bei Schneefall aber eine

untergeordnete Rolle.

In der Nacht wird ein höherer Anteil an schweren

Geschwindigkeitsunfällen registriert. Auch hier sind

das Nichtanpassen an die Linienführung und die

Strassenverhältnisse stark vertreten. Auffallend ist

gegenüber Unfällen bei Tag und in der Dämme-

rung der erhöhte Anteil an Unfällen mit Geschwin-

digkeitsübertretung (Tabelle 10).

Quelle: BFS

Tabelle 10 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Tageszeit, Ø 2004–2008

Tag Dämmerung Nacht Alle Geschwindigkeitsmängel 20% 25% 33%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

46% 34% 40%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

30% 42% 33%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

9% 6% 4%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

4% 5% 10%

Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstge-schwindigkeit

13% 15% 21%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

10% 9% 8%

Tabelle 9 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Witterung, Ø 2004–2008

Keine Niederschläge

Regen Schneefall Andere

Alle Geschwindigkeitsmängel

22% 27% 68% 31%

Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

48% 27% 12% 26%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

21% 68% 93% 84%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

8% 5% 1% 5%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

6% 11% 5% 0%

Überschreiten der gesetzlichen oder signali-sierten Höchstgeschwin-digkeit

18% 9% 2% 5%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

11% 5% 1% 5%

Tabelle 8 Anteil Unfälle mit Geschwindigkeitseinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Unfallstelle, Ø 2004–2008

Gerade Strecke

Kurve Einmündung Kreuzung Platz / Verkehrsfläche

Parkplatz / Nebenanlage

Andere

Alle Geschwindigkeitsmängel 17% 51% 10% 9% 6% 6% 9%

Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung 16% 59% 38% 36% 21% 17% 46%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 34% 32% 22% 24% 29% 33% 18%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 16% 2% 14% 15% 21% 8% 0%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 12% 3% 7% 9% 14% 17% 9%

Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

17% 15% 22% 16% 0% 13% 18%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

14% 7% 10% 10% 29% 25% 18%

Quelle: BFS Quelle: BFS

Quelle: BFS

Page 60: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

58 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Bei den an schweren Unfällen beteiligten Fahrzeu-

gen wird insbesondere bei den Motorradlenkenden

die Geschwindigkeit bemängelt. Beim differenzier-

ten Mangel «Überschreiten der gesetzlichen oder

signalisierten Höchstgeschwindigkeit» liegen diese

aber noch hinter den Personenwagenlenkenden

zurück (Tabelle 11).

Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglen-

ker, die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen an-

passen oder die Höchstgeschwindigkeit übertreten

eher Männer und Personen im Alter von 18 bis 24

Jahre: Mit steigendem Alter nimmt nicht nur der

Anteil an Geschwindigkeitsunfällen insgesamt ab,

sondern vor allem auch die Häufigkeit der Unterka-

tegorie «Übertretung der Höchstgeschwindigkeit»

(Tabelle 12). Werden die Motorfahrzeuglenkenden

nach Geschlecht differenziert, zeigt sich, dass

Männer allgemein einen höheren Anteil Geschwin-

digkeitsunfälle haben und zudem häufiger die

Höchstgeschwindigkeit übertreten. Bei Frauen als

Lenkerinnen ist das Nichtanpassen an die Strassen-

verhältnisse häufiger vertreten (Tabelle 13).

Tabelle 12 Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfäl-len beteiligten Lenker nach Alter, Ø 2004–2008

18–24 25–44 45–64 65–74 75+ Alle Geschwindigkeitmängel 29% 16% 10% 8% 6%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

46% 39% 41% 37% 48%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

31% 34% 34% 38% 31%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

5% 8% 9% 10% 12%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

5% 8% 8% 8% 12%

Überschreiten der gesetzli-chen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

25% 16% 6% 4% 2%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

6% 10% 12% 12% 6%

Tabelle 13 Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfäl-len beteiligten Lenker nach Geschlecht, Ø 2004–2008

Männer Frauen Alle Geschwindigkeitsmängel 17% 11%Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung 44% 33%Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 29% 51%Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 7% 8%Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 7% 9%Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

18% 7%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

10% 7%

Tabelle 11 Anteil Fahzeuge mit Geschwindigkeitsmangel an alle Fahrzeu-gen in schweren Unfällen nach Fahrzeugart, Ø 2004–2008

Personen-wagen

Klein-motor-räder/

Motorräder

Liefer-wagen

Last-wagen/ Sattel-

schlepper Alle Geschwindigkeits-mängel

16% 23% 11% 8%

Anteil einzelner Mängel an allen Geschwindigkeitsunfällen Nichtanpassen an die Linienführung

37% 54% 25% 32%

Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse

39% 20% 47% 33%

Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse

7% 8% 13% 10%

Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse

8% 4% 10% 17%

Überschreiten der gesetz-lichen oder signalisierten Höchstgeschwindigkeit

19% 15% 8% 14%

Anderes Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit

7% 10% 11% 21%

Quelle: BFS Quelle: BFS

Page 61: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 59

4. Fazit

Im Zeitraum von 1992–2008 hat die Anzahl von

Geschwindigkeitsunfällen mit Personenschäden

entsprechend der allgemeinen Entwicklung des

Unfallgeschehens abgenommen. Die grosse Bedeu-

tung der Geschwindigkeit als Unfallursache bleibt

trotzdem bestehen. Auch heute werden 25 % aller

Schwerverletzten und 40 % aller Getöteten im

Strassenverkehr durch nicht angepasste oder über-

höhte Geschwindigkeit gefordert. In absoluten

Zahlen sind dies pro Jahr 1251 Schwerverletzte und

163 Getötete.

Mehr als zwei Drittel aller Opfer von Geschwindig-

keitsunfällen werden bei Schleuder-/Selbstunfällen

gefordert. Geschwindigkeit ist vor allem bei Ausse-

rortsunfällen und Unfällen in Kurvenbereichen

häufige Ursache. Auch nachts zeigt sich ein erhöh-

ter Anteil von Geschwindigkeitsunfällen. Besonders

häufig werden Motorradfahrer bemängelt, an

zweiter Stelle stehen PW-Lenker. Unter den be-

mängelten Motorfahrzeuglenkenden sind überpro-

portional Männer und Personen im Alter von 18 bis

24 Jahre vertreten.

Page 62: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

60 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

VII. Massnahmen zum Geschwindigkeits-management

1. Einleitung

Der Umgang mit dem Thema bzw. Problem Ge-

schwindigkeit läuft oft unter dem Begriff Ge-

schwindigkeitsmanagement [6,29,30]. Dabei wer-

den meist die folgenden Punkte angesprochen:

Höchstgeschwindigkeiten, Polizeikontrollen und

Rechtsprechung, Strasseninfrastruktur, Fahrzeug-

technik, Risikogruppen bzw. der Umgang mit die-

sen mittels Verkehrserziehung, Ausbildung und

Information.

Aus der Literatur sind viele Faktoren bekannt, die

die Geschwindigkeitswahl beeinflussen. Eine Zu-

sammenstellung des European Transport Safety

Council [31] aus dem Jahr 1995 setzt sich aus

strassen-, fahrzeug-, verkehrs-, umwelt- und len-

kerbezogenen Faktoren zusammen:

Strasse:

• Breite

• Längsneigung

• Ausrichtung

• Umgebung

• Gestaltung

• Markierung

• Qualität des Belags

Fahrzeug:

• Fahrzeugtyp

• Leistungsgewicht

• Höchstgeschwindigkeit

• Komfort

Verkehr:

• Dichte

• Zusammensetzung

• Vorherrschende Geschwindigkeit

Umwelt:

• Wetter

• Strassenzustand

• Lichtverhältnisse

• Signale

• Höchstgeschwindigkeit

• Polizeikontrollen

Motorfahrzeuglenkende:

• Alter

• Geschlecht

• Reaktionszeit

• Einstellungen

• Suche nach Nervenkitzel («sensation seeking»)

• Risikoakzeptanz

• Risikowahrnehmung

• Alkoholniveau

• Motorfahrzeugbesitz

• Umstände der Fahrt

• Anzahl Passagiere

Eine wohl wünschenswerte Gewichtung der Risiko-

faktoren nach ihrer relativen Bedeutung nehmen

die Autoren nicht vor.

2. Höchstgeschwindigkeit

Die Höchstgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit

mit der man rechtlich gesehen auf einer Strasse

unter optimalen Verkehrs-, Wetter- und Strassen-

Page 63: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 61

verhältnissen unterwegs sein darf. Aber auch bei

Einhaltung der allgemeinen oder signalisierten

Höchstgeschwindigkeit ist der Motorfahrzeuglen-

kende noch nicht aus der Pflicht. Er muss sein Ge-

schwindigkeitsverhalten an die jeweiligen Bedin-

gungen wie Verkehrs-, Strassen- und Wetterver-

hältnisse anpassen. Letztlich gibt der Gesetzgeber

nur vor, unterhalb welcher Höchstgrenze sich das

Geschwindigkeitsverhalten abzuspielen hat.

Davon abzugrenzen ist die Geschwindigkeit, für die

die Strasse gebaut worden ist. Hier handelt es sich

um die sogenannten Ausbau- bzw. Projektierungs-

geschwindigkeiten. Von der Theorie her sollten

Ausbau- und Projektierungsgeschwindigkeit, all-

gemeine oder signalisierte Höchstgeschwindigkeit

und tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mög-

lichst nah beieinander sein. Allerdings gibt es empi-

rische Resultate, die darauf hinweisen, dass das

Unfallgeschehen verringert werden kann, wenn die

erlaubte Höchstgeschwindigkeit geringer ist als die

Ausbau- bzw. Projektierungsgeschwindigkeit, d. h.

wenn die Strasse eine gewisse Geschwindigkeitsto-

leranz bietet. Dies dürfte auch der Grund dafür

sein, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in

den USA in den allermeisten Fällen sogar deutlich

unter der V85 liegt, also der Geschwindigkeit, die

von 85 % der Motorfahrzeuglenkenden nicht

überschritten wird.

3. Motorfahrzeuglenkende

Merkmale der Motorfahrzeuglenkenden haben

einen ganz erheblichen Einfluss darauf, ob mit

angemessener Geschwindigkeit gefahren wird oder

nicht. Einige der wichtigen Faktoren wurden be-

reits in Kap. V.5, S. 47 erwähnt.

3.1 Alter

Unangemessene Geschwindigkeit ist ein Problem

der eher jüngeren Motorfahrzeuglenkenden, wobei

dies relativ zu verstehen ist. Es handelt sich dabei

nicht nur um die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen,

sondern um Lenkende bis ca. Mitte 30. Es ist aller-

dings nicht ausgeschlossen, dass dem problemati-

schen Geschwindigkeitsverhalten der ganz Jungen

und der Erwachsenen unterschiedliche Ursachen

zugrunde liegen. Im einen Fall dürfte es sehr viel

mit dem entwicklungspsychologischen Stand der

jungen Leute zu tun haben. Bei den anderen hin-

gegen ist die Entwicklung eigentlich abgeschlos-

sen, aber die Grenzerfahrung wird noch immer

gesucht.

Das Risikoverhalten der Jugendlichen und jungen

Erwachsenen wird auf eine Kombination von ver-

schiedenen Faktoren zurückgeführt. Genannt wer-

den beispielsweise das Pubertätsalter, hormonelle

Fluktuationen und genetische Faktoren neben psy-

chologischen Faktoren wie Selbstwahrnehmung,

Beziehungen zu den Gleichaltrigen («peers»), Er-

ziehungsstil der Eltern und andere psychosoziale

Faktoren. Comsis Corporation und The Johns Hop-

kins University [32] weisen darauf hin, dass Theo-

rien, die nur einen Aspekt der menschlichen Ent-

wicklung berücksichtigen, der Komplexität des

Phänomens nicht gerecht würden. Auch Shope

[33] sieht diverse Einflussfaktoren für das riskante

Fahrverhalten junger Motorfahrzeuglenkender. Sie

nennt Persönlichkeitsmerkmale, demographische

Faktoren, wahrgenommene Umgebung, soziale

und physische Fahrerumgebung, Entwicklungsfak-

toren und die Fahrkompetenz. In all diesen Aspek-

ten sieht sie Interventionsmöglichkeiten. Versuche

zur Änderung des Risikoverhaltens sollten auf je-

Page 64: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

62 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

den Fall theoriegestützt sein und einen möglichst

breiten Ansatz verfolgen.

Die Interventionen sollten dabei auf die jeweiligen

Zielgruppen zugeschnitten werden, da die Proble-

me je nach Alter unterschiedlich gelagert sein kön-

nen (Kap. VII.3.10, S. 65).

3.2 Geschlecht

Geschwindigkeitsdelikte sind zum allergrössten Teil

«Männersache». Sowohl bei den deskriptiven wie

bei den analytischen Auswertungen waren Lenker

gegenüber Lenkerinnen deutlich übervertreten.

Dieser Geschlechtsunterschied besteht nach wie

vor, obwohl man vermuten könnte, dass aufgrund

der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung

vermehrt auch Geschwindigkeitsdelikte durch

Frauen begangen werden. Erfreulicherweise ist dies

nicht der Fall.

Für Interventionen bedeutet dies, dass man sich vor

allem auf die Männer als Zielgruppe konzentrieren

sollte.

3.3 Reaktionszeit

Die Reaktionszeit ist stark mit dem Alter korreliert.

Je älter man wird, desto langsamer werden die

Reaktionszeiten. Andere Punkte, die die Reaktions-

zeit beeinflussen sind beispielsweise Alkohol oder

Ablenkung. Da allerdings die Geschwindigkeits-

problematik vor allem mit jüngerem Alter zu tun

hat, scheint die Reaktionszeit hier – abgesehen von

den in Kap. V.2.1.1, S. 37 genannten Punkten –

nicht sehr relevant zu sein.

3.4 Einstellungen

Die Einstellungen spielen in verschiedenen psycho-

logischen Theorien eine wichtige Rolle. Allerdings

ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und

Verhalten bei weitem nicht so klar wie man meinen

könnte. Die Kenntnis der Einstellung(en) allein

reicht meistens für eine Verhaltensprognose nicht

aus. Ohne weiter auf die komplexe Diskussion

innerhalb der Psychologie einzusteigen muss kons-

tatiert werden,

• dass es nicht einfach ist, Einstellungen zu än-

dern

• und dass dies allein nicht ausreicht, um ein

komplexes Verhalten wie die Geschwindig-

keitswahl beim Autofahren zu ändern.

Interventionen, die sich lediglich auf die Einstellun-

gen der Motofahrzeuglenkenden konzentrieren,

scheinen wenig erfolgversprechend zu sein. Kom-

plexe Modelle wie beispielsweise das von Shope

[33] oder die Theorie des geplanten Verhaltens

können hier eher helfen.

Shope schlägt beispielsweise folgende Interventio-

nen für Neulenkende generell (nicht nur bezogen

auf die Geschwindigkeit) vor (Abbildung 11):

• Schnelle und zuverlässige Polizeikontrollen un-

ter Einbezug der technischen Möglichkeiten

• Eine Fahrausbildung, die auf wissenschaftlichen

Grundlagen basiert

• Berücksichtigung der Erkenntnisse zum Erwach-

senwerden. Insbesondere soll das Alter des Füh-

rerausweiserwerbs unter diesen Aspekten kri-

tisch analysiert werden.

• Die Eltern sollen bei der Entscheidung, wann

ein junger Mensch alleine Autofahren darf, eine

wichtige Rolle spielen.

Page 65: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 63

• Geschlechtsunterschiede beim Unfallrisiko soll-

ten berücksichtigt werden (späteres Führer-

scheinalter für Männer als für Frauen?)

• Die soziale Umwelt sollte korrektes Verhalten

im Strassenverkehr vorleben (Eltern, Peers). Auf

Gemeindeebene könnte ein besserer öffentli-

cher Verkehr zu Verfügung gestellt werden.

• Verbesserung der Sicherheit der Strasseninfra-

struktur; elterliche Verbote zu bestimmten Zei-

ten / Wetterbedingungen Auto zu fahren.

Man muss allerdings bei Shopes Vorschlägen be-

rücksichtigen, dass das Führerscheinalter in den

USA bei 16 oder sogar 15 Jahren liegt, wo der

elterliche Einfluss noch um einiges grösser sein

dürfte als bei den mindestens 18-Jährigen in der

Schweiz.

3.5 Sensation Seeking

Das Modell des Sensation Seeking wurde bereits an

anderer Stelle vorgestellt (Kap. V.5.5, S. 49). Auch

wenn dieses für die vorliegende Problematik recht

plausibel erscheint, so ist doch fraglich, ob eine

solche, eher eindimensionale Betrachtungsweise,

ausreichend ist. Darüber hinaus eröffnet dieses

Modell, da es sich dabei um ein kaum änderbares

Persönlichkeitsmerkmal handeln soll, nur wenig

Interventionsmöglichkeiten.

Eine mögliche Rolle könnte das Sensation Seeking

bei der Begutachtung von charakterlich auffälligen

Motorfahrzeuglenkenden spielen. Dazu müsste

allerdings noch überprüft werden, wie sensitiv und

spezifisch das Erhebungsinstrument ist. Von be-

sonderer Bedeutung wäre auch der positive und

negative Vorhersagewert, der von der Prävalenz in

der zu untersuchenden Population abhängt [34].

Abbildung 11 Einflussfaktoren auf Fahrverhalten junger Lenker [32]

 Personality characteristics Risk taking propensity Hostility/aggressiveness Susceptibility to peer pressure Tolerance of deviance

Developmental factors Physical Hormones, energy, brain, sleep Psychosocial Emotional, social (identity, sexual) Behavioral

Substance use, school grades

Driving ability Knowledge Skill Experience

Demographic factors Age, sex Employment Education Living situation (parents)

Perceived environment Parents' norms, behavior expectations Parental involvement, monitoring Peers' norms, behavior expectations Partner's norms, behavior expectations Community norms Cultural norms Media-advertising, entertainment Risk perception

Driving environment (physical and social) Night/dark Weather and road conditions Vehicle availability, play, interior Passengers (age, sex, substance use) Trip purpose

Driving behavior Speeding Unsafe passing Tailgating Failure to yield Impaired driving Lack of safety belt use

Quelle: Shope [33]

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64 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

3.6 Risikoakzeptanz

Mit Risikoakzeptanz ist das Unfallrisiko gemeint,

das der Fahrer bereit ist, in Kauf zu nehmen: das

akzeptierte persönliche Risiko. Dabei handelt es

sich, nach verschiedenen Untersuchungen um ein

relativ stabil bleibendes Niveau an Risikobereit-

schaft. Insbesondere in der Risikohomöostase-

Hypothese von Wilde [35] spielt das subjektive

Risikoniveau eine zentrale Rolle. Das subjektiv ge-

schätzte Risiko und das akzeptierte persönliche

Risiko werden miteinander verglichen (mit einem

«Komparator») und das Verhalten bei Bedarf an-

gepasst, beispielsweise langsamer gefahren. Aber

auch der umgekehrte Fall ist denkbar: dass Verbes-

serung der Verkehrssicherheit beispielsweise durch

sicherere Fahrzeuge mittels riskanteren Fahrverhal-

tens kompensiert wird. Die Hypothese von Wilde

ist deshalb stark umstritten aber es kann wohl

davon ausgegangen werden, dass es unterschiedli-

che individuelle Risikoakzeptanz gibt. Wilde selber

geht davon aus, dass die Risikoakzeptanz bei-

spielsweise von Erfahrung, Persönlichkeit, Ge-

schlecht, Alter, Ausbildung aber auch von tempo-

rären Faktoren wie Alkohol, Ermüdung usw. ab-

hängt. Er vertritt die Meinung, dass die Verkehrssi-

cherheit letztlich nur dadurch verbessert werden

kann, dass das «target level risk», also das akzep-

tierte persönliche Risiko, verändert wird.

Trotz der Streitigkeit der Risikohomöostase-

Hypothese kann man doch zwei Schlussfolgerun-

gen für die Verkehrssicherheitsarbeit ableiten [22]:

1. Intensivierte Polizeikontrollen führen zu einer

erhöhten Risikowahrnehmung und demzufolge

weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen.

2. Strassenmarkierungen, die zu einem subjektiv

erhöhten Risiko führen, können Verhaltensän-

derungen herbeiführen. Beispiele dafür sind

etwa optische Einengungen von Fahrbahnbrei-

ten, die zu verringerten Geschwindigkeiten füh-

ren. Auch abgestufte Kurvenleitpfeile, die einen

geringeren Kurvenradius vortäuschen als tat-

sächlich besteht, erhöhen das subjektiv wahr-

genommene Risiko.

3.7 Risikowahrnehmung

Die Risikowahrnehmung spielt für unser Verhalten

im Strassenverkehr eine wichtige Rolle. Unsere

alltägliche Erfahrung zeigt, dass es nur selten Ver-

kehrsunfälle gibt. Eine Modellrechnung von Shinar

[22] für die USA zeigt auf, dass der durchschnittli-

che Motorfahrzeuglenkende eine Wahrscheinlich-

keit von 0,00016 hat, im kommenden Jahr ums

Leben zu kommen. Aus dieser Perspektive ist bei-

spielsweise eine Verringerung des Sterberisikos

durch das Tragen eines Sicherheitsgurts auf

0,00012 nicht besonders motivierend. Mit der

Frage der Risikowahrnehmung haben sich u. a.

auch Kahneman und Tversky beschäftigt, wobei

Ersterer im Jahr 2002 dafür den Nobelpreis für

Wirtschaftswissenschaften erhielt. Sie zeigten auf,

dass die menschliche Risikowahrnehmung erhebli-

chen Fehleinschätzungen unterliegt. Anwendun-

gen dieser «Neuen Erwartungstheorie» auf das

Verkehrsverhalten sind rar und sollten in Zukunft

vermehrt geprüft werden.

