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fN tur . i w ssenscnanen

Gifte. Geschichte der Toxikologie. Hrsg. von M. Amberger -Lahrmann und D. Schm~thl. Berlin-Heidelberg- New York: Springer 1987. XII , 351 S., 65 Abb. , 14 Tab. , DM 98, - . L. Lewins ,,Gifte in tier Weltgeschich- te" war - und ist auch nach fast 70 Jahren - eine hOchst interessante bil- dungssehwere Darstellung der Toxiko- logie in der Historie. Hier nun hat man eine Historie der Toxikologie selbst, ge- schrieben von einigen ihrer lang ver- dientesten und -gedientesten, dadurch einen weiten Hor izont t iberschauenden Vertretern, die ihr Metier mit versierter Erfahrung, zum Teil mit beacht- und amtisierlichem Erz~thltalent, beherr- schen; mit einem ungewOhnlichen Schwung in der Kontur ierung durch Beiziehung von anekdot ischem Detail oder zitierten Autorit~iten. So wird ge- ntiglich darauf hingewiesen, wie unver- ~inderte menschliche Schw~ichen unver- ~indertes Verhalten bewirken. Wer erin- nert sich nicht, dab bereits die alten RO- mer Wein gepanscht haben und mit Blei zu verstigen trachteten - was mit dem Aussterben der R6mischen virtus in Verbindung gebracht wird - und dab ihre Nachfolger dazu ~_thylengly- kol verwendeten, obgleich gerade diese Substanz es war, die 1937 zur Griin- dung der F D A geftihrt hat - nach ei- nem wohl nicht dem Gewinnstreben, sondern der menschlichen Unbedacht- samkeit zuzuschreibenden Skandal . Die Italiener werden als perenne Giftmi- scher angeprangert - was sicher nicht fair ist. Sie waren die fortgeschrit ten- sten Kenner und haben frtihzeitig Kapi- tal aus ihrem Wissen zu schlagen ge- sucht - wo ist die Grenze? Die Geschichte der Genul3gifte ist ebensosehr die Geschichte der Vorein- genommenheiten, und wet weil3, wie man tiber unsere sehr l iberalen Vorstel- lungen in diesen Dingen und die Eng- herzigkeiten in anderen nach 50 Jahren urteilen wird? Tats~ichlich wird hier nun zum ersten Mal der Entwicklungsroman der Wis- senschaft von den Giftwirkungen ge- schrieben, v o n d e r ersten antiken Crber- lieferung bis zur exakten wissenschaftli- chen Gegenwart , in der die Offentlich-

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keit so hohe Forderungen stellt und Er- wartungen hat, dab der Toxikologe nicht zu beneiden ist in der Zwickmtihle zwischen Informat ion und Kommen- tar. ,,Dosis sola facit venenum" wird gesagt und immer wiederholt , was abet so sehr tiberzeugend nicht ist, da man in den wenigsten F~illen weiB, was ei- gentlich im KOrper durch die schadende Dosis angerichtet wird. Dazu sind die Konzepte immer noch reichlich verein- facht (mtissen es sein), und eine Maus, geschweige denn ein Mensch, ist zu sehr ein zusammengesetzter Organismus. Immer wieder zeigt sich, dab das schlichte monokausale Denken zwar auf das GroBe aufmerksam macht, aber die Detailuntersuchung dann er- gibt, dab mehrere Faktoren gleichzeitig wirken und das Komplexere immer der wahren Pathogenese am n~ichsten kommt. Die Toxikologie ist nun eine anerkann- te Wissenschaft. Wie mit dem Profes- sor Simpson und dem accouchement la reine die Chloroformnarkose ihren Siegeszug durch die KreiBs~tle antrat , so hat die Geburtshelferkunst des Wissen- schaftsrats der Toxikologie die mit ei- genen Schildern versehenen Ttiren in den Pharmakologie-Inst i tu ten geOffnet - aufbauend auf nicht unerheblichen Tradit ionen - , allerdings zuerst in Dorpat und StraBburg. Experimentelle Toxikologie ist ein Pro- dukt der vernaturwissenschaftl ichten Medizin. Physikalische Trennverfah- ren, chemische Analyt ik , biologische Prtifung - zusammen mit der weit ~il- teren Statistik und Epidemiologie - haben im Lauf von 100 Jahren die Wis- senschaft von den Giftwirkungen neu orientiert. Hinzu kamen das saldieren- de Kalktil und die konternde EmpOrung und schufen die Gewerbehygiene und Arbeitsmedizin. Das Problem der Be- rufskrankhei ten ist seit 300 Jahren ak- tuell, seit Bernardino Ramazzini seine in Zorn und Mitleid gesammelten Er- fahrungen der Venediger und toskani- schen Arbeitsverh~iltnisse ktihl in Zah- len ver6ffentlicht und damit das Gewis- sen der Herzensgebildeten geweckt hat