Rundmo und Iversen [36] konnten nachweisen,

dass eine Verkehrssicherheitskampagne mit

Schwerpunkt auf die Risikowahrnehmung sowohl

diese verstärkte als auch das Unfallgeschehen posi-

tiv beeinflusste. Es scheint also möglich zu sein,

mittels Kampagnen die Risikowahrnehmung zu

intensivieren und so das Risikoverhalten zu reduzie-

ren.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 65

3.8 Alkoholniveau

Dass Alkohol verschiedenste negative Einflüsse auf

das Fahrfähigkeit hat, ist bekannt. So ändern sich

die Reaktionszeiten, die Wahrnehmung, Risiko-

freudigkeit und vieles mehr. Das Alkoholniveau

erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für zu schnelles

Fahren. Junge Lenker sind besonders anfällig für

die enthemmende Wirkung des Alkohols. Cavegn

et al. [37] haben sich ausgiebig mit dem Thema

Alkohol im Strassenverkehr auseinandergesetzt.

Die ihrer Meinung nach sehr empfehlenswerten

Interventionen sind:

• Alkoholverbot für Neulenker in der Probephase

und für Berufschauffeure

• Ausdehnung der Beweiskraft von Atemalkohol-

proben

• Intensivierung der polizeilichen Kontrolltätigkeit

• Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit über Kontroll-

tätigkeit

• Zwingender Führerausweisentzug für Fahren in

angetrunkenem Zustand zwischen 0.5 und 0.79

Promille

• Flächendeckende Einführung von Nachschu-

lungsprogrammen für Erstdelinquenten

• Anreizsteigerung für freiwillige Teilnahme an

Nachschulungskursen

3.9 Motorfahrzeugbesitz

Ob man selber der Eigentümer eines Fahrzeugs ist

oder nicht, hat einen Einfluss auf das Geschwin-

digkeitsverhalten. Eigentümer fahren mit ihrem

Fahrzeug schneller als Personen, denen das Fahr-

zeug nicht gehört. Ein neueres Ergebnis in dieser

Richtung fanden auch Ewert und Eberling [38], die

ein geringeres Risiko schwerer Verletzungen für die

Insassen von Fahrzeugen fanden, die nicht vom

Eigentümer gefahren wurden.

Interventionen lassen sich aus diesem Befund nur

schwer ableiten. Eine theoretische Möglichkeit

wäre, das Autofahren so weit zu verteuern, dass

zumindest die ganz jungen Motorfahrzeuglenken-

den sich ein eigenes Fahrzeug kaum leisten kön-

nen. Dies würde dann zur vermehrten Nutzung von

Mietfahrzeugen führen, deren Benutzung dann mit

einem geringeren Risiko einherginge. Darüber hin-

aus dürften dadurch auch die Fahrleistungen ge-

senkt werden, wodurch die Unfallhäufigkeit noch

mehr vermindert würde.

3.10 Anzahl Passagiere

Der Einfluss der Anzahl der Passagiere auf das Un-

fall- und Geschwindigkeitsverhalten der Motor-

fahrzeuglenkenden wurde schon oft untersucht.

Die Ergebnisse sind allerdings nicht einheitlich.

Einige Studien kamen insbesondere für junge Len-

ker zum Schluss, dass das Unfallrisiko mit der An-

zahl der Passagiere ansteigt. Die Ergebnisse sind so

weit akzeptiert, dass beispielsweise in einigen Staa-

ten der USA ein Passagierverbot für junge Motor-

fahrzeuglenkende besteht.

Umgekehrt gibt es aber auch Studien, die zu einem

positiven Fazit kommen, d. h. dass die Anwesen-

heit von Passagieren die Verkehrssicherheit verbes-

sert [39].

Insgesamt sieht es so aus, als ob bei jungen Len-

kern insbesondere die Anwesenheit von Gleichalt-

rigen zu einer Risikoerhöhung führt. Die Anwesen-

heit von Kindern oder Erwachsenen hingegen hat

eher positive Effekte. Jenseits des Alters von

25 Jahren sind die Effekte von Passagieren auf das

Fahrverhalten generell eher sicherheitsförderlich.

Page 68: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

66 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Es wird empfohlen zu diesem Thema eine Schwei-

zer Studie durchzuführen, um abzuschätzen, ob

durch ein Passagierverbot für junge Lenker ein

bedeutender Sicherheitsgewinn erreicht werden

kann. Falls dem so wäre, könnte eine solche Mass-

nahme Teil der Zweiphasenfahrausbildung werden.

3.11 Graduated Driver Licensing

Das bisher erfolgreichste Vorgehen gegen das er-

höhte Unfallgeschehen von Neulenkenden ist das

Graduated Driver Licensing (GDL), dessen theoreti-

sche Basis darin besteht, dass man bei Neulenken-

den die Exposition für besonders riskante Situatio-

nen vermindert. So erklärt sich, dass in den USA

das GDL vor allem die drei Komponenten des

Nachtfahrverbots, Alkoholverbots und Passagier-

verbots beinhaltet. Alle drei Komponenten gehen

mit deutlich erhöhten Unfallrisiken (und vermehr-

ten Geschwindigkeitsdelikten) einher. Die in Euro-

pa üblichen Massnahmen für Neulenkende unter

demselben Titel des GDL hingegen sind weniger

eindeutig auf die Expositionsminderung von Risiko-

situationen ausgerichtet. Hier versteht man darun-

ter verschiedene Komponenten wie vermehrte

Ausbildung und höhere Strafandrohung. Ob sich

die europäischen Varianten als ähnlich wirksam

erweisen, wie die amerikanischen, die eine Reduk-

tion von 20 bis 30 % bei den Unfällen aufweisen,

muss noch geklärt werden.

Elvik und Vaa [40] kommen aufgrund einer Meta-

Analyse zum Schluss, dass mittels GDL 9 % der

Unfälle mit Verletzten verhindert werden könnte.

Nachtfahrverbote hingegen sollen einen Effekt von -

36 % haben. Eine Cochrane Review [41] kommt

jedoch zum Schluss, dass GDL zwar positive Effekte

hat, das Ausmass aber aufgrund der schwachen

Untersuchungsdesigns nicht bestimmt werden kann.

Insgesamt dürfte das Graduated Driver Licensing

eine der erfolgversprechendsten Massnahmen für

den Umgang mit jungen Motorfahrzeuglenkenden

und deren Problemen im Strassenverkehr sein. Die

genauen Inhalte und deren Wirksamkeit müssen

aber noch besser überprüft werden. Für das

schweizerische System (Zweiphasenfahrausbildung)

sind Resultate etwa im Jahr 2011 zu erwarten.

Abhängig von diesen Resultaten sind allenfalls

noch Verbesserungen vorzunehmen.

3.12 Behandlung von delinquenten

Motorfahrzeuglenkenden

Ein generelles Problem bei der Behandlung von

delinquenten Motorfahrzeuglenkenden ist die

mangelnde Reichweite der Spezialprävention. Nur

ein kleiner Teil der Motorfahrzeuglenkenden, die

zu schnell fahren, wird erwischt. Und nur ein ge-

ringer Teil derjenigen, die zu schnell fahren, tun

dies in einem Ausmass, dass sie Sanktionen, Thera-

pien oder Ähnliches erhalten. Und wiederum nur

bei einem Teil derjenigen, die eine Intervention

erhalten, wirkt sie dann auch.

Lenkende, die im Strassenverkehr wegen Ge-

schwindigkeitsdelikten auffällig geworden sind,

werden in der Schweiz in zweifacher Hinsicht be-

handelt. Einerseits gibt es die strafrechtliche Sank-

tion in Form einer Busse, Geldstrafe, Freiheitsstrafe

oder gemeinnütziger Arbeit (Kap. VII.4.1, S. 68).

Dazu kommt allenfalls noch eine Administrativ-

massnahme im Verwaltungsverfahren, d. h. eine

Verwarnung oder – von den Motorfahrzeuglen-

kenden oft als am schlimmsten empfunden –der

Führerausweisentzug.

Elvik und Vaa [40] analysierten verschiedene Arten

von Behandlungen von «problem drivers» und

Page 69: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 67

kamen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen,

je nach Art der Intervention. Fahrkurse zu defensi-

vem Fahren ergaben eine Verbesserung von etwa

7 % beim Unfallgeschehen. Diskussionen oder

Gespräche ergaben keinen Effekt. Auch ein erneu-

ter Erwerb des Führerausweises führte zu keinen

bedeutenden positiven Effekten. Dasselbe gilt für

Warnbriefe oder Broschüren, die per Post zuge-

schickt wurden.

Einen deutlich positiven Effekt (15 % Verringerung

bei den Unfällen) hingegen hatten sogenannte

«incentive letters», d. h. persönliche Briefe, in de-

nen Inhalte kommuniziert werden, dass beispiels-

weise kein neuer Führerausweis erworben werden

muss, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit keine

weiteren Auffälligkeiten registriert werden.

Denkbar wäre etwa für «incentive letters», welche

sich auf die kaskadenartige Verschärfung der Ad-

ministrativmassnahme beziehen, folgendes Szena-

rio: Alle Lenker, die bei einem mittelschweren oder

schweren (Geschwindigkeits-)Delikt erwischt wur-

den, erhalten einen Brief, der darauf hinweist, dass

bei einem weiteren mittelschweren oder schweren

Delikt innerhalb einer gewissen Zeit mit einer ver-

schärften Administrativmassnahme zu rechnen sei.

Bei unauffälligem Verhalten innerhalb der nächsten

Jahre käme es jedoch nicht zur Verschärfung der

Administrativmassnahme.

Ein solches System würde einerseits dem Motor-

fahrzeuglenkenden mehr Klarheit über die allen-

falls bevorstehenden Sanktionen verschaffen. An-

dererseits wüsste er auch, was er tun oder lassen

muss, um dies zu vermeiden. Für die Strassenver-

kehrsämter, welche solche Briefe verschicken müss-

ten, gäbe es wohl ein erhebliches Ausmass an

Mehrarbeit, da für jeden einzelnen Delinquenten

überprüft werden müsste, auf welcher Stufe der

kaskadenartigen Verschärfung der Administrativ-

massnahmen er sich aktuell befindet und welche

Administrativmassnahmen ihm bei einem weiteren

Strassenverkehrsdelikt einer bestimmten Schwere

drohen würden. Angesichts der Komplexität der

Art. 16a, b und c SVG, die die Anzahl, die Schwere

und den Zeitpunkt der bisherigen Delikte berück-

sichtigen, ist dies nicht ganz trivial.

3.13 Verkehrssicherheitskampagnen

Verkehrssicherheitskampagnen sind eine weit ver-

breitete Methode um zu versuchen, die Motorfahr-

zeuglenkenden zu Änderungen in Bezug auf Ein-

stellungen und Verhalten zu bewegen. Verkehrssi-

cherheitskampagnen können wirksam sein, müssen

aber nicht. Bemerkenswert ist der geringe Anteil

von Kampagnen, der gründlich evaluiert wurde. Es

gibt jedoch drei Übersichtsarbeiten, die sich mit der

Wirksamkeit von massenmedialen Verkehrssicher-

heitskampagnen befasst haben. Eine ältere von

Elliott aus dem Jahr 1993 [42], eine etwas neuere

von Delhomme et al. aus dem Jahr 1999 [43] und

eine aktuelle aus dem Jahr 2009. Letztere hebt sich

aufgrund der verwendeten Methoden markant von

den beiden älteren Arbeiten ab und ist daher am

aussagekräftigsten. Laut Vaa et al. [44] können

massenmediale Kampagnen von Nutzen sein (so-

wohl bezüglich der Reduktion von Unfällen als

auch bezüglich Verhaltensänderungen). Gemäss

diesen Analysen unterscheiden sich die Einflussfak-

toren auf die Wirkung einer Kampagne aber je

nach Outcome-Kriterium (z. B. Unfälle, Gurttrag-

quote usw.). Die Planung und Implementierung

einer Kommunikationskampagne muss daher sehr

sorgfältig ausgearbeitet werden. Von Kampagnen,

die ausschliesslich auf massenmediale Kommunika-

tion setzen, ist eher abzuraten.

Page 70: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

68 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

3.14 Fazit

Es sind diverse Risikofaktoren für das Geschwindig-

keitsverhalten bekannt. Die wichtigsten sind männli-

ches Geschlecht und junges Alter. Gegen das erhöh-

te Unfallrisiko der jungen Lenker wurde das Konzept

des «Graduated Driver Licensing» entwickelt, das

darauf abzielt, risikoreiche Fahrsituationen zu mini-

mieren. Eine Evaluation der schweizerischen Zwei-

phasenfahrausbildung steht aber noch aus.

Geschlechtsunterschiede bestehen beim Geschwin-

digkeits- und Unfallverhalten nach wie vor, so dass

der Fokus der Aktivitäten auf die Männer gelegt

werden muss.

Auch Alkohol hat einen erheblichen Einfluss auf

das Geschwindigkeitsverhalten. Deswegen müssen

die bereits mehrfach von der bfu vorgeschlagenen

Massnahmen, wie z. B. ein Alkoholverbot für Neu-

lenkende, das ja auch Bestandteil des Programms

Via sicura ist, forciert werden. Weitere Massnah-

men gegen Alkohol am Steuer können dem Si-

cherheitsdossier Nr. 4 entnommen werden [37].

Junge Motorfahrzeuglenker weisen ein wesentlich

höheres Bedürfnis nach «Sensation Seeking» – also

neuen und aufregenden Erfahrungen – auf. Mögli-

cherweise kann dieses Konzept in der verkehrspsy-

chologischen Diagnostik eingesetzt werden.

Andere psychologische Konzepte wie Risikoakzep-

tanz oder Risikowahrnehmung kann man in Ver-

kehrssicherheitskampagnen einsetzen. Letztere

sind nur sinnvoll, wenn sie sehr sorgfältig und lite-

raturbasiert geplant und implementiert werden.

Bei der Behandlung von geschwindigkeitsauffälligen

Lenkern muss man zwischen dem Sanktionsan-

spruch des Staates und der verbesserten Rückfall-

prognose unterscheiden. Für Letzteres haben sich

beispielsweise Führerausweisentzüge insbesondere

in Kombination mit verhaltenstherapeutischen

Massnahmen oder auch sogenannte incentive let-

ters (persönliches Informationsschreiben im Sinn

eines Mahnbriefes) erwiesen.

Weitere Einflussfaktoren auf das Geschwindigkeits-

verhalten mit Interventionsmöglichkeiten sind die

Anzahl Passagiere, die wohl auf junge Motorfahr-

zeuglenkende einen risikosteigernden Effekt aus-

üben, sowie die Frage nach dem Fahrzeugeigen-

tümer. Wenn man mit einem fremden Fahrzeug

unterwegs ist, wird wohl vorsichtiger gefahren.

4. Recht und seine Durchsetzung

Das Kapitel Recht und seine Durchsetzung zum

Thema Geschwindigkeit besteht aus zwei Teilen:

1. Die Sanktionierung von Geschwindigkeitsüber-

schreitungen

2. Die Kontrolltätigkeit der Polizei

4.1 Sanktionen nach reinen Geschwin-

digkeitsüberschreitungen

(ab 01. Januar 2005)

4.1.1 Allgemein

Ein Fehlverhalten im Strassenverkehr hat nebst

einem strafrechtlichen regelmässig auch ein ver-

waltungsrechtliches Nachspiel. Die Sanktionierung

von Verkehrsregelverletzungen erfolgt somit nach

einem dualistischen System: Einerseits wird im

Strafverfahren eine eigentliche Strafe ausgefällt.

Andererseits können gegen fehlbare Fahrzeuglen-

kende zusätzlich zur Strafe im Verwaltungsverfah-

ren Administrativmassnahmen, z. B. in Form einer

Page 71: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 69

Verwarnung oder eines Führerausweisentzugs,

verfügt werden. Diese doppelte Sanktionierung

verstösst nicht gegen das Prinzip «ne bis in

idem»24, weil die jeweiligen Sanktionsmittel unter-

schiedliche Zwecke verfolgen [3].

Bei Widerhandlungen gegen die Verkehrsregeln

sind, soweit das SVG nichts anderes bestimmt, die

allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen

Strafgesetzbuchs25 anwendbar (Art. 102 Abs. 1

SVG). Mit der Revision des Allgemeinen Teils des

StGB, in Kraft seit dem 1. Januar 2007, erfolgte

eine Neuordnung des Sanktionensystems. Anstelle

der kurzen Freiheitsstrafe, die nur noch aus-

nahmsweise zur Anwendung gelangen soll, traten

die Geldstrafe im Tagessatzsystem und – sofern der

Täter zustimmt – die gemeinnützige Arbeit. Im

Gegensatz zur Busse können die drei Sanktions-

möglichkeiten Geldstrafe [45,46], Freiheitsstrafe

oder gemeinnützige Arbeit auch bedingt oder teil-

bedingt ausgesprochen werden (Art. 42 und

43 StGB). Zudem kann eine bedingte Freiheitsstrafe

auch mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit

einer (unbedingten) Busse bis zu CHF 10 000.–

verbunden werden (Art. 42 Abs. 4, Art. 106 StGB)

[3]. In leichteren Fällen kann zudem von der Strafe

abgesehen werden26. Bei der Festlegung des

Strafmasses kommt den zuständigen kantonalen

Strafbehörden ein erhebliches Ermessen zu27.

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 24 Gemäss diesem Grundsatz darf niemand wegen der glei-

chen Straftat zweimal verfolgt werden. 25 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937,

SR 311.0 26 Vgl. dazu die Darstellung der Grundzüge des neuen – nur 2

Jahre nach seinem Inkrafttreten sowohl von politischen als auch rechtlichen Kreisen zum Teil heftig kritisierten – Sank-tionensystems in BGE 134 IV 82, E. 3-5.

27 Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) hat Empfehlungen für die Strafzumessung abgege-ben, u. a. für Überschreitungen allgemeiner, fahrzeugbe-dingter oder signalisierter Höchstgeschwindigkeiten: http://www.ksbs-caps.ch/pages_d/empfehlungen_d.htm, Zugriff am 13. Juli 2009

Administrativmassnahmen haben erzieherische

Funktionen oder bezwecken, Personen, die sich

nicht zum Fahren eignen, vom Verkehr fernzuhal-

ten. Rechtlich stellen sie zwar keine Strafe dar,

werden von den Betroffenen jedoch oft als belas-

tender empfunden. Ein Führerausweisentzug

schmerzt in der Regel mehr als z. B. eine Busse

oder eine bedingte Geldstrafe. Administrativmass-

nahmen werden nicht vom Gericht, sondern vom

zuständigen kantonalen Strassenverkehrsamt an-

geordnet. Die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene

Revision des SVG führte mit der Neuregelung des

Warnungsentzugs das sogenannte Kaskadensys-

tem ein (Art. 16a-c SVG). Damit wurde dem

Wunsch des Parlaments und der Mehrheit der Kan-

tone nach einer Vereinheitlichung der Führeraus-

weisentzugspraxis und einem strengeren Vorgehen

gegen Wiederholungstäter, die in schwerer oder

mittelschwerer Weise gegen die Verkehrsregeln

verstossen haben, entsprochen. Der Sicherungsent-

zug im Sinn des vorher geltenden Rechts ist nun als

Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreig-

nung in Art. 16d SVG geregelt28.

Überschreitungen der zulässigen Fahrgeschwindig-

keit gehören zu den häufigsten Delikten im Stras-

senverkehr. Sie können sowohl straf- als auch ver-

waltungsrechtlichen Sanktionen auslösen. Im Fol-

genden werden kurz die gängigen strafrechtlichen

Sanktionen sowie Administrativmassnahmen er-

klärt, die nach reinen Geschwindigkeitsdelikten29

ausgesprochen werden können. Die bezifferten

Überschreitungen allgemeiner oder signalisierter

Höchstgeschwindigkeiten verstehen sich jeweils

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 28 Zur Revision des Administrativmassnahmerechts vgl. die

Botschaft des Bundesrats vom 31. März 1999, BBl 1999 4462; Vgl. ferner die beiden Kapitel von Heim-gartner und Schönknecht sowie von Schaffhauser [47, S. 226-228, 48,48].

29 Fälle, bei denen «lediglich» gegen die Geschwindigkeitsvor-schriften verstossen wurde, ohne dass dies zu einem Unfall führte.

Page 72: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

70 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

nach Abzug der Sicherheitsmarge. Sanktionen

nach massiven Geschwindigkeitsüberschreitun-

gen30 [3] bzw. infolge sogenannter Raserei werden

hier nicht speziell thematisiert.

4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen

Übertretungen der Strassenverkehrsregeln können

in einem vereinfachten Verfahren, dem Ordnungs-

bussenverfahren, geahndet werden. Dieses kommt

in der Regel bei besonders leichten Fällen, d. h.

auch geringfügigen Geschwindigkeitsüberschrei-

tungen (1–15 km/h innerorts; 1–20 km/h ausser-

orts und auf Autostrassen; 1–25 km/h auf Auto-

bahnen), zur Anwendung. Massgebend sind das

Ordnungsbussengesetz31 und die Ordnungsbussen-

verordnung32. Bezeichnend für dieses Verfahren

ist, dass die Strafen in der ganzen Schweiz gemäss

Bussenliste festgelegt sind (Anhang 1, Ziff. 303.1,

2 und 3 OBV für Geschwindigkeitsüberschreitun-

gen). Ein Verfahren nach OBG ist jedoch ausge-

schlossen, wenn Personen verletzt oder gefährdet

worden sind oder ein Sachschaden entstanden ist.

Einfache Verkehrsregelverletzungen werden mit

Bussen bestraft. Wird eine im einfachen Ord-

nungsbussenverfahren erhobene Busse nicht frist-

gerecht bezahlt oder übersteigen die Geschwindig-

keitsüberschreitungen in Form einfacher Verkehrs-

regelverletzungen gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG den

Anwendungsbereich des Ordnungsbussenverfah-

rens, kommt das ordentliche Strafverfahren zum

Zug. Dies ist dann der Fall, wenn jemand die zuläs-

sige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 16–

24 km/h, ausserorts und auf Autostrassen um 21–

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 30 Wiprächtiger kommt zum Schluss, dass es für Raser weder

höhere Strafen, schärfere Administrativmassnahmen noch Gesetzesänderungen braucht. Er wünscht sich eine Versach-lichung der Diskussion betreffend Raserproblematik.

31 OBG vom 24. Juni 1970, SR 741.03 32 OBV vom 4. März 1996, SR 741.031

29 km/h oder auf der Autobahn um 26–34 km/h

überschreitet.

Wenn noch schneller gefahren wird, liegt eine

grobe Verkehrsregelverletzung im Sinn von

Art. 90 Ziff. 2 SVG vor. Nach konstanter Rechtspre-

chung des Bundesgerichts33 handelt es sich unge-

achtet der konkreten Umstände um eine grobe

Verkehrsregelverletzung, wenn die zulässige

Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h und

mehr, ausserorts um 30 km/h und mehr und auf

der Autobahn um 35 km/h und mehr überschritten

wird. Eine grobe Verkehrsregelverletzung stellt ein

Vergehen34 dar, das mit einer Geldstrafe oder einer

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden

kann. Falls der Täter zustimmt, kann das Gericht

statt einer Freiheits- oder Geldstrafe auch gemein-

nützige Arbeit anordnen (Art. 37 Abs. 1 StGB).

Eine grobe Verkehrsregelverletzung infolge Ge-

schwindigkeitsüberschreitung wird vor allem bei

Ersttätern kaum eine vollziehbare Freiheitsstrafe

nach sich ziehen, sondern in der Regel mit einer –

meist bedingt oder teilbedingt ausgesprochenen –

Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit sowie allen-

falls zusätzlich mit einer Busse sanktioniert [3]. Die

Freiheitsstrafe kommt hier praktisch nur noch zum

Zug, wenn jemand schuldhaft die Geldstrafe nicht

bezahlt und sich weigert, stattdessen gemeinnützi-

ge Arbeit zu leisten.

Die Sanktionen bei Verkehrsdelikten sollen zwei

Auswirkungen haben. Zum einen soll der Delin-

quent seine Strafe aus Gerechtigkeitsgründen er-

halten. Andererseits soll die Strafe aber auch dazu

führen, dass es möglichst nicht zu einer Wiederho-

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 33 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betref-

fend grobe Verkehrsverletzung infolge Geschwindigkeits-überschreitung auf der Website der bfu:

http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Documents/Geschwindigkeit.aspx

34 Art. 10 Abs. 3 StGB

Page 73: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 71

lung des Delikts bzw. zu einem Rückfall kommt.

Die Beweise für Letzteres sind allerdings aus me-

thodischen Gründen nicht ganz einfach zu führen.

So konnte eine Arbeit von Lawpoolsri und Li aus

Maryland [49] zwar aufzeigen dass diejenigen, die

im Mai 2002 eine Ordnungsbusse wegen überhöh-

ter Geschwindigkeit erhalten hatten, eine mehr als

doppelt so grosse Wahrscheinlichkeit hatten, im

darauf folgenden Jahr erneut deswegen gebüsst zu

werden. Die Schlussfolgerung, dass die Busse kei-

nen positiven Effekt auf das Geschwindigkeitsver-

halten hat, lässt sich daraus kaum ableiten. Immer-

hin wäre es möglich, dass das Risiko vor Erhalt der

ersten Busse noch höher gewesen ist. Als rückfallri-

sikosenkend erwies sich hingegen eine Bewäh-

rungsstrafe. Falls es innerhalb eines halben oder

ganzen Jahres nicht zu einem weiteren Delikt kam,

so gab es keinen Eintrag ins Verkehrsregister was

sonst eine erhöhte Versicherungsprämie nach sich

gezogen hätte.

Eine zurzeit stark diskutierte Frage ist die Wieder-

einführung der kurzen Freiheitsstrafen bis zu 6

Monaten. Meta-Analysen, die sich mit den Auswir-

kungen von verschiedenen Strafen auf die Rück-

fallquote speziell von Verkehrsdelinquenten be-

schäftigen, sind den Autoren nicht bekannt. Zwei

Arbeiten [50,51], die sich mit den Auswirkungen

von verschiedenen strafrechtlichen Konsequenzen

auf die Rückfallwahrscheinlichkeit allgemein be-

schäftigt haben, finden entweder keinen Unter-

schied für die verschiedenen Strafarten oder – bei

längeren Gefängnisstrafen – einen Anstieg der

Rückfallwahrscheinlichkeit.

4.1.3 Administrativmassnahmen: insbeson

dere Verwarnung oder Führerausweis-

entzug

Gegen Fahrzeugführer, die die Geschwindigkeits-

vorschriften nicht nur in geringfügiger Weise miss-

achten, können zusätzlich Administrativmassnah-

men – insbesondere in Form einer Verwarnung

oder eines Führerausweisentzugs – verfügt werden.

Die Art der Massnahme hängt von der Schwere der

begangenen Verkehrsregelverletzung ab. Das SVG

unterscheidet – analog der bundesgerichtlichen

Praxis35 – zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittel-

schweren (Art. 16b SVG) und schweren Wider-

handlungen (Art. 16c SVG).36 In besonders leichten

Fällen kann auf eine Massnahme verzichtet werden

(Art. 16a Abs 4 SVG) [47].

Es gibt eindeutige Belege für die unfallverhütende

Wirkung der Administrativmassnahme Führeraus-

weisentzug. Immerhin wird für diesen Zeitraum das

Ausmass des Autofahrens vermindert (obwohl viele

Delinquenten trotz Ausweisentzug Autofahren).

Siegrist [45] empfiehlt auf der Grundlage verschie-

dener Studien zusätzlich noch verhaltensorientierte

Kurse. Auch bereits die Androhung eines Führer-

ausweisentzuges führt bereits zu erheblich verrin-

gerten Rückfallraten, wie Corbett, Delmonte,

Quimby und Grayson [53] herausfanden. Die Dro-

hung ist sogar wirksamer als die Erfahrung eines

vorherigen Ausweisentzugs. ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 35 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betref-

fend Führerausweisentzug auf der Website der bfu: http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Seiten/Warnungsentzug_Fuehrerausweis_uebersicht.aspx http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Documents/SicherungsentzugwegencharakterlicherMaengel.aspx

Zum Recht vor 1995 vergleiche man die Studie von Dillier-Gamma [52].

36 Vgl. zur Qualifizierung der Widerhandlungen u. a. die Websites der kantonalen Strassenverkehrsämter, z. B. Bern: http://www.pom.be.ch/site/index/pom_svsa_index/pom_svsa_administrativmassnahmen.htm, Zugriff am 14. Juli 2009

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72 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

4.2 Staffelung der Sanktionen in Ab-

hängigkeit von der Gefährlichkeit

des Geschwindigkeitsdelikts

Die Kategorisierung der verschiedenen Strafen für

die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten

ist zwar abgestuft nach der Höhe der Überschrei-

tungen und Art der Strasse (Tabelle 14). Sie steht

aber nur in einem lockeren Zusammenhang mit

den physischen Konsequenzen eines allfälligen

Unfalls. Neue wissenschaftliche Arbeiten [4] be-

schreiben unter dem Stichwort Power-Model einen

weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen

Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallfolgen als

bisher angenommen.

Aufgrund der neuen Erkenntnisse – und wenn

gleiche Risikogefährdung mit gleicher Sanktion ein-

hergehen soll – wäre ein Überdenken der bisheri-

gen Grenzziehung angebracht. So wird heute auf

Autobahnen ein Überschreiten der Geschwindig-

keit von mindestens 35 km/h als schwere Wider-

handlung eingestuft (was bei Ersttätern zwingend

zu einem 3-monatigen Führerausweisentzug führt),

innerorts um 25 km/h. Möchte man innerorts die-

selbe Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als

schwere Widerhandlung sanktionieren wie auf

Autobahnen, müsste die Grenze innerorts bereits

bei einer Überschreitung von 15 km/h liegen (was

heute lediglich in den Bereich der Ordnungsbussen

fällt).

Der Schwerpunkt bei der Sanktionierung sollte

allerdings nicht so sehr auf die strafrechtlichen

Sanktionen gelegt werden, sondern auf die Admi-

nistrativmassnahmen (insbesondere Führerausweis-

entzug), die die Delinquenten meist härter treffen

als Strafen.

4.3 Demerit points

Punktesysteme für Verkehrssünder sind weit ver-

breitet. So haben 19 der 27 EU-Staaten solche

Systeme eingeführt. Die Belege für deren Wirk-

samkeit sind jedoch eher schwach. Redelmeier,

Tibshirani und Evans haben 2003 zu diesem Thema

eine Arbeit mit einem Case-Crossover-Design ge-

macht [54]. Dabei fanden sie heraus, dass bei Ge-

schwindigkeitsdelikten Strafpunktesysteme wirk-

samer waren als normale Bussen. Insgesamt hielt

Tabelle 14 Sanktionen nach Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 01.01.2005

Sanktionen Ortslage Widerhandlung Massnahme Strafe Innerorts Ausserorts Autobahn

Ordnungsbusse bis Fr. 250.– bis 15 km/h Ordnungsbusse bis Fr. 240.– bis 20 km/h Ordnungsbusse bis Fr. 260.– bis 25 km/h

Verwarnung oder mind. 1-monatiger Führerausweisentzug

Busse 16–20 km/h 21–25 km/h 26–30 km/h leicht

Ersttäter: mind. 1-monatiger Führerausweisentzug Wiederholungstäter: Kaskadensystem (Führerausweisentzug von mind. 4 Monaten bis immer)

Strafe entweder wie nach leichter oder wie nach schwerer Wider-handlung (abhängig von Umstän-den des Falls)

21–24 km/h 26–29 km/h 31–34 km/h mittelschwer

Ersttäter: mind. 3-monatiger Führerausweisentzug Wiederholungstäter: Kaskadensystem (Führerausweisentzug von mind. 6 Monaten bis immer)

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe

mind. 25 km/h mind. 30 km/h mind. 35 km/h schwer

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 73

jedoch die Wirkung nur rund 1 bis 2 Monate an.

Danach war das Unfallsterberisiko derjenigen die

Strafpunkte erhalten hatten wieder gleich hoch.

Insgesamt besteht also wohl keine Notwendigkeit

in der Schweiz ein Strafpunktesystem einzuführen.

Eine Kombination des bestehenden Systems mit

«incentive letters» (Kap. VII.3.12, S. 66), die darauf

hinweisen, dass die kaskadenartige Verschärfung

der Strafen durch zukünftiges Wohlverhalten ver-

mieden werden kann, wäre aber eine Verbesse-

rung mit potenziellem Nutzen für das Unfallge-

schehen.

4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei

Polizeikontrollen haben sich als wirksam erwiesen,

um das Unfallgeschehen zu vermindern [55,56].

Alle Motorfahrzeuglenkenden – sowohl die zu

schnell fahrenden, als auch diejenigen, die die

Höchstgeschwindigkeiten nicht überschritten hat-

ten, senken ihre Geschwindigkeit, wenn es eine

(erkennbare) Geschwindigkeitskontrolle gibt. Der

geschwindigkeitsverringernde Effekt einer Kontrol-

le hält maximal 5 Kilometer an. Danach wird wie-

der mit der vorherigen Geschwindigkeit gefahren

(räumlicher Halo-Effekt). Die verhaltensändernde

Erinnerung an die Geschwindigkeitskontrolle hält

für etwa 10 bis 14 Tage an (zeitlicher Halo-Effekt).

Die theoretische Grundlage der rechtlichen Mass-

nahmen und ihrer Durchsetzung ist die «deterren-

ce theory», also die Theorie der Abschreckung.

Ohne auf die Details einzugehen, ist die wichtigste

Konsequenz, dass eine ausreichende Intensität der

Polizeikontrollen gesichert sein sollte.

Weiterhin ist noch die Frage der Generalprävention

und der Spezialprävention wichtig. Bei der Spezial-

prävention geht es um den Umgang mit delinquen-

ten Personen, insbesondere den Fragen, wie man

sie überführt und wie man Rückfälle verhindern

kann. Bei der Generalprävention hingegen geht es

darum zu verhindern, dass es überhaupt zu delin-

quentem Verhalten kommt.

An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen wer-

den, dass beispielsweise die Verkehrspolizeien und

das BFS unterschiedliche Begriffe für die verschie-

denen Arten von Geschwindigkeitskontrollen ver-

wenden (Tabelle 15).

Im vorliegenden Bericht wird vor allem die BFS-

Terminologie verwendet.

Die wichtigste Frage für die Wirksamkeit der Poli-

zeikontrollen ist die Art der Durchführung. Dabei

werden besonders diskutiert:

1. Sollen die Kontrollen sichtbar oder nicht sicht-

bar sein?

2. Sollen die Kontrollen mobil oder stationär statt-

finden?

3. Sollen Kontrollen automatisch oder manuell

durchgeführt werden?

4. Sollen Geschwindigkeitskontrollen angekündigt

und/oder mit Kampagnen unterstützt werden?

5. Ist die Schnelligkeit der Bestrafung entschei-

dend?

Tabelle 15 Unterschiedliche Begriffe für verschiedene Arten von Ge-schwindigkeitskontrollen

Verkehrspolizei BFS

Fixe Geschwindigkeitskontrollen Stationäre Mess-Systeme – unbemannt

Stationäre Geschwindigkeitskontrollen Stationäre Mess-Systeme – bemannt

Vollmobile Geschwindigkeitskontrollen Mobile Mess-Systeme

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74 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

4.4.1 Sichtbarkeit

Die Sichtbarkeit von Polizeikontrollen erhöht deren

Wirkung. Die subjektiv wahrgenommene Kontroll-

intensität steigt an, wenn die Autofahrer sehen,

dass kontrolliert wird – sei es mit einem mobilen

Fahrzeug oder an einem bemannten stationären

Kontrollposten. Diese Art der Geschwindigkeits-

kontrollen ist allerdings nicht sehr weit verbreitet.

Nur 2,4 % der Geschwindigkeitskontrollen werden

bemannt durchgeführt, von denen die allermeisten

sichtbar gewesen sein dürften.

Das Überraschungsmoment fehlt allerdings bei den

sichtbaren Kontrollen.

4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen

Bei stationären Kontrollen können wesentlich mehr

Motorfahrzeuglenkende kontrolliert werden als bei

mobilen Kontrollen. Im Prinzip kann jedes vorbei-

fahrende Fahrzeug auf Geschwindigkeit kontrolliert

werden. Der Nachteil ist, dass der Effekt der statio-

nären Kontrolle nur einige Kilometer anhält. Der

Effekt von mobilen Kontrollen hingegen hält länger

an, da dieses Fahrzeug am Verkehr teilnimmt und

somit von den Verkehrsteilnehmenden längere Zeit

wahrgenommen wird. Mobile Kontrollen werden

aber nur von relativ wenigen Lenkern gesehen.

4.4.3 Unbemannte versus bemannte

Kontrollen

Unbemannte Kontrollen mittels Geschwindigkeits-

kameras bieten die Möglichkeit, eine grosse Zahl

von Fahrzeugen ohne allzu grossen Aufwand zu

kontrollieren. Der Nachteil ist, dass der Standort

dieser Kontrollen nach kurzer Zeit bekannt ist, und

deshalb die «Erfolgsquote» – der Anteil überführ-

ter Geschwindigkeitssünder – gering wird. In der

Schweiz liegt sie bei etwa 0,3 %. Auch zeigt sich

hier ein starker räumlicher Halo-Effekt: es wird vor

allem in der direkten Nähe der Geschwindigkeits-

kamera die Höchstgeschwindigkeit eingehalten.

Aus diesem Grund sind Geschwindigkeitskameras

entweder an Unfallhäufungsstellen zu positionieren

(um lokal die Fahrgeschwindigkeiten zu vermin-

dern) oder in grosser Dichte aufzustellen.

Eine Studie der Cochrane Collaboration [57]

kommt zum Schluss, dass mit automatischen Ge-

schwindigkeitskontrollen auf Innerorts- und Aus-

serortsstrassen Verletzte und Getötete im Strassen-

verkehr vermieden werden können. Aufgrund des

schwachen Untersuchungsdesigns vieler Studien

sehen sich die Autoren jedoch nicht in der Lage,

eine Angabe über die genaue Wirksamkeit zu ma-

chen. Elvik und Vaa [40] kommen ebenfalls zu

einem positiven Resultat. Sie gehen von einer Wirk-

samkeit von 28 % weniger Unfälle innerorts und

4 % ausserorts aus.

Manuelle Kontrollen bieten den Vorteil einer höhe-

ren Erfolgsquote (6,7 bis 6,8 %), fordern aber ei-

nen wesentlich höheren personellen Aufwand, da

die Kontrollposten eingerichtet und mit ausrei-

chend Personal bestückt werden müssen. Wenn

man dazu auch noch die Bussen sofort erteilen

möchte, dann steigt der Aufwand nochmals an: die

Geschwindigkeit muss gemessen werden, ein wei-

terer Posten darüber informiert werden, dieser den

fehlbaren Motorfahrzeuglenkenden herauswinken,

Busse erteilen usw.

Elliott und Broughton [55] berichten, dass der

räumliche Halo-Effekt bei manuellen Geschwindig-

keitskontrollen etwa 5-mal so gross ist wie bei

automatischen Kontrollen.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 75

4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne

Ankündigung/Kampagnen?

Zu diesem Thema gibt es eindeutige Ergebnisse.

Polizeikontrollen mit begleitender Medienarbeit sind

wirkungsvoller. Dies erklärt sich durch die grössere

subjektive Kontrollwahrscheinlichkeit. Falls die Kon-

trolltätigkeit allerdings nicht tatsächlich intensiviert

wird, so geht der Medieneffekt jedoch nach einigen

Wochen wieder verloren. Eine Intensivierung der

Polizeikontrollen alleine wird oft nicht bemerkt.

4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung

Die Schnelligkeit der Bestrafung gilt allgemein als

einer der Pfeiler der Spezialprävention (neben der

Entdeckungs-, Verfolgungs- und Sanktionswahr-

scheinlichkeit). Es gibt allerdings kaum empirische

Beweise für die Bedeutung der Schnelligkeit der

Bestrafung. Möglicherweise ist der Mensch – im

Gegensatz zu den tierexperimentellen Untersuchun-

gen – doch in der Lage den Zusammenhang zwi-

schen einer länger zurückliegenden Handlung und

der deutlich später erfolgenden Strafe herzustellen

und mit angemessenen Verhaltensänderungen zu

reagieren.

4.4.6 Fakten zur Geschwindigkeitsdelinquenz

und zu den Polizeikontrollen in der

Schweiz

Geschwindigkeitsüberschreitungen sind (auch) in

der Schweiz ein Massendelikt. Das BFS und die bfu

erfassen gemeinsam mit den Polizeikorps regelmäs-

sig den Anteil überprüfter und sanktionierter Len-

kender und führt alle zwei Jahre eine Befragung der

Motorfahrzeuglenkenden durch [58]. Aus diesen

Erhebungen stammen die folgenden Erkenntnisse

zum Thema Geschwindigkeit und Polizeikontrollen.

Rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung über-

schreitet nach eigenen Angaben mindestens einmal

im Monat die Höchstgeschwindigkeiten, wobei der

Anteil auf den schnellen Strassen grösser ist als auf

den langsamen. Es zeigt sich, nicht ganz unerwartet,

dass Männer (selbstberichtet) häufiger zu schnell

fahren als Frauen, Junge häufiger als Ältere, Vielfah-

rer öfter als Personen mit geringen Fahrleistungen

sowie die Tessiner seltener als die Deutschschweizer

oder die Romands.

In der Schweiz wurden in den letzten Jahren die

Anzahl der Geschwindigkeitskontrollen massiv er-

höht. Im Jahr 2003 waren es noch 243 Mio., 2007

über 515 Mio. Fahrzeuge, d. h. eine Steigerung um

112 %. 97,6 % der Geschwindigkeitskontrollen

wurden durch unbemannte stationäre Mess-

Systeme durchgeführt. Ihre Erfolgsquote beträgt

0,3 %, an den bemannten Stationen waren es 6,7

bis 6,8 %. Daraus resultiert, dass die Geschwindig-

keitsdelinquenten zu etwa zwei Dritteln mit unbe-

mannten und zu einem Drittel mit bemannten

Mess-Systemen erfasst wurden. Insgesamt hat es

sich um etwa 2,5 Mio. Geschwindigkeitssünder

bzw. zu schnell fahrende Fahrzeuge gehandelt.

Geschwindigkeitsüberschreitungen, die verzeigt

wurden, machten 5,6 % davon aus, also etwa

140 000 Fälle. Verurteilungen wegen grober Ver-

kehrsregelverletzungen (vor allem Geschwindig-

keitsdelikte) gibt es allerdings nur etwa 21 500

(Stand 2006). Betroffen davon sind zum allergröss-

ten Teil Männer (87 %) und eher junge Lenker (die

Hälfte unter 35 Jahren). Schweizer und Ausländer

machen je rund die Hälfte der Verurteilten aus.

Die Strafen waren meistens nur Bussen (87 %) oder

bedingte Freiheitsstrafen (13 %). Unbedingte Frei-

heitsstrafen wurden in den letzten vier Jahren im

Durchschnitt nur bei 35 Personen jährlich ausge-

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76 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

sprochen, wobei dies im Vergleich zu früheren Zei-

ten einen deutlichen Anstieg darstellt. Die durch-

schnittliche Dauer der bedingten Freiheitsstrafe be-

trägt 16 Tage, diejenige der unbedingten etwa 92.

Neben den möglichen strafrechtlichen Konsequen-

zen gibt es auch noch die Administrativmassnah-

men, insbesondere den Führerausweisentzug

(Kap. VII.4.1, S. 68). Gut 40 % der Führerauswei-

sentzüge (2007: 31 700 = 42 %, 2008: 33 200 =

43 %) sind auf Geschwindigkeitsdelikte zurückzu-

führen37. Es existieren diesbezüglich grosse Unter-

schiede zwischen den Kantonen und von Jahr zu

Jahr.

Der Anteil Personen, die sich mehr Geschwindig-

keitskontrollen wünschen, hat – gegenläufig zu

den intensivierten Kontrollen – in den vergangenen

Jahren abgenommen. 2004 waren es noch 38 %,

die sich mehr Geschwindigkeitskontrollen wün-

schen, 2007 nur noch 26 %. Der Anteil derjenigen,

die der Meinung sind, dass es zu viele Kontrollen

gibt, ist im selben Zeitraum von 10 % auf 16 %

angestiegen. Offensichtlich ist die Intensivierung

der Geschwindigkeitskontrollen bemerkt worden

und für einen grösser werdenden Anteil der Bevöl-

kerung genügt es jetzt. Dennoch ist der Anteil

derjenigen, die mehr Geschwindigkeitskontrollen

wünschen, immer noch um 10 Prozentpunkte hö-

her als der Anteil derjenigen, die gerne weniger

Geschwindigkeitskontrollen hätten.