- bis es auch den Fabr ikanten geschla- gen wurde. Heute hat die Zusammenar-

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beit zwischen Betriebsarzt, Gewerbehy- gienikern und Chemiker - immer noch nicht perfekt - hoffnungswtirdige Umrisse zur Vorbeugung weiterer Schadensf~ille angenommen. Der Geschichte der Narkose in den ver- schiedenen historischen Epochen und der verschiedenen Narko t ika in der Neuzeit wird ebenso nachgegangen wie der historischen Entwicklung der Arz- neilehre in einem in engagierter kriti- scher Verve geschriebenen Kapitel, in dem den auf ihre Kurierfreiheit pochen- den Arzteverb~inden ins Gewissen gere- det wird, nicht die Chance immer wie- der zu verpassen, eine produzentenun- abh~ingige Arzneiprt i fung einzurichten, wie denn die Gruppendynamiken und Prestigeverhgltnisse gerade dieses Be- rufs einer einsichtigen - allerdings sehr verdeckten - InsiderprOfung unterzo- gen werden. Den Strahlenwirkungen - nattirlich auch Toxikologie - wird ein gut erz~ihltes, exakt dimensionierendes Kapitel gewidmet. Ein neu-altes Gebiet sind krebserregende Stoffe der nattirli- chen und industriellen Umwelt. Der Autor hat es nicht zum erstenmal ge- schrieben, aber die Routine hat dem Stoff eing~ingigen Schliff gegeben. Arzneimittelvergiftung ist alt - erst die Publizit~it der noch im Rtickblick skan- dalisierenden Zwischenf~ille hat die rechtlichen Fragen formuliert , ohne je- doch zu einem Beschlul3 zu kommen. Es besteht durchaus Handlungsbedarf , abet nicht unbedingt vom Gesetzgeber, denn die Geschichte der hiesigen gesetz- lichen Bestimmungen gibt uns vor al- lem einen Einblick in die Emsigkeit des Bundestages und den Perfektionsstolz der Ausschtisse, die in jeder Sitzungspe- riode mindestens ein entsprechendes Gesetz hecken, das so schnell gestrickt ist, dab es gentigend Maschen enth~ilt far den Raffinierten, um den dann ein neues Netz geworfen werden mug, start die Hand an die Wurzel zu legen. Wenn die Zusammenstel lung komplet t ist, zeigt der Vergleich, dab alle anderen L~nder im Detail weit hinter uns her- hinken - aber t ro tzdem Vorbild sind.. . Wichtiges in dieser Welt ist immer kurz: Die 10 Gebote umfassen 103 W6rter I