Wenn man nach der subjektiven Erwartung von

Geschwindigkeitskontrollen fragt, so zeigt sich,

dass rund 4 von 5 Autofahrern damit rechnen, dass

sie mindestens einmal jährlich auf Geschwindigkeit

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 37 Ein Führerausweisentzug kann die Folge mehrerer Delikte

sein. Bezogen auf die Summe dieser Delikte (und nicht der Ausweisentzüge) machen Geschwindigkeitsdelikte rund ein Drittel aus.

kontrolliert werden. Männer rechnen damit mehr

als Frauen, junge Lenkende mehr als ältere und

Vielfahrer mehr als Lenkende mit geringen Kilome-

terleistungen. Weiterhin wird im Tessin und in der

Deutschschweiz eher mit Geschwindigkeitskontrol-

len gerechnet als in der Romandie. Die verschiede-

nen Arten von Geschwindigkeitskontrollen werden

von [40] mit einer Reduktion von 5 bis 20 % beur-

teilt, wobei die stationären bemannten Polizeikon-

trollen mit -14 % am besten abschneiden. [55]

weist allerdings darauf hin, dass der Zusammen-

hang zwischen Polizeikontrollen und Unfallgesche-

hen nicht linear ist. Bei geringer Kontrollintensität

dürfte eine Intensivierung wirksamer sein als bei

hoher. Irgendwann dürfte sogar ein Sättigungs-

punkt erreicht sein. In welchem Bereich sich die

Schweiz diesbezüglich befindet, ist nicht bekannt.

Der Sättigungspunkt dürfte aber kaum erreicht

sein.

Für die Schweiz hat das BFS festgestellt, dass

knapp je die Hälfte der Geschwindigkeitskontrollen

auf Innerortsstrassen und auf Autobahnen stattfin-

den. Auf Landstrassen werden nur 3 % aller Ge-

schwindigkeitskontrollen durchgeführt. Dies ist

angesichts der Schwere und Häufigkeit des Unfall-

geschehens auf Landstrassen definitiv zu wenig.

Insbesondere hier sollte eine Intensivierung statt-

finden und – falls nicht möglich – so doch zumin-

dest eine Verlagerung der Geschwindigkeitskon-

trollen entsprechend dem tödlichen Unfallgesche-

hen: 53 % Landstrassen, 36 % innerorts und 11 %

Autobahn.

4.4.7 Section Control

Eine neuere Entwicklung ist die «section control»

oder Abschnittskontrollsystem. Dabei wird die

Durchschnittsgeschwindigkeit innerhalb eines be-

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 77

stimmten Streckenabschnitts gemessen. Technisch

bedingt dies, dass die Fahrzeuge am Anfang und

am Ende des Abschnitts identifiziert werden (Kenn-

zeichenerkennung), die Zeitdauer der Durchfah-

rung erfasst und mit der Streckenlänge zur Durch-

schnittsgeschwindigkeit verrechnet wird. Bei an-

gemessenen Geschwindigkeiten müssen die Infor-

mationen über die Kennzeichen aus Datenschutz-

gründen sofort wieder gelöscht werden. Die tech-

nischen Probleme sind weitgehend gelöst. Schwä-

chen hat das System weil der Streckenabschnitt

bestimmte Charakteristika aufweisen muss (gleich-

bleibende Höchstgeschwindigkeit, wenig Kreuzun-

gen oder Abzweigungen, wenig Kurven, die die

Durchschnittsgeschwindigkeiten automatisch sen-

ken würden). All dies weist darauf hin, dass diese

Art der Geschwindigkeitskontrolle vor allem für

Autobahnen und monotone Ausserortsstrecken

geeignet sein dürfte.

Ein Pilotversuch in Österreich [59] im Kaisermühlen-

tunnel bei Wien ergab positive Ergebnisse. Die

Anzahl der Unfälle mit verletzten Personen sowie

die Anzahl der verletzten Personen sanken vor dem

und im Tunnel im Vergleich zur Vorherperiode um

rund 40 %. Nach dem Tunnel gab es keine grossen

Veränderungen. Besonders markant sank die Un-

fallkostenrate (–80 %), was ein Hinweis darauf ist,

dass neben der Anzahl der Unfälle auch deren

Schwere abgenommen hat. Die Studie hat einige

methodische Schwächen (mögliche Regression-zur-

Mitte), so dass ein für 2010 geplanter Pilotversuch

in der Schweiz noch weitere wichtige Informatio-

nen wird liefern können.

4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen

und -zeiten

Eine wichtige Praxis für stationäre Geschwindig-

keitskontrollen ist, dass die Positionen zufällig (ran-

domisiert) ausgesucht werden, damit die Motor-

fahrzeuglenkenden die Erfahrung machen, dass die

Polizei auch an unerwarteten Stellen präsent sein

kann [55].

So berichten Newstead, Cameron und Leggett

[60], dass die Einführung eines Systems der zufälli-

gen Zuweisung der Kontrollen nach Ort und Zeit

(sogenannte Random Road Watch – RRW) in der

Region Queensland in Australien zu einem erhebli-

chen Rückgang der Unfälle führte. RRW bedeutete,

dass jeder von knapp 300 Polizeiposten im Durch-

schnitt etwa 40 mögliche Kontrollstellen angab.

Die Kontrollzeiten wurden auf 2 Stunden zwischen

6 Uhr morgens und Mitternacht begrenzt. Die

Kontrollen wurden dann durch eine zufällige Kom-

bination von Ort und Zeit bestimmt. Die Anzahl

tödlicher Unfälle sank insgesamt um 25 %; die

Reduktion war allerdings geringer für weniger

schwere Verletzungen. Die Wirksamkeit dieser

Strategie war besser in ländlichen Regionen als

innerorts. Sie schien im Laufe der Zeit wirksamer zu

werden – möglicherweise weil die Lenker merkten,

dass sie zu verschiedenen Uhrzeiten und an unter-

schiedlichen Orten mit Kontrollen rechnen muss-

ten.

Der letzte Punkt könnte ein Hinweis darauf sein,

dass es eine gewisse Zeit braucht, bis die Motor-

fahrzeuglenkenden das System begreifen. Mögli-

cherweise würden Informationskampagnen dazu

beitragen, die Wirksamkeit dieses Systems zu be-

schleunigen.

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78 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Das Nutzen-Kosten-Verhältnisse lag bei dem

Queensland-Programm bei 55:1 und war somit

deutlich besser als ein Programm zu Geschwindig-

keitskameras (9,4:1) oder anlassfreien Alkoholkon-

trollen (25:1).

4.4.9 Fazit

Automatische Geschwindigkeitskontrollen (unbe-

mannt und stationär) müssen weiterhin das Rück-

grat der Polizeiaktivität im Geschwindigkeitsbereich

bilden. Diese sollten noch weiter intensiviert wer-

den. Die Akzeptanz dafür ist – trotz der bereits

deutlich gestiegenen Häufigkeit an Geschwindig-

keitskontrollen – immer noch gegeben. Die Intensi-

vierung der automatischen Kontrollen sollte sich

besonders auf die Ausserortsstrassen – und dort

auf besonders gefährliche Streckenabschnitte –

konzentrieren, um eines der grössten Verkehrssi-

cherheitsprobleme in der Schweiz entschärfen zu

helfen.

Die zufällige Auswahl der Kontrollorte und –zeiten

bei stationären bemannten Kontrollen ist nach dem

aktuellen Kenntnisstand eine sehr wirkungsvolle

Massnahme. Durch eine geringe Vorhersehbarkeit

für die Lenker steigt die subjektive Kontrollerwar-

tung an. Dadurch können erhebliche Reduktionen

bei den schwersten Unfällen erreicht werden, ohne

dass die Kontrolltätigkeit der Polizei intensiviert

werden muss.

Fahrende Geschwindigkeitskontrollen insbesondere

mit zivilen Fahrzeugen sind hingegen zur Bekämp-

fung des Massendelikts «überhöhte Geschwindig-

keit» nur wenig geeignet, da sie zwar zu Spezial-

prävention (Überführen der Delinquenten) aber

kaum zur Generalprävention (allgemeine Abschre-

ckung) beitragen. Die Begleitung der polizeilichen

Aktivitäten mittels Information oder Kampagnen ist

sehr sinnvoll, da Veränderungen der Polizeiaktivitä-

ten erst bei erheblicher Intensivierung durch die

Öffentlichkeit bemerkt wird. Die Massenmedien

sind in der Lage, dies vorwegzunehmen.

5. Verkehrstechnik

5.1 Einleitung

5.1.1 Abgrenzung

Strassenart

Das Unfallgeschehen (Kap. VI, S. 51) zeigt auf, dass

sich Unfälle mit möglichem Geschwindigkeitsein-

fluss vor allem auf Innerorts- und Ausserortsstras-

sen ereignen. Autobahnen sind also weniger be-

lastet. Rund die Hälfte aller Schwerverletzten und

rund zwei Drittel der Getöteten sind auf Ausser-

ortsstrassen zu verzeichnen. Ein Drittel der Schwer-

verletzten und ein Viertel der Getöteten finden sich

auf Innerortsstrassen. Die Letalität von geschwin-

digkeitsbedingten Unfällen ist auf Ausserortsstras-

sen mehr als doppelt so hoch wie auf Innerorts-

strassen. Obwohl auf Autobahnen hohe Ge-

schwindigkeiten gefahren werden, ist dieser Stras-

sentyp hinsichtlich geschwindigkeitsbedingten

Unfallgeschehens von untergeordneter Bedeutung.

Deshalb werden im Folgenden nur verkehrstechni-

sche Massnahmen auf Innerorts- und Ausserorts-

strassen diskutiert.

Wirkungsebene

Der Effekt von verkehrstechnischen Massnahmen

auf die gefahrenen Geschwindigkeiten kann auf

zwei Ebenen gemessen werden. Auf der Wir-

kungsebene zeigt sich eine Senkung der gefahre-

nen Geschwindigkeiten, auf der Ergebnis-Ebene

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 79

die Reduktion des Unfallgeschehens. Es zeigt sich,

dass bezüglich verkehrstechnischer Massnahmen

eine Reduktion der gefahrenen Geschwindigkeit

meist mit einer Reduktion des Unfallgeschehens

und der Unfallschwere einhergeht. Im Folgenden

wird primär auf verkehrstechnische Massnahmen

eingegangen, die zur Einhaltung der allgemeinen

oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten bei-

tragen und/oder zu einer den (lokalen) Verhältnis-

sen angepassten Fahrgeschwindigkeit führen.

Dazu kommen einzelne Massnahmen, die in erster

Linie auf eine Senkung der Unfallfolgen abzielen

(unabhängig davon, ob dabei auch die gefahrenen

Geschwindigkeiten reduziert werden).

5.1.2 Problematik der Strassenverkehrsun-

fallstatistik hinsichtlich verkehrstechni-

scher Mängel

Die amtliche Strassenverkehrsunfallstatistik enthält

zwar Merkmale bezüglich Infrastruktur wie bei-

spielsweise «Strassenart», «Unfallstelle», «mögli-

che Mängel/Einflüsse». Verkehrstechnische Mängel

lassen sich daraus jedoch nicht ableiten. So ist etwa

die auf der polizeilichen Unfallstatistik basierende

Aussage, dass sich die meisten Unfälle an Kreu-

zungen ereignen verkehrstechnisch wenig aussa-

gekräftig. Wichtig wären Informationen über die

konkrete Ausgestaltung einer Kreuzung, nament-

lich die Sichtweiten, die Abbiegeradien, die Anzahl

und Lage der Fahrspuren, die Verkehrsmengen und

-zusammensetzung und Ähnlichem. Die Verbrei-

tung und Relevanz der Mängel aus Sicht des Ver-

kehrsingenieurwesens sowie die Priorität von bauli-

chen, gestalterischen oder betrieblichen Massnah-

men aus sicherheitstechnischer Sicht können somit

auf der Basis der polizeilichen Unfallstatistik nicht

quantifiziert werden. Die Praxis sowie Erfahrungen

aus Road Safety Audits (Kap. VII.5.6.6, S. 97) zei-

gen aber immer wieder, dass sicherheitstechnische

Bedingungen oft nicht eingehalten werden [61].

Aus diesen Gründen werden im Folgenden Infra-

struktur, Gestaltung und Betrieb von Verkehrsanla-

gen systematisch dahingehend analysiert, ob und

wie sie hinsichtlich Geschwindigkeitsreduktion und

Sicherheitsgewinn optimiert werden können.

5.1.3 Begriffe

Ausbaugeschwindigkeit

Die Ausbaugeschwindigkeit ist eine Vorgabe zur

Festlegung des Ausbaugrades einer Strasse. Sie legt

die Grenzwerte der Projektierungselemente (Kur-

venradius, Querschnitt, Längsneigung) fest [14,62].

In diesem Sinn legt sie den Ausbaugrad einer Stras-

se fest. Diese Definition orientiert sich in erster

Linie an der Funktion einer Strasse hinsichtlich mo-

torisiertem Individualverkehr. Die OECD [29] emp-

fiehlt eine Definition, mit einem starken Bezug zur

Verkehrssicherheit. Danach ist die Ausbauge-

schwindigkeit diejenige Höchstgeschwindigkeit, die

eine sichere und angenehme Fahrweise bei leich-

tem Verkehrsaufkommen ermöglicht.

Projektierungsgeschwindigkeit

Die Projektierungsgeschwindigkeit ist die höchste

Geschwindigkeit, mit der eine bestimmte Stelle

einer Strasse befahren werden kann. Ihre Grösse

richtet sich in erster Linie nach den Kurvenradien.

In Geraden wird die Projektierungsgeschwindigkeit

der geltenden Höchstgeschwindigkeit gleichge-

setzt. Dies gilt auch für Radien, die eine höhere

Projektierungsgeschwindigkeit zuliessen.

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80 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Infrastruktur

Die Infrastruktur umfasst alle baulichen Elemente

einer Strasse inkl. Signale und Markierungen.

Betrieb

Der Betrieb einer Strasse umschreibt die gesamte

Abwicklung und Organisation des Verkehrs. Dazu

gehören die mittels Signalisation festgelegte

Höchstgeschwindigkeit, Fahrrichtung, Anzahl Fahr-

spuren, sowie Verkehrsstärken und –zusammen-

setzung.

Gestaltung

Eine gestaltete Strasse weist Interventionen zur

Aufwertung des Erscheinungsbildes des Strassen-

raumes auf. Dadurch soll dem Motorfahrzeuglen-

kenden namentlich auf übergeordneten Strassen

innerorts die Multifunktionalität eines Strassenrau-

mes vergegenwärtigt werden. Dazu gehören insbe-

sondere die Nutzungsansprüche der verletzlichen

Verkehrsteilnehmenden.

Linienführung

Die horizontale Linienführung ist durch die Kurven-

radien, die Geraden und den dazwischen liegenden

Übergangsbereichen gegeben. Die vertikale Linien-

führung wird durch die Längsneigungen charakteri-

siert.

Querschnitt

Der Querschnitt einer Strasse wird hauptsächlich

durch die Spurbreiten für den rollenden Verkehr, die

Trottoirbreiten, die seitlichen Freiräume und die

Anzahl der Spuren charakterisiert.

Geschwindigkeitsregimes

Darunter werden die je nach Ortslage geltenden

allgemein gültigen Höchstgeschwindigkeiten ver-

standen. In der Schweiz sind dies gemäss Art. 4a der

Verkehrsregelverordnung:

50 km/h innerorts

80 km/h ausserorts

100km/h auf Autostrassen

120 km/h auf Autobahnen

Siedlungsorientierte Strasse

Auf siedlungsorientierten Strassen dominiert die

Erschliessungs- und Aufenthaltsfunktion. Da sie

meist durch Wohnquartieren führen, sind sie mög-

lichst frei von Durchgangsverkehr zu halten.

Verkehrsorientierte Strasse

Verkehrsorientierte Strassen haben zwei Funktionen:

Einerseits sollen sie effiziente Verkehrsträger für den

rollenden Verkehr sein, andererseits sind sie für

einen Ort identitätsstiftend und sollen dem Lang-

samverkehr grosse Sicherheit und hohe Aufent-

haltsqualität bieten.

V85

Dies ist die Geschwindigkeit, die von 85% aller an

einem bestimmten Strassenquerschnitt erfassten

Fahrzeuge erreicht bzw. unterschritten wird.

5.2 Übergeordnete Ziele

Infrastruktur, Betrieb und Gestaltung der Strasse (bei

neuen Projekte oder Sanierungen) sind so zu planen,

zu projektieren und auszuführen, dass Motorfahr-

zeuglenkende intuitiv mit angemessener Geschwin-

digkeit fahren. Um dies sicherzustellen sind insbeson-

dere folgende Grundsätze zu beachten [63,64]:

• In der Basisplanung ist das Strassennetz zu hierar-

chisieren. Dadurch werden den einzelnen Strassen

Funktionen zugeordnet. Darauf basierend können

unter Berücksichtigung der Nutzungsansprüche

aller Verkehrsteilnehmenden [65] die Strassen pro-

jektiert, betrieben und gestaltet werden.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 81

• Es ist davon auszugehen, dass die Wahl einer

angemessenen Geschwindigkeit unter anderem

davon abhängt, ob die Motorfahrzeuglenken-

den eine Strasse richtig beurteilen. Das Erken-

nen von Funktion und Nutzungsansprüchen

muss demnach für Motorfahrzeuglenkenden

aufgrund des Erscheinungsbildes der Strasse

möglich sein, d. h. eine Strasse muss selbster-

klärend ausgeführt sein [64,66]. In der Norm

SN 640 211 [65] des Schweizerischen Verbands

der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) ist

dieser Grundsatz unter dem Stichwort «Be-

greifbarkeit» subsummiert. Die Wirksamkeit

dieses Grundsatzes auf das Geschwindigkeits-

verhalten konnte in einem Simulatorversuch ge-

zeigt werden. Selbsterklärende Strassen weisen

homogenere Geschwindigkeiten auf [67].

• Homogenität im Geschwindigkeitsverhalten

wird in der Literatur oft als bedeutsamer Faktor

hervorgehoben. Insbesondere in [68] und [5]

werden diverse Studien zitiert, wonach homo-

gene Geschwindigkeiten einen positiven Effekt

auf das Unfallgeschehen haben. So weisen

Fahrzeuge, die bedeutend schneller als der

Durchschnitt fahren, eine bedeutend erhöhte

Unfallwahrscheinlichkeit auf. Von grosser Be-

deutung für die Projektierung von Verkehrsan-

lagen sind die Aussagen in [68], wonach sich

die Homogenität der gefahrenen Geschwindig-

keiten, auch über eine ganze Strecke betrach-

tet, positiv auf das Unfallgeschehen auswirkt.

• Zur Vollständigkeit sei noch der Grundsatz der

fehlertoleranten Strasse erwähnt. Es ist nicht

davon auszugehen, dass damit unmittelbar die

Fahrgeschwindigkeiten beeinflusst werden

können. Ziel einer fehlertoleranten Strasse ist es

jedoch, die Folgen auch von geschwindigkeits-

bedingten Unfällen zu minimieren.

5.3 Planung

Auf der Stufe der Planung werden die Strassen hie-

rarchisch gegliedert. Ein wesentlicher Punkt der Hie-

rarchisierung ist, dass die Zuteilung einer Strasse in

die adäquate Hierarchiestufe nicht nur auf Planungs-

stufe erfolgt, sondern in der Realität umgesetzt und

für die Motorfahrzeuglenkenden erkennbar wird. Die

Erfahrung zeigt, dass dies in der Praxis wiederholt

missachtet wird. Klassisches Beispiel sind siedlungs-

orientierte Strassen mit überbreiten Fahrbahnen und

beidseitigem, baulich deutlich abgetrenntem Trottoir

sowie Mittellinie (Abbildung 12). Ein solches Erschei-

nungsbild widerspricht der Funktion einer Quar-

tierstrasse und kann u. a. zu unangepasstem Ge-

schwindigkeitsverhalten führen (Abbildung 13).

Abbildung 12 Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Tempo-30-Strasse

Abbildung 13 Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Aus-serortsstrasse (Tempo 80)

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82 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

5.4 Infrastruktur

5.4.1 Autobahnen

Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen be-

trägt 120 km/h. Je nach Topografie und Siedlungs-

struktur beträgt demnach die Ausbaugeschwindig-

keit maximal ebenfalls 120 km/h. Gemäss den

Vorgaben in [62] und [14] ist die horizontale Li-

nienführung danach zu projektieren.

Da die Ausbaugeschwindigkeit sowie der Quer-

schnitt von Autobahnen vorgegeben sind, besteht

kein Spielraum für infrastrukturelle Massnahmen

zur Reduktion der gefahrenen Geschwindigkeiten.

Zu diesem Schluss gelangen auch die Autoren von

[69]. Sie halten fest, dass es auf Autobahnen kei-

nen Zusammenhang zwischen Geometrie und der

gefahrenen Geschwindigkeit gibt. Engere Radien

zwingen zwar die Lenkenden aus physikalischen

Gründen zu niedrigeren Geschwindigkeiten. Über-

geordnetes Ziel der horizontalen Linienführung

sollte es jedoch sein, homogene Geschwindigkei-

ten auf einem Streckenzug anzustreben und nicht

das Geschwindigkeitsverhalten zu beeinflussen.

Dies wird im folgenden Kap. VII.5.4.2 eingehend

erläutert.

Berücksichtigt man schliesslich, dass Autobahnen

hinsichtlich geschwindigkeitsbedingtem Unfallge-

schehen keinen Schwerpunkt darstellen

(Kap. VII.5.1.1, S. 78), spielt die Tatsache, dass

mittels Infrastruktur und Gestaltung die Geschwin-

digkeiten nicht beeinflusst werden können, eine

untergeordnete Rolle.

5.4.2 Ausserortsstrassen

Ausserortsstrassen wiesen in den vergangenen 8

Jahren eine V85 von 79 km/h bis 85 km/h auf [28].

Der Anteil Fahrzeuge, welche die Höchstgeschwin-

digkeit nicht einhielten, betrug in diesem Zeitraum

16–35 %. Aus [68] ist bekannt, dass es vor allem

die schnellen Fahrzeuge aus einer Geschwindig-

keitsverteilung sind, welche eine hohe Unfallrate

aufweisen. Zusammen mit den Erkenntnissen be-

züglich geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen,

ist auf Ausserortsstrassen Handlungsbedarf ange-

zeigt. Wie kann das Geschwindigkeitsverhalten

bzw. das Unfallgeschehen durch die Geometrie der

Strasse beeinflusst werden?