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Die Autoren verstehen, mit routinier- tem Behagen und stiller Ironie die Din- ge zu bieten, und viele eignen sich pr~ichtig dazu, durch Anekdoten und Kasuistik illuminiert zu werden. Da- durch ist dieses Buch mehr als eine fun- dierte Darstellung der Geschichte eines Spezialgebiets, n~tmlich eine hochinter- essante Lektfire ffir jeden, der Hang hat, fiber seine und die Grenzwissen- schaften nachzudenken, besonders wenn sie uns ansprechen, wie die Gift- kunde mit ihrem detektivischen Flair und den Fallberichten von (fast) per- fekten Morden - fiber die wirklich per- fekten kann bekanntlich nicht berichtet werden. Wie hat sich die forensische Toxikolo- gie zwischen Staatsanwalt und Verteidi- ger gehalten und - wenn gut - zu el- net abh~tngigen und selbstkritischen Feinstanalytik entwickelt? Wie ethisch mul3 der Mediziner im Wettlauf mit dem Leid, mit der Hoffnung und - dem Ruhm sein? Das Beispiel der Marshschen Probe ist ebenso spannend wie der Streit um Tuberkulin und Sal- varsan - aus beidem l~iBt sich lernen, und man geht nicht fehl, wenn man aus der Geschichte zu lernen versucht - auch unter Beriicksichtigung der politi- schen und Verhaltenskoordinaten, wie es mit einem feinen Fragezeichen bei den Angriffen auf Paul Ehrlich ange- deutet wird. Dies ist ein Buch der allge- meinen Bildung. Es appeliert an die Vernunft, die Verantwortung und die Ehrlichkeit am Beispiel der toxikologi- schen Rfickschau. Die Koordination der Kapitel h~tte durch einige Querver- weise mindestens den guten Willen ei- ner Redaktion erkennen lassen. Aber jedes ffir sich besticht. Weiterreichende Interessen finden weiterffihrende Lite- ratur, nicht immer zu den modernsten Arbeiten. Auch die Zahl der Druckfeh- ler, besonders franzOsischer WOrter, ist ein biBchen ~irgerlich. Doch stOrt das hOchstens den pflichtschuldigen Rezen- senten, nicht den genieBenden, der dies Buch mit groBem Vergnfigen gelesen hat.

L. Jaenicke (K61n)

Hepatologie. Hrsg. von W. Gerok. Mfinchen-Wien-Baltimore: Urban und Schwarzenberg 1987. 680 S., 278 Abb., 183 Tab., DM 368, - . Dies ist der erste Band der Reihe Innere Medizin der Gegenwart, die auf 14 B~inde angelegt ist. Wenn alle anderen

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B~inde so werden, wie der erste von W. Gerok und seinen Mitarbeitern gestaltet wurde, dann entsteht ein vorbildliches Gesamtwerk 0ber die innere Medizin. Die Leber hat den Menschen schon im- mer besch~ftigt, das spiegelt schon die hippokratische Lehre wider. Galenos und Leonardo da Vinci (129- 199 bzw. 1452-1519) haben sie wohl zuerst se- ziert, und Andreas Vesal (1514-1564) hat sie zum ersten Mal vollendet darge- stellt. Die moderne naturwissenschaftlich orientierte ktinische Hepatologie wurde yon Friedrich Theodor Frerichs (1819- 1885) in Breslau und Berlin be- grtindet. In 44 Kapiteln, die in die Abteilungen Grundlagen, Diagnostische Verfahren, Krankheitsbilder und Beziehungen zwi- schen Leberkrankheiten und anderen Organsystemen gegliedert sind, wird eine Systematik der Hepatologie erar- beitet, die auBerordentlich fibersicht- lich und damit sehr praktisch ist. Gerok entschuldigt sich im Vorwort ffir die h~iufige Verwendung von Flul3diagram- men. Das ist unnOtig, denn sie sind ein wichtiges Hilfsmittel for die schnelle und logische Information, genauso wie die zahlreichen, hervorragenden Abbil- dungen. Und die ist ja nicht for den kli- nischen, sondern genauso ffir den nie- dergelassenen Internisten und den Praktiker ausschlaggebend. Demselben Zweck dient auch die Quer- vernetzung der Kapitel, denn z.B. die Hepatomegalie ist ja eben Symptom zahlreicher Lebererkrankungen, wird also zu Anfang als i3bersicht, aber dann in den einzelnen Kapiteln Hepati- tis, Zirrhose, Tumoren usw. bespro- chen, ohne sich zu wiederholen, son- dern auf die anderen Stellen verwei- send. Und so erinnert man sich sp~iter an das erste groBe FlieBschema yon der palpatorisch-perkutorisch erfal3ten He- patomegalie. Gleiches gilt ffir die tibrigen Grundla- genkapitel. Die diagnostischen Verfah- ren, yon den klinisch-chemischen tiber serologisch-virologische bis zu den im- munologischen Untersuchungen, wer- den genauso geschildert wie die bildge- benden Verfahren, an erster Stelle die Sonographie. Nattirlich fehlen Leber- biopsie und Laparaskopie nicht. Dabei ist interessant zu erfahren, dab Paul Ehrlich bei Frerichs die erste Leber- biopsie am Menschen durchgeftlhrt hat (1884). Bei den Krankheitsbildern