Auf Stufe Projektierung können folgende Features

verändert werden:

• Die horizontale Linienführung

• die vertikale Linienführung

• der Querschnitt

Die horizontale Linienführung ist durch die Elemen-

te «Gerade» und «Kurve» gegeben, wobei diese

durch sogenannte «Übergangsbögen» verbunden

werden (geometrisch: Klothoiden). Letztere sind

insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten not-

wendig, weil das Einschlagen des Lenkrades bis zur

gewünschten Endposition eine gewisse Zeit (und

somit Strecke) in Anspruch nimmt.

Physikalisch beschränkt die Geometrie (Radius,

Quergefälle) einer Kurve die an diesem Ort maxi-

mal mögliche Fahrgeschwindigkeit. Trotzdem fällt

der triviale Ansatz, auf ganzen Streckenzügen mit-

tels Aneinanderreihen von Kurven mit sehr kleinen

Radien die Geschwindigkeiten und damit auch die

Unfallschwere zu minimieren, aus ökologischen

und ökonomischen Überlegungen ausser Betracht.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 83

Das Strecken von Linienführungen führt anderer-

seits zu höheren Geschwindigkeiten.

Diese Betrachtungsweise deckt einen ersten Ziel-

konflikt auf. Hierzu sind zudem zwei Studien be-

kannt [38], wonach das Unfallrisiko ausserorts

ansteigt, wenn die Radien ein gewisses Mass un-

terschreiten (430 m resp. 1000 m). Grössere Ra-

dien führen also zu höherer Sicherheit, lassen aber

höhere Geschwindigkeiten zu.

Die Frage, wie Geschwindigkeit und Unfallgesche-

hen mittels Wahl der Kurvenradien beeinflusst

werden können, ist gemäss diesen Ausführungen

nicht zu beantworten.

Ein möglicher Ausweg aus dieser Schwierigkeit ist

in Kap. VII.5.2, S. 80 erläutert. Danach ist nicht nur

der absolute Betrag der gefahrenen Geschwindig-

keiten für die Sicherheit einer Strecke massgebend,

sondern auch eine streckenbezogen homogene

Geschwindigkeit. Auf diesen Überlegungen beru-

hen die Empfehlungen in [62] und [14]. Basierend

auf dem Prinzip, dass ein Streckenzug homogen

projektiert werden soll [70]. Das darin empfohlene

Verfahren ermöglicht es, Streckenzüge homogen

zu projektieren. Insbesondere sind geometrische

Bedingungen hinsichtlich Elementenfolge formu-

liert. So sind maximale Differenzen der Projektie-

rungsgeschwindigkeiten benachbarter Projektie-

rungselemente, namentlich Kurven, festgelegt.

Zudem werden geometrische Bedingungen für die

Übergänge zwischen Kurven und Geraden formu-

liert. Es wird davon ausgegangen, dass eine Projek-

tierung gemäss diesen Vorgaben zu einer homo-

genen Linienführung führt.

Oft lassen es die Randbedingungen (z. B. Topogra-

fie, Eigentumsverhältnisse) nicht zu, die geschilder-

ten Projektierungsvorgaben einzuhalten. Führt dies

zu Sicherheitsproblemen, so kann versucht werden,

Kurven mit optischen Führungshilfen zu entschär-

fen. Bevor auf die einzelnen Möglichkeiten einge-

gangen wird, sei eine Studie zu dieser Thematik

erwähnt [71]. Darin wird ein Verfahren vorgeschla-

gen, unsichere Kurven zu diagnostizieren, ohne

sich dabei auf das Unfallgeschehen abzustützen zu

müssen. Auch dieser Ansatz beruht auf dem Prin-

zip der Homogenität. Im Wesentlichen werden

dabei die relativen Differenzen zwischen Annähe-

rungsgeschwindigkeit und Kurvengeschwindigkeit

der einzelnen Fahrzeuge als Massstab für die Quali-

tät der Kurve herangezogen. Demgemäss weist

eine sicherheitstechnisch problematische Kurve

eine grosse Streuung in den relativen Differenzen

zwischen Annäherungsgeschwindigkeit und Kur-

vengeschwindigkeit auf.

Als optische Führungshilfen zur Verdeutlichung des

Kurvenverlaufes wird in der Praxis eine ganze Reihe

von Massnahmen eingesetzt, insbesondere:

• Randlinien (Abbildung 14)

• Dichte Abfolge von Leitpfosten oder flexiblen

Kunststoffpollern zur Verdeutlichung des Kur-

venverlaufs

• Leitpfeile

Abbildung 14 Randlinie

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84 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

• abgestufte Leitpfeile (Abbildung 15)

• Gefahrensignale (Rechtskurve, Linkskurve, Dop-

pelkurve rechts beginnend, Doppelkurve links

beginnend (Abbildung 16)

• Verknüpfungen dieser Massnahmen. Zwahlen

erarbeitete dazu ein Verfahren, um je nach ge-

ometrischen Bedingungen, die ideale Kombina-

tion festzulegen [72].

Nicht für jede der aufgelisteten Interventionen

konnten in der Literatur Befunde für einen sicher-

heitstechnischen Erfolg gefunden werden.

Untersuchungen hinsichtlich Erfolg von Randlinien

und in dichter Folge platzierten Leitpfosten in Kur-

ven fehlen. Fachleute sehen in dieser Massnahme

zwar einen ersten, einfachen Schritt hin zur Ver-

deutlichung der Linienführung. Immerhin zeigen

Meta-Analysen und Reviews, dass grundsätzlich

Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlau-

fes zu einer Reduktion von Unfällen mit Verletzten

von 20 % bis 50 % führt [5]. Ähnliche Grössen

finden sich auch in [73], wobei in dieser Studie

zusätzlich eine positive Auswirkung auf die Wahr-

nehmung der Kurven nachgewiesen werden konn-

te. Abschliessend sei noch festgehalten, dass in der

gesichteten Literatur für Gefahrensignale vor Kur-

ven (z. B. Abbildung 16) kein signifikanter Effekt

auf die Unfälle mit Verletzten sowie auf Unfälle mit

Sachschaden gefunden werden konnte [5,74].

Die Palette an Massnahmen zur Entschärfung von

sicherheitstechnisch problematischen Kurven sowie

der Nachweis der unfallreduzierenden Wirkung

einiger dieser Massnahmen könnte vordergründig

zum Schluss führen, den Aufwand für eine homo-

gene Projektierung zu minimieren und bei Bedarf

mit Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurven-

verlaufes zu intervenieren. Dem ist entgegen zu

halten, dass der Grundsatz der selbsterklärenden

Strasse sowie der homogenen Linienführung besa-

gen, dass mittels adäquater Projektierung ein an-

gemessenes Geschwindigkeitsverhalten anzustre-

ben ist. Es wäre also ethisch fahrlässig, bei um-

ständlichen Randbedingungen von einer homoge-

nen Linienführung abzusehen, das Unfallgesche-

hen zu analysieren und bei negativer Entwicklung

die Probleme mittels Leitpfeilen nachträglich zu

korrigieren.

Die vertikale Linienführung ist durch das Längsge-

fälle der Strasse charakterisiert.

Abbildung 15 Abgestufte Leitpfeile (Kap. VII.3.6, S. 64)

Abbildung 16 Gefahrensignal «Rechtskurve»

Quelle: SSV

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 85

Der Spielraum für Eingriffe in die vertikale Linien-

führung ist auf Ausserortsstrassen beschränkt.

Die grossräumige Betrachtungsweise zeigt, dass

Steigungen die gefahrenen Geschwindigkeiten

kaum beeinflussen. Steigungen wirken sich erst ab

8% auf die Geschwindigkeiten aus [62]. Dabei gilt

es zu beachten, dass in Gegenrichtung eine Stei-

gung zum Gefälle wird, was sich vermutlich nega-

tiv auf die gefahrenen Geschwindigkeiten auswirkt.

Daher sind Steigungen und Gefälle nicht als

geschwindigeitswirksame Massnahmen zu betrach-

ten. Sie ergeben sich schlicht als Folge der topogra-

fischen Gegebenheiten.

Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienfüh-

rung führen zur Massnahme des vertikalen Versat-

zes (kurze Anhebungen der Fahrbahn). Diese sind

auf verkehrsorientierten Ausserortsstrassen grund-

sätzlich ungeeignet, denn sie stellen insbesondere

bei steilen Anrampungen eine Inhomogenität

(Kap. VII.5.2, S. 80) dar. Indessen versuchen einige

Baubehörden gezielt an sicherheitstechnisch kriti-

schen Örtlichkeiten die Geschwindigkeiten mittels

vertikalen Versätzen mit eher geringer Rampennei-

gung zu senken. In [75] werden kreissegmentför-

mige vertikale Versätze empfohlen, wobei Ram-

penneigungen von 3,8 % bis 4 % für Geschwin-

digkeiten von 60 km/h bis 50 km/h empfohlen

werden. Dass solche Eingriffe die Geschwindigkeit

punktuell senken können, ist plausibel. Kritisch

anzumerken ist hingegen, dass vertikale Versätze

auf verkehrsorientierten Strassen dem Grundsatz

der Erkennbarkeit von Strassentypen widerspre-

chen (Kap. VII.5.2, S. 80). Diese Elemente sind

insbesondere für siedlungsorientierte Innerorts-

strassen vorzusehen (Kap. VII.5.4.4, S. 90 und Kap.

VII.5.5.3, S. 92).

Als kleinräumige Eingriffe auf die vertikale Linien-

führung können auch die sogenannten «Rumble

Strips» angesehen werden. Es handelt sich dabei

um rillenartige Vertiefungen, die entlang der seitli-

chen Fahrbahnabgrenzung oder in Fahrbahnmitte

angebracht werden (Abbildung 17). Gemäss [76]

können Rumble Strips die Anzahl Frontal- und

Streifkollisionen mit Personenschäden um 25 %,

die Unfälle mit Personenschaden insgesamt um

immerhin 15 % reduzieren. Ob es sich hierbei um

geschwindigkeitsbedingte Unfälle handelte, konnte

nicht eruiert werden. Immerhin konnte [74] einen

positiven Effekt von Rumble Strips auf die gefahre-

nen Geschwindigkeiten sowie auf die Schleuderun-

fälle nachweisen.

Der Einfluss des Querschnitts einer Strasse auf die

Geschwindigkeit und die Sicherheit ist vielschichtig.

In der Literatur sind einige Auswertungen zum

Zusammenhang zwischen Breite und Geschwindig-

keit vorhanden. Daraus geht hervor, dass für Aus-

serortsstrassen ein schwacher, jedoch positiver

Zusammenhang zwischen diesen Grössen besteht.

Aus dieser Erkenntnis sollte jedoch nicht der direk-

te Schluss gezogen werden, prinzipiell mittels Ver-

schmälerung von Strassen die Sicherheit zu verbes-

sern. In der Tat zeigen die Auswertungen mehrerer

Analysen, dass weitere Variablen ebenso die Si-

Abbildung 17 Rumble Strips in Fahrbahnmitte

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86 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

cherheit beeinflussen. So wird beispielsweise in

[73] gezeigt, dass sich die Verbreiterung von Spu-

ren positiv auf Frontal- und Schleuderunfälle aus-

wirkt. Unerwartete Ergebnisse ergeben sich aus [5].

So nehmen die Unfälle mit Personenschaden aus-

serorts bei einer Zunahme der Anzahl Spuren von 2

auf 3 oder von 2 auf 4 signifikant zu, bei einer

Zunahme der Anzahl Spuren von 4 auf 6 hingegen

signifikant ab. Desgleichen nehmen die Unfälle mit

Personenschaden signifikant zu, wenn die Breiten

von (gemäss Norm) zu schmalen Spuren erhöht

werden. Demgegenüber nehmen die Unfälle mit

Personenschaden bei Verbreiterung der gesamten

Strasse ab. Diese sich teilweise widersprechenden

Aussagen sind vermutlich darauf zurück zu führen,

dass in Studien niemals alle erklärenden Variablen

mitberücksichtigt werden können und gleichzeitig

konfundierende Variablen den Outcome verfäl-

schen. Beispielsweise spielt die Lage eines Quer-

schnittes in der horizontalen Linienführung genau

so ein Rolle wie die Verkehrszusammensetzung. So

führen beispielsweise Verbreiterungen von Kurven

gemäss [5] zu keiner signifikanten Veränderung

des Unfallgeschehens. Ein weiteres Beispiel zum

komplexen Zusammenspiel von Breite, Sicherheit

und Geschwindigkeit zeigt eine Schweizerische

Studie zur Verträglichkeit von leichtem Zweiradver-

kehr und motorisiertem Individualverkehr [77].

Diese gelangt zum Schluss, dass auf Grund der

Begegnungsfälle und Überholabstände Breiten von

unter 6 m und über 7,50 m sicherheitstechnisch

verträglich und Zwischenbreiten zu vermeiden sind.

Aus diesen Ausführungen lässt sich der Schluss

ziehen, dass keine allgemeingültige Aussage zu

Gunsten einer Verbreiterung oder Verengung von

Strassenbreiten möglich ist – weder hinsichtlich

Geschwindigkeit noch hinsichtlich Sicherheit. Hier-

zu wäre ein rechnerisches Modell nötig, das alle

relevanten Einflussvariablen (Verkehrszusammen-

setzung, Anzahl Spuren, usw.) enthält. Dieser Prob-

lematik versuchen die VSS-Normen Rechnung zu

tragen. Sie legen die zu wählenden Fahrbahnbrei-

ten auf Grund der massgebenden Begegnungsfälle

und den Geschwindigkeiten fest [78–80].

Ebenso undeutlich ist die Sachlage betreffs Quer-

gefälle. In [5] werden zwei sich widersprechende

Studien zitiert, welche die sicherheitstechnischen

Auswirkungen von Korrekturen des Quergefälles

untersuchten.

Zur Thematik des Querschnittes einer Strasse ge-

hört auch die Fragestellung bezüglich baulicher

Trennung von verletzlichen Verkehrsteilnehmern

und motorisiertem Verkehr. Insbesondere auf Aus-

serortsstrassen herrschen beträchtliche Geschwin-

digkeitsunterschiede zwischen diesen beiden Ver-

kehrskategorien. Wo die bestehenden Breiten Kon-

fliktpotenzial beinhalten bzw. wo die gefahrenen

Geschwindigkeiten nicht auf ein verträgliches Mass

gesenkt werden können [30], muss diese Trennung

angestrebt werden. Sie entspricht auch dem Prinzip

der Homogenität von Geschwindigkeiten und Mas-

sen.

Weitere Aspekte des Querschnittes betreffen

Massnahmen, die nicht direkt das Geschwindig-

keitsverhalten beeinflussen, sondern die Folgen von

geschwindigkeitsbedingten Unfällen auf Ausser-

ortsstrassen mindern. Dazu gehören das Entfernen

von festen Objekten am Strassenrand (z. B. Mau-

ern, Zäune, Pfosten) sowie die Verbreiterung von

Banketten (Seitenstreifen der Strasse). Diese Inter-

ventionen sind gemäss [46] bedeutend und müss-

ten bei einer Normenrevision mitberücksichtigt

werden. Leitschrankensysteme nehmen in dieser

Gruppe von Massnahmen eine spezielle Stellung

ein, da sie in der Praxis sehr oft zur Diskussion

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 87

stehen bzw. zur Anwendung gelangen, ihre si-

cherheitstechnische Wirkung jedoch nicht unum-

stritten ist. So besteht das hauptsächliche Ziel von

Leitschranken an der Kurvenaussenseite darin, von

der Fahrbahn abirrende Fahrzeuge zurück zu hal-

ten. Dies impliziert jedoch das Risiko von Sekun-

därkollisionen, sodass in jedem Einzelfall die ver-

schiedenen Auswirkungen abzuwägen sind. Diesen

Grundsätzen trägt auch die Norm [81] Rechnung

(Abbildung 18). Mittelleitschranken zielen dagegen

darauf ab, Frontalkollisionen, die teilweise auch auf

zu hohe Geschwindigkeiten zurück zu führen sind,

zu vermeiden. Dabei muss der Betrieb in jeder Hin-

sicht gewährleistet sein (Zugang für Rettungsfahr-

zeuge, Abbiegemanöver bei Verzweigungen,

Kompatibilität mit dem leichten Zweiradverkehr).

Deshalb sind Mittelleitschranken nur bei gewissen

verkehrstechnischen Bedingungen (Örtlichkeit,

Geometrie, Anteil des leichten Zweiradverkehrs)

zielführend (Abbildung 19). Immerhin zeigen Re-

views von zahlreichen Studien für beide Leitschran-

kensysteme positive Auswirkungen auf das Unfall-

geschehen. So weist [5] sowohl für Leitschranken

an der Kurvenaussenseite als auch für Mittelleit-

schranken einen signifikanten Rückgang von Unfäl-

len mit Getöteten von über 40 %. Daraus darf aus

den vorgängig dargelegten Gründen jedoch nicht

der Schluss gezogen werden, dass jede Kurve und

jede Ausserortsstrecke mit Leitschranken zu verse-

hen sind. Jeder einzelne Fall muss sorgfältig ge-

plant werden.

5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen

Das Geschwindigkeitsverhalten innerorts zeigt

hinsichtlich Einhaltegrad der geltenden Höchstge-

schwindigkeit ein erfreulicheres Bild auf als Ausser-

ortsstrassen [28]. Der Anteil Fahrzeuge, die schnel-

ler als die maximal erlaubte 50 km/h fährt, ist aber

trotzdem beträchtlich. Er bewegte sich in den ver-

gangenen 6 Jahren zwischen 12 % und 21 %.

Dementsprechend betrug in diesem Zeitraum die

V85 zwischen 47 km/h und 50 km/h. Ob im Einzel-

fall die gefahrenen Geschwindigkeiten situations-

angepasst waren, geht aus dieser Betrachtungs-

weise nicht hervor. Da aber innerorts sehr oft ver-

letzliche Verkehrsteilnehmer unterwegs sind (Fuss-

gänger, Zweiradfahrer, Behinderte, etc.), ist ein

tiefes, homogenes Geschwindigkeitsniveau eine

notwendige Voraussetzung für die Verkehrssicher-

heit. Zusätzlich sind Querungsstellen für den Fuss-

verkehr und Abbiegestellen für den Fahrradverkehr

mit geeigneten Massnahmen abzusichern.

Abbildung 18 Leitschranke an der Kurvenaussenseite auf einer Ausserortsstrasse

Abbildung 19 Mittelleitschranke auf einer Ausserortsstrasse

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88 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Diese Überlegungen, die Zahlen zum Unfallgesche-

hen sowie die Erkenntnisse hinsichtlich Unfallbetei-

ligung hauptsächlich der schnellen Fahrzeuge ([68])

zeigen auf, dass auch innerorts Handlungsbedarf

besteht. Die Systematik der baulich möglichen

Eingriffe zur Geschwindigkeitsbeeinflussung ist

innerorts grundsätzlich dieselbe wie ausserorts.

Folgende Eigenschaften können verändert werden:

• die horizontale und vertikale Linienführung

• der Querschnitt

Die Grundsätze der horizontalen Linienführung

sind innerorts nur theoretisch mit denjenigen aus-

serorts zu vergleichen (Kurvenradien, Übergangs-

bögen, Geraden). Innerorts sind die Vorgaben für

die horizontale Linienführung im Besonderen durch

die Lage der Bauten (Siedlungsstruktur) und die

Nutzungsansprüche verschiedenster Verkehrsteil-

nehmer gegeben. Eine homogene Abfolge von

Projektierungselementen entwerfen zu wollen

unter Berücksichtigung der Ausbaugeschwindigkeit

um damit einen homogenen Geschwindigkeitsver-

lauf zu erreichen, führt innerorts nicht zum Ziel.

Die horizontale Linienführung muss sich innerorts

somit nach der Fahrzeuggeometrie des motorisier-

ten Individualverkehrs richten und nicht nach der

Fahrdynamik.

Die einzige Möglichkeit, innerorts in die horizontale

Linienführung einzugreifen, um die Geschwindig-

keit zu dämpfen, besteht im Vermeiden von lang-

gezogenen Geraden. Denn es ist davon auszuge-

hen, dass solche Verhältnisse zu erhöhten Ge-

schwindigkeiten führen. Lassen es die Platzverhält-

nisse zu, so kann mit Kurvenelementen eine ge-

streckte Linienführung unterbrochen werden. Dies

jedoch nur unter Berücksichtigung der in

Kap. VII.5.4.2, S. 82 erläuterten Projektierungsvor-

gaben. sodass keine punktuellen Inhomogenitäten

entstehen und damit die Gefahren verlagert wer-

den.

Grossräumige Eingriffe auf die vertikale Linienfüh-

rung ergeben sich in erster Linie aus der Topografie

und sind als geschwindigkeitsreduzierende Mass-

nahme ungeeignet. Änderungen des Längsgefälles

können zudem zu sichtbehindernde Kuppen füh-

ren und daher kontraproduktiv wirken.

Kleinräumige Eingriffe z. B. vertikale Versätze

(Kap. VII.5.4.4, S. 90), Rumble Strips und leicht

überhöhte Querbänder . können unfall- und ge-

schwindigkeitsmindernd wirken. So wird beispiels-

weise in [5] nachgewiesen, dass vertikale Versätze

die Unfälle um 48 % und leicht überhöhte Quer-

bänder die Unfälle mit Personenschaden um 33 %

reduzieren. Die positive Wirkung von Rumble Strips

ist in Kap. VII.5.4.2, S. 82 beschrieben. Alle diese

Massnahmen weisen jedoch anderweitige Nachtei-

le auf, sodass sie nur bedingt auf verkehrsorientier-

ten Innerortsstrassen empfohlen werden können.

Vertikale Versätze verstossen gegen das Prinzip der

selbsterklärenden Strasse und sind daher primär

auf siedlungsorientierten Strassen vorzusehen. Auf

verkehrsorientierten Innerortsstrassen sollten sie

nur als Bestandteil eines umfassenden Gestal-

tungskonzeptes und ausnahmsweise eingesetzt

werden. Rumble Strips und überhöhte Querbänder

verursachen Lärmemissionen und stossen in der

Praxis immer wieder auf Widerstand der Anwoh-

ner. Überhöhte Querbänder sind aus Sicht der

Verkehrssicherheit nur einzusetzen, wenn sie in der

richtigen Ausdehnung ausgeführt werden [82].

Ansonsten können sie vom Fussverkehr als vor-

trittsberechtigte Querungsstelle missinterpretiert

werden.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 89

Die Befunde hinsichtlich Querschnitt sind analog zu

denjenigen für Ausserortsstrassen. In [83] finden

sich denn Hinweise, dass auch innerorts mit zu-

nehmender Fahrbahnbreite die Geschwindigkeiten

ansteigen. Aber auch innerorts gilt, dass die Fahr-

bahnbreite nicht der einzige Parameter des Quer-

schnittes ist. So wirkt sich beispielsweise analog zu

ausserorts die Anzahl Spuren auf das Unfallge-

schehen aus. Gemäss [5] bewirkt eine Erhöhung

der Anzahl Spuren von1 auf 2 eine Zunahme der

Unfälle mit Personenschaden um 75 %, Erhöhun-

gen der Anzahl Spuren von 2 auf 3 sowie von 2

auf 4 sind hingegen mit einer Abnahme von Unfäl-

len mit Personenschaden verbunden. Solche Be-

funde zeigen, dass es der Sicherheit nicht zuträg-

lich ist, leichthin Fahrbahnbreiten zu reduzieren,

um damit Geschwindigkeiten zu senken. Andere

wichtige Kenngrössen, wie beispielsweise die Ver-

kehrszusammensetzung spielen eine ebenso wich-

tige Rolle. So erweisen sich gemäss [77] Breiten

unter 6,00 m und über 7,00 m hinsichtlich Sicher-

heit des leichten Zweiradverkehrs als problema-

tisch. Abschliessende Aussagen zu idealen Fahr-

bahnreiten können somit keine gemacht werden.

Jeder Einzelfall ist hinsichtlich seiner eigenen Cha-

rakteristika zu planen und zu projektieren.

Eine spezielle punktuelle Massnahme, die sowohl

bezüglich horizontaler Linienführung als auch

Querschnitt wirkt, sind Kreisverkehrsplätze bzw.

Kreisel (Abbildung 20).

Die Betriebsform des Kreisels, die alle Zufahrten mit

«kein Vortritt» belegt, sowie die vergleichsweise

engen Radien, wirken sich geschwindigkeitsmin-

dernd aus. Dieser Zusammenhang wird in [73]

erläutert, woraus hervorgeht, dass die Geschwin-

digkeit direkt proportional zur Wurzel des Radius

des Kreisels ist. Dass Kreisel auch sicherheitswirk-

sam sind wurde in unzähligen Studien nachgewie-

sen. Im Folgenden ist lediglich eine kleine Auswahl

von zusammenfassenden Studien erwähnt. Ein

Problem bei der Vergleichbarkeit dieser Untersu-

chungen ergibt sich aus den Designs. So spielt es

eine wesentliche Rolle mit welcher Art von Kreu-

zungen die Kreisel verglichen werden (Lichtsignal-

anlage, Vortrittsregelung).

Gemäss [84] können mittels Kreisel die Unfälle mit

Personenschaden um 76 % und die Unfälle mit

schweren Folgen um 90 % im Vergleich zu Licht-

signalanlagen gesenkt werden. Nicht ganz so gros-

se Reduktionen weist [73] nach. In dieser Quelle

werden Studien zitiert, wonach im Vergleich zu

ungeregelten Kreuzungen, an Kreiseln eine Reduk-

tion der Unfälle mit Personenschaden um 50 % bis

60 % zu erwarten ist, an Lichtsignalanlagen hinge-

gen nur 40 %. In [73] wird auch die Problematik

des Fussverkehrs und des leichten Zweiradverkehrs

in Kreiseln angedeutet. Danach ist der leichte Zwei-

radverkehr an Kreiseln überproportional oft in Un-

fälle verwickelt. Dass der leichte Zweiradverkehr in

Kreiseln sicherheitstechnisch problematisch sein

kann, wurde bereits in [85] hingewiesen. Danach

nahm die Zahl der Unfälle mit leichtem Zweirad-

verkehr bei Kreuzungen, die zu Kreiseln umgebaut

Abbildung 20 Kreisel

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90 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

wurden zu. Eine weitere Möglichkeit, die sicher-

heitstechnischen Wirksamkeit von Kreiseln zu

quantifizieren, ist in [5] beschrieben. Dabei wird die

Änderung des Unfallgeschehens nach dem Umbau

einer Kreuzung zu einem Kreisel hinsichtlich der

ursprünglichen verkehrstechnischen Ausgestaltung

der Kreuzung beurteilt (3-armig, 4-armig, Lichtsig-

nalanlagenregelung, Regelung mit «kein Vortritt»).

Es zeigt sich, dass ausser beim Fall von dreiarmi-

gen, lichtsignalgeregelten Kreuzungen der Umbau

zu Kreiseln immer einen signifikant positiven Effekt

auf die Unfallschwere ergibt (Reduktion um 17 %

bis 41 %).

Als geschwindigkeitsreduzierende, sicherheitsför-

dernde und zugleich gestalterische Massnahme

eignet sich der Kreisel, unter Berücksichtigung der

dargestellten Erkenntnisse insbesondere als Ele-

ment zur Strassenraumgestaltung (Kap. VII.5.5.3,

S. 92)

5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen

Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen sind nur

kleinräumige Eingriffe in die horizontale und verti-

kale Linienführung sinnvoll. Die Siedlungsstruktur

ist meistens gegeben und die Geschwindigkeit

kann kaum mit Kurvenradien und schon gar nicht

mit Eingriffen ins Längsgefälle beeinflusst werden.

Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienfüh-

rung sind insbesondere mit sogenannten vertikalen

Versätzen angezeigt. Dabei handelt es sich um

trapez- oder kreissegmentförmige lokale Erhöhun-

gen der Fahrbahn (Abbildung 21 und [86]). Die

Reduktion von Unfällen mit Personenschaden wird

in [5] mit rund 48 % ausgewiesen. Je nach Nei-

gung der beidseitigen Rampen kann dadurch eine

Reduktion der Geschwindigkeit erreicht werden

[86]. Der Einsatz von vertikalen Versätzen ist insbe-

sondere in Tempo-30-Zonen angezeigt, wenn die

signalisierte Höchstgeschwindigkeit schlecht ein-

gehalten wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92). Wesentlich ist

dabei auch, dass vertikale Versätze nicht derart

angeordnet werden, dass sie für den Motorfahr-

zeuglenkenden als Hindernis wirken (Art. 4 SVG).

Die Praxis zeigt, dass die Akzeptanz von vertikalen

Versätzen beschränkt ist und diese zu aggressivem

Verhalten ausserhalb derselben führen können.

Deshalb sollten sie an Örtlichkeiten realisiert wer-

den, die seitens der Lenkenden als sinnvoll einge-

stuft werden (z. B. Anhebung ganzer Kreuzungsbe-

reiche).

Horizontale Versätze (Abbildung 22) sind klein-

räumige Unterbrüche der Geradlinigkeit der Fahr-

Abbildung 21 Vertikaler Versatz

Abbildung 22 Horizontaler Versatz

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 91

bahn, die durch seitliche Verschiebung der Fahr-

bahnachse erzielt werden. Auch horizontale Ver-

sätze eignen sich besonders für Tempo-30-Zonen,

wenn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit

schlecht eingehalten wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92).

Zur Sicherstellung einer hinreichenden Akzeptanz

seitens der Motorfahrzeuglenkenden, sollten auch

horizontale Versätze nicht den Eindruck einer

künstlichen Schikane erwecken und möglichst

natürlich in den Strassenraum integriert werden.

Die geometrische Ausgestaltung von horizontalen

Versätzen ist in [86] beschrieben.

Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen ist der

Spielraum hinsichtlich Fahrbahnbreite gering. Mit-

tels minimer Variation der Fahrbahnbreiten die

Geschwindigkeit und damit die Sicherheit beein-

flussen zu wollen, erscheint im Licht der bisher

zitierten Literaturquellen inadäquat. Viel nützlicher

erweisen sich hingegen die Befunde, wonach die

Erhöhung der Anzahl Spuren von 1 auf 2 auf In-

nerortsstrassen mit einer Zunahme der Unfälle mit

Personenschaden um rund 75 % einhergeht. Es

stellt sich daher die Grundsatzfrage, ob sich auf

siedlungsorientierten Innerortsstrassen jederzeit

und überall zwei Personenwagen kreuzen können

müssen. In diesem Sinn erscheint es sehr wirksam,

Lösungen wie Abbildung 23. zeigt in Betracht zu

ziehen. Diese Lösung weist mehrere Vorteile auf.

Der Fussverkehr ist im Gegensatz zu einem einsei-

tigen Trottoir auf beiden Strassenseiten geschützt.

Beim Überqueren der Strasse muss überall nur eine

Fahrbahn gequert werden. Die verkehrsberuhigen-

de Wirkung ist kontinuierlich und wirkt nicht

künstlich.

5.5 Gestaltung und Betrieb

5.5.1 Grundsätzliches

Selbstredend gilt das physikalische Gesetz, wonach

jegliche Senkung der Fahrgeschwindigkeiten eine

Senkung der kinetischen Energie zur Folge hat, was

sich mildernd auf die Unfallschwere auswirken

kann. In diesem Sinn könnten die allgemeinen

Höchstgeschwindigkeiten (Kap. VII.5.1.3, S. 79)

beliebig gesenkt werden. Mit Ausnahme der sied-

lungsorientierten Innerortsstrassen werden die

jetzigen Höchstgeschwindigkeiten als angemessen

erachtet. Zentral dabei ist die Einsicht, dass die

geltenden Höchstgeschwindigkeiten lediglich die in

Art. 32 SVG gesetzlich geregelten Geschwindigkei-

ten plafonieren. Primäres Ziel von betrieblichen und

gestalterischen Massnahmen ist folglich, situati-

onsgerechte Geschwindigkeiten und die Einhaltung

der Höchstgeschwindigkeit zu erwirken. Darauf

zielen die in den folgenden Kapiteln beschriebenen

Massnahmen ab.

Die Reduktion von geschwindigkeitsbedingten Un-

fällen durch den Einsatz von betrieblichen Mass-

nahmen kann unter bestimmten Bedingungen

durch die Signalisation von sogenannten abwei-

chenden Höchstgeschwindigkeiten angestrebt wer-

den (Art. 108 SSV). Diese Massnahme ermöglicht es,

örtlich begrenzt (Stellen oder Strecken) die allgemein

geltende Höchstgeschwindigkeit anzupassen. Da-

Abbildung 23 Einspurige siedlungsorientierte Strasse innerorts

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92 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

durch kann gezielt in das Geschwindigkeitsverhal-

ten eingegriffen werden.

Fachleute erachten es als zentral, diese Intervention

streng nach Gesetz anzuwenden. Demnach soll

eine lokal abweichende Höchstgeschwindigkeit das

letzte Mittel sein, wenn alle anderen Gestaltungs-

und Projektierungsmassnahmen kein Resultat zei-

gen. Diese Interpretation entspricht genau dem in

Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Grundsatz der

selbsterklärenden Strasse.

5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen

Das geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen auf

Autobahnen spielt zwar eine untergeordnete Rolle.

Trotzdem sei an dieser Stelle die Möglichkeit, mit

betrieblichen Interventionen auf die Fahrgeschwin-

digkeiten oder auf das Unfallgeschehen einzugrei-

fen, kurz erörtert. Dabei geht es um die Signalisati-

on von sogenannten variablen Höchstgeschwindig-

keiten. Diese Intervention wird insbesondere auf

Autobahnen angewendet mit dem Ziel, bei speziel-

len, nicht vorhersehbaren Situationen (z. B. Stau,

glitschige Fahrbahnoberfläche, spezielle Witterung)

die Höchstgeschwindigkeiten entsprechend anzu-

passen. Primäres Ziel dieser Massnahme ist jedoch,

bei sehr hohen Verkehrsbelastungen, eine optimale

Geschwindigkeit des Fahrzeugstroms zu bewirken,

um einen besseren Verkehrsfluss zu erzielen. Die

Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind in

der Literatur spärlich untersucht, meistens interes-

siert die Reduktion von Stauzeiten bzw. die Verbes-

serung der Kapazität von Hochleistungsstrassen.

Immerhin sind Hinweise vorhanden, dass mit vari-

ablen Höchstgeschwindigkeiten die Verkehrssi-

cherheit beeinflusst werden kann. Insbesondere

konnte eine Reduktion der Unfälle mit Personen-

schaden beim Einsatz von LED-Anzeigen, die die

Höchstgeschwindigkeit automatisch aufgrund der

Verkehrssituation ermittelten, nachgewiesen wer-

den [87]. Interessant ist in diesem Zusammenhang

auch die Tatsache, dass der Effekt von LED-

Anzeigen bedeutend besser ist als der Effekt von

elektromechanischen Wechselanzeigen [88].

Schliesslich sei noch auf eine Studie aus den USA

hingewiesen. Basierend auf der Verkehrssituation

berechnet ein Algorithmus eine Unfallwahrschein-

lichkeit und die Höchstgeschwindigkeit wird ent-

sprechend angepasst. Trotz einer gewissen örtli-

chen Verlagerung des Unfallgeschehens werden

positive Rückschlüsse gezogen.

Die langfristige Wirksamkeit von Signalen, die dem

Motorfahrzeuglenkenden seine aktuelle Fahrge-

schwindigkeit anzeigen, wird in der Literatur eher

angezweifelt. Hingegen kann gemäss [89] durch

Kombination von solchen Geschwindigkeits-

Feedback-Signalen mit polizeilicher Überwachung

das Problem von überhöhter Geschwindigkeit voll-

ständig behoben werden.

5.5.3 Innerortsstrassen

Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts

beträgt für alle Strassen 50 km/h. Dieses Regime

trägt den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen

von Innerortsstrassen nicht Rechnung. Daher sind

davon abweichende Regimes jeweils zu prüfen

(z. B. Tempo-30-Zonen, Begegnungszonen). Die

bfu favorisiert und propagiert aktiv das bfu-Modell

Tempo 50/30 innerorts. Dieser Ansatz dient dazu,

die in Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Ziele zu errei-

chen. Denn dieses Modell basiert auf einer Unter-

scheidung des innerörtlichen Strassennetzes in

siedlungs- und verkehrsorientierte Strassen. Da-

durch berücksichtigt das bfu-Modell Tempo 50/30

den planerischen Grundsatz der Hierarchisierung

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 93

des Strassennetzes. Es verfolgt zudem das Ziel, den

Strassentyp auf verständliche Art und Weise dem

Motorfahrzeuglenkenden zu vergegenwärtigen. Im

Weiteren vereinigt es die sicherheitstechnischen

Erkenntnisse hinsichtlich Tempo-30-Zonen [90] und

Gestaltung sowie der selbsterklärenden Strasse zu

einer gesamtheitlichen Lösung für Innerortsstras-

sen. Dieser Ansatz deckt sich schliesslich auch mit

den in [91] enthaltenen Erkenntnissen, wonach die

frei gewählten Geschwindigkeiten durch die signa-

lisierte Höchstgeschwindigkeit und die Zonenart

signifikant beeinflusst werden.

Die oftmals einseitige Betrachtung, nur Wohngebie-

te in die Verkehrsberuhigung mit einzubeziehen,

lässt die Tatsache ausser Acht, dass das Unfallge-

schehen auf verkehrsorientierten Innerortsstrassen

gravierender ist (Tabelle 16). Die amtliche Verkehrs-

unfallstatistik lässt keine Auswertung nach Funktion

der Strasse zu. Da Nebenstrassen innerorts ebenfalls

oft verkehrsorientiert sind, dürfte das Verhältnis in

Wirklichkeit bedeutend stärker zu Ungunsten der

verkehrsorientierten Strassen ausfallen. Deshalb

sieht das bfu-Modell Tempo 50/30 vor, das innerört-

liche Strassennetz zu hierarchisieren (siedlungs- und

verkehrsorientierte Strassen). Zusätzlich zur Einfüh-

rung von Tempo 30 in allen Wohngebieten sollen

die verkehrsorientierten Strassen auf Basis der VSS-

Norm SN 640 212 [92] umgestaltet werden. Mit den

darin vorgestellten Gestaltungselementen wird be-

absichtigt, den Strassenraum aufzuwerten und fuss-

gänger- bzw. radfahrergerecht zu gestalten.

Das bfu-Modell Tempo 50/30 sieht vor, dem Fahr-

zeuglenker die Funktion der Strasse mittels typischer

verkehrstechnischer Elemente für siedlungs- bzw.

verkehrsorientierte Strassen zu vergegenwärtigen.

Auf siedlungsorientierten Strassen sollen als Erken-

nungsmassnahmen ein auffälliges Eingangstor

(Abbildung 24), versetzte Parkfelder (Abbildung 25),

Rechtsvortrittsmarkierungen (Abbildung 26) und

Tabelle 16 Getötete und Schwerverletzte innerorts nach Strassenart und Strassenkategorie (2004–2008)

Kantonsstrasse Gemeindestrasse Total

Hauptstrasse 5 374 801 6 175

Nebenstrasse 1122 3 959 5 081

Total 6 496 4 760

Quelle: BFS

Abbildung 24 Torelement bei der Einfahrt in eine Tempo-30-Zone

Abbildung 25 Versetzte Parkfelder in einer Tempo-30-Zone

Abbildung 26 Verdeutlichung einer Kreuzung mit Rechtsvortritt in einer Tempo-30-Zone

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94 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

Tempo-30-Signete (Abbildung 27) auf der Fahr-

bahn angewandt werden. Parkfelder sollten nicht

dort angeordnet werden, wo Kinder häufig hinter

geparkten Autos hervor auf die Strasse treten.

Bauliche Massnahmen zur Verkehrsberuhigung

(Vertikal-, Horizontalversatz, aufgepflasterte Kreu-

zungen gemäss [86]) sollen nur auf denjenigen

Strassen zur Anwendung kommen, deren Erschei-

nungsbild einen niedrigen Einhaltegrad der Ge-

schwindigkeitsbeschränkung vermuten lässt oder

auf denen die gesetzlich vorgeschriebenen Nach-

hermessungen zu hohe Geschwindigkeiten erga-

ben (Abbildung 28).

Die Massnahme, am Strassenrand elektronische

Anzeigetafeln aufzustellen, die dem vorbeifahren-

den Motorfahrzeuglenkenden seine Fahrgeschwin-

digkeit anzeigt, ist nicht nachhaltig. In [93] werden

Studien zitiert, wonach eine leichte Geschwindig-

keitssenkung zu erwarten ist, die Wirkung jedoch

zeitlich beschränkt ist, während welcher die Signale

aufgestellt sind.

Auf verkehrsorientierten Strassen sind Erkennungs-

elemente wie Lichtsignalanlagen, Mittelmarkierun-

gen, Mehrzweckstreifen, Fussgängerstreifen, Fuss-

gängerschutzinseln und/oder das Vortrittsrecht

gegenüber Querstrassen anzuwenden. Zur Ge-

währleistung eines hohen Verkehrssicherheitsni-

veaus, zur Verbesserung der Querbeziehungen und

zur Minimierung der Trennwirkung der Fahrbahn

sind die übergeordneten Strassenraumgestaltungs-

prinzipien und -elemente gemäss [92] anzuwen-

den:

• Torwirkung (optische Abgrenzung zwischen

Strassenräumen unterschiedlicher Charakteris-

tik, die eine Anpassung des Fahrverhaltens an-

strebt, Abbildung 29)

Abbildung 27 Tempo-30-Signet

Abbildung 28 Aufgepflasterter Kreuzungsbereich

Abbildung 29 Torwirkung bei einer Ortseinfahrt

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 95

• Kammerung des Strassenraums (Längsuntertei-

lung des Strassenraums in Raumkammern, um

den Fokus der Wahrnehmung auf den Nahbe-

reich zu richten und damit einen geschwindig-

keitssenkenden Effekt zu erzielen) für den Ver-

kehrsablauf zu erreichen, Abbildung 30)

• Verzahnung der Seitenräume (durch Verwendung

verschiedener Beläge wird die Bandwirkung der

Fahrbahnränder gemildert, Abbildung 31)

Zusätzlich zu den oben erwähnten Elementen wirkt

ein Ensemble geschwindigkeitsmindernd [94]. Un-

ter der Ensemble-Wirkung versteht man das Zu-

sammenwirken der verschiedenen Gestaltungsele-

mente insbesondere zwischen Hoch- und Tiefbau

(farbliche Einheit zwischen Gebäudefassaden und

den gewählten verkehrstechnischen Elementen,

Abbildung 32).

Bei der Umsetzung dieser Prinzipien sind nachfol-

gende Aspekte mit einzubeziehen:

• Städtebauliche Vorgaben und Ziele

• Struktur des Strassenraums

• Funktion und Lage der Strasse

Von zentraler Bedeutung ist, dass das übergeord-

nete Strassennetz innerorts sowohl eine hohe Leis-

tungsfähigkeit als auch eine hohe Sicherheit für die

verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden aufweist.

Dadurch soll vermieden werden, dass sich Schleich-

verkehr auf die siedlungsorientierten Strassen ver-

lagert und andererseits die Nutzungsansprüche der

Anwohner erfüllt werden. Verkehrsorientierte In-

nerortsstrassen stellen also für Planer und Behör-

den hinsichtlich Projektierung, Gestaltung und

Betrieb äusserst anspruchsvolle und komplexe Her-

ausforderungen. Ein Approach, diese Aufgaben mit

dem Aspekt der Verkehrssicherheit zu verbinden ist

in [94] enthalten.