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nimmt naturgem~13 die Leberzirrhose den grOl3ten Raum ein, besonders in- formativ die Lebersch~iden durch Fremdstoffe, an erster Stelle Paracet- amol, und bei Infektionskrankheiten. Aus dem Tell Beziehungen zwischen Leberkrankheiten und anderen Organ- systemen geht einmal mehr die zentrale Stellung der Leber im Organismus her- vor. Von R. Pichlmayr, Hannover, stammt das Kapitel tiber die Lebertransplan- tation, das sowohl die Indikationen, fibrigens werden viel mehr Lebersch~i- den durch Infektionen oder andere No- xen verursacht als durch maligne Tumoren, als auch die Nachsorge be- handelt. Der Literaturnachweis wurde auf die letzten 10 Jahre beschr~inkt, eine Ten- denz, die wohl den Verlagen zuzu- schreiben ist, schade. Zweimal wird Friedrich Theodor Frerichs fibrigens als H. Frerichs zitiert, bedauerlich. Im fibrigen wurde die Laudatio dieses Buches bereits an den Anfang gestellt, bewuBt, sie braucht also nicht wieder- holt zu werden. Das Studium der Hepa- tologie bringt allen Gewinn, nieht nur den Internisten und den Praktikern, auch den Chirurgen und Anaesthesi- sten. Man erwartet gespannt die n~ich- sten B~nde der Reihe ,,Innere Medizin der Gegenwart."

D. Gericke (Mtinchen)

Einfiihrung in die Physikalische Che- mie. Von H. Labhart. Teil IV: Mole- kiilbau. Berlin-Heidelberg-New York: Springer 1987. X, 168 S., 45 Abb., DM 28, - . Im Vorwort zum Gesamtwerk wies Prof. Labhart darauf hin, dab bei der Darstellung des Stoffs durchweg die de- duktive Methode angewandt wurde. So ganz kann das beim vorliegenden 4. Band mit der Quantenchemie nicht durchgehalten werden; dazu ist der Umfang zu bescheiden. Der Stoff ist nach bekannter Logik gegliedert: Nach einer historischen Einleitung und der Skizzierung der zu behandelnden Pro- bleme werden zun~ichst - allzu knapp auf weniger als 7 Schreibmaschinensei- ten - die mathematischen Hilfsmittel geboten, die zum Durcharbeiten der n~tchsten Abschnitte notwendig sind. Die nun folgenden Postulate der Quan- tenmechanik mtissen auf dieser schma- len und nicht konkretisierten Basis auf-

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bauen. Dies sind die Einteilchenmodel- le und dann die grunds~itzlichen N~ihe- rungsverfahren, die ftir Mehrteilchen- probleme angewendet werden, wobei allerdings die StOrungsrechnung und die Born-Oppenheimer-Naherung nut kurz andiskutiert werden, obgleich von ihnen sp~iter Gebrauch gemacht wird. Etwas ausftihrlicher geht der Autor auf die Slater-Funktion ein und zeigt die Grenzen der ab-initio-Verfahren auf. Nun werden die gewonnenen Erkennt- nisse auf die Beschreibung einzelner Atome angewandt und als erste N~ihe- rung die Elektronenverteilung durch Slater-Funktionen entwickelt sowie durch Vergleich verschiedene Atom- eigenschaften mit den Erwartungswer- ten gepriift. Ausft~hrlicher wird da- nach, wie tiblich, das Wasserstoffmole- ktil durch die Heitler-London-N~he- rung und das LCAO-MO-Modell be- schrieben. Diese Betrachtungsweise wird qualitativ auf Molektile ausge- dehnt, bei denen mehrere Orbitale ver- schieden besetzt sind oder die zwei ver- schiedene Atome und dann mehr als zwei Atome enthalten, wobei auch auf die HMO-N~herung eingegangen wird. Das letzte Kapitel ist schliel31ich den empirischen Molektileigenschaften ge- widmet. Es versucht, eine Verbindung zwischen den beobachteten Ph~inome- hen und dem in den vorangegangenen Kapiteln Postulierten herzustellen. Zu kurz wiederum sind die vorangestellten Abschnitte tiber Molektilsymmetrie und Molektiltopologie geraten. Die ma- thematische Ausbildung von Haupt- fach- oder gar Nebenfachchemikern reicht nicht aus, die Ableitung der ver- wendeten Formeln ohne Benutzung ei- nes ausftihrlichen Lehrbuchs der Quan- tenchemie zu verstehen geschweige denn ,,problemorientert" zu reprodu- zieren, und so stellt sich die Frage nach

dem Nutzen des vorliegenden Teils. Li- teraturempfehlungen fehlen fast ganz, und auch ein Symbolverzeichnis mit Verweisen auf die Defintionsstellen w~ire hilfreich. Durch ein modernes und nicht kostentr/~chtigeres Druckverfah- ren h~tte der Raum ftir dies und ande- res leicht gewonnen werden k6nnen - es sei denn, ergeben-textverarbeitende Stenotypistinnen werden noch immer diskriminierend schlechter bezahlt als organisierte Computerprinter. Das Konzept und der Stil des vorliegen- den Buches lassen vermuten, daf3 eine erweiterte Auflage eine Bereicherung des Lehrbuchangebots bedeuten kOnn- te. So l~Bt sich der vorliegende Band bestenfalls ,,zum Gebrauch neben den Vorlesungen" oder als erinnerungsst~ir- kendes Repetitorium empfehlen.

L. Jaenicke (K01n)

Populationsgenetik. Grundlagen und experimentelle Ergebnisse. Von D. Sperlich. Stuttgart-New York: G. Fischer 1988. 240 S., 115 Abb., 40 Tab., DM 4 4 , - . Die erste Auflage dieser Einftihrung ist schon 1973 erschienen. Inzwischen hat sich der Schwerpunkt der genetischen Forschung auch an ,,hOheren" Organis- men noch weit mehr als damals auf die Molekulargenetik verlagert. Damit ging eine gewisse Einengung des Gesichts- winkels einher; Problemkreise, die nicht unmittelbar mit der molekularen Analyse von Genomen zu tun hatten, gerieten an den Rand der Aufmerksam- keit. Dazu gehOrt auch die Popula- tionsgenetik - trotz neuer Konzepte wie der ,,neutralen" Theorie yon Ki- mura. Um so mehr ist es zu begrtil3en, dab Verlag und Autor sich nunmehr zu einer zweiten Auflage entschlossen ha- ben. Populationsgenetische Grundtat-

sachen, Konzepte und Modetle werden meist auf mathematisch elementarer Ebene abgehandelt; es wird Weft dar- auf gelegt, dal3 der Leser die gedankli- chen Grundlagen versteht. Im Mittel- punkt steht nach wie vor die experimen- telle Forschung, besonders an Droso- phila, zur Abkl~irung von Alternativen, welche die Theorie aufwirft, wie etwa der zwischen Dominanz und l]berdo- minanz; Th. Dobzhansky griiBt aus dem Hintergrund. Deterministische und stochastische Modelle werden ein- ander gegentibergestellt, und die vor al- lem von Kimura vertretene Auffassung, wonach ein groBer Teil der beobachte- ten, ,,normalen" genetischen Variabili- t~it auf DNA-, aber auch auf Protein- ebene nicht dutch Selektion determi- niert, sondern durch stochastische Pro- zesse verursacht sei, wird mit positivem Akzent geschildert. Prinzip und Nach- weis von genetischen Polymorphismen an der DNA selbst geh6ren zu den in diese Auflage neu aufgenommenen Themen. Einzelne Beispiele aus der Hu- mangenetik, wie Selektion dutch Infek- tionskrankheiten bei Hamoglobinva- rianten und Blutgruppen, erg~inzen die sonst meist auf tierexperimentellen Be- funden basierende Darstellung. Wie der Autor mit Recht betont, k6nnten die heute oft diskutierten Eingriffe in das genetische Material des Menschen - sollten sie in der Zukunft einmal mOg- lich werden - nur einen minimalen EinfluB auf die genetische Zusammen- setzung yon Populationen haben. Da- gegen beeinflUssen wir diese Zusam- mensetzung erheblich als Nebenwir- kung der modernen Zivilisation. Das Buch eignet sich nach wie vor als kompetente, solide Einleitung in ein heute leider oft vernachl~issigtes Gebiet der Genetik.

F. Vogel (Heidelberg)

Naturwissenschaflen 75 (1988) �9 Springer-Verlag 1988 581


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