Abbildung 30 Kammerung des Strassenraumes

Abbildung 31 Verzahnung der Seitenräume

Abbildung 32 Ensemble

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96 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

5.6 Umsetzung in der Schweiz

5.6.1 Bestimmung der durch Infrastruktur-

mängel bedingten Unfälle

Wie in Kap. VII.5.1.2, S. 79 bereits angedeutet,

lässt die amtliche Verkehrsunfallstatistik keine prä-

zise Aussage zur Häufigkeit von geschwindigkeits-

bedingten Unfällen, die durch defizitäre Infrastruk-

tur verursacht wurde, zu. Die Tatsache, dass sich

geschwindigkeitsbedingte Unfälle durch Verbesse-

rung der Infrastruktur reduzieren lassen, ist bei

Fachleuten unbestritten. Genaue Aussagen sind

nur aufgrund einer entsprechenden Forschungsar-

beit möglich. Da diese Thematik jedoch sehr kom-

plex ist, müsste die Machbarkeit zumindest in einer

Voruntersuchung abgeschätzt werden.

5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindig-

keit in den VSS-Normen

Zur Sensibilisierung der projektierenden Ingenieure

hinsichtlich Sicherheitsrelevanz bei der Festlegung

der Ausbaugeschwindigkeit ist bei der nächsten

Revision der VSS-Norm SN 640 080b [14] eine

Anpassung des Begriffs in Erwägung zu ziehen.

Dabei bietet sich eine Definition mit Bezug zur

Verkehrssicherheit im Sinn der OECD

(Kap. VII.5.1.3, S. 79) an.

5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen

Die VSS-Normen stellen den aktuellen Wissens-

stand dar und entsprechen somit den Regeln der

Baukunde. Sie sind nicht unmittelbar bindend,

können jedoch in Schadensfällen, also im Nachhi-

nein als Grundlage beigezogen werden.

Einige wenige dieser Normen gelten als Weisung

des Eidgenössischen Departements für Umwelt,

Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im

Sinn von Art. 115 Abs. 1 SSV und erhalten dadurch

ein grösseres Gewicht38. Die Praxis zeigt, dass diese

im Planungs- und Projektierungsprozess einfacher

durchzusetzen sind.

Naheliegender ist die Forderung, VSS-Normen ver-

mehrt in den Stand einer Weisung zu erheben.

Dem muss entgegengehalten werden, dass die

Akzeptanz hierfür gering sein dürfte und den aktu-

ellen Wissensstand zum Teil nur verzögert wider-

spiegelt. Ausserdem können mit einer Verweisung

verschiedene Nachteile verbunden sein. So wird

beispielsweise eine Norm nicht nach den für die

Schaffung von Rechtssätzen geltenden Vorschriften

erzeugt. Probleme kann es z. B. auch geben, wenn

der private Regelsetzer, der durch die Verweisung

nicht gebunden ist, die Norm ändert oder auf-

hebt [95].

Eine Lösung könnte darin bestehen, auf Bundes-

ebene sicherzustellen, dass alle kantonalen und

kommunalen Baugesetze die Forderung enthalten,

die Infrastruktur müsse dem aktuellen Stand der

Technik entsprechen mit dem Ziel, Unfälle mög-

lichst auszuschliessen bzw. höchstens geringe Fol-

gen für Leib und Leben der Unfallbeteiligten zu

bewirken.

5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer

In der Praxis finden sich immer wieder infrastruktu-

relle Defizite, die zu geschwindigkeitsbedingten

Unfällen führen können. Gründe dafür können

Unkenntnis der Normen und Forschungsergebnisse

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 38 Verordnung des UVEK vom 12. Juni 2007 über die auf die

Signalisation von Strassen, Fuss- und Wanderwegen an-wendbaren Normen, SR 741.211.5

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 97

oder deren bewusste Nichtbeachtung sein. Mass-

nahmen dagegen sind auf zwei Stufen denkbar:

Erstausbildung: Während der Erstausbildung an

Hoch- und Fachhochschulen ist eine verstärkte

Sensibilisierung für das Thema der Verkehrs-

sicherheit gesamtschweizerisch zu gewährleisten.

Insbesondere ist sicherzustellen, dass den Studie-

renden nebst dem Grundwissen spezifisch zu die-

sem Thema die entsprechenden Normen, Gesetze

und Forschungsergebnisse und insbesondere deren

Sicherheitsrelevanz vermittelt werden. Ein Schwer-

punkt muss dabei der Entwurf von Innerortsstras-

sen (Konflikte mit verletzlichen Verkehrsteilneh-

mern) sowie die Projektierung von Ausserortsstras-

sen (Linienführung, Querschnitt) sein.

Fort-/Weiterbildung: Viele Berufsstände sehen eine

obligatorische Weiterbildung vor. In Analogie zu

anderen Berufsständen (Piloten, Fachpsychologen,

Lehrkräfte usw.) ist eine obligatorische Weiterbil-

dung für Verkehrsingenieure und -planer wün-

schenswert. Kongresse und Tagungen zu Verkehrs-

sicherheitsthemen werden in der Schweiz schon

heute regelmässig organisiert. Als kurzfristige

Massnahme kann die Unterstützung der Organisa-

tion solcher Tagungen/Kongresse empfohlen wer-

den. Mittelfristig ist zu überprüfen, wie das gesam-

te Angebot an Tagungen/Kongressen koordiniert

und mit einer allfälligen obligatorischen Weiter-/

Fortbildung abgestimmt werden kann. Ein erster

Ansatz in dieser Hinsicht stellt die von der bfu an-

gebotene Nachschulung für Verkehrsingenieure

zum Thema «Strassenraumgestaltung» dar, der im

Herbst 2009 beginnt.

5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und

Politik für die Bedeutung der Infra-

struktur

Nebst der in Kap. VII.5.6.4, S. 96 erwähnten Grün-

de können topografische, aber auch finanzielle

sowie politische Randbedingungen zur Missach-

tung von Normen, und damit u. a. zu geschwin-

digkeitsbedingten Unfällen führen. Deshalb gilt es,

die Behörden für die Bedeutung der Infrastruktur

bezüglich Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. Mit

den zuständigen Behörden ist eine enge Zusam-

menarbeit und regelmässiger Kontakt seitens der

Fachstellen zu pflegen.

Im Vordergrund stehen dabei vorerst folgende Akti-

vitäten:

• Fachtechnische Beratungen zu sicherheitsrele-

vanten Themen

• Fachtechnische Unterstützung von Projekten

• Regelmässige Veranstaltung von Kolloquien/

Weiterbildungskursen/Foren

• Publikationen in Fachzeitschriften

Welche dieser Massnahmen am effizientesten ist,

kann erst nach einer Quantifizierung der Gründe

für die Nichtumsetzung von sicherheitsrelevanten

Normen erfolgen. Hierzu ist jedoch Forschung

notwendig.

5.6.6 Instrumente zur systematischen

flächendeckenden Sicherheitsüberprü-

fung geplanter und bestehender Infra-

struktur

Road Safety Audit (RSA)

Ein Road Safety Audit ist ein standardisiertes Ver-

fahren zur Prüfung von Projekten (Neubau, Um-

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98 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

bau, Sanierung) in den verschiedenen Planungs-

phasen. Durch eine unabhängige Sicherheitsver-

träglichkeitsprüfung können potenzielle Verkehrs-

sicherheitsprobleme bereits während der Pla-

nungsphase vermieden werden. In einigen Ländern

gehört dieses Verfahren heute schon zum üblichen

Ablauf bei Neuprojekten.

Nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen

sind Anwendungen aus Australien, Grossbritan-

nien, Dänemark, Deutschland, Schweden, Norwe-

gen und der Tschechischen Republik bekannt. Un-

tersuchungen zur Wirksamkeit liegen u. a. für Dä-

nemark vor und belegen einen Kosten-Nutzen-

Faktor von 1,5.

In Analogie zur Umweltverträglichkeitsprüfung von

Projekten, sind Safety Audits auch in der Schweiz

als fester Bestandteil von Projekten zwingend flä-

chendeckend einzuführen. Seit 2008 wird ein Kurs

für Ingenieure zu RSA angeboten. Dieser ist aber

nicht obligatorisch. Zudem existiert seit 2008 eine

entsprechende VSS-Norm SN 641 712 [96].

Road Safety Inspection (RSI)

Die Road Safety Inspection ist ein standardisiertes

Verfahren zur Überprüfung von bestehenden An-

lagen im Sinn einer Betriebssicherheitsprüfung. Im

Gegensatz zum Road Safety Audit, bei dem Neu-

und Umbauprojekte begutachtet werden, überprü-

fen bei der Road Safety Inspection die zuständigen

Behörden periodisch die bestehende Infrastruktur

auf sicherheitstechnische Mängel.

In einigen Ländern gehört dieses Verfahren bereits

heute zum Standard bei bestehenden Anlagen,

insbesondere in Deutschland. In der Schweiz ist

eine Standardisierung und Institutionalisierung

(Erhaltungsmanagement) über alle Tiefbauämter

und Signalisationsbehörden erforderlich. Dabei

muss die Überprüfung der Infrastruktur hinsichtlich

des Potenzials für geschwindigkeitsbedingte Unfäl-

le eine zentrale Stellung einnehmen. Validierte

diagnostische Instrumente erhalten dabei eine

wesentliche Bedeutung, erlauben sie doch eine

Sanierung bevor sich Unfälle ereignen

(Kap. VII.5.6.7, S. 99). Es ist anzumerken, dass

Ende 2009 ein Forschungsgesuch für RSI durch das

Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme

(IVT) und die bfu beim VSS eingegeben wurde.

Black Spot Management (BSM)

Black Spot Management bezweckt die systemati-

sche Unfallanalyse der Verkehrsnetze. Ergeben sich

daraus Örtlichkeiten mit auffallend vielen Unfällen

(Unfallhäufungsstellen), so sind diese prioritär –

unter Anwendung von adäquaten Verfahren – zu

sanieren. Aufgrund der amtlichen Unfallstatistik39

können Unfallhäufungen abgelesen werden. Expo-

sitionsmasse sind jedoch in dieser Datenbank nicht

berücksichtigt. Genauso wenig ist anhand der Un-

fallauswertung festzustellen, ob defizitäre Infra-

struktur zu einem Unfall führte (Kap. VII.5.1.2,

S. 79). Daher ist sicherzustellen, dass alle zuständi-

gen Tiefbauämter solche Stellen systematisch im

Strassennetz ausfindig machen, die entsprechen-

den Stellen verkehrstechnisch analysieren und, falls

diese defizitär sind, eine qualifizierte Sanierung

planen (wie dies in manchen Kantonen auch be-

reits praktiziert wird).

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 39 Die Koordinaten der Unfallstellen sind nicht bei allen Unfäl-

len und nicht in allen Kantonen vorhanden, sodass eine sys-tematische Lokalisierung nicht möglich ist.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 99

5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur

sicherheitstechnischen Analyse der ho-

rizontalen Linienführung

Die in Kap. VII.5.6.6, S. 97 beschriebenen Prozedu-

ren zur Inspektion bestehender Verkehrsanlagen,

RSI und BSM, weisen nebst vielen Vorzügen auch

Schwachstellen auf. So wird beim RSI der Hand-

lungsbedarf anhand der Abweichungen des

Istzustands der Verkehrsanlagen vom Sollzustand

festgelegt. Bekanntlich ist aber nicht jede Norm-

abweichung der Infrastruktur à priori sicherheitsre-

levant. Es besteht also die Gefahr, dass Ressourcen

für die Sanierung von Örtlichkeiten verwendet

werden, die nie zu Unfällen führen oder die kein

Fehlverhalten hervorrufen würden. Aber auch BSM

weist Probleme auf. So ist die Bestimmung von

Unfallschwerpunkten aufgrund der Unfallzahlen

statistisch kompliziert, denn wegen des Phänomens

der Regression zur Mitte sollte nicht einfach auf die

absolute Anzahl Unfälle abgestützt werden. Zudem

sollte BSM aus Sicht der Prävention langfristig zur

Ausnahme werden, ist es doch befremdlich, Unfäl-

le abzuwarten, bevor saniert wird.

In diesem Sinn bietet sich an, diagnostische Verfah-

ren zu erarbeiten. Das in [71] erläuterte Verfahren

zur Diagnose von Kurven müsste mittelfristig über-

prüft und implementiert werden, um geschwindig-

keitsbedingten Unfällen in Kurven vorzubeugen.

5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-

Modells Tempo 50/30.

Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich Verbreitung

des bfu-Modells Tempo 50/30 ein riesiges Potenzial

besteht. Auf rund 75 % der überbauten Bauzonen

gilt derzeit noch die Höchstgeschwindigkeit

50 km/h. Dazu kommen schätzungsweise 98 %

verkehrsorientierte Innerortsstrassen, die nicht nach

[92] umgestaltet sind [90]. Um eine breitere Um-

setzung des bfu-Modells Tempo 50/30 zu verwirk-

lichen, sind Massnahmen auf verschiedenen Ebe-

nen angezeigt:

• Die aktuelle Rechtslage stellt ein grosses Hin-

dernis dar. Solange Tempo-30-Zonen als abwei-

chende Limite zur geltenden allgemeinen

Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts

gelten und somit gemäss Art. 108 SSV begrün-

det werden müssen, ist eine zügige Verbreitung

des bfu-Modells Tempo 50/30 kaum möglich.

Art. 4a VRV sowie Art. 22 SSV müssten dahin-

gehend angepasst werden, dass innerorts zwei

Höchstgeschwindigkeitsregimes festgelegt wer-

den: 50 km/h auf dem übergeordneten Stras-

sennetz und 30 km/h auf dem siedlungsorien-

tierten Strassennetz. Außerdem müssten Rege-

lungen zu Tempo-30-Zonen von Art. 108 SSV

losgekoppelt werden.

• In der Zwischenzeit müssen die zuständigen

Behörden weiter für die sicherheitstechnischen

Vorteile des bfu-Modells Tempo 50/30 sensibili-

siert werden. Zwar haben alle Signalisationsbe-

hörden 2006 und 2009 von der bfu eine Klar-

stellung erhalten [97], dass die entsprechenden

Bundesgerichtsentscheide (BGE) aus dem Jahr

2006 und 2008 kein Hindernis für die Umset-

zung von Tempo-30-Zonen darstellen und dass

eine gemeindeweite Einführung von Tempo-30-

Zonen auf dem siedlungsorientierten Strassen-

netz keine Umgehung der Volksinitiative aus

dem Jahr 2001 (Strassen für alle) darstellt. Den-

noch scheint weiterer Klärungsbedarf (auch bei

den Gemeinden) zu bestehen.

• Entsprechend gilt es, bei den Baubehörden die

sicherheitstechnischen Vorteile umgestalteter

verkehrsorientierter Strassen weiterhin zu pro-

pagieren. Bekanntlich werden bauliche Eingriffe

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100 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

primär dann geplant, wenn bei Strassen Unter-

haltsarbeiten anstehen. Deshalb ist es wichtig,

den Baubehörden nahe zu legen, bei diesen

Gelegenheiten die Planung von Umgestaltun-

gen nach [92] zu berücksichtigen.

• Der Befund, dass besonders kleinere, finanz-

schwächere Gemeinden seltener Tempo-30-

Zonen und umgestaltete verkehrsorientierte

Strassen aufweisen, zeigt ein Informationsdefi-

zit auf. Inhalt des bfu-Modells Tempo 50/30 ist

u. a., Tempo-30-Zonen mit einem akzeptablen

Aufwand realisieren zu können. Andererseits

betrifft die Umgestaltung von verkehrsorientier-

ten Strassen primär Kantonsstrassen, sodass auf

diesen Strassen die Kosten nicht voll zu Lasten

der Gemeinden gehen. Aus diesem Grund ist es

wichtig, gerade solche Gemeinden beispielswei-

se über die Sicherheitsdelegierten anzugehen

und sie vertiefter über die sicherheitstechni-

schen Vorteile zu informieren.

• Die Umsetzung der erwähnten Punkte bedarf

einer zielgerechten Kommunikationsstrategie.

Die Resultate zeigen, dass besonders der direkte

Kontakt erfolgreich ist. Dazu gehören das ge-

zielte Beliefern der zuständigen kantonalen

oder kommunalen Behörden mit Fachbroschü-

ren sowie die jährlichen Zusammenkünfte der

kantonalen Signalisationsbehörden. In diesem

Sinn wäre auch eine jährliche Zusammenkunft

der zuständigen kantonalen Baubehörden viel-

versprechend. Als Alternative bietet sich an, da-

für zu sorgen, dass der bfu bei der bereits be-

stehenden jährlichen Zusammenkunft der Kan-

tonsingenieure ein festes Fenster zugesprochen

wird. Dies ermöglicht, entsprechende Anliegen

direkt bei den Amtsvorstehern anzubringen.

5.7 Fazit

Die Auswertung der amtlichen Unfallstatistik zeigt

auf, dass das geschwindigkeitsbedingte Unfallge-

schehen insbesondere auf Ausserorts- und Inner-

ortsstrassen relevant ist. Autobahnen spielen er-

staunlicherweise in dieser Hinsicht eine unterge-

ordnete Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher

und betrieblicher Art zum Zweck der Geschwindig-

keitsreduktion bedürfen einer sorgfältigen Über-

prüfung hinsichtlich sicherheitstechnischer Auswir-

kungen. Das Beispiel von Radiusreduktionen in

Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammen-

spiel von Geschwindigkeit und Sicherheit. Geringe-

re Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere

Geschwindigkeiten, führen aber bei mangelhafter

Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäqua-

ten Infrastruktur sind primär eine einfache Hierar-

chisierung des Strassennetzes sowie die Realisie-

rung von selbsterklärenden und fehlertoleranten

Strassen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass

der Verkehr mit angepasster Geschwindigkeit zir-

kuliert. Die vorrangigen Interventionen sind im

Folgenden aufgelistet. Innerortsstrassen sind unter

Berücksichtigung der Nutzungsansprüche aller

Verkehrsteilnehmenden zu projektieren, zu bauen

und zu betreiben. Das bfu-Modell Tempo 50/30 ist

für das Erreichen dieses Ziels besonders geeignet.

Es sieht vor, alle siedlungsorientierten Strassen mit

Tempo-30-Zonen zu belegen und alle verkehrsori-

entierten Innerortsstrassen derart zu gestalten, dass

die Sicherheit der verletzlichsten Verkehrsteilneh-

menden besonders berücksichtigt wird.

Ausserortsstrassen sind derart zu projektieren, dass

sie zu einem homogenen Geschwindigkeitsverlauf

führen. Korrigierende Massnahmen à posteriori

(Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwindigkeiten)

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 101

dürfen nicht von Vorneherein verwendet werden,

um Projektierungsmängel auszubessern.

Die Entfernung von festen Objekten am Strassen-

rand (z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter

gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken kön-

nen die Folgen von geschwindigkeitsbedingten

Unfällen reduzieren.

Die konkrete Umsetzung in der Schweiz kann da-

bei durch Massnahmen auf verschiedenen Ebenen

aktiviert werden. Verkehrsingenieure und Planer

sind bereits während des Studiums und/oder in

systematischen Weiterbildungsgängen ganz spe-

ziell auf die erwähnten Punkte zu sensibilisieren.

Flächendeckende Instrumente zur systematischen

Überprüfung geplanter und bestehender Infra-

struktur (Road Safety Audit, Road Safety Inspecti-

on, Black Spot Management) sind als Obligatorium

schweizweit einzuführen (wie dies auch im Hand-

lungsprogramm ViaSicura vorgesehen ist).

Die VSS-Normen stellen im Verkehrsingenieurwe-

sen die Regeln der Baukunde dar. Deren Umset-

zung in Projekten kann je nach Randbedingungen

kostenintensiv sein. In der Praxis zeigt sich, dass in

solchen Fällen Abstriche in Kauf genommen wer-

den, was sich sicherheitstechnisch negativ auswir-

ken kann. Bevölkerung, Politik und die Verwaltung

sind deshalb hinsichtlich der sicherheitstechnischen

Bedeutung von Normen und adäquater Infrastruk-

tur zu sensibilisieren. Dadurch soll die Umsetzung

kostenintensiver, jedoch sicherheitstechnisch rele-

vanter Projekte gefördert werden.

Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells

Tempo 50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels

Anpassung der entsprechenden Verordnungen

oder aktiver Propagierung bei den zuständigen

Behörden und der Bevölkerung erfolgen.

6. Fahrzeugtechnische Massnahmen

6.1 Deformationszone/Knautschzone

Die Sicherheit von Fahrzeugen wird mittels Crash-

Tests überprüft. Dabei spielen die Knautschzonen

eine besondere Rolle. Sie nehmen einen Teil der

kinetischen Energie auf, d. h. sie sind eher

«weich». Erst wenn der eigentliche Passagierraum

erreicht ist, dann muss die Karosserie hart sein, um

zu verhindern, dass die Kollisionsobjekte bis zu den

Fahrzeuginsassen vordringen können.

Weiterhin wurde in den letzten Jahren vermehrt

der Fussgängersicherheit Aufmerksamkeit ge-

schenkt. In diesem Gebiet hat es bedeutende Ver-

besserungen gegeben. So gibt es beispielsweise

spezielle Mechanismen, die dafür sorgen, dass bei

einem Unfall die Motorhaube angehoben wird,

sodass der Fussgänger nicht auf den harten Mo-

torblock prallt, sondern auf die eher nachgiebige

Motorhaube. Auch in die Bewertung bei Euro

NCAP (European New Car Assessment Programme)

fliesst die Fussgängersicherheit mit ein.

Obwohl seit vielen Jahrzehnten Crash-Tests durch-

geführt werden, ist die Frage der Validität der Ver-

fahren immer noch nicht ganz geklärt. So gibt es

Arbeiten, die aufzeigen, dass die Crash-Tests zwar

bei Frontalkollisionen mittlerweile recht aussage-

kräftig sind [98]. Für Heckaufprallkollisionen

scheint dies aber noch nicht im selben Masse ge-

geben zu sein. Insofern dürfte es auch in Zukunft

noch weitere Verbesserungen bei der passiven

Sicherheit der Fahrzeuge geben.

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102 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

6.2 Sicherheitsgurt

Der Sicherheitsgurt ist nach wie vor eine der wich-

tigsten, wahrscheinlich sogar die wichtigste Präven-

tionsmassnahme im Strassenverkehr. Seine Wirk-

samkeit hängt von Geschwindigkeit des Unfalls

und Merkmalen des Kollisionsobjektes ab.

Der Anteil Personen, der die Sicherheitsgurte trägt,

ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Wa-

ren es im Jahr 2000 noch 77 % so sind es nun

87 %. Bei einer Tragquote von 100 % könnten

schätzungsweise 40 Verkehrstote und 150 Scher-

verletzte vermieden werden.

Die Schweiz steht im internationalen Vergleich der

Tragquoten nicht besonders gut da. Unterschiede

gibt es nach Strassenart (je schneller auf einer

Strasse gefahren werden darf, umso höher ist die

Tragquote; innerorts nur 82 %), nach Sprachregion

(im Tessin 82 %, in der Romandie 82 % und in der

Deutschschweiz 89 %). Ewert und Fitz zeigten auf,

dass die Wahrscheinlichkeit nicht angegurtet zu

verunfallen von diversen Faktoren abhängig ist

[99]:

• Junge Verkehrsteilnehmer benützen den Gurt

weniger als Ältere

• Rücksitzpassagiere weniger als Frontpassagiere

• Männer weniger als Frauen

• Personen unter Alkoholeinfluss weniger als

Nüchterne

• Bei Nacht weniger als am Tage

• Am Wochenende weniger als unter der Woche

• Auf trockenen Strassen weniger als auf nassen

oder verschneiten

Insgesamt scheint es also so, als ob gerade diejeni-

gen Personen, die den Gurt besonders nötig ha-

ben, ihn weniger häufig benutzen.

Der Sicherheitsgurt ist sehr wichtig, um die Überle-

benschancen bei einem Unfall zu verbessern. Aller-

dings kann auch der Gurt nicht immer schützen.

Bei Unfällen mit hoher Geschwindigkeit und bei

einem nicht oder kaum nachgebenden Hindernis,

gibt es auch mit Gurt praktisch keine Überlebens-

chance. Ab ca. 110 km/h Kollisionsgeschwindigkeit

frontal auf ein massives Hindernis kann der Gurt

nicht mehr helfen. Erfreulicherweise sind diese Art

Unfälle nicht sehr häufig. Solche Geschwindigkei-

ten werden üblicherweise nur auf Autobahnen

erreicht. Kollisionen finden dann eher mit anderen

Fahrzeugen statt, welche in dieselbe Richtung fah-

ren, wodurch dann die Geschwindigkeitsdifferenz

(Delta-V) geringer wird. Auch ist die Wahrschein-

lichkeit einer Frontalkollision eher gering. Meistens

wird in eher spitzen Winkel – beispielsweise auf die

Leitplanken aufgefahren.

Angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte aller

unangegurteten Getöteten hätte gerettet werden

können, sind weitergehende Anstrengungen zur

Erhöhung der Tragquoten sinnvoll und notwendig.

Hierbei ist der Fokus insbesondere auf die Ausser-

ortsstrassen zu richten. Dort findet sich eine recht

niedrige Tragquote (Tessin 82 %, Westschweiz

84 % und Deutschschweiz 90 %) verbunden mit

Geschwindigkeiten, bei denen der Sicherheitsgurt

noch einen guten Beitrag zur Überlebenswahr-

scheinlichkeit leisten kann. Bei Tempo 80 beträgt

das Risiko ohne Gurt ums Leben zu kommen etwa

45 %; mit Gurt hingegen beträgt es «nur» 20 %.

Hier sollten die Anstrengungen in Bezug auf Poli-

zeikontrollen mit begleitenden Kampagnen weiter

fortgeführt werden.

Auch in Bezug auf das Anschnallen auf Rücksitzen

hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Ver-

besserung ergeben. Dennoch sind über alle Stras-

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 103

senarten und Landesteile hinweg 32 % der Rück-

sitzpassagiere nicht angegurtet. Die in modernen

Fahrzeugen bereits üblichen Systeme zur Erinne-

rung des Motorfahrzeuglenkenden an den Sicher-

heitsgurt für sich und die Frontpassagiere (seat-belt

reminder), die sich bereits als wirksam erwiesen

haben [100] sollten auch auf die Rücksitzpassagiere

ausgeweitet werden.

6.3 Airbags

Der Airbag ist ein Sack, der bei Bedarf, d. h. bei

einem Unfall, mittels einer Explosion mit Gas ge-

füllt wird. Zunächst in den USA vor allem als Ersatz

für den Sicherheitsgurt geplant (weil die Tragquo-

ten sehr tief waren und anfänglich kaum verbessert

werden konnten), hat er sich mittlerweile eher als

Sicherung zusätzlich zum Gurt durchgesetzt (zu-

mindest in Europa).

Insgesamt muss man jedoch sagen, dass der Airbag

die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht ganz erfül-

len konnte. Die Berechnungen über die Wirksam-

keit von Sicherheitsgurt und Airbag zeigen auf, der

Sicherheitsgurt das Sterberisiko bei einem Unfall

um etwa 50 % reduzieren kann, der Airbag allein

aber nur um 14 %. Sicherheitsgurt und Airbag

zusammen bringen es auf etwa 60 % Reduktion

(NHTSA, 2001[101]). Am wichtigsten ist es also

nach wie vor, dass man den Sicherheitsgurt be-

nützt.

Aufgrund der enormen Kräfte, die beim Auslösen

des Airbags wirken, kann er auch negative Folgen

haben. Ein Thema war das sogenannte «out-of-

position». Es bedeutet, dass jemand (vor allem die

Beifahrer) mit dem Airbag in Kontakt kommt, wäh-

rend dieser noch gefüllt wird. Da er sich während-

dessen mit etwa 300 km/h auf die Person zube-

wegt, kann es (und ist es) zu schweren oder tödli-

chen Verletzungen (ge)kommen – insbesondere bei

Kindern und kleinen Frauen. Mittlerweile ist dieses

Thema aber durch technische Verbesserungen

weitgehend erledigt.

Der Airbag hat aber noch weitere Anwendungsge-

biete. So werden beispielsweise die Rücksitzpassa-

giere bis heute kaum frontal mit Airbags geschützt,

obwohl er auch hier gute Dienste leisten könnte.

6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle

Die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC, Fach-

begriff), das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP

– Markenname des Bosch-Systems) oder auch die

Systeme anderer Hersteller sind eine der besten

Verkehrssicherheitsmassnahmen der vergangenen

Jahrzehnte. Das System vergleicht hinsichtlich der

Fahrtrichtung die Absicht des Lenkers (Lenkradein-

schlag) mit der physikalischen Bewegung des Fahr-

zeugs. Falls diese beiden Faktoren nicht überein-

stimmen (Schleudern), wird eingegriffen indem

einzelne Räder abgebremst und allenfalls sogar die

Motorleistung gedrosselt wird. Dadurch kann im

Grenzbereich das Schleudern verhindert werden.

Das System greift also nur ein, wenn der Lenkende

bereits die Herrschaft über das Fahrzeug verloren

hat. Es ermöglicht ein richtungsgetreues Fahren

solange es physikalisch überhaupt nur möglich ist.

ESC war ursprünglich eine Weiterentwicklung des

Antiblockiersystems ABS, welches das Lenken wäh-

rend scharfer Bremsmanöver ermöglichen und das

Blockieren der Räder verhindern sollte. ESC wurde

viel evaluiert und die Ergebnisse sind extrem posi-

tiv. Ferguson [102] kommt bei der Analyse von 15

verschiedenen Studien aus Japan, Schweden, den

USA, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien

zu dem Schluss, dass tödliche Selbstunfälle durch

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104 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

ESC um 30 bis 50 % reduziert werden. Auch bei

schweren Unfällen mit mehreren Fahrzeugen be-

trägt die Reduktion zwischen 17 und 38 %. Bei

den beliebten SUVs (Geländewagen) sollen die

Effekte sogar noch stärker sein, da diese aufgrund

des hohen Schwerpunktes stärker vom Überschlag

bedroht sind.

ESC hat sich als so wirksam erwiesen, dass es stark

gefördert wird. Viele Neuwagen in der Schweiz

haben es als Standardausstattung (laut TCS 80 %

aller angebotenen Modelle). Andere haben es op-

tional (11 % aller Modelle). Leider sind vor allem

kleinere Fahrzeuge aus dem Niedrigpreissegment

teilweise gar nicht mit ESP zu erhalten (9 % aller

Modelle). Eine Erhebung von Bosch ergab Anteile

von Neuwagen mit ESC von 96 % in Schweden,

79 % in Deutschland bis zu lediglich 46 % in

Frankreich und 42 % in Italien. Zahlen für die

Schweiz gibt es nicht; es darf aber vermutet wer-

den, dass sie eher im oberen Bereich liegen.

Auch die Politik hat sich bereits engagiert. In der

EU müssen ab November 2011 alle neu zugelasse-

nen Pkw und Lkw serienmäßig mit ESC ausgestat-

tet werden. Ab 01.11.2014 müssen diese auch bei

der 1. Inverkehrsetzung mit einem solchen System

ausgerüstet sein40. Insofern besteht also kein Hand-

lungsbedarf für die Schweiz.

Eine noch offene Frage ist die Ausschaltbarkeit von

ESC. Bestimmte – aber nicht alle – Hersteller er-

möglichen eine Ausschaltung von ESC. Angeblich

gibt es Situationen in denen ESC hinderlich ist (An-

fahren auf verschneiten oder vereisten Strassen),

wo das System die Situation möglicherweise falsch

einschätzt.

⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 40 EG-Verordnung Nr. 661/2009, publiziert im EU-ABl, am

31.07.2009

Die meisten Hersteller haben jetzt Systeme, wo sich

ESC bei jedem Motorstart neu einschaltet. Dies

stösst allerdings nicht bei allen Besitzern auf Freu-

de. Zu vermuten ist, dass gerade diejenigen Perso-

nen, die ESC abschalten einen riskanten Fahrstil

pflegen. Von daher ist zu hoffen, dass die Herstel-

ler ihre Systeme so weiterentwickeln, dass es die

Ausschaltfunktion nicht mehr braucht und diese

abgeschafft werden kann.

Ein anderes Problem ist, dass es noch erhebliche

Zeit dauern wird, bis sich ESC in allen Neufahrzeu-

gen findet und alle Altfahrzeuge ohne ESC vom

Markt verschwunden sind. Hier gäbe es zwar theo-

retisch Interventionsmöglichkeiten (beispielsweise

eine Verschrottungsprämie für Altautos ohne ESC).

Die politische Akzeptanz für eine solche Massnah-

me dürfte jedoch in der Schweiz gering sein.

Ein grosses Einflusspotenzial hätten die Versiche-

rungswirtschaft und auch die Kantone. Sie könnten

beispielsweise die Versicherungsprämien oder die

Motorfahrzeugsteuer für Fahrzeuge mit ESC redu-

zieren. Für umweltfreundliche Autos gibt es solche

Bonus-Malus-Systeme auf der Ebene der Motor-

fahrzeugsteuer. Ob es für eine solche eindeutig

sicherheitsförderliche Massnahme die notwendigen

Mehrheiten gäbe, ist zu prüfen.

In Bezug auf die Versicherungen muss man wohl

etwas pessimistischer sein. Zwar gibt es einzelne

Versicherer, die technische Massnahmen unterstüt-

zen (beispielsweise die AXA-Winterthur mit dem

Unfalldatenschreiber), aber ESC hat es – überra-

schenderweise – noch nicht so weit gebracht.

Möglicherweise haben die Versicherer die poten-

ziellen Präventions- und Einsparmöglichkeiten noch

nicht so recht wahrgenommen.

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 105

6.5 ISA

ISA ist die Abkürzung für Intelligent Speed Adapta-

tion. Es handelt sich dabei um ein elektronisches

System, das einerseits aus einer Datenbank bzw.

Kartenmaterial besteht in der alle Höchstgeschwin-

digkeiten gespeichert sind und andererseits einem

System, das den aktuellen Standpunkt erkennt

(GPS). Aus der Kombination von diesen beiden

Informationen kann dann abgeleitet werden, wel-

che Geschwindigkeitslimite im Moment gilt. Mit

dieser Information kann auf drei Arten Verfahren

werden:

1. Die Information wird an den Fahrer weiterge-

geben, beispielsweise in Form einer Einblen-

dung der Limite ins Armaturenbrett oder ins

Head-Up Display auf der Windschutzscheibe.

2. Unterstützung des Fahrers indem das System

meldet, wenn die Höchstgeschwindigkeit über-

schritten wird

3. Ein intervenierendes System, welches immer

eingreift, wenn man zu schnell fährt, wobei al-

lerdings der Motorfahrzeuglenkende das Sys-

tem übergehen kann.

Welches dieser Systeme sich durchsetzen wird ist

bis anhin noch nicht klar.

Erste Untersuchungen zur Wirksamkeit von ISA

haben zu vielversprechenden Ergebnissen geführt.

Eine australische Studie [103] kam zu dem Schluss,

dass mit ISA die tödlichen Unfälle um 8 %, diejeni-

gen mit Schwerverletzten um 6 % gesenkt werden

könnten. Grundlage dieser Resultate waren Beo-

bachtungen, dass sowohl die mittleren und die

maximalen Geschwindigkeiten sowie die V85 ge-

senkt wurden. Eine englische Studie [104] kam zu

wesentlich stärkeren Effekten. Je nach Art des ISA

und Art der Geschwindigkeitslimite wird mit einer

Reduktion der Getötetenzahlen um bis zu 59 %

gerechnet. Die letzte Zahl erscheint allerdings et-

was hoch. Dennoch kann man festhalten, dass mit

ISA ein erhebliches Potenzial zur Verringerung der

Anzahl von Verletzten und Getöteten im Strassen-

verkehr besteht. Darüber hinaus führt ISA auch zu

weniger Emissionen inklusive Lärm. ISA hat sich mit

einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 7:1 auch als

finanziell lohnend erwiesen. Die Technologie ist

vorhanden und kann sehr schnell umgesetzt wer-

den, da es sich um ein fahrzeuggebundenes Sys-

tem handelt.

Das andere Thema und möglicherweise das Haupt-

problem ist die Akzeptanz von ISA. Je strenger der

Eingriff umso geringer ist die Akzeptanz. Und um-

gekehrt ist es natürlich so, dass ISA umso wir-

kungsvoller ist, je stärker und ungestörter der Ein-

griff des Systems ist. In der SARTRE-Umfrage von

2004 [105] hatte sich gezeigt, dass die Schweizer

im Vergleich zu den übrigen Befragten aus über 20

Ländern fahrzeugtechnischen Interventionen im

Allgemeinen und geschwindigkeitsbezogenen Sys-

temen im Besonderen kritisch gegenüber stehen.

Das European Transport Safety Council befasste

sich im Jahr 2006 [106] mit 10 Mythen zum Thema

ISA und bewertete sie allesamt als falsch. Die My-

then sind:

1. ISA ist noch keine reife Technologie

2. Das genaue Bestimmen der Geschwindigkeiten

auf Landkarten ist zu kompliziert

3. Nicht alle Länder können ISA anwenden

4. ISA ist für die Gesellschaft zu teuer

5. ISA ist Big Brother im Fahrersitz

6. ISA hat unüberwindbare haftungsrechtliche

Probleme

7. ISA hat keine öffentliche Akzeptanz

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106 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

8. ISA wäre erfolgreicher wenn es nicht per Gesetz

sondern über den freien Markt eingeführt wür-

de

9. Geschwindigkeit ist nur ein kleines Element der

Verkehrssicherheit

10. Andere Fahrzeug- und Infrastrukturmassnah-

men machen ISA überflüssig.

6.6 Leistungsgewicht

Das Thema Leistungsgewicht als möglicher Risiko-

faktor für zu schnelles Fahren bzw. Geschwindig-

keitsunfälle insbesondere bei jungen Lenkern wird

immer wieder erwähnt. Die Beweise dafür sind

jedoch eher schwach. Palamara und Gavin [107]

führten eine Fall-Kontroll-Studie durch bei der sie

verunfallte und nicht verunfallte junge Motorfahr-

zeuglenkende bzw. das Leistungsgewicht deren

Fahrzeuge miteinander verglichen. Sie fanden kei-

nen signifikanten Unterschied. Sie zitieren in ihrer

Arbeit zwei weitere Studien, die eher schwache

Zusammenhänge nachwiesen. Drummond und

Healy [108] fanden einen Zusammenhang – aller-

dings für alle Altersgruppen, nicht nur für die jun-

gen Lenker. Fontaine [109] fand eine erhöhte

Wahrscheinlichkeit ums Leben zu kommen, wenn

Leistungsgewicht höher als 75 kW pro Tonne Fahr-

zeuggewicht war. Dieser Effekt soll vor allem auf

die höheren gefahrenen Geschwindigkeiten zu-

rückzuführen sein. Das Risiko bestand aber nur für

männliche Lenker unter 30 Jahren ausserhalb von

Ortschaften.

Insgesamt sind die Belege für einen Einfluss des

Leistungsgewichts auf das Unfallgeschehen nicht

eindeutig – weder in die positive noch in die nega-

tive Richtung. Eine genauere Prüfung bzw. Unter-

suchung wäre wohl notwendig bevor man eine

diesbezügliche Massnahme aufgrund nachgewie-

sener Wirksamkeit einführt. Dennoch gibt es Vor-

bilder: In Victoria, Australien dürfen junge Motor-

fahrzeuglenkende in der Zeit des Führerausweises

auf Probe kein Fahrzeug über 125 kW pro Tonne

Fahrzeuggewicht fahren. Und auch der Motor darf

pro Tonne nicht mehr als 3,5 Liter Hubraum haben.

6.7 Fazit

Die Fahrzeugtechnik hat extrem wichtige Beiträge

zur Verkehrssicherheit geleistet und wird wohl

auch in Zukunft noch viel beitragen können. An

erster Stelle ist hier der Sicherheitsgurt zu nennen,

der, rund der Hälfte der unangegurteten Verkehrs-

toten das Leben hätte retten können. In der

Schweiz macht dies etwa 40 Getötete pro Jahr

weniger aus. Das grösste Problem ist die nach wie

vor nicht befriedigende Tragquote insbesondere

bei jungen männlichen Lenkern, innerorts, ausser-

orts sowie bei Nacht und unter Alkoholeinfluss.

Hier sind weitere Anstrengungen nötig.

An zweiter Stelle ist die elektronische Stabilitäts-

kontrolle (ESC) zu nennen, da sie eine überragende

Wirksamkeit bei der Verhinderung von Schleuder-

unfällen hat. Die obligatorische gesetzliche Einfüh-

rung von ESC in der Europäischen Union und die

Verbreitung des Wissens über den Nutzen der

Fahrassistenz-Systeme sind wichtige Schritte. Be-

dauerlich ist, dass es noch einige Zeit dauern wird

bis die Elektronische Stabilitätskontrolle in der ge-

samten Fahrzeugflotte vorhanden sein wird. Eine

Ermutigung vor allem der jungen Lenkende auf

Fahrzeuge mit ESC umzusteigen, könnte helfen,

diese Übergangszeit zu verkürzen.

Eine weitere innovative Technik, die allerdings den

Durchbruch noch nicht geschafft hat, ist ISA – die

Intelligent Speed Adaptation. Dabei wird aus der

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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum Geschwindigkeitsmanagement 107

aktuellen Position (bestimmt mittels GPS) und

elektronischen Landkarten mit den gültigen

Höchstgeschwindigkeiten bestimmt, wie schnell

man aktuell fahren darf. Das Sicherheitspotenzial

für ISA kann, je nach Art der konkreten Ausgestal-

tung, beträchtlich sein.

Airbag und Deformationszone/Knautschzone sind

wichtig um die Schwere von Unfällen zu vermin-

dern. Bei beiden wird man in Zukunft noch weitere

Verbesserungen sehen.

Nicht ganz geklärt ist die Frage nach der Bedeu-

tung des Leistungsgewichts. Diesbezüglich besteht

noch Forschungsbedarf.

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108 Schlussfolgerungen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06

VIII. Schlussfolgerungen

Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich Ge-

schwindigkeit werden pro Jahr durchschnittlich

1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die

Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei ei-

nem Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel

bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen

Schwerpunkt dar.

Die Geschwindigkeitswahl ist aus zweierlei Hinsicht

für die Verkehrssicherheit entscheidend: Je schnel-

ler gefahren wird, desto weniger Zeit bleibt einer-

seits für angemessene Reaktionen, um Unfälle zu

verhindern, und desto gravierender sind anderer-

seits die Verletzungsfolgen. Ein paar Stundenkilo-

meter mehr oder weniger können aufgrund des

exponentiellen Zusammenhangs über Tod oder

Leben entscheiden, insbesondere bei relativ tiefen

Geschwindigkeiten.

Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und

eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begüns-

tigen schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zwei-

phasenfahrausbildung muss diesbezüglich noch

evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot

für Neulenkende.

Für ein wirksames Geschwindigkeitsmanagement

haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element

erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer

wegen überhöhter Geschwindigkeit gebüsst. Die

allermeisten Kontrollen werden automatisch

durchgeführt. Deren Intensivierung vor allem auf

Landstrassen ist notwendig. Zudem sind gut sicht-

bare sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig

verteilte bemannte Geschwindigkeitskontrollen

sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensände-

rung sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert

werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit

verhaltenstherapeutischen Interventionen haben

sich ebenfalls als wirksam erwiesen.

Zur Entschärfung des Geschwindigkeitsproblems

trägt auch die Optimierung einer adäquaten In-

frastruktur bei, mit der das Strassennetz hierarchi-

siert sowie selbsterklärende und fehlertolerante

Strassen realisiert werden sollen. Innerorts sind in

erster Linie die Nutzungsansprüche aller Ver-

kehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Ausserorts-

strassen sind prioritär so zu projektieren, dass sie

zu einem homogenen Geschwindigkeitsverlauf

führen. Die Beseitigung von festen Objekten am

Strassenrand und – unter gewissen Bedingungen –

die Montage von Mittelleitschranken können die

Folgen von geschwindigkeitsbedingten Unfällen

reduzieren. Zur Umsetzung dieser Interventionen

sind Fachleute laufend zu sensibilisieren sowie

Road Safety Audits, Road Safety Inspections und

Black Spot Management für obligatorisch zu erklä-

ren.

Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt

nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls

sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitäts-

kontrolle, die das Schleudern verhindern kann.

Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent

Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen Ge-

schwindigkeitsunfälle leisten können. Einen Über-

blick über Massnahmen mit unterschiedlichem

Nutzen liefert Tabelle 1, S. 17.

Page 111: bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Der Faktor Geschwindigkeit ... · Schlussfolgerungen 108 Quellenverzeichnis 109. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9 I. Abstract

bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Quellenverzeichnis 109

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